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der Handlungen fortfallen: es konnte kaum noch von einer selbst
beschränkten Lückenlosigkeit der Tatsachenreihen die Uede sein,
und der Eindruck der Brutalität vieler Handlungen bei Boccaccio
wurde durch den des Abenteuerlichen und Unwahrscheinlichen ver¬
stärkt. Die Zustutzung der Vorlage auf das trocken Materielle
konnte zudem wahrlich nicht geeignet sein, den Liedcharakter der
Form als berechtigt erscheinen zu lassen.
Buch einige der Schwänke, die Sachs dem Decamerone ent¬
nahm, hat er dreifach bearbeitet, und wiederum find die Lied-
und die erste Spruchfassung durchgängig vom gleichen Datum
und die zweite Spruchdichtung beträchtlich jünger. Zum Beispiel
in der Geschichte vom Bruder Zweifelh fassen das Sied und der
ältere Spruch den Stoff ganz knapp zusammen, vor allem werden
auch die satirischen Äußerungen in der Uede des Priesters fort¬
gelassen,- nur am Schluß fügt der Dichter polemisch hinzu:
„Des ist Deutschlant mit diesem prauch
Lang zeit worden petrogen auch.
War sagt das alt Sprichwort gemein:
Die weit die will petrogen sein.“
Der jüngere Spruch hat eine stark verlängerte Moral mit heftigen
Ausfällen gegen die frühere klerikale ; die Er¬
zählung selbst stimmt in vielen Teilen mit der älteren Fassung
genau überein, zeigt aber durch die größere Ausführlichkeit der
Darstellung, daß der Dichter seinen Boccaccio wieder heran¬
gezogen hatte.
Ähnlich verhält es sich mit dem Schwank von der jungen
lvittib und ihren zwei Liebhabern"),- der einzige Unterschied
zwischen den beiden gleichzeitigen Bearbeitungen ist der, daß der
Spruch zum Schluß die Effielle nennt „Thuet Johann Bocacius
schreiben“, während das Lied, bei dem die Efuellenanführung
ungebräuchlich war, an den Inhalt des zuletzt Gesagten anschließt:
«So mag sie wol pey eren pleiben“. Der spätere Spruch zeigt
wieder Zusätze nach der Esuelle, aber auch frei Erfundenes (der
Stein, der das Grab verschließt). Buch die Moral ist hier erweitert.
') 5 chw. III 117: I 61: II 217: 11 0 c c. VI 10.
!)Sd]ro. III 119: 1 63: JI 218: B o c c. IX 1.