Si0sw lurh grtyHrt
Xouis Ibofímann
UNSERE SAARHEIMAT
EINE REIHE VOLKSTÜMLICHER HEIMATSCHRIFTEN
VON DER SAAR
HERAUSGEGEBEN
VON
KARL SCHNEIDER
BAND 6:
RUPPERSBERG, GESCHICHTE
DER EVANGEL. GEMEINDE ALT-SAARBRUCKEN
VERLAG GEBß. HOFER A.-G. / SAARBRÜCKEN
GESCHICHTE DER
EVANGEL. GEMEINDE
ALT-SAARBRUCKEN
VON
PROFESSOR Dr. h. c. RUPPERSBERG
MIT ABBILDUNGEN IM TEXT
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VERLAG GEBR. HOFER A.-G. / SAARBRÜCKEN
L GESCHICHTE DER GEMEINDE
1. DIE ENTSTEHUNG
DER PFARREI SAARBRÜCKEN
Die älteftc Kirche in Saarbrücken war die Burgkapelle, die feit dem
Jahre 1228 von einem Priefter des Deutfchcn Ordens bedient
wurde. Aber diele Burgkapelle diente nur dem religiöfen Bedürf-
niffe der gräflichen Familie und der Burgmannen; die übrigen Bewoner von
Saarbrücken waren auf die Stiftskirche in St. Arnual angewiefen, die als
Mutterkirche das größte Anteilen weit und breit genolj; m ihr oder bei ihr
beerdigt zu werden und dort Seelenmeffen zu erhalten, war die letzte irdifche
Sorge der Bewohner von Saarbrücken. Im Jahre 1261 aber hatte lieh die
Bürgcrfchaft von Saarbrücken bereits fo vermehrt, da^ der Bau eines
eigenen Gotteshaufes nötig erfchien. Wohl auf Veranlagung der Gräfin Lo-
rette gehaftete der Bifdiof von Mel^, Philipp von Flördingen, am 23. Auguft
1261 dem Dekan und dem Kapitel von St. Arnual, wegen des weiten
Weges zu der Mutterkirche eine Kapelle in Saarbrücken zu bauen und
dafelbft Gottesdicnft abzuhalten. Diefe Kapelle lag an der Stelle der
heutigen Schlo^kirdhe. Wie wir aus einer fpäteren Urkunde erfahren,
war fie dem heiligen Nikolaus geweiht. Diefe St. Nikolauskapellc hatte
jedoch keinen Tautbrunnen und keinen eigenen Priefter. Graf Johann I.,
dem Saarbrücken feine bürgerliche Freiheit verdankt, unternahm es auch,
die kirchlidie Selbftändigkeit der Stadt herbeizuführen. Aut einer
Reife nach Avignon, die er im Jahre 1325 im Aufträge König Johanns
von Böhmen unternahm, hellte er dem Papft die unbefriedigenden kirch-
lichen Verhältniffe in Saarbrücken und St. Johann vor. Obwohl beide
Städte fehr volkrcidi feien — es befänden fidi dort über 40 adelige
Häufer — und obwohl die kirchlichen Einkünfte zur Unterhaltung eines
Prieftcrs ausreichten, müßten die Bewohner die Sakramente von der
eine halbe Wegftunde entfernten Kirdie in St. Arnual empfangen. So
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Stiftskirche zu St. Arnual
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komme es, dal? öfters Kinder ohne Taufe und andere gläubige Ein-
wohner ohne Empfang der Sakramente geftorben feien zur Gefahr für
ihr eigenes Seelenheil und zum Ärgernis für viele andere. Daher gab
Papft Johann XXII. auf Bitten des Grafen Johann dem Bifchof von
Met? den Befehl, den Rektor von St. Arnual durch Androhung von
Kirchenftrafen dazu anzuhalten, dah er in den beiden Kapellen Tauf-
brunnen anlegen laffe und dort einen eigenen Priefter beftelle, der den
Einwohnern den Gottesdienft abhalten und die Sakramente fpenden
könne.
Seit dieier Zeit war Saarbrücken eine befondere Pfarrei, aber der
Pfarrer oder Kirchherr, den das Stift beftellte, behielt feinen Wohnfit?
in St. Arnual; denn das Stift weigerte fich, einen händigen Pfarrer
in Saarbrücken zu befteüen, weil kein Chorherr außerhalb des Stiftes
wohnen dürfe. Da die Süftsherren in der Erfüllung ihrer kirchlichen
Pflichten fehr fäumig waren, fo ftifteten einige Bürger von Saarbrücken
im Jahre 1412 eine Frühmeffe auf „unferer Frauen Altar“ in der
Kapelle zu Saarbrücken, damit wenigftens zwei bis drei Meffen in der
Woche gelcfen würden.
Zur Aufrechterhaltung dieier Stiftung bildeten die beteiligten Bürger
eine befondere Bruderfchaft, die zur Beförderung des ewigen Heils fich
zur Zahlung eines Brudergeldes und zu frommen Werken verpfichtete.
Der Mittelpunkt der frommen Vereinigung war ein Kirdrenaltar, den
die Genoffen an Fefttagen mit Kerzen verfallen und ausfdimückten. An
der Spitze ftand ein Brudermeifter, der das Kirdienvermögen zu verwalten
halte. Die Bruderfchaft in Saarbrücken führte nach der St. Nikolaus-
kapelle den Namen St. Nikolausbruderfchaft.
im Jahre 1476 wurde an der Stelle der alten Kapelle in Saarbrücken,
die baufällig geworden war, eine neue, ftattliche Kirche, die nodi heute
flehende Schlohkirche erbaut. Der Kirchherr verfah nodi immer feinen
Dienft von St. Arnual aus, wo auch die Taufen gewöhnlich abgehalten
wurden. Erft im Jahre 1549 gaben der Dekan und das Kapitel nach
langem Sträuben zu, dah der Kirchherr von Saarbrücken auch in der
9
о
Inneres der Stiftskirche zu Si. Arnual
Stadt wohnen feilte* Dadurdr erft wurde eine fclbftändigc Pfarrei
Saarbrücken begründet. Der Kanonikus und Curatus Johann Wald
wurde als Pfarrherr zu Saarbrücken präfenliert; er feilte Tag und
Nacht in Saarbrücken bleiben und feine Pfründe aus dem Stift beziehen
wie ein anderer, „nadr ihm ein anderer, alfo für und für zu ewigen
Tagen, fo oft von nöten, jederzeit einer, der gefdrickt und dem Volk
verftändlidr fei.“
Die Reformationsbewegung, die durdr das Auftreten Luthers hervor-
gerufen wurde, blieb nidit ohne Wirkung auf die Bevölkerung der
Städte, wie wir aus einer Verordnung des Grafen Johann Ludwig vom
Jahre 1528 erfehen. Der Graf, welcher jeder Neuerung abgeneigt war,
gebot allen Prieftern und Untertanen aufs ftrcngfte, feinem crnftlichcn
Willen und Befehle nachzukommen. Er machte fodann die Verringe-
rung der Feiertage bekannt, die auf dem Regensburger Reichstage 1524
beldrloffen worden war; cs blieben noch 28 Feiertage, nämlidr der
Chrifttag, St. Stcphanstag, St. Johannistag, Unfchuldig Kindleinstag,
Neujahrstag, hl, Dreikönigstag, Oftertag mit zwei folgenden, Uffartstag
(Himmelfahrt), St. Georgentag, Pfingfttag famt zwei Tagen, FTonleidi-
namstag; die 4 hodrzeitlidien Feite unser Frauen, nämlidr: Lichtmeh,
Verkündigung, Himmelfahrt und Geburtstag; 12 Botentag, St. Johannis
des Täufers Tag, Maria Magdalena; St. Lorenzen, St. Midrcls, Aller-
heiligen, St. Martin, St. Niklas, St. Kaihrinentag. Sodann aber er-
mahnte der Graf alle Untertanen, an allen „hodrzittlichen Tagen“, d- h.
an den hohen Feiten, die „vier ufgefehten Opfer“ darzubringen bei
10 Gulden Strafe. Audi feilten die Untertanen, wenn der Pfarrer auf
die Kanzel gehe, „das Evangelium und Gottes Wort zu verkünden,“
nidit aus der Kirdre gehen und auf dem Kirdrhof fpazieren.
Wir erfehen hieraus, dah in der Bevölkerung Gleichgültigkeit gegen
den hergebrachten Gotlesdicnft eingeriffen war, und da^ anderfeils man
dodr gewiffe Zugeftändniffe machte, wie Verminderung der Feiertage und
Einführung der Predigt. Die Priefter muhten fich vor ihrer Betätigung
dem Grafen gegenüber verpflichten, die Pfarrkirche nicht zu „permutieren
ЛЬ Ljv>^
evi
noch zu übergeben durch keinerlei Gewalt päpftlicher oder weltlicher
Oberkeit ohne Wifien und Verwilligung des gnädigen Herrn, fondern
felber Refidenz darauf zu thun“.
2. DIE EINFÜHRUNG DER REFORMATION
Während auch die Nachfolger Johann Ludwigs, die Grafen Phi-
lipp 11. und Johann IV., als freue Anhänger des habsburgifchen
Haufes an der alten Lehre fefthielten, drang die Reformation mehr
und mehr nach den Grenzen der Grafichaft vor. In dem benach-
barten Zweibrücken war das evangelifdre Bekenntnis fchon 1522 zur
Herrfchaft gelangt, im Jahre 1554 auch in der Herrfchaft Kirdiheim
und der Graffdraft Saarwerden, die beide dem Saarbrücker Grafenhauie
gehörten; die nädrftverwandte und nach Johanns IV. Tode zur Erb-
folge berufene Weilburger Linie zählte zu den eifrigften Anhängern
des neuen Glaubens. So war die Einführung der Reformation nur
eine Frage der Zeit. Aber nicht durch Gebot der Obrigkeit, fondern
durch eigenen Entfchluh der Untertanen verbreitete he fich. Der pro-
teftantifche Gedanke wurde gefördert durch die. Haltung der Arnualer
Stiftsherren, welche die Pfarrftellen in Saarbrücken und St. Johann
durch Kapläne und Frühmeffer verfehen liefen, felbft aber ein befchauliches
und durchaus nicht kanonifches Dafein führten. Von den Stiftsherren
wurde an den Grafen Johann das Anfinnen gcftellt, die Priefterche und
das Abendmahl unter beiderlei Geftalt zuzulaffen, doch der Graf ver-
weigerte dies und fchriit gegen die Wideritrebenden mit Gewalt ein.
Infolge diefer und anderer Streitigkeiten löfte der Graf das Stift
1569 auf. Der Dechant wurde gefangen genommen und verzidrtete
am 22. Juli auf feine Würde, die Chorherren erhielten beftimmte Pfarren
zugewiefen, und das Vermögen wurde dem landesherrlichen Patronat
unierftcllt. Gleidrzeitig faljte in den Städten die neue Lehre feften Fu|.
Die Nachrichten hierüber find fehr fpärlich. Der Rcgiftrator Johann
Andrcae fagt in feiner Genealogia Saraepontana (1635) S. 404: „Anno
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1569 hat die Augsburger Konfefiion noch bei Lebzeiten Graf Johannfcn
einen ziemlidien Anfang bekommen, unangefehen er papiftifcher Religion
gewefen- Denn erblichen anno 1569 ¡ft zu Saarbrücken evangelifcher
Pfarrer gewefen Herr Peter. Eben auch in obbemeldten Jahre ift an
D. Marbadien, Superintendenten zu Strasburg, gefchrieben worden, der
feinen discipulum Herrn Johann Rüdinger gefchickt, welcher anfangs
Pfarrer zu Güdingen und Bübingen worden bis ms Jahr 1572, da
er gen Saarbrücken transferirt uf Abfterben Herr Peters.“ Der
Superintendent Georg Keiler, der als Zeitgenoffe (geb. 1555) Glauben
verdient, berichtet: „In den Jahren 1565—1567 unter der Regierung
weiland des Grafen Johannfen, welcher vor feine Perion papiftildr ge-
wefen, haben die Stiftsherren zu St. Arnual mit Vorwiffen der Herren
Räte, unter welchen Herr Samfon Herzog der fürnehmfte gewefen, die
Meffe und aifo das Papfttum fallen laffen und angefangen das Evangelium
rein und lauter zu predigen, und ift der erfte evangelifche Prediger allhier
gewefen Herr Bariholomäus KiIburg von Bitburg. Als derfelbige
neben andern Stiftsherrn darum, dah fic fleh verheiratet, diefes Ortes
weichen müffen, ift im fuccediert Hen Petius Zophaeus von Lüheiburg.
Und nachdem derfelbe um gleicher Urfache . willen hier abziehen müffen,
ift ihm nachgefolgt und von Strasburg anhero von den Herren Räten
berufen worden Herr Johann Rüdinger, weldner in die 30 Jahr den
Pfarrdienft löblich und wohl verleben hat.“ Daraus ergibt fich, dah
der Stiftsherr Barth. Kilburg oder Kilburger, der die Pfarrftellc in
Saarbrücken verfah, zuerft mit reformatorifchen Anfichten hervortrat;
er mu^te aber, als er durch feine Verheiratung dem „papiftifchen“
Grafen offenes Ärgernis gab, weichen und war fpäter Pfarrer in Saar-
werden. Sein Nachfolger war Peter Zophaeus, Kaplan von St. Arnual,
der nach Andreae 1569—1572 Pfarrer in Saarbrücken war. Dann
folgte Rüdinger, ein Schüler des Superintendenten Marbach in Stras-
burg, der anfangs lehr vorfichtig auftreten muhte. „Es ging fchwerlich
und furchtiam zu“, lagt Keller „und wul^te der wenigfte Teil, wie er in
der Religion daran wäre,“ Dafür gibt Andreae zwei Belege. „Einftmals
hat Herr Graf Johannes zu Naffau-Saarbrücken, als er verreifen wollen,
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an denfelben Pfarrer Johann Rüdinger Mef? zu leien begehrt, weicher
aber mit Fleifs fürgewandt,t er fey nicht mehr nüchtern; Me^ leien
muffe nüchtern gefchehen, und ift alfo verblieben.“ Ob der Graf den
Pfarrer nur hat verhieben wollen, oder ob er hch um den Unierfdüed
der Kirchengebräuche fo wenig bekümmerte, ftcht dahin. Es ift zu
beachten, dalj in diefer Übergangszeit nicht alle Bräudie der alten
Kirche auf einmal abgetan, fondern manches anfangs beibehaltcn
wurde, um nicht allzufehr anzufto^en. Ein anderes Mal kam es vor,
dah Graf Johann in einer evangelifchen Familie Gevatter ft eben follte.
„Hat der Pfarrer, ehe der Sonntag kommen, lieh heimlidi und unver-
merkt ufgcmacht, zu Tag und Nacht nach Strasburg zu Herrn D. Mar-
badien fich verfügt und hdr befragt, ob er ihn (den Grafen) als pa-
piftifcher Religion zulaffen dürfte. D. Marbach und andere theologi
haben für ratfam angefehen, Ihren Gnaden darinnen zur Hand zu
gehen; diefelben möchten dannenhero defto eher zur Augsburger Konfefhon
zu gewinnen fein.“ Ein Zeugnis dafür, in welcher Weife der Gottes-
dienft abgehalten wurde, befi^en wir in einer Verordnung, welche die Räte
des Grafen Johann aus Anlal^ einer anfteckenden Krankheit am 28.
Juli 1574 ergehen liefen. Es wurde damals verordnet, „da£ in allen
Städten, Flecken, auch Dörfern, wo die höfe Luft eingeriffen oder re-
gieren werde, bis auf Abheilung alle Kirchendiener, die uff ihrer Pfarre
filmen und wohnen, neben den Sonn- und Feteriagspredigfen und Kinder-
lehre hinfüro in der Wochen nur eine Predigt uff Mittwochen und anftatt
der Freitagspredigten alle Werktage in der Woche, des Morgens um
fünf und des Abends um heben Uhren, ihr Früh- und Abendgebet neben
kurzer Ermahnung oder Auslegung eines Pfalmen aus dem Propheten
David ufw. halten und ein Zeichen läuten laffen, damit jeder Bürger
und fein Hausgefind fie bcfuchen möge. Und welche Pfarrherrn nit
bei ihren Kirchen filmen, die feilen uff ihren Pfarren (Filialen) alle Woch
einen Bettag verkünden und halten und die Untertanen fleißig ermahnen.
Und damit in diefen Gefchwindkrankheiten die Bu^e nit bis uff die
letzte Stunde verfpart, die Pfarrherrn auch bei der Menge der Kranken
nicht allerwegen dürften erfordert werden, niemand aber des Troftes
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und Naditmahles entbehren möchte, fallen die Pfarrer alle 14 Tage in
der Kirchen das Nachtmahl des Herrn Jefus verkünden und reichen,
und fall hier in beiden Städten alternative ein Sanntag nach dem
andern gefchehen und um der Menge des Valkes willen der Diakanus
helfen, damit nit Nat fei in der Stunde der Gefahr zu einem jeden zu
gehen, cs wäre denn, fa einer des Pfarrheirn begehr ader aus Phtanafeien
in letzter Stunde berufen würde.“
Alfa keine Meffe und keine Anrufung der Heiligen mehr, fandern
Predigt, Vermahnung und Gebet;
keine Ölung, fandern Nachtmahl des
Heim Jefu — das ift der affen-
kundige evangelifche Gattesdienft.
Wenige Manate fpäier, am 23. Na-
vember 1574, wurde Graf Jahann IV.
zu feinen Vätern ’verfammclt, und
Graf Philipp 111., der pratcftantifch
erzagen war und in Jena ftudiert
hatte, lie^ fich in Saarbrücken hul-
digen. Am Neujahrstage 1575 lie^
er in allen Kirdien des Landes das
Evangelium predigen und die Meffe
abftellen; der Hafprediger Magiftcr
Gerhard Beilftein wurde mit der Vifitatian der Gemeinden betraut.
Wenn die Pfarrer fich zur Augsburger Kanfeffian bekannten, wie in
Saaibrücken und St, Jahann, fa wurden fie beibehalten, andernfalls
evangelifche Prediger cingefeljt. Nach dem Augsburger Religiansfrieden
van 1555 kannte jeder weltliche Landesherr feinen Untertanen die Annahme
feiner Rcligian gebieten; ja dies galt in jener Zeit als felbftverftändlich-
Den Widerftrebenden blieb nur das Redit der Auswanderung (cuius regia,
eius religia). In Saarbrücken war damals Valentin Mühlberg aus Eifenach,
der auch in Strasburg van Dr. Marbach vargebildet war, Helfer; er
wähnte in einem Stiftshaufe zu St. Arnual und wurde 1576 erfter
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evangelifcher Pfarrer in Kölln, Gleichzeitig wurden die PfarrverhällniiTe
neugeordnet und das Einkommen der Prediger, wo es nötig fchien, erhöht,
auch wurden die Kirchenfabriken in ein „Corpus“ zufammengezogen.
3, KIRCHENZUCHT, SCHULE UND SYNODEN
Das Werk der Kirchenreform wurde von Graf Philipp III. durdi die
Einführung der naifauifchen Kirchenordnung abgefchiofien, die fchon
1574 crlaffen war und 1576 bei Sigmund Fcyrabend in Frankfurt
a.M. in Druck erfchien; fic gab genaue Vorfchriften über den Goltcsdicnft
und jegliche Art von kirchlichen Handlungen, ja, fie regelte das ganze
Leben der Gemeinde auf kirchlicher Grundlage. Es wird den Super-
intendenten und Predigern eingeichärft, bei der reinen Lehre, wie fie
in der Schrift, den drei bewährten Symbolen und dem Augsburger
Glaubensbekenntnis ausgefprochen fei, getreulidr zu verharren, fodann
sollten fie des ärgerlichen und gefährlichen Disputierens, wie es damals
von vielen Geiftlichen geübt wurde, fich enthalten und dem Volke die
wahre Religion ohne Spitzfindigkeit lehren. Wenn einer unreine, ärger-
lidie Lehren verbreitete, fo feilte er ermahnt, im Wiederholungsfälle
mit Geldbuße beftraft oder entlaffen werden.
Für die Pfarrftellcn follten nur fittlich und wiffcnfchaftlich taugliche
Prediger behelft werden; über ihre Fähigkeit hatten die Superintendenten
ein fchriftliches Zeugnis auszultcllen. Auch die fonftigen Kollatoren
durften nur geeignete und würdige Perfonen präfentieren; falls fie die
Pfarrei länger als 2 Monate unbelebt lielzcn, io follte der Superintendent
Macht haben, felbft fie zu hcftellen. Die Superintendenten follten einmal
im Jahre die Pfarrei revidieren und darauf achten, da^ das Pfarrgut
nidit vermindert werde. Den Kollaioren wurde verboten, von den
Präfentierten irgend ein Entgelt anzunehmen. Zweimal im Jahre follten
die Pfarrer zu gemeinfamer Befprechung unter Leitung des Superintendenten
zufammenkommen. Auch die Belferung der Sitte lief? die Regierung
fidi angelegen fein. Den Untertanen wurde fleißiger Befudi des Gotles-
dienftes eingcfchärft; die Läffigen follten von den Pfarrern und Älteften
2 Geldiidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
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ermahnt werden; halfen die kirchlichen Strafen nicht, fo follten die
Widerfpenftigen tteine ziemliche Geltftraft“ von etlichen Weiljpfennigen,
die in den Gotteskalten kommen follten, erlegen oder auch einen Tag
oder etliche in bürgerliche Haft oder Gefängnis kommen, Audi das
Spazierengehen auf dem Kirchhofe während der Predigt und „unm'il^lich
Sdiwal^en“ dafelbft follte mit 4 Weihpfennigen beftraft werden; un-
nötiges Fahren am Sonntag vor und während der Predigt wurde bei
Pön zweier Gulden verboten. Für das bürgerliche Leben wurde ftrenge
Ehrbarkeit vorgefdirieben. Die Kirmeifen, bei denen es leichtfertig und
wüft hergehen mochte, wurden gänzlich verboten; den Pfarrer, der
eine Kirmes hielt, follte Amtsentfehung, die anderen hohe Geldftrafc
treffen. Die Sonniagstänze, befonders während der Predigt und Kinder-
lehre, dazu „andere leichtfertige Üppigkeiten, fo nach heidniieher Weife
zur Fafinacht, Walpurgis. Pfingften, Johannistag und anderen Zeilen
mehr durchs Jahr vom gemeinen Mann geübt und fürgenommen werden“,
follten gänzlidi verboten fein. An Hochzeiten dagegen war das „ziemliche“
Tanzen geftattet, doch nicht unter der Predigt oder zu der Zeit, wenn
man den Katechismus hält1), dazu „ehrlicher Weife“. Die Beamten
follten redlidie Perfonen verordnen, die bei den 1 änzen fein und darauf
achten follten. Wahrfagen und fonftiger Aberglaube, Gottesläfterung,
Trunkenheit und fittliche Vergehen follten ftreng geahndet, Wiedertäufer
des Landes verwiefen werden; doch wurde ihnen Zeit gelaffen, ihre
Güter zu verkaufen. Die Ehe unter nahen Verwandten war im An-
fchlui^ an das Mofaifche Gefeh verboten.
Die gleichzeitig herausgegebene Agende enthält genaue Vorfdiriftcn
über die Ordnung des Gottesdienftes und über die Ausführung der
Vifitationen. Die Zahl der Feiertage wurde befdiränkt. dodi war fie
größer als heutzutage. Auher den noch jetd geltenden hohen Fcfttagcn
') An der Katechismuslehre mußten auch die Erwachsenen tcilnchmen; nach der
Kirchenordnung Graf Ludwigs follte keine Pcrbn zum Abendmahl, als Gevatter bei
der Taufe oder zur Ehe zugelalfcn werden, falls fie nicht die Hauptftücke des Kate-
chismus kannte.
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follten als Feiertage Epiphanias (6. Jan.), Mariä Reinigung (2. Febr.).
Mariä Empfängnis (25. März) und Trinitatis gehalten werden.
Am 3. Wcihnadits-, Öfter- und Pfingfttage, an Mariä Heimiuchung
(2. Juli), Johannis, Midiaelis und Apofteltag (15. Juli) Tollte nur
eine Predigt gehalten werden, nadi Mittag das Volk aber wieder zu
feiner Arbeit gehen. Dazu kam in jedem Monat ein Bußtag; audi
Tollte innerhalb der Woche in den Städten wenigftens zweimal, auf dem
Lande einmal gepredigt werden. Gefang, Gebet und Predigt follten
deutfeh fein; nur in den Städten war zu Anfang und zur Vefper ein latei-
nifcher Pfalm gehaftet. Alle Gelänge follten möglidift kurz fein, damit
das Volk nicht vor der Predigt mit Uberdruh erfüllt werde. Die Predigten
follten klar und verftändlich fein; im Hauptgottesdienft follten fie nicht
länger als drei Viertel, hödiftens eine Stunde, sonft nur eine halbe
Stunde dauern. Weitere Vorfdrriften betrafen befonders die zu Weih-
nachten, Oftern und Pfingften vorzunehmenden Konfirmationen und die
jährlichen Vifitationen, die im einzelnen genau geregelt wurden. Diefe
ftrenge Ordnung des Gemeindelebens war in diefer Übergangszeit,
wo nach der Löfung der früheren Feifein manche Spuren von Ver-
wilderung fich zeigten, durchaus nötig.
Es liegt am Tage, wie fehr die landesherrliche Macht des Grafen
durch feine nunmehrige Stellung als oberftcr Bifchof der Landes-
kirche geftärkt wurde. Erft durdi das Kirdienregiment, die Aufficht über
das Kirchengut und die Übernahme der bisherigen Aufgaben der
Kirche, wie Unterricht und Armenpflege, wurde die Landeshoheit zum
Abfchlu^ gebracht.
Übrigens gehörten die Grafen Albrcdit von Ottweiler und Philipp
von Saarbrücken keineswegs der entfdüedenen lutherifchen Richtung
an,# die eben damals (1577) durch die abfchlie^ende Konkordienformel
ftatt Einigung dauernde Zwietradit zwifchen den Evangelifchen her-
vorrief. Im Verein mit den übrigen wetterauifchcn Grafen lehnten die
Naffaucr es ab, die Konkordie zu unterfdireiben.
19
Sv
Grabmal des Grafen Philipp III. und feiner beiden Frauen in der Stiftskirche zu St. Arnual
Der Nachfolger des Grafen Philipp III. war Graf Ludwig {1602—1627),
der die fämtlichen Länder der Walram’fchen Linie diesfeits und jenfeits
des Rheins vereinigte. Er hat im Jahre 1604 das evangelifdic Gym-
nafium in Saarbrücken gegründet aus dem viele proteftantifdre Prediger
hervorgegangen find.
Die Frömmigkeit und kirchliche Gefinnung des Grafen Ludwig wird
von feinem Biographen Dr. Werner fehr gerühmt. Wie diefer erzählt,
war Graf Ludwig beim Klange der Sonntagsglocken der erfte, der
mit feinem ganzen Haufe zur Kiidre ging; der Predigt folgte er mit
großer Andacht und wohnte dem Gottesdienfte und dem Abendmahle
bis zum Ende bei. Sein Amt als oberfter Landes-Bifchof nahm er
mit großer Gewiffenhaftigkeit wahr. Jeder Kandidat, der um eine
Pfarrftelle fidr bewarb, mußte fich in die jeweilige Refidenz nach
Saarbrücken, Ottweiler oder Saarwerden begeben und dort in der
Schloßkirche vor dem getarnten Hofftaat nach dreimaliger Verbeugung
gegen den gräflichen Stand die Probepredigt halten, in der cs an
ateinifdren Zitaten und Ausfällen gegen Rom und die Sektierer nicht
fehlen durfte. An feinem Hofe hatte der Graf gewöhnlich einen Geiftüchen,
der an der Tafel die Tifchgebete zu fpredren und die Seelforge aus-
zuüben hatte. In dem Schlöffe ließ der Graf eine Hofkapelle erbauen, die
1615 durch den Superintendenten Keller eingeweiht wurde; die Schloß-
kirche lieh er erneuern und eine neue Kanzel darin aufftellen.
Zum Beweis der Frömmigkeit des Grafen erwähnt Andreae, daß er
dem Hofprcdiger einen Diaconus (Hilfsprediger) beftcllte, neben den
zwei sonntäglichen und zwei Wodicnpredigten noch die Vesperpredigt
am Samstag einführte, „zur Zier des Kirchengefangcs eine rühmliche
musicam, Kapcllmeiftcr, Organiften und andere Inftrumentiften“ hielt,
täglidi öffentlidie Betftundcn, dazu monatliche Bettage und Büßpredigten,
auch befondere Bußtage, befonders Neujahrstag mit drei Predigten
und Gelängen, wobei Jung und Alt faltete, einführte.
Im Anfänge des Jahres 1617 ließ Graf Ludwig alle Superintendenten
und Infpektoren feines Landes nach Saarbrücken berufen, um über
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eine Jubelfeier der Reformation und eine neue Ausgabe der naffauifchen
Kirchenordnung zu beraten. Die Feier fand am erften Sonntag nach
dem Reformationstage (2. November) ftatt; dabei wurde in allen
Pfarreien ein für diefen Tag befonders verfaßtes Kirdiengebet verlefen.
Die 1618 neu herausgegebene und erweiterte Kirdienordnung läßt
erkennen, wie fehr cs das Beftreben des Grafen war, die kirchlichen und
fiitlichcn Zuftände in der Graffchaft zu verbeffern. Die Leitung der
gciftlichen Angelegenheiten war einem Kirchenrat übertragen, der aus
dem Superintendenten und aus weltlichen Räten behänd; der Amts-
bezirk des Superintendenten war wieder in Infpektioncn zerlegt. Die
Kirchenzucht und die Aufficht über das Pfarrvermögen halte der
Kirchenvorftand, der aus den Gciftlichen und den angefehenften Gemcindc-
mitglicdern (Senioren) behänd. Regelmäßige Synoden der Gciftlichen
unter Leitung der Superintendenten oder Infpektors und Vifitationen
der Kirchen follten die Reinheit der Lehre und die Strenge der Zucht
bewahren.
Die Beltimmungen der Ordnung von 1618 über die Kirdienzenfur und
Difziplin find in kulturgefchiditlidier Beziehung recht beachtenswert.
Befondere Kirdienzenforen mußten allmonatlich alles Straffällige in der
Gemeinde anzcigen und die Bußgelder einfammeln; Beamte, Schultheißen
und Meyer waren verpflichtet, ihnen dabei Hilfe und Schul> zu gewähren.
Einige charaktcriftifdie Beftimmungen will ich hier aufführen.
Der Kirchenzenfor, welcher etwas Straffälliges wiffentlich verfchweigt, foll
einen Ortsgulden Strafe bezahlen, im Wiederholungsfälle alle feine
Ehrenämter verlieren. Die eine Hälfte der Bußen follte den Zenforen
zufallen, die andere der Kirdie und den Armen zugute kommen.
Sonntagsarbeit wurde mit 1 Ortsguldcn1) gebüßt, cbenfo die Vcrfäumnis
der Predigt. Fahren während der Predigt außer bei befonderer Notdurft
und Erlaubnis koftete 2 Gulden, Vcrfäumnis der Katediismuslehre 4 Albus,
Sonntagsverkauf nadi Bewandtnis, vorzeitiges Verlaffcn der Katechismus-
l) ein Ortsgulden — ein Vicrtelgulden. Ein Gulden hatte 15 Bähen oder 50 Albus,
ein Albus 2 Kreuzer oder 8 Pfennige.
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lehre 4 Pfennige. Aus jedem Haus foll wenigftens eine Perion zur
Predigt kommen; fonft mulj der Hausvater 2 Albus erlegen. Befuch
eines Wirtshaufes während des Gottesdienftes koftet einen halben Gulden
für den Galt und einen ganzen Gulden für den Wirt. Wer nach Empfang
des Abendmahls am felben Tage ein Wirtshaus befucht, bezahlt einen
Gulden Küchenbulle. Die Kirchenzenforcn follen auf den Gaffen, in
den Wirtshäufern, Werkflatten und Scheuern herumgehen und die Über-
treter merken. Zur befferen Kontrolle der Säumigen foll an Sonn- und
Feiertagen befonders in Flecken und Ortfchaften vor der Kirdie von
Haus zu Haus umgezählt werden.
Wer unvorfäl^lich flucht, zahlt einen Albus, wer aber gröblich Gott
läftert und Audit, andern zum Ärgernis und böfen Exempel, zahlt 1 Orts-
gulden, im Wiederholungsfälle verfällt er in ernfte obrigkeitliche Strafe.
Trunkenheit foll dabei kein mildernder Umftand fein, fondern „folch viehifch
Vollfaufen** ebenfalls mit 1 Ortsgulden geftraft werden. Hurerei und
Unzucht foll mit 2 Gulden für jeden Teil beftraft werden, weitere obrig-
keitliche Strafe Vorbehalten; die Verwandtfchaftsgrade, welche eine eheliche
Verbindung ausfchlie^en follten, werden genau fcftgefetjt.
„Die Spielgefellfchaften und Konventikul, da mir Karten, Würfeln und
dergleichen fpihbübifcher Weife um Geld und Geldeswert gefpielt wird/1
foll man durchaus nicht dulden. Wer dabei ergriffen wird, foll für das
erfte und andermal 1 Ortsgulden erlegen. „Die Rcceptatores aber und
die folchen Spielern, Radlern und Dopplern in ihrer Behaufung Ge-
wahrfam oder fünften Unterfchleif geben, oder die Rädlinsführer, io die
unverftändige Jugend hierzu verleiten, follen um einen halben Gulden
oder nach Gelegenheit höher belegt feind* Nach dem dritten Mal kann
„Turm** und andere obrigkeitliche Strafe verhängt werden.
Einheimifche, die nach 9 Uhr in den Wirtshäufern Wein trinken, follen
einen halben Gulden bezahlen. Das Kegelfchieben Sonntags zwifchen
der Morgen- und Mittagspredigt oder dem Katechismus ift bei 3 Albus
Strafe verboten; wer Kegel und Kugel dargibt, zahlt das Doppelte.
23
Die Hagelfeiertagel), Faftnacht, Walpurgis und Johannisfeuer, Geläute
und Glockenftreiche gegen das Wetter, Gebete bei und über den
Totengräbern follen nicht geduldet werden, auch nicht „übergebliebene
Totenbein und genannte Heiligen (Reliquien) wie auch Sakrament-
häuslein, die man gänzlich foll abfehaffen und die Totenbein auf dem
Gottesacker verfcharren,“ Zufammenkünfte des jungen Volkes, der Knechte
und Mägde zu Winterszeiten in den Kunkel- oder Spinnftubcn follen
bei 6 Albus 4 Pfennigen Kirchenbu^e verboten fein.
So griff die kirchliche Zucht faft auf alle Gebiete des bürgerlichen
Lebens über. Die fittlichen Zuftände mochten wohl in jener Zeit vielfach
bedenklicher Art fein und Beffcrung wünfehenswert machen; anderfeits
war die Aufteilung von befonderen Kirchenzenforen und ihre Belohnung
mit der Hälfte der Strafgelder nur zu fehr geeignet, Frömmelei und
Angeberei zu fördern.
Mehr Anerkennung verdienen die Bcftimmungen über Einfammlung
von Almofen für die Armen, die Verwaltung des Kirdiengutes, Ab-
hörung der Kirchenredmungen und Erhaltung von Kirchen, Pfarr- und
Schulhäufern. Die Kirchen follten in gutem baulichen Zuftand gehalten
werden; bei Neubauten mußten die Pfarrinfaffen Frondienfte leiften, zu-
weilen auch die Meifter und Arbeiter beköffigen. Die Pfarrhäufcr follten
beim Einzug eines neuen Pfarrers von dem Superintendenten und dem
Kirchenfdiaffner befiditigt und danach in Stand gefefft werden. Der Kirchhof
follte mit einer Mauer umfriedigt und darauf gehalten werden, dah
niemand aus der Gemeine feine Schafe, Pferde und Säue darauf treibe.
Von der Bedeutung der Schule für die Erziehung des Volkes überzeugt,
fchrieb Graf Ludwig vor: „wo Schulen vom Glockenampt und andern
Gefällen uffgericht, dafelbft foll jedes Pfarrvolk mit Zutun deren Filialen
bequeme Schulhäufer vor Schulmeiftcr und ihre eigenen Kinder mit
fchuldiger Dankbarkeit erbauen und im Bau erhalten.“ Die Vifitatoren
follten dem Unterrichte beiwohnen und auf die Fortfchritte der Kinder
achthaben. Wenn Eltern aus Kargheit oder andern untauglichen Ur-
*) Der Hagelfciertag war der Tag der Wetterherren Johannis und Paulus, 26. Juli.
L>4
fachen ihre Kinder nicht zur Schule fchickten. feilten fie gleichwohl
das Schulgeld zu entrichten fchuldig fein und deffen erinnert werden.
Niemand follte ohne Erlaubnis der Vifitatoren feine Kinder aus der
Sdiule nehmen. Armen Schülern und „fähigen Ingeniis, die für andern
zu den Studiis tüchtig“, follte aus dem Kirdienvermögen, wenn möglidi,
eine Beifteucr gegeben werden.
Auch fuchte Graf Ludwig der Verfchwendung und den übermäßigen
Gaftereien zu heuern, die in jener Zeit befonders bei Verlöbniffen,
Hochzeiten, Kindtaufen und Leichenbegängniffen im Schwange waren.
Der Wohlftand fcheint damals hier zu Lande wie im übrigen Deutfchland
groß gewefen zu fein und zu allerlei Ueppigkeit verführt zu haben. Bei
Verlöbniffen (Handftreich) follten nicht mehr als 2 Tifche zu je 10 Per-
fonen erlaubt fein bei Strafe von einem halben Gulden für jede über-
zählige Perlon. Es follte dabei nidit mehr als eine Mahlzeit angerichtet
werden bei Strafe von 5 Gulden. Auf Hochzeiten Tollen nicht mehr
als 5 Tifche erlaubt fein, Herrendienern, audi vornehmen Rats- und
Gerichtsperfonen 6 Tifche, ungerechnet Kutfcher und Diener. Die Mahl-
zeit foll nicht länger dauern als von 6—10 Uhr. Das Suppenholen
der Einheimifdren und das Nadihaufeholen von Spcife und Frank foll
abgcfchafft fein, cbenfo das Austeilen von Schnupftüchern vor dem
Kirchgang außer bei den Brautführern an folchen Orten, da die Ver-
ehrung von Handfchuhen nidit Herkommen. Die Zeit des Kirchgangs
foll genau eingehaltcn werden; kommt der Hochzeiter eine Viertelftunde
zu fpät in die Kirche, fo foll der Pfarrer die Kopulation an diefem Tage
nicht vornehmen, fondern verfchieben. Die Mittagsmahlzeit foll an den
beiden Hochzeitstagen nicht über 4 Uhr dauern, doch foll denen, die
nodi Luft zum Trunk haben möchten, derfelbe dadurch unverfaget fein.
Beim Tanzen foll Zucht und Ehrbarkeit gehalten, audi kein Gezänk
erhoben werden. Ungeladene oder deren Knechte und Mägde fo.len
der Hochzeitstänze müßig gehen oder davon in Gewahrfam oder ins
Narrenhaus geführt werden. Trunk foll nidit über 11 Uhr gereicht
werden und die Wacht den Gälten die Zwölf-Uhr anzcigen, damit
25
die Spielleute aufhören. Das Gefmde und die Kinder der Gälte, fo
nicht namhaft geladen, fallen nicht an den Hochzeitstifchen fich auf-
halten, damit mdrt die Tifdrc deffen, was darauf gefegt worden, zu
Schimpf des Hochzeiters leer gemacht werden. Ungeladene, die fo un-
vcrichämt find, daß fie doch zufchlagen, follen ins Narrenhaus geführt
oder nadi Gelegenheit um 6 12 Albus beftraft werden. Der Hoch-
zeitsfdrank (Gefchenk) foll bei Bürgern und Bauern nicht über einen
Goldgulden, bei Standesperfonen nicht über einen Dukaten fich belaufen.
Das Silbergefdiirr-Verehren foll nur Standesperfonen geftattet fein.
Jungfrauen oder Mägdlein follen nicht über einen halben Reidrstaler
ms Becken verehren, es feien denn die Eheleute nachfte Verwandte.
Das Brautftück-Verehren foll auch bei den nächften Verwandten unter
Einheimifdren abgefdrafft fein; nur den Freiern fich dankbar zu er-
zeigen, foll geftattet fein. Mit zwei Tagen loll die Hochzeitsfeier
geendigt fein, nur die fremden Hochzeitsgäfte follen am dritten Tage
mit einem kurzen Frühmahl abgefertigt werden. Einheimifdre, die nidit
zu den nädiften Verwandten zählen, follen, wenn fie fich am dritten
Tage nodr aufhalten, in fünf Gulden Strafe verfallen fein; der Hoch-
zeithalter zahlt in diefem Falle 20 Gulden Strafe. Den Aufwärtern und
ihren Weibern foll am dritten Tag noch eine Abendmahlzeit, aber nicht
länger als von 4—10 Uhr gegeben werden dürfen, und wird es frei-
gestellt, Pfarrherren und Schultheißen mit ihren Hausfrauen dazu zu laden.
Die Pfarrherren und ihre Hausfrauen follen des Hodizeitsgefchenkes
ledig fein und mit dem Aufstehen zur redrten Zeit allen mit gutem
Beifpiel vorangchen.
Ein inländifdrer Koch foll nicht mehr als einen Gulden für den Tag
bekommen und fich die Häute und die Felle von dem gefchlachteten
Vieh nicht anmaljen. Die Spielleute follen jeder den Tag einen halben
Gulden haben und dabei den Teller auffeßen dürfen, fofern nicht der
Hochzeithalter fich anderweit mit ihnen vergleidren follte. Wenn Köche
und Spielleute mit diesem Lohn fidi nicht begnügen laffen, fo foll
ihnen in Jahresfrift bei Hochzeiten aufzuwarten verboten fein. Die
26
Nachtwächter (ollen jeder, wenn fie die Uhr beim Hochzeitsfehmaus
anmeldcn, ein gutes Glas voll Wein und nicht mehr gegeben werden, da-
mit fie die Wadit nidit unaditfam tuen. Zur Mittagszeit foll ihnen
der Hochzeithaltcr eine halbe Ma^ Wein, audi Suppe und Fleifch
nach Haufe folgen laffen, ein Gleiches dem Turmwächter, doch nicht
eher als zur Morgenfuppe am Nachhochzeitstag. Wegen der Schüler
und des Glöckners foll cs beim Herkommen bleiben, doch foll die „Er-
fteigerung“ verboten fein. Wenn fie eine Mufik halten, mag es nadi
Belieben gehalten werden. Widerfehlichc gegen Pfarrer und Sdiult-
heiljen follen in Arreft genommen und die letzteren bei der Ordnung
von Kirchenfcnioren, Sdiöffcn und Gerichtsperfonen unterftübt werden,
Unvermögende, die eine Schenkhochzeit nicht halten können, dürfen
hochftens 5 l'ifdie Leute laden; die bei einem Wirt beftellte Mahlzeit
ift jeder Gaft dann zu bezahlen fchuldig (Irthochzcit). Dabei follen die
Gafte nicht übernommen und wider Billigkeit befchwert werden.u
Auf Kindtaufen foll nur eine Mahlzeit zu 2 Tifdien gehalten werden
bei 10 Gulden Strafe, und der Schmaus foll nidit über 10 Uhr dauern.
Damit die Predigt nicht von vielen verfäumt werde, follen au^er den
Goten (Paten) nur 4 Perfonen weiblichen Gcfchlechts das Kind be-
gleiten und der Kindbetterin Glück wünfehen. Gemeine Bürger oder
Bauersleute follen nidit über einen halben Rcichstaler „Pettern- oder
Gotengefchenke“ machen, andere Bürger nicht über einen Reichstaler.
Standesperionen nicht über einen Dukaten. Verehrung von Silbergeschirr
oder anderen koftbaren Accidentalien follen bei 20 Rtlr. Strafe unter
Inländifdien abgefchafft fein. Der Gevatter und die Gevatterin follen
des Gelags ledig fein; die anderen follen bezahlen, wenn nidit der
Mann ein halb Viertel und die Frau eine Mab Wein mitbringt. Den
Patenkindern foll zum nädiften oder folgenden Jahr hochftens ein Hemd
nidit über einen Reichstaler an Wert verehrt werden, und an 3 Neu-
jahrstagen hernach, „wenn das Kind felbft zufprechen wird, etwa ein
Weck oder geringes Geldlein nach Gefallen**. Das unnühc Heben der
Gevattern foll bei 5 Gulden Strafe abgefchafft fein. Wenn die Wöchnerin
27
wieder zur Kirche geht, foil bei Strafe von 5 Gulden keine Mahlzeit an-
geftellt, höchftens der Gevatterin oder 3 — 4 Weibern, die fie aus der
Kirche begleiten, ein Trunk Wein gereicht werden.
Das Laden zum Lcichenichmaus wird bei 20 Rtlr. Strafe verboten; doch
foil es unverwehrt fein, mit den nächften Freunden und Nachbarn einen
Trunk in duiftlidier Befcheidenheit zu tun, den fie durcheinander bezahlen
Tollen, das Weib halb fo viel wie der Mann. Um 9 Uhr fallen fich
alle nach Haufe verfügen, dodi foil es gehaftet fein, eine oder zwei Per-
fonen über Nacht dazubchalten, aber fie follen fich des Weintrinkens
enthalten und zur Ruhe begeben. Wenn des Abgelebten Sdiwachheit
(Krankheit) der Infektion halben verdächtig gewefen, foil dasfelbe Haus
gemieden und anderer obrigkeitlicher oder Amts-Verordnung, bei der die
chriftliche Lieb nicht auher Acht zu laffen, Folge geleiftet werden.
Auch auf die Unordnungen und Verfchwendungen, die bei Zunftverfamm-
lungen Vorkommen, follen Beamte und Räte ein wachfames Auge haben
und dem nach Kräften heuern.
Ich habe diefe Ordnung ausführlidicr mitgcteilt, weil lie uns manchen
Einblick in das Leben jener etwas ungeberdigen Zeit eröffnet und zu
manchen Vergleichen mit der Gegenwart anregt. Die eingehenden
Beftimmungen der Regierung (affen klar erkennen, dal? das Volksleben
vielfach an Völlerei und Vcrfchwendung krankte, wie dies audi ander-
wärts berichtet wird. Diefe Beftimmungen wurden durch fpäterc Ver-
ordnungen ergänzt und verfchärft. Im Jahre 1620 erlief Graf Ludwig
ein fcharfes Verbot gegen die zunehmende Unfittlichkeit. Perionen, welche
der Unzucht überführt wurden, follen 14 Tage lang mit harter Turm-
ftrafe belegt und fodann je 10 Rtlr. zu 18 Balten als Strafgeld erlegen,
zudem öffentlich Bu^e tun und 2 Gulden in den Kirchenkaften bezahlen.
Auch gegen das leichtfinnige Kreditgeben wandte fidi eine Verordnung.
In Zehrungsfachen follte nicht mehr als 14 1 age Kredit gegeben und dann
gepfändet und vergantet werden, damit die unbedachten, leiditgeladencn
Zechbrüder abgehalten und der Weiber und Kinder Notdurft in Acht
genommen werde.
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Graf Ludwig war ftrenger Lutheraner, aber doch nicht unduldfam gegen
die Kalviniftcn. Als die lutherifche Geiftlichkeit im Jahre 1607 an ihn
das Anfinnen ftellte, fämtliche reformierte Prediger in der Graffchaft
Saarwerden zu cntlaffen und durch Bekenner der Augsburgifchcn Konteffion
zu erfel^en oder doch keine neuen reformierten Geiftlichen zu ernennen,
gab er dem keine Folge; vielmehr verlieh er den Reformierten Zufdiüffe
aus der Kirchenfchaffnei; dies berührt um fo wohltuender, als in jener
Zeit anderwärts Lutheraner und Reformierte in grimmigem Hader lebten.
Nur das Verlangen ftellte Graf Ludwig an die Reformierten, dah he
im äußeren Ritus, in der Beobachtung der Feier- und Beitage, fowie
in der Kirchenzucht nach der Kirdienordnung fich halten, auch nicht an
fremden Orten dem Gottesdienft beiwohnen Tollten. Seine Duldfamkeit
bewies er audi dadurch, da^ er im Jahre 1604 drei aus Lothringen
ausgewanderten reformierten Edelleuten mit 9 Begleitern Aufnahme
in feinem Lande gewährte und dadurch das Dorf Ludweiler be-
gründete. Wie es fcheint, war Graf Ludwig bereits in Genf den
Kalviniften näher getreten: diefe bewiefen fich für die gewährte Dul-
dung dadurdi dankbar, da^ fie das Jubelfeft der Reformation im
Jahre 1617 einmütig mitfeierten.
Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts erfcheint die 1569 erneuerte
latcinifdie Sdiule in Saarbrücken in enger Verbindung mit der
evangelifchen Pfarrei. Im Jahre 1583 wurde Pfarrer Rüdinger zum
„Vifitator und Llfffcher“ der Schule beftcllt, und es wurde für ihn ein
Haus an das Schulhaus angebaut. Im Jahre 1602 wurde fein Nach-
folger Georg Keller mit dem Rat Dr. Bartholomaeus Werner genannt
Bolz zum Sdiulvifitator ernannt. Als im Jahre 1604 Graf Ludwig
das Gymnafium in Saarbrücken begründete, fand der Einweihungsakt
in der Schlo^kirche ftatt, und in dem Stiftungsbrief für das Gymnafium
vom Jahre 1620 heiht es u. a.: „Gott dem Allmächtigen zu Lob,
Preis und Ehren, zu Einweiterung und Fortpflanzung feiner diriftlidien
Kirdic und der alleinfeligmachenden göttlidien Wahrheit wie audi gute
löblidier nützlicher Künfte und Sprachen, fodann dem gemeinen Vaterland
29
und infonderheit unfern Heben getreuen Untertanen, Unterfaffen und
Angehörigen zu gutem haben wir uns entfehiofien, dal} hinfüro zu
allen Zeiten in diefer unferer Stadt Saarbrücken ein wohlbeftellt Gym-
nafium und Landfchul gehalten werden und deren Praeceptores an der
Zahl, den teutfdien Schulmcifter ohncingcredmct wie bis dahero, allweg
fünf gottesfürditige exemplarifdie und in guten Künften und Sprachen
erfahrene Männer, die der reinen ungeänderten Augsburgifdren Kon-
feifion aufrichtig zugetan und allein auf die Schul und fonften kein
andere Nebenhändcl beitellt fein oder deren fich annehmen follen,
meiftenteils, fofern man die haben kann, Studiofi thcologiac und
unfere Landeskinder, damit fie von dem Schulwefen gradatim zum hohen
Mini ft er io und Kirchcndicnft befördert, nadi und nach andere an
ihre Stelle erfehet und dcrgeftalt ftets junge unverdroffene Leute derfelbigcn
defto bah können surrogicret werden.H So finden wir denn, daß bis zum
Anfang des .19. Jahrhunderts die Lehrer am Gymnafium größtenteils
Theologen waren und entweder gleidrzeitig eine Pfarrftcllc in Saarbrücken
oder St. Johann bekleideten oder fpäter ins Pfarramt übergingen.
In den Geift diefer Zeit führen uns audr die vom Superintendenten Keller
herrührenden bald (ateinifchen, bald deutfdicn Niedcrfdiriften über die
Synoden der evangelifchen Geiftlichen ein. Uber diese Synoden wurde in
der Kirchenordnung folgendes beftimmt: „Bei folchen Synodis, deren
jährlich je nach Gelegenheit und Notdurft der Kirchen zween anzuftellen,
foll fürs erft eine Predigt gehalten und darnach ein freundlich Gefpräch
und Collation angeftellt werden von einem vornehmen loco communi
oder capitc chriftlichcr Lehr, fürs dritte von dem übrigen Kirchenwefen,
fo zu Erhaltung reiner Lehr, Ccremonien und Fortpflanzung chriftlichcr
Zucht gehörig, item von Gleichheit in Ccremonien und Kirchengebräuchen,
und was fonften dem Kirchenwefen mehr anhängig: Was auch ein oder
ander Kirchendiener vor Gravamina, Mängel und Gebrechen anzuzeigen,
die bei feiner oder benachbarten Kirchen vorfallen und darvon zu delibericren
nötig, Unterred gepflogen. Leiblich ccnfura morum zwifchen den Kirchen-
dienern vorgenommen und bei diefem allem, wo es Verbefferung bedarf,
30
iolche verfüget und angeordnet werden. Von welchem famt und ionders wir
uns, da nötig, fernere Special-Verordnung tun zu laffcn Vorbehalten.“
Diefe fynodi oder conventus minifteriales werden noch heute in Saar-
brücken gehalten. Von den Synoden, die der Superintendent Beilftein
abhielt, find uns keine Nicdcrfchriften erhalten. Sein Nadrfolger Georg
Keller (1613—1632) berief die Konvente alljährlidi zufammen, und
jeder neu eintretendc Pfarrer muhte eine Erklärung über das evangeliiehe
Glaubensbekenntnis unterfchreiben. Befonders die Augsburger Konfeifion
wurde, wie es fcheint, bei diefen Verfammlungen behandelt. Neben wiffen-
fchafilichen Vorträgen (meift in lateinilcher Sprache) brachten Prüfungen der
Kandidaten Abwedifelung in diefe Verfammlungen; auch wurden die Ver-
fügungen des Konfiftoriums hier zur Kenntnis der Geiftlidien gebracht
und befprochenl). Von den Räten des Grafen pflegte der eine oder
andere zugegen zu fein. An die Befprediung fchloh fich ein Mahl, bei
dem auf jeden Teilnehmer ein halber Taler (16 Albus) aus der Stifts-
kaffe ausgeworfen wurde. 1731 wurde diefer Beitrag auf einen halben
Gulden ermäßigt, 1742 ftiftete die Gräfin Sophie Eleonore, eine
unvermählt gebliebene Tochter des Grafen Guftav Adolf (geb. 1669,
geft. 1742) 400 Gulden, von deren Zinfen die Koften zweier jährlidter
Zufammcnkünfte beftritten werden feilten. Später wurde die Bewirtung
auf ein Mal jährlich bcfchränkt und die übrige Summe zur Vermehrung
der Bücherei des Saarbrücker Minifterialkonvents verwendet2).
Aus den folgenden Auszügen kann die Art der Verhandlung erfehen
werden. „Acta tertiae fynodi Naffoico — Sarepontanae celebratai
14. Okt. 1616.
1. Johann Friedridt Landfidcl, Paftor in Ommersheim predigt aut
Grund von Pfalm 51: „ecce in iniquitatibus“ (Siehe, ich bin in Kind-
lichem Wefen geboren) über die Erbfeinde. In mufeo meo (in meinem
') Jungk, dic conventus minifteriales in der Synode Saarbrücken {Monatshefte für
Rheinifdre Kirchengcfchichtc 1910, S. 147 ff.)
2) Ein Verzeichnis diefer Bücherei ift 1895 in 3. Ausgabe erfchienen. (Druck von
Gebr. Hofer.) Sic ift jetjt mit der Stadtbibliothek vereinigt.
31
Studierzimmer) fpricht nach einem Gebet Magifier Johannes Schleifer
lateinifch über denfelben Gegenftand und verteidigt die Lehre gegen alte
und neue Einwürfe, dann folgte ein Frühftück von 1 bis 2 Uhr. Nach
dem Frühftück hat Cafimii Heer, Pfarrer in Malftatt, das Augsburger
Bekenntnis und die Concordienformel unterfchrieben.
2. Es wurde gefragt, ob Hader und Mibverftand unter den Amtsbrüdern
im lebten Semefter entbanden; ift fürgebracht worden nur, dab M.
Schloffer und Herr Peter Würt zu Wiesweiler, da fie dem Pfarrer ein
Kind gehoben, nach dem Nachteffen wegen des Lagers in Streit ge-
raten und Worte gefallen, die beffer unterblieben wären. Sie wurden
zur Rede gefebt, mit Worten geftraft und um einen halben l aler mulc-
tiert und Verföhnung erneuert.
3. Dann wurden Bcfchwerdcn der Pfarrer vorgebracht und Klagen
über den Kirchenfchaffner Adam Ochs erhoben, dab er nicht genug
für Kirchen und Pfarrhäufer forge. Dann wurde über unfittliches Leben
in den Städten und auf dem Lande geklagt. Der Pfarrer von Ensheim
klagte, dab der Abt (von Wadgaffen) fein Salarium nicht befferen
wolle, der Bifchmisheimer, dab der Junker von Kerpen die Pfarrfchule
nicht ausbefferen laife. Die Bauern von Zettingen wollen die Toten-
gebeinc nicht begraben, Malftatt klagt, dab der Pfarrhof often ftche,
Kölln, dab Huren und Buben fidr einander audi ehclidicn wollen. In
Lisdorf treibt eine Wahrfagerin ihr Wcfen. Der Pfarrer von Ormingen
klagte über feinen ungehorfamen Sduilmeifter.
4. Cenfur. Peter Würt nimmt mehr als fünf vom Hundert, da fchon
zweimal ermahnt ift, wird er mit 4 Gulden Strafe belegt und ihm an-
gedroht, dab man ihn nidit mehr in der Synode dulden werde. Die
Amtsbrüder werden zur Standhaftigkeit in der Lehre, zur Treue im
Amt, zur Frömmigkeit im äuberen Leben, zur gegenfeitigen Eintracht
und zu frommen Gebet in diefen gefährlichen Zeiten ermahnt und die
Synode mit Gebet gefchloffen.
Andern Tags neue Verfammlung von 8—10 Uhr. Pfarrer Johann von
Reisweiler hat Einladungsfchreiben aufgehalten und ift nidit erfdiienen.
32
Konrad Schott und Cafpar follen ihn ermahnen. Wenn er Reh nicht
entfchuldigt, foll er ausgewiefen werden. Der Pfarrer zu Dudweiier hat
die Frau des Jägermeifters zu Philippsborn (Neuhaus) Hundsfell ge-
fcholtcn; er foll fich mit ihr vergleichen oder geftraft werden. Die
Pfarrer von Ormingen (Saarwerden) und Herbitzheim haben Zank wegen
einer Taufe. Die Pfarrer von Keskaftel und Gershcim follen he verlohnen.
Die Buben in Ormingen haben ohne Erlaubnis getanzt. Dem Fritich
Schreiner aus Ormingen ift die Frau fortgelaufen. Den Pfarrern von
Herbitzheim und Ormingen wird aufgetragen, He wieder mit ihrem
Mann zufammenzubringen und den ungehorfamen Teil vom Abendmahl
auszufchlieljen. Dann folgte das Frühftück.
Der Kirchenfchaffner von Saarbrücken gab 10 Gulden und der von
Herbitzheim 2 Gulden für die Koften, aber 25 Perfonen hatten in drei
Imbiffen für 22 Gulden verzehrt, dazu noch der Hausfrau des Super-
intendenten einen Goldgulden und einen Franken verehrt. Darauf find
alle „fein freundlich und brüderlich voneinander gefchieden.“
Vierte Synode 1617, 7. Oktober, 8 Uhr morgens. Magifter Sdiloffer
erklärt den 3. Artikel der Augsburger Konfeffion von der Perfon Chrifli
aus den Worten S. Pauli: „Rundlich grolj ift das Geheimnis der
Gottfeligkeit.“ Stando (ftehend) ein Süpplein gehen. Dann Anfang
des colloquium synodale mit Gebet. Philipp Landfidel fpricht de persona
Chrifti, de unione naturarum et communicatione idiomatum; darauf amice
et fraterne conferiert, ohne Zank 3 Stunden disputiert; dauert bis
5 Uhr. Nachtimbs eingenommen.
Dienstag 8 Uhr Zufammcnkunft. Inquiriert in officium et mores mini-
strorum, erinnert, dalj wir fchlimmen Zeiten entgegengehen; ardentius et
devotius zu beten. Prandium; dann friedlich gefchieden. Absentes
Michael Dörr von Keskaftel; feine Frau ift krank. Kafpar von Jeweiler
(Eiweiler) ift felbft krank. Johann, Pfarrer zu Dudweiier, hatte Trauung
zu Philippsbrunn, konnte aber den zweiten Tag kommen, noch sine
mulcta (Strafe). Wenzel von Ensheim war da, lief aber wegen einer
3 Gefdiidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
33
Kindtaufc fori und kam nicht wieder, foll in der nächften Synode be-
ftraft werden. Konrad Schott, Pfarrer in Heusweilcr, foll im nächften
Jahr über den 4. Artikel der Auguftana de iuftificatione predigen und
Magifier Stuß in Kölln darüber peroricren.
Fünfte Synodus 1618, pofteidie Exandi. Kirdie um 7 Uhr. Schott
(Heusweiler) predigt nach Römer 3 über die Rechtfertigung durch den
Glauben. Superintendent fpricht über die Notwendigkeit der Synoden.
Stücke aus der revidierten Kirchenordnung werden verlefen, daran
fchließt fich Ermahnung. Stuß (Kölln) hält die Peroratio; bis Mittag
disputatio. Gravamina (Befchwcrden): Die Kirche in St. Johann
hat fchlechtes Stuhlwerk, das Getäfel ift faul. Die Kirche in Völklingen
ift baufällig. Der Abt von Wadgaffen hat in Kölln den Chor verfallen
laffen; die Pfarrfcheuer ift nicht gedeckt, und die Bauern verweigern
die Herltcllungsarbcit. Auch in Ensheim weigert fich der Abt, die
eingeftürzte Scheuer wieder aufzubaucn. ln Bifdimisheim kommen die
Herren von Kerpen ihren Verpflichtungen nidit nach. Auch in Dudweiler
ift die Pfarrfcheuer nicht gedeckt; Sulzbach hat keine Kanzel. Die
Scttinger Kirche ift von Katholiken aus Saargemünd aufgebrochen
und Meffe dort gelefen worden. Die Kirche in Malftatt hat ein
fchadhaftes Dadi, Güdingen wünfeht einen neuen Altar und Taufgeräte,
Heusweilcr einen Brunnen. Die Köllertaler wollen für den Pfarrer nidit
arbeiten, weil fie wegen Tanzens beftraft worden find. Diefe Bcfchwerdcn
werden dem Schultheiß vorgelefen. Der Pfarrer von Saarwellingen hat
über den Amtsbruder von Heusweiler geichimpft und muß Abbilte
tun. Mahlzeit beim Superintendenten bis 3 Uhr.
Sech ft e Synodus. 1619 pofhidie Jubilate. 7 Uhr Michael Dörr
(von Keskaftel) predigt in Gegenwart der edlen Hcrrfchaft und des
Pfalzgrafen von Birkenfeld über 5. und 6. Artikel der Auguftana:
de efficacia et virtute minifterii et de bonis operibus. Dann ftando
ein wenig geffen; darauf Colloquium theologicum über beide Artikel
und Oratio des Superintendenten de dignitate, praeftantia et utilitatc
f. minifterii. Kellers Sohn refpondiert loco examinis theologici. Nach-
34
frage, ob die Kirchenordnung gehalten werde, Sonn- und Fefttage mit
2 Predigten, halbe mit einer Predigt, Bettage einzuhalten, fowie Kon-
firmation, Almofenfäcklein in der rechten Weife umzutragen. Pfarrer in
Ensheim in Konfirmation nadrläffig, verfpricht Befferung. In Herbitzheim
verweigern die Leute die Zenfurftrafen. In der Kirche foll das Gebet fol. 60
aus der Kirchenordnung verlefen und wegen des verftorbenen Kaders
Mathias ein Zufah eingefügt werden.
Gravamina über Zenfurftrafen: Wegen Ehebruchs vor 2 Jahren in Kes-
kaftel noch keine muleta erlegt, auch keine publica paenitentia (öffentliche
Bulje). Mängel an Kirchen, Pfarrhäufern und Gerät werden vorgebracht.
Korporal Jakob Bohrer hat Schwiegervater und Frau geichlagen und
ift ausgebrochen. Der Meier in Heusweiler hebt zuviel Steuer, ohne
Erfolg geftraft, vom Nachtmahl ausgefchloffen, läftert und fchmäht den
Pfarrer. Soll berichtet werden. Gefährliche Zeitläufte, deshalb keine
Vifitation vorzunehmen. Es wird nach der Pfarrer Leben gefragt. Keine
Klagen. Etliche Novitii (Neulinge), die in Synode angekommen find,
angcfprodien, etwas zum Beftcn zu geben, Johann Wölflin, Peter
Wepner, Johann Trautmann löfen fich zur Zufriedenheit. Soll künftig
ebenfo verfahren werden. Johann Wölflin in St. Arnual foll bei der
nächften Synode refpondiern über Artikel 7 und 8 der Confeffio
Auguftana. Stutz foll in der Kirche predigen. Gegenwärtig Dr. Bartho-
lomaeus Werner. Abwefend: Ferdinand Reichermut krank, Johann Bern-
hard Weber wegen Krankheit feiner Frau. Johannes Hanftein hat
durch den Pfarrer von Eiweiler gemeldet, er habe feine Kleider nicht
zu Haufe. Synode will ihn deshalb ausfchlie^en. Klagen über Wucher
der Bauern zu Herbitzheim wird durch Werner und Keller dem Grafen
vor getragen.
Siebente Synode 10. Okt. 1620. Stutz predigt. Eine halbe Stunde
Morgeneffen. Dann Synodus mit Gebet begonnen. Keller peroriert de -
praecipuo fine et ufu Synodorum, dann fpricht Schott kurz de ecclefia.
Darauf Colloquium theologicum von halb zwölf bis halb vier Uhr. Klage
über Kirchenschaffner Ochs; befonders klagt St. Johann über Kirche
35
und Pfarrhaus. Holz gefahren, aber nicht verarbeitet. Bauern in Heus-
weiler weigern hch die Mauer und die Kirche zu bauen. In Sulzbach fehlt
die Kanzel. In St. Johann gehen ein Mann und eine Frau niemals
zum Abendmahl und fchicken ihre Kinder nicht in die Katechismuslehre.
Völklingen erhält den Zehnten von Koffein nicht. Der katholische
Pfarrer von Forbach verbietet den Leuten von Koffein in die Kirche
zu gehen, wenn Pfarrer Reichermut predigt. Die Kalviniften auf der
Hütte halten Feiertage und Bettage nicht. Die Bauern von Uberherrn
ackern am Beitage. Klage über Unzucht. Bauern in Walpershofen machen
Gärten aus dem Kapell (Acker), wodurch der Zehnt gemindert wird.
In Ensheim Tanz am Sonntag und Montag während der Kirb. Der
Pfarrer von Bifchmisheim hat Kirbentanz verboten, doch ohne Erfolg.
Die Hofknechte find umgezogen und haben Fladen (Kuchen) geheifchen
und einen Tanz gehalten. Güdingen klagt, da^ einer in Melancholei
nicht in die Kirche gehe.
Klage über den Pfarrer von Wellingen: hält Beitage nicht und macht
keine Krankenbefuchc. Um 6 Uhr befcheidenes Nachteffen.
Am folgenden Tag wird Pfarrer in Dudwciler, Johann Breitenftein,
wegen Trunkenheit verklagt, depreciert und verfpridit Befferung. Jochem
Keller, Wirt aus Heusweiler, hat eine Schrift gegen den Pfarrer ein-
gereicht: er laffe bei feinem Straf amt feine Affccte mit unterlaufen. Er
ift vorgeladen, und fie verföhnen fich.
Achte Synodus. 11. September 1621, Johannes Keller, Pfarrer von
Güdingen-Bübingen, der Sohn des Superintendenten, predigt über die
Praedeftination oder Gnadenwahl. Wilhelm Göt5, Pfarrer von St. Arnual,
peroriert lateinifch über die Frage: An de myfterio praedeftinationis in
ecclcfia dolendum fit, Frage, ob noch Hochzeiten, Kirchweihen und
Sonntagstänze gehalten werden dürfen. Ohne befondere Erlaubnis nicht
zu geftatten. Vier neue Pfarrer unterfchreibcn die Auguftana. Die
Amtsbrüder erklären fich bereit, der Witwe ihres Vorgängers ein Falj
Korn zu überlaffen. Klagen über offenbare Sünden der Vornehmen.
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Von einer öffentlichen Buße foll abgefehen werden. Neuer außerordent-
licher Beitag? Die Predigten follen nicht zu lang und nicht zu kurz
fein. Ob überall die Kirchenbücher richtig geführt werden, und ob
Brautleute vor der Kopulation examiniert werden follen? Ob die cen-
iura morum richtig gehalten worden fei? Dann folgen wieder Klagen über
bauliche Mißftände, geringes Entgegenkommen und barfches Wefen des
Kirchenfchaffners Odrs. Die Klagen werden dem Grafen übermittelt, der
Abhilfe verfpricht. Ungehorfam der Bauern, fchlechte Gehälter. Ob
der Pfarrer von Reisweiler abzufeßen fei? Dabei hatten die Herren
von Hagen und die Freiherren von Kricchingen mitzufprechen. Ein außer-
ordentlicher Bettag wird wegen der gefährlichen Zeit für nötig gehalten.
Im Jahre 1622 fand wegen der Kriegsgefahr keine Synode Itatt. Im
folgenden Jahre trat wieder Ruhe ein.
Neunte Synode 1623. Dienstag nach Cantate, 14. Mai, 7Uhr. Pfarrer
Bernhard Weber aus Bifchmishcim predigte über den 10. und 13.
Artikel der Auguftana. Der Graf wohnte der Predigt bei. Der Pre-
diger tadelte, daß die Kalviniften Tagten, die Kinder würden ohne
Sünde geboren. Die Synode wurde im Chor der Schloßkirche gehalten.
Der Superintendent dankte Gott für die friedliche Wendung der Zeit
und mahnte zur Einigkeit und Verträglichkeit. Joh. Kafimir Heer aus
Hcusweiler fprach de facramentis in genere et de baptismo, und es
wurde bis 12 Uhr disputiert, dann eine Stunde Mahlzeit gehalten.
Die Befchwerden follen fchriftlich übergeben werden. Die cenfura morum
ergab keinen Tadel; nur über den Pfarrer von Uberherrn, Laurentius
Weber, wurde wegen Weintrunks und unfreundlicher Behandlung feines
Amtes geklagt, und er wurde ernftlich vermahnt.
Zehnte Synode 1624. 3. November. Pfarrer Göß von St. Arnual
predigt zwei Stunden über cena domini (Abendmahl), dann redet
der Pfarrer von Kölln über denfelben Gegenftand, und es folgen
die Gegengründe der Amtsbrüder. Die cenfura morum ergab keine
Klagen. In den Jahren 1625 und 1626 fand keine Synode ftatt, weil
Kriegsvolk im Lande lag. 1627 waren nur die Pfarrer verfammelt,
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die fidi des Krieges wegen in Saarbrücken aufhielten; es waren 17,
die am 3. Oktober zufammenkamen, fidi über die fchlimmc Zeit be-
fpradien und einander zu Ernft, Eifer, Buße und Gebet ermahnten. In
den nädiften Jahren fcheinen des Krieges wegen keine Synoden gehalten
worden zu fein. Wenigftens fehlt es an Aufzeichnungen. Superintendent
Georg Keller, dem wir die vorftchenden verdanken, ftarb im Jahre 1632.
4. DER DREISSIGJÄHRIGE KRIEG
Der dreißigjährige Krieg brachte auch der evangelifchen Gemeinde manche
Befdiwerde. In der Vorahnung des kommenden Unglücks ordnete Graf
Ludwig auf den 9. Juni 1619 einen allgemeinen Bcttag an. Am 1.
Januar 1622 wurde ein zweiter allgemeiner Bettag mit drei Predigten,
dem „Te Deum laudamus“ und anderen Gefangen vom frühen Morgen bis
in die Nadrt feierlidi begangen, wobei jung und alt faltete. Auch
wurde in diefer erften Jahreswoche täglich eine Predigt gehalten und
die Gemeinde zur Buße, Befferung und zum Almofengeben ermahnt.
Bald nadiher kamen fpanifche und kaiferliche Kriegsvölker ins Land,
die befonders die Dorfbewohner fehwer bedrückten. Im Jahre 1627
ftarb Graf Ludwig und wurde in der Kirdie zu St. Arnual beftattet,
wo der Plaß für fein Grabmal in Folge der Not der Zeit leider leer
geblieben ift. Sein Sohn und Nadifolger, Graf Wilhelm Ludwig, fchrieb
am 20. Januar 1628 wegen der immer dringenderen „befchwerlichen
Läuften“ auf den 6. Februar einen großen außergewöhnlidien Falt-,
Buß- und Bettag aus, zu dem er auch die benachbarten Herren von
Steinkallenfels zu Ommersheim, die Freiherren von Kriechingen in Saar-
wellingen, den Amtmann und die Pfarrer der Vogtei Herbitzheim, den
Amtmann Johann Leonhard von Helmftatt und den Infpektor Magnus
Stephani in Ottweiler, den Amtmann zu Kirchheim und den Junker
Bernhard von Hagen in La Motte bei Lebach aufforderte. Am 10.
Dezember 1630 wurde wieder ein allgemeiner Beitag auf den Anfang des
nädiften Jahres ausgefchrieben, Falten, Kirchenbefudi und Enthaltung
von allem lauten ungebärdigen Wefen geboten.
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Aber die fchmerzlichfte Prüfung blieb dem frommen Grafen nicht erfpart.
Im Jahre 1635 mußte er vor den Kaiferlidien, die Saarbrücken befehlen,
nach Meß flüchten, wo er fünf Jahre fpäter im Elend ftarb. Seine
Witwe, Gräfin Anna Amalia, kehrte nadi Saarbrücken zurück und
ftarb hier im Jahre 1651. Sie wurde als das erfte Mitglied des
grätlidien Kaufes in der Schloßkirdie begraben, doch die Armut der
Zeit gönnte audi ihr kein Denkmal.
Im Verlaufe des Krieges war die Bürgerfchaft durch Peft, Hungersnot,
Brand und Auswanderung lehr zufammengefchmolzen. Aus dem Jahre
1635 wird berichtet: „In beiden Städtchen find letztmals nit mehr als
70 Bürger und diefe ganz ruiniert.“ Die Lehrer des Gymnafiums
waren bis auf einen an der Peft geftorben; diefer, Magifter Philippi,
unterrichtete allein die wenigen übrig gebliebenen Schüler, bezog aber
keine Bcfoldung, da die Gefälle von St. Arnual, Herbitzheim und Wad-
gaffen ausblieben, und war auf die Erkenntlichkeit der Eltern angewiefen.
Dazu verfah er die Pfarreien zu St, Arnual, Bedungen und Wilhelms-
brunn, von denen die letztere 3 Stunden von Saarbrücken entfernt lag.
Wie er dem Grafen berichtete, hatte er in zwei Jahren 68 mal den
Kreuzwald mit Leibs- und Lebensgefahr durchwandert. Im Unterricht
wurde er fpäter von dem Pfarrer Sdiloffer in Saarbrücken unterftützt,
dodi die Zahl der Schüler war fo gering, daß beide den Unterricht
in ihren Wohnungen erteilten.
Später war der Rektor des Gymnafiums zugleich Diaconus in Saar-
brücken und Pfarrer zu Gersweiler und Klarental.
5. DIE REUNIONSZEIT
Nur langfam vermochten fich die verarmten Städte von dem Kriegs-
elend zu erholen, und es dauerte viele Jahre, bis die Spuren der aus-
geftandenen Leiden einigermaßen verwifcht waren. Schweden und Kaifer-
liche, Lothringer und Franzofen hatten nadicinander die Städte heießt
gehalten und von dem Gut der Bürger gelebt, Brandfchaßung und
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andere Bedrückung verübt. Die Wohnhäuier waren verfallen und zum
Teil verbrannt, auch die Mauern, Tore und ftädtiiehen Gebäude waren
zum Teil zerftört.
Diefe traurigen Verhältniffe wirkten natürlich auch auf die Lage der
evangelifchen Gemeinde ein.
Graf Guftav Adolf (1659—1677) war redlich bemüht, wie dem ganzen
Lande, fo auch den Städten wieder aufzuhelfen. Er lielj Verzeichniffe
der ausgewanderten Bürger auffeljcn und He zur Rückkehr auffordern.
Um neue Bewohner in die verödeten Städte zu ziehen, verordnete der
Graf am 9. Februar 1664, dalj von dem Einzugs- und Zunftgeld,
das beim Eintritt Fremder in die Bürgcrfchaft entrichtet werden muffte,
einige Jahre lang ein Drittel nadigelaffen und denen, welche ruinierte
oder neue Häufer aufbauten, 5, 6 und mehr Jahre Befreiung von Real-
und Perfonall alten gewährt werden könne. Diefe Erleichterung beftand
bis 1679. In der Tat finden fich feit diefer Zeit in unfern Städten eine
Reihe von neuen evangelifchen Familiennamen, deren Träger damals
zugewandert fein müffen, z. B. Korn aus Brandenburg, Haldy aus
der Schweiz, Sehmer aus Baden u. a. Im Jahre 1671 belief fich „die
Mannfchaft“ von Saarbrücken wieder auf 225, die von St. Johann auf
191 Köpfe. Auch der Wohlftand hob fich langfam wieder, da einige
gute Jahre reiche Ernte brachten und der Holzreichtum der Wälder bei
holländifchcn Händlern guten Abfatj fand.
Diefer Friedenszuftand war leider nicht von langer Dauer; denn fchon
1672 brach infolge der Ländergier Ludwigs XIV. ein neuer Krieg aus,
der für Land und Städte verhängnisvoll wurde.
Bereits im Herbft 1672 hatten Durchmärfche und Einquartierungen
franzöfifdier Kriegsvölker ftattgefunden, doch fanden zunächft keine
Feindfeligkeiten ftatt. Gegen den Ausgang des Jahres 1673 aber
erfchien ein franzöfifdier Proviantkommiffarius in Saarbrücken, um zur
Verpflegung der TurenneJchen Armee, welche an der Saar ihre Winter-
quartiere beziehen follte, Vorräte an Frucht und Mehl aufzukaufen,
40
und bald langten Abteilungen dicier Truppen hier an. Am 2. Dezember
rückte eine Kompagnie Reiter unter dem Befehl eines Kapitäns fowie
der Marquis von Rodiefort mit feiner Garde hier ein, welcher lein
Quartier im Schlöffe nahm. Diefem folgten am 3. zwei Kompagnien
Dragoner, die fogleidi die Tore und alle Poften befehlen. Unmittelbar
hierauf wurde der gräfliche Hofmeifter Joh. Karl von Rüdesheim ver-
haftet und am 5. nach Nanzig abgeführt. Am Abend des 11. Dezember
erlitt Graf Guftav Adolf dasfelbe Schickfal, weil er fich weigerte, fich
mit dem König von Frankreich gegen den Kaifer zu verbünden. Er wurde
auf Befehl des Marquis von Rochefort als Gefangener auf das Rathaus
gebracht und am andern Tage durch eine Schwadron Dragoner nach
Met-5 abgeführt. Nur mit großer Mühe gelang es feiner Gemahlin
Eleonore Klara, die Freilaffung ihres Gatten zu bewirken.
Am 13. Mai kam Graf Guftav Adolf aus feiner Gefangenfchaft von
Metj nach Saarbrücken zurück; da ihm aber der Aufenthalt im Schlöffe
nicht geftattet war, fo reifte er nach Ottweiler und nahm fpäter Dienft
in der kaiferlichen Armee. Sein Land blieb von den Franzofen befel^t.
Im März 1677 begann die kaiferliche Armee unter dem Befehl
des Herzogs Karl V. von Lothringen fich in Bewegung zu fetten und
rückte im Mai gegen die Saar vor. Am 16. Mai lagerte fie fich auf
den Anhöhen von Malftalt bis St. Johann, worauf man den franzöfifchen
Kommandanten aufforderte, die Stadt zu übergeben; da diefer fich
weigerte, lieh der Herzog Kanonen auffahren und die Befchieljung
vorbereiten. Weil die Franzofen St. Johann nicht behaupten konnten,
fo hatten fie die Türme und Mauern zum Teil niedergeriffen, um den
Feinden keinen Stützpunkt zu laffen. Um die Annäherung zu erfchweren,
fteckten fie am folgenden Tage die Vorftadl im Tal (nach St. Arnual
zu) und die Häufer an der Schloljkirdre in Brand (der Schloljberg
war damals noch eng mit Häufern behänden). Als die Bewohner,
welche nicht einmal vorher gewarnt worden waren, Anhalten zum Löfchen
machten, nahmen ihnen die Franzofen Eimer und Kübel weg; fo ver-
breitete fich der Brand bald über die ganze Stadt und verzehrte
41
die diditgebauten Holzhäufer. Auch das Dadi der Sdilofkirche wurde
vom Feuer ergriffen, die Glocken fehmoizen und fielen herab. Um nur
aus den Flammen zu entkommen, fchlugen die Bürger die Stadttore ein und
retteten fich ins Freie.
Mittlerweile hatten die Kaiferlichen zwei Brücken über die Saar gefchlagen
und befdioffen das Schloß aus zwei Batterien von St. Johann und von der
Saarbrücker Seite aus. Durch den Widerftand und die BrandFiftung
der Franzofen erbittert, warfen fie fchlieflich am 18. Feuerkugeln in
das Schloß, nötigten die Befafung zur Übergabe, und die Kroaten
verübten unter den Brandftiftern em gräfliches Gemefel. Die Gräfin
Eleonore Klara war faft bis zum leften Augenblick von den Franzofen
zurückgehalten worden und kaum dem Tode entronnen. Ihr Gemahl,
Graf Guftav Adolf, wurde am 7. Oktober desfelbcn Jahres als kaiferlicher
Generalmajor in einem Gefecht gegen die Franzofen bei Kodiersberg
in der Nähe von StrafJpurg tödlidi verwundet und ftarb zwei Tage
fpäter in Strafburg. Seine einbalfamierte Leiche ift noch in der evange-
lifchen Thomaskirche zu Straf bürg zu fehen; in der Schlofkirche lief
fein Sohn Ludwig Kraft feinen beiden Eltern ein präditiges Grabmal
errichten.
In Saarbrücken fah es jeft öde und traurig aus; alle Häufer, mit
Ausnahme von 6 maffiv aus Stein erbauten, lagen in Afdie und Schutt.
Von der Schlofkirdie war Dadi und Turm abgebrannt, das Schlof
war zur Hälfte vom Feuer zerftört; die Häufer im Raufdiental waren
ebenfalls niedergebrannt. Zu den vom Feuer verfchont gebliebenen Häufern
gehörte das Gymnafialgebäude, das vereinzelt Fand, und einige Häufer
adeliger Familien; audi einige kleine Häufer in der Vorftadt vor dem
Markttore waren noch übrig.
Die Einwohner hatten fidi gleich beim Brande nach allen Seiten hin
geflüchtet und irrten von allem entblöft und dem Elend preisgegeben
umher. Manche von ihnen kehrten nicht mehr zurück; einige Farben
vor Schrecken und Entbehrung, andere liefen fich auswärts nieder und
noch 40 bis 60 Jahre fpäter fand man heimliche Verftecke, in welchen
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einige nicht wiedergekehrte Flüchtlinge ihre Habieligkeiten verborgen
hatten. Wieder andere hatten iidr in die benachbarten Dörfer geflüchtet
und fanden fpäter in St. Johann einen Zufluchtsort.
Noch um das Jahr 1720 waren nur etwa zwei Drittel der Häuferzahl, wie
iie hundert Jahre früher gewefen, vorhanden. Die Schloßkirche wurde
erft im Jahre 1691 wiederhergeftellt; am 22. Dezember wurde der
Kirchturm aufgefdilagen und am folgenden Tage die neue Glocke ein-
gehängt. Eine Orgel wurde vom Klofter Tholey für 300 Gulden gekauft.
Der Frieden von Nymwegen (5. Februar 1679), welcher die Graffchaft
Saarbrücken ihren rechtmäßigen Befißern zurückgab und die Räumung
durch die FVanzofen feftfeßte, hatte gerade das Entgegengefeßte zur
Folge, indem die franzöfifdie Regierung jeßt durch das bekannte Reunions-
verfahren nicht allein die Graffchaft Saarbrücken, fondern auch viele
andere Landfchaften und Gebiete des linken Rheinufers als Dependencen
der ihr abgetretenen Bistümer Meß, Toni und Verdun an fich zog.
Am 8, Juli 1680 fällte die Reunionskammer in Meß den Spruch, daß
die Gräfin Eleonore Klara bei Strafe der Lehnentziehung binnen 40
Tagen ihr Lehen von dem Bifchof von Meß empfangen und ihre
Untertanen anweiien Folie, keinen andern Oberherrn als den König
von Frankreich anzüerkennen und an kein anderes Gericht als an das
Parlament in Meß zu appellieren, und alsbald trat der König, noch
ehe die Gräfin den Lehnseid wirklich geleiftet hatte (9. Januar 1681),
als abfoluter Landesherr auf. Die Saargegend wurde in die Province
de la Sarre verwandelt und als Intendant der Juftiz, der Polizei und
der Finanzen Anton Bergeron de la Goupillicre beftellt, der in Homburg
feinen Siß nahm und von dort aus mit unbefchränkter Willkür feine
Verfügungen ergehen ließ, indem er Beamte ein- und abfeßte, Steuern,
Kontributionen und Lieferungen nach Gutdünken ausfdirieb.
Von den Verfügungen der franzöfifchen Behörde war keine cinfchneidender
und folgenreicher als ihre Eingriffe in das konfeffionelle Gebiet,
Seit dem Jahre 1575 war die Ausübung des katholifchcn Gottesdienftes
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in der Graffchaft Saarbrücken verboten, und in den Städten
wurden nur Lutheraner als Bürger angenommen, Reformierte nur aus-
nahmsweife geduldet. Jedoch muffen fich ¡m 30jährigen Kriege während
der öfterreichifdien, lothringifchen und franzöfifchen Befei?ung und während
des zweiten Raubkrieges Katholiken in den Städten niedergelaffen haben;
denn wir erfahren, dal? damals die proteftantifchen Pfarrer bei der Be-
erdigung von Katholiken die kirchlichen Handlungen verrichteten.
Die franzöfifche Garnifon hatte ihren eigenen Feldprediger namens
Fabry mitgebradit, der fich fortan Priefter und Ausfpender der Garnifon
zu Saarbrücken und St. Johann und beftellten Seclforger der ganzen
Graffchaft Saarbrücken nannte und den proteftantifchen Geiftlichen das
Recht, Katholiken zu beerdigen, beftritt. Im Anfang des Jahres 1680
liel? er einen Hirtenbrief des Bifchofs von Met? an der Kirche zu St. Johann
anfchlagen, in welchem diefer feine baldige Ankunft ankündigte. Bald
nachher erfchien er auch, und da die Übergabe der Kirche in St. Arnual
an die Katholiken von der Gräfin verweigert wurde, fo weihte er am
30. Mai ein Haus der Stadt als katholifchc Kapelle ein.
Der Bifchof von Mel? hatte fich nämlich fchon im Jahr 1669 vergeblich
für die Ausübung des katholifchen Bckenntniffes in der Graffchaft ver-
wendet; jet?t, da beide Städte von den Franzofen befet?t waren, fchritt
er zur Ausführung feiner Pläne. Da die alte Pfarrkirche zum hl. Ludwig (!)
in Saarbrücken in die Hände der „Irrgläubigen*4 gefallen und deshalb
als diruta anzufehen fei, fo übertrug der Bifchof das Saarbrücker Pfarramt
auf die Kapelle zu St. Johann und gab diefer jei?t zur Pfarrkirche
erhobenen gottesdienftlichen Stätte als zweiten Patron den hl. Ludwig.
Die franzöfifche Regierung begnügte fich aber nicht, den katholifchen
Untertanen die Ausübung ihres Gottesdienftes zu ermöglichen, fondern
fie bemühte fich auch, möglichft viele verirrte Schafe in den Schol? der
alleinfeligmachenden Kirche zurückzuführen. Am 6. Juni 1681 wurde
durch eine „declaration“ beftimmt, dal? felbft fiebenjährige Kinder
zur katholifchen Religion übertreten könnten. So trug man den Glaubens-
hader in die einzelnen Familien und in die Seelen der Unmündigen
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hinein. Am 4. Januar 1684 erlief la Goupilliere die Verordnung, daß
alle diejenigen, welche die katholifche Religion annehmen würden, vier
Jahre von allen Laften und Befchwerden, Einquartierungen, Umlagen,
Steuern und Fronden befreit fein follten. Alle Amtleute, Schultheißen,
Meier und Schöffen erhielten bei Strafe der Wiedercrfeßung den Befehl,
die Neubekehrten nicht mit folchen Laften zu belegen und, wie fpäter
zugefeßt wurde, ihren Anteil auf die Lutheraner und Reformierten zu
legen. Die Entfcheidung aller Prozeffe folcher Neubekehrien mit Gegnern
anderer Religion behielt fich der Intendant felbft in zweiter Inftanz vor,
damit jenen kein Unrecht gcfchehe. Die Beobachtung der katholifchcn
Feiertage wurde ftreng geboten, felbft die Verrichtung der notwendigften
Gefdiäfte, wie Heumachen, Anfertigung eines Sarges u. dgl. an Sonn-
und Feiertagen wurde mit Geldftrafe belegt. Den Beamten wurde der
Befuch der Meffe eingefcharft, bei Erledigung von Stellen nur Katho-
liken angeftelli. So arbeitete man mit den gröbften Mitteln daraufhin,
die proteftantifche Bevölkerung von ihrem Glauben abtrünnig zu machen.
Am 21. Dezember desfelben Jahres machte der Intendant folgendes
bekannt: Da es der Billigkeit nicht entfpreche, daß die katholifchen
Einwohner von der Benußung der Kirchen ausgefchlolfen feien, fo befehle
der König, daß an allen Orten, wo fich zwei Kirchen befänden, die
kleinere den Katholiken eingeräumt werden follc; wo nur eine vorhanden
fei, follte fie beiden Bekenntniffen gemeinfchaftlich fein, jedoch follten die
Katholiken auf die kirchlichen Einkünfte keinen Anfpruch erheben und
keine Störung des evangelifchen Gottesdien ft es verurfachen, die Meffe
nur im Chor gelefen und diefer nötigenfalls abgetrennt werden. Damit
wurde der bisherige durch den Weflfälifchen Frieden anerkannte Rechts-
zuftand umgeftoßen, obwohl der König kurz vorher, am 15. Auguft 1684,
bei dem Regensburger Waffenftillftand den Proteftanten in den reunierten
Gebieten die Beibehaltung ihrer Kirchen verfprochen hatte.
Da Saarbrücken und St. Johann eine Stadtgemeinde bildeten, fo wurde
auf Grund diefes königlichen Erlaffes die Kirche zu St. Johann von den
Katholiken allein beanfprucht. Dem widerfeßte fich aber der Pfarrer
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Schloffer in St. Johann, wahrfcheinlidi mit der Begründung, da^ St. Johann
ein felbftändiger Ort fei und fomit den Katholiken nur das Mitbenuhungs-
redit an der Kirche zuftehe. Da der Pfarrer nicht gutwillig von feiner
Kirche und Gemeinde weichen wollte, fo wurde er unter dem Vorgeben,
dalj er eine üble Conduite geführt, nadi Homburg ins Gefängnis ge-
bracht. Die Gefangennahme war auf den Beridit des katholifchen
Pfarrers Thielemanni zu St. Johann gefchehen; beide Pfarrer hatten
fich öffentlich in der Kirche geftritten. Die Bitte der Bürgcrfdiaft von
St. Johann, er möge ihnen erlauben, einen andern Pfarrer zu wählen,
fchlug der Intendant ab und verwies He an Thielemanni als den beftellten
Pfarrer. Schloffer wurde nach einiger Zeit feiner Haft entlaffen, aber
(7. April) des Landes verwiefen, und der Intendant befahl nun der
Ortsobrigkeit, die Gemeinde in St. Johann zum katholifdien Gottesdicnft
anzuhaltcn; doch er hatte damit wenig Erfolg, da die Evangelifchen in
St. Johann vorzogen, die Kirche in Saarbrücken zu befliehen, die bei
der geringen Anzahl der dortigen Bürgerfchaft hinreichend war, um
beide Gemeinden aufzunehmen.
Die St. Johannis-Kirche war mittlerweile ganz von den Katholiken in
Befih genommen, und am zweiten Pfingfttage wurde die erfte feierliche
Mcffe in der nunmehr ganz katholifchen Kirche gehalten. Am 2. Juli
wurde der Altar abgebrochen und ein anderer auf geführt, der am 24, Auguft
durch den Bifchof von Metj eingeweiht wurde. Der Intendant hatte
bei diefer Gelegenheit befohlen, da^ Meier und Gericht zu Saarbrücken
der Predigt des Bifchofs beiwohnen follten; und als fie fich nicht ein-
gefunden hatten, wurde jeder der Gerichtsleute zu einer Strafe von 10
Livres verurteilt, der Meier Jakob Senner aber mit zehntägigem Gefängnis
belegt und endlich feines Amtes entfett.
Damit waren jedoch die Mittel der franzöfifdhen Regierung noch nicht
erfchöpft. Diejenigen Lutheraner, die früher katholifch gewefen oder
deren Vater oder Mutter der alten Religion angehort hatten, wurden
genötigt, wieder zurückzutreten, und wenn fie fich weigerten, mit Haft
beftraft. Selbft gegen Leute von 60—70 Jahren ging man fo vor. Es
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wird fogar berichtet, dalj man mit Naien- und Ohrenabfehneiden drohte,
während man den Willigen Freiheiten und Ehrenämter verfprach. So
machte man natürlich Abtrünnige, aber diele „Neubekehrten“ mußten nun
mit Zwang zur Erfüllung ihrer religiöfcn Pfliditen angehalten werden.
Infolge diefes Zwanges nahm die katholifche Bevölkerung fehr ftark zu.
Eine franzöfifche Zufammenftellung aus dem Jahre 1688 zahlt in Saar-
brücken 58 Familien, darunter 16 katholifche, 2 reformierte und 40
lutherifdre; in St. Johann 193 Familien, darunter 63 katholifche, 14
reformierte und 116 lutherifdre. In Saarbrücken befanden fich 179, in
St. Johann 511 Kinder. Unter der Jugend trat die fchrofffte konfeffionellc
Scheidung ein. Es wurde eine befondere Schule in den Städten ge-
gründet, in der die Kinder in der katholifchen Religion und in der fran-
zöfifchen Sprache unterridrtet wurden, den Katholiken und Neubekehrten
bei 10 fr. Strafe monatlich eingefchärft, ihre Kinder in diele Schule
zu ichicken. Graf Ludwig Kraft feinerfeits wandte fidi an die evan-
gelifchen Eltern mit dem Gebot, ihre Kinder vom 6, bis 15. Jahre
in die (deutfehe) Schule zu fdricken, da fonft in Zukunft keiner unter
der Bürgerfchaft beider Städte gefunden werde, der zur Belegung eines
Stadtamtes oder zu andern öffentlichen Dienften tauglidr fei. So Fan-
den fich eine deutfehe evangelifche und eine franzöfifdre katholifche Partei
gegenüber.
Der Friede von Ryswyk (1697) gab dem Grafen den unbefdrränkten
Befit) feines Landes zurück, und die alten Einrichtungen traten wieder
in Kraft. Nur eine wichtige Folge der franzöfifchen Hcrrfdraft blieb
beheben. Durch die fogenannte Ryswyker Klaufel wurde beftimmt,
da^ die katholifche Religion an allen zurückzugebenden Orten in dem
Zuftand bleiben folle, in dem fie jetzt fei. Dodr nach dem Abzug der
Franzofen ftellte die evangelifdre Bürgerfchaft von St. Johann den An-
trag, da(z ihr wenigftens die Mitbenutzung der entriffenen Kirche wieder
gebattet würde. Graf Ludwig Kraft gab dem billigen Wunfche audr
Folge, und er führte das exercitium fimultaneum, d, h. die gemein-
fchaftliche Benutzung der Kirche durdr Proteftantcn und Katholiken ein.
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„Es haben aber,“ wie er felbft ichreibt, „die Katholiken einen folchen
Lärm bei dem Bifchof von Mcij gemacht, dalj dcrfclbe fich unterwunden,
mir einen gar empfindlichen Brief zu fchreiben, foda£ mich zuietjl viele
Urfachen bewogen, von dem angefangenen Werk abzulaffen.“ Damit
blieb die Kirche in St. Johann den Evangelifchen verloren. Der evan-
gelifche Pfarrer von St. Johann predigte, taufte und traute in den
nächften 30 Jahren in der Schlo^kirche zu Saarbrücken,
Erft im Jahre 1725, als die Zahl der Bewohner fich vermehrt hatte,
faljte die evangelifche Bürgerfchaft von St. Johann den Plan,
ein eigenes Gotteshaus zu erbauen und führte ihn mit Unterftühung
des Grafen Friedrich Ludwig aus. Der Grundftein wurde am 4. April
1725 gelegt und die Kirche am Johannistage 1727 eingeweiht. Seit-
dem diente die Schlo^kirche wieder dem Gottesdienft der Gemeinde
Saarbrücken allein.
6. DIE FÜRSTENZEIT
Nach dem Tode des kinderlofen Grafen Friedrich Ludwig im Jahre
1728 ging die Herrfchaft auf die fürftliche Linie Naifau-Ufingen über.
Die Fürflin Charlotte Amalie, die für ihren unmündigen Sohn Wilhelm
Heinrich die Regentfchaft übernommen hatte, lief; eine Unterfuchung der
Zuftände in dem Saarbrücker Lande vornehmen.
In einem Berichte des Kammerrats Schmoll vom Jahre 1729 fpricht
fich diefer Beamte befriedigt über den Gottesdienft in beiden Städten
aus, den er infolge der Anordnungen Ludwig Crato's gut eingerichtet
fand. „Der hochfelige Graf Ludwig Crato ift fonderlich für Kirchen
und Schulen beforgt gewefen, maljen er in feinem Teftament verfchafft,
dalj feine fuccedierendc Erben und Nachkommen fich die Beftellung
der Kirchen und Schulen mit tüchtigen Subjectis eifrigft angelegen fein
laffen möchten, damit das Böfe, fo durch das verderbliche Kriegswefen
eingefchlichen, durdi gute Erbauung und fleißigen Unterricht zu gutem
Leben und chriftlichem Wandel je mehr abgefchafft werde.“
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Jedoch erfdiien cs zur Beaufsichtigung des Kirdien- und Sdiulwefens
nötig, das Konfiftorium wieder einzurichten; bisher wurde der Infpektor
Pfarrer Lichtenberger von St. Johann nur in die Kanzlei berufen, wenn
eine Kirchenfadie zu erledigen war. Das Konfiftorium folltc regelmäßige
Kirchenvifitationen abhalten, die fich auf die fittlichc Führung der
Pfarrkinder, Vermögensverwaltung, Unterhaltung der Bauten und
Unterricht zu erftrecken hätten, audi follte dem Konfiftorium die Ho-
fpitalverwaltung zufallen, die bisher das Stift St. Arnual geführt hatte.
Bei dem Stift wurde genaue Rechnungsführung vermißt. Damit dasfclbe
nidit nodi mehr in Verfall gerate, wurde die Anlegung eines Salbuches
zur Eintragung aller Güter, Gefälle und Rechte empfohlen. Den Geg-
lichen wurde die Sorge für die Armen ans Herz' gelegt. Von den
Sißungen des Pfarrkonvents fei durch den infpektor und Paftor Senior
Bericht zu geben. Die üblichen Mahlzeiten auf dem Rathaufe Tollten
abgetan fein, da fidr folches für Geiftliche nicht fchickte, zumal, wenn
nodi andere nicht dazu gehörige Perfonen fich einfänden.
Der Sdiu I uni erricht lag recht im Argen; das Gymnafium war fehr
gefunken. Der Rektor und der Konrektor verfallen zugleidi Pfarrer-
ftellen, wodurdi der Unterricht fehr gehört wurde; die Stunden erteilten
fie in ihren Wohnungen. Es wurde vorgefchlagen, Rektor und Kon-
rektor bei ihrer Pfarre zu beiaffen, dagegen befondere Präceptores zu
ernennen, die eine redite Methode beim Lehren befolgten und die
Jugend zur Gottesfurdit und zu guten Sitten anhielten; audi folltcn
öffentliche Prüfungen eingerichtet werden.
Die Fürftin bemühte fich, den Mißftänden abzuhelfen. Sie arbeitete audi
auf die geiftige Hebung ihrer Untertanen hin, indem fie verordnete,
daß die Eltern, die ihre Kinder nicht zur Sdiule fchickten, doch däs
Schulgeld bezahlen und die Kinder zur Konfirmation nidit zugelaffen
werden follten, wenn fie nicht leien und fdireiben könnten. Im Jahre
1736 erließ fie eine ausführliche Lchrordnung für die deutfdie (Volks-
fdiule) und die lateinifche Schule in Saarbrücken.
4 Gefdiidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbtüdcen
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Uber das kirchliche Leben in dieier Zeit unterrichtet uns der Pfarrer von
Dudweiler, Chriftian Ludwig Barthels (1714—1743) in dem Dudwciler
Pfarrbuchc durch feine Nachrichten vom Saarbrücker Kirchen-Convent,
die hier wörtlich folgen mögen:
„Obfchon die naffauifche Kirchenordnung nur zwei jährliche synodos
haben will, fo hat es doch weiland dem hochfeligen Herrn Grafen von
Naffau-Saarbrücken Ludwig Kräht gnädigft gefallen, alle Monat einen
folchen halten zu laffen ; da fich aber fonderlich die Dorfpfarrer dar-
über befchweret, als wurde der conventus ecclesiasticus alle Viertel-
jahr gehalten, weiches auch noch bis in das 1733fte Jahr continuiret
worden. Und ¡ft diefe Zufammenkunft ein recht nobile institutum und
ift bisher folgendermaßen eingerichtet gewefen:
Wenn der numerus paftorum beifammen und ein jeder feinen locum
eingenommen, fo hält der zeitige Herr Infpector eine kurze lateinifchc
Oration, welche gemeiniglich auf die materiam disputatoriam gerichtet
ift und mit derfelben cohäriret. Nach deren Endigung wird ein Gebet
gefprochen. Hierauf werden die Acta des vorigen Convents abgelefen
und dann folget die exegetica explicatio zweier dictorum sacrae sreip-
turae, deren eines aus dem alten, das andere aber aus dem neuen
Teftamente hergenommen und audi mit dem penso disputatorio über-
einftimmen muß. Darauf werden die theses oder materiae, fo zum
Disputieren vorgefchrieben worden, e libris symbolids abgelefen und mit
einer kurzen paraphrafi illullriret. Hierauf folget die Disputation fclbft,
unter dem Präfidio des Herrn Infpectoris, und hat der Refpondens gegen
zwei Opponenten succeffive fich zu wehren. Finita disputatione wird
dem lieben Gott gedanket, und folget der epifogus, welcher beftehet
in einer oratione refutatoria eines autoris pontificii oder Calviniani.
Dann wird eine meditatio moralis abgelefen und endlich mit Decidirung
eines cafus conscientiae diefer actus bcfchloffen. Derne dodi noch hinten
angehängt zu werden pfleget eine Umfrage, ob etwa Einer oder der
Andere zu erinnern oder anzubringen habe. So auch von gnädigfter
Herrfchaft etwas dem minifterio zu bedeuten ift, gefchieht folchcs auch
50
noch in pleno. Auch haben fich allezeit einer oder mehrere derer
Herren Räthe eingefunden. Wenn nun diefer Actus von 8 bis 1 Uhr
gewähret, gehet man zur Mahlzeit, die aus des Stifts Renten be-
zahlt wird.
In anno 1731 wurde dem Minifterio von Hochfürftlich-Ufingifchen Ober-
Confiftorio bedeutet, wie nach Vorfchrift der Kirchenordnung nur die
2 jährlichen fynodi iollten gehalten und einem Jeden anftatt des bei
der Mahlzeit zu verzehren gewefenen halben Thalers nur ein halber
Gulden gereichet werden.
Es hat aber dem Minifterio gefallen, über diefe erlaubte 2 fynodos
annoch jährlidi zwei colloquia fraterna anzuftellcn und die bei der
Mahlzeit aufgehenden Koften ex propriis zu bezahlen, und haben wir
hierinnen die cpiftolas Pauli paftorales exegetice et porismatice tractirct.
Auf dem den 20. September 1720 zu Saarbrücken gehaltenen Kirchen-
Convent ift aus Befehl unferes gnädigften Grafen und Herrn durch
f. t. Herrn Rath Schmidt denen Pfarrern angedeutet worden, da^
fie, wenn ledige Weibsleute im Verdadrt der Schwangerfchaft feien,
folches dem Meier des Orts andeuten und ihn foglcich dazu an-
halten follten, daf; ePs bei Herrfchaftlichcr Kanzlei anbringen folle;
verfpürten fie aber in diefem Falle an dem Meier einige Saumfelig-
keit, fo follten es die Pfarrer entweder fchrift- oder mündlich felbften
verridrten. Ift deswegen gefchehen, wcillen durdi foldie Nadrläffigkcit
ein Weibsbild von Hcusweiler ihr Kind umgebradrt und zu Saarbrücken
decolliret (enthauptet) worden.
Item wurde befohlen, bei Befchlulj eines jeden Jahres ein ordentliches
Regifter zur hochgräflichen Kanzlei hinzufdiieken, wie viel im felben
Jahr getauft, copulirt und begraben worden feien.
Item dal? die armen Kinder, fo aus dem Almofen gelohnct werden,
jederzeit in der Anweifung an das Saarbrücker und St. Johanner Al-
mofen namentlich follten fpecificirt werden.
51
Item wurde auch eine Specification gefordert, an welche Landarmen
das von gnädigfter Herrfdiaft gegebene Geld ausgeiheilet worden,
fammt einem Regiftcr derer Haus- und Landarmen.
In dem den 4, September 1721 gehaltenen Convent wurde befohlen,
nidit allein die Flucher mit ernfter Kirchenftrafe anzufehen, fondern
auch diejenigen Unordnungen, weldie bei denen Todtenwadien Vorgehen,
da bisher die jungen Burfdie, Mäddien und Kinder allerlei Üppigkeiten
dafelbften zu treiben gewohnt gewefen, fo abzuftellen dah ins Künftige
nur etlidie wenige junge oder alte Leute, weldie dazu berufen werden, bei
denen Todten wadien follen, und follen die Ccnfores auf deren ’Aus-
führung genaue Achtung geben, und wenn fie fich nicht in der ge-
bührenden Ordnung verhalten, folche fobald dem Pfarrer anzeigen,
damit fie nidit nur erinnert, fondern audi nadi Befinden zur Kirdien-
ftrafe mögen gezogen werden. So weit hat es der Teufel bei fo-
genannten evang. Chriften gebracht, dalj fie audi an dem Orte, wo man
fich feiner Sterblichkeit und der darauf folgenden feligen oder unfeligen
Ewigkeit erinnern Tollte, vor Muthwillen und Sünden nicht haben ruhen
können, woraus leidit zu fchliehen, wie cs bei Gefunden und Leben-
digen hergegangen.
Im September 1723 gehaltenen Kirchen-Convent wurde infonderheit
anbefohlen, die Bettags-Predigten-Verfäumer 1) mit Worten, 2) mit
Geld zu beftrafen, und wo fie fich weigerten, 3) foldies der Kanzlei
anzuzeigen.
Was auf denen übrigen Kirchen-Conventibus in nadifolgenden Jahren
paffiret, kann ich nicht mehr wiffen, weillen die Papiere davon mir ver-
loren gegangen. Nun bemerke de novo, wie in dem den 12. Martii
1733 gehaltenen Kirdien-Convent auf Anhalten fonderlidi unferer derer
Dorfpfarrer die zwei von hochfürftlicher Durchlaucht anbcfohlene und
in denen agendis ccclefiaftids enthaltene fynodi oder conventus mit
Unterlaffung derer bisherigen Colloquiorum fraternorum, als weldie
uns mühfam und koftbar gefallen, find fcftgefetd und ftipuliret worden.
Auch wurde die Pfarrwitwen-Redmung abgeleget und juftificirt, auch
52
zugleich ein conclufum fynodale abgefalfet, dalj, wcillen der liebe Gott
die Witwenkaffe bishero dermalen gefegnet, hinkünftig eine Pfarr-
witwe 50 Rcichsthafer jährlich zu genießen haben folle und zwar io
lang, bis es der fundus nidit mehr reichen kann, als in welchem casu
die erftgefchte 50 Gulden wiederum Plah haben müffen.
1733 den 21. Auguft wurde ein convcntus fynodalis dioeceianus zu
Saarbrücken gehalten unter dem Präfidio Ihro Hochwürden des Herrn
Gencralfuperintendenten Dr. Lange in Gegenwart der beiden Herren
Regierungsräthe Schmidt und Stuh. Auch waren als hofpites zugegen
f. t. Herr Superintendent Weinrich von Weilburg, Herr Pfarrer Langer-
hans von Enkirch a. d. Mofel mit Herrn Bos, minifterii candidato,
welcher Generalfuperintendentis amanucnsis vor diefes Mal gewefen.
In der Anrede handelte Herr Dr, Lange von dem Nutzen derer fyno-
dorum, wobei auch der ehemaligen Saarbrückifchen von alten Zeiten aus
denen documentis Erwähnung gefchehen.
Hierauf wurde dasjenige Aufgegebene von allen membris convcntus
ecclefiaftici abgelefen, wozu Herr Infpector Beer den Anfang gemacht.
Es waren aber folgende 2 Themata:
1) theoreticum: Quomodo ecclefia a politia propriiffime differat et
quomodo utrique inter fe conveniat an non convcniat?
2) practicum: Quaenam fint praecipua, a quibus et corruptio et aedi-
ficatio ecclcfiae drriftianae potiffimum deduci queant? worüber endlich
ein colloquium fraternum angeftellet worden.
Auch wurde von einem Jeden anbefohlenerma^en überliefert: kurze
und pflichtmäljige Anzeige über die in agendis ecclefiafticis befindliche
30 articulos vifitatorios fammt anderen Amtsanmerkungen und-begehren.
Nachdem« nun diefer actus folennis von 8 bis halb 3 Uhr gewähret
und fonderlich der Abfchied Herrn Generalfuperintendentis fehr beweglich
war, fo ginge man zur Mahlzeit, und waren unferer 18 Perfonen
dabei, die unter mancherlei angenehmen Discurfenbis halb 7 Uhr dauerte.
Gott laffe Alles gefegnet fein!
53
Den 12. November 1733 ift der conventus Ordinarius wiederum ge-
halten worden, doch fiel nidits Außerordentliches vor, fondern blieb
bei den laboribus ordinariis, und war ich refpondens.
1734 den 11. Martü wurde zu Saarbrücken gewöhnlidicrmaßen der
conventus ecclefiafticus gehalten, anftatt aber, daß das 3. cap. I, Tim.
exegefirt worden, ift auf hochfürftlichen Befehl das Examen mit Herrn
Johann Peter Horftmann, facrofanctac theol. cand. f. t. Herrn Pfarrer
Johann Daniel HorftmamTs zu Völklingen Sohn, vorgenommen worden,
weicher auch wohl behänden und darauf die Freiprediger-Stelle in
der Graffchaft Saarbrücken erhalten lammt der tculfdien Schule von
denen Mädchen in Saarbrücken. Es waren die beiden Herren Regie-
rungsräthe Schmidt und Stuß und der ganze numerus paftorum vor-
handen, als: Herr Infpector Beer, Herr Pfarrer Beizer, Horftmann, Lichten-
berger, Barthels, Schmidt, Steinhauer, Dem, Rißhaub, Rupp, Seidel
und der Candidat Horftmann jun. Nach dem examine wurde die Pfarr-
witwenkaffenrechnung abgehörct.
Mittwochs den 17. Martü mußte der Herr Candidat zu Saarbrücken
predigen über I. Cor. 12, 2 und wurde darauf ordinirt. Item wurde
feftgefeßet:
1) Keine Kinder, fo nicht lefen und den catechismum können, zu con-
firmiren,
2) kein katholifches Buch in den Schulen zu dulden,
3) das Faftnachtsgetänze abzuftellen.
Den 9. September 1734 war wieder conventus ecclefiafticus zu Saar-
brücken, darinnen praeüminariter abgehandelt worden, 1) daß das
jährliche Ernte- und Dankfeft Tollte auf Mathiastag (21. September)
bleiben und diesmal Pf. 67 erkläret werden; 2) wie wegen des Kriegs
das Kürbenhalten und Tanzen einzuftellen. Das penfum disputatorium
war die fchöne Materie de tertio ufu legis, worüber Herr Infpector
etwas redete und felbige recommandirte. Actuarius war Herr Pfarrer
54
Schmidt, Lector Herr Pfarrer Seidel, exegeta V. Ti. Herr Pfarrer Dem,
N. Ti. Herr Pfarrer Ritshaub. Jener explicirte Pf. 1, 1, 2., diefer 2.
Kor. 3, 7. 8. Refpondens ift geweien Herr Pfarrer Liditenberger; da
aber fein Oppcnent Herr Beizer und Horftmann ausgebliebcn, fo haben
die 2 exegetae derfelben Stelle ex tempore vertreten und aus ihren
dictis dubia monirt. Orator war Herr Pfarrer Steinhauer, welcher de
Socinianismo ejusque origine et mataeologia handelte, und wurde
beliebt, daß diefe angefangene Arbeit von ihme follte continuiret werden.
Moral ifta ift gewefen Herr Pfarrer Rupp, welcher feine Gedanken
über das Wort paftor in einem carmine latino vertrug, ich follte casuifta
fein; weillen es mir aber an einem eigentlichen cafu fehlete, fo traefirte
diefe quaeftio: Quälern minifter ecclefiae in corrcptionibus fuis pafto-
ralibus tarn publicis, quam privatis fe gerere debeat, ui illaefam atque
illibatam fervare poffit confcientiam? Da nun auch der conventus mit
einem neuen membro, nämlich dem Freiprediger Herrn Horftmann,
vermehret worden, fo hat er auch zum erften Mal ein neues officium,
nämlich das eines hiftorici gehabt und occafione L articuli Aug. Conf.
gezeigt, wer die Samofateni veteres et neoterici gewefen. Leßlidi theilte
Herr Infpector Beer einem Jeden ein Exemplar eines von Herrn In-
fpector Hellmudt zu Wiesbaden herausgegebenen Kricgsgcbetes aus.
Nach i Uhr ging man zu Tifch, dabei wohl tractiret, auch allerlei
nützliche Sachen discurirt wurden mit herzlichem Wunfch, Gott möchte
uns noch lange in Frieden laffen zufammenkommen.
In Octobre 1734 kam ein Refcript von hochfürftlichem Oberconfiftorium
zu Ufingen mit Befehl, weillen der angegangene Krieg noch immer
fortwährete, fo follten am Neujahrstag als 1. Januar 1735 folgende
Texte explicirt werden, als in der Frühpredigt: Dan. 12, 7—10., in
der Nachmittagspredigt: Off. 22, 10—12.
1735. den 10. Martii 1735 ift der conventus ecclefiafticus zu Saar-
brücken abermal ordentlich gehalten worden. Es ging aber nichts Außer-
ordentliches darinnen vor, als daß die Pfarrwitwenkaffenrechnung ab-
geleget und juftificiret worden.
55
If. wurde ein Ufingifches Obcrconfiftorial-Refcript verlefen, darinnen
wegen des jährlichen Erntefeftes ftipulirt worden, dal? es jederzeit den
23. Sonnt, n. Trin. folle gehalten werden, auch wurde ein vom
Herrn Generalfuperintendenten verfertigtes und gedrucktes Büchlein, jedes
Stüde ä 1 Albus, io aus denen Kirchenrenten bezahlet worden, einem
jeden Pfarrer ausgetheilet, welches bei der Pfarrei behalten und am
Erntcfeft abgelefen werden folle. Es hat aber diefc Änderung dem
ganzen Convent nicht anftehen wollen um vieler wichtigen Urfachcn
willen; doch müffe es dabei bleiben.
Den 8. September 1735 ift abcrmal der conventus ecclefiaftieus wie
gewöhnlich gehalten worden, und war der numerus paftorum völlig
beifammen. Das Vornehmfte, fo darauf vorgegangen, war, dal? Ihro
hochgräflichen Gnaden Sophie Eleonora, Gräfin zu Naffau-Saarbrücken,
als welche eben diefen Tag auf Langenburg verreifete, dem conventui
die Zehrkoften zu zweien Conventen jährlich fchenkete, damit hinkünftig
die 4 jährlichen conventus möchten ohne der Pfarrer eigene Koften
können ordentlich fortgchalten werden. Audi verfprach fie zwei filbcrne
Kannen in die St. Johanner Kirche, vor welche hohe Gnade der con-
ventus durch 2 deputatos Herrn Pfarrer Lichtenberger und Schmidt
unterthäniglt danken liel?e; welches Gott auch Ihro hochgräflichen Gnaden
reichlich vergelten wolle.
Den 8. Dezember 1735 war der conventus fynodalis abermal auf
Koften der Gräfin Sophie Eleonora, darinnen nichts Anderes extra
vorfiel, als dal? ein neuer Herr Freiprediger Namens N. N. (Johann
Lorenz) Handel, fo zu Idftein durch Herrn Generalfuperintendenten
examinirt und ordinirt worden, durdi Herrn Infpector Beer dem con-
ventui vorgeftellet wurde.
1736 den 8. Martii wurde wiederum der fynodus paftoralis gehalten
in Gegenwart Herrn Regierungsraths Schmidt. Die Witwenkaffenrechnung
wurde auch abgehöret. Und waren alle paftores bis auf zwei, nämlich
Herrn Steinhauer und Horftmann pater, fo krank waren, gegenwärtig.
Den 7. Juni war abermal der Paftoralconvent, darinnen lauter fchöne
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Sachen vorkamen, doch nidits Extraordinäres, als daß der Herr Pfarrer
Horftmann von Völklingen fchrifflieh bäte, man möchte ihn wegen feiner
Schwachheit fowohl vom Convent, als denen Circularpredigten dispen-
firen, fo auch gefchehem
Den 30. Auguft 1736 war wiederum der Convent wie gewöhnlich. Die
Jubelbüchlein wegen des in anno 1730 eingefallenen und celebrirten
jubilaei Auguftanae Confeffionis wurden endlich ausgetheilet lammt
einigen kleinen catcchismis vor die armen Kinder.
Im Dezember 1736 wurde der conventus abermal auf gewohnte Weife
gehalten.
1737 den 14. Martii kamen die membra minifterii ccclefiaftici Sarae-
pontani gewohnter Malten zufammen exceptis duobus Horftmannis
aegrotis; es wurden aber die ordentliche labores vor dies Mal gänzlich
beifeite gefetzt wegen einer merklichen Furdit, fo unfer Land betroffen,
indem nicht nur die öffentlichen Zeitungen, fondern auch communis
fama allenthalben bezeugete, wie Ihro Majeftät der König von Frank-
reich, nadideme demfelben ganz Lothringen cediret worden, nun feine
Grenze bis an den Saarftrom feßen und folglich Saarbrücken mit feiner
Dcpendenz durch Unterhandlung vor Geld oder andere diesfeitige
franzöfifche Lande unter franzöfifche Botmäßigkeit kommen follte;
wodurch dann der Leuchter des Evangelü nadr und nadi einen merklichen
Stoß bekommen oder mit der Zeit wohl gar umgeftürzet werden dürfte,
wo es Gott nidit fonderlidi verhüten würde. Es wurde demnadi der
ganze conventus ecclefiafticus fchlüffig, ein unterthänigftes Memoriale
diesfalls an Ihro hochfürftliche Durdilaucht nach Ufingen abzufenden
und zu bitten, daß der bevorftehenden Gefahr möchte auf eine oder
andere Art vorgebeuget werden. Herr Pfarrer und confiftorialis Stein-
hauer madite den Auffaß davon, und nadidem derfelbe von allen membris
approbiret worden, mundirte Herr Pfarrer und Conrector Pupp den-
felben, wozu noch ein Recommandationsfchreiben an Herrn Hofrath
Huth gefüget und alles zufammen den 15. Martii auf der Poft fort-
gefchickct wurde.
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1738 den 4. September ift der conventus eccleiiafticus wiederum ge-
halten worden und zwar wie gewöhnlich mit gutem Nutzem Das Neue,
io dabei vorkam, war ein herrlchaftlich Decret, den Rang des Mini-
ftcrü mit dem Herrn Stiftsamtmann Langenhagen betreffend, darinnen
Itipuliret worden, dalj alle Pfarrer, die länger als Herr Amtmann im
Amte, ihme auch vergehen, die aber nach ihme ins Amt kommen,
demfelben nachgehen Folien.
1739 Find die 4 conventus ecclcfiaftici ordentlich gehalten worden.
1740 ging cs eben alfo zu, wie auch anno 1741.
1741 den 22. Junii wurde in conventu ecclefiaftico Saraepontano
Fepofitis laboribus ordinariis auf hochfürftlichcn Befehl ein Examen
zweier theologiae candidatorum vorgenommen, nämlidi Herrn Caroli
Friderici Hildt und Herrn Caroli Ludovici Schmidt, welche von 10
membris conventus ad ductum articulorum Auguftanae Confeffionis
Find examiniret worden, und Beide fehr wohl behänden. Nach dem
examine, fo von Morgens 9 bis Mittags faft 2 Uhr gewähret, be-
kamen fie beide ihre vocationes, darinnen fic zu Freipredigern declariret
worden.
In anno 1742 haben Ihro hochgräflidicn Gnaden Sophia Eleonora
durch Herrn Doctor Becker dem Kirchenconvent 400 Gld. auszahlen
laifen mit dem Beding, diefes Geld zu Ihro hochgräflidicn Gnaden
ewigem Gedächtnis auf Zinfen zu legen und von diefen Zinfen die
Koften zweier conventuum ecclefiafticorum jährlidi zu beftreiten. Der
Herr vergelte diefer gnädigen Dame und Liebhaberin der reinen
evang. Lehre im Himmel reichlich. Sie find zu Langenburg im
Schwabenland Felig abgefchieden Chrifttags den 25. Dezember 1742
aetatis 74.
1743, Der erfte durch den neuen Herrn Superintendenten Rolle ge-
haltene conventus ecclefiafticus war menfe Junio in articulum de mini-
fterio ecclefiaftico.
59
Reformierte Kirche, von 1821 —1892 Gymnafium, jeht altkalhol. Kirche (Friedenskirche)
Der 2. war den 21. November 1743 und allo eingerichtet: 1) Dom.
Superintendens polt preces et praefationem deconnubio miniftrorum dei
cum eccleiia locum huncce ex art. 7. et 8. Aug. Conf. explicavit;
2) Dom. P. Liditenberger caput ecclefiae genuinum, quod eft Chriftus,
demonftravit; Dom. P. fen. Beizer diftinctiones ecclefiae expofuit;
4) Dom. P. Barthels catholicismum ecclefiae tradidit; 5) Dom. P.
Schmiedtius fen. dictum e Vet. Teft. Efaia 54, 1—3. enucleavit;
6) ob b. deceffum Dom. P. Dernii dictum Eph. 2, 20—23 omiffum
fuit; 7) Dom. P. Ruppius officium et partes opponentis fuscepit et
in caput ecclefiae genuinum inquifivit; 8) Dom. P. Seidclius itidem
opponentis partes geffit, de criteriis genuinis verae ecclefiae; 9) Dom.
P. Streccius refpondentis munus tuebatur; 10) Dom. P. Handelius
confenfum Patrum cum noftra de eccleiia doctrina ex hiftoria ecclefiaftica
docuit; 11) Dom. P. Schmidtius ¡un. de criteriis verae ecclefiae;
12) Dom. P. Hildtius de membris verae ecclefiae egerunt; 13) Dom.
diaconus Beierus porismata ex articulo de ecclefia communicavit.
Der Regierungsantritt des Fürften Wilhelm Heinrich im Jahre 1741
war, wie für das ganze Land und die Städte, fo auch für die evangelifche
Gemeinde Saarbrücken von großer Bedeutung. Der pradrtliebende Fürft,
der fidi längere Zeit am franzöhfchen Hofe aufgehalten hatte, gedachte fein
Saarbrücken in ein Klein-Verfailles umzugeftalten und fand in Friedrich
Joachim Stengel einen genialen Baumeifter, der durdi feine prächtigen
Barodebauten Saarbrücken in ein ganz neues Gewand kleidete. Diefe
Bautätigkeit kam auch der evangelifchen Gemeinde zugute.
Aus Pietät gegen feine Mutter, die 1738 verftorbenc Fürftin Char-
lotte Amalie, weldie dem reformierten Bekcnntnilfe angehört hatte,
gewährte Wilhelm Heinridr den Reformierten, die in beiden Städten
10 Familien zählten, freie Rcligionsübung und förderte ihre Bemühungen
um den Bau eines eigenen Gotteshaufes.
In denselben Jahre 1746, in dem die reformierte Kirche vollendet war,
wurde eine neue Strafe, die Neugaffe oder Wilhelm ft ra^e (jetd
61
Wilhelm-Heinrichftraße) in der Richtung des von der Saar an der Stadt-
mauer entlang führenden Weges angelegt. Die Stadtmauer wurde an
dieier Stelle niedergerriffen, der Graben ausgefüllt und die Baupläne zu
billigem Preise abgegeben, einige Häufer wurden auch von dem Fürften
felbft errichtet. 1748 war die Strafe größtenteils ausgebaut und
wurde gepflaftert.
Den Abfchluß der Wilheimftraße bildete der Neubau des evangelifchen
Gymnafiums; am 10. Mai 1749 wurde der Grundftein gelegt, und
im November 1752 konnte es dem Unterricht überwiefen werden. Es
beftand aus einem Hauptgebäude, das die Lehrräumc enthielt, und
aus zwei Flügeln, in denen die Wohnungen des Rektors, Prorektors,
Konrektors und des deutfehen Lehrers lagen. Das an 50 m lange
Gebäude nahm die ganze Breite des heutigen Ludwigplaßes ein
und muß einen fehr ftattlichen Anblick geboten haben. Die feierlidie
Einweihung wurde erft am 1. Oktober 1759 durch den Rektor Beizer
vorgenommen, unter dem die Sdiule zu großer Blüte gelangte.
Den Sdilußftcin und Glanzpunkt der Saarbrücker Bautätigkeit Wilhelm
Heinrichs bildete die neue Kirche mit ihrer Umgebung. Den Entfchluß,
eine neue Kirche zu bauen, gab der Fürft am 22. Oktober 1761 durdi
folgenden Erlaß kund: „Nadadem man augenfcheinlidi mercket, daß
die Saarbrücker Bürgcrfchaft täglidr zunimbt, alfo der Piaß in der
lutherifchen Kirdic viel zu klein ¡ft, fo habe refolvirt, eine neue Kirdie
aufbauen zu lafien, und gedencke folche mit einem Capital von dreißig
taufend Gulden in fünf Jahren in ftand zu bringen. Idi verfehe mich
aber auch darbey, daß die Collecten im Land und die Fuhren von
Städten und Unterthanen ein merkliches darbey thun werden/'
„Um nun diele 30000 fl. dem Baudirektor zu dem Kirdienbau zu fiebern,
fo hat er durch diefe Anweifung 1) Jährlidi bei Meiner Forft-Caffe drey
taufend Gulden zu empfangen, 2) bey meinem Rentmeilter auch jährlich
zwey taufend Gulden und 3) von dem Stift zu St. Arnual ebenfalls
alljährlich eintaufend Gulden.
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Zu der Orgel für in diefe neuzuerbauende Kirche folf die Kirchenfchaffney
zu Harskirchen jährlich die fünf Jahre hindurch Vierhundert Gulden
Rheinifch geben.
Von dem Glockenwerk diargire ich mich folches von den Collecten zu
bezahlen.
Auf foldie Weife kommt die Kirdie in ftand, und der Herr Baudirektor
wird fein Fleilj anwenden, eine grohe und räumliche Kirche hinzuftellen.
Neunkirdien den 21ten Octobris 1761. Wilhelm Fürft z. N. S.
Die hierinnen von Uns angewiefene Auszahlungen zu ermeltem Kirchen-
Bau follen fämtlidi bis den Erften February zukünftigen 1762ten Jahrs
ihren Anfang nehmen. Neunkirchen, ut fupra W. F. Z. N. S.“
Zum Bau der neuen Kirche, die zugleidi ein glänzender Schmuck der
neuen Stadt werden follle, wurde die herrfchaftüche Buchwiefe auserfehen.
Am 4. Juni 1762 wurde feierlidi unter Beteiligung des Hofes, der
Geiftlidikeit, aller Beamten und der Bürgerfdnaft der Grundftein zu
diefer Kirche gelegt, wobei das fürftliche Militär und die Bürgermiliz
Spalier bildeten.
Bald nachdem der Grundftein zu der neuen Kirche gelegt war, am
5. Juli 1762, erlief die fürftliche Regierung die Bekanntmachung, da^
allen, weldie fich an der Strafe zu beiden Seiten der neuen Kirche
anbauen würden, möchten fie von der einen oder andern der in Dcutfch-
land betätigten drei chriftlichen Religionen fein, eine zehnjährige Ab-
gabenfreiheit zugeftanden und außerdem der Plat^ zum Bau der Häufer
und das Bauholz unentgeltlich angewiefen werden follte. Infolge diefes
Anerbietens war innerhalb wenig Jahren der ganze Platj, der jetd der
evangelifchen Gemeinde gehört, mit fchönen Gebäuden umgeben, von
welchen wieder einige auf Koften des Fürften, andere aus den Mitteln
der Landeskirchenfchaffnei und von Privatleuten erbaut wurden. Um
den Blick von der Wilhelmftra^e auf die Kirche offen zu legen, lie^ der
Fürft um das Jahr 1766 den Mittelbau des Gymnafiums wieder abbrechen
und die Klaffenräume verlegen. Hierdurch wurde in der Tat ein fehr
64
hübfcher Durchblick gefchaffcn; aber der Abbruch des Gymnafiums
war dodr bedauerlidi, da die Schule fortan in unzureichenden Räumen
untergebradit war.
An der Nordfeitc diefes Planes lag das reformierte Sdrul- und Pfarrhaus
(jeht Dienftwohnung des Gymnafiums), daneben das Haus der Geliebten
des Fürften, der Frau von Frcital (jetjt Poitamt) und weiter das Haus
des Hofrats von L ü d e r (fpäter von Mandel und von Strang, jetjt
StummTcher Befi^). Gegenüber auf der Südfeite wurde das erfte lutherifche
Pfarrhaus erbaut, neben dem fich Wohnungen von Beamten und Privat-
leuten befanden; auch das Schulhaus, in dem der Gymnafialunterricht
abgehalten wurde, befand fich auf diefer Seite (fpäter drittes evangelifches
Pfarrhaus und Stiftskaffe). An der Weftfcite des Planes lief} der Fürft 1764
das grobe Armen-, Waifen- und Zudithaus (fpäter Dragonerkaferne)
erriditen, das 1769 vollendet wurde. So entband hier ein ganz neuer
Stadtteil, der nur aus fchönen Gebäuden behänd. An kunftvoll ge-
arbeiteten Toren, zierlichen Baikonen aus Schmiedeeifen und hübfehen
Treppenaufgängen erkennt man nodr heute die fürftlidren Häufer aus
jener Zeit. Diele anfehnlidre Refidenzftadt erregte auch die Bewunderung
Goethes, als diefer von Strasburg aus im Sommer 1770 feinen Lands-
mann, den Präfidenten von Günderrode, befuchte.
Freilidr reichten zum Bau der Ludwigskirche die bewilligten Gelder bei
weitem nicht aus. So wurden Sammlungen bei den Bürgern und Be-
amten vorgenommen, und es wagte wohl kaum jemand, einen feinem
Vermögen entfprechenden Beitrag zu verfagen. Auch von auswärts, von
dem verwandten Hole in Rudolftadt, aus den proteftantifchen Reichs-
städten und aus Dänemark kamen namhafte Beiträge. Sogar der
Jude Cerf Beer, der Pädifer des Blechhammers muljte einen erheblichen
Zufchub geben. Der Fürft vermehrte die Einnahmen für den Kirchenbau
noch dadurdr, da^ er Strafgelder für diefen Zweck überwies. Ein
Handelsmann mu^te wegen falfcher Malje den hohen Betrag von 150
Gulden bezahlen, ein Berginfpektor wegen üblen Betragens 10 Gulden,
der Unternehmer einer Pretiofenlotterie zahlte den zehnten Pfennig mit
5 Geichidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
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Haus am Ludwigsplafi
Treppe in einem Haufe am Ludwigsplafj
210 Gulden, Friedridisthaler Glasmacher lieferten wegen einer Schlägerei
300 Gulden ab. Für Erlab der Schanzarbeit, für Vergehen gegen einen
hcrrfchaftlichen Diener, wegen Ehebruchs, Zufallfpiel und anderer Über-
tretungen wurden Strafgelder bezahlt. Die Mebgerzunft muljie wegen
grober Widerfpenlligkeit 200 Gulden erlegen, der Kammerrat Dem gar
600 Gulden. Zwei „Bürgerbuben“ mußten ein Jagdvergehen mit je 30
Talern hüben; der Mundkoch und der Lehrkoch fteuerlen je einen neuen
franzöfifdien Taler zum Kirdienbau, weil fie mit „übel aptierter Sauce“
zu einem Aal Sereniffimus erzürnt hatten.
Der Bau der neuen Kirche, der durch den Tod Wilhelm Heinrichs 1768
infolge der hinterlaffenen Sdiulden unterbrochen worden war, wurde
von Fürft Ludwig in den Jahren 1772—1775 zu Ende geführt und
das Gotteshaus ihm zu Ehren Ludwigskirche genannt. Die gefamten
Baukoften mit Einfchlub der inneren Einrichtung beliefen fich auf etwa
90000 Gulden, die teils aus den Einkünften des Fürften, teils aus der
Kirchenfchaffnei, teils durdi freiwillige Beiträge von Bürgern und Aus-
wärtigen gedeckt wurden.
•Die Beiträge zum Kirdienbau fcheinen nur langfam eingegangen zu
fein; denn am 25. Februar 1766 ichrieb der Rat Lanz an das Stift,
dab nach dem Bericht des Kammerrats Stengel nur wenig Geld zum
Kirchenbau vorrätig fei, dab diefer aber nach dem Willen hochfürftlicher
Durdilaudrt gleichwohl weiterzuführen und in dieiem Jahre nodi unter
Dach zu bringen fei. Da der Fürft hoffe, dab die Dicnerfchaft (die
Beamten) und die Bürgerfchaft ihre Beiträge willig leiften würden, fo
erfcheinc es nötig, ein Kapital aufzunehmen, das man fpäter, wenn die
Arbeit an der Kirche nicht mehr fo ftark betrieben werde, wieder ab-
tragen könne.
Fürft Wilhelm Heinrich erlebte die Vollendung der Kirche nicht, deren
Bau infolge der fdiwierigen Fundamentierung nur langfam forlfchritt; er
ftarb am 24, Juli 1768 im 50. Lebensjahre und wurde am 28. Auguft 1768
in der Schlobkirche beigelc^t, wo fein Grabmal an der Südfeite des
Chores fteht.
68
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Die Ludwigskirdie (Nordíeite)
Die Kirche ift das Meifterwerk des Baudirektors Stengel, der auch
die übrigen Bauten Wilhelm Heinrichs geleitet hat. Der Grundrih hat
die Form eines griechifchen Kreuzes, doch find der öftliche und weltliche
Arm etwas verkürzt, fodalj die Ausdehnung von Weiten nach Often
33 m, von Süden nach Norden aber 38 m beträgt; audi find die
Ecken des weltlichen und öftlidien Kreuzarmes abgcfchrägt. Wegen
des feuditen Untergrundes muhte man das Fundament auf einem hölzernen
Pfahlroft erbauen und Waiferabzugsdohlen anlegen.
Die Kirche kann als Muher einer proteftantifchen Predigtkirche gelten,
da Altar, Kanzel und Orgel an der Weftfeite des Langfchiffes vereinigt
find. Der Orgel und der Kanzel gegenüber war der Fürftcnftuhl.
Leider find die Emporen dem Innern nicht organifch eingefügt, fodalj
das fchöne Verhältnis der Fcnfter gehört wird. Merkwürdig crfcheint
die Unterstützung der Emporen durch Karyatiden, die dem Innern einen
etwas weltlidren Charakter geben, Die Decke ift durch reiche Stückarbeit
verziert. Die Au^enfeite, weihe durch korinthifhe Pilafter gegliedert
ift, zeigt lehr fein entwickelte Formen in den Zeichnungen der Fenfter.
Das Dach ift von Baluftraden und Bildfäulen umgeben, wcldre die
Patriarchen, Propheten, Apoftel und allegorifche Gehalten darftellen.
Unter der Kirche liegt ein Gewölbe, das zur Fürftengruft beftimmt war.
Im Wehen befindet fich der 30 m hohe Glockenturm, der fih aus dem
Viereck zum Achteck entwickelt, aber keine Haube trägt, fondern
oben abgeftumpft ift, in auffallendem Gegenfahe zu der Bauweife
jener Zeit und zu den übrigen Kirchen der Städte. Ein berufener
Urteiler nennt die Kirche eine der beften Schöpfungen des proteftantifchen
Kirchenbaues.
Uber dem nah Often gerichteten Hauptportal befindet fih folgende
Infhrift: Pofteritati! Aucta civium luheranorum in urbe Saraeponlana
multitudine, quam templum vetus prope arcem ante annos CCC ex-
structum vix amplius capiebat, Serenissimus Princeps ac Dominus,
Dom. Wilhelmus Henricus Nassovico- Saraepontanus, patriae pater,
70
Inneres der Ludwigskirdn
hanc novam acdcm saeram in Dci gloriam coctusquc cvangelici pu-
blicum commodum cxstrucndam curavit suis potissimum sumptibus.
Cujus primum lapidem poni jussit Anno Christi MDCCLXII die
IV. Junii1).
Uber die Einweihung der Kirdie berichtet der Bürger Gottlieb folgendes:
„Am 25. Auguft 1775, als am Ludwigstage, wurde die 13 Jahre
früher in Angriff genommene neue evangelifch- lutherifche Kirdie mit
vielen Solennitäten eingewcihet und wird jet^o die Ludwigskirche genannt.
Die bei der Einweihung beobadrteten Ceremonien waren folgende:
Zucrft marfchirte fürftliche Leibkompagnie in größtem Staate in den
Schlohhof, allwo die Kreiskompagnie bereits aufgeftclli war. Hierauf
kamen die Saarbrücker Bürger unter Anführung ihrer Stabsoffiziers je
zwei und zwei in befter bürgerlicher Kleidung ebenfalls in den Schloljhof.
Darauf kamen die St. Johanner ebendahin. Die fürftliche Dienerfchaft
hatte lieh in ihrer beften Kleidung mit dem Degen an der Seite allda
fchon marfchfertig auf gehellt. Von den Bauleuten, weldie die Kirche
hatten bauen helfen, trug jeder ein Stück Werkzeug. Diefelben wurden
geführt von dem Polirer Jakob Lautemann, welcher einen verguldeten
Zirkel trug. Die Haupiperion, und weldie zuvorderft ging, war der
Baudirektor Stengel. Beider Städte Kaufmannfchaft war unter An-
führung des Herrn Commerzienraths Heinrich Schmidtborn ebenfalls
in den Sdilo^hof gekommen.
Dort hellte fich darauf audi die evangelifche Geiftlichkeit aus allen drei
Graffchaftcn je zwei und zwei auf. Um 9 Uhr Morgens begann man
in beiden evangclifdien Kirchen zu läuten, worauf der Zug nadi der
3) An die Nachwelt! „Als die Menge der lutheriidien Bürger der Stadt Saarbrücken
fich fo vermehrt hatte, dalj die alte Kirche beim Schloß, welche vor 300 Jahren erbaut
wurde, fie beinahe nicht mehr faffen konnte, hat der duichlauchtigfte Fürft und Herr,
Herr Wilhelm Heinrich von Naffau-Saarbrück, des Vaterlandes Vater, diefes neue
geheiligte Gebäude Gott zum Ruhme, der evangclifchen Gemeinde zum öffentlichen
Nutzen hauptfächlich auf seine Koften erbauen (affen; den Grundftein befahl er zu
legen im Jahre Chrifti 1762 den 4. Juni.“
72
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73
neuen Kirche folgendermaßen fich in Bewegung feßte: Voran ging die
fürftliche Leibkompagnie, welche in der Kirche überall Pofto faßte um
Unordnung zu verhüten. Auf diefe folgte die Kreiskompagnie, welche
an den Kirchtürcn ftchen blieb und niemanden herein ließ, der nicht
hinein gehörte oder Einlaßbillets vorweifen konnte. Nach dieien kamen
die Herren Regierungsräthe, Kammerräthe, Oberamts- und fonftige
Räthe, in Summa alle fürftlidien Civilbedienftete nadi ihrem Range
und mit dem Degen an der Seite. Auf diefe folgten beider Städte
Magiftratsperfonen in fchwarzen Mänteln, unter Anführung des
Stadtfchuliheiß Stuß. Hierauf kamen beider Städte Bürger und
fuditen Plaß, wo fie fanden. Die Geiftlichen gingen der Kreis-
kompagnie nach x).
Die Kirche war mil mehr als 1000 Menfchen angefüllt.
Der Anfang des Gottesdicnftes ward mit einer wohlcomponirten geift-
lichen Mufik gemacht; den Eingang machte der Herr Pfarrherr Handel
vor dem Altar, und wurde der Text 1. Könige Kapitel 8 Vers 10 bis 60
verlcfen. Die Einweihungspredigt hielt der Herr Generalinfpektor Schmidt
mit fo allgemeinem Beifall, daß felbft andere Religionsverwandte mit
viel Lob und Ruhm davon gefprochen haben. Nach der Predigt hielt
der erfte Pfarrherr Bartels noch eine auf die Einweihung Bezug nehmende
Rede. Den Schluß machte der zweite Pfarrherr Röchling, indem er
ein Ehepaar traute und ein Kind taufte, worauf unter Abfingung des
herrlichen Liedes „Herr Gott, dich loben wir“ zu größter Zufriedenheit
von beider Städte Einwohnern und der vielen Fremden Mittags um
1 Uhr der Gottesdienft geendigt ward.“
Die Grundfteinlegung und die Einweihung der Ludwigskirche wurde
auch mit Gedichten gefeiert, welche die damals in der Gemeinde herr-
fchende Stimmung wiederfpiegeln und deshalb hier einen Plaß finden
mögen.
') Die Zugordnung ift nicht genau; die Geiftlichen kamen nach den Beamten, die
Kreiskompagnic machte den Schluß,
74
GUTE WUNSCHE
der ganzen
EVANGELISCHEN-LUTHERISCHEN GEMEINE
in
SAARBRÜCKEN,
als
auf hohen Befehl
den 4. Juni 1762
der
GRUNDSTEIN
ZU IHRER NEUEN KIRCHE DASELBST
GELEGT WARD.
/ Saarbrücken
gedruckt bey Bernhard Gottfried Hofer,
Hof-Buchdrucker.
Lai? dielen Stein, den wir verlenken,
Ein Denkmal unfern Kindern feyn,
Dal? fie gern an dein Wort gedenken,
Und lieh zu deinen Tempeln weyhn.
Der hat den Grundftein recht gelegt,
Wer Jefus in dem Herzen trägt.
Vergilt dem Fürften feine Treue.
Lai? deinen Segen auf Ihm ruhn,
Und fahre immer fort, aufs neue
Ihm und den Seinen wohl zu thun.
Lai? Stadt und Land in Frieden ftehn
Und ftets dein Wort im Schwange gehn.
75
Du Fels des Heils, der das Gebäude
Der ganzen Kirche Gottes trägt!
Erhalt uns alle, dir zur Freude,
Stets auf dem Grund, den du gelegt,
Auf Wahrheit, die verfichert ift,
Dieweil du felbft ihr Eckltein bift.
CANTATE
bei
FEIERLICHER EINWEIHUNG
der neuen
LUDWIGS-KIRCHE
zu Saarbrücken
abgefungen.
den 25. Auguft 1775.
(Das Saarbrücker Wappen)
Saarbrücken
gedruckt bey Bernhard Gottfried Hofer,
Hochfürftlich Naffau-Saarbrückifchem Hof-Buchdrucker
Vor der Predigt
Tutti:
Jef. 49, 23
Könige follen Deine Pfleger und Fürftinnen Deine Säugammen feyn.
Recitatio:
Von einem frommen Trieb beweget
Hat Wilhelm, deffen edlen Geift
Mit uns die fpätc Nachwelt preift
Den Grund zu diefem Haus geleget;
Und er entfdilief, eh noch, aus Dank erfühlter Bruft,
An dem geheiligten Altar,
Das Opfer angezündet war,
76
Das rauchend nun für Ludwig, Nafiau’s Luft,
Hodi über alle Himmel fteiget,
Und dem gefällt, der das Gebät erhört,
Sidi zu dankbaren Wünfchen neiget,
Und He gewährt.
Aria I
Ja! du kröneft Wilhelms Saamen
Ludwig, weldrcr deinem Namen,
Höchfter! diefen Tempel weiht.
Segen, der fein Haus beglücket,
Wonne, die audr uns entzücket,
Ift fein Loos in diefer Zeit.
Und wenn lang nadi unfern Tagen,
Einft die Enkel um ihn klagen,
Segnet ihn die Ewigkeit
Dann du kröneft Wilhelms Saamen
Ludwig, wcldrer deinem Namen.
Höchfter! diefen Tempel weiht.
Recitatio:
Da fteht Er, Saarbrückens ftolze Zierde,
Für jedes Aug ein Gegenftand der Luft;
Ihn ficht der Chnft, mit wallender Begierde,
Und Andadit hebet feine Brüh:
Hier wohneft Du, fpricht Er, den keine Welt kann faffen,
Unendlich - Unermeßlicher!
Hier willft du dich zu uns dem Staub herniederlaffen,
Du aller Welten HERR!
Wir hören
Hier, deinen Mund uns lehren
Und unfere Augen öffnen fidi,
Hier bift du Herr — wir fehen dich!
Aria II
Gott! wir fehen es mit Klarheit:
Gnade, Heiligkeit und Wahrheit
Strahlt in deinem Angcficht;
Dich zu iehen, kann uns nidit fehlen;
Dann dein Wort ift unfern Seelen
In der Finfternis ein Licht;
Und wir fehen es mit Klarheit:
Gnade, Heiligkeit und Wahrheit
Strahlt in deinem Angeficht
Choral N 179, 4.
Befördre dein Erkenntnis in mir, mein Seelen-Hort! und öffne
mein Verftändnis durch dein geheiligt Wort. Damit ich an dich
glaube und in der Wahrheit bleibe / zu Trub der Höllen Pfort.
Nadi der Predigt
Tutti:
Pfalm 93, 5.
Dein Wort ift eine rechte Lehre, Heiligkeit ift die Zierde deines
Hauies ewiglich.
Recitatio:
Wo reine Lehr, auf Gottes Wort gegründet,
Den Trieb der Heiligung entzündet,
Und wo der Chriff, durch feines Glaubens Kraft
Auch Früdite bringt und Werke fdrafft,
Die feiner Brüder Wohl vermehren
Und die erhabne Gottheit ehren;
Da roll des Höchften Wohnung fein;
Ein Herz, belebt von diefem Triebe,
Gefällt dem Gott der Liebe:
Er weiht es fich zum Tempel ein.
78
Aria III
Dir, Heiligfter! Zum Wohlgefallen
Soll ftets des Dankens Stimme fchallen,
Dalj Du uns durch Dein Wort belehrft;
Auch unfer Leben foll Dich prellen,
Der Du, de^ wir Gehorfam weifen,
Bei uns die Kraft des Guten mehrft!
Wie Dir die lauten Himmel fingen,
Frohlockend Preis und Ehre bringen,
So tönt zu Deines Namens Ruhm
Nun dies geweihte Heiligtum,
Dies Haus, wo Dir zum Wohlgefallen
Soli unfers Dankes Stimme fchallen“
Choral Nr. 411:
Es wollr uns Gott gnädig fein.
Nadi der Vollendung der Ludwigskirdie wurde der Gottesdienft ab-
wechfelnd in den beiden Kirchen gehalten. Im Jahre 1776 genehmigte F ürft
Ludwig auf den Bericht des Generalinfpektus Schmidt, dal? nicht nur
die Kommunionen, fondern auch die Bettagspredigten und zwar erftere alle
4 Wochen und legiere alle Monate in den beiden lutherifchen Kirchen, jedoch
dergeftalt abwechfeln follten, dalj auf einen jeden Karfreitag die Kom-
munion in der Schlo^kirche, wo Sereniffimae Hochfürftliche Durchlaucht
(die Fürftin Wilhelmine) fich derfelben zu bedienen pflege, gehalten
würden. An den erften Tagen der drei hohen Fefte follte Kinderlehre
ftatlfinden, fowie in jeder Kirche 2 Predigten gehalten, die Kinderlehren
aber auf die Nachmittage der zweiten Fefttage verlegt werden.
Ein elementares Ereignis verfemte im Jahre 1784 die Bürgerfchaft
beider Städte in grolle Aufregung und zog auch die Kirchengemeinde
etwas in Mitleidenfdiaft. Die Saar fchwoll durch Eisgang und Hoch-
waffer fo an, da^ man den Einfturz der Brücke befürchtete. Der Ober-
80
baudirckior von Welling fuchte die Brücke durch Glockenfeile zu beteiligen
aber fie kürzte in der Nadit vom 27, auf den 28. Februar wirklidr ein.
Die Glöckner muhten fich mit zufammengebundenen alten und geliehenen
Seilen behelfen, bis tür 21 Gulden 30 Kreuzer aus dem Brückenbauftock
neue Seile befchafft waren.
An der im 18. Jahrhundert bei Familienfeften des landesherrlichen
Haufes in Gedichten fich kundgebenden Ehrerbietung der Untertanen
nahm audr die evangelifdre Geiftüchkeit gebührenden Anteil. Wir lefen
aut dem Titel eines dichterüchen Glückwunfches:
„Schuldiges Freudenopier,
als von Gott, dem Geber alles Guten,
Ihro hodifürftlidie Durdrlauchtigkeiten,
Herr Wilhelm Heinrich,
des Hl. Römifdien Reichs regierender
Fürft zu Naffau u. f. w,
und
die durdilauchiigfte Fürftin und Frau,
Frau Sophie Chriftine
Charlotte Friedrich Edmuth,
regierende Fürftin zu Naffau u. f. w.
mit dem zweiten durchlauchtigften Prinzen
Friedridr Auguft
den zweyten July 1748
befchencket wurden,
unterthänigft abgeftattet
von dem
Superintendenten und Minifterio Evangelico
der Graffchaft Saarbrücken.
Ein ähnlicher Glückwunfch wurde im Jahre 1752 bei der Geburt der
Prinzeffin Anna Caroline überreicht. Auch die Leichenreden waren
fchwulftig und übertrieben lobrednerifch. Eine rühmliche Ausnahme machte
6 Gcldiichte der ev. Gemeinde Ail-Saarbrücken
81
Saarbrücken und St. Johann um das Jahr 1780 (rechts die Ludwigskirchc)
der Pfarrer und Rektor des Gymnafiums Friedrich Jakob Belfert der
dem Fürften Wilhelm Heinrich fein fittenlofes Leben verhielt, dafür aber
auch bald nachher nach Harskirchen verfemt wurde, wo er fein Leben
bcfchlolj.
Als Fürft Ludwig im Jahr 1779 feinen Sohn, den 11 jährigen Erbprinzen
Heinrich, mit der 7 Jahre älteren katholifchen Prinzeffin von Montbarey
vermählte gerieten feine cvangelifchen Untertanen in Beforgnis, da^
dadurch der Fortbeftand der evangelifchen Religion gefährdet werden könne.
Diefc Belorgniffe befchwichtigt P’ürft Ludwig durch das am 25. März 1779
erfchienene Hausgefe^, wonach auch im Falle der Religionsänderung
eines künftigen Landesherrn die evangelifch-luthcrifche Religion als die
herrfchende Landesreligion fortbeftehen und in allen ihren Rediten und
Freiheiten, Gütern und Stiftungen ungekränkt und ungefchmälert bleiben
follte. An Orten, wo die Übung der katholifchen Religion nicht hergebracht
war, follte der Fürft und feine Nadikommen nicht das Redit haben,
katholifche Kirchen, Schulen, Klöfter, Kapellen, Hofpitäler und Kranken-
häufer zu gründen, nodi eigene Geiftlidre und ftändige Schulmeifter
anzunehmen. Auch Prozeffionen, Wallfahrten, katholifche Kirchhöfe,
Bilder und Kreuze follten nirgends geftattet fein und unter keinerlei Vorwand
das an vielen Orten Unruhen erregende Simultaneum catholicum eingeführt
werden. Ein katholifcher Fürft durfte nadr den Beftimmungen des weft-
fälifchen Friedens einen Hofprediger feiner Religion in feiner Refidenz
halten, doch follte diefer kein Ordensgeiftücher, ein verträglicher Mann
und in weltlichen Dingen der Gerichtsbarkeit des fürftlichen Hofgerichts
unterworfen fein. Es follte aber keine eigene Hofkapelle erbaut,
fondern nur ein Zimmer im Schlöffe für den Gottesdienft der katho-
lifchen fürftlichen Perionen und Hofbedienten eingerichtet werden. Einer
andern katholifdren fürftlichen Perfon war nicht geftattet, im Schlöffe
katholifchen Gottesdienft zu halten, fondern he follte die nächftgelegene
katholifche Kirche befuchen. Allenfalls durfte fie in ihrem Zimmer
eine Meffe lefen laffen, doch ohne einen Altar zu benutzen. Alle Be-
amtenftcllen des Landes follten nur mit lutherifchen und womöglich im
83
Fürft Ludwig
84
Lande geborenen Perfonen befeßt werden, und wenn ein Beamter der
lutherifchen Religion untreu würde, fo follte er entlaffen werden. In
Dörfern gemilchter Konfeifion follte, wenn nur ein proteftantifcher Ein-
wohner fidi dort befände, diefer zum Ortsvorfteher ernannt werden ;
evangelifche Waifen follten nur Vormünder derfelben Religion erhalten.
Entäußerungen an katholifche Klöfter, Kirchen und Kapellen zur Be-
foldung von katholifchen Kirchen- und Schuldienern follten ipfo iure
null und nichtig fein. Ehen zwifchen Proteftanten und Katholiken
blieben (um des religiöfen Friedens willen) verboten, Zuwiderhandelnde
follten ausgewiefen werden. Wenn der regierende Herr der katholifchen
Religion angehörte, fo follte das Konfiftorium alle proteftantifchen
Kirchen- und Schulfachen verwalten, ohne einem landesherrlichen Be-
fehl, der dem proteftantifchen Religionswefen zum Nachteil gereidit
und diefem Familiengefeß zuwiderliefe, zum Gehorfam verpflichtet zu
fein. Dies Hausgefeß wurde nidit nur von den naffauifchen Agnaten
zu Ufingen und Weilburg, fondern audi von Friedridi dem Großen,
dem Corpus Evangelicorum und dem Prinzen von Oranien (bei dem
Abfdiluß des Erbvereins 1783) gewährleist.
Da in dem Ehevertrag der Prinzeffin von Montbarey erlaubt worden
war, ihre Töchter in der katholifchen Religion zu erziehen, wurde durch
ein weiteres Hausgefeß vom 20. Oktober 1781 dies Zugeftändnis als
eine Ausnahme bezeichnet. Fortan follte eine katholifche Fürftin
während ihrer Schwangcrfchaft fidi nicht in katholifchen Ländern auf-
hatten und das Kind, welches fie geboren, ob männlichen oder weib-
lichen Gefchlechts, fogleich nach der lutherifdien Religion getauft werden.
Der regierende Landesherr follte immer der evangelifch-lutherifchen
Religion angehören.
7. DIE FRANZÖSISCHE ZEIT
Zehn Jahre fpäter kam von Weiten her eine gewaltige Erfchülterung,
die auch das Saarbrücker Land in große Unruhe verfeßte, — die fran-
zöfifche Revolution. Als franzöfifche Truppen i. J. 1793 Saarbrücken
85
beichten, blieb auch der Gottesdienft nicht ungeftört. Aus Voriieht
hatte man die Schlo^kirdie gefchloffen, um den Bilderftürmern keinen
Anla^ zu geben, ihren Mutwillen an den dort befindlichen Denkmälern
der Grafen und Fürften auszulafiem Nur in der Ludwigskirche wurde
Gottesdienft gehalten, der anfangs ungeftört blieb. Aber bald fah
man lieh genötigt, von dem Kommandanten eine Schu^wadte zu
erbitten. Doch dies half nidit lange, und bald iah fich die verfammelte
Gemeinde allem Mutwillen der franzöfifchen Soldaten ausgefetjt. Mit
brennenden Pfeifen gingen fie in der Kirche umher, beläftigten Frauen
und Mädchen, fpotteten den Predigern nach oder hieben fie mitten in
der Predigt Itillfdiweigen und befahlen dem Organiften, das „Ca ira“
zu fpielen, in das fie dann aus voller Kehle cinftimmten. Bei der
Abendmahlsfeier drangen fie in die Reihen und verlangten von dem
Pfarrer audi einen Schluck. Bei Kindtaufen geleiteten fie die Gevatter
und Gevatterinnen zum Altar, äfften ihre Bücklinge und Knixe nadi,
und einer der Geiftlichen glaubte, fein letztes Ständlein fei gekommen,
als eine Anzahl Soldaten bei einem Taufakt plötzlich die Säbel zog
und diefe über dem Täufling zufammenfchlug. um ihn nach republi-
kanifdier Weife zum Bürger zu weihen, Diefer Unfug bewog die
Geiftlichen, die Kirche völlig zu fchlic^en, und erft am folgenden Chrift-
tag wurde fie wieder geöffnet.
Durch einen Befdilu^ des Nationalkonvents wurden in ganz Frankreidi
die Glocken aus den Kirchen genommen und zum Vorteil der Republik
verkauft oder ausgemünzt. Diefes Schickfal hatten auch die Glocken
von Saarbrücken. Auf Befehl der franzöfifchen Kommitfäre muljte die
Munizipalität alle Glocken von den Kirchen der Städte herunternehmen
laffen, obwohl der Nationalkonvent ausdrücklich beftimmt hatte, da^ jeder
Kirche die zum Schlagwerk der Uhr nötige Glocke bclaffenwerden follte.
So waren denn audi nach der Wiedereröffnung des Gottesdienftes keine
Glocken da, um die Gläubigen zu laden. Man richtete fich deshalb
mit dem Kirchgang nach dem Trommelwirbel beim Aufziehen der Wache
um 9 Uhr, In St. Arnual lielj der Pfarrer Ffandel einen Jungen
86
durchs Dorf gehen, der mit einem Hammer auf eine Pflugfchar fchfug
und fo die Leute zur Kirche rief. Später wurden zwei kleine Glocken
vom Deutfchhaus, die der Aufmerkfamkeit der Franzoien entgangen
waren, in die Stadt gebracht und die eine in der Schloljkirche, die
andere in der evangelifchen Kirche zu St. Johann aufgehängt, fo dalj
wenigftens die Uhren wieder fchiugen.
In diefer Zeit wurde die reformierte Kirche von den Franzoien zum
„Tempel der Tugend“ erklärt und von den Clubiften, d. h. von den
franzöfifchen Republikanern, zu ihrem Vcrfammlungsort beftimmt; die
geräumige Ludwigskirche aber diente öfters zu größeren Verfammlungcn
Am 21, September 1794 endete das „Ackcrbaufeft“ mit einer Rede,
die der Präfident der Clubiften in der Ludwigskirche hielt. Hier wurde
auch am lebten Tage des Jahres 1797 den Bürgern von Saarbrücken
eröffnet, dalj nach dem Abfchlulj des Friedens von Campo F'ormio
nunmehr alle Landfchaften des linken Rheinufers unter franzöfifcher
Herrfchaft Fänden; die Bürgerfchaft folle jet^t ihre Freude darüber
äußern, da^ fie von der despotifchen fürftlidien Herrfchaft befreit fei.
Die Graffchaft Saarbrücken wurde dem Saardepartement zugetcilt,
deffen Hauptftadt Trier war. Am 21, September 1798 wurden die
Kirchenbücher, die bis dahin die Geiftlichen geführt hatten, auf das
Rathaus gebracht und der Munizipalität übergeben.
Nachdem Napoleon Bonaparte fidi zum Erften Konful der franzöfifchen
Republik erklärt hatte, wurde der evangelifchen Kirche durch das orga-
nifche Gefeh vom 18. Germinal des Jahres X (8. April 1802) eine
Organifation verliehen. Die Verwaltung führten General-Konfiftorien,
deren Bezirke in Infpektionen abgeteilt waren ; diele zerfielen wieder in
Lokal-Konfiftorien. Die lutherifche Infpektion Saarbrücken zählte drei
Lokal-Konfiftorien: 1. Saarbrücken (Infpektor und Präfident Pfarrer
Röchling) mit den Pfarreien Saarbrücken, Malftatt, St. Arnual, Bifch-
misheim und Kölln; 2. St. Johann (Präfident Pfarrer Georg Ludwig
Schmidt) mit den Pfarreien St. Johann, Dudweiler, Neunkirchen,
Dirmingen, Heusweiler und Völklingen, und 3. Ott weil er mit fechs
87
Pfarreien. Diefes Gefeß wurde am erften Pfingfttagc (6. Juni) 1802
feierlich in der Ludwigskirche verkündet. Doch erft am 17. September
1805 wurde das lutherifche Konfiftorium feierlich in der Ludwigskirche
eingeführt. In derfclben Weife wurde die reformierte Kirdie gegliedert;
das reformierte Lokal-Konfiftorium Saarbrücken {Präfident Pfarrer
Zimmermann) zählte acht Pfarreien, darunter Saarbrücken und Ludweiler
Die Pfarrer erhielten ihre Befoldung im Betrag von 500 bis 1500 Fr. aus
der Staatskaffc. Das lutherifche Konfiftorium führte feitdem Jahre 1806
auch die Verwaltung der Kirchenfchaffnei und desStifts St. Arnual.
Als aber Saarbrücken durch den erften Parifer Frieden i. J. 1814
wider Erwarten bei Frankreidi verblieben war, wurde die Beforgnis
rege, „das evangelifdic Licht möchte verdunkelt“ und der frühere Vcr-
fuch, die Hauptkirche Saarbrückens den Katholiken zu überweifen,
erneuert werden. Damit verhielt es fich folgendermaßen.
Die höheren franzöfifchen Beamten, welche alle in Saarbrücken wohnten,
waren meift katholifch. Die katholifche Kirdie aber lag in St. Johann.
Dahin mußten die Mitglieder der Gemeinde zur Kirche gehen, die
Stadt Saarbrücken dagegen hatte zwei Kirchen. Fünf der vornehmften
katholifchen Einwohner Saarbrückens richteten daher gegen das Ende
des Jahres 1807 an den Präfekten in Trier das Gefuch, den katho-
lifchen Bewohnern Saarbrückens die Ludwigskirdie als eine fürftliche
Domäne zu überweifen. Der Präfekt wie der Souspräfekt wurden für
diefen Plan gewonnen. Die Gemeinde und der Munizipalrat wiefen
dies Verlangen entfehieden zurück. Der weitere Verfuch, in der Ludwigs-
kirche ein Simultaneum einzurichten, fchloß fich dann an einen Brief
des Bifchofs von Trier an, wonach durch ein Dekret vom 8. Auguft
1808 Saarbrücken als der Siß einer Kantonal-Pfarrei und St. Johann
als der einer Sukkurfal-Pfarrei bezeichnet wurde, die Gemeinde alfo
gehalten wäre, für eine katholifche Kirche zu forgen. Auch diefe Zu-
mutung wurde vom Munizipalrat mit Entfchiedenhcit zurückgewiefen,
und diefer war eher geneigt, nach dem Beifpiel der Nachbarftadt
Zweibrücken eine neue katholifche Kirche zu bauen, als ein Simultaneum
88
einzurichten. Das entfehiedene Auftreten des Präiidenten und des
Sekretärs des Lokal-Konfiftoriums, der Pfarrer Rödiling und Köllner,
wie die Bemühungen des Präfidenten des Oberkonfiftoriums in Mainz,
Pietfch, unterhält durch den Präfekturrat Gerhards in Trier und den
Chef der 2. Abteilung ¡m Kultusminifterium zu Paris, Darbau, durch-
kreuzten den klug angelegten und mit Entfchiedenheit verfolgten Plan,
welcher durch die Entfcheidung des Kultusminifters gegen Ende Juli
1809 gänzlidr befeitigt wurde. Adrtzehn Monate lang hatte diefe An-
gelegenheit die evangelifche Gemeinde in Aufregung und Unruhe ge-
halten, und es war kein Wunder, dal? bei der ausgefprochenen Richtung
der Regierung Ludwigs XVIII- die Gemüter wieder mit Beforgnis vor
ähnlichen Verfuchen erfüllt wurden.
Das wednfelndc Schickfal des Landes und die verfdriedenen Zeit-
ftrömungen gaben fich auch im Gottesdienft kund. Nadidem Kaifer
Napoleon der allmächtige Gebieter Europas geworden war, konnte
auch die evangelifche Kirche Saarbrückens nicht mehr mit der An-
erkennung des Herrfchers zurückhalten. So wurde dann am 15. Auguft
1809 das Geburtsfeft des Kaifers mit feierlichem Gottesdienft, Tedeum
und Kirchenmufik begangen. Abends war die Stadt und die Kirche
erleuchtet, und über der Kirchentür war ein von Lichtern umgebenes
Sdiild befeftigt mit der Auffdirift: „Vivc Napoleon!“ Am 3. Dezember
desfelben Jahres wurde das Krönungs- und Friedensfcft mit Mufik
gehalten; 'ein Brautpaar wurde getraut und erhielt 600 Fr. zur Aus-
ftattung. Am 26. November wurde das Erntefeft mit Mufik ge-
feiert; auch die Konfirmationsfeiern fanden damals mit Mufik ftatt.
Am 6. Dezember 1810 wurde wieder das Krönungsfeft gefeiert und
am 9. Juni 1811 das Geburtsfeft des Königs von Rom, des Sohnes
des Kaifers und der öfterreichifchen Kaifertochter Marie Luife. Die
Schulkinder beider Städte eröffneten den Feftzug, der mittags 2 Uhr
mit Mufik und Gefdrül^donner in die Ludwigskirche fich bewegte; die
Kirche war reich gefdimückt, und der Pfarrer Zimmermann hielt eine
Rede in franzöfifcher und deutfeher Sprache, dann fangen die Kinder
Te Dcum laudamus. Am 6. Dezember 1811 wurde wieder das
Krönungsfeft gefeiert, im folgenden Jahre, in dem der unglückliche
Feldzug nadi Rußland ftattfand, finde ich die Feier nicht erwähnt; am
17. Dezember 1812 kam Napoleon auf feiner Flucht durch Saarbrücken,
Aber nodi am 6. Dezember 1813, nach der Schladit bei Leipzig, wurde
das Krönungsfeft in der Kirche gefeiert. Doch im Anfänge des Jahres
1814 fchlug die Stunde der Befreiung. Am 10. Januar 1814 wurde
Saarbrücken durch preu^ifche Truppen genommen, am folgenden Tage
zog der Feldmarfchall Blücher in die Stadt ein und wurde mit
Jubel begrübt. Er stieg in dem der Nordseitc der Kirdie gegen-
überliegenden Stummfchen Haufe ab. Am 13. Februar wurde
ein Tedeum gelungen für Blüchers Sieg bei Brienne und eine
Kirchenfammlung für verwundete deutfehe Soldaten veranftaltet, die
169 Fr. ergab. Zum 3. April wird die Anwefcnheit preuljifcher Sol-
daten in der Kirdie vermerkt. Nachdem die verbündeten Monarchen
am 31. März in Paris eingezogen waren, wurde am 17. April in
Saarbrücken ein allgemeines Dank- und Siegesfeft gefeiert, „um dem
allmächtigen Gott den fcierlichften Dank darzubringen, dalj er nach
zwanzigjährigem namenlofen Elend uns endlich dem Kummer entriffen,
uns unferm alten deutfehen Vaterlande wieder gegeben und
uns durdi Siege ohne Beifpicl die gewiffe Hoffnung gefdnenkt hat,
nicht wieder von demfelben getrennt und an ein fremdes
Volk gekettet zu werden'41). Am Vorabend kündigte der Donner
des Gefchühcs und das Geläute aller Glocken der Städte die Feier
des kommenden Tages an. Vor der Kreisdircktion und der Wohnung
des Plahkommandanten, Herrn von Glafenapp, fpielte die Mufik unter
dem Zudrang der frohen Menge. Der folgende Tag begann mit
Gefchühdonncr und Glockengeläute, und vom Altan des Stadthaufes
ertönte feierliche Mufik. Die Beamten und der Stadtrat verfammelten
fidi um 10 Uhr vor demfelben, während eine grolle Mcnfchenmenge
aus der Stadt und Umgegend den Plaff belebt hielt; dann ging der
’) Aus der Einladung des Kreisdirekfors Haupt.
90
Zug, begleitet von 200 Mann der preu^ifchen Beladung, unter Kanonen-
donner und Glockenkiang, Mufik an der Spitze, zur neuen Kirdie.
Der erfte Geiftliche der Stadt, Infpektor Röchling, entwickelte in einer
trefflichen Rede die F'olgen diefer frohen und unvcrge^Üdien Märztage,
welche Europa den Frieden zurückgegeben hatten. Hierauf erfdiallte
unter dem Donner der Gefdiühe das ergreifende: „Herr Gott, Dich
loben wir“, das nie in fo gehobener Stimmung in diefer Kirdie ge-
lungen worden war. Den freudigen Tag befdilo^ eine allgemeine
Illumination beider Städte, Das Stadthaus, die Kreisdirektion, das
Tribunal, die neue Kirche erglänzten in fchöner Beleuchtung, gefchmückt
mit Transparenten, auf welchen die Gefühle über die Wiedervereinigung
mit Dcutfchland durch finnige Sprüche ausgedrückt waren.
Freilich erlebten die Bürger von Saarbrücken eine fchmerzliche Ent-
täufchung. als wider aller Erwarten ihre Stadt im Parifer Frieden vom
30. Mai 1814 bei Frankrcidi belaifen wurde. Am 25. Auguft mu^te
Feftgottesdienft zur Feier des Namenstages des Königs Ludwigs XVIII.
gehalten werden, und am 21. Januar 1815 wurde eine Gedäditnisfcier
für den am 21. Januar 1793 hingerichteten König Ludwig XVI. ver-
anftaltet. Aber am 1. März 1815 landete der nach der Infel Elba
verbannte Kaifer Napoleon an der Südküfte Frankreidis und zog am
20. März in Paris ein. Am 26. März wurde ein Feftgottesdienft mit
Tcdeum zu feinen Ehren in der Ludwigskirche gehalten. Aber am
18. Juni wurde Napoleon bei Waterloo entfeheidend gefchlagcn, und
am 10. Juli traf der preuljifche Staatskanzler Fürft Hardenberg in
Saarbrücken ein. Im Gafthofe zur Poft (in der Wilhelm-Heinrich-
Stra^e) überreichte ihm eine Abordnung der Saarbrücker Bürger eine
Denkfchrift und fpradi den Wunfdi der Bürgerfdiaft aus, mit Deutfdi-
land und zwar mit Preußen vereinigt zu werden. Und als der Fürft
erklärte, diefen Wunfch bei feinem Könige befürworten zu wollen,
kannte der Jubel keine Grenzen. Das Volk wogte durch die Strafen,
vaterländifdie Lieder ertönten, und an dem hohen Turm der Ludwigs-
kirche las man in Feuerzügen den Namen Hardenberg. Am folgen-
92
den Tage vereinigten fidr 395 Bürger von Saarbrücken, um die Wieder-
vereinigung mit Deutichland zu betreiben. Der Wortführer der deutfdr-
geiinnten Bürgerichaft, der Kaufmann Heinrich Bock in g und der Rechts-
anwalt Lauckhard wurden nach Paris gefandt, um den verbündeten
Monardren und Staatsmännern den Wunidi der Saarbrücker ans Herz
zu legen. Und fie crrcidrten ihr Ziel. Durdr den zweiten Parifer
Frieden (20. November 1815) wurde Saarbrücken mit Deutfch-
land und zwar mit Preußen vereinigt. Der Für ft Hardenberg
wurde bei feiner Rüdekehr von Paris am 26. November wieder begeiftert
begrübt. ' Am 30. November 1815 wurde das Saarbrücker Land
feierlich von der Preu^ifdien Regierung in Befil} genommen. Um 10
Uhr morgens begab fidi der Kgl. Kommiffarius Matthias Simon mit
dem Stadtkommandanten und dem Magiftrat in feierlichem Zuge in
die Ludwigskirche, wo nadr einleitenden Gefangen Pfarrer Hildebrand
die Feftpredigt hielt. Darauf begann die Huldigungsfeier, die mit dem
Ambrofianifdren Lobgefang endete. Am 12. Januar 1816 wurde das
Fricdensfeft in der neuen Kirche gefeiert, nachdem das Feit am Abend
vorher angeläutet worden war. Am 9. Juni desfclben Jahres ging
die preu^ifdre Garnifon, 2 Sdrwadronen des 2. fdrlefifchen Hufarem
Regiments Nr. 6, zum Abendmahl in der neuen Kirche; das Abend-
mahl wurde von dem Feldprediger Müllcnhoff gehalten. Am 18. Juni
wurde der Jahrestag der Sdrladit bei Waterloo durdr einen Gottes-
dienft gefeiert und am 4. Juli eine Totenfeier für die gefallenen deut-
fdren Krieger abgehalten. Ein Kinderzug ging mit Gefang vom
Rathaus in die Kirche. Am 3. Auguft wurde das Geburtsfeft des
Königs Friedridr Wilhelm III. durdr einen Fcftgottesdienft gefeiert, am
18. Oktober cbenfo der Gedenktag der Völkerfchlacht von Leipzig.
So gefchah es auch in den folgenden Jahren, So hat diefes ehr-
würdige Gotteshaus an den großen Wandelungen der Zeit und dem
wedrfehrden Sdrickfal der Stadt Saarbrücken teilgenommen.
Das widrtigfte Ereignis der nädrften Zeit war die Vereinigung der
beiden evangelifdren Bekenntniffe, die in dem Jubiläumsjahre der Re-
formation angeregt wurde.
93
Heinrich Böcking
8. DIE REFORMIERTE GEMEINDE
Durch die Einführung der Reformation im Jahre 1575 hatten nur die
Anhänger der Augsburger Konfeffion, alfo die Lutheraner, das Recht
öffentlicher Religionsübung erlangt, während die Reformierten nur auf
Hausandachten angewiefen waren. Nun waren befonders aus dem
Elfaß und der Pfalz auch reformierte Familien eingewandert; man
zählte deren damals zehn in beiden Städten. Da auch die Mutier
des Fürften Heinrich, die Fürftin Charlotte Amalie, dem reformierten
Bekenntniffe angehört hatte und der Fürft feine Städte durch Ein-
wanderung vermögender Leute vergrößern wollte, fo verlieh er den
Reformierten im Jahre 1743 durch folgenden Erlaß freie Religions-
übung:
,,Von Gottes Gnaden Wir Wilhelm Heinrich etc. Fügen hiermit jedermänniglich
zu wissen: Nachdem Wir uns bewogen finden, Unsere Resident?-Stadt Saar-
drücken, so wohl zu deren mehrerer Auffnahm, als in Ansehung ihrer zum
Commercio schicklichen Lage und bisherigen starken Anwachses der Bürgerschaft
erweitern und mit erforderlichen mehreren Wohnhäusern versehen zu lassen,
hiebey aber auch dem inständigen Ansuchen Unserer der Reformirten Religion
zugethanen Bürger und Enwohner, puncto exercitii publici religionis, woran cs
ihnen dahier annoch ermangelt, stattzugeben, was gestalten wir nicht nur denen
Neu-Bauenden, so nach dem hierinnen vorgeschriebenen Reglement bauen werden,
überhaupt folgende Freyheiten, sondern auch denen Reformirten sothanes exer-
citium religionis nachstehender massen in Gnaden zugestanden haben.
1. Ist einem jeglichen, der an denen von uns hierzu bestimmten Orten ein Hauss
auffzubauen gemeinet, zwar erlaubt, solches von 30 — 60 Schuh in der Länge,
nachdem sich sein Vermögen erstrecket, auffzustellen und den benöthigten Plaij
sich darzu anweisen zu lassen, er solle aber doch schuldig scyn, so viel die
Höhe und Egalitaet des Dach-Werks, der Fenster und Thür-Gestelle betrifft,
sich darunter nach dem von Unserm Bau-Directore deshalb verfertigten und
von Uns gnädigst approbirten Plan und Reglement zu richten.
2. Soll der neue Plah, darauf! ein anderer bauen will, demjenigen, welchem der-
selbe cigcnthümlich zugehöret, zwar ganl? oder zum Theil, nach seiner Willkühr,
95
mit einem schicklichen Hauss, wie obgemeldt, vorzüglich zu verbauen freygelassen,
dafern aber der Eigenthümcr solches entweder selbst zu thun nicht in Stand
oder Willens wäre und binnen 6 Monaten ah dato an zu rechnen, sich dazu nicht
erklären oder damit den Anfang madicn sollte, so dann derselbe verbunden
seyn, den Plat> ganh oder zum Theil an den, so sich zu erst bei Unserem Bau
Directori darumb gemeldet, käufflidr zu begeben und die Ruthe Land nach dem
Fuss, wie alle Plähc, cs seyen Garthcn- oder andere Stückcr, ohne Unterschied
taxirt werden sollen, bezahlet anzunehmen.
3. Wollen wir diejenige, welche auf diese Weise die benöthigte Bau-Pläfce an die
Eigenthümer in obigem Werthc bezahlen müssen, von denen bei Kauf? -Contracten
sonst gewöhnlichen Auftrags od. sogen. Probsteigebühren befreyen, doch sollen
nichts desto weniger die Kauff-Contracte zu künftiger Nachricht zum Probstey-
Protokol behörig aufgetragen und da erforderliche Urkunden darüber erthelt
werden.
4. Sollen alle Neu-bauende (die Alte ohnedem zu verbauende Hausplä^e aus-
genommen) auf 10 Jahre von allen HerrsdiafftÜchen und Burgerlidren Anlagen,
audr real- und personal Beschwerungen, von der Zeit an zu rechnen, da der erste
Grund-Stein zum Hause gelegt wird, exempt und befreit seyn, und immmittelst
doch aller Bürgerinnen Nutzungen, gleich andern Mitbürgern, zu gemessen und
anbey, ohne Unterschied der Religion, ihre Handlung, Nahrung und Gewerbe,
wie andere Bürger und Einwohner zu treiben haben. Dafern aber ein anderer
Plah mit ständigem Grund- oder andern Herrschaltlidren oder Kiichen-Zinssen
beschwehrct wäre, sollen solche, von der Zeit des Auftrages an, von dem künf-
tigen neuen Eigenthümer nach wie vor an die Behörde gebührlich entrichtet
werden. Und damit Unsere zum Iheil wohlhabende Bürger der Reformierten
Religion desto weniger Anstand finden mögen, sich und Ihrige dahier für
beständig zu etabliren, so wollen Wir ihnen nicht nur das freye Religions-
exercitium, so Wir ihnen seith dem Antritt Unserer Regierung in aedibus
privatis sowohl, als auf dem Rathhaus dahier zu üben, vergönnet, hier mit
zugestanden haben, sondern ihnen auch zu einer Kirche, Pfarr- und Schul-Hauss
die erforderlichen Bau-Plähe und das Bau-Holh gratis anweisen, auch ihren
Geistlichen und Schul-Dienern eben die immunitaet, wie denen Evangelisdi-
Lutherischen, widerfahren lassen, anbei gnädigst gestatten, dass sic von ihren
Glaubens-Genossen die gewöhnliche jura stolae und andere Gebühren bei Copu-
lationen, Kindtauffen und Bcgräbnussen, welche sie auf dem hiessigen Burger-
96
liehen Kirch Hoff mit öffentlichem Gesang und Geläut gleich denen Evangelisch
Lutherischen zu suchen haben sollen, in sol ferne solches bey ihnen gebräuchlich
und herkommens ist, allein erheben mögen; wie Wir dann auch sie zu Auffüh-
rung ihres Bau-Wesens, sowohl der Kirch, als Pfarr- und Schul-Hausses, zu
Habhaftwerdung auswärtiger Helffer mit intercessions-Schreiben und Collectcn-
Patenten, umb sich bey ihren Glaubens Genossen bedienen zu können, versehen
lassen. Und ob sie schon verbunden seyn, auch sich darzu anheischig gemacht
haben, ihrem Prediger und Schuldiener die hinlängliche Besoldungen aus ihren
Mitteln zu verschaffen oder andere darzu fürhandene media zu ergreiffen, so
wollen Wir doch, so viel den eistercn betrifft, ihnen darzu an Früchten und
Holz cineBeyhilffe angedeyen lassen; Und gleichwie Wir dieses exercitium publicum
relegionis ohne Beschränkung Unserer Landesherrlichen Belügnüssen und jurium
circa sacra zugestanden, also behalten Wir Uns auch das jus vocandi et con-
firmandi der zu bestellenden Prediger der Reformirten Religion nicht nur bevor,
sondern wollen auch, dass dieselbe unter unserm Consistorio stehen, von Selbigem,
wann sie nicht vorhin in officio gestanden, sich examiniren lassen, und, wie die
Evangelisch-Lutherische Geistliche, den Huldigungseid abzuschwören, und sie so-
wohl, als die zu bestellende Schuldiener, sich, als getreuen Unterthanen gebühret,
gegen uns aufzuführen, auch die Kirchen- und Almosen-Rechnungen durch ihre
Kirchen-Aeltesten für unserm Concistorio abzulegen schuldig, hingegen ab, soviel
die Censur und Disciplinam ecclesiasticam betrifft, befugt sein sollen, nach
dem Gebrauch anderer Reformirter Kirdren, diejenigen, weldie in Ansehung
ihres unchristlich und ungeistlichen Wandels einer Correction bedörffen, für sich
mit Kirchenstraffen zu belegen, doch dass dadurch in andern der Obrigkeitlichen
Straffen unterworffenen Fällen der Landesherrschaftlichen civil- und criminal-
jurisdiction der mindeste Abbruch oder Eingriff nicht geschehe. Und damit auch
wegen Erziehung der Kinder bei vermischten Ehen keine Zwistigkeiten ent-
stehen mögen, so verordnen Wir hierdurch, dass sämbthehe Kinder, so mann
als weiblichen Geschlechts ohne Unterscheid, in der Religion, weicher der Ehe-
mann als Caput familiae zugethan ist, erzogen, und profutoro keine pacta
in contrarium dessfalls zugelassen oder attendiret, mithin auch bey Ab-
sterben des Mannes Vormünder von seiner Religion über die Kinder, so
noch unmündig seyn, bestellet, doch die pacta, welche vor dieser Unserer
Verordnung zwischen denen Eheleuten diessfalls geschlossen worden, bey Kräfften
verbleiben sollen.
7 Gesdridde der ev. Gemeinde Ali-Saarbrücken
97
Dessen allen zu mehrerer Urkund und Bestätigung Wir diesen Freyheits- und
Concessions-Brieff eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Fürstlichen Insiegel
bedrucken lassen* So geschehen Saarbrücken den 9. May 1743
Wilhelm Henrich
Fürst zu Nassau-Saarbrücken.
Die von dem Fürftcn befürworteten Sammlungen der Reformierten zu
ihrem Kirdienbau hatten befonders in England und Holland Erfolg
und ergaben die Summe von ungefähr 20 000 Gulden. Der Fürft
fdienkte den Bauplaß, das Holz, die Glocken und die Uhr. Am 12.
Juni 1743 wurde unter feierlidiem Aufzug der Bürger beider Städte
der Grundftein zu der reformierten Kirche gelegt, die bereits außer-
halb der Stadtmauern lag; an ihr entlang wurde fpäter die Wil-
hclm-Heinrich-Straße gebaut. Die Kirche wurde i. J. 1746 vollendet,
dodi der Turm wurde erft ¡. J. 1762 auf geführt.
Am 29. März 1763 erfdüenen der Hofapotheker Wilckens, Arndt
Reuter, Anton Haldy und Chriftian Desgranges als Vorfteher der
reformierten Kirche und der Handelsmann Haldy vor dem Oberamt
in Saarbrücken und erklärten, daß erftere mit (elfterem überein-
gekommen fei, daß Re wegen der in London parat liegenden 500
Guineen einen Wechfel von 12000 Fr. auf die Herren Jofias Göttin
und Comp, in London an die Ordre der hiefigen Kaufleute Haldy und
Pofth ausftellen und dass diefe den Wechfel an ihren Korrefpondenten
in Paris zur Einlöfung fdücken wollten.
Das alte reformierte Pfarrhaus kaufte Fürft Wilhelm Heinrich i. J.
1764 für 2205 fl. und fchenkte es dem Forftmeifter Schmidt, blieb
aber den Kaufpreis fchuldig. Sein Nadifolger wurde von dem Pres-
byterium der Gemeinde i. J. 1769 an diefe Sdiuld erinnert, die mit
Zinfen u. a. auf 3181 fl. 10 Albus aufgclaufen war. Fürft Ludwig
erkannte die Schuldfumme mit Zinfen an, aber die Rentkammer
zahlte nicht.
98
9. DIE EVANGELISCHE UNION
Das heutige Gefchlecht ift fidi des Unterfchiedes zwifchen Lutheranern
und Refoimierten kaum bewußt; aber es gab eine Zeit, da fidi
Lutheraner und Reformierte fchärfer bekämpften als Evangeliche und
Katholiken, Auf dem Henkerichwert, mit dem i, J. 1601 der kur-
fächfifche kalviniftifch gefinnte Kanzler Kreil hingerichtet wurde, flanden
die drohenden Worlc: „Cave, Calviniane I“. (Hüte Dich, Calvinìft!),
und der Lìederdiditer Paul Gerhardt wurde von dem großen Kurfürften
Friedrich Wilhelm von Brandenburg feiner Aemter entfett, weil er fidi
weigerte, fidi zur Nichtbekämpfung der Reformierten von der Kanzel
aus zu verpfliditen.
Dal} der Gegenfah zwifdien Lutheranern und Reformierten auch hier
in Saarbrücken ziemlidi ftark war, zeigt die folgende Bcfdiwerde des
reformierten Pfarrers Zimmermann an das Konfiftorium zu Saarbrücken,
Hochfürstliches, hochverordnetes Consistorium !
Demnach Sermi nostri hochfürstl. Durchlaucht unterm 29ten Dee. 1754 Gnädigst
zu verordnen geruhet haben, dalj lediglich auf das Geschlecht der Kinder aus
vermischten Evangelischen und reformierten Ehen gesehen, mithin die Söhne des
Vaters und die Töchter der Mutter Religion folgen, darinnen getauft, erzogen
und confirmirt, dargegen aber auf keine widrige Ehe- oder andre pacta
reflectirt, sondern selbige vor unzulässig, verbotten, null und nichtig gehalten,
und alle dessfalls machende Einwendungen als unerheblich gänzlich verworfen
werden sollen,
So ist auch diesser Gnädigsten Verordnung zuwider das Söhngen des reformirten
hiesigen Bürgers und Wcinhändlers Hermann am 23ten Juni 1778 in der Evange-
lisch Lutherischen Kirche getauft worden, wogegen aber der damahlige reformirte
Pfarrer Schwebel sogleich die beschwehrende Anzeige an das hochfürstl. Con-
sistorium gethan und sich ein Urtheil über diessen Vorgang ausgebeten.
Es erfolgte hierauf unterm 6. Marfii 1779 Serenissimi wiederhohlte Verordnung,
dass es schlechterdings bey denen gnädigsten Landes-Verordnungen vom 29ten
99
Dec. 1754 und dem 29ten Dec. 1757 wonach die Kinder männlichen Geschlechts
in des Vaters und die Kinder weibl. Gesdilcchts in der Mutter Religion er-
zogen und dagegen keine pacta in Contrarium errichtet werden sollen, wie auch
nach dem Inhalt jener Landesverordnung sich sträklich zu achten und nicht zu ge-
statten, dass von denen Pfarrkindern dagegen gehandelt werde, sein Bewenden habe.
Dem ohnerachtet schickt des Hermanns Wittib das Söhngen ihres reformirten
Ehemanns, welches seit dem 21ten Juni a. c. das siebende Jahr angefangen
hat, in die Evangelisch Lutherische Schule.
Nachdem mir solches angezcigt worden, licss ich der Frau Hermannin am 6ten
September sagen, ihr Söhngen gehöre in die reformirte Schule; sie antwortete: Ihr
Mann hätte es also haben wollen, dass Ihr Kind lutherisch werden sollte, und
Sie thue es izt nicht anderst, ich Hess ihr am 13. ejusd. sagen, Sie könte
ihren H. Geistlichen darum befragen, die Eltern hätten hierinnen nichts zu Dis-
poniren, es seye von Gnädigster Herrschaft reguliert und festgesetzt. Sie bleibt
aber bey ihrem Vorhaben.
Da nun durch solches eigenwillige Betragen unsere Schule und Kirche geschwächet,
und wann die Gnädigste Landesverordnungen, welche auf die Ordnung und Auf-
rechthaltung einer jeden Religion abzielen, nicht müssten befolget werden, unsere
Gemeinde endlich gar verlösdnen müsste, so findet sich das reformirte Pres-
byterium genöthiget, Ein hochfürstl. Consistorium unterthänig-gehorsamst zu
bitten, dass die Frau Hermännin zu ihrer Schuldigkeit angewiesen und ernstlich
angehalten werden möchte, ihr Söhngen in die reformirte Schule, wohin es doch
von Rechtswegen gehöret, künftighin zu schicken.
In Erwartung Gnädiger Willfahrung unsers unterthänigen Gesuches verharren wir
mit unterthänigem Respect
Saarbrücken Eines hochfürstl. hochvcrordncten
am 4ten 8br 1784. Consistorii
unterthäniger Director J. Ph. Zimmermann ref. Pfr.
Froelich
H. D. Cöster
J. F. Ritter
Carl Friedrich Weyl.
100
Als aber nun die dreihunderljährige Jubelfeier der Reformation heran-
nahte, machte fich der Wunfch geltend, des Haders und Zwiefpalts der
beiden Bekenntniffe zu vergeffen und fidi zu einer Kirche zufammen-
zufchlieljen. Im Auguft 1817 wurde der folgende Aufruf der
lutherifchen und reformierten Pfarrer des Saarbrücker Landes verbreitet:
Aufruf und Ermunterung
an die
evang. lutherifchen u. evang. reformirten Gemeinden
in den Bezirken Saarbrücken und Ottweiler
zur Wiedervereinigung beider Con-
feffionen zu Einer unter
dem Namen
evangelifche Kirche.
Sdion im Frühling dieses Jahres haben sich die evang.-Iutherischen und evang.-
reformirten Geistlichen des Saarbrücker und Ottweiler Bezirks zu einer gemein-
schaftlichen evangelischen Kreis-Synode vereinigt und dadurch sowohl dem Be-
dürfnis ihres Geistes und ihres Herzens, als dem Wunsche ihres theuern und
geliebten Königs entsprochen, der aus dieser engen und innigen Vereinigung der
evangelischen Geistlichen den grössten Segen und Gewinn für die Religion selbst-
erwachsen sieht. Allein je näher der feyerliche Tag kommt, den jedes fromme,
evangelische Gemüth mit dem reinsten und wärmsten Dank gegen Gott begehen
wird, der 300jährige Jubiläumstag der Reformation — der Stiftungs- und
Gründungstag der evang. Kirche: desto stärker regt sich auch in den Herzen
der Geistlidren, so wie gewiss in dem Herzen jedes frommen und helldenkenden
Christen der Wunsch und die Sehnsucht, dass dieser Tag uns und ursern
Kindern und Kindeskindern, bis auf die spätesten Nachkommen auch dadurch
denkwürdig und unvergesslich gemacht werde, dass von ihm an aller Unterschied
aufhöre, der die beiden evangel. Kirdren, die Lutherische und Reformirtc, so lange
von einander trennte. Beide stüben ihre Lehren auf das reine Evangelium Jesu
und kennen, ausser diesem, ihrem Gewissen und dem freien Vernunftgebraudr
keine andern Quellen ihres Glaubens, ihrer Liebe und Hoffnung. Was die
beiden Gemeinden bisher trennte, betrifft Namen und Worte, aber nicht die
101
Sache seihst. Gegen die Namen eifert schon der Apostel Paulus, wenn er
(I.Cor. 1, 10—13) die Gemeinde tadelt, dass der Eine spreche: Ich hin Paulisch,
der Andere: Ich bin ApoIIisch, der Dritte: Ich bin Keph sdi etc. etc.
Auch Luther eifert ganz bestimmt gegen die Benennung Lutheraner, und er
selbst will nicht Lutherisch sein, ohne sofern er die heilige Schritt rein lehret.
Was die Worte betrifft, so ist es doch in der Thai cinerley, ob der Eine betet:
Unser Vater! oder der Andere: Vater unser! Alle meinen doch dabei den
Gott, von welchem Jesu Evangelium sagt, dass er der rechte Vater sey über
Alles, was Kinder heisst im Himmel und auf Erden. Oder ob der eine betet:
Erlöse uns von dem Uebel! oder der Andere; Erlöse uns von dem Bösen!
Das Böse ist ein sittliches Uebel; und das Uebel, um dessen Abwendung der
Eine wie der Andere zum Ewigen fleht, ist das einzige Böse, welches den
Menschen nur treffen kann. Ob der Eine bisher sich mehr an die Worte ge-
halten hat: „Also hat Gott die Welt geliebet, dass» er seinen eingebohrnen
Sohn gab, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verlohren werden, sondern
das ewige Leben haben; denn Gott will, dass allen Menschen geholfen werde,
und dass Alle zur Erkenntniss der Wahrheit gelangen;“ oder ob der Andere
mehr an die Worte: „Schaffet eure Seligkeit mit Furcht und Zittern, denn:
Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt!“ so haben ja doch Alle —
Alle das Evangelium Jesu und die eignen Worte des Erlösers für sich und der
Eine wie der Andere weiss es vollkommen, dass nur die Gott schauen werden,
welche reines Herzens sind, und dass Alle und Jede nur dann Ihres Gnaden-
zustandes gewiss seyn und Vertrauen zu Gott und Zuversicht haben können,
wenn sie, bei einem reinen Herzen und frommen Lebenswandel, mit Ueberzeugung
sagen können: So ist nun nichts Verdammliches an Denen, die in Christo Jesu
sind. Denn Gottes Geist giebt unserm Geiste das Zeugniss, dass wir Gottes
Kinder sind. Was endlich das heil. Abendmahl betrifft, ob da die Einen mit,
in und unter dem gesegneten Brod und dem gesegneten Wein des ganzen vollen
Segens glauben theilhaftig zu werden, welchen der Tod Jesu der Menschheit
brachte; oder die Andern das gesegnete Brod und den gesegneten Kelch als
Zeichen des Leibes und des Blutes Christi ehren und so Seiner und seiner Liebe
und seiner grossmüthigen Aufopferung am Kreuze sich feyerlich und im Geiste
erinnern, so ist es klar, die Einen wie die Andern wollen es doch ganz nach
Jesu Geist und Sinn feyern. Und aller Anstoss wird und muss vermieden
werden, wenn wir uns bei der Austheilung desselben ganz bestimmt an die
102
Worte des Evangeliums halfen: Jesus, heisst es, nahm das Brod (ungesäuertes,
weil es zur Osterzeit geschah) und brach es, so werden wir auch für die Zu-
kunft ungesäuertes Brod in länglichter Form nehmen, es brechen und mit den
Worten des Erlösers selbst es den Communicirenden reichen: Christus spricht:
Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für Euch gegeben wird, solches
thut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen bei Darreichung des Kelches: Christus
spricht: Nehmet hin und trinket, das ist mein Blut, das für euch und viele
vergossen wird zur Vergebung der Sünden; solches thut, so oft ihrs trinket, zu
meinem Gedächtniss.
So kann also kein Gewissen beschweret werden. Wer von Kindheit an gewohnt
war und wem es fetjt noch Bedürfniss zu beten: Unser Vater! oder Vater unser!
erlöse uns vom Bösen, oder erlöse uns vom Uebel, der bete cs fort; nur ver-
gesse er nicht, dass das Eine dem Andern, dem Sinne nadr, vollkommen gleich
ist und dass Worte Brüder nidit mit Brüdern entzweien dürfen, die zu Einem
glauben, zu einer Liebe und zu einer Hoffnung durch das Evangelium Jesu
vereinigt sind. Die Vereinigung beider Confessionen, weiche wir jeht vornehmen,
ist schon lange dem Geist und der Gesinnung nach geschehen. Aber so wie
es Pflicht ist für entzweit gewesene, aber nun wieder vereinigte Gemüther, es
auch zu zeigen und vor der Welt zu bekennen, dass sie wieder eins sind, so ist
es audi Pflicht dieser beiden, lange durch Worte getrennten evang. Gemeinden,
es laut im Angesichte Gottes und der Welt auszusprechen, dass keine Trennung
mehr unter ihnen statt finde und dass beide Eins seyen und gestü^t auf das
Evangelium Jesu und nur aus diesem und ihrem freien Vernunftgebrauch und
ihrem Gewissen schöpfend nach der Lehre des Apostels: Prüfet alles und das
Gute behaltet! auch eins bleiben wollen. Dazu stärke uns Gott! Und so
finde uns Alle der lang ersehnte Tag, an welchem wir in einem Geiste beten
werden: Herr Gott dich loben wir! Herr Gott, wir danken dir! Dich, Gott
Vater in Ewigkeit, ehret die Welt weit und breit. Heilig ist unser Gott! heilig
ist unser Gott! heilig ist unser Gott, der Herr Zebaoth. Amen.
Die evangelischen Geistlichen der Consistorial-Kirchen zu Saarbrücken und
St. Johann-Saarbrücken.
Saarbrücken, 27. Aug. 1817.
Ludwig Philipp Hildebrand, erster Pf. und Pracsident des ev. lutherischen
Lokal-Consistoriums in Saarbrücken
103
Carl Ludwig Alexander Zimmermann, Praesident des reform. Consistoriums
und Prediger zu Saarbrücken
Philipp Friedrich Gottlieb, Praesident des ev. iuth. Consistoriums zu St.
Johann-Saarbrücken
Johann Christian Handel, ev. Iuth. Pf. zu St. Arnual, Güdingen, Bübingen
Johann Daniel Ludwig Wagner, ev. iuth. Pf. zu Bischmisheim u. Fechingen
J. A. Messerer, zweiter ev. Iuth. Pf. zu St. Johann-Saarbrücken
Friedrich Gottfried Schwalb, ev. Iuth. Pf. zu Carlsbrunn
Philipp Jakob Mügel, zweiter ev. Iuth. Pfarrer zu Saarbrücken
L. Christian Chelius, ev. luther. Freiprediger zu Saarbrücken
Christian Sorg, ev. lu:h. Pf. zu Kölln
Ludwig Heinrich Sdrneider, ev. Iuth. Pf. zu Heusweiler und Wahlschied
Philipp Christian Herrmann, ev. Iuth. Pfarrer zu Dirmingen
Wilhelm Daniel Witt ich, ev. Iuth. Pfarrvicarius zu Neunkirchen, Wellesweiler
und Wiebelskirchen
Wilhelm Christian Re in ho Id, ev. Iuth. Pf. zu Duttweller und Scheidt
Friedrich KöIIner, ev, Iuth. Pf. zu Mohlstadt und Gersweiler
Carl Friedrich Zickwolff, ev. Iuth. Pf. zu Völklingen
Philipp Jakob Zimmermann, ev. ref, Pfarrer in Ludweiler.
Saarbrücken, gedruckt bei Christ. Hofer.
Der Eindruck diefes Aufrufs wurde durch einen königlichen Erla^ noch
verftärkt, der mit folgenden Worten zur allgemeinen Kenntnis gebracht
wurde.
Nachstehendes Rescript Sr. Majestät unsers allergnädigsten Königs an
die Konsistorien, Synoden und Supcrintendenturen der Monarchie,
in Bezug auf die Vereinigung der beiden protestantifdien Kon-
fessionen, wird hierdurch zur Kenntniss der hiesigen evangelischen
Glaubensgenossen gebracht — da audi sie geneigt seyn werden,
den Willen ihres guten Königs zu erfüllen und von jetjt an eine
gemeinschaftlid'ie evangelische Kirche zu bilden.
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Schon meine in Gott ruhende erleuchtete Vorfahren, der Kurfürst Johann Sigis-
mund, der Kurfürst Georg Wilhelm, der grosse Kurfüist, König Friedrich I. und
König Friedrich Wilhelm L haben, wie die Geschichte ihrer Regierung und ihres
Lebens beweiset, mit frommen Ernst es sich angelegen seyn lassen, die beiden
getrennten protestantischen Kirchen, die reformirte und lutherische, zu Einer
evangelisch-christlichen in Ihrem Lande zu vereinigen. Ihr Andenken und Ihre
heilsame Absicht ehrend, schliesse Ich Mich gerne an Sie an und wünsche ein
Gott wohlgefälliges Werk, welches in dem damaligen unglücklichen Sekten-Geiste
unüberwindliche Schwierigkeiten fand, unter dem Einflüsse eines bessern Geistes,
welcher das Ausserwescntliche beseitiget und die Hauptsache im Christentum,
worin beide Konfessionen Eins sind, fefthält, zur Ehre Gottes und zum Heil
der christlichen Kirche, in Meinen Staaten zu Stande gebracht und hei der bevor-
stehenden Säcular-Feier der Reformation damit den Anfang gemacht zu sehen!
Eine solche wahrhaft religiöse Vereinigung der beiden, nur noch durch äußere
Unterschiede getrennten protestantischen Kirchen ist den großen Zwecken des
Christentums gemäss; sie entspricht den ersten Absichten der Reformatoren;
sie liegt im Geiste des Protestantismus; sie befördert den kirchlichen Sinn; sie
ist heilsam der häuslichen Frömmigkeit; sie wird die Quelle vieler nützlicher, oft
nur durch den Unterschied der Konfessionen bisher gehemmten Verbesserungen
in Kirchen und Schulen.
Dieser heilsamen, schon so lange und auch jetd wieder so laut gewünschten
und so oft vergeblich versuchten Vereinigung, in welcher die reformirte Kirche
nidit zur lutherischen und diese nicht zu jener übergehet, sondern beide Eine
neu belebte, evangelisch-chriftliche Kirche im Geifte ihres heiligen Stifters werden,
ftehet kein in der Natur der Sache Hegendes Hinderniss mehr entgegen, sobald
beide Theile nur ernftlich und redlich in wahrhaft chriftlkhem Sinne sie wollen,
und von diesem erzeugt, würde sie würdig den Dank aussprechen, welchen wir
der göttlichen Vorsehung für den unschätzbaren Segen der Reformation schuldig
sind, und das Andenken ihrer großen Stifter, in der Fortsetzung ihres unsterb-
lichen Werks, durch die That ehren.
Aber so sehr Ich wünschen muss, dass die reformirte und lutherisch
Kirche in Meinen Staaten diese Meine wohlgeprüfte Ueberzeugung mit Mir
theilen möge, so weit bin Ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt,
sie aufdringen und in dieser Angelegenheit etwas verfügen und beftimmen zu
wollen. Auch hat diese Union nur dann einen wahren Werth, wenn weder
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lieberredung noch Indifferentismus an ihr Theil haben, wenn sic aus der Freiheit
eigener Ueberzeugung rein hervorgehet, und sic nicht nur eine Vereinigung in
der äussern Form ist, sondern in der Einigkeit der Herzen, nach echt biblischen
Grundsähen, ihre Wurzeln und Lebenskräfte hat.
So wie Idi Selbst in diesem Geiste das bevorstehende Säcularfest der Re-
formation, in der Vereinigung der bisherigen reformirten und lutherischen Hof-
und Garnison-Gemeinde zu Potsdam zu Einer evangelisch-christiidien Gemeinden
feiern und mit derselben das heilige Abendmal gemessen werde; so hoffe Ich,
dalj dies Mein eigenes Beispiel wohlthuend auf alle protestantische Gemeinden
in Meinem Lande wirken und eine allgemeine Nachfolge im Geiste und in der
Wahrheit finden möge. Der weisen Leitung der Konsistorien, dem frommen
Eifer der Geistlichen und ihrer Synoden überlasse Ich die äußere übereinstimmende
Form der Vereinigung, überzeigt, dass die Gemeinden in echt-christlichem Sinne
dem gern folgen werden, und dass überall, wo der Blick nur ernst und auf-
richtig, ohne alle unlautere Neben-Absichtcn auf das Wesentliche und die grosse
heilige SaJie selbst gerichtet ist, auch leicht die Form sich finden und so das
Acussere aus dem Innern, einfach, würdevoll und wahr, von selbst hervorgehen
wird. Mögte der verheissene Zeitpunkt nicht mehr ferne seyn, wo unter Einem
gemeinschaftlichen Hirten Alles in Einem Glauben, in Einer Liebe und in Einer
Hoffnung sich zu Einer Heerde bilden wird!
Potsdam den 27. September 1817.
Friedrich Wilhelm.
Saarbrücken, gedrückt bei Christian Hofer,
Die Art der Feftfeier ergibt fich aus dem Wortlaut des folgenden
Programms:
Programm,
für die Feyer des dritten Jubelfestes
der Gründung der evangelischen Kirche.
Eine Einladung an die vereinte evangelische Gemeinde
Saarbrücken, zur würdigen Begehung der Feyen
Das dritte Jubiläum der evangelischen Kirche, das am 31. dieses Monats und
Jahres von den Bewohnern des Saarbrücker Kreises gefeyert wird, erhält durch
die kürzlich ausgesprochene Vereinigung der beiden protestantischen Konfessionen
einen Glanz und eine Würde, wodurch dieser Tag die vorgehenden Sekularfeste,
nicht allein übertreffen, sondern auch durch seine segenreichen Folgen zu einem
der sdiönsten Tage der diristlichen Kirchengeschichte erheben wird.
Das jcljt von uns erlebte Jubiläum ist also ein neuer Triumph der Wahr-
heit — es ist ein Triumph der Duldsamkeit und ein Beweis der weitern Fort-
schritte des menschlichen Geistes. — Heilig und hehr sei uns also das im
Frieden zu Glück und Segen wiederkehrende Festl! Gesegnet sei es dem
¡ewigen und den künftigen Geschlechtern! Heil werde allen, die ferner guten
Samen ausstreuen, die zu künftigen noch folgereichern Ereignissen die brüder-
liche Hand bieten und dahin wirken, dass endlich Alle zu dem Einen Hirten ge-
führt werden, von dem der Glaube ausgegangen, und der durch seinen Geist
die Eintracht gegeben, die uns jetd so hoch beglücket!!
Feyen des Vorabends.
Donnerstag 30. Oktober.
Die mündlich und schriftlich ausgesprochene Vereinigung beider Konfessionen,
an weiche sich das gemeinschaftliche evangelische Presbyterium beifallend an-
geschlossen, und wornach diese Vereinigung also gleichsam eine gesetzliche Kraft
erhalten, wird durch das heilige Abendmahl am ersten Tage des Reformations-
festes öffentlich besiegelt.
Die Vorbereitung zu diesem Gedächtnissmahle Jesu ift ein heiliger Vor-
abend des schönen Festes. Um drei Uhr versammeln sich die Glieder der ver-
einigten Gemeinde in der grossen schönen Ludwigskirche. Herr Präsident
Zimmermann wird die Handlung der Beichte halten und die Gcmüther mit der
Gesinnung erfüllen, wodurch sie das heilige Ziel ihres Vorhabens erlangen können.
Das Jubiläum wird nach vollendeter Beichte mit allen Glocken eingeläutet
und eine halbe Stunde mit dem Läuten fortgefahren.
Die Feyer des Jubiläums, 31. Oktober 1817.
Frühe, mit dem sich erhebenden Tage, wird ein halbstündiges Geläute der
Glocken den Gemeinden den zum drittenmal wiederkehrenden Erinnerungstag
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an Luthers, dieses edlen deutschen Mannes, von Gottes Vorsehung begünstigter
Gründung der evangelischen Kirche, verkündigen. — Gesegnet sei uns in dieser
ersten Stunde das Andenken dieses Mannes voll Glaube und Kraft. Treu und
standhaft müssen wir an dem Worte halten, das er lehrte! Seine Ehre müsse
freudig und hoch stehen unter den Helden der Menschheit, und stolz schlage
die edle Brust, die sich rühmen darf, eines Stammes mit Luther zu seyn !
Die Reformations-Predigt wird von Herrn Präsident Hildebrand in dem
grossen Tempel der neu evangelischen Gemeinde gehalten, der Gottesdienst be-
ginnt um neun Uhr. Nach der Predigt wird das heilige Abendmal zum feier-
lichen Zeugniss der christlich Kirchlichen Vereinigung von den beiden Predigern
Hildebrand und Zimmermann an die Gemeinde ausgetheilt.
Mit flammender Andacht wird bei diesem gemeinschaftlichen Brüdermahle
das Herz rufen: — Ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater unser Aller!
und die innige, die göttliche Rührung wird dankende Thränen dem Auge ent-
locken. — Wohl uns christliche Brüder! dass wir heute diesen grossen Bund
so in Liebe und Eintracht erneuern und dem Erstgebohrnen unter allen diese
Huldigung des Herzens darbringen. — Unvergesslich sei uns diese Stunde, und
die Ewigkeit lohne diese edle Entschlüsse, die uns heute vereint haben-
Die Nachmittags-Predigt wird an diesem Tage ebenfalls, des Raums
wegen, in der Ludwigskirdie, und zwar um zwei Uhr von Herrn Pfarrer Mügel
gehalten werden.
Um vier Uhr wird in derselben Kirche, ein Abendgebät von Herrn Prä-
sident Hildebrand, bei abwechselndem Gesang, gesprochen werden.
Feycr des zweiten Festtages,
Dieser zweite Tag des Säkular-Festes soll besonders der Jugend gewidmet seyn.
— Die Jugend ist die künftige Bürgerschaft, aus ihr treten die Staatsbürger
aller Klassen hervor. Soll das Gute bleiben, was wiiklich ist, soll es erhalten,
auf spätere Nachwelten übergehen, soll das Ziel höherer Vollkommenheit erreicht
werden, so müssen wir in den reinen Seelen der Kindheit, wie in ein heiliges
Gefäss, die hohe Wahrheit der Religion und das Gelühl des Schönen un
Guten fest begründen. Wir müssen ihnen durch äusserlichc und innerliche Zeichen
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durch eigene strenge Befolgung der beseligenden Lehre Jesu den Werth und
die Wichtigkeit derselben vor Augen stellen. Ihre Herzen müssen eben so
warm, als ihr Verstand empfänglich für die Lehren der Wahrheit und die Aus-
führung des Guten bereit erhalten werden.
Diesen sdiönen Zweck zu erreichen, soll die Jugend einen ausgezeichneten
Theil an dem Säkularfeste nehmen; durch das grosse Ercigniss, dessen Andenken
begangen wird, soll sie zu Licht und Wahrheit und zum Eifer im Guten ge-
führt werden.
Auf dem großen Plahe vor dem Stadthause wird sich also die Jugend
von sieben Jahren an bis zum vierzehnten unter Aufsicht ihrer Lehrer, um
halb zehn Uhr versammeln. Dort werden sie die grünen Reisser empfangen,
die sie als Siegeszeichen des christlkhen Glaubens in ihrem Zuge zum Hause
Gottes in der Rechten tragen sollen.
Sie werden vorangehen in den freudigen und herzlichen Jubelreigen; mit
Musick und Gesang wallen sie zum schön geschmückten Tempel, der Lud-
wigskirche.
Nach ihnen folgen zunächst die Zeugen der christlichen Taufhandlung, die
in diesen Tagen unvergesslichen Andenkens an einige Neugebohrne vollbracht
wird. Sie werden Jesu, dem göttlichen Freunde der Menschenkinder, dahin
tragen die Kindlcin, da^ er sie segne und in seiner Kirche beselige. Die ihnen
beigelegten Namen sollen im Buche des Lebens stehen und keine mögen verloren
werden, die auf Jesu Namen getauft werden.
Nun treten im Zuge voran die bräutlichen Paare, die aus den beiden
Konfessionen sich ahndend wie gefunden, die in Weihetagen der Glaubens-Einung
den Bund der Liebe feyern und mit den Jüngstgebohrncn die Erstlinge bilden,
die die neue Gemeinde künftig nennen wird.
Segen Gottes über ihr Gelübde! und fliesse ihr Leben so sanft, als gross
das Heil werde, das die eine Gemeinde ewig beglückt.
Die Aeltern der voranziehenden Kinder, alle Freunde der Religion füllen
und beschlossen den Zug, der in nie gefühlter Freude, und der Zeit und der
Vorsehung huldigend, an den Ort zieht, wo unvergessliche Erinnerungen ge-
gründet und die frommen Vorsätze reiner Herzen erneuet werden sollen. — In
deine Hallen, o Heiligster, treten wir mit Frohlocken, deinem Namen singen wir,
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du Erlöser deines Volkes, der du Recht schaffest und keinen verwirfest. — Schuhe
uns ferner und segne die Kinder, die wir als die deinen in dein Heilig-
tum führen.
Die Sdiulpredigt wird Herr Präsident und Schuldirektor Pfarrer Zimmer-
mann halten. — Die Taufe- und Kopulations-Handlungen werden durch die
Herren Geistlichen Zimmermann und Hildebrand verrichtet.
Am Nachmittag dieses zweiten Festtages erhalten die Schüler des Gym-
nasiums die Prämien, die ihnen bei der Herbstprüfung als Belohnung bestimmt
worden. Der übrigen Schuljugend wird eine auf das Reformationsfest sich
beziehende kleine Schrift zum Andenken überreicht — und so bcschliesst sich im
frohen Gefühl dieser der Jugend geheiligte Tag, die das Gute besinn und auf
spätere Enkel fort erben — und das Gedächtnis? der heutigen festlichen Feyer
zur Befolgung auf die fernere Nadikommenschaft bringen soll.
Dritter F esttag, Sonntag 2. November.
Beschluß des Säkularfestes.
So wie die ersten Tage der Jubiläums-Feierlichkeiten, ohne äusserliches Gepränge,
im andadrtsvollen Hause des Herrn von der Gemeinde mit Gesang, Gcbät und
Erhebung des Gcmüthes begangen worden, und wie im Geist und voll Wahr-
heitssinn der verehrt worden, der diese Tage nach langen Unruhen und vielen
bangen Zweifeln als Tage des Trostes gegeben, als Ersats für erlittene Uebel:
So wird nun am dritten und Schlusstage derselbe Sinn bewahrt. Zu den
Tempeln werden wir wallen, wo das Segensvolle Evangelium Jesu, unsers Herrn,
unsers göttlichen Erlösers uns verkündiget wird.
Aus dem reinen Quelle dieser beseligenden Wahrheiten werden wir
Glauben, Liebe und Hoffnung schöpfen. Möchten wir doch durch dieses Evan-
gelium uns stets so zubereiten lassen, dah wir würdig seyen, vor Jesu, dem
Stifter unserer Seligkeit, zu stehen.
Um 8 Uhr Morgens, wird in der bisherigen reformirten Kirche der Früh-
Gottesdienft, wie ehemals, durch Herrn Pfarrer Zimmermann gehalten. Um 10
Uhr wird Herr Pfarrer Mügel, in der Schlosskirche predigen, und Nachmittags
um 2 Uhr Pfarrer Flildebrand in der Ludwigskirche.
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Abends um halb sieben Uhr wird bei erleuchtetem Hausse der Ambrosische
Lobgesang in der mehrbesagten Ludwigskirche gesungen und von Herrn Pfarrer
Hildebrand ein feyerliches Schlussgebät gesprochen»
Wiederkehren werden sie uns nicht mehr, diese feyerlichcn Tage; Be-
wohner anderer Welten werden wir seyn, wenn unsere Nachkommen im Kreis-
läufe der Zeit Luthers Fest zur Ehre Gottes, als ein Viertes Säkularfest begehn.
Aber hohes Entzücken wird uns erfüllen:
„Wenn wir das Wachsthum des Guten früher erblicken, und wenn
Liebe und Dank uns hier schon zu schöner Vollkommenheit gebracht
haben wird,“
Der göttlidren Vorsehung Preis, die Luthern gab — dem Könige
Heil, der dieses Fest zu einer Glaubens-Einigung weihte. Keinem erlösche
das Licht des Glaubens, das mit unendlichem Glanz einst Alles um-
strahlen, Alle beglücken wird.
Saarbrücken den 26, Oktober 1817.
Die vereinten Evangelischen Prediger
der Gemeinde Saarbrücken.
C, P. Hildebrand. C. L. A. Zimmermann,
Saarbrücken, gedruckt bei Christian Hofer.
Seit der Union hat die vereinigte evangelifdre Gemeinde zu Saar-
brücken drei Pfarrer.
Im Jahre 1821 wurde durch einen königlichen Erlalj vorgefchrieben, da^
zur Bezeichnung der Kirche, ihrer Lehre und ihrer Mitglieder das
Wort „evangelifch“ itatt „proteftantiieh“ angewendet werden folle, da
das evangelifche Glaubensbekenntnis fich ledighdi auf das Evangelium
gründe.
Im Jahre 1835 wurde das Verbot der fogenannten Kontroverspredigten
gegen andere Religionen in Erinnerung gebracht. Die Kanzelpolemik
widerftreite dem duldfamen Geilte des Evangeliums.
111
Die Revolution hatte den Rationalismus, (die Vernunft-Religion) ge-
fördert; die Erfdiütterungen der Kriegszciten führten vielfach eine Um-
kehr herbei.
Im Jahre 1823 fduieb der bekannte Pädagoge Dielterweg, Direktor
des Lehrerfeminars in Mors, in feiner Befdhreibung der Preuhifchen
Rheinprovinzen von Saarbrücken: Unter der vornehmeren Klaffe hat in
den lebten 15 Jahren die Gleichgültigkeit gegen die Religion fehr ab-
genommen, und alle bezeigen dodi jeht wieder, wenigftens äußerlich
den dnriftlichen Gebräuchen ihre Achtung,“
Die vollftändige Einigung der unierten Gemeinden wurde erft i. J. 1852
gefiebert durch die „Sähe über und für die evangelifche Union,
wie fie von der evangelifchen Paftoralkonferenz zu Saar-
brücken am 3. Juni 1852 angenommen und veröffentlicht
worden find. (Nihfch, Urkundenbuch der evangelifdnen Union.
Bonn 1853, S. 140 ff.) Sie haben folgenden Wortlaut:
1. Die Union will keine neue Partikularkirche bilden; he ift die äußere
Darftellung des durch die Kinder Gottes von Anfang der Reformation
erftrebten und immer dagewesenen Gemeinfdiaftslebens im Glauben an
den einen Herrn auf Grund der der lutherifchen und reformierten Kon-
feffion gemeinfamen evangclifchen Wahrheit, die da nötig ift zur
Seligkeit.
2. Die beiderfeitigen Bckenntniffe beftehen in unverändcrlidier Geltung
nidit nur als das teuere Vermächtnis unferer glaubensftarken Väter, fondern
auch als die gefunde Lehre nach dem Worte Gottes, das die einzige
Richtfchnur des evangelifdien Glaubens, Lehrens und Lebens ift.
3. Wir verkennen und verdecken nicht die Lehrverfchiedenheit der beiden
Konfeffionen, verwerfen aber auch als Irrtum die Meinung, da^ die Ein-
heit der Kirche in der Einerleiheit der Lehre und Verfaffung beftehe.
Wir wandeln daher nach einer Regel, wie St. Paulus fpricht, dalj
wir im Glauben einig find.
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4. Wir willen und bekennen, daß der Glaube fei die Bekehrung des
in Sünden toten Mcnfchen zu dem menfehgewordenen Sohn Gottes,
der um unterer Sünden willen geftorben und um unterer Gerechtigkeit
willen auferwecket und allen, die von Herzen allein auf Ihn trauen,
zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Ertötung geworden ift.
5. Wir wiffen und verbergen nidff, daß in tolchem Glauben viele
Stufen der Erkenntnis find, und daß darum unter den Gliedern
Chrifti Mannigfaltigkeit und Unterfchied fein dürfe, nur daß ein jeder in
feiner Meinung gewiß fei, Römer 14, 5. Aber wir find unteres rechten
Weges gewiß und des voll Zuverfidit, daß der Herr diefe feine Kirdie
führen werde zur Einheit der völligen Erkenntnis des Sohnes Goties
und zum vollkommenen Mannesalier Jefu Chrifti. .
6. Wir wiffen aber und leugnen nicht, daß diefe untere Kirche die Knechts-
und Kreuzesgeftalt unteres Herrn Jefu Chrifti an fidi trägt und an
allerlei Schäden leidet, infonderheit in gegenwärtiger Zeit rechter dirift-
licher Zudit entbehrt; desgleichen, daß die Union mancherlei Mißbrauch
und Uebel im Gcfolg gehabt hat wider ihr Wefen und ihre Beftimmung,
allein durch die Torheit und Feindfchaft der Welt. Wir verwerfen es
jedoch als eigenmächtigen Eingriff in die Wege Gottes, diefe Kirche
um foldier Mängel willen zu verlaffen, und erkennen vielmehr als heilige
Pflicht aller wahren Chriften, im Glauben, in der Wahrheit und in der
Liebe das Werk des Herrn in der Kirche zu treiben und in Zuverficht
darauf zu bauen, daß der Herr durch fein Wort und feinen Geift in
feinen Rüftzeugen alle Sdiäden feiner Kirche heilen wird, wie er denn
auch zu diefer Kirche von Anfang an und fonderlidi in diefen unfern
lefften Tagen fichtbarlich fich bekannt hat.
7. Solches alles bekennen wir zur Ehre des dreieinigen Gottes und
mit dem inbrünftigen Gebet, daß er uns fernhaffe von dem alten Wege
der Zerreißung feiner Kirche und uns treibe, zu halten die Einigkeit
im Geift durch das Band des Friedens. \
8 Geldiichte der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
113
10. DIE VEREINIGTE EVANGEL. GEMEINDE
Die Mitglieder des vereinigten Presbyteriums waren nach der Nieder-
fchrift der erften Sitzung vom 12. November 1817:
1. Der erfte Pfarrer der evangelifdhen Gemeinde Hildebrand,
Präfident des Presbyteriums,
2. Der Pfarrer und Gymnafialdirektor Zimmermann,
3. Pfarrer Mügel,
4. Jakob Kar eher, Kaufmann,
5. Dr. mcd. Röchling,
6. Georg Schmidtborn, Kaufmann,
7. Heinrich Schmidtborn, Kaufmann.
8. Chriftian Quien, Kaufmann,
9. Ritter, Kaufmann,
10. Kalck, Land-Chirurgus,
11. Rupp, Advokat,
12. Fauth, Kaufmann,
13. Koch, Kaufmann,
14. Hartung, Handelsmann,
15. Johann Adam Knipper, Baumeifter.
In diefer Sitzung wurden u. a. befchloffen, dah der Gottesdienft auch
in Zukunft nach einem gedruckten Schema gehalten werden folle.
Im folgenden Jahre wurde die Erweiterung des neuen Kirchhofs (fpäter
Reitplatz des 7. Dragoner-Regiments) durch Ankauf von Nachbar-
gärten in Ausficht genommen1). Die Koften betrugen 2767 Fr. 77ha
Cts. Die wödientlichen Betftunden wurden auf zwei vermindert, Mitt-
wochs und Freitags um 10 Uhr. Da die ehemalige Reformierte Kirche
*) Auf dem gegenüberliegenden alten Kirchhof, wo ehemals die Kreuzkapelle
ftand, wurde i. J. 1832 das Hauptzollamtsgebäude errichtet, nachdem die auf-
gefundenen Gebeine gesammelt und auf dem neuen Friedhof beigeseht waren,
wohin auch die noch erhaltenen Grabfteine und Denkmäler gebracht wurden.
114
zum Gottesdienft nidit mehr benutzt wurde, fo wurde auf den Antrag
des Regierungs- und Konfiftorialrates Küpper befchloffen, diefes Ge-
bäude dem Gymnafium und den Elementarfdiulen zum Unterricht zu
überlaffen.
Zum Andenken an die 300jährige Jubelfeier der Reformation und die
Kirchenvereinigung vom 31. Oktober 1817 wurde ¡m Aufträge des
Königs Priedrich Wilhelm III. der evangelifchen Gemeinde Saarbrücken
eine goldene Medaille überfandt. Diefe wurde am Sonntag den 16.
Mai 1819 nach dem Hauptgottesdienft feierlich dem Presbyterium
übergeben und dann zur bleibenden Erinnerung oben auf dem Deckel
des Haupt-Abendmahlkeldies befeftigt. Im Jahre 1821 wurde durch
einen Erla| des Königs die Bezcidmung der Kirdien und Gemeinden
als „Proteftantifch“ im amtlichen Verkehr verboten. „Die Benennung
Proteftanten gehört der Zeit an, in der fie aufgekommen ift; das
evangelifchc Glaubensbekenntnis gründet fidi lediglich auf die heilige
Schrift. Der Name muh alfo von derfelben ausgehen.“
In der Sitzung vom 24, April 1822 wurde den weltlichen Mitgliedern
des Presbyteriums die Frage vorgelegt, ob die von Seiner Majeftät
dem Könige der Armee gegebene, bei dem Gottesdienfl in der Dom-
kirche zu Berlin eingeführte und dem Presbyterium zur Einfidit mit-
geteilte Agende von der hiefigen Gemeinde wohl gern angenommen
werden mödrte. Darauf erklärten die weltlichen Mitglieder einftimmig:
Da durch die Zirkularfchreiben der Superintendentur diefe Frage allen
Presbyterien des Synodalkreifes bekannt und darüber vielfältig und
mit großem Intercffe auch in Saarbrücken gefprochen worden fei, so
wäre ihnen dadurch der allgemeine Wunfch der Gemeinde hinlänglich
bekannt, welcher ganz beftimmt dahin gehe, man möchte in der Form
des Gottesdienftes keine Aenderung machen, zumal da die in Vorfchlag
gekommene Abweichung von dem in den evangelifchen Gemeinden
unferer Gegend bisher beltandcnen Ritus zu auffallend grolj, jeder
Schein von Rückfchritt zu dem uns bedrängenden Katholizismus der Ge-
meinde äuljerft zuwider und durch die Wiedereinführung längft ab-
115
116
Das alle Gvmnafiurn 1S20—1892, früher reformierte Kirche,
jeijt altkatholifche Friedenskirche
gefchaffter Gebräuche, welche weder zu helleren Einlichtcn noch zu
größerer «Frömmigkeit führten, neue Trennung, Auflöfung der kaum
zu ftandc gebrachten Union der evangeliiehen Chriften des lutherifchen
und reformierten Bekcnntniffes fowie das Entftehen eines Sekten- und
Partei-Geiftcs zu befürditen fei, der in unferer bewegten Zeit in feinen
Folgen äußerft verderblich werden könnte.
Diefe Erklärung wurde in der Sitzung des Presbyteriums vom 26, Juli
1825 ausdrücklich beftätigt.
Zehn Jahre fpäter jedodi verfügte das Kgl. Konfiftorium durch Erlaß
vom 31, März 1835, daß die Agende und die Kirdienordnung für
die evangeliiehen Gemeinden der Provinz Weftfalen und der Rhein-
provinz, die am 5, März 1835 die Königliche Betätigung erhalten
hatte, am 1, Oftertag eingeführt werden folle, und bei der Einführung
des Pfarrers Bösken am 26. April 1835 wird ausdrücklich bemerkt,
daß diefe „in der vorgefchriebenen Weife der neuen Agende“ ge-
fchehen fei.
Am 5. Juni 1835 erging ein Erlaß des Konfiftoriums, daß keiner
evangeliiehen Gemeinde die ihr bisher fremd gebliebenen äußerlichen
Gebräuche aufgedrängt werden foflten. Den Geglichen wurde aber
ernftüdi befohlen, fich bei dem öffentlidren Gottesdienft und andern
gottesdienftlichen Handlungen nach den Anordnungen und Beftimmungen
der Landesagende ftreng zu halten.
Die in demfelbcn Jahre eingeführte Kirchenordnung für Rheinland und
Weftfalen madite die presbyteriale Organifation der Gemeinden zu
dem eigentlichen Grundftein der gefamten Khchenverfafiung, Während
bisher das Presbyterium die einzige Gemeindevertretung war, wurde durch
die neue Kirchenordnung für jede über 200 Seelen zählende Gemeinde
eine größere Gemeindevertretung (Repräfentation) gefchaffen,
welche zwifchen dem Presbyterium und der Gemeinde ftand. Dieler
Gemeindevertretung erteilte die Kirchenordnung die Befugnis, gemein-
fchaftlich mit dem Presbyterium 1. den Pfarrer zu wählen, 2. über
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Erwerbung oder Veräußerung von Grundeigentum zu befdiließen,
3) Gehälter und Gehaltszulagen für Pfarrer oder Kirchenbeamte feft-
zufcßcn und 4. bei Unzulänglichkeit des Kirchenvermögens über die Herbei-
fchaffung der nötigen Mittel zu beraten und nötigenfalls eine Umlage
auf die Gemeindeglieder zu befdiließen und der Regierung zur Be-
itätigung vorzulegcn. In Saarbrücken wurden 40 Repräfentanten ge-
wählt, Außerdem wurde die Provinz in Kreife eingeieilt und als
deren Vertretung Kreisfynodcn berufen, die aus den Pfarrern des
Kreifes und ebenfovielen weltlichen Abgeordneten behänden, wie der Kreis
Gemeinden hat. An die Spiße jeder Kreisfynode trat ein auf 6 Jahre
gewähltes Direktorium, das aus dem Superintendenten, dem Affeffor
(dem Vertreter des Superintendenten) und dem Schriftführer befteht.
In ähnlicher Weife ift die kirchliche Vertretung der Provinz, die alle
drei Jahre zufammentretendc Provinzialfynode, zufammengefeßt. Zu
den Befugniffen der Kreisfynode gehört 1. die Vorberatung aller an
die Provinzialfynode zu bringenden Anträge, 2. die Beauffichtigung der
Pfarrer, Presbyterien, Kandidaten und Kirdiendiener des Kreises, 3. die
Handhabung der Kirdienzucht, 4. die Beauffichtigung der Verwaltung
des Kirchenvermögens, 5. die Verwaltung der Pfarrwitwenkalfc des Kreifes
und der Synodalkaffe, 6. die Leitung der Wahlangelegenhciten der Pfarrer
des Kreifes, ihre Ordination und Einführung, 7. die Wahl des Direktoriums
der Synode und der Abgeordneten zur Provinzialfynode. Dicfe wacht über
der Reinheit der Lehre in Kirche und Sdiule fowie über die Vollziehung
der Kirchenordnung. Sie bringt ihre Befchwerden über Verleßung der
kirdilichen Ordnung, über eingefchlichene Mißbräuche im Kirchenwefen
fowie über die Amtsführung von Geiftlidicn und Kirchenbeamten und
ihre entfprechendcn Anträge zur Kenntnis der Staatsbehörde, des Kon-
fiftoriums in Coblenz, an deffen Spiße der Oberpräfident ftehl und
deffen Mitglieder der Generalfuperintendent, drei Konfiftorialräte, ein
Juftitiar und der Militäroberprediger find. Sic berät über die Anträge
der Kreisfynoden und befchließt über innere kirchliche Angelegenheiten;
ihre Befchlülfe bedürfen der Betätigung der Staatsbehörden. Die
Provinzialfynode nimmt auch an den Prüfungen der Kandidaten pro
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licentia und pro miniftcrio durch Abgeordnete mit vollem Stimmrecht
teil und führt die Aufficht über die Krcisfynodal-Witwenkafien und die
Synodalkalfen ihres Bezirks.
Die Aufficht über alle milden Stiftungen und das Kirchenvermögen
fteht den Staatsbehörden zu. Seit dem Jahre 1826 ift die rheinifche
evangclifdre Kirche dem Konfiftorium in Koblenz unterteilt.
Die Belegung der Pfarreien erfolgt teils durch Wahl, teils durch die
Staatsbehörden.
Im Jahre 1846 wurde zum erften Male eine allgemeine Landesfynode
(Generalfynode) einberufen. Das Presbyterium fprach fidi aber am
18. Juni 1846 dahin aus, da^ diefe fogenannte Landesfynode nicht
als ein Organ der evangelifchen Landeskirche, wenigftens nicht als
Organ der evangelifchen Kirche der Rheinprovinz und Weftfalens an-
gefehen werden könne, weil fie nicht nach dem Prinzip des Proteftan-
tismus und msbefondere nicht nadi dem Prinzip der diefen beiden
Provinzen i. J. 1835 verliehenen Kirchenordnung aus freier Wahl der
Gemeinden hervorgegangen fei. Demzufolge fah das Presbyterium in
jener Verfammlung die Provinzialgemeinden nicht vertreten und betrachtete
deshalb etwaige Befchlüffe der Landesfynode für unfere Gemeinde nicht
als verbindlich. Von diefem Befchlulj follte das Presbyterium die nächfte
Kreisfynode in Kenntnis fetjen und dem Landgerichts -Präfidenten
Befiel, der als Mitglied des Presbyteriums zu jener Synode nach Berlin
berufen war, eine vertrauliche Mitteilung zu beliebigem Gebrauche
madren.
Dielem Befchlüffe wurde aber keine Folge gegeben, weil nach Mit-
teilung des Herrn Befiel die Landesfynode keine bindenden Befchlüffe
für die Landeskirche zu faffen hatte, fondern nur von dem König für
den Entwurf einer Kirchenordnung für die 6 öftlichen Provinzen und
die Angelegenheiten der evangelifchen Kirche überhaupt zu Rate ge-
zogen werden olite.
119
Im Jahre 1848 wurde das Oberkonfiftorium in Berlin zur einheitlichen
Verwaltung der kirchlichen Einrichtungen begründet. Diele Behörde
wurde jedoch bald wieder aufgelöft; an ihre Stelle trat i. J. 1850
der evangclifche Oberkirchenrat.
Im Jahre 1830 wurde die 300jährige Jubelfeier der Augsburger Kon-
feffion begangen. Bei diefer Gelegenheit fchenkte der Bergafieffor
Heinrich Böcking, der Mitglied des Presbyteriums war, eine Platte
von getriebenem Silber, auf der die Anbetung des Jeiuskindes durch
die drei Weifen aus dem Morgenlande dargeftcllt war. Diefe Platte
folltc bei der Feier des Abendmahls die Brote aufnehmen.
Im Jahre 1827 war durch das Konfiftorium der Rheinprovinz das Ver-
bot der fogenannten Kontroverspredigten wieder eingefchärft worden mit
der Begründung, da^ eine foldie Kanzelpolcmik dem duldfamen Geifte des
Evangeliums widerflreite. Im Jahre 1835 wurde das Verbot aus An-
la£ eines vorgekommenen Falles erneuert. Die Pfarrer Tollten fich
aller Aeu^erungen enthalten, welche die Lehren und Gebräuche der
katholifchen Kirche herabwürdigten.
Im Jahre 1834 wurde Pfarrer Mügel von feiner Lehrftelle am Gym-
nafium entbunden; er behielt nur bis zum Jahre 1836 den Unterricht
im Franzöfifchen. Superintendent Zimmermann blieb bis zum Jahre
1834 Direktor des Gymnafiums. Dann hörte die Perfonalunion von
Pfarramt und Lehramt in der Gemeinde auf. Die Auffidit über die
Volksfchulen blieb den geiftlidien Schulinfpektoren.
Seit dem Jahre 1843 wurde Gottesdienft für die evangelifchen Ge-
fangenen in dem neuen Arrefthaufe am Hagen gehalten. Auch wurden
Bibel- und Miffionsftunden abgehalten und Hausbefuche bei den Mit-
gliedern der Gemeinde cingcführt.
Am 1. Juni 1845 überreichte das Presbyterium, aus den Pfarrern
Römer, Schirmer, Zickwolff und den Laicn-Presbytern Dr. Kalck,
Philipp Hell, Fr. Heger, Göttlich, L. A. Reuther, Georg Brandt,
Knipper, Heinrich Arnold, Landgerichtspräfident Beffel und Benfi be-
120
flehend, dem vicljährigen Presbyter Hofrat Dr. Röchling, dem Sohne
des Infpektors, eine Bibel mit Bildern in Prachtband als Geichenk mit
den Begleitwortcn 1. Timoth. 5, 17: „Die Aclteften, die wohl vor-
ftehen, die halte man zwiefacher Ehre wert, fonderlich die da arbeiten
im Wort und in der Lehre.“ In diefer Bibel finden fich folgende
Worte eingetragen:
„Diefer Bibel bediente ich mich beim erften feierlichen Gottesdienft
der deutfeh -katholifchen Gemeinde in Saarbrücken Sonntag den
8, Juni 1845.
Karl Ferdinand Kerbler.“
Darüber ft eben die Worte: „Der Buchftabe tötet, der Geift macht
lebendig. Der Glaube verwandelt fich dereinft in Schauen, die Hoff-
nung in Genulj, die Liebe bleibt ewig.“
Diele Eintragung zeigt, dalj die deutfch-katholifche Bewegung jener
Zeit in der evangelifchen Gemeinde lebhafte Teilnahme gefunden hatte.
Im Herbft des Jahres 1844 hatte der Bifchof Arnoidi von Trier den
angeblichen ungenähten Rock Chrifti ausgeftellt und dadurch grolle
Wallfahrten nach Trier veranlagt. Dies erregte bei vielen freidenkenden
Katholiken Aergernis, und ein fchlcfifcher Priefter, Johannes Ronge,
vcröffentlidite ein Schreiben „gegen das Göhenfeft zu Trier an den
dafigen Bifchof als den Tetjel des 19. Jahrhunderts“. Ronge fand
vielfeitige Zuftimmung. An vielen Orten bildeten fich deutfch-katholifche
Gemeinden, und audi in Saarbrücken fagten fich drei Bürger, Eichhoff,
Dörr und Mayer, am 17. April 1845 von der katholifchen Kirdie los
und gründeten einen deutfch-katholifchen Verein. Bald nachher kam
Kerbler, ein Gefinnungsgcnoffe Ronges, nadi Saarbrücken. Er wurde
in Worms von Dörr und Mayer abgeholt, in Dudweiler durch eine
Ehrengarde von 20 Reitern und Wagen empfangen und nach Saar-
brücken geleitet. Am 7, Juni fand eine General-Verfammlung der
Deutfch-Katholiken, am folgenden Tage feierlicher Gottesdienft in der
Ludwigskirche ftatt, die das Presbyterium trot? des Verbotes des Mini-
fteriums zur Verfügung geftellt hatte. Die evangelifchen Geiftlichen
121
und die Presbyter empfingen Kerbler und feine Anhänger an der
Kirchentür; Kerbler trug eine Soutane, ein Koller und ein Barett.
Gymnafiaften fangen im Chor, dann folgte die Feftpredigt über 1.
Petr. 2, 5 und Ev. Johannis 10 (vom guten Hirten). Am nädiften
Dienstag war grobes Feit in den Anlagen am Sdianzenberg, wo ein
Bruder Johannes der Hauptredner war. Abends brachten Gymnafiaften
Kerbler einen Fackelzug; ein Primaner hielt eine Begrüßungsrede.
Es wurde in Saarbrücken eine Sammlung für die deutfdvkatholifche
Gemeinde eröffnet, die 2400 Taler ergab; einige Evangclifche zcidi-
ncten einen jährlichen Beitrag von 100 Talern. Am 28. Auguft 1845
wurde den Deutfch-Katholiken die Mitbenutzung der beiden evange-
lifdicn Kirchen auf unbeftimmte Zeit gehaftet.
Ein exkommunizierter katholifcher Pfarrer namens baß wurde am 21.
September in der Schloßkirche durdi Kerbler eingeführl. Faß nahm
i. J. 1848 an der revolutionären Bewegung teil, wurde Schriftleiter des
Saarboten, verlor aber das Vertrauen feiner Gemeinde und ging 1851
nach Amerika, wo er bald nachher ftarb. Bereits im Jahre 1850
hatte das evangelifdie Presbyterium auf mchrfadie Klagen, daß bei
dem deutfeh - katholifchen Gottesdienft das Wort Gottes nidit lauter
und rein gepredigt, fondern verderbliche Zeitdoktrinen erörtert würden,
den Deutfdrkatholifchen die Benutzung der evangelifchen Kirchen ent-
zogen mit der Begründung, daß die Entwicklung der dcutfch-katholifchcn
Gemeinde den Erwartungen nicht entfprochen habe.
Im Jahre 1848 wurde auch das Presbyterium der evangelifchen Gemeinde
von der politi fchen Bewegung ergriffen. Am 24, März d. J. faßte
das Presbyterium folgenden Befchluß: „ln Folge des Aufrufs Seiner
Majeftät des Königs an fein Volk und die deutfehe Nation mit der
Erklärung, daß er die alte deutfehe fchwarz-rot-goldene Fahne an-
genommen habe, befchloß die Vcrfammlung, noch heule eine folche
Fahne in feierlichem Zuge unter Gefang der Jugend und mit Regiments-
mufik-Begleitung auf der Ludwigskirchc aufftecken zu laffen. Die
122
Anfertigungs- uiw. Koftcn dicfcr Fahne iollen aus den zu erhebenden
Umlagegeidern beflrittcn werden. Auch wurde die Ludwigskirche,
freilich nicht ohne Widerfpruch und nur mit groben Bedenken, zu einer
Wahlvcrfammlung überlaifen und beide Kirchen für die am 11. Mai
ftattfindenden Wahlen zur Nationalverfammlung eingeräumf. An die
Kreisfynode wurde der Antrag geftellt, dalj diele Verlammlung bei der
Provinzialfynodc dafür eintreten möge, dab das Wort „Die Kirdie foll
lieh aus lieh lelbft erbauen“ endlich zur Wahrheit werde, demgemäb
die bisherigen Konfiftorien befeitigt werden und an deren Stelle eine
von der Provinzialfynodc gewählte und vom Staate betätigte Behörde
treten folle, deren Verfitzender der jedesmalige Präfes der Provinzial-
fynode als Provinzialbifchof fein folle; ferner dab das königliche Pa-
tronatsrecht bei Befebung der Pfarreien aufhöre und den Gemeinden
ein entfprediendcr Anteil bei der Belegung der Pfarrftellen gefiebert
werde. Drittens follte der Antrag der fünften Rheinifdren Provinzialfynodc
(§ 99) betreffend die ungleidie Unterftühung der evangelifchen Kirche im
Vergleich mit der katholifchen aus Staatsmitteln fobald als möglich ins
Leben treten. Der Oberkirdienrat gab jedoch dielen Befdilüffen keine Folge.
Das Presbyterium legte dagegen Verwahrung ein und erklärte, weiter für
die Freiheit und Selbftändigkcii der Rhcinifdien Kirche eintreten zu wollen.
Da durch dieWaffenübungen der Bürgerwehr häufig Störungen des Gottes-
dienftes vorkamen, fo crfuchte das Presbyterium das Bürgermeifteramt,
die Gefebc über die Sonntagsruhe mehr als bisher aufrecht zu erhalten.
Die Anhänglichkeit an das Ffcrrfchcrhaus war in Saarbrücken durch
die Revolution nidit beeinträchtigt worden. Davon zeugt der herzliche
Empfang, den König Friedrich Wilhelm IV. und feine Gemahlin Elifabcth
im September des Jahres 1855 fanden. Das Presbyterium befchlolj,
die Ludwigskirche mit dem Turm zu erleuchten, über dem Haupteingang
ein Transparent mit der Auffchrift: „Friede fei mit Dir und Deinem
Haufe!“ befeftigen und darüber in dem runden Fenfter den Namenszug
des Königs anbringen, eine grolje Fahne auf dem Turm und zwei
kleinere über dem Haupteingang aufftecken zu laffen.
123
11. GOTTESDIENSTLICHE ORDNUNG
UND KIRCHLICHE FEIERN
Im 18. Jahrhundert wurde nicht nur an Sonn- und Fefttagen. iondern auch
in der Woche öffentlicher Gottesdienft mit Predigt gehalten und zwar:
1. alle Mittwoch Predigt, wobei der Superintendent und der Pfarrer
abwcchfelten;
2. alle Freitag Predigt, die der Diakonus{fpäter Freiprediger genannt),hielt;
3. alle Samstag die Veiper, die der Pfarrer hielt;
4. dazu kamen noch einige Betftunden, die der Pfarrer und der Dia-
konus abwechfelnd hielten.
5. Wenn das hl. Abendmahl gehalten wurde, io war Samstags die
Vorbereitungspredigt, wobei der Superintendent und der Pfarrer
abwechfelten. Diefe wechfelten auch in der Vormitlagspredigt an
Sonn- und Behagen, während der Pfarrer und der Diakonus in
der Sonntag-Nachmittagsprcdigt fich ablöften. Der Diakonus war
auch verpfliditct, alle 14 Tage in St. Johann die Nadimittags-
predigt zu halten und an hohen Fefttagen den dortigen Pfarrer
zu unterftühen. Trauungen und Taufen in der gräflichen Familie
und bei den Beamten hielt der Superintendent, andere Taufen der
Pfarrer oder der Diakonus, dem die Predigt oblag. Trauungen
in der Stadt verrichtete der Pfarrer, der die Mittwochspredigt hatte,
in den Vorftädten der Diakonus. Krankenbcfuche follten „ohne
Unterfdricd der Kirchendiener und Pfarrkinder, wie es Gelegen-
heit und Notdurft erforderte“, abgeftaltet werden. Die Land-
pfarrer muhten abwechfelnd in den Wochen, in die kein Bettag
oder Feiertag fiel, die „Zirkularpredigt“ in Saarbrücken halten.
bürft Ludwig nahm an jedem Karfreitag in der Schlohkirche das
Abendmahl. Kommunion und Beitagspredigt wechfelten monatlich in
beiden Kirchen. An den erften Tagen der drei hohen Fefte wurden
in jeder Kirche zwei Predigten gehalten, an den zweiten Fefttagen war
nachmittags Kinderlehre. Im Jahre 1836 wurden die 2 wöchentlichen
124
Bctltunden vorläufig abgefchafft und beftimmt, dal? die Fcfte tags
zuvor um 6 Uhr eingeläutct werden follten. Im folgenden Jahre
wurden auf Anregung des Kgl. Konfiftoriums zur Förderung der
Bibclkenntnis befondere Bibelftunden bei dem fonnläglichen Frühgottcs-
dienft eingeridrtet. 1843 wurden diefe Stunden auf Mittwoch abend
6 Uhr, fpäter 7 Uhr verlegt und die Betftunde auf Freitag morgen
10 Uhr. In demlelbcn Jahre erklärten lieh die drei Pfarrer bereit, im
Gefängnis Gottesdienft zu halten.
Dem Presbyterium gehörten damals die angefehenften Männer der
Stadt an und vertraten die Gemeinde auf der Kreisfynode, io im
Jahre 1837 Bürgermeifter Böcking, 1838, 1841, 1846 und 1847 Land-
gerichisprähdent Beifel, 1842, 1845, 1847 und 1848 Hofrat Dr.
Röchling, 1850 und 1851 Bürgermeifter Wagner, 1853 Dr. Wilkens.
Im Jahre 1843 war die Saarbrücker Gemeinde als die größte evangelifche
Gemeinde der Rheinprovinz auf der Verfammlung des Guftav-Adolf-
vereins in Frankfurt a. M. vertreten. Im folgenden Jahre wurde ein
Zweigverein des Guftav-Adolfvereins in Saarbrücken gegründet.
Die Konfirmation wurde mit Rücklicht darauf, dal? Oftern die Volks-
fchüler die Sduile verlaffen und meift in das praktifche Leben über-
gehen, auf Palmfonntag verlegt. Die Konfirmanden feilten am Grün-
donnerstag mit ihren Angehörigen zum erften Abendmahl gehen. Im
Jahre 1856 wurde befchloffen, dal? die Kommunion der Konfirmanden
am Karfreitag in der Ludwigskirdre ftattfinden folle. Die Bibel- und
Miffionsftundcn am Mittwoch abend wurden fchlecht befucht und deshalb
auf Freitag morgen, die monatlichen Miffionsftundcn auf den Sonn-
tag-Nachmiitags-Gottesdienft verlegt. Seit 1855 aber wurde der
Wochengottesdienft wieder Mittwoch abends um 6 Uhr und am erften
Mittwodi jedes Monats Miffionsftundcn gehalten. Seit dem Anfang
des Jahres 1857 hielten die drei Pfarrer abwechfelnd an Sonn- und
Feiertagen Gottesdienft im Hofpital. Nach dem Befdilul? der Kreis-
fynode von 1857 waren raufchende Vergnügungen (z. B. größere Hoch-
zeiten) während der Advents- und Paffionszeit verboten. Im Jahre
125
1854 wurde eine Erhebung über den Kirchcnbefuch angeftellt. Die
Gemeinde zählte an 4000 Seelen, von denen etwa zwei Drittel = 2666
imftande waren, die Kirche zu befuchen. Nach einer annähernden
Schätzung kamen aber regelmäßig nur etwa 666 Perlenen zum Gottcs-
dienft, fodaß etwa 2000 Nichtbefucher übrig blieben. Das Presbyterium
befchloß, ein Vierteljahr lang bei den Gottesdienften um 10 Uhr, 1
und 2 Uhr die Kirchenbclucher zählen zu lallen, ferner die gefamte
Gemeindevertretung zu einem fleißigen Kirchcnbefuch zu ermahnen.
Für die Seelforge lollte die Stadt in drei Bezirke geteilt werden und
jedem der drei Pfarrer ein Drittel in zweijährigem Wedifel zugeteilt
werden. Die Kaluaiien (Taufen, Trauungen, Beerdigungen) aber feilten,
wie bisher, wodienweife von den Pfarrern verrichtet werden. An die
Seelforge lollte lieh die geiftlidie Armenpflege und das Diakonat an-
Ichließcn; Hausbefuche der Pfarrer in einem andern Bezirk follten da-
durch nicht ausgefchloffcn fein. Die Eltern follten durch den Pfarrer
und die Presbyter ermahnt werden, ihre konfirmierten Kinder an den
kirchlichen Katechifationen teilnehmen zu lallen. Im Jahre 1855 wurde
bcfchloffen, Mittwochs von 5—6 Uhr in der Faftenzeil Faftcnpredigtcn
zu halten.
Da über die Unruhe der Schuljugend viel geklagt wurde, fo wurden
ihr im Jahre 1856 bcftimmle Plätze angewiefen, wo fic von einem
Lehrer oder dem Organiftcn beauffichtigt werden lollte. Die Aufficht
über die Sdiuljugend während des Gottesdienftes wurde mit den
Lehrern verabredet. Auch die Gymnafiallchrer führten abwechfelnd
die Kirchenauflicht über ihre Schüler. Im Jahre 1867 wurde über den
unregelmäßigen Befuch des Gottesdienftes durch die Jugend geklagt.
Das Presbyterium befchloß, die Lehrer zu veranlaflcn, Montags in der
Schule die Säumigen nach dem Grund des Ausbleibens zu fragen
und fic in geeigneter Weife, etwa durch Herunterfeßcn, zu beftrafen.
Im Jahre 1862 wurde beftimmt, daß am 1. Sonntag nach Epiphanias
oder am Epiphaniastage felblt in allen drei Gottesdienften Miffions-
predigten gehalten werden follten.
126
Im Jahre 1862 wurde die Verteilung von Bibeln an Brautpaare bei
der Trauung eingeführt. Die Koften follten wenigitens z. T. durch
Sammlungen bei Hochzeitsfeiern aufgebracht werden.
Im Jahre 1863 wurde auf rechtzeitige Taufe eines Kindes unter An-
drohung von Kirchenzuchtmaljregeln gegen den fäumigen Vater ge-
drungen. Amtshandlungen von einem anderen Pfarrer als dem, der
die Amtswoche hatte, wurden 1864 auf unverlegbare Falle, zu denen
Trauungen und Taufen nicht gehörten, befchränkt. Auswärtigen
Pfarrern follten Amtshandlungen (Kafualien) auf Wunich der Familie
nur gehaftet werden, wenn die kirchliche Handlung in der Gemeinde
des auswärtigen Pfarrers abgehalten wurde. Im Jahre 1865 befdiloh
das Presbyterium, dah alljährlidi am 10. Sonntag nach Trinitatis in
der Predigt der Judenmilfion gedacht und am Schluß des Gottcs-
dienftes eine Sammlung, für diefen Zweck veranftaltet werde. Am
10. Juni 1866 wurde wegen der näher kommenden Kriegsgefahr die Ein-
führung von allabendlichen Gebeisgottesdienften angeregt. Zunädrft
wurde die Mittwodisbetftunde auf 7 Uhr abends verlegt. Diele Bet-
ftunde wurde ¡m Jahre 1877 wegen ungenügender Beteiligung aufge-
hoben mit Ausnahme der Advents- und Paifionszeit. 1867 wurden
Eltern von Kindern, die der Konfirmation entzogen wurden, von der
Abendmahlsfeier und dem Recht, Taufpatenftellen zu übernehmen, aus-
gefchloffen. Zugleidi wurden Hausandachten empfohlen.
Während des Neubaues der Malftätter Kirche (1868—1870) wurde
der dortigen Gemeinde an hohen Feittagen und befonderen Feiern die
Schloljkirche überlaffen.
Im Jahre 1874 wurde der neuerrichteten altkatholifchcn Gemeinde auf
eine Eingabe des Regierungs-Affelfors Thome die Benutzung der Lud-
wigskirche zu ihrem Gottesdienft bedingungsweife und widerruflidi
gegen eine Gebühr von einem Taler, jährlich gehaftet. Am 20. Juni
wurde ein altkatholifcher Firmungsgottesdienft durch Bifchof Reinkens
in der Ludwigskirche abgehalten.
127
Am 6. Juni 1874 beriet das Presbyterium über die Mittel, wie der
Entheiligung des Sonntags entgegengclreten werden könne. Die Sonn-
tagsarbeit wurde an den Vormittagen in betrübendem Maße getrieben.
Polizeiliches Einichreiten gegen geräulchvolle öffentliche Arbeit erfdiien
„nicht rötlich und geiftlidr erfolgreich“. Es feilte eine Anfpradre des
Presbyteriums an die Gemeinde als Flugblatt gedruckt werden.
Die Gelblichen feilten mit den Organiften über die Vcrbefferung des
Kirchengefanges beraten, auch ein gemcinfames Choralbudr für beide
Kirchen befchaffen nebft einem Anhang, der die Saarbrücker Eigen-
tümlichkeiten in den Melodien enthielte.
ln demfelben Jahre wurde eine Kirdrenvifitation vorgenommen. Nach
Verkündigung von der Kanzel verfammelte fich am 19. Juni 1874
das Presbyterium in der Wohnung des erben Pfarrers, um nach
§ 144—146 der Kirchenordnung zu verfahren. Der Bericht über diefe
Verhandlung lautet folgendermaßen: „Die Pfarrer (Superintendent
Schirmer, Pfarrer Zickwolff und Pfarrer Engel) Traten ab, und die
Presbyter wurden über Amtsführung und Lebenswandel der Pfarrer
vernommen. Sie fpradren fich mit Befriedigung über die Amtsführung
der Gelblichen und mit Anerkennung über ihren Lebenswandel aus.
Ingleichen erklärten die Pfarrer, daß die Presbyter ihren Pflidrtcn gerne
nachkämen. Es ergab fich ferner, daß auch zwifdien den Gelblichen
und der Gemeinde ein gutes Vernehmen ftattfinde. Der Lebenswandel
der Gemeinde wurde in Betracht der Vcrhältniffe der hiefigen Gegend
als befriedigend angefehen, obwohl Trunk- und Gcnußfudit in der
lebten Zeit zugenommen hatte. Das Presbyterium faßte aus Ver-
anlaffung der Vifiiation den Befdrluß, die durch die Vifitation ange-
regten Fragen in einzelnen Sißungen befonders zu bearbeiten. Auch
die Bücher der Pfarrei wurden in Ordnung gefunden.“
Da die Scelenzahl der Gemeinde im Jahre 1893 auf mehr als 8000
geftiegen war, fo wurde die Zahl der Mitglieder der größeren Ge-
meindevertretung auf 60 erhöht. In diefe Zahl wurden später die
12 Presbyter eingefchloffen.
128
Im Jahre 1901 wurde ein befondcrer Kindergottesdicnft eingeführt, im
Jahre 1903 die Konfirmanden im Unterricht nach dem Gefchlecht
getrennt. Seit dem Jahre 1906 werden che Schüler der höheren
Schulen befonders unterrichtet und zwar feit 1911 Mittwoch nach-
mittags. Es wurde beftimmt, dah die Seelforgebezirke alle drei Jahre
wedifeln iollten.
Seit dem Jahre 1903 wird die Beichte unmittelbar vor der Abend-
mahlsfeier gehalten.
Die Predigt bei der Konfirmation wurde i. J. 1876 abgefchafft und
die Prüfung der Konfirmanden abgekürzt. Die Abendmahlsfeier
am Gründonnerstag wird feit dem Jahre 1907 den Konfirmanden und
ihren Angehörigen Vorbehalten,
Im Jahre 1876 wurde eine liturgifchc Chriftfeier am heiligen Abend
unter Mitwirkung des Kirchenchors eingeführt.
Im Jahre 1878 wurde vom Presbyterium ein Aufruf über Sonntags-
ruhe und Sonntagsheiligung an die Gemeinde erlaffcn.
Seit dem Jahre 1883 war das alte naffauifche Gefangbudi vergriffen.
Zum vorläufigen Erfah wurden 150 ausgewählte Lieder in einer be-
fonderen Ausgabe gedruckt. Am Palmfonntag 1893 wurde das evan-
gelifche Gefangbuch für Rheinland und Weftfalen, um delfen Zuftande-^
kommen Pfarrer Hackenberg in Hottenbach und Gymnafialdirektor Dr.
Hollenberg in Saarbrücken fidi befondere Verdienfte erworben halten,
zum erften Male im Gottesdienft benutzt. Im Jahre 1895 wurde die neue
Agende eingeführt. In den lebten Jahren wurden im Sommer mehrfach
Waldgottesdienfle in dem Saarbrücker Stadtwald gehalten, wobei
an die Stelle der Orgelbegleitung ein Pofaunenchor trat.
Es finden jetff an Sonn- und Feiertagen zwei Gottesdienfte ftatt: ein
kürzerer Frühgottesdienft um 8l/a Uhr und ein Hauptgottesdienft um
10 Uhr. Statt des erfteren wird im Winter ein Abendgottesdienft um
5 Uhr abgehalten. Mit der Benutzung der beiden Kirchen wird wochen-
weife gewediielt.
9 Gekbkhte dei ev. Gemeinde Ait-Saarbrücken
129
Folgende beiondere kirchliche Feiern fanden in diefer Zeit ftatt:
Im Jahre 1844 wurde zur Einleitung des Reformationsfeites der Choral
„Eine fefte Burg ift unfer Gott“ durch ein Trompeterkorps vom Turm
der Ludwigskirdie geblafen. Aus Anla^ eines Minifterialerlaffes vom
18. Dezember 1845 befchlol^ das Presbyterium das Andenken an den
vor 300 Jahren eingetretenen Tod Luthers am 22. Februar 1846, als
an feinem Begräbnistage, zu feiern. Die F'eicr follte tags vorher cingeläutet,
des Morgens auf dem Turm der Ludwigskirche ein Choral geblafen
und am Schluß des Gottesdienftes eine kurze Befchreibung von Luthers
letzten Lebenstagen vorgelefen und dann im Druck an famtliche Familien
der Gemeinde verteilt werden.
Am 10. April 1860 wurde des 300jährigen Todestages Philipp Mc-
lanchthons durdi eine kirchliche Feier gedacht.
Am 15. März 1863 wurde eine doppelte Gedäditnisfeier zur Erinnerung
an den Hubertusburger Frieden von 1763 und an die Volkserhebung
von 1813 abgehalten.
Am 18. Oktober 1861 wurde das Krönungsteft mit Feftgeläute, Blafen
von Chorälen vom Turm der Ludwigskirche, Begleitung der Gelänge
durch die Regimentsmufik, Aufftecken von Fahnen auf dem I urm und
tAusfchmückung des Innern der Kirdic gefeiert.
Im Jahre 1865 wurde die 50jährige Zugehörigkeit der Rheinprovinz
zu Preußen durch einen Feftgottesdienft gefeiert.
Im Jahre 1861 und im Jahre 1866 wurde das Jahresfeft des rheinifchcn
Hauptvereins des Guftav-Adolf-Vereins in Saarbrücken gefeiert.
Im Jahre 1867 wurde das 350jährige Jubelfeit der Reformation und
zugleidi das 50jährige Jubelfeft der evangelifchen Union fcicrlida begangen.
Im Jahre 1869 wurde auf Königlidie Anordnung hin der Geburtstag
Martin Luthers am 10. November „im Hinblick auf die großen Be-
wegungen der Gegenwart im religiöfen Leben der Völker und der
Einzelnen“ durch einen Beitag mit zwei Gottesdicnften gefeiert.
130
Am Sonntag den 9. Oktober 1870 wurde eine Feier für die gefallenen
Krieger im Ehrentai abgehalten.
Am 18. Juni 1871 wurde nach der Königlichen Verordnung das
Friedensfeft gefeiert. Am Vorabend wurde die Ludwigskirche äußer-
lich erleuchtet, an dem Tage felbft wurden um 6 Uhr morgens Choräle
von Trompetern aut den Kirchtürmen geblafen und von Vs7— 1/a8 Uhr
das Feit mit Glockenläuten und Böllerfchüffen eingeleitet; dann folgten
Feftgotiesdienfte und nachmittags ein feftlicher Zug nach dem Ehrentai.
In derfelben Zeit wurde auf die Anregung des Rheinifch-Weftfälifchen
Provinzialausfchuffes für innere Million die Feier des 2. Septembers
als eines nationalen dcutfdien Volksfefttages auch für Saarbrücken
befchloffen.
Am 6. Auguft 1874 wurde die Gedächtnistafel für die gefallenen
Krieger in der Schloßkirche aufgehängt. Am 9. Auguft desfelben
Jahres wurde das Siegesdenkmal auf dem Winterberg feierlich ein-
geweiht. Superintendent Zilleffen hielt die kirchliche Weiherede, Der
6. Auguft, der Jahrestag der Schlacht bei Spidiern, wurde feit dem
Jahre 1875 bis 1914 durch einen Feftgottesdienft gefeiert. Das in
Saarbrücken liegende Rheinifche Ulanenregiment (Oberft Roth von
Schreckenftein) fdrenktc der Gemeinde eine Gedenktafel mit den Namen
feiner im Kriege gefallenen Regiments-Angehörigen, Diefc Tafel wurde
in der Ludwigskirche füdlich von der Orgel aufgehängt.
Am 25. Auguft 1875 wurde das 100jährige Jubiläum der Ludwigs-
kirdie und die 300jährige Jubelfeier der Einführung der Reformation
in Saarbrücken feftlich begangen. Am Vorabend wurde das Oratorium
„Paulus“ aufgeführt. Die Uberfchrift über der Tür der Ludwigskirche
wurde neu vergoldet.
Am 8. Dezember 1878 wurde ein Dankgottesdienft für die Genefung
des Kaifers und Königs Wilhelms I. von der Verwundung durch einen
Mordanfchlag abgehalten.
131
Im Jahre 1883 wurde am 10. November der 400jährige Geburtstag
Martin Luthers fcftlich begangen.
Im Jahre 1888 wurden Trauergottesdienlte für die beiden Kaifer
Wilhelm I. (f 9, März) und Friedridi (f 15. Juni) abgehalten. Am
10. März 1913 wurde eine Gedenkfeier zur Erinnerung an die Er-
hebung des prcuPsifdien Volkes vor 100 Jahren abgehalten. Inmitten
des Krieges wurde am 4. November 1917 die 400jährige Jubelfeier
der Reformation begangen, im Jahre 1921 die glcidie Feier zur Er-
innerung an den Wormfer Reichstag von 1521, auf dem Luther vor
Kaifer und Reich fein Glaubensbekenntnis ablegte.
über die Lutherfeier in Saarbrücken brachte die Saarbrücker Zeitung
folgenden Beridit:
„Die Vierhundertjahrfeier des Wormser Reichstages vom 18. April 1521 ist in
Saarbrücken und Umgegend würdig und unter großer Beteiligung gefeiert worden.
Die Gedäditnisgottesdienste am Sonntag waren überall stark besucht. Die
zwei Extrazüge, die in der Frühe des Sonntags nach der Stadt des historischen
Ereignisses fuhren, der eine von Saarbrücken, der andere von Neunkirchen,
waren bis auf den lebten Plab beseht, und viele, die sich gemeldet, mußten
leider wegen Plabmangels auf die Fahrt verzichten. Die Eindrücke, die die Teil-
nehmer an der Fahrt in Worms gehabt, sind, wie uns berichtet wird, grob
und erhebend gewesen. Ganz besonderen Eindruck hat die Feier am Luther-
denkmal in den Nachmittagsstunden des Sonntags gemacht, wo Zehntauscnde
zusammengeströmt waren und unter Posaunenbegleitung Luthers unvergängliches
Schub- und Truhlied: „Ein' feste Burg ist unser Gott*' anstimmten.
In Saarbrücken wurde am Abend des 17. April durch die Theatcrgeseüschaft
Neunkirchen Schönherrs wundervolle Tragödie „Glaube und Heimat“ aufgeführt.
Der Saalbau war bis auf den lebten Plap ausverkauft, und tiefe Ergriffenheit
bemächtigte sich der Menge bei der Darstellung des Kampfes zwischen Glaubens-
treue und Heimatliche, den Schönherr in so ergreifender Weise zum Ausdruck
zu bringen gewußt hat. Die Darstellung scitena der Neunkirchcner mub eine
für Dilettanten ganz hervorragende und musterhafte genannt werden. Es war
echte, feine Volkskunst, die den Besuchern geboten wurde. Den Eindruck, den
der Abend machte, werden die meisten Besucher wohl nie vergessen. Er
132
mahnte zu unerschütterlicher Glaubenstreue die Anhänger „des reinen Evangels**
und hinterlie^ auf der anderen Seite durch seinen versöhnenden Schluß doch keine
Spur von Glaubenshass und Fanatismus.
Am 18. morgens fanden in verschiedenen Kirchen Erinnerungsfeiern für die
Jugend statt. In Saarbrücken in der Ludwigskirche fand, angeregt durch Direktor
Meinardus, um 10 TT Uhr ein Gcdächtnisgottesdienst für die Schüler und
Schülerinnen der höheren und Mittelschulen statt, an der auch die älteren Jahr-
gänge der Alt-Saarbrücker Volksschulen teilnahmen. Nur unter Ausnutzung des
lebten Platzes gelang es, die großen Sdiaren der evangelischen Jugend, die von
allen Seiten anrücktcn, in der Kirche unterzubringen. Der Gottesdienst, der
von Pfarrer Ebeling gehalten wurde, hat den ¡ugendlidien Teilnehmern, wie zu
hoffen ist, einen Eindruck der Bedeutung des Wormser Tages fürs Leben mit-
gegeben. Neben zwei Deklamationen — C. F. Meyers „Lutherlied*' und Theodor
Körners „Luthers Gang in den Reichstag** — und der Aufführung einer Luther-
festspielszene durch Oberprimaner der Oberrealsdrule, wirkte das Saarbrücker
Soloquartett für Kirchengesang, ein Mäddrcndior unter Leitung von Frl. Anne
Müller und ein von Musikdirektor Hogrebc dirigierter Chor des Auguste-Viktoria-
Lyzeums und Oberlyzeums mit. Es war ein herzerbebender Anblick und Ein-
druck, eine so gewaltige Menge protestantischer Jugend mit ihren Lehrern und
Lehrerinnen in dem herrlichen Gotteshaus versammelt zu sehen und aus 2000
jugendlichen Kehlen die evangelischen Choräle singen zu hören.
Den Höhepunkt erreichte die Feier am Abend des Erinnerungstagcs (18.). ln
Burbach, in Malstatt, in St. Johann waren die Kirdicn viel zu klein, um allen
Festteilnehmern Plah zu gewähren. Das gleiche war in Alt-Saarbrücken der
Fall. Während von St. Johann die Tone der neuen Glocken gewaltig über die
Stadt hinschallten, hatten die Plattform der Ludwigskirche in der Dämmerung
des Abends 16 Bläser unter Leitung des Obermusikmeistcrs Schulz erstiegen
und Hessen über die Häuser und Dächer der Stadt in gewaltigen Akkorden
das Lutherlied „Ein' feste Burg ist unser Gott** und „Nun danket alle Gott**
erschallen, überall öffneten sich die Türen und Fenster, und weit hinauf zu
den Höhen des Triller wurden die Menschen daran erinnert, dass heute des
herrlichsten Bekenntnisses zur Gewissens- und Glaubensfreiheit gedacht wurde,
das je einer auf deutschem Boden abgelegt hat. Von allen Seiten strömten die
Scharen der Feiernden herbei, so dass die weiten Räume der evangel. Kathe-
drale des Saargebiets, der Ludwigskirche, bald derartig überfüllt wurden, dass
133
leider viele wieder umkehren mussten. Alle Treppenstufen waren beseht und
die breiten zum Altar führenden Gänge angcfüllt mit solchen, die leider nur
noch einen Stehplatz erlangt hatten. Eine solche Fülle von Andächtigen hat
die Ludwigskirche wohl seit Jahrzehnten nicht gesehen. Die Feier nahm einen
erhebenden Verlauf. Jeder der Mitwirkenden tat sein Bestes, die Orgel unter
Lehrer Anschüi^, der Kirchenchor unter Lehrer Roller, das Saarbrücker Solo-
quartett für Kirchengesang (Frau Deesz, Frau Huppert, Herr Koetj und Herr
Köhl), der schon oben genannte Mädchenchor unter Frl. Anne Müller und die
drei rednerisch tätigen Pfarrer der Gemeinde. Der Inhalt der Feier war die
aufs feinste entworfene historische Darstellung der Vorgänge vor, bei und nach
dem Reichstag von Worms, die in dramatisdr-liturgische Form gebracht waren
und der Gemeinde aufs eindrucksvollste für Kopf und Herz die gewaltige Zeit
und die wunderbare Persönlichkeit des Glaubenshelden Luthers darstellten. Der
Höhepunkt der Feier war wohl der, als die ganze Gemeinde sich erhob und
unter Orgel- und Posaunenbegleitung den lebten Vers von „Ein’ feste BurgG
„Das Wort sie sollen lassen stahn“ sang. Innerlich ergriffen und erhoben ver-
liessen die Teilnehmer die Kirche. Mögen künftige Geschlechter, die diesen
Bericht lesen, daraus erkennen, wie viele freue deutsch-evangelischen Glaubens
innerhalb der Bürgerschaft Saarbrückens zu finden war und möge für die gegen-
wärtige Generation die Feier ein Ansporn zur Treue und Aufopferung für die
heilige Sache des Evangeliums gewesen sein/4
12. DAS VERHÄLTNIS ZU DER KATHOLISCHEN
KIRCHE UND DER EVANGELISCHE BUND
Das Verhältnis der evangelihhen Gemeinde zu der kafholiiehen
Kirche war bis zum Anfang der fünfziger Jahre, wie es Idieint, un-
getrübt. Doch die Ausheilung des heiligen Rockes in Trier durch
den Bifchof Arnoldi i. J. 1844 verlebte nicht nur katholiiehe, fondern
auch cvangelifche Kreife in Unruhe und liclj eine Verichärfung der
Gegenfäbe hervortreten.
Im Jahre 1851 legte das Saarbrücker Presbyterium gegen die Über-
gabe des Landarmenhaules in Trier an die Barmherzigen Sdiweltcrn
Verwahrung ein, da diele Anhalt auch aus den Mitteln der evange-
134
lifchen Bewohner des Regierungsbezirkes unterhalten werde. Beionders
aber wirkte der in jener Zeit entbrannte Miichehenftreit auf die
gegenseitige Stimmung der beiden Bekenntniffe ein. „Für beide Kirchen
find die Mifchehen ein Punkt, an dem fie fich als beionders verwundbar
erweifen; ergibt fich doch daraus faft ftets für die eine oder die andere
oder für beide ein innerer und nicht feiten ein äußerer Verlud,“ (Ulrich
Stut}.) Nadidem eine Zeitlang von der katholifchen Kirdre eine ver-
löhnliche Haltung in der Mifchehenfrage eingenommen worden war, ver-
langte der Bifdrof Arnoldi im Jahre 1853, dal} bei Mifchehen das
Verfprechen der katholifchen Kindererziehung eidlich abgegeben und die
Ehefchlieljung ohne vorheriges Aufgebot und ohne Einfegnung nicht
in der Kirche, fondern außerhalb derfelben, in der Sakriftei, vor fich
gehen follte. Daraufhin befehle!} das Presbyterium am 30. Juni 1853,
dal} der evangelifche Ehegatte, der das eidliche Gelöbnis der Erziehung
feiner Kinder in der römifch-katholifchen Kirche gebe, aus der evange-
lifchen Gemeinde ausgefchloffen werden folle. Die Beerdigung von
deutfch-katholifdren Bewohnern wurde im Jahre 1851 zugeftanden, die
Beerdigung von Katholiken aber nur, wenn fie ihre Kinder alle oder
teilweife in der evangelifchen Religion hatten erziehen laffen. Im Jahre
1853 wurde einem „gemifchten“ Brautpaar die evangelifche Trauung
verfagt, weil es fdion in der katholifchen Kirche getraut war.
Im Jahre 1854 wurde von den evangelifchen Anverwandten eines
verdorbenen Katholiken der Antrag an das evangelifche Pfarramt
geftellt, die Beerdigung des Verdorbenen zu übernehmen, da die ka-
tholifche Geidlichkeit das kirchlidie Begräbnis verweigert hatte, weil
er die Sterbefakramente nicht empfangen hatte. Das Presbyterium ge-
währte diefe Bitte mit Rückficht auf den § 125 der Bcfchlüffe der
Provinzialfynodc vom Jahre 1847, da der Verdorbene in gemachter Ehe
gelebt habe, feine Vcrwandtfchaft evangelifch fei und er ftets einen
unbefchollenen Lebenswandel geführt habe.
Im Jahre 1856 wurde darüber geklagt, dal} eine evangelifche Jung-
frau aus der Gemeinde bei ihrer Verheiratung mit einem katholifchen
135
Mann das Aufgebot und die Trauung in ihrer Kirche nicht begehrt
habe, woraus iich entnehmen laffe, dal? fie dem katholifchen Geiftlichen
das eidliche Verfprechen gegeben habe, alle aus diefer Ehe entfpriel?enden
Kinder katholifch erziehen zu Taffen, jedenfalls aber Verachtung gegen
die Kirche, in der fie geboren und erzogen fei, an den Tag gelegt
habe. Das Presbyterium beichlol?, die Frau vom Abendmahl und der
Übernahme einer Patenftclle zurückzuweifen, bis fie entfeheidende Be-
weife von Reue gegeben habe, und den Fall öffentlich vor der Gemeinde
bekannt zu machen. Ein zweiter derartiger Fall wurde im Jahre 1857
der Gemeinde von der Kanzel aus mitgeleilt, im folgenden Jahre zwei
cvangclifchc Frauen, die in der katholifchen Kirche fich haften trauen
laffen, von der Kanzel aus exkommuniziert, desgleichen ein Mann, der
fich bei der Ehefchliel?ung ebenfo verhalten hatte.
Im Jahre 1857 wurden 31 Kinder aus gemachten Ehen geboren, von
denen 20 evangelifeh und 11 katholifch getauft wurden. Bei den erfteren
waren 9 Väter und 11 Mütter katholifch, bei den leideren 4 Väter und
7 Mütter evangelifeh. Im Jahre 1863 befchwcrte fich der Hofpital-
geiftliche über viertägiges gemeinfchaftliches Litaneibeten von oppofitio-
nellem Charakter von Seiten der katholifchen Kranken. Das Presby-
terium betonte den evangelifchen Charakter des Hofpitals und befehle!?,
das betr. Protokoll der Kreisfynode einzufdiieken.
Im Jahre 1868 befchwertc fich das Presbyterium bei der Kgl. Regierung,
dal? die katholifche Gemeinde St. Johann durdi Böllcrfchüffe während
der Fronleichnamsprozeffion den evangelifchen Gottesdicnft gehört habe,
und forderte die evangelifche Gemeinde St. Johann auf, diefc Be-
fchwerde zu unterftühen.
Im Jahre 1875 befehle!? die größere Gemeindevertretung, ein Gefuch
an das Kultusminifterium zu richten mit der Forderung, dal? vor der
Einführung von Simultanfchulen der evangelifche Kirchenvorftand ge-
136
höjt werde. Eine Abichrifl diefes Belchluifes follte der Sladtverord-
ncten-Verfammlung von Saarbrücken mitgeteilt werden.
Im Jahre 1876 wurde befchloffen, dalj von gemilchten Brautpaaren
fortan nur noch ein mündliches Verfprechen über die cvangelifche
Kindererziehung verlangt werde.
Im Jahre 1883 wurde ein Verzeichnis der gemilchten Ehen autgeftellt
und befchlolfen, dafi künftig für jede Presbyterialh^ung die gemilchten
Ehen einen flehenden Gegcnftand der Verhandlung bilden folltenT damit
jedes Mitglied des Presbyteriums dadurch veranlagt werde, feine Er-
fahrungen nnd Beobachtungen über diefen Punkt milzuteilen.
In den Jahren 1907 und 1908 wurde wiederholt von dem Presby-
terium ßefdiwerde über die Ausdehnung der Fronleichnamsprozeffion
auf die der katholifchcn Kirche benachbarten Strafen erhoben.
Im Jahre 1894 legte das Presbyterium Verwahrung ein gegen die
Beauffichtigung der evangelifchen Volksfchulen durch einen katholifchcn
Schulrat.
Im Jahre 1896 trat das Presbyterium dem Befchluh der Synode
Kreuznadi bei, dalj alljährlich von der Kanzel eine Bekanntmachung
über die geichloffenen Mifchehen und die religiöfc Erziehung der aus
diefer Ehe hervorgegangenen Kinder erlaffen werde.
Im Jahre 1903 befchloh das Presbyterium, durch die Kreislynode die
Generalfynode zu erfuchen, mit allen ihr zu Gebote flehenden Mitteln
dahin zu wirken, dafi der § 2 des Jefuitengefehes (der die Nicderlaffung
von Jefuiten in Dcutfchland verbot) nicht aufgehoben werde, „damit nicht
in unter von politifchen und konfellionellen Kämpfen ohnehin fo zer-
riffenes Volk durch das Eindringen diefer gelchworenen Feinde der
evangelifchen Kirche und des deutfehen Reiches, diefer von der Ge-
fchichte gebrandmarkten Störer des konfellionellen Friedens und der
Einigkeit der Völker, ein neues Moment des Haders und des Zwiftes
eingeführt werde.“
137
Im Jahre 1886 wurde der evangelifche Bund zur Wahrung der
deutfch-proteftantifchen Intereifen und zur Abwehr römilch-kalholifcher
Übergriffe mit dem Siffe in Berlin, gegründet, der bald zahlreiche Zweig-
vereine umfaßte» Auch in Saarbrücken wurde im Jahre 1888 auf An-
regung des Pfarrers D. Hackenberg ein Zweigverein des Bundes
gegründet.
Am 6., 7. und 8. Juli 1902 fand die 15, Provinzialverfammlung des
Rheinifchen Hauptvereins des evangelifchen Bundes in Saarbrücken
ftatt. Die Saargruppe des Bundes gab ein Feftbuch heraus, das einen
von Frl. Alwine Lenhe verfaßten Willkommensgruh und einen mit
fchönen Anfichten ausgeftattetcn Führer durdi die Saarftädte enthielt.
Unter den Vorträgen war befonders bemerkenswert die Rede des
Pfarrers Jalho aus Bonn, der die Frage beantwortete: „Was kann
und foll uns mit unferen katholifchen Mitbürgern verbinden?“ und die
fcharfe konfeffionelle Trennung auf allen Gebieten bedauerte. Auch der
Verfitzende des Rheinifchen Hauptvereins, Pfarrer D. Hackenberg, fprach
verföhnüche Worte: „über den Sonderinlereffen, die ja auch ihre Be-
rechtigung haben, wollen wir nicht vergeffen, dah wir alle Kinder einer
Mutter find.“
Vom 3. bis 7. Oktober 1912 wurde die 25. Generalverfammlung des evan-
gelifchen Bundes in Saarbrücken abgehalten. Der Zweigverein des
evangelifchen Bundes Saarbrücken bot durch eine mit Anfiditen aus
Saarbrücken und Umgebung fchön ausgeftattetc Fcftfchrift den aus-
wärtigen Gäften zunächft einen dichtcrifchen Willkommensgrulj, den
Frl. Luifc Zenker verfaßt hatte. Dann folgten die Bilder des Präfidiums
des evangelifchen Bundes, der Verfilmenden des Rheinifchen Haupt-
vereins und der Fcftredner, die Feftordnung, ein Überblick über die
Gefchichte der Stadt Saarbrücken von Prof. Ruppersberg, zwei Ab-
handlungen über das Stift St. Arnual und die Einführung der Re-
formation in den Saarbrücker Landen von Rektor Jungk, „drei Ruhmes-
blätter aus Saarbrückens Gefchichte“ von Prof. Ruppersberg, „Barocke
Kunft in Saarbrücken“ von Karl Lohmcyer, „Aus dem Kriegsjahr
138
1870/71“ von Proi. Ruppersberg, „Das Saargebiet und feine ertrags-
wirtfchaftliche Lebensfrage“ von Dr. Alexander Tille und endlich ein
Führer durch Saarbrücken von Apotheker Wilhelm Beck.
Das Feft nahm unter erfreulicher Teilnahme der evangelifchen Be-
völkerung von Saarbrücken und Umgebung einen glänzenden Verlauf.
Die Feier begann am 3. Oktober mit einem von Friedrich Anfchüts
geleiteten Kirdrenkonzert. Es folgten am nächften Tage Sitzungen
des Gefamtvorftandes, der Studentenvereinigung „Wartburgbund“ und
der Abgeordneten; abends war Eröffnungsgotlesdienft in der Johannis-
kirche, bei dem Pfarrer Kremers aus Bonn (früher in Malftatt) die
Feftpredigt hielt. Dann folgte unter Leitung von Pfarrer Becker die
Begrü^ungsverfammlung im Saalbau. Am Samstag den 5, Oktober
fand die Mitgliederveriammlung im Saalbau unter Leitung von Lic.
Everling und eine evangelilche Volksverfammlung in der Markthalle
unter Leitung des Oberealfchuldircktors Dr. Maurer ftatt. Unter
den FVitrednern fehlte leider der allvcrehrte Pfarrer D. Hackenberg,
der fdiwerkrank in Nauheim weilte und nur einen Grulj fchicken konnte*).
Am folgenden Sonntag fanden in 5 Kirchen der Stadt Saarbrücken
und in Neunkirchen Feftgottesdienfte ftatt, dann die Hauplverfammlung
im Saalbau und eine Feier im Ehrental, fowie 5 evangeliiehe Volks-
verfammlungen, endlich am Montag den 7. Oktober eine gemeinfame
Fahrt nach Mctj zum Befuch der Schlachtfelder. Die bei diefem Keft
gehaltenen Reden und Vorträge find im Druck crfchienen. (Berlin,
Verlag des evangelifchen Bundes 1912.)
Der Saarbrücker Zweigvercin des evangelifchen Bundes hat dank befonders
der Tätigkeit der Pfarrer Ebcling, Uhrmacher-St. Arnual und Heinz in
monatlichen Vcrfammlungen durch Vorträge das Intereffe für die evan-
geiifche Sache wach gehalten. Die gemeinfame Not des Weltkrieges
hat in erfreulicher Weife die konfeffioncllen Gegenfähe gemildert.
*) Hackenberg ¡ft bald nachher in feinem Pfarrdorf Hottenbach auf dem Hunsrück
geftorben. An feiner Beerdigung nahmen zwei Mitglieder des Saarbrücker Pres-
byteriums teil.
139
13. DAS VERHÄLTNIS DER KIRCHEN GEMEIN DE
ZU DER BÜRGERLICHEN STADTGEMEINDE
SAARBRÜCKEN
Im Jahre 1839 bezahlte die bürgerliche Gemeinde Saarbrücken unter
Genehmigung der Kgl. Regierung an die evangehiche Kirchengemeindc
die Summe von 8200 Talern zur Ablöfung ihrer bisherigen Leiitung
und zwar:
1. Gehalt für den erften Pfarrer
(einfchl. 31 Taler 15 Sgr. Holzgeld) 101 Taler 15 Sgr.
2. Gehalt iür den zweiten Pfarrer
(einfchl. 15 Taler 22 Sgr. 6 Pf. Holzgeld) 145 Taler 22 Sgr. 6 Pf.
3. für den dritten Pfarrer Holzgeld 31 Taler 15 Sgr.
ferner für die Küftcr und Glöckner:
4. an der Ludwigskirche...................26 1 aler
5. an der Sdilo^kirche ................... 6 Taler 20 Sgr.
Zufammen 311 Taler 12 Sgr. 6 Pf.
Der diele (kapitalifierte) Summe überfchreitende Betrag follte zu fonftigen
kirchlidien Bedürfniflen und namentlich zur Unterhaltung der Ludwigs-
kirche verwendet werden.
Bei der Kirchenvilitation im Jahre 1880 konnte die Verwendung des
überfdiicljcndcn Teiles des Kapitals nicht im einzelnen nachgewiefen
werden. Das Presbyterium verpflichtete lieh damals, in 9 Jahren die
Summe von 8200 I alern wiederanzulammcln. Das Konliitorium ge-
nehmigte diefen Befchlul^ mit der Beitimmung, daf> dem Pfarrdoiations-
fonds in Zukunft ein Kapital zugefchrieben werde, welches dem Jahres-
zinfenbetrage von 278 Talern 22 Sgr. und 6 Pf. entfpreche.
Der Streit über das Befi^recht am Ludwigsplal? wurde im Jahre 1885
von dem Landgericht Saarbrücken zu Guniten der Kirchengemeinde
entfehieden.
140
Die Kirchenuhren find Eigentum der feit dem Jahre 1909 vereinigten
Stadt Saarbrücken und werden von ihr unterhalten.
Die Stadt hat die Einziehung der Kirchenfteuern gegen eine Gebühr
von 2%, feit 1923 8% der Steuerfumme übernommen,
14. DAS VERHÄLTNIS
DER GEMEINDE ZUM STIFT ST. ARNUAL
Es ¡ft zu Anfang erzählt worden, dalj St. Arnual die Mutterkirche der
Saarbrücker Gegend war, und daij Saarbrücken urfprünglich eine Stifts-
pfarrei war. Durch die Auflöfung des Stiftes i. J. 1569 ging das
Patronat der Pfarrei Saarbrücken auf den Landesherrn über, der auch
über die Güter des Stifts verfügte.
Nach der Einführung der Reformation wurde i. J. 1576 das Einkommen
der meiften Pfarrer aufgebeffert. Saarbrücken wird in der betreffenden
Aufhellung nicht erwähnt, woraus man fchlieljcn kann, da^ das Ein-
kommen des Pfarrers als ausreichend angefehen wurde. Da die Pfarr-
häufer faft überall baufällig waren und ihre Wiederherftellung für die
einzelnen Gemeinden zu fchwer erfchien, fo hielt man für gut, alle Fa-
briken (Baukaffen) der Graffchaft in ein „Corpus“ zufammenzuziehen,
aus dem die Baukohen befinden werden follten. Im Jahre 1601 wurde
das Sondervermögen der einzelnen Gemeinden in der Generalkirdien-
fchaffnei vereinigt und deren Verwaltung dem Stift St. Arnual übertragen.
Die Generalkirchenfchaffnei vereinnahmte fämtliche Geld- und Natural-
einkünfte der verbundenen Kirchen und Kapellen.
Da das Stift den Zehnten in Saarbrücken erhob, fo war es zur Be-
foldung der Pfarrer verpflichtet, die in Bargeld, Frudit, Heu und Grummet,
auch Fifdicn, Hühnern und freier Wohnung behänd. Dazu kamen
die Kafualien d. h. die Einkünfte von Amtshandlungen. Außerdem
141
hatte der Pfarrer anfangs noch Einkünfte von den Bruderfchaften
St. Nikolaus und St. Georg. Durch die franzöfifche Revolution wurden die
Zehnten aufgehoben und den Geiftlidien ein Staatsgehalt bewilligt.
Die folgende von Köllner mitgeteilte Tabelle zeigt die Einkünfte der
Pfarrer zu verfchiedenen Zeiten:
1581
Herr Johann Rüdinger
An Geld................40 Gulden
Weizen.................20 Malter
Korn...................20 „
Hafer..................20 „
Sein Teil Wieswachs zu St. Arnual.
Fitchc . . . Karpfen 50 Stück
Kapaunen 24, Hühner 20 = 44 „
Anno 1600 von St. Georg
und St. Niclas . 14 Gulden 25 Albus
1569
Die Pfarrftelle
An Geld ...... 40 Gulden
Weizen ....... 20 Malter
Korn ....... 20 „
Hafer................20 „
'h vom Heu im Brüel.
1h vom Grummet1).
Fifchc.
Hühner.
Kleiner Zehnt. Kafualicn. Wohnung.
L Pfarrer und Superintendent 1765 II. Pfarrer
Gulden Albus Gulden Albus
Geldbcfoldung ..... 430 - Geldbefoldung ..... 155 -
Wegen der Schulinfpektion . 100 - Die Hälfte d. kleinen Saarb. Zehnt 32 15
Weizen lOMalteräö^/sGuld. j Weizen 4 Malter j
Korn 21 „ ä6 Guld. | 356 - Korn 21 „ 212 10
Hater 17 „ ¿3 Guld. I Hafer 15 „
Gerfte 12 „ a 42/s Guld. ' Gerfte 4 „
Wiefen zu Arnual 22 Morg. 110 - Wiel. 253, + M. zu 30 Mill.äöVzG. 187 —
3 Gärten . _ — Gärten 3i4 Mrg. zu Saarbrücken 4 20
Wohnung gcfchäijt auf . . 20 - Grumm.z.Arnual ISMill.aSGG. 78 22
50 Klafter Holz v. d. Stadt 60 - 20 Klafter Holz frei ä 21U G. 46 20
Kafualien und Freiheiten Wohnung, Kafualicn, Freiheiten
zufammen 1076 — zufammen 717 12
■) Es waren 7 Stiftspfarrer, unter welche die vormaligen Pfründen-Güter verteilt
wurden.
142
I. Pfarritelle zu Saarbrücken 1793.
Geldbefoldung .... 296 Gulden
Weizen 8 Quarta 8 Gulden 64 „
Korn 54 „ a 6 Gulden 324 „
Gerftc 8 „ a 5 Gulden 40 „
zufammen . . .
Hafer 30 Quart aS1/* Gulden 75 Gulden
Holz 18 Klafter a 6 Gulden 108 Gulden
Wohnung ..... 120 Gulden
Wiefen 11 */4 Morgen . - 168 Gulden
. 1095 Gulden.
Staatsgehalt vom Gouvernement. 1. Oktober 1805.
I. Pfarrer und Konfiftorialprafident. 1!. Pfarrer.
Staatsgehalt als Kon.-Präf. 1500 Fr. Staatsgehalt ..... 1000 Fr.
Infp.-Gehalt aus dem Stift 500 „ Wiefen zu St. Arnual 111 *
Wiefen und Garten zu Saar- 1 Morgen 400 „
brücken 1 '/s Morgen 450 „ Amtswohnung ..... 150
Stiftswicfenzu Arnual 13 Mg. ) Kafualien ...... 250 „
Holz von der Stadt, 12 Klftr. 120 „
Amtswohnung gefchätjt auf 150 „
Kafualien ...... 280 „
zufammen , 3000 Fr. zufammen 1800 Fr.
Die verwickelten Rechtsverhaltniffe des Stifts und feine Verpflichtungen
fowohl gegen die früheren Shftsgemeinden wie gegen die anderen
Gralfdiaftsgcmeindcn find in der neuften Zeit Gcgenftand eines lang-
wierigen Rechtsftrcites geworden, der ¡m Jahre 1889 von der evangelifchen
Kirchengemeinde St. Johann gegen dieStiftsverwaltung angeltrengt wurde.
Diele Verhältnilfe hat zuerlt Adolf Kellner in feiner im Jahre 1865
erfchicnenen Geldiichte der Städte Saarbrücken und St, Johann II.
S.392 ff. und dann im Jahre 1883 der Stiftsarchivar und Pfarrer zu
Saarbrücken W. T. Engel dargeftellt (Hdfdir.). Infolge des Rechtsftrcites
erlchicnen die Schriften von Juftizrat Dr. Muth, dem Rechtsanwalt der
Gemeinde St. Johann: „Das Kollegiatftift St. Arnual, die General-
kirdienfdiaffnei der Graffchaft Saarbrücken und die Bruderfchaftsgüter
der Ortskirche St. Johann“. St. Johann a. d. Saar 1904 und „Das
evangelifche Stift St. Arnual in Saarbrücken, lokalkirchliches Eigen-
tum der evangelifch - lutherifchcn Kirchengemeinden der ehemaligen
Graffchaft Saarbrücken“ Strasburg 1908. Demgegenüber vertrat der
143
Konfiftorialrat Dr. jur. Du Mcsnil das Intereffe des Stifts in feinem
Buche „Das Stift St. Arnual in Saarbrücken in feiner Rechtsent-
wicklung“. Bonn 1911. Das Verhältnis der Gemeinde Saarbrücken
zu dem Stift wurde durch diefen Rechtsftreit nur in fofern berührt,
als auch unfere Gemeinde jet^i ihre Anfprüdie an das Stift geltend
machte, Dicfer Rechtsftreit nahm folgenden Verlauf:
Die evangelifche Kirchengemeinde St. Johann verlangte i. J. 1889 von
dem Stift St, Arnual die Herausgabe der Grundftücke, die der Ge-
meinde St. Johann gehörten. Das Landgericht zu Saarbrücken fpradi
im Jahre 18^6 der Gemeinde das Eigentumsrecht zu. Das Stift legte Be-
rufung an das Oberlandesgericht Köln ein, und diefer Gerichtshof erkannte
i. J. 1903 der Gemeinde nur das nackte Eigentumsrecht zu. Nun legte
die Gemeinde Berufung an das Reichsgcridit ein, und diefer hödifte Ge-
richtshof des Rcidis verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung an
den fünften Senat des Obcrlandesgerichtes zurück. Diefer erklärte im
Jahre 1906, die Gemeinde fei völlige Eigentümerin der ftreitigen Grund-
ftücke, und das Stift müffe der Gemeinde alle feit 30 Jahren vor Er-
hebung der Widerklage von dem Stift aus dem Verkauf von Grund-
ftücken gewonnenen Erlöfe nebft 5% Zinfen bis zum Ende des Jahres
1899 und 4% Zinfen vom 1. Januar 1900 ab zahlten. Auf die vom
Stift eingelegte Revifion erkannte das Reichsgericht i. J. 1907 das
Stift fchuldig zur Rechnungslegung und zur Rückzahlung des Wertes
der verkauften Grundftücke nebft Zinfen feit der Zeit des Verkaufs.
Diefer Prozeß bewog die Gemeinde Saarbrücken, ebenfalls ihr Eigen-
tumsrecht an ihren Grundftücken geltend zu machen. Im Jahre 1885
hatte die Stiftsverwaltung bereits der Gemeinde den aus verkauftem
Pfarrdotalgut herrührenden Betrag von 1218 Mk. ausbezahlt. In dem-
felben Jahre hatte das Stift auf die nuda proprietas {das blo^e Eigen-
tumsrecht) an den zur Pfarrdolation gehörenden Grundftücken ver-
zichtet. Das Presbyterium hatte diefen Verzicht unter der Bedingung
angenommen, da^ das Stift auch in Zukunft die Steuern für die be-
treffenden Grundftücke zahle und alle auf ihnen ruhenden Laften trage.
144
im Jahre 1896 verlangte das Presbyterium, daß die der Gemeinde ge-
hörenden Grundftücke nidit auf den Namen des Stifts in das Grund-
buch eingetragen, fondern der Gemeinde zurückgegeben würden, falls
der erwähnte Prozess für St. Johann günftig entfehieden würde. Der
Verwaltungsrat des Stifts gab fdiließlich die Zulage der Rückeiftattung
oder der Zahlung des Kaufpreifes auch für die auf dem St. Johanner,
Malftatter und St. Arnualer Bann gelegenen Güter. Im Jahre 1907
überwies die Stiftsverwaltung 14 Grundftücke an die Gemeinde. Das
Presbyterium nahm diefe Zuwendung an, behielt fich aber alle weiteren
Redite vor. Schließlich erklärte fidr die Gemeindevertretung i. J, 1913
mit einer Abfindung im Betrage von 70000 Mk. einveiflanden.
15. DER KIRCHENCHOR
Der evangelifche Kirdienchor wurde am 15. Juli des Jahres 1876
gegründet. Er verfolgt das Ziel, nicht nur den Gotlesdienft bei feftlichen
Gelegenheiten durch feinen Gefang feierlicher zu gehalten, fondern
auch durch Darbietung guter Kirchenmufik auf weite Krcife veredelnd
zu wirken. Die Ludwigskirdie bietet dafür den geeigneten Raum.
Der Verein befteht aus aktiven und inaktiven Mitgliedern. Nur die
letzteren bezahlten anfangs einen Beitrag von 3 M. Die erften Mit-
glieder waren Chrihian Pfeiffer, Heinridi Pabft, Heinrich Hofmann,
Jakob Scheffner, Karl Piß, Friedrich Maurer, Heinrich Friedrich, Emilie
Marfchall, Johanna Zix, Fanny und Eliiabeth Schmidtborn und Johanna
Dettweiler.
Den Vorfiß führte zuerft der Sanitätsrat Dr. Schmidtborn. Die Leitung
des Chors hatte anfangs Lehrer Heydt, dann der Gewerbcfchullchrer
Giefe. Schriftführer war H. Pabft.
Am 8. Auguft 1880 wirkte der Kirchenchor bei der Einweihung des
neuen Ralhausfaales in Alt-Saarbrücken mit. Im Jahre 1882 faßte
das Presbyterium folgenden Befchluß:
i0 Geidikhte der ev. Gemeinde Alt-Saarblüdcen
145
„Es gereicht dem Presbyterium zur Freude, dem Kirchenchor unter dem
Vorfift des Herrn Dr. Schmidtborn hierdurch herzlich dafür danken zu
können, dalj derfelbe feit einer Reihe von Jahren durch feine erbaulichen
Gefangsvorträge die Feier unferer Gottesdienfte gehoben und vor
kurzem ein mit allgemeinem Beifall aufgenommenes Kirchenkonzert
zum Beften des evangelifchen Siechenhaufes abgehalten hat. Zugleich
fühlt fich das Presbyterium gedrungent dem leider bald von hier
fdieidenden Dirigenten Herrn Giefe für feine gewandte, forgfältige
und fo erfolgreiche Leitung den wärmften Dank abzuftatten.“ Nach
Giefe hat der Lehrer und Organift Adolf Weil 25 Jahre lang den
Kirchenchor geleitet. Der Chor zählte im Jahre 1882 71 aktive und
102 inaktive Mitglieder. Er veranftaltete alljährlidi ein Kirchenkonzert
und wirkte an P'efitagen beim Gottesdienfte mit, im Jahre 1891 auch
bei der Vcrfammlung des Hauptvereins des Guftav-Adolf-Vereins und
bei dem Lutherfeftfpiel. Die überfdiüffe des Ertrages der Konzerte
wurden zu Weihnachtsbeicherungen für die Waifenkinder und andere
Bedürftige verwendet. Im Jahre 1901 wurde ein Klavier für 800 M. ge-
kauft. Die Kirchenkaffe fpendetc 400 M. zur Unterftühung des Chors,
Den Vorfih führte von 1895—1904 Pfarrer Fenner, von 1904—1913
Pfarrer Ebeling, 1913—1914 Pfarrer Becker, 1914—1918 Pfarrer
Dr. Meinecke, 1918—1923 Fabrikbefitjer und Kirchmeifter Bernhard
Seibert, feit 1923 Kaulmann Ernft Köhl. Von größeren Werken
wurde unter Weils Leitung der erfte Teil des Oratoriums „Paulus“
von Mendelsfohn, „Der Tod Jefu“ von Graun, die „Matthäuspaffion“
von J. S. Bach, das Paffionsoratorium „Judas Ifcharioth“ von Rudnick
(mit der Kapelle des 70. Infanterie-Regiments), das Oratorium „Der
verlorene Sohn“ von Rudnick und zur Lutherfeier das Oratorium von
Stein aufgeführt. Am 11. und 12. Juli 1897 wuide das Jahresfeft
des rheinifchcn Kirchenchorverbandes in Saarbrücken abgehalten und bei
diefer Feier das Haydnfche Oratorium „Die Sdiöpfung“ in der Ludwigs-
kirche zu Gehör gebracht. Die Gefelligkeit pflegte der Kirchenchor
durch Familienabende und Ausflüge. An den Familienabenden des
Chors wurden ernfte und heitere Gcfänge geboten, auch belehrende
146
Vorfrage gehalten; io fprach Pfarrer Klein am 200jährigen Todestag,
Philipp Jakob Speners über dielen für die evangelifchc Kirche
bedeutenden Mann und Pfarrer Radecke auf einem ipäteren Abend
über das deutfche Lied. Pfarrer Ebeling hielt öfters feffelnde Anlprachen.
Aut einem diefer Gemeindeabende wurden als Grundftock für den
Gemeindehausbau die erften 10 Mark gefpendet. Im Frühjahr oder
Sommer wurde gewöhnlich ein fröhlicher Ausflug in die fchöne Um-
gebung von Saarbrücken unternommen und durch Liedervorträge belebt.
An der beier des 300 jährigen Geburtstages von Paul Gerhard im
Jahre 1907 nahm der Kirdiendior gebührenden Anteil. Weils Nachfolger
Friedr. Anfchüh pflegte befonders Bach’fdie Mufik und eröffnete feine
Dirigententäfigkeit mit der Aufführung des Weihnachtsoratoriums von
J. S. Bach. Im folgenden Jahre wurden am Bulj- und Bettage BachTche
Kantaten unter Zuziehung von auswärtigen Soliften gelungen. Auch
bei der Feier der Wiedereröffnung der Schloljkirche und der Ludwigs-
kirche und bei der Lutherfeier des evangelifdien Bundes (1908 und 1909)
wirkte der Kirdiendior mit. Im Jahre 1912 hafte der Kirchendror die
Freude, da^ die Tagung des Verbandes der rheinifchen evangelifdien
Kirdrengefangvereine am 7. und 8. Juli in Saarbrücken abgehalten wurde.
Bei der Feier im Ehrental hielt Superintendent Klingemann aus Elfen
eine zu Herzen gehende Gedächtnisrede; dann folgte ein Feftgottesdienfi
und eine geiftlidre Mufikaulführung, bei der BadTfdie Kantaten vor-
getragen wurden. Abends fand eine Feftverfammlung ftatt, in der
Pfarrer Menzel aus Langenlonsheim über das Thema „Die evangelifche
Gemeinde in Johann Sebaftian Bachs Schuld“ fprach. Auch die 25.
Generalvcrfammlung des evangelifdien Bundes im Oktober desfelben
Jahres eröffnete der Chor durch ein Kirchenkonzert. Der Kaffenüber-
fchulj im Betrag von 800 M. wurde als Grundftock für die Anfdiaffung
eines Flügels angelegt.
Durch den Ausbruch des Weltkrieges im Auguft 1914 wurde auch
die Tätigkeit des Kirchenchors fchwer getroffen. Vier Vorftandsmitglieder
und drei andere Mitglieder wurden zum Heeresdienft einberufen. Die
147
Zurückbleibendcn wirkten in den befonderen Kricgsgottcsdienften mit;
zur Weihnachtszeit wurden Liebesgaben in Feldpofipaketcn an die im
Felde Stehenden gefandt, brauen und Mäddien verfertigten warmes
Unterzeug für die Krieger. Am 20. Dezember 1914 wurde eine
Weihnachtsfeier für 61 verwundete Krieger veranftaltct; namhafte Summen
konnten für wohltätige Zwecke verwendet werden. An der Weihnachts-
feier im Jahre 1915 nahmen wieder 50 verwundete Krieger teil.
Im Jahre 1918 legte Anfdiüb fein Amt als Dirigent nieder; an feine
Stelle trat der Gefanglehrer der Augufie-Viktoria-Schule, Karl Hogrebe.
Am Bulj- und Beitag 1919 konnte wieder ein Kirdrcnkonzert mit
auswärtigen Soliften veranftaltet werden. Leider wurde Hogrebe, der
durch feine büchligkeit den Chor wohl auf eine grolle Höhe gebracht
hätte, wegen Betätigung feiner deutfehen Gefinnung von der franzöfifchen
Militärbehörde ausgewiefen. Er wurde dafür durch eine ehrenvolle
Berufung als Univerfitäts-Mufikdircktor nadi Göttingen entfehädigt.
Sein Nachfolger wurde Lehrer Adolf Roller, unter deffen zielbewulpter
Leitung der Chor fich gedeihlich weiter entwickelte. Am 1., 8. und 15.
Oktober 1922 nahm der Kirdrendior an der Überführung und Weihe
der neuen Glocken für die Schloljkirdie und Ludwigskirche teil.
Am Karfreitag 1923 wurde die Gedenktafel für die im Weltkriege
gefallenen Mitglieder des Kirdienchors eingeweiht, die der Bildhauer
Max Schönherr nach dem Entwurf des Chormitgliedes Karl Haufer
unentgeftlidi aus dem Holz des Glockenftuhls der Ludwigskirche ver-
fertigt hatte. Sic wurde in diefer Kirche am Aufgang zu der Orgel-
bühne, dem Standort des Kirchendiors, aufgehängt und enthält folgende
Namen: Karl Lautcrbach
Johannes Grobe
Otto Kirfch
Hermann Kodr
Albert Wagner
So hatte die von der Gemeinde am 3. Auguft 1924 zum Gedächtnis
der Weitkriegsopfer veranftaltete Feier für den Kirchenchor eine befondere
148
Bedeutung* Der Chor gab der allgemeinen Stimmung Ausdruck durch
die Gefänge „Wie find die Helden gefallen“ und „Die ihr Blut und
Leib und Leben für uns habt dahingegeben“. Am 21. Oktober 1923
ftarb der erfte Verfitzende und zugleich der Wohltäter des Kirchenchors,
der Kirchmeifter der Gemeinde, Fabrikbefitzer Bernhard Seibert. Bei
der Trauerfeier in der Ludwigskirche fang der Kirchenchor zu Ehren des
Verdorbenen die Motette: „Die richtig vor fich gewandelt haben, kommen
zum Frieden“, brau Seibert überwies dem Kirdiendior 1000 Franken,
die mit der für die Anfchaffung eines Flügels beftimmten Summe von
1500 Fr. zu einer Bernhard-Seibert-Stiftung vereinigt wurden. An
Seiberts Stelle wurde der bisherige zweite Vorfihende Ern ft Kohl,
der fich in diefer Stellung um den Kirdiendior grobe Verdienfte erworben
hatte, zum erften Vorfitzenden gewählt. Da das Bulj" und Beltags-
konzert einen Reinertrag von 2159 Franken erbracht hatte, fo ergab
fich, da die Gemeinde für die laufenden Bcdürfniffe des Chors jährlich
1500 Franken fpendet, am Ende des Jahres 1923 ein Kaffenüberfdiulj
von 3288 Franken. Von diefer Summe wurden 500 Franken für den
Gemeindchausbau, die gleiche Summe für das notleidende Diakoniffen-
haus Kaiferswerth und 1500 Franken für den Flügelftock beftimmt.
Am Sonntag Cantate 1924 wirkte der Chor bei der 400 jährigen
Jubelfeier des evangelifchen Kirchenliedes und am 19. Oktober bei
den 25 jährigen Jubiläen der Pfarrer Klein und EbeHng mit. So hat
der Kirdiendior faft ein halbes Jahrhundert lang das kirchliche
Gemeindeleben verfchöncrt.
16. DER WELTKRIEG UND SEINE FOLGEN
Bald nadi der Kriegserklärung, am 5. Auguft 1914, wurde der von
der königlichen Regierung ungeordnete Landes-Bu^- und Betlag
abgehalten. Diefer Tag, den die Einwohner der deutfehen Grenz-
mark tiefbewegt begingen, erhielt eine befondere Bedeutung durch die
149
Anwefenheit des deutfdren und preuhifchen Kronprinzen Wilhelm, der
an dem Hauptgottesdicnft in der Ludwigskirdic teilnahm. Der Landrat
von Miguel hatte das Presbyterium gebeten, für den hohen Gaft den
Fürftenftuhl frei zu halten. Bei der Ankunft des Kronprinzen erhob
fich die ganze Gemeinde ehrerbietig und freudig bewegt. Dann ftimmte
iie das alte Sdiufr- und Truhlicd „Ein' fefte Burg ift unfer Gott“ an.
Beim Beginn der dritten Strophe „Und wenn die Welt voll Teufel
war’“ erhob fidi der Kronprinz und dann die ganze Gemeinde, und
der Choral braufte wie ein Kampf- und Siegeslied durch das weite
Gotteshaus, das an 2000 Andächtige füllten. Darauf predigte Pfarrer
Ebeling über Pfalm 91, Vers 1 und 2, „Wer unter dem Sdiirm des
Höchften sihet und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibet, der
fpridit zu dem Herrn; Meine Zuverficht und meine Burg, mein Gott,
auf den ich hoffe.“ Der Prediger führte den Gedanken aus, dalj der
Krieg fchwere Opfer von dem deutfdien Volke fordern werde, dalj er
aber im Vertrauen auf Gott als ein Verteidigungskrieg gegen Deutfch-
lands Feinde geführt werden müffc. Er rief Segenswünfche den aus-
ziehenden Kriegern zu und fpendete Troft den zurückbleibenden Alten,
Frauen und Kindern.
Der Wehkrieg hat auch der evangelifchen Gemeinde die ichmcrzlichffen
Verlufte gebracht. Gleich unter den erften Todesopfern war der Schwieger -
fohn eines Pfarrers und der Sohn eines Presbyters. Bis zum Anfang März
1915 waren fchon 25 Offiziere und Soldaten aus der Gemeinde gefallen.
Der Gefamtverluft der Gemeinde belief fidi auf ungefähr 400 Männer.
Ihr Andenken foll in der Ludwigskirche in würdiger Weife bewahrt werden.
Zur Tröftung und Stärkung der Zurückgebliebenen wurden Kriegs-
andaditen gehalten, die befonders anfangs ftark befudit wurden. Unter
die bedürftigen Gcmeindeglieder wurden Unterführungen verteilt, Frauen
und Jungfrauen halfen Tag und Nacht am Bahnhol bei der Ver-
pflegung der durchziehenden Truppen, der Gemeindcpfleger Trojandt
leitete eine Sanitätskolonne, die fich der verwundeten Krieger annahm;
in der Nähfchule wurde für die „Feldgrauen“ genäht und gcftrickt; zu
150
Weihnachten wurden Liebesgaben an die im beide behenden Krieger
gefandt. Obwohl mden Kircheniteuern mancher Ausfall entband, konnten
die verfügbaren Geldmittel der Gemeinde in Kriegsanleihe angelegt
werden; die kirchlichen Gebäude wurden gegen Flicgcrfchäden verfichert.
Wegen des Mangels an Metall wurden die zinnernen Profpektpfeifen
der Orgel in der Schloßkirche befchlagnahmt, dasielbe Schickfal hatten
die Blitzableiter und fchließiich auch die Kirchenglocken, von denen nur
je eine den beiden Kirchen erhalten blieb. Die Sdiulden der Gemeinde
befiefen fich infolge der Wiederherbellung der Ludwigskirche auf 400000
Mk. Zur Bekleidung bedürftiger Konfirmanden wurden zwei Kirchen-
konzerte veranbaltet.
Der vierjährige Weltkrieg hatte viel leibliche Not, aber auch Zunahme
des kirdilichen Sinnes, auf der andern Seite Verrohung und Entfitt-
lichung zur Folge und bellte io die kirdilichen Organe vor eine verftärkte
Tätigkeit. „In dem allgemeinen Sturm der Arbcbswilligkeit und Liebes-
tätigkeit haben Pfarrer, Pfarrfrauen, Gcmeindeichweftern und kirchliche
Vereine voran geftanden und mit am treuften ihre Arbeit durchgeführt.
Aber audi in fpäteren, in ruhigeren Zeiten war über Mangel an Arbeit
me zu klagen: Schulunterricht und Lazarettfeelforge, fchriftlidier Aus-
taufch mit den Soldaten im Feld, ioweit fich das durdiführen ließ; vor allem
aber fteigerte fich die Seelforgc in der Gemeinde felbft, an den Einfamen,
Trauernden, Sorgenden und Verzagten. Und daneben noch eine andere
äußerliche Seelforge, nämlich Fürforgeberatung undlTilfe in allen möglichen
äußeren Nöten und Schwierigkeiten.“ (Bericht eines Saarbrücker Pfarrers.)
Nachdem Saarbrücken am Ende des Jahres 1918 von franzöfilchen
Truppen befetjt worden war, wurde die Schloßkirche dem evangelifchen
franzöfiiehen Garnifonprediger alle 14 Tage zum Gottesdienft eingeräumt.
Die aus den Bebimmungen des Friedensvcrtrages von Verfailles ab'
geleiteten Maßregeln der Regierungskommiffion brachten die Gefahr
einer Abtrennung der Saarländifchen Kirche von der Preußiichcn Landes-
kirche; doch diefe Gefahr wurde durch das Fcfthaltcn der evangelifchen
Geiftlichkeit an dem verfaffungsmäßigen Rechte glücklich abgewendet.
151
17. DIE NEUE KIRCHENVERFASSUNG
Eine wichtige Veränderung wurde durch das neue kirchliche Gemeinde-
wahlgefetj vom 19. Juni 1920 herbeigeführt, durch das allen männ-
lichen und weiblichen Mitgliedern der Kirchengemeinde, die am Wahl-
tage mindeftens 24 Jahre alt find, zu den kirchlichen Gemeindelaften
beitragen und wenigftens drei Monate in der Gemeinde wohnen, das
Wahlrecht für die Kirchenvertretung verliehen wurde. Wählbar für
die Gemeindevertretung find nach diefem Gefell alle Wahlberech-
tigten, für das Presbyterium jedoch nur, wenn fie das 30. Lebens-
jahr vollendet haben. Die Wahl erfolgt nach den Grundfätjen der
Verhältniswahl.
Infolge diefes Gefeites wurden mehrere Frauen in die grolje Gemeinde-
vertretung und eine (Frl. Obenauer) in das Presbyterium gewählt.
Durch diefe Ausdehnung des Wahlrechtes hat die Beteiligung an dem
kirchlichen Leben fichtlich zugenommen. Am 2. Advent, den 5. De-
zember 1920, fand ein allgemeiner Volkskirchentag ftatt, an dem in
allen evangelifdrcn Kirchen des Saargebictes über den Neuaufbau der
cvangelifchen Kirche gepredigt wurde. In der Ludwigskirche hielt der
Gencralfuperintendent der Rheinprovinz D. Klingemann die Predigt.
Nachmittags fand eine grolle kirchliche Verfammlung der Evangelifdren
des Saargebietes in der Ludwigskirche ftatt, in der Pfarrer Alsdorf-
Scheidt über den „Grund, aut dem wir ftehen“ fprach, Pfarrer Limberg-
Saarbrücken über den Kampf um die Wcltanfchauung, Pfarrer Duffe
über die evangelifdie Gemeinde und Pfarrer Ohl über den Kampf der
Kirche gegen die leibliche und feelifche Not. Die Feier war umrahmt
von Solo-, Quartett-, Chor- und Gemeindegcfang. Die erhöhte Teil-
nahme an dem kirchlichen Leben hat fich auch bei dem Kölner Kirdientag
im Oktober 1924 gezeigt, der von io vielen Teilnehmern aus dem Saar-
gebiet befucht wurde, da^ ein Sonderzug zur Hin- und Rückfahrt ge-
nommen werden konnte.
152
Durch ein zweites Gefetj vom 19. Juni 1920 war eine außerordentliche
Kirchenverfammlung zur Feflftellung der künftigen Vcrfaffung für die
evangelifche Landeskirche der älteren Provinzen Preußens nach Berlin
berufen worden. Das Ergebnis der Beratungen dieier Verfammlung
ift die neue preuljifche Kirdienverfaffung, die am 1. Oktober 1924
eingeführt worden ift. Sie ichlie^t hch eng an die rheinifdie Synodal-
und Presbyteriaiverfaifung an. Durch diefe Einführung find Neuwahlen
für die kirchlidien Vertretungen angeordnet. Die evangelifche Kirche
hat durch diefe gcfetplidien Verandeiungen fozufagen neues Blut be-
kommen; fie ift auf dem Wege, fich zu einer wahren Volkskirche zu
entwickeln. „Die Volkskirche foll eine Lebens- und Arbeitsgemein-
fdiaft fein. Ihr Wefen befteht in der voikserzieherifchen, das ganze
öffentliche Leben mit chriftlidiem Geift durchdringenden Aufgabe.“
153
II. D I E PFARRER
1. NAMEN UND AMTSDAUER DER PFARRER
Über die eriten evangelifchen Pfarrer in Saarbrücken fagt
Andreae folgendes; „Als auf Abfterben Graf Johanfen zu
Naflau - Saarbrücken die Weilburgifche Linie die Lande
geerbt und Graf Philips zu Naffau - Weilburg feine ßehdenz
zu Saarbrücken bekommen, haben Ihro Gnaden dero Hof-Prediger
Herrn Magiftrum Gebharden Beilftein von Wehlar (geb. 1533) mit
dahin gebracht, welcher Superintendens worden. Obvermeldler Herr
Johann Rüdinger ift Pfarrer zu Saarbrücken verblieben bis ums
Jahre 1600, da er Alters halben zur Pfarr zu St. Arnual be-
gehrt. Auf ihn ¡ft gefolgt (1601) Herr Magifter Georg Keller, ge-
weiener Pfarrer zu Saarwerden, welcher auch auf Abfterben Herrn
Superintendentis Gebhard Beilftein (1613) an feiner Statt Super-
intendens worden. Und bei ihme find zuerft die Diaconi zu Saar-
brücken aufkommen, als erftlich Herr Philips Dudler (1605) fo
lein Tochtermann worden, nach deffen Abfterben (1601) Diaconus
worden des Herrn Superint. Sohn, Herr Georg Keller; danach, als
Herr Georg Keller Diaconus die Pfarr zu St. Johann bekommen (1612),
ift Diaconus worden Herr Philips Landfiedcl und zugleich auch nach-
gehends Pfarrer, uff dessen Abfterben an feine Statt kommen Herr
M. Johann Schl offer, gewefener Pfarrer zu Fechingen, und weil der
Herr Superint. Alters halben und auch fonften mit den Supcrintendcnz-
Gefchäften genugfam beladen gewefen, fo ift dem Herrn M, Schloffer
als Pfarrern ein Diaconus zugeordnet worden, Herr Mag. Johannes
Keller, nach deffen Abfterben Herr Philippus Nicolai, nach dem-
felben Herr M. Johann Chriftian Stutz, und uff Abfterben des obigen
Herrn Superint. Herrn Georg Kellers ift Superintendent worden Herr
M. Abraham (Stainlin).
154
ln dem Köllncrfdien Gefchichtswcrk befindet fich das folgende Verzeichnis
der Pfarrer in Saarbrücken, das idi an einigen Stellen ergänzt und
weitergeführt habe.
A. Evangcliich-duthcrifche Pfarrer bis zur Union (1817).
Superintendenten, Inipektoren,
erfte und zweite Pfarrer.
Dritte Pfarrer und Diakone
{Freiprediger)
1569 Peter Zophacus.
1570 — i 571 Bartolomaeus K i 11 b u r g e r.
1572—1601 Johann Rüdinger aus
Straljburg, 1601 nach St.
Arnual verfehl,
1575—1615 M. Gebhard Bei lit ein
aus Weilburg, Superinten-
dent, f 27. Dezember 1613.
1601 -1632 M. Georg Keller (Cdlarius)
aus Saarbrücken. Vorher
8 Jahre Diakonus in Saar-
Bockenhdm, dann 17 Jahre
Pfarrer in Saarwerden, 1601
2. Pfarrer in Saarbrücken.
Seit 1614 Superintendent.
1612—1622 Philipp Landfiedel, vor-
her in Ottweiler, 1612
Diakonus, 1621 2, Pfarrer,
t 1622.
1622—1656 M. Johann Schleifer aus
Hainbach in Hoffen, vorher
Pfarrer in Fediingen, 2.
Pfarrer, fpäter Superin-
tendent.
1634—1635 M. Abraham Stain lin,
Superintendent. Ging 1635
mit dem Grafen nach Meh.
1574— 1576 Valentin Mühlberg, Dia-
konus.1576 n. Kölln berufen
1605 — 1609 Philipp Duttler aus Saar-
brücken, Diakonus. f 1609.
1609—1612 M. Georg Keller junior,
Diakonus, 1612 Pfarrer in
St. Johann.
1621 — 1622 Philipp Nicolai aus
Gieren, 1622 nach Kölln.
1622—1627 M. Johannes Keller, vor-
her in Güdingen, Diakonus.
t 1627.
1628—1632 M. Johann Chriftian Stuij,
Diakonus, vorher in Kölln
und Güdingen, f 1627.
1650 BaltafarhPiftorius,fpatcr
Pfarrer in Dudwcilcr.
1658—1665 M. Chriftoph Petfchke,
Diaconus ct Rector Scholac.
1666—1676 Konrad Bayer, Diakonus
und Rektor.
1683— 1684 Johann Philipp Stein,
Diakonus und Rektor.
1684— 1685 Joh. Kafp. Eppiin, Dia-
konus und Rektor.
1685— 1695 M. Johann Friedrich Rculj,
Diakon us, Rektor u. Pfarrer
zu Gersweiler. 1695 nach
St. Johann verfeijt.
1698 - 1706 M.Joh.Phil.Wiedemann,
Rektor und Freiprediger.
155
Superintendenten, Inipektoren,
erfte und zweite Pfarrer
Dritte Pfarrer und Diakone
(Freiprediger)
1657— 1689 Georg Barthol. Schlo ffer,
des Obigen Sohn, 1666
Infpcktor. f 1689.
Von 1689 bis 1694 Diakonus Reulj.
1694 —1742 M. Johann AndrcasBccr,
Infpcktor und Konfiftorial-
rat. f 1742 Er gab im
Jahre 1725 eine „Erklärung
des Catcdrismi und der naf-
fauifchcn Fragftückc“heraus,
die er den Grä1 innen-Witwen
Philippine Henriette und
Chriftiane widmete.
11723—1742 M. Johann Steinhaucr,
vorher in Diemeringen. 2.
Pfarrer und Konfiftorial-
affeffor 1742 als Infpcktor,
nach Heidesheim berufen.
1742— 1780 M. Thomas BaftafarRolle,
Hof-Prediger, 1. Stadtpf,
Superintendent .Scholarch
undKonfiftorialrat. f!780.
1743— 1751 Ludwig Karl Schmidt,
.2. Pfarrer, wurde 1751 erfter
Pfarrer zu St. Johann.
1751-1763 Cafimir Laukhard, 2.
Pfarrer, f 1763.
1708 Andreas Petj, Diakonus.
1738—1745 Johann Lorenz Handel,
Freipredigcr und Mädchen-
Ichrcr. Konrektor und 3.
Pfarrer. 1745 nach Bifch-
misheim. 1762 Pfarrer zu
St. Arnual, f 1781.
1740—1746 Johann Matth. Lichten-
berger, 3.Pfarrer u. Kon-
rektor, wurde alsPfarrer nach
Bütten (Saarwerden)vcrfetjt.
1742—1743 Karl Friedrich Hild, Frei-
prediger. Als Pfarrer nach
Hcusweiler verfemt.
1743 Vogt, Freiprediger,
1746—1767 Friedrich Jakob Beizer,
Prorektor und 3, Pfarrer.
1751 2. Pfarrer. 1759
Rektor. 1767 Infpcktor zu
Harskirchcn.
1754—1774 Thomä, Diakonus.
1764— 1765 Karl Julius Rolle, Frei-
prediger, 1765 Pfarrer zu
Völklingen bis 1771. 1771
Prorektor. 1774 nach Völk-
lingen zurück.
1765— 1768 Julius David Mac!er, aus
Mömpelgard, Subrcktor
und Freiprediger, wurde
1768 Pfarrer zu Karls-
brunn ¡m Warndt, traute
den Erbprinzen 1779. Er-
trank in der Saar den
5. Juni 1782.
1766 — 1770 Joh KonradHande 1, Frei-
prediger, Subrektor, 1768
Prorektor. 1771 als Pfarrer
nach Woltskirchen verfehl.
156
Pfarrer und Superintendenten
(Infpektorcn).
Dritte Pfarrer und Diakone
(Hiifsprediger).
1763—1804 Johann Chriftian Bartels,
geboren 1724 als Sohn eines
Pfarrers, zu DudwcJer,
Fcldprcdigcr bei Naffau-
Infanterie, 1750 Konrektor
des Gymnafiums und dritter
Pfarrer. 1763 2. Pfarrer.
1771 nach Ottwciler, kam
1780 zurück u. wurde l.Pfr.
Infpektor und Konfiftorial-
rat. 1804 Emeritus, t 1806.
1771 —1780 Chriftian Bartels, Obcr-
pfarrcr zu Saarbrücken,
ging 1780 als Oberpfarrer
nach Harskirchen zurück.
1771—1814 Joh. Friedrich Röchling,
wird 1771 v.Ottweiler hierher
als 2. Pfarrer verfetjt. 1804
Infpektor. f 12.Sept. 1814,
1807—1813 Johann Konrad Wagner
von Nahweiler, vorher Pfr.
zu Harskirchen. 1807 2.
Pfarrer, f 1813.
1814— 1833 Philipp Ludwig Hilde-
brand aus Niederlinx-
weiler, Sohn des Pfarrers
Philipp Ludw. Hildebrand
vorher Ptaircr zu Lorcnzen,
1814 2. Pfarrer, 1817crlter
Pfarrer der vereinigten Ge-
meinden. 1818 Superin-
tendent. f 12. Juli 1833.
1815— 1838 Philipp Jakob Mügel,
1812 Pfarrvikar und Lehrer
am Gyrnnafium. 1815 2.
Pfarrer zu Saarbrücken.
1768—1769 Gollmann, Freiprediger,
nachNiederlinxweilcr verfetjt.
1768—1770 Johann Heinrich Graf,
Freiprediger und Subrektor.
1770 nach Ottweiler verfetjt.
1770—1776 Chriftian Ludwig Rcuther,
Freiprediger und Subrektor,
1776— 1782 Johann Chriftian Handel,
Pfr. zu Ormingcn. Dritter
Pfarrer und Konrektor zu
Saarbrücken, 1782 nach
St. Arnual verfetjt. f 1820.
1786—1787 Fricdridi Köllner, gcb.
1764 in Saarbrücken als
Sohn des Hofgärtners Fricd-
ridi Köllner, ftudierte in
Halle und Jena, 1786 Frei-
prediger, dann Hauslehrer
bei dem Oberften von
Bode in Bergzabern, 1795
Pfarrer in Malftatt. f 1853.
1792—1807Johann Adam Mcfferer,
Freiprediger, Subrektor
1793. 1807 2. Pfarrer zu
St. Johann, f 1828.
1809—1814 Friedr. Gotth. Schwalb,
Lehrer und Freiprediger
an der Lateinfchulc. 1814
Pfarrer zu Karlsbrunn,
wohnte aber in Saarbrücken
und war Gymnafiallchrer
dafelbft bis 1853.
1816—1817 Ludwig Chriftian Chelius,
Freipredigerzu Saarbrücken
und Lehrer an dcrLatcin-
fchule, 1819 Pfarrer zu
Ottwciler, fpätcr Pfarrer
zu St. Arnual.
157
B. Reformierte Pfarrer zu Saarbrücken*
1747—1767 Johann Jakok Mania aus Bern. Erfter reformierter
Pfarrer, durch den Fürften Wilhelm Heinrich von Burbadi
in der Graffchaft Saarwerden hierher berufen. Er unter-
nahm 1761 eine Reife nach Holland, England und Schott-
land, um Beitröige für die Kirche zu fammeln.
1768—1774 Wilhelm Heinrich Jakob Manfa, des Vorigen Sohn,
wegen der Reife feines Vaters 1761 durch den Super-
intendenten Rolle, die reformierten Pfarrer Fefch zu Lud-
weiler und Lichtenhahn zu Altweiler examiniert, feit 1762
Subrektor der lateinifchen Schule und 1768 Pfarrer zu
Saarbrücken. 1774 als Pfarrer nadi Ludwciler verfemt,
kam 1787 nadi Billigheim bei Bergzabern.
1774—1779 Ludwig Sdrwebel, früher Pfarrer zu Ludwciler, von
Fürft Ludwig als Pfarrer nach Saarbrücken berufen.
1779 — 17.. Johann Friedrich Schuch von Offenbach am Glan, Vcr-
faffer eines Lehrgedichtes über die Gütigkeit Gottes aus
der leblofen Sdiöpfung 1779.
17..— 1801 Johann Philipp Zimmermann, früher zu Altweilcr in
der Graffdiaft Saarwerden, f 1801,
1801 —1817 Karl Ludwig Alexander Zimmer mann, des Vorigen
Sohn, geboren zu Altweiler. 1801 Pfarrer zu Saarbrücken.
1804 dritter Lehrer am Gymnafium. 1805 Präfident
des reformierten Konfiftoriums zu Saarbrücken (deffen
Sik durch Dekret Napoleons vom 29. Januar 1808 nadi
Limbadi verlegt wurde). 1808 Directeur de l'école
secondaire zu Saarbrücken. — Durdi die Vereinigung
der Lutheraner und Reformierten am 27. Auguft 1817
erlofch der reformierte Kultus in Saarbrücken, und Zimmer-
mann wurde zweiter Pfarrer der vereinigten evangelifchen
Gemeinde. 1834 erfter Pfarrer, f 1835.
158
C. Pfarrer der vereinigten evangelifchen Gemeinde m
Saarbrücken feit 1817,
1817—1833 Philipp Ludwig Hildebrand, L Pfarrer und Super-
intendent bis 1834.
1817-1835 Karl Ludwig Alex. Zimmermann, 2. Pfarrer, zugleich
Direktor des Gymnafiums. 1834 erfter Pfarrer und
Superintendent.
1817—1838 Philipp Jakob Mügel, 3. Pfarrer und Lehrer am Gym-
nafium, 1834 zweiter Pfarrer, 1835 erfter Pfarrer.
1855—-1838 Frz. Gg. Ed. Bösken, 1835 dritter Pfarrer, f 1838.
1836—1878 Johann Gottfried Schirmer, geb. 1803 zu Langenburg
bei Zeitz, ftudierte in Halle, 1829 2. Pfarrer in Ottweiler,
1860 erfter Pfarrer, feit 1851 Superintendent, f 1878.
1839 1860 Karl Ludwig Römer, geb. zu Saarbrücken i. J, 1800,
ftudierte in Marburg und Halle, 1823 Pfarrer in Kölln,
1824 Pfarrer in Dudweiler, 1839 Pfarrer in Saarbrücken,
1836 bis 1842 Superintendent, 1860 emeritus, t in
Effen 1888.
1840—1890 Eduard Zickwolff, geb. 1807 zu Völklingen, ftudierte
in Bonn und Berlin, 1840 3, Pfarrer, 1860 2. Pfarrer,
1878 1. Pfarrer (von 1878 —1890 auch Militärfeelforger).
Trat nach SOjähriger Amtszeit in Saarbrücken in den
Ruheftand am 1. April 1890. f 1898 faft 91 Jahre alt.
1861—1887 Wilhelm Theodor Engel, 1861 dritter Pfarrer, 1878
zweiter Pfarrer, t 26. Februar 1887. Er vertagte eine
Gefchichte des Stifts St. Arnual und feierte im Jahre 1886
fein 25jähriges Jubiläum als Pfarrer der Gemeinde.
1879 1903 Heinrich Fenner (vorher in Hinterfteinau, Prov. Heilen),
1879 3. Pfarrer, 1888 2. Pfarrer, 1890 1. Pfarrer (feit
1890 auch Garnifonpredigcr; feit 1887 Seelforger an
der Strafanftalt im Nebenamt), f 5. Dezember 1903,
159
1888 —1898 Otto von Scheven (vorher in Neunkirchen), 1888 dritler
Pfarrer, 1890 zweiter Pfarrer, f 1898.
Seit 1890 Theodor Klein (vorher in Thalfang), 1890 3. Pfarrer, 1899
2. Pfarrer, feit 1903 1. Pfarrer und bis 1912 Garnifon-
Prediger.*)
Seit 1899 Julius Ebcling, vorher in Smyrna, 1899 3. Pfarrer,
1903 2. Pfarrer.
1904 (Oktober) bis 1909 (April) Lic. Waldemar Radecke, 3. Pfarrer,
1904 nach Köln berufen.
1909—1915 Karl Becker (früher in Trarbach), 3. Pfarrer, f 6. 4. 1915,
1916 (1.4.) bs 1918, (1. 10.) Dr. Franz Meinecke, 1918 nach Wies-
baden berufen.
1920 Eduard Heinz, dritter Pfarrer.
1922 Wilhelm Li mb erg, vorher in Effen, 4. Pfarrer. (Für
Jugend- und Wohlfahrtsamt.)
Nur von wenigen der früheren Pfarrer wiffen wir mehr als den Namen
und die Amtsdauer. Der erfte Pfarrer, über den wir etwas Näheres
erfahren, ift der Ahnherr der bekannten Familie Röchling,
Der Hallifdie Kanzler Niemeyer, der im Jahre 1807 auf feiner Deportations-
reife nadi Frankreidi durch Saarbrücken kam, beriditet, da^ er, um
etwas von dem Zuftandc des Sdiul- und Kirdienwefens in Saarbrücken
zu erfahren, den erflen Geiftlidren der Stadt, Infpektor Röchling, auf-
fudrte und dielen, einen windigen Greis, inmitten feiner Familie bei
der Abendmahlzeit traf, von ihm freundlich aufgenommen und nach
einer anregenden Unterhaltung mit Empfehlungen für Pont-a-Mouffon,
feinem Verbannungsort, verfehen wurde, Ucber den gaftlichen Emp-
fang erzählt Niemeyer folgendes: „Man öffnet mir die Tür und
führt mich unangemeldet in das Wohnzimmer. Ich finde die Familie
*) 1912 wurde Konfiftorialrat Müller zum MilitäT-Obcrpfarrer des 21. Armeekorps er-
nannt. Der Gottesdienft der Garnifon fand anfangs in der Schloljkirche ftatt.
Als diefe lieh zu klein erwies, wurde der Gottesdienft nach St. Johann verlegt.
160
II Geldlich!« der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
161
hei der Abendmahlzeit. Patiiarchaliich fiht der ehrwürdige Hausvater
unter feinen Kindern, einem jungen Arzt, zwei blühenden Töchtern,
einem jüngeren Sohn und mehreren Verwandten des Haufes. Ich fürchtete
zu hören, doch ohne alle drückende Umftändlichkeit heifjt der fiebzig-
jährige Mann mich Plah nehmen, lä^t mir vorlegen und zum Will-
kommen das Glas füllen. Er fragt nicht, wer ich fei, woher idi
komme, gerade wie es Brauch war in jener homerifchen Zeit, wo
auch, wenn erft der angekommene Gaft „genug der Speit' und Trankes
genoffen“, der greife Neftor anhebt:
„Nun geziemt es ja wohl zu erkundigen und zu erforfchen, wer die
Fremdlinge find, nachdem fie der Koft fich gefättigt«. Meine Lage er-
weckte bald allgemeine Teilnahme; perfönlidies Intereffe vermehrte he.
Der gciftliche Infpektor Röchling war vier Jahre Lehrer am Hallifdien
Waifenhaufe gewefen. Mein Oheim, der damalige Auffeher des Päda-
gogiums, hatte ihm an diefer Anhalt vor 50 Jahren eine Lehrerhelle
angetragen. Der ältere Sohn hatte anfangs Theologie und Pädagogik
getrieben, ich war ihm durch meine Sdiriften nicht fremd.“ Johann
hriedridi Rödiling ftarb am 12. September 1814.
Ein anderer hervorragender Geiftlicher war Edmund Bösken. Im
Jahre 1835 wurde Franz Georg Edmund Bösken dritter Pfarrer in
Saarbrücken, ein Mann, der trot^ feiner Jugend und feiner kurzen
Wirkfamkeit ein dauerndes Andenken in den Herzen feiner Gemeinde
hinterlie^. „Sein Wirken ift von dem wohltätigften Einfluß auf das
religiöfe und kirchlidre Leben in Saarbrücken gewefen“, tagte Bürger-
meifter Böcking von ihm in der Stadtverordnetenfiftung vom 29. Mai
1837. Bösken war im Jahre 1806 in Dinslaken geboren und wurde
in Berlin von den berühmten Theologen Sdileiermacher und Neander
zum Geifilichen gebildet. Mit 29 Jahren trat er das Pfarramt in
Saarbrücken an und erwarb hdr bald allgemeine Zuneigung. „Die
Lebendigkeit feines Vortrags, die Wärme und Begeiferung und
der wahrhaft apoltolifche Eifer war es, was auf eine eigentümliche
Weile bei feinen Predigten anzog und fehhielt. Man muljte ihn felber
162
fehen und hören: wie, wenn er iprach, ieine ganze Seele dabei war,
wie der Strom feiner Worte unmittelbar aus feinem Innerften hervor-
quoll, wie in dem Glanz feines Auges das Feuer und die Innigkeit
feiner Überzeugung fidh fpiegclte, und wie darum feine Rede zum Herzen
drang, weil man fühlte, da^ lie aus dem Herzen kam, und weil dabei
audr fein Leben, in weldiem eine echt evangclilche Lauterkeit der Ge-
finnung und des Wandels fidi offenbarte, eine redit erbaulidre Predigt war.“
So urteilte fein Amtsbruder Superintendent Sdiirmer über Bösken.
Diefer übte Irotj feines fdiwachen Körpers neben dem Predigtamt,
das bis dahin die einzige Verpflichtung des dritten Pfarrers ge-
wefen war, auch die Seelforge mit großem Eher aus. Dazu erteilte
er den Religionsunterricht in allen Klaffen des Gymnafiums und- über-
nahm noch die Leitung der höheren Mädchenfdiule und zugleich den
Unterridit in der Religion und im Deutlchen an diefer Anhalt. Dodi
fchon nach drei Jahren fetzte der Tod feinem Wirken ein Ziel (1838).
Elf feiner Predigten wurden im Jahre 1840 von Pfarrer Schirmer mit
dem Vorwort des Gymnafiallehrers J. Hülsmann in Duisburg, der in den
Jahren 1836 37 am Gymnafium zu Saarbrücken Lehrer gewefen war,
herausgegeben.
Nadi dem Tode des Superintendenten Schirmer im Jahre 1878 befehle^
das Presbyterium, dalj die amtlichen Bezeichnungen „erfter, zweiter und
dritter Pfarrer“ künftig Wegfällen und der Vorfitj im Presbyterium
jährlich zwifdien den drei Pfarrern wedrfeln folle; doch tollte eine zehn-
jährige Dienftzeit zur Ausübung des Vorfilmes erforderlich fein.
Der an hiefigen Dienftjahrcn ältefte Pfarrer erhielt als Wohnung das
am Wehende des Ludwigspla^es gelegene Pfarrhaus (Nr. 11), der
Zweitältcfte das Pfarrhaus in der Hintergaffe und der Jüngfte das
Haus am Oftende des Ludwigsplatses (neben der Stiftskaffe). Im
Jahre 1879 wurde Pfarrer Heinridr Fcnner aus Hintcrfteinau mit 47
gegen 2 Stimmen zum dritten Pfarrer gewählt.
Er ftarb am 5. Dezember 1903, an feine Stelle wurde Lic. thcol. Waldemar
Radecke gewählt, ein vortrefflicher Prediger. Er gehörte der liberalen
163
Richtung an und hat feinen Standpunkt in einer kleinen Schrift „Pofitiv
und Liberal“ dargelegt. (Gcmeinverftändliche Betrachtungen zur kirdi-
lidren Lage, 2. Auflage, Köln, Neubeck 1913.) Er wurde im Jahre 1909
nach Köln berufen. An feint Stelle trat nach Vertretung durch Synodal-
Vikar von Mittclitaedt Pfarrer Karl Becker von Trarbach, dem leider
keine lange Wirkfamkeit in der Gemeinde befchieden war. Er ftarb
nadi längerer Krankheit während des Weltkrieges am 6. April 1915.
Seine Stelle wurde von Vikar Sdiindelin verleben. Nadrdem längere
Verhandlungen mit den vom Konfiftonum vorgefdilagcnen auswärtigen
Pfarrern zu keinem Ergebnis geführt hatten, überließ das Konfiftorium
das Wahlrcdit der Gemeindevertretung, und diefe wählte am 28. Sep-
tember 1920 den bisherigen Hilfspfarrcr Eduard Heinz, geboren am
30. März 1893, Sohn des verdorbenen Schidhtmeifters Eduard Heinz
zu Bildftock. Er befudite das Gymnafium zu Saarbrücken und erhielt
Oftern 1912 das Zeugnis der Reife, ftudierte Theologie in Marburg,
Tübingen, Heidelberg und Bonn und war dann Vikar in Barmen,
Xanten und Gummersbadi.
Im Jahre 1922 wurde Pfarrer Wilhelm Limberg aus Effen zur Leitung
der Jugendpflege und des Wohlfahrtsamtes von der Synode Saarbrücken
berufen. Er wird als vierter Pfarrer von Saarbrücken geführt, aber
von der Synode Saarbrücken und der Gemeinde St. Johann befoldet.
Seine Stellung wurde von dem Presbyterium dahin beftimmi. dah er
nidit das Recht und die Pflicht hat, den Vorfits im Presbyterium
Saarbrücken zu führen, und da^ ihm audi die Gemeindebcamten nicht
unterftehen, auhcr wenn er im Gemeindedienft amtiert. Er hat das
Recht, an jedem 8. Sonntag in Saarbrücken zu predigen, ebenfo an
Fefttagen nach einem Jahrcsturnus.
Am 19. Oktober diefes Jahres haben die beiden älteften Pfarrer der
Gemeinde ihr 25jähriges Amtsjubiläum gefeiert. Pfarrer Klein wirkt
feit dem Jahre 1890 in der Gemeinde und hätte fchon im Jahre 1915
fein 25 jähriges Amtsjubiläum feiern können, dodi die fdiwere Kriegszeit
lief) damals den Gedanken an eine Fcfiteicr zurücktreten. Das damals
164
Verfäumte wurde in dieiem Jahre (1924) in Verbindung mit dem Amts-
jubiläum des Pfarrers Ebel in g nadrgeholt, über den Lebenslauf
und die Verdienfte beider Männer brachte die Saarbrücker Zeitung
folgende Berichte:
„Geboren am 12. September 1855 in Wirlchweiler, kam Theodor Klein
mit 6 Jahren nadi Trier, wo fein Vater als Superintendent leinen
Wirkungskreis hatte. Nachdem er dortfelbft das Gymnafium befudrt und
feine Militärdienftpflicht erfüllte hatte, ftudierte er in Halle und Bonn
Theologie, um dann nadi der durch feinen Vater vollzogenen Ordination
faft 8 Jahre in Thalfang zu amtieren, bis er auf Grund gefchehener
Gemcindewahl im Jahre 1890 in feine Saarbrücker Tätigkeit gerufen
wurde. 22 Jahre hat er hier nicht nur als Gemcindcpfarrer, fondern
audi als Garnifonprediger gewirkt. Als Scelforger im Bürger-
ho fpital und als Vorfihender des Verlor gungshau fes hat er befonders
den Kranken und Elenden, den Alten und Einfamen gedient. Auch
über Saarbrücken hinaus ift Herr Pfarrer Klein als langjähriger und
gcfchäbter Mitarbeiter an dem einft gern gelefenen „Evangelifchen
Wochenblatt“ in weiteren Kreifen bekannt geworden. Dankbaren
Herzens und mit treuen Segenswünfchen begleiten die Gemeinde und
weite Kreife der Bürgerfdialt den Jubilar in die Zukunft. Ift er dodi
vielen ein verftändnisvoller Ratgeber, ein wohlmeinender Helfer
und treuer Seelforger gewefen.“
„Julius Ebcling wurde am 31. Juli 1864 als Sohn eines Ritterguts-
befihers in der Lüneburger Heide geboren und ftudierte nadi feiner
Militärdienftzeit in Göttingen, Tübingen und Erlangen Theologie. Seine
erfte Pfarrftellc führte ihn 1892 nach Smyrna in Kleinafien, wo er als
Seelforger der dortigen deutfch-cvangelifchen Auslandsgemeinde Heben
Jahre eine fegensrciche Wirkfamkeit entfalten konnte. Insbefondere
nahm fidi Ebeling hier mit großem Erfolg und warmer Sdiaffensfreude
der Pflege des Deutfdrtums und des Ausbaues der Anhalten des Kaifcrs-
werther Mutterhaufes an: der Diakoniffenfchule und des armenifdien
Waifenhaufes; gründete weiter eine deutfdre Knabenfchule und krönte
165
fein Werk fchließlich in dem Bau einer eigenen deutfehen Kirche, die
leider im griechifdi-türkifchen Krieg 1922 mit dem größten feil der
Stadt ein Raub der Flammen geworden ift.
Im Oktober 1899 führte ihn fein Lebensweg nadi Saarbrücken, das
ihm bald zur zweiten Heimat werden follte. Wie fchr er Bevölkerung
und Stadt lieb gewann und in dem Wirken für die evangelifdien
Gemeinden an der Saar innere Befriedigung fand, beweift der Umltand,
daß Pfarrer Ebeling eine Reihe verlockender Stellen in guten Großftadt-
gemeinden aus der Verwurzeltheit mit dem Saarvolk heraus ausfdilug,
und auch dann nicht widi, als der vcifdiiedentlich drohende „Befehl“
landfremder Herren ihn zum Verlaffen des alten Saarbrücken zwingen
wollte. Es gibt vielleidrt kein bcffercs Zeugnis für die wahre Heimat-
und Vaterlandsliebe des kerndeutfehen Mannes, der, glühender Patriot,
dodi kein Chauvimft ift, und der als Tatzeuge des Chrifientums yon
nationaler Grundlage aus nadn Verkündigung und Frieden ringt. Dicfes
Ringen fcheint ihm, dem das Sdiickfal des Vaterlandes und die Wirrniffe
und Mißvcrftandniffe in feinen Grenzen tiefen feelifchen Sdimerz bereiten,
nicht die Angelegenheit einer Partei, fondern die Sadre des wahren
Menfchentums, das Menfchen und Völker fidr gegenfeitig verftehen lehrt.
Ebelings Wirken in fozialcr und karitativer Hinfidrt findet feinen ficht-
barften Ausdruck in der Armen-, Wohlfahrts- und Gcfangenenpflege
der Stadt Saarbrücken, der er feit langen Jahren in fchier beifpiellofer
Weife unermüdlich obliegt. Eine Reihe von Vereinen und Vcranftal-
tungen, die von fdiöpferifdier Überlegung zeugen, hat er zur Unterftühung
und Förderung der vorgenannten Begebungen ins Leben gerufen.
Großes Vcrdienft hat fidr Pfarrer Ebeling auch in der Trinkerfürforge
erworben, wo er nidil nur durch perfönliches Einwirken, fondern audi
durch Gründung des Vereins vom Blauen Kreuz, des Vereins gegen
den Mißbraudi geiftiger Getränke und der Trinkerfürforgeftelle mancher
unglücklichen Familie zu neuem Glück verholfen hat. Neuerdings
gründete Ebeling den Verband der evangelifchen Frauenhilfen an der
Saar, der fidr inzwifchcn zu einer großzügigen und fegensreichen Or-
166
ganifation entwickelt hat. Damit find die fichtbaren Spuren feines
Wirkens bei weitem noch nicht erfchöpft. Ebelings Initiative entfprang,
um nur einiges zu nennen, die Reftaurierung der fehr baufällig gewor-
denen Schlol^kirdie, fowie die fünf Jahre dauernde Inftandfchung der
Ludwigskirche, zu der die erforderlichen Summen mühfam aufzutreiben
gewefen find, ferner der Neubau des evangelifchen Sicdienhaufes und
der während des Krieges vollzogene Bau des evangelifchen Kinder-
und Säuglingsheims, das für die verwaiften und halbverwaiftcn Kinder
der Soldaten gedadrt war. Seine Lieblingspläne für die Zukunft find
der fdion 1913 entworfene, durch Kriegs- und Inflationszeit leider
verhinderte Gemeindehausbau und die Verfdrönerung und wieder ein-
heitliche und ftilgerechtc Inftandfehung der gefamten Ludwigsplahanlage.“
Im Druck lielj Pfarrer Ebeling folgende Sdirift erfcheincn: „Die Aufgabe
der Gemeinde-Mitglieder und der kirdilichen Organe in Bekämpfung
der Unkeufchheit unter Bcrückfichtigung der verderblichen Wirkung der
unfittlichen Literatur.“ Referat über das Proponendum des Kgl.
Konliftoriums, gehalten auf der Verfammlung der Kreisfynode Saar-
brücken am 11, Juli 1906.
2. WIRTSCHAFTLICHE VERHÄLTNISSE
DER PFARRER
Die Befoldung der Pfarrer war anfangs faft ganz naturalwirtfchaftlicher
Art (vergleiche Seite 140 f). Graf Philipp 111. fdienkte im Jahre 1585
dem Superintendenten Beilftcin die Gefälle vom St, Marien-Altar zu
Kerzenheim. Sie behänden an Geld in 8 Gulden und 7 Vs Albus,
an Naturalien in40V2 Malter Korn, 13 Kapaunen, 1 Huhn, 1 Malter
Nüffe und je ein Malier Erbfen und Linfcn.
Der Diakon in Saarbrücken erhielt im Anfang des 17. Jahrhunderts
70 Gulden Befoldung, 60 Malter dreierlei Frucht, Heu, Hühner und
Fifche, wie ein Sliftspfarrer. Im 18. Jahrhundert wurden die Einkünfte
der Stadtpfarrcr auf 700 bis 800 Gulden gcfchäht.
167
Wie die Geiftlichcn jener Zeit oft mit des Lebens Notdurft zu kämpfen
hatten, zeigt die gereimte Bittfdirift des Pfarrers zu St. Johann und
Rektors des Gymnafiums Johann Ehrhard Rupp an den Fürftcn
Wilhelm Heinrich aus dem Jahre 1744:
„Durdbläuchtftcr Fürft und Herr, vergönne diciem Blatt
Nur einen einz’gcn Blick von Deiner Huld und Gnad'.
Es kommet tief gebückt aus der Lateincrichul'
Und waget lieh getroft zu Deinem Fürftenftuhl.
Es klaget meine Not und, was mein Herze nagt,
Und hofft, dalj Deine Gnad' mir Hilfe nicht vertagt.
Mein Fürft und Herr, fchon mehr als zwanzig Jahr' find hin,
Seitdem in Kirch' und Schul' idi hier in Dienften bin.
Dah ich in beiden hab’ mein Amt, Gebühr und Pflicht,
So, wie es billig ift, getreulich ausgcricht't,
Flaftire ich mir zwar, doch ob ich es gethan,
Das kommt auf anderer und nicht mein Zeugnilj an.
Indellen plagt bis jct?t mich nodr der Schulftaub lehr,
Und dabei häufen lieh die Sorgen mehr und mehr.
Es find der Leute viel, die ich ernähren foil,
Und bei der Mahlzeit ift ein groljcr Tilch ganz voll.
Die zehren wacker d'rauf und fragen nicht dabey,
Ob die Bcfoldung auch bei mir hinreichend fey.
Sechs Söhne habe ich, die wachfen ftark heran.
Und machen, dah ich oft nicht ruhig fchlafen kann.
Zwei Tochter ftellcn lieh als Kinder gleichfalls dar,
Davon die Kleinefte bisher ftets kränklidr war.
Und hat, fo lang fie lebt, bei Tag und auch bei Nacht
Der Unruh' und zugleich der Koften viel gemacht.
Vor die acht Kinder nun und vor mein Eheweib,
Wie auch nicht weniger vor mich und meinen Leib,
Vor Kleider, Speih und Trank, und was man brauchen mag,
Hab' ich fünf Baijcn nur Bcfoldung jeden Tag.
Durchläuchtigftcr, ich weilj, Dein klugheitsvoiler Geift,
Den Hof, den Stadt und Land mit viel Verwund'rung preist,
Fällt ohne allen Zwang dem wahren Zeugnis bey,
Dalj fo viel Geld vor mich ganh nicht hinlänglich fey.
Wenn nun, da lieh das Jahr zu feinem Ende neigt,
Das Stift zu Arnual mir die Bcfoldung reicht,
168
So kommt der Kramer gleich und weift fein Konto auf,
Dann gehn mir wenigftens bey dreißig Thaler drauf
Vor die und jene Waar; die zahl' ich ihm zur Stund',
Die Geldkaff' aber wird bis auf den Tod verwund't.
Der Schufter find't fich auch mit feinem Zettul ein,
Mit achtzehn Thalern will er kaum zufrieden feyn;
Und wenn ich mein', der Reft vom Geld fey nun vor mich,
So präfentiert hcrnadi der Meifter Schneider fich
Und geht mir eher nicht aus meiner Stub' und Haus,
Ich zahl' an Arbeitslohn ihm er ft zehn Ihafer aus.
Geb' ich den Mägden noch, wie billig, ihren Lohn,
Sind 16 Thaler auch zu End' des Jahrs davon.
Und fo ift völlig dann die Geldbcfofdung fort.
Der feere Seckel bleibt und Kummer da und dort.
Mein Trank ift immerzu Saarbrücker mag’res Bier,
Und wann ich das nur hab’, fo dank' ich Gott dafür.
So fchlecht es aber ift mit diefem Trunk bcftellt,
So raubt er mir des Jahres doch glcidiwohl vieles Geld.
Die andern Kotten geh' ich jeht mit Fieilj vorbey,
Dalj ich, mein Fürft und Herr, Dir nicht befchwcrlich fey,
Wann ich viel Worte mach'. Nur diefes füj' ich an;
Ich lebe fo genau, als ich nur immer kann;
Idi treibe keine Pracht, Verfchwendung lieb' ich nicht,
Und wenn ein lecker Maul von nichts als Braten fpricht.
So fattigl mich dafür ein Stücklein Speck und Kohl,
Und diefe rauhe Speif> fdimeckt mir vortrefflich wohl.
Allein, fo fparfam man auch immer leben mag,
Ift bei viel Kindern doch faft einen jeden Tag
Des Sparens ohngeacht die Auljgab ziemlich grolj.
Und diefes machet midi von 'Mitteln arm und blolj.
Nicht feiten fucht uns Gott nach feinem weifen Rath
Mit Leibeskrankheit heim, wie er erft kürzlich that.
Spricht man die Ärzte dann um Hilf’ und Beiftand an,
So wird von ihnen nicht ein Schritt umfonft gethan.
Die Apotheke greift in Beutel tief hinein,
Denn in Saarbrücken ift’s lehr koftbar krank zu feyn.
Oft, wenn man deffen lieh pflegt ganz nicht zu verfeh'n,
Mulj man bey einem Freund auch zu Gevatter fteh’n.
Erweift man folchcm nun den Licbcsdicnlt und Ehr,
ift um fünf Thaler gleich der arme Beutel leer.
Bisweilen kommt mir felbft die Hebamm' in das Haus,
Und diefe Ehr kofi' mich hernach den Kindtauffchmaus.
Da fchreyt die Weibcrzunft nach Zucker und nach Wein,
Mit bloßem Bier will hier niemand gefättigt fein.
So ift das Jahr hindurdi der Ausgab’ Ichier kein End'
Und wo man lieh nur faft hinkehret und hinwcnd't,
Mu^ überall das Geld parat und fertig ieyn,
Man nehme nun davon viel oder wenig ein.
Wann ich des Morgens kaum aus meinem Bett auffteh',
ln welches ich des Nachts mit Sorgen Ichlafen geh',
So wird mir dieles gleich zum Morgengruh vermeid'!:
Vor dies und jenes braucht man heute wieder Geld.
Und ein lolch' Kompliment bekomm' ich alle Tag',
Ift aber dies, mein Fürft, nicht eine groljc Plag’,
Wenn man Geld geben Toll und hat doch keines nidit?“
Der gutherzige Fürft antwortete auf diefe Bittfchrift mit einigen Verien,
durch die er dem bedrängten Familienvater 100 Gulden aus dem Stift
St. Arnual zum Trunk von gutem Pfälzer Wein anwies, damit ihm
Speck und Kohl noch beffer fchmecke.
Die Pfarrerswitwen Frau Lauckhard und Frau Manfa erhielten im
Jahre 1771 je 3—4 Klafter Brennholz, 30 Zentner Steinkohlen und
je 21 Gulden 10 Kreuzer als Penfion,
Die Befoldung der Pfarrer in der franzöfifchen Zeit (1797—1815) ift
auf Seite 141 aufgeführt. Uber die Dotation der Pfarrftellen finden
fich in der Niederfchrift der Stadtverordncten-Sitjung vom 2. April 1834
folgende Säljc:
„Nach einer Mitteilung von dem Herrn Rcgierungspräfidenten verbleibt
der hiefigen erften Pfarrftellc der bisherige Staatsgehalt von
393 Talern, 22 Sgr. 6 Pfg.
der zweiten Pfarrftelle 262 Talern, 15 Sgr. —
der dritten Pfarrftelle 262 Talern, 15 Sgr. —
170
Sodann hatte Seine Majeftat der König die Gnade, für die 3* Pfarr-
ftelle nodi einen jährlidicn Zufdiulj von 130 Talern unter der ausdrücklichen
Bedingung zu bewilligen, da^ die Gemeinde dagegen der erften Pfarr-
ftellc eine bleibende Gehaltszulage von 200 Talern bewillige. Es
wurde dadurch in Verbindung mit den bisherigen Emolumenten die
erfte Pfarrftelle inkl. Wohnung und Garten auf 800 1 aler jährlidi
erhöht, die beiden andern jedoch auf 500 Taler für jede
dcrfclben.
Der für den evangelifchen Kultus beftimmie Fonds von 8000 Talern
würde eine jährliche Einnahme von 400 Talern bilden und darauf zur
Ausgabe kommen:
1, die Holzgclder für die 3 evangelifchen
Pfarrftellen fowie bisher .............. 78 Taler 22 Sgr. 6 Pf.
2. der Zufdruljgchalt für den erften Pfarrer 200 Taler
278 Taler 22 Sgr. 6 Pf.
folglidr bleiben noch zur Dispofition 121 Taler 7 Sgr. 6 Pf., welche
zur Unterhaltung der Ludwigskirdie verwendet und dann das Kirchcn-
Almofengeld feiner früheren Beftimmung zurückgegeben werden könnte/'
Pfarrer Bösken erhielt im Jahre 1837 als dritter Pfarrer 378 Taler,
20 Silbergrofdien und 7 Pfennige als Gehalt (auher Wohnung und Holz-
gebühren). Bürgermeifter Böcking beantragte in der Stadtverordneten-
verfammlung für ihn eine persönliche Zulage mit dem Hinweis auf
Böskens erfolgreidrcs Wirken und feine fdrwadie Gefundheit, die durdi
notgedrungenc Nebenbefdiäftigung leide. Der Antrag wurde jedoch
abgelehnt. Bald nadrher ift Bösken geftorben. In denselben Jahre
wurde von der Stadt für das dritte evangelifdie Pfarrhaus ein Stall
gebaut, damit der Pfarrer eine Kuh halten könne, „die dodr für Familien
um fo notwendiger fei, wenn deren Einnahme nidit reichlidr ift“.
Im Jahre 1855 befdiloh das Presbyterium, die weggefallenen Holz-
gebühren zu erleben.
171
Die Pfarrgehälter wurden im Jahre 1858 folgendermaßen beredinef:
Der crife Pfarrer erhielt:
1. aus der Staatskaffe ......... 392 Taler 15 Sgr.
2, aus dem Kirchentonds der Gemeinde ... 10! l aler 15 „
3, Holzgebührcn garantiert....................100 Taler — „
4. vom Pfarrgut durchfdmittlich..............156 „ — „
Sa. 750 Taler 30 Sgr.
Der zweite Pfarrer erhielt;
1. aus der Staatskaffe ...................... 262 Taler 15 Sgr, — Pf.
2. aus dem Kirchenfonds ......................195 „ 22 „ 6 „
3. Holzgebühren garantiert...............100 „ — „ — „
4. vom Pfarrgut durchfchnittlida .... 81 „ — „ 6 „
Sa. 640 Taler 59 Sgr. 12 Pf.
Der dritte Pfarrer erhielt:
1. aus der Staatskaffe
2. aus dem Kirdrenfonds
3. Holzgebühren . . .
4. aus dem Pfarrgut
262 Taler 15 Sgr.
31 „ 15 „
100 „ - „
96 „ —
Sa. 490 Taler 30 Sgr.
ln einer Sitzung des Presbyteriums in demfelben Jahre führte der Vor-
fißende Pfarrer Römer aus, daß durdi den lebhaften Auffdiwung der
Gewcrbetätigkeit in den leßten Jahren der Wert des Geldes bedeutend
gefunken und eine große Preisfteigerung der Lebensmittel und
Leibungen ein getreten fei. Die Pfarrer feien nidrt in der Lage, durdi
Nebenbcfchäftigung ihr Einkommen zu vergrößern. Aus ihren Befoldungs-
gütern könnten fie kein größeres Einkommen erzielen, da diefe nur von
geringem Umfange feien und nicht einmal den eigen Bedarf der Inhaber
deckten. Ihre Gehälter cntfprächen nicht den jeßigen Verhaltniffen.
Dadurch werde ihre Berufsfreudigkeit gelähmt, und an den geiftigen
Bewegungen der Zeit könnten fie fich nidit beteiligen, was für die Pflege
des kirdilichen Lebens ein Schaden fei. Das Gehalt eines Pfarrers müffe
172
mindeftcns 800 Taler betragen. Da der Staat eine Erhöhung feiner
Zufdiüffe verweigere und das Stift der hiefigen Gemeinde mehr als
anderen zuwende,
nämlich als Unterftühung des 3. Pfarrers 45 Taler
Befoldungszulage für Sdrullehrer .... 339 „ 15 Sgr. 2 Pf.
desgleichen für den Küfter.............. 45 „ 4 „ 6 „
Steuern für das Kirchengut und die Befol-
dungsgrundftücke.....................128 „ 4 „ 3 ,,
Sa. 557 Taler 23 Sgr. 11 Pf.
io müffe die Erhöhung der Pfarrgehälicr durch Beiträge der Gemeinde
aufgebradit werden. Das Presbyterium fchlolj hch diefen Ausführungen
an und bewilligte dem zweiten und dritten Pfarrer eine perfönliche
Zulage von je 150 Talern.
Der Küfter erhielt im Jahre 1859 70 Taler jährlich.
Der erfte Pfarrer erhielt im Jahre 1860 450 Taler Ruhegehalt. Da die
Gemeinde-Umlage bereits 1000 Taler betrug, ihre Erhöhung nicht
angebracht erfchien und die nur 4000 Seelen zählende konzentrierte
Gemeinde von zwei Pfarrern verfehen werden konnte, fo wurde die
erledigte Pfarrftclle zunädift noch nicht wieder befet^t und Pfarrer
Schirmer erhielt die erfte Ptarrftelle mit. 800 Talern, Pfarrer Zickwolff
die zweite Stelle mit 700 Talern Gehalt. Das Einkommen des dritten
Pfarrers abzüglich des Ruhegehalts des Pfarrers Römer wurde den
beiden Pfarrern als perfönlidre Zulage überwiefen.
Dieter Befdiulj wurde jedoch durdr eine unter dem Vorfilm des ftell-
vertretenden GeneralfupcrintendcntenKoniiitorialrats 1 hielen abgchaltenen
Sitzung des Presbyteriums zurückgcnommen, nachdem der Verfilmende
die Notwendigkeit der dritten Pfarrftclle nachgcwiefen hatte. Für den
dritten Pfarrer wurde ein Gehalt von 600 Talern ausgeworfen. Dicfcm
Befchlulj ftimmte die größere Gemeindevertretung zu.
Von den Stiflszufchüffen erhielten nach einer Aufzeichnung aus dem
Jahre 1863 die Lehrer früher '/s, die Gelblichen 4/s. Damals aber
erhielten diz Lehrer etwa 2/s, die Geiftlichen G.
173
Die Gciftlidien mußten 1 % ihres Gehalts an den rheiniiehen Emeriten-
fonds entrichten. Im Jahre 1865 erklärte fich das Presbyterium bereit,
die Hälfte diefes Beitrags mit jährlich 10 l/s Talern zu übernehmen.
Im Jahre 1867 bewilligte die größere Gemeindevertretung unter dem
Vorhl; und auf Antrag des Konhfiorialrats Korten im Beifein des
Landrats von Gärtner jedem der drei Pfarrer „ad dies vitac et
muneris eius“ (auf Lebens- und Amtszeit) eine perfönliche jährliche
Gehaltszulage von 100 Talern,
m Jahre 1872 wurde den drei Pfarrern eine Zulage von je 100 Talern
und außerdem dem 2. Pfarrer Zickwolff und dem dritten Pfarrer Engel
eine perfönliche Zulage von je 50 Talem bewilligt. Das Gehalt des
Kirchenrechners Bruch wurde von 25 Talern auf 40 Taler erhöht, die
Küfter und Glöckner Köhl und Schwarzer erhielten eine jährlidie Zu-
lage von 10 Talern unter der Bedingung, daß die Frühbetglocke wieder
regelmäßig geläutet werde. Außerdem follte die Stadtverwaltung erfudit
werden, den Glöcknern für das bürgerliche und polizeiliche Läuten eine
Vergütung zu gewähren.
Im Jahre 1872 bcfchloß die Saarbrücker Kreisfynode die Gründung einer
Synodal-Witwen- und Waifen-Kaffe. Das Presbyterium und die größere
Gemeindevertretung traten dem Verbände bei und bewilligten den
jährlichen Beitrag von 5 Talern für jede der drei Pfarrftellen.
Im Jahre 1884 trat die Gemeinde der Pfarrer-Witwen- und Waifenkaffe
bei. Im Jahre 1908 wurde das Pfarrerbefoldungsgefet; und. zugleidt
ein Wohnungsregulativ erlaffen und damit eine feite Norm für das
Einkommen der Pfarrer gegeben.
Im Jahre 1922 lehnten die Pfarrer lro£ des gefunkenen Wertes der
Mark die von der Regierungskommiffion angebotene Frankenbefoldung
ab. Am 1. Juni 1923 aber wurde die Frankenwährung als das allein
gültige Zahlungsmittel im Saargebiet cingeführt und deshalb auch das
Gehalt der Geiftlichen in Franken feftgefeßi.
174
3. DIE PFARRHÄUSER
Das crfte Pfarrhaus, das erwähnt wird, [fand an der Südfeitc der
Schlohkirdbe und war ohne Zweifel aus kirchlidien Mitteln zur Wohnung
der feit 1400 hier angeftellten Frühmcffer erbaut worden. Hier wohnte
feit 1549 der Kanoniker Johann Walt, der erbe Pfarrer zu Saarbrücken,
und feine Nachfolger.
Um das Jahr 1570 wurde von der Saarbrücker Bürgerfchaft ein neues
Pfarrhaus an die neuerbaute Schule (das fpätere Gymnafium) angebaut,
welches von dem Pfarrer und Sduilinfpektor Rüdingcr bewohnt
werden follic; da diefer fidi aber felbft ein eigenes Haus erbaute, fo
wurde das Pfarrhaus im Jahre 1582 an den Goldfdimied Nikolaus
Strohmayer für 8 Gulden vermietet. Es lag am Eingang der Allneugaffe.
Als fpäter Saarbrücken zwei Pfarrer und einen Diakon erhielt, wurden
die Pfarr- und Stifrshäufer fämtlich benutzt, namentlidi wohnte M. Johann
Schlaffer, zweiter Pfarrer zu Saarbrücken, im Pfarrhaus neben der
Schule. Unfern davon lag an der Stadtmauer auch ein zum Pfarrhaus
gehöriger Stall und Garten. Der Diakon wohnte in der Vorftadt, wo
das Stift ein Haus für 1200 Gulden erworben hatte.
Beim Brand der Stadt 1677 wurde das Pfarrhaus neben der Sdilo^kirdie
ebenfalls ein Raub der Flammen, aber im Jahre 1705 wieder aufgebaut.
In der Haufer-Lifte von 1740 wird es erwähnt. Im Jahre 1748 wohnte
dort der Rektor und Pfarrer Beizer. Im folgenden Jahre kaufte der Fürft
Wilhelm Heinrich das Haus für 1200 Gulden und lieh es mit der
fogenannten Schloh-Infel ablragen.
Dagegen erwarb die Stiftsverwaltung im Jahr 1749 von dem Fürften
ein Haus in der Hintergaffe, nebft einem großen hinter demfelben
gelegenen Garten für 2600 Gulden. Diefes Haus wurde nun zum
Pfarrhaus eingerichtet und nadieinander von den Pfarrern Schmidt,
Laukhard, Bartels und Rödiling bewohnt.
175
Im Jahre 1724 wohnte der geiftlidie Infpektor Beer im Stiflshaus neben
dem Rathaufe. Später wird dasfelbe des Superintendenten Haus
genannt.
Im Jahre 1753 erkaufte die Stifts-Verwaltung das Haus des Pfarrers
Schmidt (von St. Arnual) an der Marktpforte, wo vormals die ftädtifche
Hcufchcucr ftandt für 5000 Gulden zur Superintendenten-Wohnung.
Im Jahre 1768 wurde die neue Superintendentur, jeht (Kirdrcnkaffe),
am Ludwigspfaß erbaut und zuerft 1775 von Oberpfarrer Bartels
bewohnt; nadr ihm 1780 von Infpektor Bartels bis 1806, fpäter von
den Pfarrern Wagner und Hildebrand. Das Haus an der Marktpforte
wurde von dem Superintendenten emeritus Rolle für 3916 Gulden
erworben.
Um diefelbe Zeit wurde das reformierte Pfarr- und Sdrulhaus (jeßt
Wohnhaus des Gymnafiums) am Ludwigsplaß (neben der Poft) erbaut,
in dem zuerft der reformierte Prediger Manfa wohnte.
Im Jahre 1857 wurden Gasröhren in die Pfarrhaufer gelegt; die Koften
fielen den Nutznießern zur Laft.
Der zur erften Pfarrftelle gehörende Garten am Deutfchherrnweg wurde
im Jahre 1870 für 635 Taler verkauft.
Im Jahre 1883 faßte das Presbyterium folgenden Befdrluß: „In An-
betracht, daß das vom Stifte St. Arnual im Jahre 1749 für die Hefige
Pfarrgemeinde angekaufte, damals längft erbaute und bewohnte Pfarr-
haus in der Hintergaffe alt und feiner Beftimmung nidif mehr würdig
¡ft, und daß demnadi auf Erfaß Bedacht genommen werden muß; in
Anbetracht fodann, daß die Bürgerfdiaft Hefiger Stadt mit 200 Prozent
Kommunalfteuer und die evangelifdaen Pfarrgenoffen mit 22,8 Prozent
ihrer Klaffen- und Einkommcnfteuer zu Kultuszwecken belaftet find,
und daß, um dem Verfall der großen Ludwigskirdie zu wehren, in
den nächften Jahrzehnten von der Pfarrgemeinde ungewöhnlich große
Anftiengungen gemacht werden muffen, daß alfo die Pfarrgemeinde
176
lehr nötig hat, ihren Voranfchlag für die bevorftehenden Anfprüche an
die Kirchenkaife zeitig zu machen und nadr und nach einen Fonds für
die Pfarrhausbefdiaffung anzufammeln, beichlie^t das Presbyterium auf
Antrag des Kirdimeifters Herrn Kommerzienrat Theodor Röchling,
im Rückblick auf die Gefchichte der Verhältniffe der hiefigen Pfarrei
zum Stifte St. Arnual die verehrlidie Stiftsverwaltung zu bitten, diefelbe
Unterftübung aus Stiftsmittefn an die hiefige Gemeinde gewähren zu
wollen, welche fie der Gemeinde St. Arnual zu ihrem neuen Pfarrhaufe
gewährt hat, und dies von jeist ab in Jahresgaben zu diefem Zweck
zu betätigen.“
Das alte Pfarrhaus in der Hintergafie, das zuletzt Pfarrer Kenner
bewohnte, wurde im Jahre 1885 von dem Stift verkauft und der Erlös
(12570 M.) mit einem Zufdru^ von 10000 Mark der cvangelifdren
Gemeinde zum Bau eines neuen Pfarrhaufes überwiefen. Das neue
Haus follte ebenfo wie die beiden andern Pfarrhäufer, an denen das
Stift die nuda proprietas befeffen halte, wobei jedodr das Rechts-
verhältnis zwifdien Stift und Gemeinde fortbeftehen follte, in das
ausfchlie^liche Eigentum der Gemeinde Saarbrücken übergehen. Im
Jahre 1887 wurde ein neues Pfarrhaus in der Neugeländftra^e erbaut.
Die Koften betrugen 27500 M. Es wurde im Jahre 1913 verkauft.
Im Jahre 1874 wurde in dem zweiten Pfarrhaufe eine Wafferlcitung
angelegt. Die beiden andern Pfarrhäufer befanden fidr am Ludwigs-
platj (Nr. 4 und Nr 11); he flammen beide aus dem 18. Jahrhundert
und find jeht wegen Unwohnlidikeil aufgegeben. Das eine ift verkauft,
in dem andern befindet fich die evangelifdie Kirchenkafle. Der Bau
eines neuen Pfarrhaufes, zu dem der Ardütekt Robert Rupp einen
preisgekrönten Entwurf geliefert hatte, wurde durch den Weltkrieg
verhindert. Seitdem find zwei Häufer, für den erften Pfarrer in der
Zähringerftralje und für den zweiten Pfarrer in der Spichererbergftralje,
gekauft worden; der dritte Pfarrer hat eine Mietwohnung bezogen,
ebenfo der vierte Pfarrer, der von der Synode für Jugend- und
Wohlfahrtspflege angeftellt worden ift.
12 Gcldiidife der ev. Gemeind« Alt-Saarbrüdcen.
177
III. DIE KIRCHEN
1. DIE SCHLOSSKIRCHE
Über den Bau der Schloljkirche gibt uns einigen Auffchlulj ein im
Slaatsardiiv zu Coblenz befindliches Bruchftück der „Redmong
vom nuwen Buwe der nuwen Kyrge zu Saarbrücken von eyme jar
angangen uff sondag miscricordia in anno XIIIICLXXVI jar. Inname
von den alle buwemeislern an gelde. It han wir entffanen von erhärt
snider und pet. sdrryber und nicklas steime^ alte buwemeistcrn
die in uberridi waren belyben (übrig geblieben waren) in yrer rechnong
2 gülden 2 albus.“ Hierzu kam das der Herrfdraft und der heiligen
Kirche zuftehende Umgeld, ferner Frongeld, fodann das Geld, das
Sonntags in der Kirdie gefammelt worden war, ferner die Beiträge
(„boitzefte“) von auswärtigen Bruderfdiaften des heiligen Geiftcs, von
St. Bernhard, St. Nicolas, St. Antonius, St, Anaftafius, St. Gangolf
und St. Rupredit, von einer jeden 2 fl,, zufammen 34 fl. Dazu kamen
verfdiiedene Gefchenke von Privatleuten, von der Abtei St. Nabor
(St. Avold,) von der St. Nikolaus- und der St. Georgs Bruderfchaft,
zufammen 326 Gulden, 16 Albus, 2 Pfennige.
Der den Bau ausführende Steinmetz war Meiftcr Hans mit feinen
Knediten Philipp und Peter; er erhielt täglich 4 Albus 10 Va Heller,
die Knedite 3 Albus. Säe fingen Sam.-tag nach dem Heiligen Kreuztag
an und arbeiteten während der Woche oft nur zwei Tage. Jeden
Samstag wurde mit ihnen abgeredmet. Als Sdimied wird Meifter
Hans von Zabern genannt. Die Gefellen werden meiftens nach ihrem
Wohnorte benannt, fo Peter in dem Dalle, Tonnis vor der Porten,
Hans von Nünkirge, Hans von Uditclfangen u. a. Bei Güdingen
wurden die Steine gebrochen; die Bauern von Güdingen und Bübingen
mußten fie laden und erhielten dafür Brot. Die Knechte der Deutfch-
178
Herren und des Abtes von Wadgaffen mußten die Steine anfahren, die
Leute von Malftatt das Holz.*)
Aus diefer Nachricht geht hervor, dalj der Bau nicht erft i. J. 1476,
fondern fdion vorher begonnen worden war, da drei alte. d. h. frühere
Baumeiftcr erwähnt werden. Sehen wir uns nun nadi den Zeitverhält-
niffen um. Im Jahre 1472 war Graf Johann III. geftorben, deffen
prächtiges Grabmal in der Stiftskirche von St. Arnual von befonderem
künftlerifdien Werte ift. Da er in zahlreidie Fehden verwickelt war,
fo hatte er nicht nur die Burg Saarbrücken neu befeftigen, fondern
auch den Mauerring der Städte durch die Bürger verftärken faffen.
Auf die Klage der Bürger, dalj es ohne des Grafen Rat, Hilfe und
Gnade nicht möglich fei, die „Befeffigung und Gewehre der Städte, wie
dies not ift, zu bauen und zu vollführen*', gehaftete er ihnen, ein
neues „Umgeld", d. h. eine auftergewöhnlidre Abgabe vom Wein,
nämlich die zwanzigfte Ma^ von allem zum Zapfen verkauften Wein,
zu erheben. Dicfes Umgcld follten die Bürger anlegen „an Bau, Be-
feftigung und Gewehr oder fonft zu Nut^ und Notdurft der zwei
Städte. In jeder Stadt follte aus den Bürgern ein redlicher und ver-
ftändiger Mann zum Baumeifter gewählt werden, der in Saarbrücken mit
dem Meier und in St. Johann mit dem Burgemeifter das Umgeld
hebe, verbaue oder anlege. Davon follten fie den Bürgern alljährlich
Redmung legen.
Der Graf war aber auch auf Vcrfchönerung der Städte bedacht. Im
Jahre 1461 befahl er, dalj jeder in der Stadt, es feien Edle, Bürger,
Freie oder andere, vier Fulj breit vor feinem Haufe zu poweien (pflaftern)
habe; was darüber fei, folle die Gemeinde tun und bezahlen.
Der Graf war in erfter Ehe mit der reidien Gräfin Johanna von Loen
und Heinsberg vermählt und verfügte über bedeutende Geldmittel, Im
Jahre 1471 lud er feine Verwandten und Freunde, u, a. den Kur-
*} Lohmeyer, Die Kunft in Saarbrücken. (Mitteilungen des Rheinifchcn Vereins für
Denkmalpflege und Heimatfchutj, 6. Jahrgang 1912, Heft 1.)
179
fürften Friedrich von der Pfalz, den jungen Pfalzgrafen Philipp, den
Herzog Nikolaus von Lothringen und den Bifchof von Speier zu einem
Feft nach Saarbrücken eia> So ergibt fich mit großer Wahrfcheinlichkeit,
dal? der Bau der Schloljkirche auf Veranlagung des Grafen Johann III.,
alfo vor dem Jahre 1472, begonnen worden ift, und dal? damals nicht
nur der nördlidre Vorbau, die Sakriftei, fondern das Hauptfchiff der
Kirdie eniftanden ift. Vielleicht hat der Bifdiof von Speier den Grafen
darauf aufmerkfam gemadit, dal? die i. J. 1261 erbaute und baufällige
Kapelle nicht feinem Anteilen entfpredic. Zu einem befriedigenden
Stadtbild gehörte audi ein würdiges Gotteshaus. Darin wetteiferten
im Mittelalter Fürften und Bürger. Die SchIoI?kirche war urfprünglidi
ein einfdiiffiger Bau mit einer Kapelle und Sakriftei, die an der Nord-
feite angebaut find. Der Chor bildet ein Fünfeck, der Glockenturm
fteht an der Südweftedce der Kirche.
Unter dem Grafen Ludwig (1602—1627) wurde die iüdliche Seiten-
wand des Schiffes zu drei Viertel ihrer ganzen Länge ausgebrochen
und an diefe Oeffnung ein Seitenfchiff angebaut, in dem zwei Bühnen
übereinander angebracht wurden; auf der einen Bühne befand fich
der Fürftenftuhl. Graf Ludwig liel? auch eine neue Kanzel errichten,
die im Jahre 1623 eingeweiht wurde. Sie ruht auf einer jonifdien
Säule und ift mit den Bildern hervorragender Kirchenlehrer gefchmüdd:
Auguftinus, Hierom mus, Ambrofius, Chryfoftomus, Athanafius und
Cyrillus. An der Schalldecke lieft man die Infchrift: „Rufe getroft und
fdione nicht, erhebe deine Stimme wie eine Pofaune!“ (Jefaias 58,1.)
Auf drei von Engeln gehaltenen Schilden fteht: Gloria in excelsis
Deo (Ehre fei Gott in der Höhe), Die Schalldecke erhält ihren Ab-
fchlul? durch das Symbol der chriftlichen Liebe, einen Pelikan, der
feine Jungen mit feinem eigenen Blute nährt. Auch eine neue Orgel
wurde damals eingefügt. Graf Ludwig hat auch eine neue Hofkapelle
gebaut. Diefe wurde am 12. November 1615 von dem Superintendenten
Magifter Georg Keller geweiht. Seine Predigt bei der Einweihung
der „von newen uffgebaweten Naffau-Saarbrückifchen Hoff Capell“ ift
180
uns noch erhalten. Er lagt darin von der früheren Zeit: „Zu Hoffe achtete
man des Gottesdienftes audr fehr wenig und wurde eine folche Cape!!
in einem Winckcl gefunden, die keiner Capellen Namen würdig war.“ —
„So haben wir aber anftatt einer fchlechten Capellen nunmehr eine
folche Hoff-Capelle, da^ dergleichen in wenigen Fürft- und gräflichen
Häufern zu finden.“ Diefe Worte können fidi nicht, wie man ange-
nommen hat, auf die ftattliche Sthlohkirche beziehen, die nicht als eine
Hofkapelle bezeichnet werden konnte, fondern auf die Erneuerung der
Kapelle im Schloß, die i. J. 1577 (Lohmeyer a. a. O. S. 25) erwähnt
wird. Eine fchöne Kapelle im Schloß wird von Andrcae i. J. 1638
und auch bei der Belagerung der Burg Saarbrücken i. J. 1677 {Ge-
fchichte der Graffchaft, 2. Aufl. II. S. 140) erwähnt. Wenn die Kirdie
erft i. J. 1615 entftanden wäre, fo würde fie in einem andern Stil er-
baut worden fein.
Bei der Belagerung von Saarbrücken i. J. 1677 geriet das Dach der
Kirdie und des Turmes in Brand, die Glocken zerfchmolzcn, und das
Deckengewölbe ftürzte ein. B.i der Wiederhcrftellung wurde eine
Balkendecke eingezogen*, ‘der Stiftsfchaffner Johann Bernhard Pfeifer
verlangte im Jahre 1683 von dem Kirchenfchaffner in Saarbrücken die
Bezahlung von 60 Eichcnftämmcn, die das Stift zum Bau der Kirche
geliefert hatte. Die Anfäbe des Gewölbes find noch fichtbar. Auf
die verkürzten Rippen oder Dienfte find Bilder von Apofteln und
Evangeliftcn gefelgt worden. Der Turmhelm wurde 1691 in dem da-
maligen Stil neugebaut und neue Glocken aufgehängt. Eine neue
Orgel war fchon im Jahre 1686 aus Tholey befchafft worden. In der
Folgezeit ift die Kirche wiederholt erneuert worden, fo in den Jahren
1841 bis 1844 unter der Leitung des Baumeifters J. A. Knipper.
Dabei wurde die für die Beamten beltimmte Bühne im Chor abgeriffen
und dadurch der Kirche mehr Licht gegeben. Auch wurden damals
zwei Grüfte im Chor geöffnet; in der einen befand fich, in gelbe Seide
gehüllt, die Leiche des im Jahre 1768 verftorbenen Fürften Wilhelm
Heinrich, in der andern die in dunkle Seide gehüllte Leidie der im
181
Jahre 1780 m Alter von 29 Jahren verftorbenen Fürftin Wilhelminc,
der elften Gemahlin des lebten Fürften Ludwig. Dem Mitgefühl mit
der unglücklichen Fürftin gab der Budrhändlcr Heinrich Arnold, Kirch-
mciftcr und Mitglied des Presbyteriums, bei der Schließung der Gruft
durch zahlreiche, in ein Zinkkäftdren eingefdrloliene Beigaben, u. a.
einen von der Fürftin felbft gedidrteten Klagegefang, Ausdruck. Die
Koftcn der Wiederherftellung beliefen fich auf 2540 Taler. Einen 1 eil
derfelben übernahm die Stadt, der größere Teil wurde auf die evan-
gelifchen Bürger umgelegt.
Das Bcmcrkenswertcfte in der Kirche find die Grabdenkmäler aus dem
18. Jahrhundert. Sie waren im Laufe der Zeit fchr befdrädigt worden
und wurden im Jahre 1898/99 erneuert, nadidcm die Provinzial-
verwaltung und die evangelifche Gemeinde Saarbrückens die notigen
Mittel bewilligt hatten.
Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts war die Schloßkirche die Be-
gräbnisftätte der Grafen von Naffau-Saarbrücken. Die Gruft befindet
fich unter dem Altar. Hier wurde als erfte im Jahre 1651 die Gräfin
Anna Amalia von Baden beigefeßt, die Witwe des Grafen Wilhelm
Ludwig, der 1640 im Elend in Meß geftorben war. Sie felbft halte
a’len Jammer des SOjährigcn Krieges erlebt; die Armut der Zeit gönnte
ihr kein Grabmal. Neben ihr ruht der junge Graf Guftav Adolf, der
Sohn des gleidrnamigen Grafen, der im Jahre 1683 durch einen un-
glücklichen Schuß feines Bruders im Aller von 16 Jahren in der
„Reppersberger Hohl“ feinen Tod fand. Das erfte Grabmal erhielt
Graf Guftav Adolf, ein hürft von edit deutfdrer und evangelifcher
Gefinnung. Er war im Jahre 1632 geboren und hatte feinen Namen
nach dem großen Sdiwedcnkönig erhalten, der damals in glänzendem
Siegeszuge den deutfdren Protcftanten Befreiung brachte. Als ihn.
im Jahre 1673 die Franzofen, welche in Saarbrücken eingezogen waren,
aufforderten, des Kaifers und des Reiches Dicnft fahren zu laffen und
fich an Frankreich anzufdrlicßen. weigerte er fich, feinen dem Reiche
geleiteten Sdiwur zu brechen. Darauf wurde er von den Franzofcn
182
als Gefangener nach Mch abgeführt und erft nach vielen Bitten und
Bemühungen feiner Gemahlin Eleonore Klara freiyelafien. Er nahm
Dienft im Kaiferlichen Heere als Generalwaditmeifter und Oberfter über
zwei Kreisregimenter und wurde in dem Gefedrt am Kochersberg
(zwifdren Strasburg und Zabern) am 7. Oktober 1677 tödlich ver-
wundet und gefangen; er ftarb zwei Tage fpäter, am 9. Oktober, in
Strasburg in einem Alter von 45 Jahren. Aus dem Sdiloife feiner
Vater vertrieben, follte er nicht den Tag der frohen Heimkehr fdrauen;
auf dem Sdifgditfeld fand er für Kaüer und Reidr kämpfend den
ehrlichen Reitertod. Sein Leichnam wurde m dem Klolter St. Nicolai
in undis und fpäter in der Andreaskapelle der Thomaskirdie zu Stras-
burg beigcfcht. Der Sarg mit der einbalfamierten Leidie wurde im
Jahre 1802 wieder aufgelunden und ift nodi ictjt in der Thomaskirdie
zu fehen. Die unter dem gläfernen Sargdeckel fiditbare Leidie ift mit
Rock, Weite und Beinkleidern von braunem Tudie, die Fülje mit
Sdiuhen und die Hände mit gemslcdernen Handfdiuhen bekleidet, den
Hals umgibt eine Kraufe. Auf dem Haupte, das aut einem mit wohi-
riedienden Kräutern gefüllten Kiffen ruht, trägt der Graf eine fpitsen-
befehte Mühe von Silberftoff. Seine Züge bewahrt das fdiöne Denk-
mal, das fein Sohn Ludwig Crato im Jahre 1700 feinen Ellern durdi
D. Coraillc crriditen liel^. Auf den Helm geftül)!, liegt der tapfere
Graf in voller Rüftung da; feinen Kopf bedeckt eine mächtige Allongen-
perücke. Vor ihm kniet betend feine Gemahlin Eleonore Klara,
das. Antlitj zu dem hinter ihrem Gatten behenden Kruzifix ei hoben,
lieber diefen Gehalten erblickt man den Genius des Ruhms mit Trom-
pete und Lorbeerkranz, hinter ihm einen trophäenartigen Aufbau von
Fahnen, Lanzen, Trommeln und Kanonen, zur Seite das Saarbrückilche
und das Hohenlohifche Wappen. Am Sockel ruht der Todesengel mit
Senfe und Sanduhr, zu beiden Seiten zwei Genien mit gehobener und
gefenkter Fackel, lieber dem Bilde des Grafen fleht der Sprudi:
Duice pro patria mori (Sülj ift der Tod fürs Vaterland). Links von
diefem Denkmal befindet Hdr das bis zu dem Gewölbeanfah reidiende
Wandgrab des Grafen Ludwig Crato (Kraft) und feiner Gemahlin
183
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184
Graf Guftav Adolf auf feinem Grabmal (in der Schloljkirchc)
Philippine Henriette von Hohenlohe. Vor dem fehwarzen Sockel halten
zwei Löwen das Allianzwappen von Naffau-Saarbrücken und Hohen-
lohe, das mit einer Grafenkrone bedeckt ift. An den Ecken heben
zwei Engel Sdrilde mit je acht Ahnenwappen empor. Darüber ift
zwifdien zwei weiten Konfolcn eine ichwarze Tafel mit der lateinifchen
Grabfdirift angebradit. lieber der Tafel ftehen in einer durdr zwei
korinthifche Säulen und zwei korinthifdre Halbiäulen eingerahmten
Nifdie die Geftalten des gräflichen Ehepaars, Graf Ludwig Kraft in
hoher Allongenperücke, glänzender Rüftung und zierlicher Haltung, das
redite Bein über das linke gcfdilagen, der redite Arm mit dem Kom-
mandoltab auf dem Helm ruhend, der auf einer mit allegoriichen
Zeidien bedeckten Säule ftcht, die in dem Mantel verborgene Linke
in die Seite geftemmt, neben ihm feine Gemahlin in der Hoftradit jener
Zeit, in der rechten Hand ein Kreuz haltend. Den Hintergrund bildet
ein blauer, mit goldenen Hermelinfdiwänzdien verzierter Teppich. Zu
beiden Seiten ftehen die Geftalten der Beredfamkeit und des Reiditums.
Auf dem Architrav lefen wir die latcinifche Infdirift: Mors non disjungit
amantes (der Tod trennt die Liebenden nicht). Den Abfchlu^ des
Denkmals, das auch von Coraille verfertigt ift, bildet eine Trophäe, in
deren Mitte eine Viktoria einen Kranz nach unten rcidit.
Das Grabmal ift charakteriftifch für die Zeit, in der es entbanden ift.
Der Graf Ludwig Kraft hat ganz die Haltung eines Ludwig XIV.,
an deffen Hof er auch öfters verkehrte. Er war ja franzöfifdier Ge-
neralleutnant und Oberft des Regimentes Royal-Ailemand. Am fran-
zöfifdien Hofe war er fehr angefehen, wie der Herzog von St. Simon
und die Herzogin Elifabeth Charlotte von Orleans bezeugt haben.
Dem cvangclifdien Glauben blieb er treu, obwohl man ihm die Vor-
teile des Uebertritts nahe legte.
Das Gegenftück zu dem Grabmal des Grafen Ludwig Kralt ift das
Hodigrab feines Bruders Karl Ludwig auf der anderen Seite des
Grabmals des Grafen Guftav Adolf. Es füllt ebenfalls die Wand in
ihrer ganzen Höhe. Auf einem Sockel von fdiwarzem Stuckmarmor
186
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Grabmal des Grafen Ludwig Kraft ff 1713) und feiner Gemahlin ■. gy
Philip pincHenriette von Hohenlohe in der Schlohkirdie Saarbrücken
Grabmal des Grafen Karl Ludwig (f 1723) und feiner Gemahlin
Chriftiane von Ott weif er in der Schloljkiiche zu Saarbrücken
flehen die Infchriiten. Darüber flehen in einer von zwei Halbfäulen
eingefchloffenen, von je acht Ahnenwappen umrahmten und durch eine
grolje Mufchel abgefchioffencn Nifche in ähnlicher Haltung wie die
vorigen die Bilder des Grafen und feiner Gemahlin Chriftiane von
Otiwciler, zwilchen ihnen ihre beiden vor ihnen geftorbenen Kinder.
Darüber ift der grolje Naffau-Saarbrückifche Wappen angebracht.
Die im Jahre 1780 geftorbene Fürftin Wilhelmine hat kein Denkmal
erhalten. Das letzte Grabmal deckt die Afdre des Fürflen Wilhelm
Heinrich, des Begründers der Saarbrücker Induftric, unter dem audi
die hervorragendften Bauwerke in Saarbrücken durch leinen Baumeifier
Stengel gefchaffen wurden. Das Grabmal des Fürften, im Rokokoltil
ausgeführt, ftand urfprünglidr über der Gruft mitten im Chor, ift aber
feit 1881 an der Südfeite des Chors aufgcftellt. Auf vier vergoldeten
Löwen ruht der aus buntem Marmor gearbeitete Sarkophag; über
diefen fällt ein weites Tudr mit goldenen Franfen, das die lateinifdie
Infchrift trägt. Darüber erhebt fich ein Aufiah, der in einer von einer
Sdilange umwundenen Urne ausläuft. Diefe Urne, aus der eine Flamme
emporfteigt, trägt das Bildnis Wilhelm Heinrichs im anliken Stil, auf
welches die links fitjende Figur der Gerediligkeit (mit dem Sdiwerte)
hinweift, während redits die Wahrheit (mit dem Spiegel) die Urne
umfaßt hält und bewundernd nach dem Bilde hin'chaut. Die beiden
Figuren find ganz im Geichmacke der Zeit gehalten, wie denn das
Ganze weniger an ein Grabmal als an einen Tafelauffatj oder eine
Rokokouhr erinnert.
In der Ueberfchrift wird der Fürft als ein großer Baumeifter auf Erden
gefeiert, der fich jedoch ein fchöneres Denkmal in den Herzen der
Bürger fetzte.
Unter Fürft Wilhelm Heinrich wurde die Schlofjkirche erneuert und die
Koften durch eine Sammlung aufgebracht. Darauf bezieht fich die
folgende Bittfchrift:
189
„Untcrthänigfte Supplic
der alten luthcrifchen Siadt-Kirchc
„ "iu Saarbrücken
an
Sereniffimi Regentis Hoch-
Fürillidie Durchlaudit
um.gnädigile Verwilligung
eines Gollcctenbudis
Durchlauchtigiter,
ich fchäme mich:
die ganze Stadt vcrfchönert fich
durch neue prächtige Gebäude;
und ich geh noch im alten Kleide.
Doch mir iftr für die morfchc 1 radit,
auch eine beffre zugedacht,
und wie ich äußerlich vernommen,
fo foll ich iie recht ichön bekommen.
Mein altes Itcinernes Gewand
hielt fchon 300 Jahre Itand:
nun aber wird der Raum zu enge
für meiner vielen Kinder Menge.
Ich bitte mir von Haus zu Haus
die Freiheit zur Collecte aus,
bei allen redlidren Perionen
die in Ew. Durchlaucht Landen wohnen.
Vor andere Thüren mag ich nicht,
als wo man rcdlidr ihut und Ipricht.
die Gott und ihren Fürften ehren,
die werden'mich gar gerne hören.
Der Arme bindt lein Hellerlcin
in nachdruckvolle Wünfche ein ;
der Mittelmann iteurt nach Vermögen,
der Reiche Ichenkt von feinem Segen.
Ein Chrift, der mir nicht angchört,
und neben mir lieh ruhig nchrt,
wird doch die Nadibarfchaft bedenken
und ebenfalls ein Opfer fchenken.
Sogar der Enkel Abrahams,
der Flüchtling jenes alten Stamms,
läljt fich vielleicht das Geld nicht dauern
und baut ein Stück an meinen Mauern.
Ich weil? nicht, wo mein Glücke blüht,
und ob mein Bau fich lang verzieht,
doch weil? ich, was mein Fürft erwogen,
das geht, geräth und wird vollzogen.“
Die Bitte wurde durch ein poetifdies Decretum des Fürften _ gewährt:
„Der Kirchenbau bleibt feftgeltellt,
und wer es darin mit mir hält,
von lelbigem wird nach Belieben
ein Beytrag in das Buch gefchricben.“
Im Jahre 1787 wurde dem Hofapotheker Koch der zwilchen der Kirdie
und feinem Haufe befmdlidie Gang zur Verbefferung feines Haufes
für 50 Gulden käuflich überlaffen. Koch follte aber die Treppe der
Kirche überlaffen, eine Vorlage von guten Quaderfteinen anlegen, die
kleine Kirchtüre zumauern laffen und den Ofen, der den Bedientenftuhl
(die Beamten-Empore) in der Kirche heizte, fo felgen laffen, dal? die
Einfeuerung in diefem Kirdicnftuhl gelchchen könne, und die Kirdien-
fenfter nicht verbauen.
Auf den Vorfchlag des Superintendenten Hildebrand wurde i. J. 1823
der verfallene ehemalige herrfchaftliche Stuhl in der Schlohkirche als
Emporbühne in Stand gefet?t und den Mitgliedern des Presbyteriums
als befonderer Sit? angewiefen. Der darunter befindliche Stuhl wurde
für die Schüler der oberen Klaffen des Gymnafiums beftimmi. Damals
beftand noch das Amt zweier Kirchenzenforen. Der eine von ihnen
erhielt eine Vergütung von 5 Talern jährlich, der andere hatte die
Brote für das Abendmahl gegen Bezahlung zu liefern.
191
Schon i. J. 1847 war der Plan getagt worden, die Schlo^kirche im
Winter zu erwärmen, aber cs war nicht zur Ausführung gekommen.
Im J. 1855 erboten lieh mehr als 90 Jungfrauen der Gemeinde die
Mittel zu diefem Zweck, auch zur Erleuchtung der Kirche beim Abend-
gottesdienft zu fammeln.
Im Jahre 1862 wurde die Schlofjkhche befonders an der oberen und
unteren Langieitc erneuert, außerdem zur Trockenlegung der Kirche
ein Luftzugkanal an der oberen Langfeite angelegt. Die Mittel
wurden durch Sammlung bei den Gemeindemitgliedern aufgebracht.
Befondere Verdienfte erwarben fich Dr. Schmidtborn und Rechnungsrat
Weil^bom. Als Gefchenkgeberin wird befonders Frau Kommerzienrat
Schmidtborn in Frankfurt a. M. erwähnt. Außerdem wurde die jähr-
liche Gemeinde-Umlage für die nächften drei Jahre auf 1600 Taler
erhöht. Im Jahre 1868 wurde dem Dachdecker Jabob Zorn der Dank
des Presbyteriums für die unentgeltliche Ausbefferung des Daches der
Sdüoljkirdie ausgefprochen.
Im folgenden Jahre lüftete ein Mitglied und ein ehemaliges Mitglied
der Gemeinde je ein farbiges Glasfcnfter für die Kirche.
Im Jahre 1870 entwarf der Bauinfpektor Lieber (der Erbauer des
Winterbergdenkmals) einen Plan zur itilgerechten Hcritellung der
Schloljkirche. Das Presbyterium befchlof? zunächft die beiden Fenfter
nach dem Hofe mit dem durch die Schenkung der neuen Chorfenfter
entbehrlich gewordenen farbigen Glafe auszuftatten. Herr A. Wilkens
erbot fich, die Koften zu tragen, was mit Dank angenommen wurde.
ln demfelben Jahre legte der Direktor der Bergichule Dr. Römer, der
zu der größeren Gemeindevertretung gehörte, einen Plan zur Erwärmung
der Schlo^kirche durch eine Luftheizung vor, der von der Gemeinde-
vertretung angenommen wurde. Die Mittel feilten teils durch eine
Sammlung, teils durch eine Umlage aufgebracht werden. Der Plan
wurde von dem Bauinfpektor Lieber geprüft und gutgehei^en. Die
Koften der Herftellung wurden auf 648 Taler angefchlagen; während
192
die Koften der jährlichen Heizungen, deren Zahl auf 20 angenommen
wurde, fich auf 60 Taler belaufen folllcn. Am 18. Juni 1871 hcfchloh
das Presbyterium die Ausführung diefes Planes*
Nachdem in den Jahren 1889/1890 die Kirche zum Teil erneuert worden
war, wurde im Jahre 1896 eine gründliche Wiederherftellung in Angriff
genommen. Die feuchten Wände des Chors wurden mit Zement
beworfen und die vielfadi belchädigten Grabdenkmäler mit der Beihilfe
der Provinzialvcrwaltung und unter der Leitung des Provinzialkonfervators
Profeffor Dr, Clernen durdr den Bildhauer Karl Wüft aus Stuttgart
wicderhcrgeftellt. Schliehlidi wurden die erneuerten Denkmäler durch
den Hofphotographen Anfelm Schmih in Köln in muftergültiger Weife
photographiert und mit den Grabdenkmälern von St. Arnual in einer
Bilderausgabe vereinigt. Audi wurde eine neue Orgel angefdiafft,
die der Orgelbauer Adrian Spamann zu Bolchen verfertigt hatte. Sie
koltetc 6200 Mark. Die Militärgemeinde, die die Benutzung der
beiden Kirchen auf 20 Jahre gegen eine jährliche Enlfchädigung von
300 Mark zugeflanden wurde, zahlte zur Befchaffung der neuen Orgel
einen Beitrag von 2000 Mark.
Im Jahre 1901 wurde das Hauptfenfter über dem Portal mit neuem
beinernen Mähwerk und mit neuer Verglafung verfehen, die von der
Marianncntalcr Glashütte geliefert wurde. Zugleich wurde Heizung
und Beleuchtung mit Gas eingerichtet.
Im Jahre 1905 Itellte fich wieder eine Erneuerung der Schloljkirche
als notwendig heraus. Die füdlidre Seitenwand der einfehiffigen Kirche
war, wie fdron erw'ähnt wurde, unter dem Grafen Ludwig im 17. Jahr-
hundert durdibrochen und hier ein Seitenfdriff mit zwei hölzernen Em-
poren angebaut worden, die im Laufe der Zeit erneuerungsbedürftig
geworden waren. Die beiden Emporen wurden jetst befeitigt und nach
den Plänen des Architekten Robert Ru pp (im Weltkrieg 1915 ge-
fallen) durdt eine auf zwei Steinpfeilern ruhende Empore erlebt; über
diefer wurde eine maffive Mauer bis zum Dadrftuhl aufgeführt. Durch
15 Geidiidile der ev. Gemeinde Ait-Saarbrüd;«n.
193
die folgerechte Ausführung diefer Arbeit erhielt die Kirdie ein fdiöncrcs
Ausfehen. Zugfcidi wurde durch ein neues Fenfter mehr Lidit ge-
fdiaffen, die Decke und die Wände nadi den Angaben des Profcffors
Otkcn-Berlin ausgemalt, die Bänke zum Teil erneuert, eine Niederdruck-
Dampfheizung angelegt und elektrifche Beleuditung eingeriditet. Ein
großer Altarteppich und neue von dem Ehepaar Karl Röchling
gefchenkte Altargeräte vervollftändigten die innere Ausftattung der
Kirche, die durch einen Blitzableiter gefidiert wurde und einen neuen
Wettcrhahn erhielt. Die ftädtifche Verwaltung Heiz auf beiden Kirdien
clekträfdie Schlagwerke anlegen. Die Koften der inneren Erneuerung
wurden zum Teil durdi eine Sammlung der Frau Landrat Böttidier
gedeckt, weiche die Summe von 9000 Mark einbrachte.
Am I. März 1908 wurde die Sdilobkirche, nachdem fie 15 Monate
dem Gottesdienft entzogen war, wieder eröffnet. Die erfte Predigt in
dem erneuerten Gotteshaufe hielt Pfarrer Lic. Radecke über Hebr. 13,8:
„Jefus Chriftus geftern und heute und derfelbe auch in Ewigkeit/"
Im Jahre 1917 wurden, wie fdion erwähnt wurde, die 37 Profpekl-
pfeifen der Orgel für Kriegszwecke befchlagnahmt gegen eine Ent-
fd'iädigung von 564,20 Mk. für 84 kg. Zinn.
Die Kirdie ift 33 m lang, 12 m breit und 16—17 m hodi. Der Turm
hat eine Höhe von ungefähr 40 m. Er trägt auf dem fteinernen gotifdien
Unterbau eine fogenannte Zwicbelhaube, über der eine hölzerne Laterne
und darüber eine kleinere Zwiebelhaubc fidi befindet. Die Turmuhr, ein
Spindeiwerk, ift i. J. 1753 von Gerhard Humbert in Saarlouis angefertigt.
2. D I E LUDWIGSKIRCHE
Die Ludwigskirche, das Meifterwerk Friedridi Joachim Stengels,
ift von Dr. Karl Lohmcyer in leinem Werke über diesen groben
Saarbrücker Baumeiftcr in ihrer ganzen Schönheit gewürdigt worden.
194
Lohmcyer möge uns deshalb als Führer bei der Betrachtung diefes
hervorragenden Bauwerkes dienen, das am 25. August 1775 einge-
weiht wurde und feinem Vollender zu Ehren Ludwigskirche genannt
wurde, obwohl der Erbauer, Fürft Wilhelm Heinrich, ein gröberes Recht
gehabt hätte, der Kirdic feinen Namen zu geben.
195
„Im Feftzuge fdiritt der immer noch rüftige, nun 81jährige General-
baudirektor, dem an diefem Tage, an dem er ja feine Lebensarbeit
beiddolj, befondere Ehrungen zu Teil wurden, „als die Hauptperfon,
und welche zu vorderlt ging" unter dem Läuten aller Glocken, dem
Donner der Kanonen und den Klängen der franzöfifdien Mufikkapellcn
der Regimenter Chamborant Hufaren und Bouillon, die eigens für
dielen Tag nadi Saarbrücken beordert waren, vom Sdilohhofe kom-
mend einher. Vor ihm trug fein getreuer „Polierer“ J. J. Lautemann
einen „vergoldeten Zirkel“ und hinter ihm der Kirdicnfchaffner auf
filberner Platte die Schlüffel der Kirdie, die der Meifler zuerft der
Regierung und diele dann mittelfi fymbolifdrcr Handlung der Geift-
lichkeit überrcidien follte. Die Baukoften hatten fich auf 82000 Gulden
belaufen.“
„Befonders klar und iiberfichtlich liegt der Bau vor uns, wenn wir
von der Wilhelm-Heinridi-Strafte her, deren Endpunkt er bildet, den
Kirchenplaft betreten. Wie malerifch wirkt da die reichbelebte Bau-
gruppe, wie hebt fidr das fo abwedrslungsreich gebildete Dach, an
dem der pavillonartige Aufbau in der Mitte auch von auften den mit
flacher Kuppel überwölbten Hauptmitteiraum kennzeidmet, wirkungsvoll
hervor, und wie wuditig ragt über ihm der fladie Turm gewiffermaften
als der betonende Akzent der ganzen Baugruppe auf.“
„Sdilanke Pilafter mit jonifdren, girlandenbehangenen Kapitalen und
hohen Sockeln gliedern die Hauptfront und tragen ein hohes maffives
Gefims von kräftiger Ausladung, das in horizontaler Linie den ganzen
Bau befdilicftt. Zwifchen ihnen laufen die langen fchmalen Fenfter
herunter, die mit den darüber angebraditen Ovalfenftern (an den
Flügeln) oder Vierpaftfenftern (am Mittelbau) durdi reiche ornamentale
Umrahmungen vereint find. Und diefe Umrahmungen gehören zu
dem Schönften und Eigcnartigftcn, das der ganze Stil überhaupt
aufzuweifen hat. In wundervoll erdachtem, hcitei-cm Linienfpiel
umfchlingen fie die Fcnfteröffnungen, rollen fidr auf, winden fich
malerüdr wieder zurück, und aus den feinen Profilen der fchlanken
196
Unterfenftcr heraus wachfen duftig gegebene Rofenzweige, die
den Raum zwifchen Ober- und Unterfenftcr überklettern. Bc-
dcutfame Kunltwcrke im Entwurf, Kunftwcrke in feiner Ausführung
find diefe ornamentalen Gebilde, denen man leichthin den franzöfifchen
Boifcriefchniher Gou-
nin als den ausführen-
den Bildhauer anfieht.
öber dem im Korb-
bogcn gefchloffenen
Hauptportal entfteht
aus dem anftreben-
den Schlu^ftcin heraus
eine mächtige Kart-
tufche mit der Denk-
ichrift an den lüften-
den bürftcn, und aus
ihr hinan entwickelt
lieh aus ihrer gerade-
zu meifterhaft durch-
gcführten, reidr mit
Blumenranken über-
webten Rocailleum-
rahmung die orna-
mentale Vereinigung
mit dem darüber be-
findlichen Ovalfenfter,
und die Meifterfchaft des Details, die Gewandtheit in eleganten Ver-
einigungen lä^t die an und für fidi etwas gewagte Häufung von
•umrahmten Flächen, wie fie Stengel fo liebte, vergeffen und zwingt
uns nur Bewunderung für das Geniale im Aufbau ab.“
Grundriß der Ludwigskirchc
„Die abgcfchrägtcn Ecken des Mittelbaues find wie die des ihm ent-
fprechenden Wcft-Flügels der Kirdic durch eingefügte Nifdien ge-
197
gliedert, aus denen wieder hödift entwickelte Kartulchen hodi hinan-
ftreben, und nur mit Entzücken können wir die feinen Vcrhältniffe
betrachten, in denen die eingelegten Evangeliftenfiguren zu dem ganzen
Nifchenaufbau ftehen.“
„Die Umfaffungsmauern des Baues löfen fidi über dem Dadianfdilub
in Baluilren auf, die den Pilaitern entfprediend durch Poftamcnte geteilt
lind, von denen jedes eine Figur oder Vafe trägt. 28 Statuen
des Meifters Franziskus Binde ragen fo von der Baluftrade auf und
heben fidi wirkungsvoll mit ihren kokett im Winde flatternden, duftig
zerknitterten und drapierten Gewandungen hödift malerifdi vom Himmel
ab. Befonders fdiön ift die wunderfam innige Gruppe „Mutterliebe“.
„In der groben Gruppe auf der Attika über dem Hauptportal halten
Engelsgcftalten das Naffauer Schild und pofaunen den Ruhm des Er-
bauers in die Lüfte.“
„Abgerundete Ecken mit hcrablaufenden Quaderftreifen leiten zu den
Seitenfronten der Kirdie über, die geradezu durdi ihre mab- und macht-
vollen Verhältniffe überraichcn. Wie wuchtig ift dem Meifter hier die Drei-
teilung gelungen! Wie kräftig hebt fich der vorfpringende Mittel-
portalbau heraus, der hier belonders durdi die mächtigen davorgeftelltcn
Dreiviertelläulcn ausgezeichnet ift. Uber den Portalen erblicken wir
wieder die zu einer Gruppe gehäuften Karlufchen und Ovalfcnftcr
und in erfteren künftlerifch gearbeitete Reliefs, über dem Nordeingang
die drei Männer im Feuerofen (Daniel, Kap. 3), auf der Südfeite das
Rad des Ezediiel (Kap. I), fymbolifdie Darftellungen, wie fie Stengel
in feinen Kirchenbauten fo liebte.“
„Die einachfigen Seitenteile diefer Fronten zeigen die Fenfter mit den
Vicrpaffen — Rofenplattfenfter nennen fie die Akten — die noch mit ganz
belonders reidien Umrahmungen im Sinne der fchon behandelten be-
dadit find.“
„Die Wirkung der nördlichen Seitenfront ift nicht diefelbe wie früher,
wo lie den Endpunkt des langen Promen ad enplaftes (etd Garten
198
zwifdien dem Stumm'lchen Hauie und der Poft) bildelc. Sie läßt fich
in ihrer ganzen Wucht nicht mehr bei der Enge der Strafe überfehen.
Die Baluftrade trägt hier über dem Portal das „Amorti(Tement“ mit
dem Medaillonbild des Fürftcn Wilhelm Heinrich, über dem ein Engel
feine Pofaunc fchwingt, das aus den Wolken hcrauswächft und zur
Linken von einer Putte, zur Reditcn von einer Fraucngeftalt in Ge-
wandung und Frifur der Zeit gehalten wird, die mit einem Sporn
in der FT and die Würde des Fürftcn, der franzölifdier Reitcrgcneral
war, fymbolifiert. Hinter ihr lugt ein etwas merkwürdig geformter Adler
heraus, Je zwei Vafcn, wuchtige Gebilde mit Rofcngirlanden und hcrausfdila-
genden Flammen Lehen, den Idiweren Doppeifäulen entfprechend, zu beiden
Seiten der Gruppe, hier wie audi auf der fonft völlig entfprechenden
Südfront, die nur als Amortiflcment den einft vergoldeten Namenszug
des Fünften auf einem Schild aufweift, um den lieh die Wappentiere,
zwei Löwen, balgen.“
„Der \ urm mit guadratifchem Grundriß befleht in der äußeren Ein-
teilung aus vier Stockwerken. Das unterfte hat diefelbe Höhe wie die
Kirchenmauern und diefelbe bauliche Ausbildung, ln den beiden nädistcn
entwickelt er fich durdi Abfdrrägung der Ecken zu dem regelmäßigen
Addeckturm des oberften Stodcwcrks, das wieder durch eine Baluftrade
mit aufgeftellten Vafen abgefchloffen ift. (Vgl. S 195.) Kräftig ragen
die die einzelnen Stockwerke abfchließendcn Gefimfe vor, und unter dem
leiden aditcckigen Gefchoß biegt dies Gefims in der Mitte der vier
Seiten nach oben aus, um dem Zifferblatt der Uhr Plaß zu machen.
Je vier im Korbbogen gefdiloffene hohe F'enftcr ragen in allen Stock-
werken auf, von je zwei doppeltgeftellten PÜaftergruppen begleitet,
die wieder in jedem Stock die Kapitäle anderer Ordnungen zeigen.
Im leiden Ablaß entwickeln fich diele Pilafter zu Dreiviertelfäulen und
und betonen die Ecken des Achtecks.“
„Der eigenartige flache Turmabfchluß fing damals an in Deutfchland
beliebt zu werden, und in der Ludwigskirche müffen wir eins der erften
Beilpiele diefer Art fchen. Die adit Vafen, die auf der Turmbalu-
199
ftradc ftehen, zeigen
in ihren Foi men bereits
klaffiziftifchesEmpfin-
den; fie find mit Dra-
perien behängen, und
aus ihnen fchlagen
Flammen empor.“
„Eine vortreffliche
Wirkung übt das
weiträumige Innere der
Kirche aus. Die Vier-
ung ift eingefaßt durch
mächtige korinthifchc
Säulen auf hohen
Poftamenten, die das
fchwere Hauptgefims
tragen. Darüber ift
eine Kuppel gewölbt
mit einer Spannung
von 151/a mzu 15 '/am,
während die Decken
über den Kreuzarmen
flach find. Kuppel wie
die Decken mit ihren
Hohlkehlen find von
Stuck ¡n liebenswür-
digem Formen fpiel
überfponnen, der in
der Milte der Kuppel
das ftrahlende Auge
Gottes bildet. Die
Flächen der Wände
200-
Fenfter-Umrahmung an der Ludwtgskirchc
find durch die Fenftcr und durdi mit feinen Stuckornamenten eingeiahte
Füllungen gegliedert/'
„ln die vier Kreuzarme find weitgefpanntc Emporen eingefügt, die von
den io kühn gedachten Hermen getragen werden. Sic übcrfchncidcn
die Fenlter, und die zu ihnen führenden Treppen find jcl^t lichtbar
und nidit vom Kirchenraume abgefondert. Aber diefe Mängel dürfen
nicht fo dem Meifter zur Laft gelegt werden als vielmehr der nach-
folgenden entftellenden Zeit. Ei ft im lebten Viertel des verfloffenen
Jahrhunderts wurden die koftbaren, völlig in mit Rofcn beftecktem
Mufchelwerk auf das kunftvollfte gefdmitjten und verglaflen Familien-
kirchenftühle, um die Kirdie zu erweitern, beteiligt und die runden
Fenlter, die ihnen Lidit gaben, und die wir nodi an der Auhenfeite
unter den hohen Fenftern bemerken, zugemauert und das koftbare
Sdmitpwerk und die heraldifdi bedeutfamen gemalten Wappen und
Hausmarken Saarbrücker Familien, die über ihren Eingängen angebracht
waren, in alle Winde zerftreut.“
„Diefe Stühle hatten nidit wenig dazu beigetragen, das Innere zufammen-
zufaffen. Sie hatten die jeht dem Auge fiditbare Durdifdineidung
der Feniier, wie auch die zu den Emporen hinanführenden Treppen
verdeckt und waren in wohlberedrneter Ablidit von dem genialen
Barockmeifter angebradit worden."
„Die fonflige zentrale Anordnung der Kirdie ift die rein evangclifche:
dem Haupteingang gegenüber die Kanzel, darüber die künftferifdi
gefdinifite, von den berühmten Orgelbauern Stumm in Rhaunen-Sulzbach
(Hunsrück) verfertigte Orgel (jeht durch ein neues Werk erlebt, f. u.)
davor der Altar und auf der gegenüberliegenden Empore der Fünften -
ituhl. Die fdiöne Stuckkanzel vereinigt fidi mit zwei Hermen und
dem Altar zu einem wohlbcrechneten, künftlerifch bedeutenden Gefamt-
bild. In fehr gelungener Weife ift auf ihr die Bergpredigt in einem
Relief angebradit, und aus den unteren Ecken des Unterteils wie audi
aus denen des Baldadiins wachfen die Symbole der Evangeliften
heraus. Ein in Wolken fchwebender kleiner Pofaunenengel bekrönt
201
das Kanzeldadi. Im Innern des Kanzeidaches Idiwcbt eine 1 aubc als
Symbol des Heiligen Geifies. Die durch Sdileifen gerafften, den
Baldachin mit der Rückwand verbindenden Stuckvorhänge verdecken
die zur Befcftigung der Kanzel dienenden Eilen.“
„Vor der Kanzel iteht der als Werk Wunibald Wagners bezeugte
Altar, der an den Ecken vier
liebliche Engelsköpfchen auf-
weih.“
„Die herrlichen Hermen Poz-
zis, diefe Meiftcrwerke fein
gelegter Gewandung, tragen
in ihren fo wirkungsvoll be-
wegten Stellungen die Em-
poren in geradezu kühner
Weife. Durch ihre Embleme
find fie zu der Kirdie und
dem erbauenden Fürften in
Beziehung gelebt. So hallen
die Hermen hinter dem Altar
Bibel und Kelch, die dahinter
befindlidicn unter der Orgel
Takthock und Blasinflrumcnt
fowie ein Notenblatt. Die
Hermen unter dem Fürften-
ftuhl haben ein Rutenbündel mit Beil, einen Herrlcherftab, einen Sdilülfel
und ein Herz. Das Rutenbündel mit dem Beil ¡ft das altrömifdie Zeidren
der Staatsgewalt; mit dem Herzen foll wohl auf des Fürften Mildtätig-
keit hingewiefen werden und mit dem Sdilüffel auf die Eigenfchaft des
Hcrrfchers als des oberiten Bifchofs (summus episeopus) der Landeskirdie.“
„Die Gehalten unter der Südempore haben ein Füllhorn mit heraus-
qucllenden zeitgenöffifchcn Geldftücken und einen Blätlcrzweig in der
Hand. Sic deuten auf den unter dem Fürften genoffenen Frieden im
Naffau-Saarbriickilchcs Wappen
(Atlika Ludwigskirdic)
202
Lande und den daraus erwachfencn Reichtum hin. Die Hermen der
Nordieite follen der Tradition nach eine Sdilange und ein Kreuz ge-
habt haben. Ihr Verfertiger Mihm bezeichnet fie felbft in den Akten
als Hoffnung und Geduld, wozu eigentlidi diefe mündlich angegebenen
Embleme nidit recht paffen wollen, fodah wir dodi anftatt der Schlange
einen Anker feffen müffen, der
von einem Seil umwunden war,
von dem fich auch nodi Reite
erhalten haben, und woraus die
unverftandlidie Sdilange ge-
bildet fein mag.“
„Diefe Hermen tragen nidit
wenig dazu bei, dem Innern
des Gotteshauics einen etwas
weltlichen Charakter zu geben.
Es fdiwebte ebenStcngel vor,
einen befonders eigenartigen
neuen Bauiypus zu fehaffen,
der fowohl durdi das äuherc
Anfchen wie audi durdi die
Innenwirkung lidi fofort als
ein evangelifdies Gotteshaus
darftclle, der aber audi fo-
gleich dazu nach innen und
auhen erkennen laffe, dah fidi hier die Hauptkirdie eines glänzenden,
che Repräfentation liebenden evangelifchen Rokokohofes dem Befchauer
darbicte. Mit diefer Kirche bekrönte Stengel fein io reiches Wirken
im Dicnfte eines kunftfinnigen Fürften.“
Der rheinilche Provinzialkonfervator Profeffor Dr. Renard in Bonn
gibt über die Ludwigskirche folgendes Urteil ab:
„Der Bau Stengels ift für die Gefdiidite des evangelifchen Kirchen-
baues von befonderer Bedeutung. Aus den Elementen heraus, die
Bild des Fürltcn Wilhelm Hcinridi
(Attika der Ludwigskirchc)
203
der Kult in Weftdeutlehland feit dem Ausyang des 17. Jahrhunderts
entwickelt hatte, lucht Stengel das Ideal der Predigtkirdie der Löfung
entgegenzuführen durch die Form des lateinifdien (griediifehen?) Kreuzes,
dellcn Arme mit Emporen veriehen find, deflcn Vierung aber fo groh
ift, dah die Einhcitlidikeit der Raumwirkung nicht gehört wird. Stengel
griff hier zweifellos auf die Bewegungen und Veriuche im evangclifchen
Kirdienbau zurück, die er in feiner Jugend in Zerbft und in feiner
Studienzeit in Berlin (1708 bis 1712) miterlebt hatte. Von den Ber-
liner kirchlidien Zentralbauten kommt in der Grundform die Jerufalemer
Kirche von Phlilipp Gcrlach (1679—1748), der gleich Stengel in Berlin
Schüler von Brocbes war, der Ludwigskirche in Saarbrücken wohl
am nächften.“
„in der künftlerifchen Durchbildung lieht die Ludwigskirche ftark unter
franzöfifchen Einflüffen, mehr als die Profanbauten Stengels. Heran-
gewachfen unter den Einflüffen des frankifchen Barock, hat Stengel
die Herkunft diefer leiner Art nie verleugnen können froh der oft fo
engen Beziehungen zwifdren Saarbrücken und Paris, Es bleibt den
Details feiner Bauten, z. B. den FeqJftcreinfaffungen der Ludwigskirche
eine gewiffe Fülle der Form, die mit den fyftematifdr durdrdaditen und
oft etwas dünnen, zurückhaltenden Formen der franzöfifchen Rokoko-
dekoration in einem prinzipiellen Widerfpruch zu heben Icheint. Immerhin
bleibt es bewundernswert, wjie felbft der 80jährige Stengel nodi mit
den fchnell folgenden Stilwandlungcn fortgcfdirittcn ift; denn die Turm-
löfung aus den Jahren 1772—1774 zeigt fo deutliche Einflüffe des
franzöfifchen Klafiizismus, dah man wohl an eine Aenderung des
urfprünglichen Entwurfes vom Jahre 1761 denken mu|.w
Zu dem Bau der Kirche muhten die Untertanen Fronfuhren leihen;
alle Beamten und Pfarrer, audi deren Witwen fowie die Bürgerfdiaft
der Städte wurden zu Beiträgen herangezogen, dodi viele blieben damit
im Rückhand, und die Bautätigkeit wurde dadurch aufgehalten.
Im Jahre 1762 befchwerte fida der Meier von Hilfdibach Johannes
Huppert im Namen der Untertanen der Meierei Köllertal, da^ fie zum
204
Bau der neuen Kirdie Steine fahren mühten, aber fdron durch Kiesfuhren
zum Chauffenbau oberhalb Sulzbadi lehr befdiwert feien.
Im Anfang des Jahres 1769 waren nadi der Aufhellung des Redmers
Stdhlinger in der Kirchenbaukaffe nodi die von der fürftlidicn Rent-
kammer gezahlten 1000 Gulden vorrätig. Die zu bezahlenden Sdrulden
betrugen 983 Gulden 10 Albus. An Rückhänden werden 2442 Gulden
20 Albus aufgeführt, darunter 1000 Gulden von der Fürftin Witwe.
Die Saarbrücker Beamten und Pfarrer waren zum Teil auch noch mit
ihren Beiträgen für die Jahre 1764 bis 1766 rückhändig, io
Hofmarfdiall von Doeben .... mit 25 Gulden
Kammerrat Dem.....................„ 10 „
Kammerrat Goets...................„ 14 „
Geheimrat u. Präfident v. Günderrode „ 225 Gulden
Gcheimrat von Stalburg . . . . „ 50 „
Geheimrat Lauts ....................„ 50 „
Kammerrat Rödiling................„ 20 „
Forftmeifter Sdmiidt................„ 16 „
Pfarrer Thomas zu Wiebelskirdren „ 8 „
Pfarrer Hauth zu Lorenzen . . . „ 4 Gulden 3 Albus 6 Pf.
Pfarrer Völker zu Ormingen . . „ 2 Gulden 22 Albus 4 Pf.
Kantor Ritter zu Saarbrücken . . n 8 „
Informator Röder, damals Amtmann
zu Ottweilcr.................tf 12 ,,
Keller Rebenack ....................n 6 „
Berginfpeklor Engcikc...........„ 8 „
Porzellan-Verwalter Wagner zu Ott-
weiler.......................ff 5 Gulden 15' Albus
Oberamts-Regihrator Lauckhard „ 3 „
Regierungsadvokat Thomae . . . „ 22 „
Regierungsadvokat Ebel .... ft 16 Gulden 15 Albus
Faktor Woerner zu Sulzbadi, vorher
Haushofmciher zu Ottweiler . „ 5 Gulden 15 Albus
Regierungsadvokat Sdiulz ... „
Waifenfchrelber Sperber .... „
Regierungsadvokat, jet?t Rat zu Krie-
chingen Weibenbrudi................ „
Kodi Mügel......................• „
Apotheker Wölfling................. „
Witwe des Hofrats Dem.................
Frau Regierungsrat Schult? Erben
Hoffouricr Sdnnidts Erben ... „
Witwe des Pfarrers Lauckhard n
Waifenfchreiber Grunwald ... „
Witwe des Haushofmeifters Conrady „
Pfarrer Seidel zu Völklingen . . „
27 Gulden 15 Albus
4
16 Gulden 15 Albus
3 „
3 „
30 „
8 „
18 „
12 „
2 Gulden 22 Albus 4 Pi.
20 „
14 tt
Sa. 670 Gulden 3 Albus
1772 ftrccktc Kammerrat und Baudirektor Stengel aus dem Vermögen
feiner Frau 1000 Gulden zur Vollendung der neuen Kirdie vor, da
die Einkünfte des Stiftes St. Arnual und der Generalkirdienfchaffnei
nicht hinreichten.
In diefem Jahre hatte das Stift zu dem Kirchenbau und anderen
notwendigen Ausgaben bei der Witwe Sdmiidtborn in St. Johann
4000 Gulden aufgenommen, lerner von Kafpar Pit? 1700 Gulden und
von Pfarrer Reuther 600 Gulden.
„Bereits die franzöfiiehe Revolution übte audi auf diefes Gotteshaus
ihren naditeiligen Einflul? aus, aber audi nach ihr geriet der herrliche
Bau durch fdileditc Auffidit immer mehr in Verfall. Die Bleibelegung
des Daches wurde geftohlcn. Regen und Sdinee drangen von allen
Seiten durdi; das Gebälk und Holzwerk fing an zu verfaulen, die
Mauern wurden bis zu ihrer halben Höhe feucht und nab? der Be-
flridi fiel ab, die Kirche ging ihrem Ruin entgegen. Durch freiwillige
Beiträge fuchte man dem Verfalle nodi zu heuern, dachte aber allen
Erhftes bei der koftlpieligen Unterhaltung, vor allem des Dadies, um
206
das Jahr 1806 an einen Abbruch. Man verband audi in keinerV/eife mehr
den Wert diefes einzig dailehendcn Kunftwerkes.“ (Lohmeyer a. a. O. S. 169.)
Da das Still St. Arnual wegen der Zerrüttung (einer Vermögensver-
hältnifle die Unterhaltung der Kirdic ablchnte, fo nahm die bürger-
liche Gemeinde fidn des bedrohten Gotteshaufes an. Am 22. Sep-
tember 1806 labte der Munizipalrat von Saarbrücken folgenden Be-
Idilu^: Da nach dem kaiferlidien Dekret vom 5. Mai 1806 die Unter-
haltung der Kirchen und Pfarrhäufer den Gemeinden zur Laft fielen,
und da die Ludwigskirdie keine eigenen Einkünfte befifie, diefer fdiöne
Tempel aber leit mehreren Jahren dergeftalt beldiadigt worden fei, dab
der Regen durch das Dadiwerk eindringe und beträchtlidien Schaden
verurfadie und zu beforgen ftehe, dab das die Stadt fo lehr ver-
fdiönernde Gebäude der Gefahr des Zufammenfallens ausgefebt fein
würde, wenn nidil nadidrüeklidi Verwahrungs- und Unterhaltungsmittel
fchleunigft ergriffen würden, fo beftimmt der Maire, in Erwägung, dab
fidi gutdenkende Einwohner der proteftantifdien Kirdie erboten haben,
unentgeltlich die Auflidit über diefes Gebäude zu übernehmen und
nach Kräften gemcinfdiaftlidi mit der Mairie für die Erhaltung diefer
Kirdie zu forgen, dab folgende Bürger:
Pfarrer Melfcrer (Ipäter Pfr. Wagner und nach deffen Tod (1813)
Pfarrer Hildebrand)
Chriflian Köllncr j
Anton Benb
Georg Philipp Benfi
Joh. Ludwig Zix
Karl Stählinger
Adam Knipper
Daniel Mohr
Leonhard Bolb
zu Auffehern der Kirdic ernannt und bevollmädiligt werden follen,
alle freiwilligen zur Unterhaltung der Kirdie dienenden Beiträge von
protcliantifchen Einwohnern von Saarbrücken zu empfangen, davon
207
die Reparaturen zu
beitreiten und alljähr-
lich der MairieRechen-
ichaft davon abzu-
legen.
Dieic Kommiflion,
welche die Bcauffidi-
tigung der verlchie-
denen Unterhaltungs-
arbeiten unter ihre
Mitglieder verteilte,
befchloh zur Unter-
haltung der Kirdie am
Ofterfeft, bei der Kon-
firmation der Kinder
und beim Erntefcft
eine Sammlung an
den Kirchtüren zu er-
heben, audi Samm-
lungen in der Stadt
zu veranftalten und
alljährlich von dem
Maire einen Beitrag
zu erbitten. Die Kom-
miffion begnügte fidi
aber nidit mit diefer
Aufgabe, fondern
f t f . Der Anoftcl Petrus (Attika der Ludwiqskirchc)
luchte audi aut dem
religiöfen und fittlichcn Gebiet beffer zu wirken, wie es nadi den un-
ruhigen' Kriegszeätcn erfordcrlidr fchien, Sic bcfdilo^ deshalb, täglidi
Betftunden und jeden' Monat einen Bettag abzuhalten. Die älteren
Sdnilkinder follten in den Vormitlagsgottesdicnh kommen und durch
die drei Sduillchrer beauffiditigt werden. Die übrigen Kinder über
208
8 Jahre iollten die
Kinderlehre und den
Nachmitt ags-Gottes-
dicnfi befuchen. Alle
Felle lolllen in der
neuen Kirche gehallen
werden- In der Kirche
gab es 26 Kirchen-
flühle, die mit Gitter
und Glas eingefaßt
und verfchlieljbar
waren. Diele waren
gegen einen beltimm-
len Beitrag (4 Gul-
den) zur Unterhal-
tung der Kirche an
wohlhabendeFamilien
vermietet und mit
deren Namenszügen
oderWappen verleben
worden. Einige von
dielen Namenslchil-
dern find in der Samm-
lung des hiftorifchen
Vereins aufbewahrt.
Für die übrigen Män-
ner und Frauen war
Die Liebe (Attika der Ludwiaskirche) . , ,
eine beltimmte Sitz-
ordnung vorgcfchricbcn. Die Frauen laben nadt ihrem Alter als Ehe-
frauen, die Männer nadi ihrem Alter als Bürger.
In den Jahren 1806 bis 1809 wurden für Wiederherftellung der Lud-
wigskirche 863 Gulden 53 Kreuzer ausgegeben; die Einnahmen be-
14 Geldlich!« der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken.
209
trugen 631 Gulden 11 Kr., fodalj ein Reft von 232 Gl. 42 Kr. blieb,
der durch Sammlungen in der Kirdic gedeckt wurde. In den beiden
folgenden Jahren wurden 706 Gulden 59 Kr. ausgegeben. Das Stift
leifteie einen Zufchulj von 300 Gulden. Im Jahre 1814 ftellte fidi ein
Fehlbetrag von 1138 Gulden 11 Kr. heraus, da die Gefamtausgaben
von 1806 an 4565 Gulden 39 Kreuzer und die Gefamteinnahmen nur
3434 Gulden 28 Kreuzer betragen hatten. Der Fehlbetrag wurde
wieder durch Sammlungen aufgebracht. So gefchah es auch in der
Folgezeit; 1817 gab das Stift wieder 300 Gulden.
Um Befchädigung der Fenfter der Ludwigskirche möglichft zu verhüten,
wurde i. J. 1856 der Gymnafialdiener Bold! zunächlt auf ein Jahr
gegen eine Entfchädigung von 6 Talern zur Auf ficht verpflichtet. Zu-
gleich wurde das Verbot des Reitens und Fahrens über den Pla^ er-
neuert und Warnungstafeln aufgeltellt. Im Jahre 1868 wurde be-
ichloffen, das Dach der Kirche völlig umzudecken.
Da der Zultand der Decke die Befürchtung des Einiturzes erweckte,
Io wurde im Jahre 1885 die Wiederherftellung der Ludwigskirche in
Angriff genommen und zur Deckung der Koften eine Anleihe von
26500 Mark aufgenommen. Damals wurden die ovalen Unterfenfter
vermauert, die Stände der einzelnen Familien entfernt, die Orgel wieder
hergeftellt und eine Heizung eingerichtet. Am 30. Oktober 1887 wurde
die Kirche wieder für den Gottesdienlt geöffnet. Der altkatholffchen
Gemeinde wurde oft die Ludwigskirche für ihre Gottcsdienfte zur Ver-
fügung geftellt, bis die Gemeinde im Jahre 1893 ein eigenes Gottes-
haus in der früheren reformierten Kirche einrichteten, die 72 Jahre
lang als Gymnafium gedient hatte.
Im Anfang diefes Jahrhunderts ftellte lieh eine durchgreifende Erneue-
rung immer mehr als notwendig heraus. Pfarrer Ebeling nahm
fich befonders der Sache an.
Er hat über die Wiederherftellungsarbeiten folgenden Bericht erhaltet:
Die Verhandlungen über die Wiederherftellungsarbeiten an der Ludwigs-
210
kirche gehen in die lebten Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück, indem
der damalige Provinzialkonfervator, Prof. Dr. CI einen in Bonn, vor
allem darauf drang, daß die in ftarkem Verfall begriffenen Figuren auf
der Baluftrade der Kirche ausgebeffert refp. erneuert würden, tunlichft
unter Benutzung des gleichen Materials. Ein Bericht und ein Gutachten
des Herrn Fr. W. Wüllenwcber zu St. Johann wies die Unmöglichkeit
nach, die einzelnen Brüche heute noch aufzufinden, weil fie zum größten
Teil nicht mehr im Betrieb feien, wies ferner aber auch darauf hin, daß
es nicht wünfehenswert fei, denfelben, zum Teil fehr brüchigen Stein zu
nehmen, der mit die Schuld an der Verwitterung der Figuren trage.
Nur nach längeren Verhandlungen liefen fich die Gemeindeorgane zur
Inangriffnahme der Arbeiten bewegen und auch öffentliche Mittel flüffig
machen. Auf ein Gefudi des Presbyteriums gewährte der 43. Provinzial-
fandtag im Frühjahr 1903 zur Inftandfeßung der Figuren einen Beitrag
von 3000 M., wobei die Gefamtkoften der Wiederherftellungsarbeiten
auf 7000 M. veranfchlagt waren. Im Sommer 1903 ergab jedoch eine ge-
naue Unterfuchung, daß die Zerftörung der Figuren feit dem Jahre 1898,
in dem der Provinzialkonfervator fie genau unterfucht hatte, fo rapide
zugenommen hatte, daß die früher vorgefchlagene Ausflickung und Er-
gänzung kaum noch als eine rationelle Maßregel bezeichnet werden
konnte, daß vielmehr eine große Anzahl durch Kopien erfeßt werden
müffe. Es empfahl fich, auch an eine fyftematifche Revifion der Ge-
fimsdeckplatten unter der Biüftung heranzugehen. Dabei mußte man
von vornherein auf ziemlich erhebliche Koften rechnen, es durfte aber
erwartet werden, daß die Gemeinde an der gründlichen Wiederher-
ftellung diefes überaus intereffanten und reichen Denkmals der fpäteren
kirchlichen Baukunft, das für das Gefamtbild von Saarbrücken von fo
großer Wichtigkeit war, naturgemäß lebhaftes Intereffe bekunden würde.
Dennoch wurde von seiten der Gemeinde in diefen Jahren die Sache
noch etwas dilatorifch behandelt. Erft im Frühfommer 1905 wurde vom
Presbyterium ein Antrag auf weitere Beihilfe an den Provinziallandtag
geftellt, und der Provinzialkonfervator forderte von der Gemeinde zur
Begutachtung diefes Antrages die Aufhellung genauer Koftenanfchläge
211
212
Inneres der Ludwigskirche
und Unterlagen. Die Koftenanfchläge, die fich auf die Erneuerung der
Figuren und des Gefimies eritreckten, iahen nunmehr eine Ausgabe von
50 000 M. vor. Der 46. Provinziallandtag von Frühjahr (1905) be-
willigte dann weitere 12 000 M., und am 16. März 1906 belchlol^ die
größere Vertretung der Gemeinde Saarbrücken, die nodi fehlenden Kolten
der nach dem lebten Anfchlag auf 50 000 M. berechneten Wieder -
herftellungsarbeiten in der Höhe von 35 000 M. durdi eine beiondere
Anleihe aufzubringen. Glcidizeitig fertigte der von der Königlichen
Regierung der Gemeinde zur Verfügung gebellte Ardiitekt F'ranz Kraufe
mit Hilfe von großen Feuerwehrleitern und Hängegerüften eine genaue
Aufnahme der Kirche. Diefe genauen Aufnahmen ergaben jedoch, da
der Verfall des Hauptgefimfes und grober Mauerpartien fehl immer war,
als fidi vorausfehen und ohne Gerüft beurteilen lie^, als notwendig auf-
aufzuwendende Summe rund 150 000 M. Schon am Ende des Jahres
1906 wurde der Nordoftflügel eingerüftet und auf dem Ludwigsplab
eine Bildhauerwerkftätte erriditet, die erften Figuren heruntergenommen
und den Bildhauern Flies, Spitpfaden und Schneider zur probeweifen
Erneuerung übergeben. Im Flühjahr 1907 bewilligte die gröbere Ge-
meindevertretung die ganzen Kolten der Wiederherftellung, abzüglich
der bereits von der Provinz bewilligten 15 000 M., befdilob aber gleich-
zeitig, die Königlidie Staatsregierung um einen Zufchub zu den Koften
zu bitten. Diefes Gefuch wurde abgelehnt. Mit Rückfidit auf den Um-
fang der Arbeiten fehien es angebracht, entfprediend dem Wunfch der
Königlichen Regierung und des Provinzialkonlervators unter dem Vor-
fib des Pfarrers Ebeling eine befondere Baukommiffion zu bilden, damit
die Leitung der Wiederherltelfungsarbeiten während der ganzen Bau-
zeit in eine Hand gelegt wäre. Diefe Baukommiffion hat dann die
ganzen Wicderherltellungsarbeiten bis zum 5. November 1911 verant-
wortlich geleitet. Die Bauzeit hat von November 1906 bis November 1911,
alfo genau fünf Jahre gedauert. Im Mai 1908 wurde von der Bau-
kommiffion für die Bauleitung Herr Architekt S a ch fe n r ö d e r gewählt.
Da es fich bald herausfiellle, dab die Erneuerung des Innern der Kirche
finngemäb den im Gange befindlichen Arbeiten anzuglicdern fein würde,
213
fo bewilligte im Frühjahr 1908 die größere Gemeindevertretung eine
Gefamlanleihe von 200 000 M„ zu der dann noch zwei Nachanleihen
gekommen find in der Höhe von 54000 M. und 17 000 M. Ferner
wurde der bereits vorhandene „Figurenfonds“ von 5000 M. zum Bau
mit verwandt, ebenfo ein Gefchenk eines Saarbrücker Bürgers von eben-
falls 5000 M. zum Bau der neuen Orgel. Dankenswerterweife be-
willigte auch der Provinziallandtag vom Frühjahr 1911 eine letzte Bei-
hilfe von 10 000 M., fo dal^ die Baukoften insgefamt auf rund 310 000 M.
fich belaufen, wovon 25000 M. auf die Provinzialbeihilfen entfallen.
Die Gemeinde Saarbrücken ift durch diefe umfaffende Renovierung mit
einer Schuldenlalt von rund 260 000 M. belaftet worden, aber es darf
auch ausgefprochen werden, da^ die Wiederherftellungsarbeiten, die
die Vernachläffigungen eines ganzen Jahrhunderts wieder gutzumachen
hatten, in jeder Hinficht gründlich und zweckentfprechend ausgeführt
worden find und dem künftlerifch und kunftgefchichtlich fo bedeutenden
Bauwerke feinen alten Glanz wiedergegeben haben.
Uber die ausgeführten Arbeiten berichtete Architekt Sachfenröder
folgendes:
„Die auf der Baluftrade befindlichen achtundzwanzig Figuren waren in
fehr ftark verwittertem Zuftand, weitere Befchädigungen waren durch die
urfprünglich unfachgema^ ausgeführten Verankerungen und durch ge-
waltfame Eingriffe erfolgt. Es mußten daher vierzehn Figuren ganz
erneuert werden. Als Steinmaterial kam Jaumontkalkfiein zur Ver-
wendung. Die übrigen vierzehn Figuren konnten durch geeignete Re-
ftaurierung erhalten werden. Die ebenfalls die Baluftrade zierenden zehn
Vafen mußten, da zu denfclben oft weniger guter Stein verwendet
wurde, erneuert werden; das gleiche gefchah auch mit dem Porträt-,
Wappen- und Namenszugaufbau, da namentlich der letztere mit Abficht
ganz entftellt worden war. Ausführende waren : Bildhauer W. Schneider
und J. Spitjfaden in Saarbrücken und H. Fries in Heidelberg.“
„Die Baluftrade halte einerfeits durch die Wiltcrungseinflüffe ftark gelitten,
andererfeits waren Schäden an diefen Architekturteilen durch unfach-
214
gemäßen Steinfehn itt, durch Fehlen abgeichrägter Waffcrfchlagsflächen
und Waffernafen, iowic durch unzweckmäßige Eifendübel und Klammern
verurfacht. Es wurden diele Architekturleile, mit Ausnahme der Roha-
mente, mit Eifelfandfteinen erneuert; die Poftamente feßte man mit dem
aus den alten Deckplatten gewonnenen Stein, zumeift durch Einlesen
von Führungen, inftand. Befonders zu erwähnen ¡ft, daß die Balufter-
aufftände auf eine Bleiifolierung verlegt wurden."
„Die zwifchen Dachfuß und Baluftrade befindliche Blcirinnc zeigte fich
durch unfachgemäßc Konftruktion, fonftige Angriffe, mangelhaft durch-
geführte Reparaturen nur fcheinbar ihrer wichtigen Funktion gerecht,
da fie woh! jahrzehntelang das Waffcr zum Balkenwerk hatte durch-
fideern iaffen; es mußte daher die Ausführung einer Rinncnanlage,
nach befonderem Entwürfe, vorgenommen werden."
„Durch die nachteiligen Eigcnfchaften der Bleirinne waren die fogenannten
Mauerlattcn, die getarnten Balkcnköpfe, auch die Strebenfüße und Fuß-
pfetten total verfault, infolgedeffen trat die Gefahr des Deckenbalken-
fchubes auf das Mauerwerk ein. Deshalb mußten diefe Holzteile eines-
teils ausgcwechfelt oder durch Anfchuhung neuer Holzteile oder auch
Überzüge, Sattelhölzer ufw. gefeftigt werden, wozu koftfpiclige Schuß-
dachbauten erforderlich waren, Befonders zu erwähnen ift, daß für diefe
Armierungen gegen 800 kg Kleineilen zur Verwendung gekommen find,"
„Eine bedeutende Schwächung der übrigen Holzkonftruktionen war auch
durch den Wurmfraß, welcher fich zufällig an zumeift konftruktiv be-
fonders beanfpruchten Holzteilcn befand, erfolgt; die Dachflächen hatten
fich, von außen in auffälliger Weife fichtbar, durchgebogen. Der Zu-
ftand der gefamten Decken- und Dachkonftruktion erforderte fomit eine
kräftige Verftärkung, die auf Anregung der Bauleitung durch den König-
lichen Bergwerksdirektionsfekretär Heinrich Rupp in Gemeinfchaft
mit dem Königlichen Baurat Latowsky (f), beide in Saarbrücken,
als eine vierfache eiferne Binderkonftruktion mit angefügten Überzügen
und Auslegern entworfen wurde. Die Anfertigung der Werkzeichnungen
215
216
Die Hermen unter dem Fürftenßuhl der Ludwigskitche
und die Ausführung diefer Konftruktion lag in den Händen der Firma
Ph. Gebhardt in Saarbrücken. Das Gewicht diefer Konftruktion
betrug rund 27 T.“
„Auf der teils faulen Dachfdialung befand iich zumeift noch die
urfprünghehe Befchieferung. Nachdem die befonders durchgebogenen
Vierungsdachflächen durch Auffchieblinge berichtigt waren, erfolgte die
Eindeckung nach dem urfprünglich in deutfeher Deckung ausgeführten
Mufter. Bevor die übrigen Dachflädien eingedeckt werden konnten, ge-
bot iich die Erneuerung fämtlicher Dachgauben. Auch die Bleirinne,
welche in doppelter Weife zur Ausführung kam, und die Laufgänge
mußten erneuert werden, ehe der Dachdecker beginnen konnte. Die
tcilweife erhaltenen, in barocken Formen gefchnittenen Gratbleibleche
find, da denfelben eine praktifche Eigenichaft nicht beizumeffen war,
in ergänzter Ausführung nicht mehr zur Anwendung gekommen,“
„Bevor man an die Inftandleßung des Kranzgefimfes ging, kam die
bleierne Abdeckung der Wafferfchlagsflädien zur Ausführung. Aus
konftruktiven Gründen wurde an das Blei ein Kupfcrblediftreifen, weldier
3 cm vor die Platte des Sämagefimfes fpringt, befeitigt. Auch die Zink-
abfallrohre wurden durch kupferne erfeßt. Durdi das Fehlen der Ab-
deckung und befonders durch die Naditeilc der alten Bleirinnen mußte
das Kranzgefims Ichweren Sdiadcn erleiden. Die völlig durchnäßten
Steine teilten ihre nachteiligen Eigenfchaften auch dem aufgehenden
Mauerwerk mit. indeffen hatten viele Ardiitektur- und Ornamentteile,
zumeift durch Drude, Abfprengungcn erfahren und durch das Fehlen der
Verfügungen den Verwitterungsprozeß begünftigt. Der Sockel zeigte iich
an vielen Stellen, durdi das urfprünglich angewandte ungeeignete Material,
fchr bcfchädigt, fodaß zahlreiche Auswechslungen nötig wurden.“
„Die Inftandfeßung der Schaufeiten erftreckle fidi namentlich auf das
Kranzgefims, die Sohlbänke fowie die Poftament- und Sockclflächcn;
es wurde hier Eifelfandftein gewählt, während für die kleinen cinzu-
feßenden Werkfteine das Material von den alten Deckplatten zur Ver-
wendung kam. Die Verfügungen wurden mit Mörtel, dem alten ent-
217
fprechend, vorgenommen, während man für die lonftigen Kittungen
Spezialfteinkitt benutzte. Auch die Stufen der drei großen und der
übrigen Türöffnungen mußten mefftenteils erneuert werden. Endlich
mag erwähnt werden, dal? zur Konfervierung der alten Werkfteine und
der Figuren ausreichende Imprägnierungen zur Anwendung kamen.
Die eichenen Türflügel der drei großen Öffnungen wurden vom Olfarb-
anftrich befreit und nach vielen Ergänzungen geölt und lackiert/*
„Sämtliche die Baluftrade des Turmes bekrönenden Vafen find von
Jaumonl-Kalkftein erneuert worden. Die Befdiädigungen der alten Vafen
waren auch zum großen Teil auf die unzweckmäßige eiferne Verankerung
zurückzuführen. Die Erneuerung der Turmbaluftrade felbfl erfolgte in
der gleichen Weife wie bei dem Sdiiff, ebenfo die Ausheberung der
Gurt- und Kranzgefimle. Am meiiten hatte das Gurtgefims des dritten
Gefchoffes, welches mit feinen breiten, gefchwciften Aut fichtsflächen den
Übergang zum achteckigen Gefchoß vermittelt, zu leiden gehabt. Durch
das Schadhaftwerden und Fehlen der Verfügungen hatten Regen,
Schnee und F'roft fowie die Vegetation Verwitterungen und Spreng-
wirkungen hervorgerufen, deren Beleitigung nun mit hohen Kolten ver-
bunden war. Um in Zukunft derartigen Nachteilen zu begegnen, wurden
die Wcrkftcinfugen mit Blei verftemmt. Wcfentliche Erneuerungen waren
auch an den Kapitäicn und Schlußfteinen nötig. Auch hier wurden die
Gcfimfe mit Blei abgedeckt. Die Türöffnung des Turmes ift auf die
urlprüngliche Breite erweitert und mit einem eichenen Türflügel ver-
leben worden/*
„Ausführende der Stcinhauer- und Maurerarbeiten waren : Unternehmer
A. Schmidt, N. Theis und Baugewerksmeifter R. Schmidt fen.
Die Herftellung des Gcrüftbaues erfolgte durch: N. Scheil & Co.,
Zimmermeifter, und Fr- Schneider, Unternehmer in Saarbrücken.**
„An Stelle der nach dem erften Turmzwifdiengefchoß führenden Stiege
wurde eine Betonwendeltrcppe eingebaut. Auch mußten fämtlicheZwifchen-
gefchoße, infonderheit die Treppen, umfangreichen Inftandfeßungen unter-
218
zogen werden. Die Schalläden bedurften faft fämtlich der Erneuerung.
Bcfonders wichtig erfchien d e Ausführung einer brandficheren Scheide-
wand mit Tür zwifchcn Speicher und Turminnerem,“
„Uber der Sakriltei wurde ein Wafchraum für die Geiftlichen und das
Motorgchäufe erriditei. In die öftliche Wandung der drei Turmgefchoffe
fügte man das Rauchrohr der Niederdruckdampfheizanlage ein; von
dort wurde cs im vierten Gefchoffe auf einer eifernen Tragkonftruktion
nach der Mitte geführt, wo es durch eine kupferne Haube feinen Ab-
fchlulj fand.“
„Im Innern des Schiffes wurden die Rohrleitungen der Dampfheizung
in Kanäle verlegt; für die Keffelaniage bot die fogenannte Fürftengruft,
unter dem Fußboden des Wcftflügels befindlich, einen geeigneten Pla$.
Heizungsfirma: Heckel & Nonweiler; Bauarbeiten: Baugefchäft
Kaifer und Betonbaugefchäft Sohnius, fämtlich in Saarbrücken.“
„Bei der Anlage der Kanäle ergab fich, da£ die Sandftemplatten des
Fußbodens weit Ichlechter waren, als bereits angenommen wurde. Es
mußten demzufolge drei Viertel des gefamten Belags aus neuem
Material, und zwar wurden wieder feftefte Eifelfandfteine gewählt, ge-
fertigt werden. Inzwifchen zeigte es fich auch, dalj die Bänkepodien
ftark angefault waren. Nach Hcrftellung einer ifolierten Betonfchicht
kam unter den Bankpläffen fugenlofer Asbeftfuljboden zur Ausführung.“
Von den neuausgeführten Tifchlerarbeiten ilt bclonders zu erwähnen:
der Einbau dreier Windfänge, Bänke und Podien auf die Oftempore,
ein Treppenunterbau, Schalterfchränke in die Sakriftei und die Podien
auf der Weftempore fowie die Orgclgehäufeverbreiterung. Befonders
zu bemerken ift hierbei noch, dalj das Orgelgehäufe 2 m nach Weiten
gerückt und um 25 cm gehoben wurde.“
„An Stelle der bunten, mit aufgcdruckten Muftern verfehenen benfter-
verglafungen konnten folchc mit Antikglas und befcheidener Malerei
zur Anwendung kommen. Die Turmfen'ter erhielten ganz fchlichte Vcr-
glafungen. Ausführende: Glasmalerei Angel, Saarbrücken, und König-
219
lieh Bayerifche Hofglasmalerei Oft er mann & Hart wein, München
Die zwölf Hermen fowie Alfar und Kanzel, die aus Kunftmarmor ge-
fertigt waren, wurden nach Entfernung des dreifachen Olanitriches durch
die Stuckfirma Prof. A. Lauer mann, G. m. b. H., Detmold, wieder-
hcrgeftelli. Bedeutende Koften erforderte audi die Inftandfetjung der
in Gipsguh und Antragmörtcl hergefteüten Ornamente der Decken
und Kuppel. Audi die Gefimfe und Leihen bedurften umfänglicher
Inftandfchungsarbeiten. Die gefamten Sockelflädicn wurden mit einem
leicht anpolierten clfenbeinfarbigcn Hartftuck verteilen. Die Sakriftei
wurde auch nach Entfernung der häßlichen neuzeitlidien Ornamente
einfach erneuert.«
„Die Wand- und Deckenflädien waren uriprünglich weilj und abwedifelnd
im leiditen Elfenbeinton mit Kalkfarbe behandelt, die Flächen der Eck-
poftamente fowie die Säulenfchäfte trugen jedoch ehemals einen Käfc-
farbenanftridi, welcher durdi Abreiben mit leichtem Glanz verleben war.
An den Kartufchenfeldern, welche Decken und Kuppel zieren, konnie
das urlprüngliche Rofa ieftgcitellt werden. Die geiamte Vergoldung er-
wies fich, mit Ausnahme der Sonne als neuzeitlidi. Nach diefem Be-
fund wurde die Ausführung der Maler- und Anftreicherarbeitcn ge-
leitet ; nur muljic der Bankanftrich, welcher von Haus aus weilj war,
aus praktifdien, wohl auch aus äfthelifchen Gründen, eine wärmere
Tönung in lafierender Weife erhalten. Endlich mag noch erwähnt fein,
da^ zum Schule der Decken und Kuppeiflächen auf dem Speicher ein
alifeitiger Scmptalinpappbclag zur Ausführung kam.
Ausführende: Malermeifter W. Schmelzer und H. Kornfeld, beide
in Saarbrücken.“
Die elektrifche Licht- und Kraftleitung führte das Inftallationsgefchäft
K. Meyer in Saarbrücken aus. Die Beleuchtungskörper wurden in
befcheidener Weife, mit Anlehnung an hiftorifche Motive, nach ge-
gebenen Entwürfen von der Firma Obcrdhan und Beck, Mainz,
angefertigt.
221
„Als würdiger Schluß der ganzen Renovierungsarbeiten kann der Einbau
eines neuen Orgelwerkes, ausgeführt von der Firma Kgl Württcm-
bergifche Hoforgelbaumeifter Walcker & Co., Ludwigsburg, angefehen
werden/'
Die im Jahre 1911 beendeten Wiederherftellungsarbeiten haben nach
noch nicht ganz endgültiger Zufammenftellung insgefamt 286673.92 M.
erfordert; hierzu kamen noch für das neue Orgelwerk 24150.00 M.
fo dal? fidi ein Gefamtaufwand von 310823.92 Mk. für die Wieder-
herftellung der Ludwigskirche ergibt. Zu den Koiten der Orgel in
der Ludwigskirche ftiftete Herr Frit? v. Rexroth 5000 Mk. Das von
Walcker in Ludwigsburg gelieferte Werk koitete' 23 800 Mk.
Der Organift Anfchüt? gab folgendes Gutachten über diefe Orgel ab:
„Die von der Kgl. Württemb. Hoforgelbauanftalt E. F. Walcker & Co.
in Ludwigsburg für die Ludwigskirche in Saarbrücken gelieferte Orgel
(3 Manuale, 61 klingende Regifter) muts als ein Wunderwerk moderner
Technik und als ein Kunftwerk erften Ranges bezeichnet werden. Die
Winderzeugung durch einen elektrifchen Motor (Luftfdileudcr) und die
elektrilche Traktur find geradezu ideal; die Intonation ift künftlenfch
vollendet und das verwandte Material das denkbar befte. Ganz be-
fonders verdient hervorgehoben zu werden, dal? es den Herren Walcker
gelungen ift, Klangfarbe und Tonfülle der Orgel dem einzigartigen
Raume fo wunderbar anzupaffen, dal? alle Sachverftändigen und Hörer
fich nur fehr anerkennend und lobenswert über das grandiofe Werk
äußerten."
„Die Mixturen und Rohrwerkc find von ganz brillanter, Flöten und
Streicher von hervorragend charakteriflifcher Wirkung,"
„Die Firma Walcker hat mit der Herftellung diefes Werkes wieder
einmal gezeigt, dal? fie in technifcher wie in künftlerifdier Beziehung
das Höchfte leihet, was auf dem Gebiete des Orgelbaues geleiftet
werden kann."
222
Am 5. November 1911 wurde die erneuerte Ludwigskirche eingeweiht.
Die Weihepredigt hielt der Generalfuperintendent Kogge über die
Worte: „Das Alte ift vergangen, siehe, cs ift alles neu geworden.“
Die Ludwigskirche wurde nicht nur dem Kirchenchor, fondern auch andern
Vereinen zur Aufführung geiftlicher Tonwerkc überlaffen; fo brachte
Mufikdirektor Hugo Grüters im Jahre 1883 Handels „Meffias“
in der Kirche zu Gehör; im folgenden Jahre wurden die Oratorien
„Elias“ von Mendelsfohn und „Samfon“ von Händel durch den
Inftrumentalverein und Konzertverein, im Mai 1922 Teile des Weihe-
feftfpiels „Parlifal“ von Richard Wagner auf Anregung des Kirchen-
chors durch auswärtige Soliftcn zum Beften des Glockenfiocks der
Ludwigskirche aufgeführt.
Der die Kirche umgebende grobe, fchöne Ludwigsplat? hat manche
Veränderungen durchgemacht. Er ift leider befonders auf der Oft-
feile durch häßliche Anbauten verunziert worden.
Im Jahre 1859 geftattete das Presbyterium die Pflanzung einer Schiller-
eiche auf dem Ludwigsplafj zum hundertften Geburtstage des Dichters
unter der Bedingung, dalj der Baum durch ein lolides fchmiedecifcrnes
Geländer gcfchütz werde. Einige dadurch entbehrlich gewordene Pla-
tanen wurden damals verkauft. Der Ludwigsplab diente den Schülern
des Gymnafiums, das feit dem Jahre 1820 in der früheren reformierten
Kirche eingerichtet war, lange Zeit als Spielplatz Auf eine Anfrage
des Gymnafialverwaltungsrales, ob eine dauernde Erlaubnis zur Be-
nutzung des Planes gegeben werden könne, erbot fich das Presbyterium
im Jahre 1883, die Erlaubnis gegen eine jährliche Mietcntfchädigung
von einer Mark auf Grund eines abzufchliefjenden Mietvertrags mit
gegenfeiliger vierteljähriger Kündigungsfrift zu erteilen. Diefes Ver-
hältnis dauerte bis zur Uberfiedelung des Gymnafiums in den Neu-
bau an der Hohcnzollernftrabc im Jahre 1892
Im Kriegsjahr 1870/71 waren die Platanen auf dem vorderen
Teile des Ludwigsplatjes zum größten Teil abgeftorben. Der Kirch-
meifler Theodor Röchling wurde deshalb im Jahre 1872 von dem
223
Presbyterium beauftragt, die Iamtlichen Platanen von diefem Teile weg-
nehmen und durch Linden erfehen zu laffen, da der Boden von den
Platanen zu lehr ausgenutjt fei. Die noch brauchbaren Platanen follten
auf den hinteren Teil des Ludwigsplatjes zur Ausfüllung der ent-
ftandenen Lücken verpflanzt werden. Es wurden auf dem vorderen
und hinteren Teile des Ludwigsplat^es 72 Platanen ausgehoben. Die
Stämme braditen einen Erlös von 32 Talern 4 Sgr. 30 Raum-
meter Knüppel-Holz, auf 20 Taler gefchäfft, follten zur Heizung der
Schlohkirche verwandt werden. An Holzhauerlohn wurden 21 Taler
4 Sgr. ausgegeben; der Förlter Klein erhielt für feine Mühewaltung
10 Taler Vergütung, An der Nord- und Südfeite des Planes wurden
fpater Linden gepflanzt, die jedoch durch die Ausdünftung der Gas-
leitungen abgeltorben und noch nicht wieder erfefd find. So hat der
vordere Teil des Planes den Pflanzenfchmuck ganz verloren. Ein am
Eingang angelegtes Blumenbeet wurde ein Opfer zerftörungsluftiger
Buben und nicht erneuert.
Das Eigentumsrecht an dem Ludwigsplat) wurde der Gemeinde im
Jahre 1852 von der Stadt ftreitig gemadrt. Die Gemeinde behauptete ihr
Recht und es kam unter Vermittlung des von der Kgl. Regierung be-
auftragten Landrats Rennen zu einer Einigung über folgende Punkte:
1. Das Eigentumsredrt der Gemeinde an dem Platte wird von der Stadt aner-
kannt. 2. Die Gemeinde fichcrt der Stadt zu, da^ der Platj dem öffentlichen
Verkehr nidrt entzogen werden foll. 3. Die Stadt wird keinen weiteren
Gebrauch als bisher von dem Platte machen; jede Abweidrung von
dem bisherigen Gebrauche bedarf der Zuftimmung des Presbyteriums.
Als die Stadtgemeinde fich befchwerte, da^ die Bäume an dem Platte
im Auftrag der Kirchengemeinde befdrnitten worden feien, kam es zu
einem Redrtsftreit. Das Friedensgericht in St. Johann erkannte das
Befit^recht der Stadtgemeinde zu. Das Presbyterium legte Berufung
an das Landgericht ein und beauftragte den Juftizrat Bonnet mit der
Vertretung der Gemeinde. Das Landgericht entfehied zu Gunften der
Gemeinde.
224
3. DIE KIRCHENGLOCKEN
Von der im Jahre 1261 erbauten St. Nikolauskapclle hat wohl nur
ein kleines Glöckchen die Bürger zur Andadit gerufen.
Vom Turm der Sdiloßkirche haben den Bürgern von Saarbrücken zuerft
größere Glocken geläutet. Aber in den fchweren Kriegszeilen des 17,
Jahrhunderts blieben auch fie nicht vcrlchont.
Am 17. Mai des Jahres 1677 befdioffen die Kaiierlichen das von
franzöhfchen Truppen belebte Schloß Saarbrücken. Dabei geriet das
Dach und der Turm der Schloßkirdie in Brand, das Gewölbe ftürzte
ein, die Glocken fchmolzcn und fielen herab. Da faft die ganze Stadt
abgebrannt war und die Bürger fich felblt in der größten Not befanden,
fo wurde das Gewölbe der Kirche nicht wiederhergeftelli, fondern eine
Balkendecke gezogen, zu welcher das Stift St. Arnual 60 Eichenhämme
lieferte. Erft am 23. Dezember 1691 konnten in dem neuerbauten
Turme drei neue Glocken auf gehängt werden; alfo hatte die Gemeinde
länger als 14 Jahre das Geläute entbehrt. Die Glocken hatten 24,
16 und 6 Zentner Gewicht, In dem im Jahre 1762 erbauten Turm
der reformierten Kirdre (der ¡ewigen Friedenskirche) hingen drei Glocken
von 12, B und 4 Zentnern Gewicht. Am 3. Januar 1764 fdiloß das
reformierte Presbyterium (vertreten durch den Pfarrer Manfa, A. Reuther,
A. Haldy, Wilkens und Jörg Karl Goß) mit dem Glockengießer Georg
Gachol in Saarbrücken einen Vertrag auf Lieferung einer Glocke von
8V2 Zentnern Gewicht, zu der das Presbyterium das Metall liefern
und an jedem Zentner 5 Pfund Abgang „ftatuieren" Tollte. Die Glocke
lohte bis Juni desfelbcn Jahres geliefert und für den Zentner 12
Gulden bezahlt werden; sie Tollte mit den beiden andern Glocken
(derfelben Kirche) harmonieren. Dicfe Glocken und die Glocken der
Ludwigskirche wurden, was bisher nidit bekannt war, in Saarbrücken
felbft gegolfen. Am 5. April desfclben Jahres fchloß die fürftliche
Regierung mit dem Glockengießer Johann Chriftoph Klein aus Ernft-
weiler (bei Zwcibrücken) einen Vertrag über den Guß von drei Glocken
15 G-Idiidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbrüdcen.
225
für die neue (Ludwigs-) Kirche. Klein wurde auf Kolten des Fürlten
bei dem Adlerwirt Johlcr für den viertel ¡ähriiehen Preis von 14 Gulden
eingemietet. Samuel Kleber erhielt am 20, Auguft 17648 Gulden für
„Bauholz zum neyen gebauten Glockenhaus“ zu fahren. Zimmermeifter
Hackfpiel von St. Johann verfertigte für 53 Gulden den Stuhl zum
Gu^ der neuen Glocken. Leiendecker Georg Klein lieferte 3858 Dach-
ziegel, das Taufend für 22 Albus 4 Pfg., Ziegler Adam Mayer 1200
gebackene Steine „für den Gie^ofen zu wölben,“ das Taufend 4 Gulden
24 Kreuzer. Andreas Henne lieferte 3825 Ziegel, das Taufend für
3 Gulden 25 Kreuzer. Nikolaus Stoll 3520 gebackene Steine für den
Gie^ofen und noch einmal 500 Steine, Kaipar Steeg Klammern zum
Glockenfduippen, Schloffer Bickelmann arbeitete am Gie^ofen fowie
einige Sdireiner. Faktor war Johann Daniel Schäfer von Scheidt.
4 Fuhren Kupfererz wurden zum hcrrfdiaftlichen Fruditfpeidier gebradit,
desgleichen eine Fuhre englifdies Zinn, Schmidtborn und Korn lieferten
1095 Pfund Blei, Ferdinand Frantj von Saarlouis erhielt 40 Gulden
Schifferlohn für 11665 Pfund Blei, die von Trier kamen. Der Hütten-
befitjer Gouvy (Stahlhammer) lieferte 24 Pfund Stahl für Glocken-
bcfchläge. Schlolfermeifter Zorn und Müller die Klöppel, Johannes
Dalem 52 Stämme Bauholz, Sattler Chriftoph Lemmes Riemen an die
neuen Glocken, Schreiner Königsberger wurde für Befchädigung feines
Gefchirrs beim Durdifchneiden von Zinn entfehädigt, Handelsmann Fröhlidi
kaufte 1767 das übrig gebliebene Metall. Das Gie^haus war aut
dem allen Hahnen, wahrfchemlidi an der Stelle der jetzigen Seilerei
von Helj. Ich verdanke diefc wertvollen Mitteilungen dem Herrn Karl
Ruhr, der fie aus den alten Kirdienredmungen gezogen hat.
Diele Glocken, die in der im Jahre 1775 eingeweihten Ludwigskirche
aufgehängt wurden, wogen 48, 36 und 18 Zentner. Der Fürft Wilhelm
Heinrich hatte fidi fchon im Jahre 1761 „diargiert“, das Glockenwerk
von den Kollekten zu bezahlen.
Diefe Glocken wurden bis zum Jahre 1793 geläutet, ln diefem Jahre
wurde Saarbrücken wieder von franzöfifchen Truppen befet^t. Auf
226
einen Bcfchluß des Nationalkonvents wurden in ganz Frankreich und
in den belebten Gebieten die Glocken von den Kirchen genommen
und zum Vorteil des Staates verkauft oder ausgemünzt. Auf Befehl
der franzöfifdren Kommiffäre meiste die Stadtverwaltung vom 8, bis
zum 13. September 1793 [amtliche Glocken von den Kirdren hcrunter-
nehmen laffen. Der Nationalkonvent hatte zwar beftimmt, daß jeder
Kirche die zum Sdrlagwerk der Uhr nötige Glocke gelalfen werden
follte, und die Kommiffäre waren nicht abgeneigt, diefer Verordnung
nachzukommen, aber der franzöfifche Volksrepräfcntant Ehrmann, der
felbft die Türme beftieg, fand die Glocken io fchwer, daß er von
diefem Nationaleigentum nichts zurücklaffen wollte. Die Glocken wurden
von den Türmen heruntergeworfen, in Stücke zerfchlagen und nach
Meß gebracht. Man war alfo in Saarbrücken ohne Glocken und
Schlaguhren. Später wurden zwei kleine Glocken von der Deutfch-
ordenskapelle, die der Aufmerkfamkeit der Franzofen entgangen waren,
in die Stadt gebracht und die eine im Turm der Sdiloßknche, die
andere in der evangelifdien Kirche zu St. Johann aufgehängt.
Im Jahre 1800 zerfprang die Glocke auf der Schloßkirche, und es
wurde zur Befdraffung einer neuen Glocke eine Kirchen- und Haus-
fammlung veranftaltet. Der Glockengießer Chrifiian Schmidt in Trier
goß eine neue Glocke, die 767 Pfund Saarbrücker Gewichts wog und
1405 Franken koftete. Sie trug folgende Auffchrift: „Als die Stadt
Saarbrücken anno 1793 alle Glocken im Kriege verloren, fo fdiafften
mich die evangelifdien Bürger Saarbrückens durdi freiwillige Beiträge an.“
Sie wurde am 3. Oktober 1800 auf den Turm der Schloßkirche gezogen.
Da die Ludwigskirche nodi ohne Glocke war, fo wandte fich der Maire
von Saarbrücken im Jahre 1801 an den Präfekten des Saardepartements
zu Trier mit der Bitte um Lieferung einer Glocke aus dem Glocken-
depot des Saardepartements mit der Begründung, daß der Wert der
weggenommenen Glocken fich auf 67766 Franken belaufe. Der in
franzöfifcher Sprache abgefaßte Schriftwechfel lautet in deutfeher Über-
fettung folgendermaßen:
227
Saarbrücken, den 18. Thermidor des Jahres 10
der Republik (6. Auguft 1802).
An Bürger Jeanbon St. André, Staatsrat, Kommiffar der Regierung
in den vier neuen Departements des linken Rheinufers.
Der Maire und die Adjunkten der Mairie Saarbrücken im Namen
ihrer Gemeinde.
Bürger Kommiffar!
Unter die Zahl der drückenden Mahregeln, die uns im Laufe des Jahres
1793 (alten Stils) an den Rand des Verderbens brachten, können wir
auch die Wegnahme unferer Glocken rechnen. Sogar ohne Rückficht
auf das Gefeh, weldies ausdrücklich befiehlt, eine von ihnen für jede
Turmuhr zurückzulaffen, um als Sdilagglocke zu dienen, wurden fie.
fünfzehn an Zahl, von der Höhe der Glockentürme herabgeftürzt und
ihre Trümmer nadi Met» gebracht. Nach mäßiger Sdiähung kann
diefer Vcrluft auf 67766 Francs berechnet werden.
Während mehrerer Jahre blieben wir ohne Turmuhren; endlich ver-
anftalteten die Bewohner von Saarbrücken eine Sammlung, und es gelang
ihnen, eine kleine Glocke zu erwerben, deren Sdilag jedoch, weit ent-
fernt, im Falle eines Brandes auf dem Lande gehört zu werden, nicht
einmal die Stunden in der ganzen Ausdehnung unferer kleinen Stadt
anzuzeigen vermag.
Dicfes Glöckdien ift auf der Sdiloljkirche angebracht worden ; unfere
neue Kirche (Ludwigskirdre), welche die fdiönfte Zierde der Stadt ift
und an ihrem andern Ende liegt, ilt eines höchft notwendigen Gegen-
ftandes beraubt geblieben. Es gibt in unferm Departement noch
Staatsbeamte, z. B. den Domänendirektor Bürger Lelievre, der diefen
Akt der Barbarei beftätigen könnte.
überzeugt, dalj die Regierung, deren Grundidee bekanntlidi Gei echlig-
keit und Gefetpmä^igkeit find, fidi niemals den Maßregeln entziehen
wird, weldre dahin zielen, das Unglück der vergangenen Zeit wieder
228
gutzumachen, wagen wir Sie zu bitten, Bürger Kommifiar, uns eine
der Glocken abliefern zu lallen, die man jet^t von den Glockentürmen
der zahlreidien Klöfler in Trier herabnimmt, um diejenigen zu erteilen,
weldie man uns ungerediter Weife weggenommen hat, und zwar als
Sdiadenerfah ohne andere Verpfliditung als die Beförderung. Da
die Glocke kein Luxusgegenftand, fondern ein öffcntlidies Bedürfnis
fein foll, fo braucht fie nidit mehr als 10 bis 12 Zentner zu wiegen.
Da die Glocken (in Trier) in der Reihenfolge verkauft werden, wie
man fie herabnehmen läl>t, fo wagen wir, Bürger Kommiffar, Sie darauf
aufmerklam zu machen, dah eine Entfdilie^ung über unfere Bitte keinen
Auffchub leidet.
Grufs und Hochachtung!
Mandell. Binger, Lex.
Darauf erging folgende Entfdreidung der franzöfifchen Domänen-
verwaltung :
Mainz, den 23. Thermidor im 10. Jahre der Republik.
Der Verwalter der Domänen, beauftragt mit der Ausführung des Ge-
feites vom 20, Prairial des Jahres 10 (9, Juni 1802) in den neuen
rheinifchcn Departements. An den Bürger Jeanbon St. Andre, General-
kommiffar etc.
Bürger Generalkommiffar! m
Sie haben mir die Ehre erwiefen, mir die Eingabe mitzuteilen, durch
die der Maire und die Adjunkten von Saarbrücken im Namen ihrer
Gemeinde bitten, Sie möchten ihnen unentgeltlich für eine Turmuhr
eine der G'ocken im Gewidit von 10—12 Zentnern überliefern laffen,
die fidi in den aufgehobenen Klöflern von Trier befinden, als Erfat>
für diejenigen, die ihnen im Laufe des Jahres 1793 weggenommen
worden find, und deren Verluft auf 67 766 Fr. angegeben werden
kann. Ich weift nidit, Bürger Generalkommiffar, ob es in der Abfidit
der Regierung liegt, über einige der Glocken, die von den kirchlidien
Stiftungen herrühren, zu Gunften von bedürftigen Gemeinden zu ver-
229
fügen: aber indem ida abwarte, wie fie fich in diefer Beziehung äußert,
Icheint es mir, da^ kein Bedenken vorliegt, dem Maire und den Ad-
junkten von Saarbrücken die Glocke, um die fie bitten, zu überlaffen,
unter der Bedingung, dal^ auf ihre Koften ein Protokoll aufgefelpt
wird, das ihr Gewidit und ihren Wert beftimmt, und da^ fie fich ver-
pflichten, den Wert an den Einnehmer der Domänen des Ortes, von
dem he weggenommen wird, zu bezahlen, wenn io von dem Finanz-
minüter darüber verfügt wird, dem ihre Bitte und deren Beweggründe
werden mitgeteilt werden.
Ich habe die Ehre, Sie mit Hochachtung zu grüßen.
Bodie.
Tatfädilich muffte die verarmte Saarbrücker Gemeinde die Glocke be-
zahlen, die aus dem Nationaldepot in Trier gegeben wurde. Es war
eine alte Glocke vom Jahre 1396 und ftammte aus dem Karmeliter-
klofter zu Trier. Sie wog 768 Pfund oder 38 Myriagramm; die Stadt
mu^te das Myriagramm (10 Kilogramm) mit 20 Franken bezahlen.
Die Auffchrift lautete:
Anno DOMINI MGCC LXXXXVI
Ave Maria gratia plena.
Me fccit Johannes Freund.
Nomen meum Maria, St. Johannes.
(Im Jahre des Herrn 1396.
Gegrüßt feilt du, Maria voller Gnaden.
Mich machte Johannes Freund.
Mein Name ift Maria, St. Johannes.)
Sie wurde am Montag, den 27, September 1802, auf den Turm der
Ludwigskirche gezogen.
Die Glocke auf der Sdiloljkirche zerfprang im Jahre 1813, und man
hielt nun die Anfchaffung von zwei neuen Glocken für nötig. Da es
der Gemeinde an Mitteln fehlte und das Stift eine ausreichende Untcr-
ftütjung verweigerte, fo wurde wieder eine Sammlung veranfialtct und
230
in Trier zwei Glocken gekauft, von denen die eine 350 kg, die andere
107 kg wog. Die Koften beliefen iich auf 2061 Frs.; die gefprungene
Glocke wurde für den Metallwert angenommen. Die größere Glocke
(e-Klang) trug das Bild der Jungfrau Maria und die Jahreszahl „Fan
1730“, die kleinere (h-Klang) hatte die AufIchrift „Faite Tan 1813“
(gegolfen im Jahre 1813). Die Glocken gingen am 10. September 1813
aut dem Wafferwege nach Saarbrücken ab.
Aber auch die Ludwigskirche brauchte ein neues Geläute. Es wurden
aus freiwilligen Beiträgen der Gemeinde zwei neue Glocken angefdiafft,
die der Glockengießer Peter Lindemann in Zwcibrückcn gegolten hatte.
Sie wurden am 28. November 1824 zum erften Male geläutet. Die
größere Glocke wog 1908 Pfund, die kleinere 976 Pfund. Die
größere Glocke, die vor dem Weltkrieg als Mittagsgfockc geläutet
wurde, trug aut der einen Seile die Infchrift: „Was der Krieg zer-
tlörte, ftellte im Frieden her die Mehrheit der cvangelifchen Gemeinde
für die Ludwigskirche zu Saarbrücken. 1824, Pct. Lindemann, Zwei-
brücken.“ Auf der anderen Seite Hand:
„Nie verbreite dein eherner Mund
Graun und Entfeßen, du Zeitbelehrerin!
Nur tur uns die Stunden kund,
Wie tchnell fie ttets entflieh’n.“
Der untere Durchmeftcr der Glocke betrug 1,20 Meter; der Ton
ftimmtc etwas tiefer als f. Die kleinere Glocke hatte einen untern
Durchmelfer von 0,96 Meter und ftimmte etwas tiefer als gis. Sic
trug auf der einen Seite die Infchrift: „Gelüftet für die Ludwigskirche
durch die Mehrzahl der evangelifchen Einwohner zu Saarbrücken.“ Auf
der andern Seite Fanden die Verte aus Schillers „Lied von der Glocke“:
„Zur Andacht, zu herzinnigem Vereine verfammle fie die liebende
Gemeine.“
Damals wurde wahrtcheinlich die alte Glocke aus dem Jahre 1396
von der Ludwigskirche nach der Schloßkirdie gebracht.
231
In dem bei Witwe Hofer gedruckten „Intclligenzblatt“ des Kreifes
Saarbrücken vom 4. November 1825 finden wir eine Dankfagung des
Superintendenten Hildebrand an die Männer und Frauen von Saar-
brücken für ihre freiwilligen Gaben. Die Sammlung halte 1602 Taler
10 Sgr. 15 Pfg. ergeben. Mehr als die Hälfte diefer Summe kam
durch Verzicht von Gemeindemitgliedern auf Entlchädigung für Liefe-
rungen in der franzöfifchcn Zeit zufammen. Diefes Geläute beftand
länger als 50 Jahre. Als im Jahre 1877 die kleinere diefer beiden
Glocken beim Sturmläuten während einer Feuersbrunft zerfprungen war,
befdiloß das Presbyterium den Umguß der zerfprungenen und den
Neuguß einer größeren Glocke. Eine Bitte, die aus Anlaß des
bevorftchenden 100jährigen Jubiläums der Vollendung der Ludwigs-
kirche an den Kaifer und König gerichtet worden war, der Gemeinde
29 Zentner Kanonenmetall von erbeuteten franzÖfildien Gefdiütjcn zum
Guß einer neuen Glocke zu überlaffen, wurde durdr den Kriegsminifier
v. Kameke abfdrlägig befdiieden. Der Gu% wurde dem Glockengießer
G. Hamm in Kaiferslautern übertragen. Das Geläute hatte den Dur-
Dreiklang Cis-Eis-Gis. Die Glockenweihe wurde am 20. Januar 1878
durch den zweiten Pfarrer Eduard Zickwolff vorgenommen. Die große
Glocke (Cis), weldie 1500 Kilogramm wog, trug die Infdirift: „Eine
fefte Burg ift unter Gott. Die evangelifche Gemeinde von Saarbrücken
1877.“ Auf der kleineren Glocke (Gis), weldic 450 kg wog, Fand:
„Ehre fei Gott in der Höhe!“
In den Jahren 1896—1897 wurde die Schloßkirche auf Koften der
Gemeinde erneuert, eine neue Orgel eingelegt und diefe am 28. März
1897 zufammen mit drei neuen Glocken geweiht, die von Johann
Georg Pfeiffer in Kaiferslautern gegolten waren und den melodifdien
Dreiklang fis, gis, ais hatten. Die große Glocke wog 688 Kilogramm,
die zweite 475 Kilogramm und die dritte 345 Kilogramm. Die Infdiriftcn
ergänzten einander zu dem Sprudi: „Ehre fei Gott in der Höhe“ —
„Friede auf Erden“ — „Den Mcnfchen ein Wohlgefallen.“ Darunter
Fand „Evangelifche Gemeinde Saarbrücken“ und der Name des Glocken-
232
gießcrs. Die Metallmifchung beftand aus 76 Prozent Kupier und 24
Prozent Zinn, Für die drei alten Glocken vergütete der Glockengießer
762,62 Mk.t fodaß nodi 2209,75 Mk, gezahlt wurden. Das Kilogramm
koftete 1,70 Mk. Damals wurde die alte Glocke von 1396 eingefdimolzcn.
Da die Tonzufammcnfebung diefer Glocken vielen Gemeindemitgliedcrn
nidit gefiel, fo wurden im Jahre 1905 drei neue Glocken angefdiafft,
die der Glockengießer Karl Friedrich Ulrich in Apolda lieferte, und
am 12. März 1905 zum erben Mal geläutet. Sie hatten die Töne
c-gis-h; ihr Gewidit betrug 1000, 500 und 300 Kilogramm.
Von diefen drei Glocken blieb nur die kleinfte im Turm der Sdbloß-
kirdie, da die beiden andern im Juni 1917 für den Bedarf des
Vaterlandes abgegeben werden mußten. Audi die große Glocke und
di? Mittagsglocke der Ludwigskirche mußten damals an die Metall-
verwertungsftelle abgegeben werden. Am Sonntag, den 17, Juni 1917,
wurden alle drei Glocken von */212 — 12 Uhr zum leßten Male
zufammengeläutet, und am Montag, den 18. Juni, die zwei größeren
abgenommen; nur die kleinfte Glocke blieb zurück.
Nachdem der Friede wieder eingekehrt war, mußte die Gemeinde auf
die Erwerbung eines würdigen Geläutes um fo mehr bedacht fein,
als die Nadibargemeinde St. Johann ein fdiönes Stahlglockengeläute
bcfchafft hatte. Mit Rückficht auf die hohen Koben fah die Gemeinde
von neuen Bronzeglocken ab und entfdiied fidi ebenfalls für Gußftahl-
glocken, wie fie das Kgl. Bergamt fdion im Jahre 1822 empfohlen
hatte. Für die Ludwigskirdie wurden vier, für die Sdiloßkirche drei
Glocken in Ausbdit genommen und bei dem Gußftahlwerk in Bodium
beftellt. Für die Glocken der Ludwigskirche wurde die Tonfolge
a-c-es-ges, für die der Sdiloßkirdie es-ges-a gewählt. „Die Geläute
der beiden Kirdien verftärken und ergänzen fich in geradezu idealer
Weife, und es wird eine glockcnmuhkalilchc Wirkung von edler Har-
monie und ernfter Sdiönheit erzielt.Die Koften wurden durdi Samm-
lungen in der Gemeinde aufgebracht, zu der audi frühere, jetjt auswärts
233
K'6
Wegfühiung der alten Glocken am 18. Juni 1917
Im Vordergrund von rechts nadr links; Kirdmreifter B. Seihe rt, Küfter Köhl, Pendant Hiljmann und Obcrmonteur S f e i Ij
235
wohnende Mitglieder der Gemeinde in erfreulicher Weife beilteuerten.
So Ichenkte Herr Friß von Rexroth in Wiesbaden 2000 Mk„ Herr
Geheimer Bergrat Dr. Ewald Hi lg er in Berlin 10000 Mk. Die
eifernen Glockcnfliihle lieferte unfer Kirchmeifter Fabrikbefißer Bernhard
Seibert unentgeltlidi. So find diefe Glocken ein Idiönes Denkmal
der Opferwilligkeit. Die beiden alten Bronzeglocken wurden verkauft,
die eine an einen Privatmann, die andere an die Gemeinde Güdingen-
Bübingen. Auf den Vorfdilag des Pfarrers Klein erhielten die Glocken
der Ludwigskirdic die Namen Chriftus, Paulus, Luther und Ernft
Moriß Arndt. Die größte, die Chriftusglocke, trägt die Infchritt:
„Kommt her zu mir, ihr Mühleligen.“ Der Glockenfprudr der Paulus-
glocke lautet: „Ift Gott für uns, wer mag wider uns fein?“; der der
Lutherglocke; „Ein fefte Burg ift unfer Gott“; der der Ernft-Moriß-Arndt-
Glocke: „Idi weih, an wen ich glaube.“ Auf der Chriftusglocke itehen
die von Pfarrer Klein verfaßten Verfc:
Opfer des Weltkrieges fanken vom Turm die Glocken aus Bronze.
Hartem Frieden entftieg diefes Geläute aus Stahl,
Zeugnis zu geben dem Volke, daß Gott erhöht und erniedrigt.
Wie feines heiligen Rats Güte und Strenge cs fügt.
Uber die Einholung der Glocken brachte die „Saarbrücker Zeitung“
folgenden Bericht:
„Die Einholung der Glocken der Ludwigskirche geftaltele iidr zu einer
außerordentlida eindrucksvollen und erhebenden Kundgebung evangelifdien
Gemeindelebens und proteftanlifdier Zufammengehörigkcit. Bereits feit
einigen Wochen Fanden die neuen Glocken — mit denen der Schloss-
kirche 6 an der Zahl — in der Montagehalle der Fabrik Bernhard
Seibert. Die fiebte (Luther-)Glocke, die drittgrößte der Ludwigskirche,
war beim Guß im Boduimcr Stahlwerk mißglückt, lodaß fic erft in
leßler Stunde, aber noch zur rediten Zeit, in Saarbrücken cintreffen
konnte. Leider mußten aus technifdrcn Gründen die Glocken der Sdiloß-
kirche bereits in der vergangenen Woche an ihren Beftimmungsort
gebracht werden, fodaß die feierliche Einholung fich auf die Glocken
236
der Ludwigskirdie befdiränken mul^te. Mit viel Liebe hatte die cvange-
lifche Frauenhilfe die Glocken mit Tannengrün und Blumen rcidilich
und gcfdimackvoll ausgeidimückt, fodalj die Wagen mit den vier Glocken
einen impofanten und feierlidnen Eindruck machten. Viele Taulende
waren herbeigeeilt, um an dem hiftorifdien Akte teilzunehmen, und vor
allem unfere Sdiuljugend Hel? es fich nidit nehmen, leuchtenden Auges
den Glocken das Geleit zu geben. Mandl Auge wurde feudit im
Anblick des Erfass für das im Krieg verloren gegangene Gut und
in der Freude, nun bald wieder die Glocken von den Kirchtürmen hören
zu dürfen. Unter dem Klange einer Mufikkapelle bewegte fidr der
Glockenzug durdi die Hohenzollcrn- und Eifenbahnftralje nadi dem
LudwigspIaK wo die Feier vor fidi gehen follte. Es erwies fidi bald,
da^ der hintere Teil des Ludwigsplat^es die vielen Taufende nidrt
faffen konnte; aus technifdren Gründen mußten die Glocken jedodi vor
dem Turm der Kirche Aufhellung finden. Die drei Pfarrer der Gemeinde,
die Herren Klein, Ebeling und Heinz, hielten kurze Anlprachen über
die Mahnung der „Glocken von Stahl“, über die Zufammengehörigkcit
von Glocken und Gemeinde und über die Glocken und die Jugend.
Nadi dem Gefange des trefflidren Kirdhendiores „Die Himmel rühmen
des Ewigen Ehre“, einte hdi die Verfammlung in den gewaltig über
den Plat? hin fchallenden, vom Pofaunenchor Brebadi gut und kräftig
begleiteten Liedern: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“,
„Nun danket alle Gott“ und „Ein' feite Burg“, während die Jugend
ihr Liebl'mgslied „Lobt froh den Herrn, ihr jugendlidien Scharen“
erklingen He^. Eine fdiöne, allen Teilnehmern gewib unvergeljlidie
Feicrftunde war zu Ende. Am Montag früh begann die Hinaufbringung
der Glocken zu dem mädrtigen, von dem Kirdimeifter der Gemeinde,
F abrikanten Bernhard Seibert — ebenfo wie der in der Sdiloljkirdrc —
gefchenkten und in deffen Werkftatt hergeftellten Glockenftuhl. Es
war ein intereffanler Vorgang, die viele Zentner fehweren Glocken
— wiegt doch die größte Glocke, Chriftusglocke, über 70 Zentner —
langfam den Turm entlang klettern zu fehen. Die Beförderung nach
oben erfolgte durch Flafdienzug mit elektrildiem Antrieb. Der Glocken-
237
raum im Turm der Ludwigskirdie ift mit einem völlig neuen Glocken-
gerüft verfehen worden, da das Geläut der tedmilchen Entwickelung
entfprediend fpäter durdi eleklrifche Kraft in Bewegung gefegt werden
foll. Die einzelnen Glocken haben ohne Klöppel folgendes Gewidit:
Chriftusglockc 66 Zentner (Durchmeifer am unteren Glockenrand 1988
Millimeter), Paulusglocke 38 Zenlner (1673 Millimeter), Lulherglocke
24 Zentner (1430 Millimeter), Emit-Morit^-Arndt-Glocke 17 Zentner
(1260 Millimeter). Die Glocken der Schloljkirdie wurden einige Tage
Ipäter an ihren Beftimmungsort gebradit. Sie haben folgende Auf-
ichriften:
B ulje
Uns baute die Not,
Uns fdimückte die Liebe,
Uns krönet die Hoffnung.
Glaube (Mittagsglocke)
Unler täglidi Brot gib uns heute.
Friede (Abendglocke)
Bleibe bei uns, denn es will Abend werden.
Sie haben folgendes Gewicht: Bulje 24 Zentner (1430 Millimeter),
Glaube 17 Zentner (1260 Millimeter) und Friede 9 Zentner (1016
Millimeter). Das Hinaufziehen der Glocken wurde von Oberingenieur
Teufel von der Firma B. Seibert in umfiditiger Weile geleitet.
Am Sonntag, den 1. Oktober fand der Weihegottesdienft in der
Ludwigskirche, am 8. Oktober diefelbe Feier in der Schlo^-
kirdic ftatt. Der Gelang des Kirchenchores: „Nun klingen die
Glocken wieder zu Gottes Lob und Ehr’“ fprach die Gefühle der
Gemeinde aus. Am Abend des 8. Oktober fand im Saalbau ein
Gemeinde-Feftabcnd zur Weihe der neuen Glocken ftatt. Nach einem
von Frl. Soine gediditeten Vorfpruch folgte ein von Frl. Soine und
Frl. Fanny Zilleffen verfaßtes Feftfpiel; „Am 24. Auguft 1775“, in
dem als handelnde Hauptperfonen Fürft Ludwig, Friedrich Joachim
238
Stcnyci mit feinem jüngften Sohn und der Bildhauer Mihm mit Familie
auftraten, dann ein Gedicht von Frh Soine „Aus der Zeitgcfchidite
der Saarbrücker Kirdienglocken im 19. und 20. Jahrhundert bis zu
ihrer Abgabe im Sommer 1917“, darauf zwei ebenfalls von Frl. Soine
verfaßte launige Gedichte in Saarbrücker Mundart „Saarbrücken und
St. Johann“ und „Vom Sammeln für die neuen Glocken“. Im zweiten
Teile des Feitabends wurde das Tagewerk der Glocken als Morgenglockc,
Mittagsglocke und Abendglocke fowie ihre Befiimmung als Taufglocke,
Hochzcitglocke und Sterbeglocke in lebenden Bildern unter Begleitung
von entfpredienden Gefangen von Frau Wilhelmine Huppert, Frau
Luife Hüther, Herrn Ernft Köhl, dem Kirchenchor, einem von Frl.
Birkenftock geleiteten Mädchendior und der ganzen Verfammlung vor-
gelührt. Der Abend gab einen erfreulichen Beweis von dem einmütigen
Zufammenwirken der in der Gemeinde vorhandenen künltlerifdien Kräfte.
Die Kirdienglocken haben übrigens ihre in Schillers Lied von der
Glocke fo ergreifend gefdiilderte Bedeutung als Feuerglocken verloren,
da im Jahre 1877 das Läuten der Kirdienglocken bei Feuersbrünften
eingekeilt und feitdem das Feuerfignal von der ftädtifchcn Brandwache
gegeben wurde. Im Jahre 1911 ift eine elektrifdic Wedcer- und
Meldelinie für die Feuerwehr eingeriditct worden, foda^ eine unnötige
Beunruhigung der Einwohnerfchaft bei kleineien Bränden vermieden wird.
4. DIE KIRCHENGERÄTE
Nadi einer Aufzeichnung des Superintendenten Rolle aus dem Jahre
1775 befanden fich damals folgende Kirdiengeräte in Befi^ der evan-
gelifchen Gemeinde:
1. 5 filberne und inwendig vergoldete Abendmahlskannen, die größte
1761 in Saarbrücken verfertigt und von den Familien Sdimidtborn und
Korn gefchenkt; fie hatte 173 Gulden gekoftet. Auf dem Deckel
diefer Kanne ift die von dem König Friedndi Wilhelm III. zur Er-
239
240
innerung an die 300 jährige Jubelfeier der Reformation gefchenkte goldene
Denkmünze beteiligt. 2. Ein vergoldeter filberner Keldi und eine vergoldete
iilberne Dofe mit dem naffauifchcn Wappen für die Hoftien nebft einem
vergoldeten Hoftien-Tellcr und einem vergoldeten filbernen Löffel. Diele
Geräte hatte die Fürftin Charlotte Amalie im Jahre 1735 der Gemeinde
gefchenkt. 3. Eine zinnerne Weinkanne von 4 Maß zum Holen des
Abendmahlswcines. 4. Ein filberner und vergoldeter Krankenkeldi mit
Teller. 5. Eine filberne und vergoldete Taufkanne mit Sdiüffel aus
dcmfelben Metall, die mit dem Bild Johannes des Täufers verziert war.
6. Ein großes rotes, mit Silber gefticktes famtenes Altar- und Kanzel-
tudi zu den hohen Fefttagen. 7. Ein weites Altar- und Tauftudi.
8. Ein neuer famtencr Klingelbeutel mit filbernem Deckel, Schlößchen
und Schelle, 1742 von F'ürft Wilhelm Heinrich gefchenkt. 9. Ein
Idiwarzes Altartuch von Plüfch. 10. Einige Bibeln und Kirchen-
ordnungen. 11. Drei Kirchenbücher von 1622, 1694 und 1748, die
beiden erften in Quart, das dritte in Folio (jeßt auf dem Standes-
amt l). Im Jahre 1830 bei der 300 jährigen Jubelfeier der Augs-
burger Konfelfion fchenkten der Bürgermeifter Heinrich Böcking
und feine Gemahlin Charlotte, geb. Stumm, eine Abendmahlsfchülfel
aus getriebenem Silber. In der Mitte ift die Anbetung der heiligen
drei Könige dargeftellt, der Rand ift mit einem Kranz von Blumen
und Früchten gefdimückt. Das Kunftwerk ift eine Arbeit des Augs-
burger Goldfchmieds Abraham Warmberger, der im Jahre 1704 ge-
hörigen ilt. Im Jahre 1824 bekleideten Frauen der Stadt Kanzel und
Altar der Ludwigskirche mit rotfamtenen Tüchern und ftifieten einen
vergoldeten filbernen Abendmahlskclch, dem älteren völlig ähnlich.
(Intelligenz-Blatt 1825 4. Nov.)
Das für die Erwärmung der Schloßkirche gefammelte Geld (69 Taler,
2 Sgr., 3 Pfg.) wurde i. J. 1857 zur Anfchaffung eines großen Leuchters
für die Sdiloßkirche beflimmt, der 90 Gulden koffen follte. Er wurde
aber bald nadiher mit 25 Gulden Verluft wieder verkauft, da durch
Erriditung der Gasfabrik die Erleuditung der Kirche zweckmäßiger und
billiger befchafft werden konnte.
16 Gefdiichte der ev. Gemeinde Alf-SaarbrGcfcen.
241
Der Geheime Kommerzienrat Karl Röchling und feine Gemahlin
Alwine, geh. Vopelius ftifteten im Jahre 1907 bei der Teicr ihrer
goldenen Hodizeit ein hlbernes vergoldetes Kruzifix und zwei cbenfolche
Leuchter für den Altar der Schloljkirche. Die filbernen Leuditer und
das filberne Kruzifix auf dem Altar der Ludwigskirdic find von den
Erben des Kommerzienrats Theodor Röchling gefchenkt worden.
Die Uhr der Ludwigskirchc ift ein Ankerwerk und trägt die Infchrift
„1794, X. Brumaire“. Sie geht zweimal 24 Stunden. Im Zifferblatt
finden fich mehrere Löcher, die von franzöfifchen Chaffepotkugeln vom
2. Auguft 1870 herrühren. Eine von ihnen fteckt noch zwifchen den
Zahlen XI und XII.
Die zwei Kirchenfiegel für Hoch- und Tiefdruck zeigen einen leine Bruit
riffenden Pelikan, dasfelbe Symbol chriftlicher Liebe, das an der
Schalldecke der Kanzel in der Schlo^kirche angebracht ift.
242
IV. DAS KIRCHENVERMOGEN
Die im Jahre 1261 von dem Stift St. Arnual in Saarbrücken an
der Stelle der fpäteren Schlol^kirche erbaute St. Nikolauskapelle
hatte kein eigenes Vermögen, fondern wurde von dem Stift
St. Arnual unterhalten, welches den Zehnten in Saarbrücken erhob und
dafür den Pfarrer ftellte. Da die Stiftsherren jedodi in der Erfüllung
ihrer pfarramtlichen Pflichten lehr fäumig waren, fo wies im Jahre 1400
der Abt von Wadgaffen wohl auf Veranlaflung des Grafen, die Summe
von 500 Gulden an, von deren Zinfen — 22 Gulden — ein Frühmelfer
befoldet werden follte. Diefe Stiftung wurde aber im Jahre 1411 zurück-
gezogen, und im folgenden Jahre Mieten Henfelin vom Efchberg und
einige andere Bürger von Saarbrücken eine Frühmeffe „auf unfer lieben
Frauen Altar“. Zwifchen dem Grafen Philipp I. als Vertreter der Saar-
brücker Bürgerlchaft und dem Stift wurde die Abrede getroffen, da£
alles, was während der Frühmeffe geopfert würde, dem Kirchherrn
(Stiftspfarrer) zufallen, alle Gefdienke aber zwifchen ihm und der Mutier-
kirche St. Arnual geteilt werden follten und zwar fo lange, bis dem Altar
ein jährliches Einkommen von 40 Gulden daraus erwachfe; was dann
weiter gcfchenkt würde, follte dem Stift allein zufallen. Alle Gülten
und Gefälle, die zu der Frühmeffe gefliftet würden, follten dem Früh-
meffer, einem Kaplan, der zwei bis drei Frühmeffen in der Woche zu
halten hatte, zufallen, die Kollatur (Befetjung der Stelle) aber dem
Stift allein zuftehen.
Zur Aufrechterhaltung diefer Stiftung bildeten die beteiligten Bürger
eine befondere Bruderfchaft, die St.-Nikolaus-Bruderfchaft; an ihrer
Spitze ftand ein Brudermeifter, der das Vermögen zu verwalten hatte.
Eine andere derartige Vereinigung war die Hofgelinde- oder St.-Georgs-
Bruderfchaft, welche die gräflichen Beamten umfaßte und in der Kreuz-
kapelle ihren religiöfcn Mittelpunkt hatte.
Diefe Bruderfchaften erhoben ein Brudergeld und erhielten reiche
Schenkungen, fodalj ihr Vermögen fich bald ftark vermehrte. Die über-
243
fdiüffigen Kapitalien wurden gegen Pfand oder Rentenzins ausgeliehen,
und diefe Hilfsquelle wurde von Geldbedürftigen gern in Anfpruch
genommen. Die Bruderkaffen dienten geradezu als Banken, da fie
auch Sduildfcheinc von andern übernahmen.
Diefe eine Frühmcffe fcheint dem Bedürfnis nicht genügt zu haben.
Denn im Jahre 1452 ftiftete die Gräfin-Witwe Elifabeth aus den Gaben
ehrbarer Leute eine zweite Frühmcffe, die täglich an unfer lieben
Frauen-Altar in der Kirche zu Saarbrücken gehalten werden follte.
Das Patronat übernahm wieder das Stift St. Arnual, das den Pricfter
ftellle. Die Frühmeffer, nunmehr zwei, follicn pcriönlidi in der Stadt
anwefend fein, fodah ein Glöckner fie zu finden wiffe, wenn man ihrer
bedürfe, um Bcidite zu hören, die Sakramente zu fpenden oder Kinder
zu taufen. Sie follten dem Kirchhcrrn an beftimmten Fefttagen bei
Vigilie, Mette, Meile und Vefpcr, audi an den Marientagen, Samstags
und in den Faften jeden Abend Salve regina fingen helfen. Die
Opfer follten dem Pfarrherrn gehören, die Frühmeffer lollten ihre Gült
und Bezahlung von dem Brudermeifter aus den dazu gegebenen und
gekauften Gülten empfangen. Was ferner noch zur Frühmcffe geftiftet
würde, follte bis zur Summe von 70 Gulden jährlicher Zinfen angelegt
werden; davon follte jeder Frühmeffer 30 Gulden und der Kirchhcrr
10 Gulden erhalten. Weitere Stiftungen follten halb der Mutlerkirchc
zufallen und halb der Frühmcffe. Auljer dielen Zuwendungen wurden
zu Seelenmeffen und Jahrcsgedächtniffen Güter, Kapitalien, Geld- und
Fruchtrenten, Gefälle, Zehnten und fonftige Einkünfte gefchenkt, deren
Ertrag zur äußeren und inneren Unterhaltung der Kirche verwendet
wurde. (Kirchenfabrik.)
Als im Jahre 1476 an der Stelle der alten Nikolaus-Kapelle die
Schlohkirdie erbaut wurde, ging dieies Vermögen natürlich auf die
neue Kirche über.
Durch die Einführung der Reformation im Jahre 1575 erfuhren die
Brudcrfdiaften zunächft keine Veränderung. Die Einkünfte blieben
unter der Verwaltung der Brudermeifter, die feit dem Jahre 1581 auch
244
Kirchenfchaffncr genannt wurden. Die Kirdienfabriken aber wurden in
ein „Corpus“ zu gegenfeitiger Unterftüffung zufammengezogen. Damit
war die Grundidee der Gencralkirdienfdiaffnei ausgefprodien, die im
Jahre 1601 ins Leben trat und fämtliche Geld- und Naturalgefälle der
verbundenen Kirdien und Kapellen vereinnahmte, verwaltete und verteilte.
Freilich muffte he fich vielfadie Eingriffe des Landesherrn gefallen
laffen, zumal nachdem im Anfang des 18. Jahrhunderts die General-
kirchenfchaffnei mit der Stiftsverwaltung von St. Arnual vereinigt worden
war, der audi die Zehnten der nidit zum Stift gehörenden Pfarreien
überwiclen wurden. Doch die einzelnen Kirchen behielten ihre befonderen
Brudermeifter oder Kirchenfchaffncr. Sie werden noch im Jahre 1778
, in der Naffau-Saarbrückifdien Kanzlciordnung erwähnt. Die Pfarr-
wittumsgüter und den Befoldungszehnten dagegen hatte der Pfarrer
in unmittelbarem Genuff. Adolf Killner zählt in feiner Gefdiidite der
Städte, 11 397 ff, die Grundftückc und Gefälle auf, die den Brudcr-
fdiaften St. Georg und St. Nikolaus im Jahre 1600 zukamen, und die
Grundftücke, welche die Schloffkirche in den Jahren 1765 bis 1791
beiaff. Dies lind wohl diefelben Grundftücke, die fpäter als Pfarr-
dotationsgüter bezeichnet und deren Erträge den einzelnen Pfarr-
ftellen zugewiefen wurden.
Aus den Jahren 1704 bis 1706 liegen uns die Kirchenredmungcn vor,
die von den Brudermciflern Johann Philipp Schropp fenior und Johann
Theobald Brudi geführt wurden. Der Beftand aus dem Vorjahre
betrug 55 Gulden, 12 Baben und 2 Pfennige. Der Graf bezahlte
alljährlich für den Abendmahlswein 4 Gulden. Die fonftigen Einnahmen
behänden aus Wiefen- und Gartenzinfen im Betrag von 65 Gulden
und 12 Pfennigen, aus der Padit eines Kirdiengutes in Fechingen,
13 Gulden, 7 Baffen und 5 Pfennigen und aus Kapitalzinfen im Be-
trag von 17 Gulden, 9 Baffen und 15 Pfennigen. Für Almoien
wurden jährlidi von der Rentmeiiterei 5 Gulden als Zinfen von einem
Vermächtnis gezahlt. Von verkaufter Frucht wurden 3 Gulden und
10 Baffen erlölt, von einer Stiftung von 50 Gulden an Zinlen 2 Gulden,
245
7 Balten und 5 Pfennige. Die Einnahme der Almoienkaffe betrug
3 Gulden. 7 Balten und 2 Pfennige, die Summe aller Einnahmen
174 Gulden, 13 Baben und 2 Pfennige.
An Ausgaben werden aufgeführt:
Bcfoldung für den Infpektor Beer ... 30 Gulden
„ für die beiden Brudermcifter 10
„ für den Glöckner............ 9 „
Für Kommunionwein und Hofiicn ... 12 „ 14 Batzen
„ Handwerksleutc................. 3 „ 6 „ 12 Pf,
Insgemein....................... 17 „ 9 „ 7 „
Sa. 83 Gulden
Der tlberfduiß betrug alfo 94 Gulden, 13 Baben und 2 Pfennige
Die Rückhände beliefen fich auf 37 Gulden.
Im folgenden Jahre (1705) betrug die Einnahme 215 Gulden 5 Baben 6 Pi.
die Ausgabe 197 „ 1 „6 „
Rest 18 Gulden 4 Baben
Die Saarbrücker Kirchengüter waren im Jahre 1738 für 140 Gulden
10 Albus, im Jahre 1741 für 160 Gulden 12 Albus und 4 Pfennige
verpachtet.
Von 1703 bis 1713 war die Rechnung der Generalkirchenfchaffnei mit
der Rechnung der Stiftsverwaltung vereinigt. Vom Jahre 1713 bis 1728
wurden beide wieder getrennt geführt. Als im Jahre 1728 die Re-
gierung an die für ftliche Linie Naflau-Ufingen überging, wurde ein
iüifthches Konfiftorium in Saarbrücken eingefebt und diefem die Ver-
waltung des Stiftes St. Arnual und der Generalkirdienfdiaffnei untcr-
ftellt.
Fürft Wilhelm Heinrich regte im Jahre 1762 aus Beforgnis vor fran-
zöfifchen Eingriffen eine Trennung der beiden Verwaltungen vor, doch
cs blieb beim Alten. Durdi die Kanzlei- und Prozeßordnung von 1778
wurde die Verwaltung der kirchlidren Güter'genauer geregelt. Im Jahre
246
1784 wurden von Fürft Ludwig beide Rechnungen „zu Eriparung un-
nötiger Mühe fowohl für die Redmer als audi für das juftif¡zierende
fiirftliche Konliftorium“ zu der „konfoldierten St. Arnualer Stifts- und
der Graffdiaft Saarbrücken Generalkirchenfchaffnei-Rcchnung“ vereinigt.
Diele Vereinigung gefchah zum Vorteil des Stifts, da die Generalkirchen-
fchafinci-Rechnung von 1783 einen Ubcrfduib von 104956 Gulden,
32 Kreuzern und 3 Pfennigen, die Stiftsrechnung desfelben Jahres aber
einen Fehlbetrag von 96016 Gulden 1 Kreuzer 3 Pfennige aufwies.
In der gemeinfamen Rechnung von 1784 konnte nun ein Ubcrfchu^
von 8940 Gulden und 31 Kreuzern auf geführt werden, ln diefer
Rechnung erfcheint auch ein Poflen von 821 Gulden und 40 Kreuzern
„aus den Brudermeiftereirechnungen“. Die Rechnung fdilie^t mit einem
Uberfchulj an Geld von 5078 Gulden 46 Kreuzern 3 Pfennigen und an
Frucht von 162 Maltern Weizen, 20 Maltern Korn, 10 Maltern Dinkel,
154 Maltern Gerfte, 621 Maltern Hafer und 5 Maltern Erbfen.
In der Verwaltung der einzelnen Kirdienfabriken änderte hdi nichts;
die Brudermeifter oder Kirchenfeh aff ner lieferten ihre Uberfchüffe ab, wie
früher, fie waren in Bezug auf die Kirchengefälle die Unter-Erheber
des Stifts-Amtmanns und leifteten alle auf fie angewiefene Zahlungen,
nahmen die Verfteigerung der Kirchengüter vor, beforgten die Repara-
turen ufw.
Für die Pfarrei Saarbrücken finden wir folgende Ausgaben in der
Stiftsrechnung angeführt:
1749 Ankauf des Pfarrhaufes in der Hintergaffe 2600 Gulden
1753 Superintendenturwohnung am Vorftadttor 5000 „
1762 eine neue Glocke von 2510 Pfund. . . . 1757 „
1762 bis 1775 zum Bau der Ludwigskirche über 29000 „
1768 Bau der neuen Superintendenten neben
der Ludwigskirdic ................... 4096 „ 26 Albus
1769 noch weitere Ausgaben dafür
1769 das 3. Pfarrhaus am Ludwigspla^ erbaut
247
Die Gcneralkirchcnfchaffnei leiftete in derfelben Zeit folgende größere
Beihilfen für die Gemeinde Saarbrücken:
1734 in die Saarbrücker Sdilohkirche verbaut 183 Gulden 13 Albus
1742 Reparaturen der Schlol^kirche über . . . 1000 „
1751 zur neuen Stadtkirdren-Uhr............... 250 „
1753 desgleichen ...... 50 „
Die Belegung des Landes durdi die Franzofen im Jahre 1793 brachte
auch für das Kirdienvermögcn die größten Nachteile. Das Stiftsver-
mögen und die Kirdiengütcr wurden mit Bcfdilag belegt. Das Stift
felblt verlor durch die Aufhebung der Fcudallasten die Zehnten, feine
Haupteinnahme, geriet in Schulden und konnte die Gehälter an die
Pfarrer nicht mehr bezahlen. Auch nach Aufhebung des Scquefters
¡m Jahre 1798 trat keine Beilerung ein, da alle Einkünfte der Kirchen
zu Tilgung der Stiftsidiulden verwendet wurden.
In welche Not die Saarbrücker Geiftlichen durch die Revolution kamen,
beweifen die folgenden beiden Eingaben:
Der Pfarrer RödiÜng bat im Jahre 1797 den „hochlöblichen" Stadtrat,
ihm den Piankenzaun um feinen Garten, der in das Stadtmagazin
gekommen fei, zu erfeben. Er begründete diefes Gefudi mit den
Worten: „Es ift für meine Haushaltung dies Jahr unumgänglich nötig,
dalj der Garten bei dem Prinz Naffau (Gailhaus) von mir gepflanzt
werde, ¡nmafien bei der völligen Ermangelung aller fixen Einnahm ich
nicht, das Gemüfe im Sommer kaufen zu müffen, mich exponieren kann."
Der Pfarrer und infpektor Bartels fdirieb ¡m Jahre 1799 an die
„hochlöblidie Municipalität" von Saarbrücken :
„Auf dero gütigen Bcfdilu^ vom 8. Brumaire 7ten Jahres (29. Oktober
1798), wovon ich nodi den vcrbindlidiften Dank abftatie, lind mir vom
gewefenen Stadtmeier Benz pro anno 1797 an Holz-Befoldungsgcld
40 Gulden richtig bezahlt worden."
„Da die Quellen unferer Einnahmen nodi verftopfi lind, fo treibt mich
die Noth, eine hochlöbliche Municipalität zu bitten, nach der dem
248
obigen Befdilulj beigefügten geneigteiten Zufidrerung von bald-
möglidifter Bezahlung de annis 1794, 95, 96 et 98, mir zu einer
abermalig abfdiläglidien Anweis- und Abtragung gedaditer Gelder
gefällig zu verhelfen/'
Aus der Zeit der franzöfifchen Verwaltung zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts ift uns folgende Uberhdit über die Güter und Einkünfte der
Fabriken der Konfiftorialkirche zu Saarbrücken erhalten:
Einnahmen:
• Jährlicher Fihrag
1. Äcker und Gärten auf den Bännen von Saarbrücken,
St. Johann, Malftattund St. Arnual 1 Ha 94 Ar 37Centiar 138.25 Fr.
2. Wiefen.......................6 „ 54 „ 36 „ 1405.51 „
3. Renten und Grundlinien........................ 17,48 „
1551.24 Fr.
Ausgaben:
Unterhaltung der zwei Kirchen .........................
Unterhaltung der Güter, Abgaben, Heizung der Sakrifteien
Koften des Gottesdienftes .............................
Gehälter der Küfter, Glöckner etc......................
Bürokoften ......................................: . .
Uberfdru^:
510.77 Fr.
157.66 „
80.60 „
214.15 „
313.37 „
1276.55 Fr.
282.69 Fr.
Die franzöfiiehe Regierung aber verfuhr den Pfarrern gegenüber mit
bürokratifdier Kleinlichkeit, wie das folgende Beifpiel zeigen mag.
Der von Harskirchen im Jahre 1807 hierher verfemte Pfarrer Wagner
fdirieb am 4. März 1808 an den Maire und die Municipalräte von
Saarbrücken:
„Es ift Ihnen bekannt, da^ ich während meines Hicrfcins vom April
vorigen Jahres an noch keinen Heller Befoldung von dem Gouvernement
bezogen habe. Dah ich, um hier leben und der Stadt dienen zu
249
können, nicht blob meine Barfchaft verzehrt, fondern auch mehrmalen aus
fremden Beuteln mir vorftrecken laffen mul^te, ift lehr begreiflich.“
„Idr tat alles, was in meinen Kräften war, um womöglich die für mich
ausgebliebenen Mandaten zu erhalten. Ich wandte mich felbft an den
Minifter nadi Paris und erhielt folgende Antwort: Die Bezahlung der
Pfarrer nehme vermöge kaiferlidien Dekrets vom 15. Germinal XII erft
mit dem Tag der Konfirmation durch Seine Majcftät ihren Anfang.
Meine Konfirmation nun gcfchah erft den 7. Jenner dieies Jahres;
folglich entgehen mir über 750 Fr. durch die Regierung.“
♦
„Darauf habe ich nun, wie Sie aus beiliegendem Schreiben meines
Heim Kollegen, des Herrn Presidenten Konfiftor i, erleben, 250 Fr.
aus dem Stift erhalten,“
„Ich hoffe, die Stadt wird einen Mann, der ihr gedient nnd nadi feinen
Kräften mit Treue und Redlichkeit gedient, nicht im Stidie laffen kqnncn
und wollen, londern cs der natürlichen Billigkeit ganz gemälj finden,
wenn idi darauf antrage, 500 Fr. von derfelben zu erhalten.“
Dicfes Gefudi wurde durch den Präfidenten des Lokal-Konfiftoriums
Infpektor Röchling befürwortet; es ift aber fchwerlidi bewilligt worden.
Auch nadi der Vereinigung des Landes mit Preußen im Jahre 1815
beffeite fich zunächft die Lage der Gemeinde nicht. Sic hatte
ihr Vermögen eingebül^t und war bei baulichen Veränderungen und
fonftigen notwendigen gröberen Ausgaben ftets in Geldverlegenheit.
Diefer Notlage kam der Bürgermeifter Böcking zu Hilfe, indem
die Stadt auf feinen Antrag der Gemeinde die Summe von 8200 Talern
als KirdicnvermÖgen überwies. Die Stelle des Rendanten wurde von
dem Presbyterium dem Stadtfehreiber Woytt übertragen. Die beiden
Kirchen wurden in der Rheinifchen Feucrverfidierungs-Anftalt verfichert
und zwar die Ludwigskirche zu 13000 Talern und die Schlohkirdie zu
7000 Talern.
Im Jahre 1839 befdilob das Presbyterium, zur Wicderherftellung der
beiden Kirchen 2500 Taler aufzuwenden und zu diefem Zwecke mit
250
Genehmigung der Regierung eine Umlage auszufdireiben, die zunächft
6 bis 10 vom Hundert der Grunditeuer betragen und in den nächften
3 Jahren aut die fingierte Einkommcnftcuer gefddagen werden tollte.
Dieie Umlage betrug im Jahre 1848 700 Taler. Die Einnahme hatte
1384 Taler, die Ausgabe 1193 Taler betragen, fodaß ein Beftand von
191 Talern blieb. Sie wurde im Jahre 1863 wegen ,aufgelaufcner
Schulden für die nädiiten 10 Jahre auf 1800 Taler erhöht. Im Jahre
1872 wurde fie für die nachften 10 Jahre auf 2500 Taler feftgefeßi.
Im Jahre 1892 war eine Kommilfion zur Regelung des Kirdienver-
mögens eingefeßt und eine eiferne Kiite zur Verwahrung von Sduild-
urkunden und Barbcltändcn angefdiafft worden. Es konnten jeßt
kleinere Kapitalien auf Hypotheken ausgelichen und einige Grundftückc
angekauft werden.
Der Ertrag der Kirchengüter wurde audi zur Bcfoldung der
Eicmentarlchrer verwendet. Da die bürgerliche Gemeinde zu deren
Bcfoldung verpfliditet ift, befdiloß das Presbyterium im Jahre 1855,
bei dem Verwaltungsrat des Stiftes St. Arnual den Antrag zu ftellen,
daß die bisher an die Lehrer bezahlten Beträge an die Kirdnenkaffe
bezahlt würden, um dieie in Stand zu feßen, die ausgefallenen Holz-
gebühren den Pfarrern zu vergüten.
Im Jahre 1857 wurde der Garten des erften Pfarrers im Deutldiherren-
weg. die Rute zu 8 Talern, an den Bürger Kranz verkauft mit der
Verpflichtung, auf dem Grundftück ein Wohnhaus zu bauen. Der Er-
trag tollte zum Ankauf eines andern Gartens für den erften Pfarrer
verwendet werden.
Im Jahre 1874 wurde der dem erften Pfarrer zur Nutznießung über-
ladene Garten am Schulhaus an der Kronprinzenftraße für 5000 Taler
an die katholifche Gemeinde zum Bau einer Kirdre verkauft. Die
Zinfcn diefes Kapitals follten zur Aufheiterung der Pfarrgehälter dienen.
Im Jahre 1876 wurde das dem Hofpital gehörende und ihm gegen-
überliegende Gartenhaus mit einem Teil des Gartens von der Gemeinde
für 14200 M, zum Zweck der Siechcnpflege angekauft.
251
Im Jahre 1888 hatte die Gemeinde infolge des Baues eines neuen
Pfarrhaufcs und der Erneuerung der Ludwigskirche 33000 M. Schulden.
Am 31. März 1903 betrug der Kapitalbefiß fämtlidicr kirchlidrcr
Kaffen (mit Ausnahme der Kaffen des Vcrforgungshaufes und des
Siechenhaufes) 142359,66 M. Davon waren hypothekarifdi zu 4'/2 °/o
angelegt 110769,69 M. in Staatspapieren und Aktien zu 3% °/o und
3 °/o 27450,00 M., bei der Kreisfparkaffe zu 4 °/o, 3l/ä °/o und 3 °/o
4109 M. Die Schulden der Gemeinde betrugen 39754,40 M. Sie
wurden nadi einem Tilgungsplan abgetragen und der gröbere Teil zu
4% verzinft, nur 3000 M. zu 4% °/o.
Im Jahre 1906 wurde die finanzielle Lage der Gemeinde von dem
Presbyterium folgendermaßen gcldiildert: „Die Gemeinde befiel neben
rund 49000 M. Schulden kein nennenswertes Vermögen, muß viel-
mehr ihre wadifenden Bedürfniffe faft ganz durch Umlagen decken.
Wenn nun leßtere gegenwärtig auch nur 18,1 n/o der Einkommen-
fteucr beträgt, io ¡ft dodi dabei zu bedenken, L daß einige fehr be-
deutende Steuerzahler jeden Augenblick unfere Stadt verlaffen und da-
durch die Steuern fehr bedeutend in die Höhe gehen können (wie es
in der Folgezeit audr gefchehen ift). 2, daß tatfächlidi bereits ein
ftarker Abzug fteuerkräftiger Gemeindeglieder in das Gebiet der Vor-
ftadt St. Arnual, die eine eigene Kirdrengemcinde bildet, ftatifindet.
Ferner ift zu bedenken, daß es gerade die evangelifche Gemeinde ift,
die faft ausfdiließlidi (88%) tür die kommunalen Lalten Saarbrückens
aufzukommen hat, daß die Gemeindefteuern in Saarbrücken 140 °/o
gegen 90 ° o in der Nachbarftadt St. Johann betragen und daß auch die
Gewerbe- und Gebäudefteuern in Saarbrücken erheblidi höher find
als in St. Johann. Audi darf nicht vergehen werden, daß bei der
raidi wadifenden Zahl der Gcmeindeglieder bei dem ftarken Zuzug
hauptfädilich von Arbeitern und kleinen Beamten die Aufgaben für
den inneren Ausbau der Gemeinde (Gemeindeichweitern, Gcmcinde-
helfer, Hilfspredigcr, Gemeindehaus ufw.) audi wachfende Ausgaben
erfordern werden//
252
Die Kirchengemeinde hatte vor dem Weltkriege ein Vermögen von ungefähr
410000 M., das auf Hypotheken ausgelichen oder in Staatspapieren
angelegt war. Dem ftanden Schulden im Betrag von 390 000 M.
gegenüber, die befonders durdi die Erneuerung der Ludwigskirche
erwadrfen waren. Die Umlage wurde auf 80000 M. veranfehiagt und
als Kirchcnfteuer 32 Vs °/o der ftaaliichen Einkommenfteuer erhoben. Auher
den Kirchen und Pfarrhäufern ift audr der 78 Ar grolje Ludwigsplals
Eigentum der Gemeinde, fowie einige Wiefen und Gärten, die verpachtet
find. Das Stift St. Arnual zahlte für die von ihm nodi verwalteten und
idion verkauften, der Gemeinde Saarbrücken gehörenden Grundftücke
ein jährliches „Praedpuum“ von 2 300 M. Im Jahre 1917 wurden an
Schuldenzinfen 16894 M. und für Sdiuldentilgung 10151 M. bezahlt.
Für das Jahr 1919 wurde die Kirdrenftcuer auf 35 °/o erhöht. Das
Grundgehalt der Pfarrer ftieg von 3 000 M. bis 4 800 M. Der Staat
zahlte für jede Pfarrftelle 800 M. Zufdruh. Dazu kamen Dotations-
Zulagen und Entfdiädigung für aufgehobene Stolgebührcn. Der Pfarr-
dotationsftock belief lieh auf 47 592 M-
Durch den unerhörten Markiturz ift das Vermögen der Gemeinde,
foweit es nicht in Landbehh befteht, wertlos geworden. Freilidr konnte
die Gemeinde audi ihre Sdiulden abfto^en, nachdem ihr von der
Regierungskommiffion 28 Millionen Mark (in dem ftark entwerteten
Kurs) zugewendet worden waren. Seit dem 1. Juni 1923 muhte der
Haushalt der Gemeinde auf die von der Regierungskommiffion ein-
geführte Frankenwährung umgeftelit werden. Gegenwärtig hat die
Gemeinde 20 000 Fr. Sduilden, die fie, da die Steuern in Rückftand
find, als Betriebskapital aufgenommen hat. Die Kirchcnfteuer darf
nach einer Verfügung der Regierungskommiffion nidit mehr als 30 °/o
der ftaatlichen Einkommenfteuer betragen. Der Gemeindehaushali fchlieht
nach dem Voranfchlag für 1925 bei einer Umlage von 215 009 Fr.
mit ungefähr 250 000 Fr. in Einnahme und Ausgabe ab. Die Ge-
meinde hat aus der Verpachtung von Grundftüdcen eine Einnahme
von 4657.80 Franken.
253
Nach der Stcuerverordnung von 1924 erhallen die fteuerberechtigten
Gemeinden 6/u, die Kirchengemeinden 1[n der Lohnileuer. Däefe Zu-
weifung foli einer Kirchenfteuer von 25 °/o enlfprechen. Wenn die
Kirdienfleuerzufchläge mehr als 30 vom Hundert betragen, fo findet
eine Nachforderung an Kirchenfteuer ftatt, deren Berechnung auf der
Grundlage des Staatsanteils am einbehaltenen Arbeitslohn erfolgt.
Beträgt die Kirdicnfteuer weniger als 20 vom Hundert, fo ilt der ent-
fprechcndc Steuerbclrag unter Anwendung der gleichen Berechnungsart
dem Steuerpflichtigen zurückzubezahlen. Unterliegt der Steuerpflichtige
nicht der Kirdicnfteuer, fo ift der darauf entfallende Steuerbetrug auf
kürzeftem Wege zu er hatten.
Nachdem der Stiftskaffenrendanl Chriftian Pfeiffer, der auch die Ver-
waltung des Gemeindevermögens geführt halte, am 1. April 1913 in
den Ruheftand getreten war, wurde Engelbert Bi^mann zum Ren-
danten der Gemeinde gewählt und am 1. April 1915 feit angeftellt.
254
V. FRIEDHOFE und BEERDIGUNGEN
Die Bewohner von Saarbrücken wurden bis zum 16. Jahrhundert
in St. Arnual beerdigt. Als im Jahre 1574 eine anfteckende
Krankheit in Saarbrücken ausbrach und viele Bewohner hin-
wegraffte, erlief die Regierung folgende Verordnung:
„Weil bisher die loten Körper aus der Stadt Saarbrück bis nach
St. Arnual zu tragen und dort zu begraben etwas zu weit und be-
ichwerlidi, das Begräbnis aber in St. Johann zu halten unmöglich und
fchädüch gewefen, fo wird beiden Gemeinden aus befonderen Gnaden
zugeiaffen und verwilligt, vor dem Spital bei derfelbigen Capell
einen Gottesacker zu machen und das Begräbnis künftig dafelbft zu
halten. u
Diefer Friedhof vor dem Spital bei der Kreuz-Kapelle lag an der
Steile des heutigen Hauptzollamtes. Graf Ludwig lieh im Jahre 1607
den Kirchhof vergrößern und mit einer Mauer umgeben. Im Jahre
1616 wurde befohlen, die Beinhäufer abzubrcchen und die Toten-
gebeinc zu vergraben. Angefehenc Einwohner wurden auch in der
Kapelle oder Spittelkirche felbft beerdigt, Io im Jahre 1613 der
Superintendent Beilftein und 1622 der Pfarrer Philipp Landfiedel, weil
in St. Arnual „böfe Luft“ herrfchte. Die Kreuzkapellc verfiel im
30 jährigen Kriege *).
Diefer Friedhof war im Jahre 1779 ausgefüllt, und es wurde ein neuer
dem alten gegenüber auf der andern Seite der Straße angelegt auf
einem ehemals Herrfchaftlidien Grundftück, dem Donnelfeld. Diefes
Grundltück hatte die evangelifche Gemeinde für 600 Gulden gekauft.
Das Stift St. Arnual baute die Mauer und die Wohnung des Toten-
gräbers, der zugleich Glöckner war, für 1200 Gulden. Zu dem Bau
*) Die Reffe der Kreuzgruppe bewahrt der hiftorilche Verein für die Saargegend.
255
der Mauer verwandte man auch einen alten Stationsflein aus dem
Jahre 1519, der dadurch erhalten wurde und lieh in der Sammlung
des hiftorifchen Vereins für die Saargegend befindet. Diefer Friedhof
wurde am 2. Mai 1779 cingewciht. Als im Jahre 1794 viele fran-
zöfifche Soldaten hier itarben, wurde die Begräbnisftätie erweitert, ln den
Jahren 1812 bis 1814 wurden viele franzöfifche und fpamfdic Soldaten
im Mockental, dem heutigen Ehrental, beerdigt. Im Jahre 1848 fpradn
der Magiftrat den Katholiken das Mitbenutzungsrecht an dem Friedhof
zu, wogegen die cvangelifche Gemeinde Verwahrung cinlegtc, indem
fie ihr Eigcntumsrcdit hervorhob. Doch bei dem Auftreten der Cholera
im Jahre 1849 wurden aus geiundheitspolizeilichen Rückfichten auch
Katholiken, die an der Cholera geftorben waren, auf dem Saarbrücker
Friedhof beerdigt. Im Jahre 1851 wurde diefer Friedhof gefchtoifen und
ein neuer Friedhof für beide Bekenntniffe in der Nähe des Dcutfch-
haufes eingeweiht. Der ältefte Saarbrücker Friedhof wurde im Jahre
1836 bei dem Bau des Hauptzollamtes zerftört und der gegenüber-
liegende Begräbnisplatz im Anfang der 80er Jahre an den Militär-
fiskus zur Anlage eines Reitplatzes und einer Kafernc für das Dra-
gonerregiment verkauft.
Auf dem neuen Saarbrücker Friedhof wurde am 29. Juli 1870 das
erfte Todesopfer der Vorpoftengefedite, der Ulan Klaibcr aus Fiohen-
zoliern, begraben. Ihm und feinen Kameraden, die ihm auf der Grenz-
wadit in den Tod folgten, ift ein einfaches Denkmal gefetzt worden.
Am Nachmittag des 8. Auguft 1870 wurden 7 preisliche Offiziere,
die in der Schlacht bei Spichern am 6. Auguft den fdeldentod geftorben
waren, hier behaftet, nämlich Premicrleutnant Beelitz, die Leutnants
von Kaphengft und Zachariä und der Vizefeldwebel Grüner vom Leib-
regiment Nr. 8, Fiauptmann Kracht und Leutnant Freiherr v. Falkcn-
haufen vom 48. Regiment und Leutnant von Rex vom 3. Jägcr-
bataiüon. Der Beerdigung wohnten die Generale von Slülpnagel und
von Döring, das gefamte Offizierkorps der genannten Truppenteile und
ein Teil der Mannfchaft bei. Während die Mufik einen Choral
•256
fpielte, wurden die Leidien in die Gruft gelenkt, die der Mililärgeift-
lidie einfegnete, Der Divifionskommandeur von Stülpnagel rühmte in
kurzen markigen Worten die aufopfernde Tapferkeit der Gefallenen,
die für das Vaterland in den Tod gegangen waren; dann dröhnten
als leßte Grüße drei Salven über das Heidengrab. An derfelben
Stelle wurden audi drei Offiziere vom 53. Infanterieregiment, die
Premierleutnants Meyer und von Rappard und Leutnant von Spiegel
fowic Landwehrleutnant Gramer vom 40. Regiment beigefcßt.
ln demfclben Jahre wurde das Ehrental als Ruheftätte der in der
Sdilacht am 6. Auguft 1870 gefallenen und fpäter in den Lazaretten
geftorbenen Krieger von der Stadt Saarbrücken eingcriditet. Hier wurden
audi fpäter Feldzugsfeilnehmer von 1870/71 behaltet; befonders feierlich
General von Peftel (1909) und Bürgermeifter Feldmann (1911).
Nachdem der Friedhof am Deutfehherrnweg 60 Jahre feiner Beftimmung
gedient hatte, zeigte es fich, daß der Raum trots einer Erweiterung
im Jahre 1874 in abfehbarer Zeit ganz ausgefüllt fein werde, und
die Verwaltung der vereinigten Stadt Saarbrücken falzte deshalb, da
audi der Friedhof in St, Johann nidit mehr ausreichte, die Anlage
eines Zcntralfriedhofes ins Auge.
Zu diefem Zwecke wurde ein an der Meßerftraße gelegenes, etwa 64 ha
großes, teils aus Ackerland, teils aus Waldboden behebendes Ge-
lände, foweit es nidit Idion in hädtifchem Befiß war, käuflidi erworben,
das nadi feiner Lage und Bodenbefdiaffcnheit für eine Fricdhofsanlage
durchaus geeignet fdiien. Wegen der weiten Entfernung von der Stadt
wurde der Bau einer Straßenbahn in Ausficht genommen. Der Friedhof
erhielt eine Einfegnungshalle. Ein Teil desfelbcn wurde als Ehren-
friedhof für Gefallene oder im Lazarett geftorbene Krieger eingerichtet,
da die Erweiterung des Ehrentals nicht lunlidi erfchien. Im Auguft
1914 wurden die erften deutfehen Krieger auf dem Ehrenfriedhof
beigefeßt. Auch ruffifche und franzöfifdie Kriegsgefangene, die in den
Saarbrücker Lazaretten geftorben find, wurden hier begraben.
17 Geldlichte der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken.
257
Das Gefuch von deutfch-kalholilchcn Einwohnern, dalj ihre Toten durch
evangclifche Geiftliche beerdigt werden möditen, wurde von dem Pres-
byterium am 5. Dezember 1851 bewilligt» Die Beerdigung von römilch-
katholifchen Einwohnern follte nur dann übernommen werden, wenn
diele in gemilchter Ehe gelebt und durdi die gänzliche oder teilweile
Erziehung ihrer Kinder im evangehfdien Bekenntnis einen Beweis ihrer
Hinneigung zur cvangelifchen Kirche gegeben hätten.
Im Jahre 1876 befdilo^ das Presbyterium, da^ bei Beerdigungen
die Perfonalien auf das Tallädilidie befdiränkt werden lohten. Den
Geiftlichen wurde empfohlen, in ihren Grabreden kurz und allgemein
zu reden. Ungetaufte Kinder lohten nach dem Herkommen ohne Mit-
wirkung eines Geiftlichen beerdigt werden.
Im Jahre 1903 befehle^ das Presbyterium, dah bei Beerdigungen nur
ein Pfarrer mitgehen folle. Im Jahre 1907 wurde die Verlclung des
Lebenslaufes der Vcifiorbenen abgefchafft.
258
VI. SOZIALE TÄTIGKEIT
Die ioziale Tätigkeit ift recht eigentlich ein Erzeugnis des chrift-
lidicn Gciftes. „Die Welt vor Chrifto war eine Welt ohne
Liebe* *).“ Zwar hat es auch vor Chriftus an Handlungen
und Äußerungen des Mitleids und der Barmherzigkeit keineswegs
gefehlt. Heißt es dodi ichon bei Homer, daß Fremdlinge und Bett-
ler unter dem Sdiutje des Zeus ftehen, der auch der Gaftliche ge-
nannt wurde; legt dodi Sophoxles der Antigone das fchönc Wort
in den Mund: „Nicht milzuhaffen, iondern mitzulieben bin ich da,“
haben dodi Cicero und Seneca Milde gegen Arme und Elende als
Pflicht gelehrt, haben dodi edle Männer von jeher audi Barm-
herzigkeit durch Wohltaten geübt, aber es fehlte an einer ge-
ordneten Liebestätigkeit. Chiiftus aber fagt (Evang. Joh. 13, 34 f)
„Ein neu Gebot gebe ich eudi, daß ihr euch untereinander liebet, wie
ich euch geliebet habe“ und „Du folllt' deinen Nächften lieben als dich
felblt“. Erft das Chriftentum hat die Sklaverei, die un ozialfte Ein-
richtung, die es gibt, bekämpft.
So fehen wir denn fchon die erften Chriften ioziale Liebestätigkeit üben**).
Im Mittelalter waren die Klöfter die Ausgangspunkte chriftlicher Liebes-
tätigkeit. Mit jedem Klofter war ein Hofpital verbunden, in dem Geift-
liche und Laienbrüder Werke der Barmherzigkeit übten. Füllten,
Adelige und Bürger wetteiferten in Schenkungen und milden Stiftungen
für Kirchen, Klöfter und Spitäler. Aber die Gemeinde-Armenpflege
ging unter, die Liebestätigkeit wurde einfeitig kirchlidi, und alle Übung
der Barmherzigkeit verfolgte als Hauptziel die eigene Seligkeit.
„Erft die Reformation führte zur Quelle zurück; fie machte die urchrift-
lidien Gedanken von Reiditum und Armut, von Eigentum und Almofen,
*.) Uhlhorn, Die chriftliche Liebestätigkeit in der alten Kirche. Stuttgart 1882. S. 4.
*0 Uhlhorn S. 67 ff.
259
von Arbeit und Beruf wieder lebendig und erfdilo^ damit audi neue
Quellen des Liebeslcbens.“ (Uhlhorn a. a. O. S. 391.)
In Saarbrücken lag die Sorge für dk hilfsbedürftigen Bewohner vor-
nehmlidi in der Hand der Landesregierung, und wir finden, dalj Grafen
und Füllten diele Pflidit nidit gering aditeten. So machte Graf Philipp ll.t
der felbft ichwer leidend war, im Jahre 1550 eine Stiftung zur Speifung
von 10 armen Leuten aus der Graffdiaft Saarbrücken, die fogenannte
Zchnarmenftiftung. Graf Philipp III., der die Reformation einführte,
und Graf Ludwig wendeten ihre Fürforgc in reidiem Mal^e dem im
Anfang des 15. Jahrhunderts von dem Bürger Hans Eich b erg
geftifteten Hofpital zu, und Fürft Wilhelm Heinridi erbaute das grolje
Hofpital-, Waifen-, Armen- und Zudithaus am Ludwigsplatj.
Nach dem Erlöfdien des regierenden Hanfes ging diele Pflicht auf die
bürgerliche Gemeinde über, die durdi Privat-Wohltätigkeit unterftütjt
wurde, ln den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bildete fidi
ein Verein zur Unterftühung armer und kranker Leute, der eine
Armen-Eiziehungsariftalt gründete, die fdiliel^lidi eine Elcmentarfdiule
für arme Mädchen, eine Strick- und Nähfchule, eine Kleinkinderfchule, ein
Waifcnhaus und eine Suppcnanftalt in fidi fdi'oh und nadi einem edlen
Fürftenpaar den Namen Prinz-Wilhelm- und Mariannenanftalt
erhielt. Das Waifcnhaus, in dem jet^t etwa 50 Knaben und Mädchen
erzogen werden, erhielt im Jahre 1896 feinen SiFs in dem ehemaligen
Deutlch-Herrenhaus.
Um diefelbe Zeit begründeten Saarbrücker Frauen den Frauen-
verein zur Pflege armer Kranken und Wödmerinnen und zur Förde-
rung häuslidier Ordnung, Reinlidikeit und Sitliidikeit bei den unteren
Ständen. Der Verein gibt feine Untcrfiühung nidit in barem Gelde,
fondern bezahlt armen Leuten die Wohnungsmiete und verfdiafft ihnen
Kleidung und Lebensmittel.
Den Wanderburfdien in Saarbrücken um möglidift billigen Preis ^in
anftändiges Nachtquartier und gute Kofi zu gewähren, audi ihnen
260
ionft nach Möglichkeit behilflich zu fein, war das Ziel, das der Töchter-
fdiuldirektor Brandt lieh im Jahre 1870 mit der Gründung der
Herberge zur Heimat fleckte. Diele Anhalt hat in den erften
15 Jahren ihres Beftehens 34 460 Handwerksburfchen und andere
Reifende in 71806 Sdilafnäditen aufgenommen und ift für viele ein
fittlicher Halt gegen Aikoholmiljbraudi und Unfittlidrkeit gewefen.
Eine Arbeit hätte für Arbcitlofe hat Pfarrer Ebeüng im Jahre
1910 ins Leben gerufen und dadurdi arbeitluftige Leute vor der ent-
würdigenden Bettelei bewahrt. Die Arbehsftätic überweift audi Arbeits-
kräfte an Haushaltungen und unterhält eine Sdireibftube, in der ftellen-
lofc Kaufleute Befchältigung finden,
Diefe Anftalten find zwar nidit von der Gcfamtheit der evangelilchen
Gemeinde ausgegangen, aber lie find von Mitgliedern der Gemeinde
gegründet worden und werden in evangelifchem Geifte geleitet.
In dem von Frl. Emma Kiefer begründeten Marthahaufe fanden
ftellenlole Mädchen Aufnahme und Arbeitsnadiweis.
Aber audr die Gemeindevertretung hat fidr dem Mitleid mit den
Notleidenden nidit verfchloffen. Um die wirlfdiaftliche Not der Armen zu
lindern, zu bekämpfen, befchloh das Presbyterium am 25. Januar 1846,
das Kapital des Klingelbeutels im Betrag von 45 Talern 23 Silber-
grofehen und 24 Pfennigen nidit wieder auszuleihen, fondern im Früh-
jahr zum Ankauf von Setikartoffeln für dürftige Gemeindeglieder zu
verwenden. Auch im Jahre 1852 wurden 64 Taler aus dem Almofcn-
ftock zu demfelben Zweck vorgefchoffen.
Auf Antrag des Frauenvereins übernahm die Gemeinde im Jahre 1855
ein Drittel der Bekleidungskoften für bedürftige Konfirmanden unter
Hinzurechnung der jedesmaligen Kollekte und der Ausgaben für Gefang-
büdber. Die von dem Konfiftorium vorgefdilagene Aufteilung eines
Diakons zur Krankenpflege wurde im Jahre 1856 von dem Presby-
terium als nidit crforderlidi bezeidmet. Dagegen wurde die Aufteilung
einer Krankenpflegerin als notwendig erkannt und ein Beitrag zu deren
Bcloldung bewilligt. Erft im Jahre 1898 wurde ein Gemeindcpfleger
für die männlichen Kranken der Gemeinde angcftellt.
Im Jahre 1861 wurde aut den Antrag des Dr. Sdimidtborn die kirdi-
liche Armenpflege in der Gemeinde cingeführt und die Einrichtung
einer Hiltsdiakonie befdiloffen, an der fidi mehrere Mitglieder der Ge-
meinde freiwillig beteiligten, die im Anfang des folgendes Jahres aut
ihr Amt verpfliditet wurden. Das Diakonat feilte Verbindung mit dem
Frauenverein und dem Verein zur Unterbringung verwahrlofter Kinder
halten. Die Küngclbeutelgeldcr wurden zum gröhten Teil dem Diakonat
zur Verwendung überlaffcn. Es wurden zwei Diakone und einige Hilfs-
diakonc vom Presbyterium gewählt mit vierjähriger Amtsdauer, fodaf^
alle 2 Jahre die Hälfte auslchied, aber wiedergewählt werden konnte.
Von befonderer Bedeutung für die Gemeinde war die Gründung zweier
wohltätigen Anhalten, des Vcrforgun gshau f es und des Siechen-
haufes. Da das Bürger-Hofpital feinen früheren Charakter als Ver-
forgungshaus verloren und fidi zur Krankenheilanftalt entwickelt hatte,
fo war für erwerbsunfähige und hilflofe alte Leute nidrt mehr geforgt.
Am 10. Juni 1850 veröffentlichte Pfarrer Römer in der Saarzeitung
unter der Uberfchrift „Was fehlt uns nodi?“ einen Aufruf zur Gründung
eines Verforgungshaufes für allcinftehende, mittellofe alte Leute, und
daraufhin fdrenkte der Rentner Georg Philipp Korn zu Saarbrücken
der evangelifdien Pfarrgemeinde diefer Stadt fein an der alten Melker
Strafe gelegenes Haus nebft Zubehör zur Gründung einer Verforgungs-
Anftalt für altcrsfchwadre und arbeitsunfähige Einwohner von Saar-
brücken ohne Untcrfchied der Konfeffion. Diefe Stiftung wurde im
folgenden Jahre von der Regierung genehmigt und durdr Vermädit-
niffe des Stifters und feiner Ehefrau im Betrage von 30 000 Mk.,
fowie durch andere Gaben in ihrem Beftand gefidrert, Kommerzienrat
Georg Schmidtborn in Frankfurt a/M. fchenktc ebenfalls 50 000 Mk.,
fodaf^ im Jahre 1869 bereits ein Kapitalvermögen von 96 000 Mk.
vorhanden war, das fidi bis zum Jahre 1892 auf 180 000 Mk.
vermehrte. Dem Verforgungshaufe kam auch das Vermächtnis der
262
263
Das alte und das neue Vcrforgungshaus
Eheleute Samuel Kleber und Wilhelmine Dorothea Luife Dryander
zu gute, welche 1840 ein Kapital von 4276 Talern mit der Beftimmung
geftiftet hatten, dalj dasielbe zu einem Hofpital für alte Leute aus
beiden Städten verwendet werden follte, fobald die Zinfen den Betrag
von 1000 Talern erreicht hätten» Dies trat im Jahre 1874 ein, worauf
das Vermögen zwilchen beiden Städten geteilt wurde. Der Anteil der
Stadt Saarbrücken, welcher 33 000 Mark betrug, wurde der KornJdien
Stiftung zugefchlagen. Weitere Legate hoffen dem Stiftungskapital
zu; io vermadite 1879 der Polizeikommilfar Kirdiftcin der Anftalt
fein Mobiliar und 1500 Mark, 1892 der Juftizrat Heyl 8000 Mark.
1915 Frl. Wiikens 5000 Mark. Aus der HartungJchen Kranken-
kaffe wurden 1886 5539 Mark überwiefen. Nach den Satzungen ¡ft
mit einer Schenkung im Werte von 1000 Talern die Ehrenmitglicdfdraft
und das Redit verbunden, eine Perfon zur Aufnahme vorzufchlagen,
Audi können einheimifche Perfonen die Aufnahme durch Einkauf erwerben.
Am 15. September 1851 fand die Eröffnung der Anhalt ftatt, und
die erften Pfleglinge, 3 Männer und 5 Frauen, zogen in die behaglich
eingeriditeten Räume ein. Im Jahre 1860 übernahmen Kaiferswerter
Diakoniffen die Leitung der Anftalt. Da das alte Haus nicht mehr
ausreidite, fo wurde ein neues größeres Haus neben dem alten, das
zum Abbrudr beftimmt wurde, in dem Garten der evangelifchen Ge-
meinde gebaut und wohnlidi eingerichtet. Am 4. Juli 1906 wurde
das neue Haus, das mit der inneren Einrichtung an 100 000 Mark
gekoftet hatte, in Gegenwart des Regierungspräfidenten Bake feiner
Beftimmung übergeben. Bei diefer Feier konnte der AnftaltsgeiflHche,
Pfarrer Klein, rühmend hervorheben, dalj 80 Frauen und 71 Männer
bis dahin in dem Verforgungshaus verpflegt worden waren, und dah
Schwefter Eleonore Grün bereits 33 Jahre ihres Amtes als Haus-
mutter waltete. Ihr waren nodi 5 Jahre in dielcr Tätigkeit belchieden.
Seitdem wurden 87 weitere Pfleglinge und Penfionäre in dem Haufe unter-
halten. Zur Zeit wohnen 18 Pfleglinge und 17 Penfionäre in dem
Haufe.
264
Da in dem Vcrlorgungshaus nur alte Leute ohne befonderes Leiden
aufgenommen werden, fo machte fidi das Bedürfnis einer Pflegeanftalt
für hilflofe Kranke jeden Alters geltend. Im Jahre 1867 wurde durdi
freiwillige Beitrage von Mitgliedern der evangclifchen Gemeinde eine
S i edi cnhaus-St i f t un g begründet. Diefelbe trat in kleinen Ver-
hältniffen ins Leben, indem einige freiftchcnde Räume des Verforgungs-
haufes gemietet und die Pflege der Kranken einer Kaiierswcrther
Sdrwefter übertragen wurde. 1875 zahlte die Anhalt fedis Pfleglinge.
Im Jahre 1877 bezog die Anhalt ein eigenes Heim in einem ehemaligen
fürftlidien Gartenhaufe unterhalb der Deutfdiherrnftraße, nadidem das
Grundftück durdi eine Sdicnkung der Frau Laura Sdimidtborn in
Frankfurt a/M. zu diefem Zwecke vergrößert worden war. Da dieies
Haus aber dem fteigenden Bcdürfniife nidit genügte und durdi feine
niedrige Lage der F'euditigkeit lehr ausgefeßt war, fo trat man im
Jahre 1900 der Phage eines Neubaues näher. Das Stammkapital hatte fich
mittlerweile durdi Schenkungen fehr vermehrt. Im Jahre 1870 vermachte
Sophie Rcmm (f 2. Juni 1870 im Siechenhaus) der Anhalt ihr Ver-
mögen. Im Jahre 1877 erhielt das Siedienhaus durdi leßtwillige
Verfügung des Kommerzienrats Karl Schmidtborn in Frankfurt a/M.
die Summe vom 10 000 Mk, zum Gcfchenk. Im Jahre 1882 fchenkten
die Erben Karl Kiefer 200 Taler, 1883 Apotheker Adolf Kiefer
1000 Mk., 1884 der Einnehmer Scheitel 4 000 Mk., Friß Röchling
3000 Mk., Rentner Thirion im Jahre 1886 8000 Mk. Im Jahre 1898
Idicnkte Frau Pfarrer Leydhecker in Frankfurt a/M. der cvangelifdien
Gemeinde drei bebaute Grundltücke an der Deutfdiherrnftraße mit der
Beftimmung, daß diefe Grundftücke der Vorfißenden des Saarbrücker
F'rauenvereins und ftädlifdien Armcnpffegerin Fräulein Amalie Jung
fo lange zur Nußnießung überlaffen werden follten, wie fie imftande
wäre, ihre Liebesarbeit felbftändig fortzuführen. Das Presbyterium
hatte fich fchon im Jahre 1896 der Frau Leydecker gegenüber ver-
pflichtet, die von Frl. Jung auf dielen Grundftücken begründeten
Anhalten (Kleinkindcrfdiule, Nähfdiule und Krippe) im Sinne der
Begründerin auch nadi ihrem Austritt aus der Arbeit fortzuführen, falls
265
die auf den Grundftückcn errichteten Gebäude der Gemeinde über-
laffen würden. Die Gemeinde verpflichtete Reh jetjt, an den Klein-
Känderfduilverein 6 000 Mk. zu bezahlen, wenn Re über die dem Verein
Das Siechenhaus
überiaffenen Räume anderweit verfügen follte, ohne daß vorher in
anderer ebenfo zweckmäßiger Weife für die Unterbringung der Klein-
Ktnderichule geforgt wäre. Einen Teil diefes Geländes (24 Ar) über-
wies nun die Gemeinde als Bauplaß für ein neues Siechenhaus,
nachdem Frl. Jung im Jahre 1902 (f 1903) auf das Nutzungsrecht
verzichtet hatte.
266
Im Jahre 1902 erreichte das Vermögen der Anhalt durch eine Sdienkung
des Kommerzienrats Karl Roth {30 000 Mk.) und durdi den Ertrag
eines von Oberft Wagen er veranftalteten Wohllätigkeits-Bazars und
durch eine Sammlung unter den Gemeindcgliedern die Höhe von
114 500 Mk. erreicht. Von dieicr Summe wurden 50 000 Mk. als
Stamm- und Betriebskapital ausgelchieden und der übrige Teil für den
Neubau und deilen innere Einrichtung beftimmt. Der Bau, welcher
Raum für 25 Pfleglinge bietet und alle Bedürfniffe von Kranken be-
rückfiditigt, wurde von Baugewerksmeifter Rahfeld unter Verzidrt
auf jeden Unternehmergewinn ausgeführt; auch viele Handwerker
lieferten ihre Arbeiten zu ermäßigten Preifen. Im Auguft 1903 wurde
die Anhalt eingeweiht, deren Beftimmung durch die an der Vorder feite
angebradrte Bronzefigur des fegnenden Chriftus von Thorwaldfen, ein
Gcfchenk des Herrn Richard Lamardre, angedeutel wird. Im Jahre
1915 vermadrte Frl. Wilkcns der Anhalt 3 000 Mk. Das von dem
hübichen Garten umgebene freundliche Haus ¡ft ein befonders ichönes
Denkmal chriftlidier Liebcstätigkeit.
Seit dem Jahre 1863 übte die zweite Diakoniffin des Verforgungs-
haufes audr Krankenpflege in der Gemeinde aus. Im Jahre 1865 fand
das Presbyterium wünfdrenswert, daß für die Fortbildung der konfir-
mierten Jugend etwas Kräftiges und Dumgreifendes gefchehe; aber
die Gemeinde-Vertretung Iah fich außer Stande, dahin zielende Be-
ichlüffe zu fallen. Den Konfirmanden wurden auf Wunfch Gefangbücher
von der Gemeinde gcfchenkt.
Im Jahre 1869 wurde die Anflellung einer befonderen Gememde-
diakoniihn befdrloffen, nachdem bis dahin diefes Amt mit dem der
Siechenhaus-Vorfteherin vereinigt gewefen war. Das Veriorgungshaus
bot für die Diakoniffin Wohnung und Kofi gegen Zahlung von 60 Talern’
jährlich. Diefes Angebot wurde angenommen; 20 Taler follten aus der
Diakonatskaffe bezahlt, das übrige von der bürgerlichen Armen-
kommifhon und dem Frauenverein zu glekhen Teilen getragen werden.
267
Fräulein Amalie Jung hatte in einem Gartenhaus im Weiten der Stadt
eine Kleinkinderfdiule gegründet. Nach dem Tode von Fräulein Jung
wurde diefe Anhalt am 5. Auguft 1903 von der evangelildien Ge-
meinde übernommen und eine Kaiferswerther Diakoniffin als Klein-
kinderlehrerin angeftcllt und diefer eine Gehilfin beigegeben. Rektor
Jungk wurde mit der Oberauffidtt über die Sdiule betraut. Da in
demfelbcn Haufe der Frauen verein eine Nähfdiule eingeriditet hatte,
io wurden diefer die bisher benutzten Räume koftenfrei überlaffen.
Diefe Nähfdiule wurde durdifdinittlidi von 30 Mäddien befucht. Der
Kleinkinderlehrerin und den beiden Gemeindelchweftcm wurde Wohnung
in dem Haufe und Beköftigung im Siechenhaufe gewährt.
Im Jahre 1888 wurde eine zweite Krankenfdiwefter von der Gemeinde
angeftelli. Im Jahre 1903 wurde der. Gemcindediakon Trojand feft
angeftellt.
Nadidem im Jahre 1902 das Fürforge-Erziehungsgefeh erlaffen war,
wurden 12’evangelifdie Kinder in Fürforge-Erziehung gegeben.
Die Evangelifdie Nähfdiule ift die Forderung der Näh- und Strickfchule,
die früher im Prinz-Wilhelm- und Marianncn-Inftttut behänd, dann
vom Frauenverein unterhalten wurde und Ende der 90er Jahre einging.
Sie wurde Oltem 1914 auf Anregung des Pfarrers Becker von der
evangelifchen Gemeinde neu begründet, muhte aber fdion nach wenigen
Monaten bei Ausbrudi des Krieges wieder gcfdiloffen werden. Die
Räume wurden dem Vaterländifchen Frauenverein zur Verfügung ge-
hellt. der darin unter der Führung von Frau Geh. Merh eine Näh-
fiube erriditete. In derfelben wurden händig bis zu 300 Frauen, haupt-
fädilich folche von Kriegsteilnehmern, mit Näh- und Strickarbeit, größten-
teils Heimarbeit befdiäfiigt und unterftüttt. Mit dem Waffenhillftand
hörte diefe Arbeit auf, und nadidem die Räume wieder hergerichtet
waren, konnte am 15, März 1919 die Nähfdiule mit 40, die Strick-
fchule mit 49 Schülerinnen wieder eröffnet werden. Sie unterfteht jetjt
dem Presbyterium und dem Frauenverein Alt-Saarbrücken, die aus
ihrer Mitte einen Vorftand von je vier Perfonen aus jeder Körperfdiaft
268
bilden. Die bisherige Lehrerin, Frau Meifter, die feit Oiicrn 1914 erft in
der Nähfchule, dann in der Nähftube des Vaterländifdien Frauenvereins
und zuletzt wieder in der Nähfchule ununterbrodien tätig war, kündigte
aus Gefundheitsgründen zum L November 1920, und die Nähfdrule
muljte, da lieh kein Erfai? fand, wiederum gefdiloffen werden, Endlich
zum 1. Mai 1921 war es Kaifcrswerth möglich, die lang erbetene
Induftriefdiwefter (Emma Held) zu fenden. Unter ihrer Leitung blühte die
Sdiule auf, io dal? am 15. September 1922 eine Hilfsfdiwefter (Anna
Gro^) angeftellt wurde, die am 2. Juli 1923 vor der hiefigen Hand-
werkskammer ihre Meiitcrprüfung beftand. Zur Zeit werden 60 — 70
Sdiülcrinnen, hauptfädilidi Halbtagsfchülerinnen unterriditet, ein zweimal
wöchentlicher Abendkurfus wird von ungefähr 25 Frauen befudit.
(Mitteilung von Fräulein Fanny Zilleffcn.)
DAS KINDERHEIM
Audi den Kleinften und Hilfsbedürftigften hat fidi die diriftliche Nächften-
üebe zugewendet. Durch eine Stiftung von Frau Elifabeth Braun,
geborene Freiin von Stumm-Halb erg, war eine Krippe mit
18 Bettdien eingeridrtet worden, in welcher zur Entlaftung der ihrer
Arbeit nachgehenden Frauen die Kinder fdion im zarteften Alter gegen
geringes Entgelt oder unentgeltlich aufgenommen, gebadet, fauber
gekleidet und gewartet werden. Diele Krippe ift im Jahre 1921 in
die Verwaltung der evangelifchen Gemeinde übergegangen. Sie war an-
fangs in unzureichenden Räumen untergebradit und wurde dann von
Frau Frits Röchling, gcb. Vopelius in ihrem Haufe unentgeltlich auf-
genommen. Als nadi dem Tode von Frau Rödiling das Haus verkauft
wurde, fdienkten die Erben die Kauffummc im Betrag von 30000 Mk.
an die Krippe. Frau Kommerzienrat Haldy fehenkte 20000 Mk.,
der Kinderfürforgc-Verein 10 000 Mk., foda^ das Vermögen 129 800 Mk.
betrug. Da die Krippe heimatlos geworden war, fo übertrug der
Vorhand das Vermögen an die evangelifdic Gemeinde gegen die Pflidit,
269
die Krippe zu unterhalten. Die Gemeinde konnte diefe Verpflichtung
übernehmen, da fie felbft ichon eine ähnlidie Anhalt gegründet hatte.
Schon lange hatte es die Gemeindevertretung fchmerzlidi empfunden,
dalj es fehr fchwer war, für kleine Kinder und Säuglinge, deren
Mütter wegen Krankheit nicht imltande waren,, ihre Kinder felbft zu
beforgen, eine geeignete Pflege zu finden. Audi kam es vor, dalj
Mütter ihre Kinder, zumal wenn fie unehelich waren, vernadilälfigten,
weil fie felbft auf Arbeit ausgehen mußten. Diefe Not fteigerte fidi
während des Weltkrieges, als viele Kricgerfrauen und Witwen die Arbeit
von Männern übernehmen mußten, und lielj bei barmherzigen Mcnfchen
den Gedanken reiten, durch Gründung eines Säuglingsheims diefen
armen kleinen Wefcn zu helfen. Das Presbyterium nahm diesen Ge-
danken auf und wählte einen Ausfdbuh zu deffen weiterer Erwägung
und Verwirklidiung. Diefem Ausfdiu^, der am 7. Februar 1916 zum
erften Mal zufammentrat, gehörten an:
Pfarrer Ebeling,
Frau Pfarrer Ebeling,
Schwefter Johanna Achenbach,
Fräulein Fanny Zilleffen,
Rendant Bihmann,
Rektor Hahn,
Lehrer Keller und
Dipl.-Handelsiehrer Wilhelm Heering (Sdiriftf.).
In dem Säuglingsheim follten Kinder bis zum Alter von drei Jahren
zunädilt aus den evangelifdien Kirdiengemeinden Alt-Saarbrücken
und St. Arnual, in zweiter Linie aus St. Johann und Malftalt-Burbadi
aufgenommen werden, wenn die Kinder Waifen oder unehelich geboren
wären, wenn der Vater im Felde ftände und die Mutter krank wäre,
wenn die Kinder felbft krank wären oder fidi fonft in Not befänden.
Zu diefem Zwecke follten Mittel der evangelifdien Gemeinde Alt-
Saarbrücken und die Verpflegungsgelder der Stadt, auch Mittel der
270
Kriegerfürforge verwendet und außerdem freiwillige Beiträge gefammelt
werden. Als Leiterin wurde die Kaderswerther Schwefter Käthe Nickel
berufen. In den Ausfchub wurden zugcwählt:
Frl. Ida Obenauer,
Frau Friff Röchling,
Frau Louis Sander,
Frau Rechnungsrat Schmidt,
Frau Bernhard Seibert,
Fräulein Amanda Stier und
Schwefter Karoline.
Auch Fräulein Nobel und Frau Profeffor RUppersberg zeigten
fäch in diefer Gemeindefache tätig. Als beratender Arzt wurde Dr. Kunz
gewonnen, der auf Flonorar für feine Tätigkeit verzichtete. Am
23. Mai 1916 konnte das Heim in einem gemieteten Haus in der Elifa-
bethenftrabe mit 6 Pfleglingen durch eine einfache Freier eröffnet werden.
Bald mul^te eine zweite Schwefter berufen werden. Auch wurden
Sdiülerinncn der hrauenfdiule zu der Säuglingspflege angeleitet. Die
Koften des Haushaltes beliefen fich auf ungefähr 10000 Mk. jährlich.
Das Haus erwies fich aber bald als zu klein. Durch Vermittelung des
Herrn Eduard Haas, der auch durch eifrige Sammeltätigkeit (30000 Mk.)
fich auszeichnele, wurde ein Haus mit einem von Bäumen beltandenen
Grundftück auf dem Wackenberg zu dem billigen Preife von 22000 Mk.
erworben. Diele Koften nahmen die Erben des Geheimen Kommerzienrats
Karl Röchling auf fich. Der Umbau und die Einrichtung des
Haufes erforderten die Summe von ungefähr 30000 Mk,
Am Sonntag Jubilate (11. Mai) des Jahres 1919 wurde das neue
Säuglingsheim bei prächtigem Maiwetiet eingeweiht. Lieder und Vor-
träge von Schulkindern eröffneten die Feier, dann hielt Pfarrer Ebc-
ling im Namen des Vorftandes die Begrüljungsanfpradre. Er führte
aus, dab das Haus der dirütlidren Liebe zu den Kleinen geweiht fei.
Pfarrer Klein fprach im Namen des Presbyteriums, Beigeordneter
Dr. Sartorius für die Stadt. Zahlreiche Herren und Damen wohnten
271
der Feier bei. Im nädiften Jahre maditen Bergrat Dr. Weife und
feine Gemahlin Jenny Weife, geb. Wendel, der Anhalt eine Sdnenkung
von 2000 Mk. zur Erinnerung an ihr durch einen Unglücksfall
ihnen cntriffenes Kind Urfula. Diele Sdienkung wurde als Urfula-
Weife-Sliflung fo verwaltet, da^ jährlich zwei Drittel der Zinfen für
die Weihnaditsfeier verwendet wurden und ein Drittel zum Kapital
gefdilagen wurde. .Andere reidie Zuwendungen folgten. Herr Gilbert,
Vertreter der Quäker, fpendete 40000 Mk. Aus Chikago fandte Paftor
Adolf Menzel 100 Dollar aus dem Ertrag des im Dezember 1921
dort für die bedürftigen Kinder Zentral-Europas abgehaltenen Bazars.
Die Summe wurde für 20900 Mk. eingewcdifelt. Durdi die Vereini-
gung der Elifabeth-Krippc mit dem Kinderheim wurde ein Umbau
des Haufes und zugleidi ein Erweiterungsbau nötig, der von dem
Ardiitckten Franz Kaifer für 160000 Mk. ausgeführt wurde. Am
9. September 1923 wurde das erweiterte Haus cingcweiht. Pfarrer Ebcling
gab in feiner Weiherede einen Überblick über die Entwicklung der
Anhalt. Das Haus beherbergte 42 kleine Kinder, darunter 18 Säug-
linge. Auf der Höhe am waldigen Hang in fonniger Lage bietet es
den Kleinen Licht, Luft, Sonnenfdrein und gute Pflege durch 4 Sdrweftern
unter der ärztlidien Auffidit von Frl. Dr. Erna Meyer. Durch den
Um- und Anbau waren zwei luftige Säle, ein Ifolierzimmcr und
mehrere Schlafzimmer gewonnen worden. Dankbar gedachte Pfarrer
Ebeling der zahlreidicn Spender freundlidier Gaben im Inland und
Ausland (Amerika, Holland, Schweiz und Sdiweden). Befonders hob
er die chriftlidr-brüdcrlidie Hilfsarbeit des fchwcdifchen evangelifchen
Erzbifchofs Söderblom hervor, durch den dem Heim auch eine
Spende von 1500 Franken zugefloffen fei. Pfarrer Ebeling übergab
dem Heim zwei Bilder, das des verdorbenen Herrn Eduard Haas,
das die Bcfucher am Eingang des Haufes greift und die Untcrfdirift
trägt: „Vater Haas, ein Wohltäter des cvangelifdien Kinderheims,“
und das Bild des Deutfchamerikancrs John F. Gluttirrg, der. der
alten deutfehen Heimat treu, dem Kinderheim Gaben der Liebe gefandt
und nodi weitere in Ausficht gehellt hat.
272
EVANGELISCHER VOLKSDIENST
IN SAARBRÜCKEN
Es ift früher erwähnt worden, daf> Pfarrer Limb erg als vierter Pfarrer
der Gemeinde Saarbrücken und zugleidi als Leiter des cvangelifchen
Jugend- und Wohlfahrtsamtes der Synoden Saarbrücken und St. Johann
angeitellt worden ift.
Dem 1. Jahresbericht dicies cvangelifchen Jugend und Wohlfahrtsamtes
der cvangelifchen Gemeinden an der Saar entnehme ich folgende Säfte:
„Die Forderung, daft die chriftlidie Gemeinfdiaft die Aufgabe der
We Itü berw in du ng durdr den Glauben und der Weit-
er löfung durdi die Liebe zu erfüllen habe, gilt feit den Tagen,
da auf einem Berg Galiläas der Mciftcr die Seinen das Licht der
Welt genannt hat. Damit ¡ft das Chriftcntum mitten hinein geheilt
in das Getriebe des Wcltlaufs und darf fich nidit in weltfernen
feligcn Himmclsträumen und erdentrückter frommer Weltmüdigkeit ver-
lieren ; darf fich audi nicht hinter Kirdienfcnfter und Kirdienmauern
zurückziehen und in dem Bewufttfein feiner Glieder „Wenn ich nur
dich habe“ Genüge finden. Die dinftlichc Gemeinfdiaft hat ihre
Aufgabe auf Straften und Gaffen. Es bedeutet eine Verkürzung des
diriftlidien Lebensideals, wenn die Khdic n u r in der perfönlichen
Scelenpflegc des Einzelnen Genüge finden würde. Die moderne
„Pflege des perfönlichen Lebens“ birgt die Gefahr in fich, daft darüber
die Geftaltung des großen Wcltlcbens, des öffentlichen Lebens in
allen feinen Formen zu kurz kommt. • Die diriftüche Gemeinfdiaft muft
den Geift des öffentlichen Lebens beftimmen; mu|, wenn anders fie
ihr Dafeinsrccht und ihre Zukunitsaufgabe fidi erhalten will, ein
Lebensideal gehalten, das alle Formen des mcnfchlidien erdenhaften
Dafcins erfaßt und geftaltet.“
„Wir müffen heute neben dem Glaubens- und Liebesdienft der
Kanzel und der Seelforge und Seelenpflcge neuen Dienft an dem
18 Geiehidite der ev. Gemeinde Att-Saarbrüd<en
273
flutenden öffentlichen Leben auf nehmen. Unmittelbarer Dien ft am
Volk neben und mit dem Dienft an der einzelnen Seele ilt die neue
Forderung, die deshalb notwendig ¡ft, weil das öffentliche Leben,
in Sitte und Sittlichkeit, im Geiftes- und Kulturleben, fidr mehr und
mehr von der Quelle des Glaubens und der Liebe entfernt hat/4
„Bei der Jugend gilt es onzufangen; denn fie ift bedroht und gefährdet.
Sie fudit und irrt und möchte finden.
Sie ift in Gefahr, fidi zu verlieren. Die Jugendnot unfrer Tage ift
der ernftefte Ausdruck der Volksnot. Jugenddien ft ift deshalb
vornehmfter Volksdienft. Wir evangelifdien Chriften würden eine
Unterlaffungsfündc begehen, wenn wir nidit helfen wollten/4
„Dazu kommen die vielen anderen Nöte des Leibes und der Seele,
Armut und Sorge, Krankheit und Schwachheit, Alter und Einfamkeit,
und was es fonft nodi fein mag; Nöte, die den Schrei nach Liebe laut
werden laffcn. Wir können helfen und müffen es deshalb auch tun,
weil wir das Evangelium der Liebe haben/4
„Wir wollen und können nidrt zufehen, wie daran unfer Volk zu Grunde
geht. Wir müffen helfen, retten, bewahren, abwenden, kämpfen. Das
¡ft cvangelifcher Volks dien ft.
Die Arbeitsmethoden find dienende Liebe und kämpfende Kritik/4
„Das Evangelifche Jugend- und Wohlfahrtsamt in Saarbrücken ift die
Zentralftelle für die gefamtc Jugend- und Wohlfahrtsarbeit der evan-
gelifchen Gemeinden im Saargebiet/4
„Die Zentralftelle ift eingeriditet von den Synoden St. Johann und Saar-
brücken. Sie unterftehi diefen beiden Synoden, bezw. den von ihnen
mit der Jugend- und Wohlfahrtsarbcit beauftragten Ausfchüffen/4
Das „Evangelifche Jugendamt44 hat die Aufgabe, evangelifche
Jugendwohlfahrt zu treiben; und zwar durch Jugendfürforge an der
gefährdeten Jugend und durch Jugendpflege an der gefunden
Jugend,
274
Die iittlich und geiftig gefährdete Jugend findet im Jugendamt Hilfe
und Rat in allen Nöten und Gefahren.
Straffällig gewordene Jugendlidie und deren Angehörige werden in
öffentlicher Sprcchftunde des Jugendamtes beraten.
Die Lebensverhältniffe der ftraffälligen Jugendlidien werden vom Jugend-
amt geprüft und das Ergebnis der Prüfung den Jugendgerichten
mitgeteili.
Das Jugendamt nimmt an den Sitzungen des Jugendgeriditcs teil.
Im Fürforge- und Vormundfdiaftswefen vermittelt das ¿Jugendamt
geeignete Perfönlichkeiten als Vormünder, Pfleger und Bciftände.
Das Jugendamt unterhält enge Fühlung mit allen evangelifchen Jugend-
vercinen und Jugendpflegeorganifationen in den Gemeinden und fucht
anregend und fördernd die Jugendpflegearbeit zu unterftüßen.
Das Jugendamt ift der organifche Mittelpunkt und die gefdiäftsführende
Zentralftellc des „Bundes der evangeüfdien Jugend an der Saar“, in
dem alle Jugcndvereine des Gebietes zufammengefaßt find.
Innerhalb der gefamten Jugendpflege und Jugendbewegung vertritt es
die evangelifdien Intereffen und unterhält Beziehungen zu den ftaatlichen
und kommunalen Jug^ndpflegeorganen.
Das Jugendamt veranftaltet: a) regelmäßig Führertagungen, b) jährlidi
mindeftens einmal eine Bundestagung der evangelifchen Saarjugend;
es unterhält; c) eine Fachbibliothek für Leiter und d) eine Material-
fammlung für Veranftaltungen in Vereinen; e) es vermittelt Vortragende
für unterhaltende und bildende Vorträge.
Für die finanzielle Ermöglichung der Arbeit fucht das Jugendamt
private und öffentliche Mittel zu erwirken.
Das evangclifche Wohlfahrtsamt hat die Aufgabe, an der
Behebung der leiblichen und feelifdien Not unferer evangelifchen Volks-
genoffen mitzuarbeiten und anregend und helfend den Volkswohlfahrt
treibenden Organen zur Seite zu ftchen.
275
„ Aufgabe des Kultur amt cs ift die Pflege und Stärkung proteftan-
tifdier Kulturgüter und die Durchdringung des öffentlichen Lebens
mit dem Geilt eyangclifdier Geiinnung.“
Nadidem im April und in der erften Hälfte des Monats Mai 1922
das Haus Gutenbergftraße 18 inftandgelel^t war, konnte mit der Ein-
richtung des Büros begonnen werden Der Marthahausverein, der in
entgegenkommendfter Weife fein bisheriges Heim, das er von der
Not gedrungen aufgeben muhte, den Synoden zur Verfügung gehellt
hat. konnte aus feinen Mobilarbcftänden auch einen großen Teil der
notwendigen Büroeinrichfung zur Verfügung ¡teilen, fodaß eine finan-
zielle Belattung nidit cintrat. Im Laufe des Jahres find dann weitere
An fdiaff ungen nötig geworden. So vor allem eine Sdireibmafdiine,
die nodi verhältnismäßig preiswert gekauft werden konnte. Pfarrei-
Bleek hellte dankenswerterweife einen Vervielfältigungsapparat zur
Verfügung. Der übrige notwendige Bürobedarf wurde nadi und nadr
befdiafft.
Während des Sommers ergab fidi audt die Notwendigkeit der Au-
fteilung einer Bürohilfe, die in zwei aus Saarbrücken und Umgegend
Itammenden jungen Damen gefunden wurde.
Die Arbeit fclbft begann für den Leiter des Amtes mit der hühlung-
nahme mit den Kreifcn und Inftanzcn, die für die Jugend- und Wohl-
fahrtsarbeit in Betradit kommen, den kommunalen Wohlfahrlsbehörden,
den Jugend- und Vormundfdiaftsgerichten, den karitativen und kultu-
rellen Organifationen der katholifchcn Kirche und fonftigen Stellen, die
foziale und kulturelle Arbeit im Saargebiet leihen. Vor allem aber galt
es im erften Jahr, den Stand der Jugend- und Wohlfahrtsarbeit in
den evangelifdien Gemeinden kennen zu lernen.
Mit den katholifchen Organifationen, wie Karitas, katholifdier Volks-
verein befteht Verbindung und Meinungsaustaufdi, Mit der Preffe,
mit der Theaterleitung, dem Bühnenvolksbund und anderen Kultur-
verbänden ift Verbindung angeknüpft worden.
276
Befonders wichtig aber war der Anfchlub an die Arbeit, die in den
Gemeinden geleiftet wurde. Auf dem Gebiet des Jugendfürforge-
wefens beftand bei Gründung des Jugendamtes ein Fürforgeverein, der
unter der tatkräftigen Leitung von Frau Deefz fidi befonders der
gefährdeten wciblidien Jugendlichen annahm. Im übrigen waren keine'
gröberen evangelifchcn Orgamfationen für diefen Zweig der Arbeit
vorhanden.
ln der Jugendpflege und Jugendbewegung war bei Gründung des
Amtes die Sachlage eine andere. In zahlreidien Gemeinden behänden
männlidic und weiblidie Jugendgruppen, die fich im Saargebiet im
„Bund der evangelifchen“ Jugend an der Saar" zulammen-
gefdiloffen haben, der unter dem Vorfib der Jugendpfarrer der beiden
Synoden St. Johann und Saarbrücken, Pfarrer Blee k-Malftatt und
Pfarrer W agner-Wicbelskirchen, fteht.
Neben diefem Zufammenfdilub fuchtc das Jugendamt Verbindung mit
anderen Jugendkreifen, io dem Kreisverband des „Weftdeulfdien
Jünglingsbundes“ und audi nach und nadi mit einigen Gruppen der
modernen Jugendbewegung.
Es galt für das neugegründete Amt zunächft auch Fühlung zu ge-
winnen zu den vielen in den Gemeinden behebenden Vereinen. In zahl-
rcidien Befuchen der Gemeinden konnte diefe Fühlung vielfadi ge-
wonnen werden.
Der Stadtbezirk Saarbrücken ift in eine grobe Anzahl von Bezirken
eingeteilt, in denen mindeftens je ein Mann und eine Frau fidi der
Pflege der evangelifchen Jugendlidicn widmen.
Eine grolje Kundgebung der evangelifdien Jugend an der Saar war
das Waldfeh in Quierfchied am 20. Auguft 1922, an dem fidi über
2000 Jugendliche beteiligten. Der Verlauf des Tages war erhebend.
Ein jugendlicher Teilnehmer fdirieb darüber in der Zeitung: „Das
Waldfeh der Jugend am vergangenen Sonntag war das erfte Jugend-
treffen der in dem neugegründeten Bund der evangelifdien Jugend an
277
der Saar vereinigten Jugendlidien. Aus dem ganzen Saargebiet hatten
lidi über 2000 Buben und Mädel in der Wolfs'chlucht bei Quierfdiied
vcriammclt zu einem Feit der Jugendgemeinlchaft und Jugendfreude.
Um elf Uhr begann der Gottesdienft. Ein fdiönes, buntbewegtes Bild:
die grobe Sdiar junger Menlchen auf den Waldabhängen im großen
Halbkreis um das grünumranktc Kreuz. Im liturgifchen Rahmen war
der Gottesdienft geftaltei. Geigen und Gitarren, das Singen der
Waldvögel und das leifc Raufdien und Flüftern der grünen Wipfel,
durch die die Sonne golden ihre Strahlen warf, waren die Orgel-
begleitung zum weithinhallenden Sang aus taufend Kehlen. Eine
befondere Wciheftimmung wurde zu Anfang des Gottesdienftes durch
die Vorlefung der alten Schöpfungsgefchichte inmitten der Natur her-
vorgerufen. Gedichte und Lieder und das von Jungen und Mädchen,
um das Kreuz ftehend, gemeinfam gefprodiene Bekenntnis zu Vaterland
und Freiheit von Ernft Moritz Arndt führten dann zu einer kurzen
Anfpradie des Pfarrers Limberg. Die Not der Zeit, die Wirren der
I age und die grobe Verantwortung der Jugend legte er auf die Seele.
Eine Zukunft müffc die Jugend fdiaffen, he dürfe fie nidit erträumen
wollen. Eine Gefahr in der deutfehen Jugendbewegung fei die romantifche
Schwärmerei von einer helleren Zukunft, der aber nicht immer der
Fatwille entlprechc. Die Kralt zur Tat erwachfc aus dem Glauben/4
„In der Altershilfc und neuerdings in der Notftandshilfe haben wir zu-
fammen mit dem Karitasbüro den Hauptteil der Arbeit getragen. Das
Wohlfahrtsamt war offizieller Vertreter der evangelifchen Wohlfahrts-
organilationen im Landesausfdiub der Altershilfe für das Saargebiet.
Uber 700 Altersfälle wurden von uns bearbeitet. Ebenfo ift zurzeit
die „Allgemeine Notftandshilfe44, foweit die evangclifchc Bevölkerung
in Betracht kommt, im Wohlfahrtsamt zentralihert.44
„Ein befonders arbeitsreiches Gebiet war die Unterbringung von Kindern
auf dem Lande. Zufammen mit dem Verein „Volkswohl“ wurden im
vergangenen Jahr 529 evangelifche Kinder auf dem Lande im Rcidi
untergebracht. Auljerdem brachte das Wohlfahrtsamt von fich aus 139
278
Kinder des Mark empfangen dcnMitielftandes durch Vermittlung des
deutfdr-cvangelifchcn Frauenbundes München auf hayeriiehen Gütern
unter. “
„ln vielen Einzelfällen auf dem Gebiet der Gefundheitsfürforge, der
Armenhilfe, der Waifenhilfc, der Hilfe für cntlaffenc Gefangene, in
der Trinkerfürforge u. a. konnte das Wohlfahrtsamt helfend eingreifen.
In der Trinkerfürforge arbeitete das Wohlfahrtsamt zufammen mit dem
Verein gegen den Mihbraudr geiftiger Getränke.“
„Eine weitere Arbeit des Wohlfahrtsamtes ift die Stellenvermittlung
für weiblidie Berufe, weibliche Haus- und Büroangeftellte,“
Der Leiter des Kulturamtes und die Pfarrer Sdiwalfenberg (Merzig),
Haike (St. Johann), Alsdorf (Sdreid), Abegg (Riegelsberg), Uhrmacher
(St. Arnual), Henn (Gersweiler), Profeffor Trösken (Neunkirchen), Frl.
Dr. Erna Meyer (Saarbrücken), Lehrer Schäfer (Dilsburg) und Rektor
Ludt (Elversberg) ftelllen fich für belehrende Vorträge zur Verfügung.
Mancherlei Beziehungen zu führenden Organifationen und Männern
des öffentlichen Lebens braditen den cvangclifchen Standpunkt im
kulturellen Leben zur Geltung.
279
VII. DAS VEREINSLEBEN
Folgende Vereine haben fidi in der Gemeinde gebildet:
1. Der Chriftliche Verein junger Männer.
Er wurde im Jahre 1873 durch einen Kreis diriftlich gefilmter
Männer, wie: TöditeridiuDirektor Brandt, Lehrer]iThum, Kauf-
mann Wildberger, Sdmeidermeifter Gimbel, Hausvater Stumm
u. a. als Evang. Männer- und Jünglingsverein gegründet. Der Verein
hat ftets von Anbeginn in den Sälen der Herberge zur Heimat getagt
und viel dazu beigetragen, die Jugend vor Ausfdiwcifungen zu be-
wahren und diriltliche Charaktere heranzubilden. Die Verfilmenden waren:
Töditcrfdiuldirektor Brandt, Pfarrer Fenner, Pfarrer von Scheven, Pfarrer
Klein, Pfarrer Ebeling, jeht Ehrenvorfitmender, und z. Zt. Pfarrer Heinz.
Der Verein ift angelchloffen an den Weftdeutfdien Jünglingsbund, Sib
Barmen. Er feierte am 18. November 1923 das Feft feines 50jährigen
Beftehens. Bei diefer Feier wurde ein von Fräulein So ine und Fräu-
lein Fanny Zilleffen gedichtetes Feftfpiel „Aus zwei Jahrtaufenden“
aufgeführt, welches fechs dramatifdic Bilder aus der religiöfen Geldridite
des Saargebietes entrollte.
2, Der Evangelifdie Erzichungsvcrein
wurde etwa zur fclben Zeit und von denfelben Männern wie der ChriftL
Verein junger Männer gegründet mit dem Zweck, gefährdete fchul-
pflidhtige Knaben und Mädchen auf Kotten des Vereins unglücklichen
und ungefunden-Familicnvcrhältniffen zu entziehen und in einer dirift-
lichen Familie oder einer chriftlichen Erziehungsanftalt unterzubringen.
Langjähriger Vorfihender war Töditerfchuldirektor Brandt, dann Rektor
Jungk, später Pfarrer Ebeling, der den Vorfilm noch gegenwärtig hat,
3. Der Verein vom Blauen Kreuz
wurde im Jahre 1900 auf Anregung von Pfarrer Ebeling und Max Grifdiy
gegründet. Er befchäftigt fidi mit Trinkerrettung und Bekämpfung des
280
Alkoholismus. GcgcnwärtigerVorfibender ift Eifenb.-AffiftentBartholomä,
Ehrenvorfibendcr Pfarrer Ebeling.
4. Der Evangc!. Arbeiterverein, jebl Evangel. Männerverein,
wurde gegründet durch Pfarrer von Scheven und einer Anzahl dirift-
licher Handwerker, Arbeiter und Beamte mit dem Wahlfpruch: „Fürchtet
Gott, ehret den König, habt die Brüder lieb;“ mit vatcrländilcher und
fozialer Tendenz. Der Grundzug ift geblieben, Parteipolitik wird nicht
getrieben. Deuthhes Vaterlandsgefühl und evangclifch-proteftantilche Art
folf gepflegt werden. Vorfibender ift Pfarrer Ebeling.
5. Der Bibelkreis für Schüler höherer Schulen
wurde 1907 auf Anregung des Studienrats Nabe vom Gymnafium
in Forbach im Haule des Pfarrers Ebeling gegründet. Langjähriger
und befonders geeigneter Leiter war Studienrat Zimmermann vom
Gymnafium in Forbadi, aus Strahburg flammend.
6. Derfefbe Kreis für Mädchen,
gegründet vor 5 Jahren auf Wunfch einer Anzahl Sdiülerinnen von
höheren Mädchenfchulen durdr Pfarrer Ebeling.
7. Der Evangclifche Mädchenbund
wurde gegründet als chriftlicher Verein junger Mädchen am Toten-
fonntag 1909 durdi Pfarrer Ebeling im Verein mit Pfarrer Becker und
einigen chriftlidr gefinnten Frauen und Jungfrauen. Er ift hervor-
gegangen aus dem Jugendbund des Blauen Kreuzes. Leiterin ift
gegenwärtig Schweiler Emma Heidt, Vorfibender Pfarrer Ebeling.
8. Der Verein Ghriftdeutfdier Jugend
wurde gegründet unter Einwirkung von Frl. Guida Diehl im Jahre 1915
durch Frl. Fanny Zilleffen und Pfarrer Ebeling als Neuland. Vor-
fibende Frl. Guida Diehl in Eifenadi. Jebt feit etwa 3 Jahren um-
281
gewandelt in eine Gruppe der Chriftdeutfdien Jugend. Verübender
Pfarrer Cordier, Barmen. Vereinigung höherftrebender junger Mädchen
gebildeter Stände.
9. Die Evangcliidie Frauenhilfe
wurde gegründet in der Sturm-, Drang- und Notzeit der Revolution
und Nadikriegszeit im Januar 1919 durch eine grobe Vcrfammlung in
der Ludwigskirdie mit nachfolgender Verfammlung im engeren Kreife
in der Schlobkirchc. Der Verein zählt über 1000 Mitglieder. Der
Verein hat in lieh aufgenommen den fdion feit vielen Jahren beliebenden
Frauen- und Jungfrauen-Miffionsverein, deffen langjähriger Leiter Pfr.
von Scheven und zuletzt Pfr. Ebcling war.
282
VIII. STIFTUNGEN UND
VERMÄCHTNISSE
1. PFARRWITWEN-STIFTUNG
Graf Ludwig Kraft ftifldc im Jahre 1712 ein Kapital von 4000
Gulden mit der Beftimmung, dalj von den Zinfen vier Pfarrers
wilwen jährlich mit je 50 Gulden unterführt werden folltem
Seine Witwe, die Gräfin Philippine Henriette, überwies der Kaffe im Jahre
1725 die Summe von 1725 Gulden, die fie der Stadt Diemeringen (in der
Graffdiaft Saarwerden) zur Bezahlung der franzöfifchen Kontribution ge-
liehen hatte. Da die Zinfen längere Zeit nicht gebraucht wurden, io wuchs
Kapital bedeutend an. Deshalb befchlob der Pfarrkonvent im Jahre der
1733, dab jede Witwe 50 Taler ftatt 50 Gulden erhalten folltc. Die
Kaffe hatte im Jahre 1825 einen Bcftand von 66793 Frs. Jede
Pfarrerswitwe wurde mit 300 Mk. jährlich unterführt; jedes Kind unter
12 Jahren erhielt 48 Mk,, mutterlofe Waifen 75 Mk.
Der Stiftungsbrief hat folgenden Wortlaut:
„Wir Ludwig Kraft, Graf zu Naffau-Saarbrücken und Saarwerdcn, Herr zu Lahr,
Wiesbaden und Idftein, tun kund und zu witfen hiermit, demnach uns Gott der
Allmächtige an zeitlichen Gütern aller Arten gefegnet, dah wir uns verbunden
erkennen, nicht allein demfelbcn davor Loh und Dank zu lagen, fondern auch
Müdigkeit und Guttätigkcit an denen Dürftigen zu erweitern Da wir uns nun
unferer der Augsburg!fchen Konfeifion zugetanen Prediger und Diener an dem
Worte Gottes, befonders in unferer Graffdiaft Saarbrücken, diesmaligen Zuftand,
wie er uns vor Augen liegt, zu Gemüt gezogen haben, wir nach reiflicher Über-
legung wohlgetan zu fein bei uns felbft eraditet, betagter Prediger nachgelaflencn
Witwen zu ihrem Unterhalt von dem Segen, den uns Gott zugeteilt, ein beftändig
Gefälle und Stiftung zu machen: Ordnen und lüften alfo zu dem Ende von
dem Unfrigen Kraft diefer Schrift in beftcr Form aller Rechte, und wie wir folches
zum kräftigften immer tun können und mögen, fonderlich nach Recht und Ge-
283
wohnheit einer freien Gab und Schenkung zu milden Sachen viertaulend
Gulden Kapital, jeden zu 15 Baben gerechnet", trägt jährlidr Intercffc 200
Gulden. Von diefem Interelfe und Zins Toll von heut dato an einer jeden
cvangelifch-lutherifchen Pfarreswittib dieler unterer Craffchaft Saarbrücken, fo lang
He im Witwenftande lebt, jährlich gereicht werden fünfzig Gulden.
Weil nun aber weniger als vier derfclben dermalen vorhanden, foll das übrige
von denen Zinfcn von einem zeitlichen Sdraffner des Stifts St. Arnual zu Kapital
angelegt werden, damit, wann etwa zu anderen Zeiten mehr als vier fokher
Witwen lieh finden, dcnfelben von denen hiervon fallenden Zinfen Gutes
belchchcn möge.
Die Kollation diefes bcnificii behalten wir, fo lang uns der Allmächtige Gott
das Leben verleiht, bevor, wie wir uns dann nicht weniger reservieren, oben
erwähntes Kapital, wo und wie wir es gut finden werden, anzulegen. Nadr
unferm feligen Hintritt aber aus dieler Zeitlichkeit foll die Adminiftration und
Kollation folcher Stiftung durch einen zeitlichen hiefigen Inlpektor oder in deffen
Ermangelung dem älteften evangelifchen Pfarrer hiefiger Saarbrückifchen Kirchen,
bei welcher Inlpcktur oder Pfarr zu dem Ende eine gleichlautende Kopie dieler
Stiftungsbriefs verwahrt behalten werden foll, verleben und verrichtet werden.
Wir haben aber zu unfern Erben und Nachfolgern in dieler Graffchaft Saar-
brücken das gute Vertrauen, gehalten wir fie darum inftändig erfuchcn, fie werden
ob dem, was zu Gottes Ehre und deffen Dienern zu Troff und Liebe hiermit
gelüftet ift, forgfältig und ernftlich halten, damit folchc Stiftung nicht ander-
wärts ein als unfercr Intention und Stiftung gemäh verwendet und verringert
werde oder gar in Abgang komme. Zu mehrerer Verlicherung und Bekräftigung
dcflen haben wir uns eigenhändig untcrfchrieben und unfer gräflich Infiegcl bei-
drucken lallen.
So gcfchehen Saarbrücken den 2ten Tag Monats April nach Ghrifti unfers lieben
Herrn Geburt im 1712 len Jahr.“
L. S. Ludwig Kraft, Graf zu Naffau.
Im Jahre 1833 wurden von einem Ausfchuf» des Conventus minifterialis
Satzungen für die Pfarrwitwcnkafie verfaßt und im Jahre 1872 gedruckt.
284
2. DAS STIPENDIUM LUDOVICIANUM
Derfelbe Graf Ludwig Kraft ftiflctc in denselben Jahre 1712 3000
Gulden, die auf den Reisweilcr Zehnten "angewicfen wurden, zum
Beiten evangeliieher Jünglinge, die fich dem Studium widmen wollten.
Die Zinfen — 150 Gulden — feilten jährlich verteilt werden. Die
Summe wurde auf den Zehnten in Reisweilcr angewiefen und iit deshalb
verloren gegangen.
3. DAS STIPENDIUM CAROLINUM
Der Nachfolger des Grafen Ludwig Kraft, Karl Ludwig lebte kurz
vor feinem Tode im Jahre 1723 eine Summe von 1000 Talern (1500
Gulden) aus, deren Zinfen alljährlich an ftudierende Landeskinder der
Grafichaft Saarbrücken verteilt werden follten. (Stipendium Carolinum,
vom Stift St. Arnual verwaltet.)
4. ELEONOREN-STIFTUNG
Die unverheiratete Gräfin Sophie Eleonore von Naflau-Saarbrücken
überwies im Jahre 1742 dem Superintendenten Rolle 400 Gulden mit
der Beitimmung, daß diefes Geld angelegt und von den Zinfen die
Koben zweier Miniftcrial-Konvente bezahlt werden follten. Als durch
das Einrücken der Franzoien infolge der Abldraffung des Zehnten die
Einkünfte des Stiftes und damit auch die Beloldungcn der Geiltlichen
faft ganz weggefallen waren, wurde im Jahre 1798 durdi Befchluß des
Konventes das Kapital als zinsfreies Darlehen gleichmäßig unter die
Pfarrer verteilt und im Jahre 1812 durdi Abzüge von der Befoldung
zurückbezahlt. Damals betrug das Kapital 1200 Frs., im Jahre 1825
2237 Frs. Später wurde die Bewirtung der Mitglieder des Konvents
auf ein Mal jährlidi befchränkt und die übrige Summe zur Ver-
mehrung der Bibliothek des conventus miniftcrialis verwendet.
285
5. DAS HESSEN-HOMBURG1SCHE VERMÄCHTNIS
Die Wilwc des im Jahre 1723 gcftorhcnen Grafen Karl Ludwig,
Chriftiane, geborene Gräfin von Ottweilcr, deren Bild das Grab-
mal des Grafen in der Schlohkirchc bewahrt, heiratete in zweiter
Ehe den Landgrafen Friedrich Jakob von Hcflen-Homburg, General-
leutnant in Dicnftcn der vereinigten Niederlande und Gouverneur zu
Herzogenbufch. Nach delien Tod im Jahre 1746 verlegte lie ihren
Wohnlih nach Homburg vor der Höhe und ftarb dort im Januar 1751.
Kurz vor ihrem Tode ftiftetc fie durch lehtwillige Verfügung vom
19. Januar 1751 ein Vermächtnis von 1000 Gulden, deffen Zinfen ¡ährlidi
an die Armen der Graffchaft Saarbrücken ausgctcilt werden feilten-
Das Vermächtnis hat folgenden Wortlaut:
,Jm Namen und zur Ehre des dreycinigcn Gottes!
Eintaufend Gulden Ichcnke hiermit in guter und gangbarer Zahlung den Armen
und Nothdürfftigcn in der Hcrrfchafft Saarbrücken und zwar dah diele Summe
als ein Pfründen-Capital bey der Hauptkirdi unter der Autficht und Beforgung
der Herren Geiftlichcn und Vorltehern folcher Kirch zu tünff pro Cent lieber
ausgeliehen, die ¡ährlidi einkommende Penfion an die Armen und Nothdürfftigcn
im ganzen Amt und zwar lo ausgetheilct und gereichet werde, dalj cs nicht auf
einmal und auf einen Tag, londcm nach und nach gefchehe, wie aus jeden Orts
Geiftiiche nach Befinden Nothleidendc gewillcnhafft fchrifftlich anmelden und
empfehlen.
Uber weldi gelchehene Austheilung eine ordentliche Rechnung mit beygclegten
Affignationen zu führen, jährlich in Beyfeyn gefamter Geiftlichkcit von diefem
Amt zu fchlieljen und bey der Hauptkirdi zu Saarbrücken und St. Johann nadi-
richtlich wohl zu verwahren und bcyzubehalten ift.
Homburg vor der Höhe, den 19. Januarii 1751.
Chriftiane Landgräfin zu Heffen
gebohrne Gräffin zu Naffau.
286
Für den damaligen Verkehr bezeichnend ift das Sdirciben, mit dem
der Pfarrer Lichtcnberger zu St. Johann am 17. Februar 1751 dem
Hochfürftlichen Konfiftorium den Empfang der Sendung anzeigte:
„Den 15. Fcb. a. c. wurde mir von der Karchcrifchen Landkutfdie1) ein mit
Geld bcichwertes Paquct zugclendet; bey eröffnung desielben fand idi von Ihro
Hochfürftlichen Durchlaudr der Frau Landgräfin von Heifen-Homburg eine
fundation ä 1000 Gulden, einen brieff und ein mit dem fürftlichcn Infiegel
wohlvcrpitfchiertcs Päcklein geldes.“
Die Sendung beltand aus Dukaten und franzöfifdren doppelten, einfachen
und halben Louisdors. Das Geld wurde dem Hofpitalverwalter zur
Aufbewahrung gegeben mit der Maßgabe, es ficher auszuleihen und
die Zinfen jährlich an die Armen der Graffdiaft Saarbrücken auszuteilen.
Die Hälfte der Zinfen wurde in den beiden Städten, die andere Hälfte
an die Landgemeinden ausgeteilt. — Das Kapital belief fich in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf 1698 Mk., die Zinfen
auf 84 Mk. 90 Pfg. Diefe wurden an die Pfarrer der evangelifchen
Gemeinden der ehemaligen Graffchaft Saarbrücken, wie cs fcheint, nadi
der Scelenzahl der Gemeinden verteilt. Im Jahre 1800 wurde das
Kapital auf Verfügung des Kgl. Konfiftoriums dem Willen der Stifterin
cntfprcchcnd dem Presbyterium der evangelifdien Gemeinde Saarbrücken
zur Verwaltung übergeben.
6. DAS PALMSCHE VERMÄCHTNIS
Die im Jahre 1794 verftorbene Ehefrau des Kaufmanns Mathäus
Palm, Anna Margarete, geb. Lcrch, in Saarbrücken hatte dem
Pfarrer Röchling verfprochen, ein Vermächtnis von 300 Gulden aus-
zufehen, deffen Zinfen an die Armen der Luthcrifdicn Gemeinde verteilt
werden folltcn. Ihr Ehemann hatte verfprochen, diefe Summe noch zu
erhöhen, war aber durch den Tod an der Erfüllung feines Verlprechens
-1) Das Karcher’fche Frachtgefchäft war weitbekannt und führte den Wahlfprudi;
Mit Gottes Geleite und durch Karchers Fuhre.“
287
verhindert worden. An dicic Vcrfprediungen erinnert, ic^ten die Erben
des genannten Ehepaars im Jahre 1808 450 Gulden ihr den erwähnten
Zweck aus. Die Verwaltung des Vermachtnilfes hatte bis zum Jahre
1880 das Stift St. Arnual; He ging dann an das Presbyterium der
Gemeinde über.
7* DAS SCHRODERSCHE VERMÄCHTNIS
Das im Jahre 1831 verdorbene Gemeindemitglied Friedridi Jakob
S dir öd er vermachte die Summe von 5000 Franken mit der Bcftimmung,
dalj dies Kapital dem evangelifchcn Konfiftorium übertragen und von
diefem auf iidierc Art ausgcliehen werden folle. Die Zinfen folltcn
alljährlich von dem Vorfihenden des Konfiftoriums oder dem erften
evangelifdien Pfarrer an Bedürftige, Witwen und Waifen der Stadt
Saarbrücken ohne Rückfidit auf die Religion verteilt werden. Das
Vermäditnis wird jeht durdi das Presbyterium der Gemeinde verwaltet.
8. DIE HEDDAEUS --STIFTUNG
Sufannc Fleddaeus vermachte im Jahre 1850 dem Presbyterium
500 Fr., deren Zinfen an ihrem Sterbetage unter arme Leute verteilt
werden folltcn.
9. DIE LAUTEMANN -STIFTUNG
Die Witwe des im Jahre 1853 verdorbenen Gymnafialdirektors Otte-
rn ann, Sophie geb. Lautemann, beftimmte vor ihrem Tode, dalj nach
dem Tode ihrer Mutter, der Witwe Sophie Lautemann geb. Kleber,
von ihrem Vermögen ein Kapital von 1000 Talern geftiftet werde,
deffen Zinfen zur chrifthdien Erziehung armer Kinder verwendet werden
folltcn. Das Kapital follle Eigentum der evangelifdien Gemeinde Saar-
brücken fein und bleiben; die Verwaltung des Geldes und die Aus-
wahl der Kinder und die Art der Verwendung der Zinfen folltc allein
dem Presbyterium zuftehen. Nach dem Tode der Witwe Lautemann
im Jahre 1862 trat diele lehtwillige Verfügung in Kraft.
288
10, DIE THEODOR ROCHE ING-STIFTUNG
Der Kommerzienrat Theodor Röchling heilte am 10. April 1881/
dem Tage der Konfirmation feines jüngften Kindes und feiner einzigen
Tochter Martha, der evangclifchen Gemeinde den Betrag von 6000 Mk.
zur Verfügung mit der Beftimmung, daß die Zinfen folange zum
Kapital gefchlagen werden follten, bis dies einen Zinsertrag von 750 Mk.
erreicht habe. Diefer Betrag follte dann während 10 Jahren zu wünfehens-
werten, aber aus Geldmangel nicht ausführbaren Anfchaffungen und
fonftigen Ausgaben, etwa zur Ausfchmückung und Ausftaitung der
Kirchen, Befchaffung einer neuen Glocke u. a. verwendet werden. Nach
diefen 10 Jahren follten die Zinfen wieder zum Kapital gefchlagen
werden, bis dies einen Zinsertrag von 1500 Mk. erreicht habe. Diefer
follte dann entweder in dem früher erwähnten Sinne oder in dringlichen
Fällen zur Unterftüßung im Amte befindlicher Geiftlichen der hiefigen
Gemeinde oder bedürftiger Studierender der Theologie oder Philologie,
die derfclben Gemeinde angehörten, verwandt werden. Diele Schenkung
vermehrte Herr Th. Röchling am 2. September 1883 bei der Taufe
feines erften Enkelkindes um 2000 Mk. mit derfelben Beftimmung.
11. DIE KARCHER-HOLDERHOFF-STIFTUNG
Im Jahre 1906 übertrugen die Kinder des Kommerzienrats Eduard
Karcher1) und feiner Ehefrau, geb Hölterhoff, der Rittmeifter a. D.
Paul Karcher in Bonn, die Witwe Hermann von der Becke, Na-
talie geb. Karcher, zu Hemer, und die Witwe Adolf von der Becke,
Pauline, geb. Karcher, zu Sundwig, um das Andenken ihrer ver-
dorbenen Eltern zu ehren und einen von diefen geäußerten Wunfch zu
x) Herr Eduard Karcher war feinerzeit eine bekannte Saarbrücker Perfönlichkeit,
fchon äußerlich bemerkenswert durch hohe Geftalt und langen, auf die Bruft
hcrabfallenden Bart. Im Jahre 1848 war er Führer eines Bürgerwehr-Bataillons.
Vergl. Gefchichte der Stadt Saarbrücken II S. 34 f.
19 Gelchidite der ev. Gemeinde Alt-Saarbrücken
289
entfprechcn, der evangelifchen Kirchen gemeinde Saarbrücken einen Kapital-
betrag von je lOOOO Mk., zufammen 30 000 Mk. mit der Beftimmung,
dal? diele Summe zur Erriditung einer Karcher-Hölterhoff - Stiftung
dienen Folie. Die Zinfen des Kapitals Tollten nach Abzug der ent-
hebenden Vcrwaltungskoften für bedürftige evangelifche Kranke zur
Unterbringung folcher Kranken im Saarbrücker Bürgerhofpital ver-
wendet werden.
I
Sollte in der Zukunft ein Krankenhaus der evangeliiehen Kirchen-
gcmcinde in Saarbrücken errichtet werden, io follen die betreffenden
Kranken in diefem Krankenhaufe untergebracht werden.
Die vorftehenden Vermächtniffc und Schenkungen find erfreuliche Be-
werte für den in der evangelifchen Gemeinde Saarbrücken hervor-
getretenen Sinn der Wohltätigkeit und chriftlichen Liebe. Möge diefe
Sinn fortdauern und fich weiter betätigen!
290
NACHTRAG
ZUR GEMEINDEGESCHICHTE
B elendere Bedeutung gewann für das Gemeindeleben der um
Pfingften 1920 von Pfarrer Heinz eingeriditcte Jugend-
g o 11 e s d i e n ft mit G r u p p e n f y ft e m.
Die bisher üblidne Form des Kindergottesdienftes, der lediglich als ein
Anhängfel des Predigtgottesdienftes in die Ersdieinung trat und, da
er von dem Pfarrer allein gehalten wurde, nur einer geringen Zahl von
Kindern geredit werden konnte, erwies fich längft für die Bedürfniife
des Gemeindelcbens als nicht mehr ausrcidiend. So wurde nadr dem
Vorbild anderer großer Gemeinden ein fog. Helferkreis von zur Mit-
arbeit willigen und zur Sache befähigten Laien gebildet, der fich in
jeder Woche — in der Regel Freitagabend — zur Vorbcreitungsftunde
um den leitenden Pfarrer fammelt. Die gründlidie Befprediung der
zu behandelnden biblifchen Gefchichte, die anfchaulidie Darbietung des
jeweils befprodienen Stoffes durdi die einzelnen Helfer und Helferinnen,
die Unterweiiung der Kinder in 10 bis 12 gehinderten Gruppen, das
alles erwies fich in reichem Ma^e von befonderem Wert und Segen.
400 Kinder verfammeln fich Sonntag für Sonntag um 11*/■* Uhr in
der auch für die Predigtgottesdienfte an der Reihe befindlidien Kirche,
während die Teilnchmerzahl bei außergewöhnlichen Veranftaltungen fich
häufig verdoppelt. Befondere Höhepunkte bildete die in der Regel
am 4. Advent ft altfindende befondere Weihnachtsfeier, bei der im Jahre
1924 ein künftleriidi wertvolles Oratorium für Kinder zur Aufführung
gelangte, und das jedesmal unter Beteiligung weitefter Kreife veranftaltete
Sommerfeft.
Erwähnt fei nodi, daß diefe nunmehr feit faft 5 Jafnen behebende
neue Art des Jugendgottesdicnftes, nicht zuletzt auch veranlaßt durch
einen von Pfarrer Heinz in dem damals hier neu eingeführten
„Sonntagsgrulj“ veröffentlichten Aufruf, auch in mancher anderen Gemeinde
unferes Saargebietes eine dankenswerte Nachahmung gefunden hat.
Ein nicht alltägliches Ereignis in der neueren Gemeindcgesdiidite bildete
die im Frühjahr 1922 (Ende März und Anfang April) erfolgte 6 m a 1 i g e
Aufführung von Lienhard's „Luther auf der Wartburg“.
Mitwirkende waren Gemeindeglieder und Glaubensgenoffen aus der
ganzen Gro^ftadt unter der dramatifchen Leitung des Spielleiters
Lipfchitz vom Stadttheatör. Die Gefamtleitung der von vielen Taufenden
befuchten Veranftaliung lag in den Händen einer befonderen Kommiffion,
in der Pfarrer Heinz der Vorfih übertragen wurde. Auch die von
Pfarrer Li mb erg in der Schlo^kirdie veranftaltcten Aufführungen
alter Myfterienfpiclc (Paradeisfpiel, Chriftgeburtfpiel, Zehnjungfrauenfpiel,
Totentanz, Seth) fanden lebhaften Anklang und wurden fowohl von zahl-
rcidien Gemeindemitgliedcrn wie audi von vielen Fcrncrffehcnden befucht.
Ein fdion lange erftrebtes Ziel der Gemeinde ¡ft der Bau eines
Gemeindehaufcs. Auf Anregung des Pfarrers Ebeling bildete
fich im Jahre 1907 ein Gemeindehausbauverein, der bis zum Jahre
1920 rund 230000 Mark zufammenbrachte; audi ein Baupla^ wurde
von der Gemeinde bereitgeftellt. Aber durdi die Markentwertung
fdimolz das angefammelte Geld zu nichts zufammen. Der Verein löfte
fich nun auf, und die Gemeindevertretung nahm felbft die Sache in die
Hand. Nunmehr find wieder etwa 150000 Franken zufammengebradit,
und die Gemeinde hofft auf weitere Gaben, um den auf 1 Vs Millionen
Franken veranfchlagten Bau wenigftens zum Teil beginnen zu können.
A N H A N G
1. V E ß Z E 1 C H N 1 s
derjenigen Personen aus Saarbrücken, die sich nach dem Collecten-
buch zu einem innerhalb 5 Jahren zu zahlenden Beitrag für den Bau
der neuen lulh. Kirche in Saarbrücken verpflichtet haben (aus der
Rechnung über den Bau der Ludwigs-Kirche — 1762).
Namen Betrac Gid. j Alfa. Pf. Namen Betrat; Gld. Alb. Pf.
1. HOCHFURSTLICHE Rath Hofhcrbert 50
DURCHLAUCHT 1000 Rath Lucke 75
Sccretär Kieso 50
2. SAARBRÜCKER Peräquator Haldi 37 15
DIENERSCHAFT UND Kellermeister Forberg 30
GEISTLICHKEIT Koch Andre 50
Herr von Döben 125 Conditor'Forster 30
Frau Forstmeister von Beschlicsscrin D'Ahna 25
Maidiss Wittib 75 Secretär Gerlach 50
Herr von Bettendorf 80 Sccretär Lautz 25
Rittmeister Kissling 50 Cancelist Beltzer (einmal) 15
Gch.-Rath Lautz 250 „ Bartels „ 15
Präsident von Günderodc 375 Koch Flakkus 7 15
Reg.-Rath von Stalburg 250 Hofintendant Densch 75
Geh.-Rath Moescr 250 Sccretär Simon 30
Hofrath Nohren (f 1763) 125 Rentmeister Schröder 30
Pfarrer Beltzer 250 Ober-Assessor Schmidt 30
Cammerath Stengel 100 Ober-Schultheiss Schmidt 17 15
Dt. Haybach 50 Subrector Röchling 9
Reg.-Rath Lex 50 Advokat Thome 27 15
Superintendent Rolle 125 Registrator Vogt 25
Gammcrrath Röchlm 50 Jud Beer Hertz 150
Gammerrath Dem 50 Frau Reg.-Rath Schultzin 20
Dr. Dem 50 Wittib
291
Namen Betrag Namen Betrag
Gld. Alh. Pf. GW. Alb.
Advocat Schultz 27 15 3. SAARBRÜCKER
Hofmeister Eimberger 74 27 4 STADTGERICHT
Hoffouricr Schmidt 30 Kieso sen. 50
Pfarrer Lauckhardt 30 Hofmann 75
Cammer-Assessor Hild (einm.) 5 Phil. Haldi 75
Land-Commissar Stichling 20 Fried. Faber, Stadt-Meyer 15
Assessor Krebs Frau Cammcr-Rath Postin Wittib 50 Stadtschrciber Benz 25
0 Conrad Cornelius 30
Advocat Pupp Bauschreiber Stählinger 27 20 15 Phil. Andr. Pflug 40
Chaussée-Dircctor Quien 15
Chirurg Reuther Pfarrer Schmidt (in St. .loh.) 15 4. SAARBRÜCKER
40 BÜRGERSCHAFT
Forstmeister Schmidt 40 Gg. Lud. Ad. Wentzel 25
Pfarrer Kieffer 40 Reinh. Lud. Fürst 10
Conrector Westermann 15 Caspar Steeg 15
Gärtner Kölincr 50 Joh. Wilh. Fey 10
Waiscnschreiber Grünewald 13 22 Fried. Wilh. Heymann 10
Amtsschreibcr Sperber 10 Jak. Hermann 5
Advocat Weissenbruch (einm.) 16 15 Phil. Jak. Pistorius 5
Cammer-Secretär Kneip „ 11 Joh. Peter Lang 15
Haushofmeister Conradi 25 Phil. Hauswald 5
Frau Cammer-Rath Spahr 7 15 Wilh. Hauser 5
Cammerdiener Schweitzer 33 Lconh. Weyher 5
„ Reuther 25 Leonh. Pflug 10
Cammerschreiber Röchling 10 Carl Cornelius 20
Cammerschreiber Rebenack 15 Jak, Ackermann 20
Forstsccretär Schmoll 25 Joh. Gg. Pflug 5
Registrator Engelbach 20 Samuel Löw 5
Pfarrer Seidel 35 Phil. Rcppert 5
„ Handel 35 Adam Waidheim 5
„ Hild 40 Daniel Mettel 10
„ Schwcndler 35 Peter Schmidt 5
„ Barthels 40 Samuel Kleber 15
Vicar Rupp (Cölln) 10 Joh. Lud, Pflug 10
Pf.
292
Namen B Gid. etrac Alh. Pf. Namen E Gld. etra Mb, 9 Pf.
Phil. Jak. Pfeiffer 5 Georg Steeg 5
Phil. Bernh Pfeiffer 5 Thomas ßauernfeind 10
Jak. Siebenpfeiffer 10 Baltzer Baum 5
Peter Möss 5 Jak. Bucklisch 10
Phil. Kleber 5 Joh. Nik. Karchcr 75
Ludwig Rcuiher 5 Nikol. Löw 15
Phil. Bcntz 5 Conrad Immig 10
Jakob Gärner 5 Joh. Wilh. Beilstein 10
Hans Adam Treib 5 Philipp Löw 15
Christian Anthon 7 15 Philipp Beilstein 10
Ernst Weber 10 Phil. Bruch 5
Christ. Friedr. Borgers 10 Nikol. Bruch 5
Christ. Langguth 10 Joh. Balzer Becker 10
Peter Langhausser 10 Joh. Augustin Kahm 5
Ludwig Martin 15 Jak. Bruch 5
Joh. Casp. Bohrer 5 Joh. Bretz 5
Bernhard Bohrer 5 Thomas Köhl 15
Lud. Carl Cornelius 15 Karl Fried. Weil 10
Lud, Bohrer 10 Lud. Weisshaar 5
Gg. Valentin Schuch 10 Joh. Leonh. Boltz 7 15
Andreas Zciher 10 Joh. Nik. Pabst 20
Friedrich Traut 5 Lud. Fürst 5
Ludwig Klein 10 Nik. Philipp! 5
Joh. Maurer 7 15 Nikol. Karcher 50
Ludwig Lautemann 10 Joh. Georg Mosel 7 15
Jak. Löw 7 15 Jak. Dienstbach 10
Caspar Lautemann 15 Planet 15
Christian Hochapfel 7 15 Lud. Brück 2 15
Johann Dohm 2 15 Joh. Balthasar Schlosser 6
Stephan Fürst 2 15 Gg. Phil. Fritz 5
Gg. Nik. Immig 10 Heinr. Lud. Sabel 7 15
Gg. Lud. Schneider 10 L'honneur 55
Caspar Bechthold 15 Chirurg Reither 25
Bernhard Kliebenstein 15 Friedrich Haldy 25
Conrad Lud. Matthäus 15 Joh. Jak. Pflug 25
293
Namen Betrag Gld. Alb. Pf. Namen Betrag Gld. | Alb.j Pf.
Phil. Lud. Köhl 20 Heinrich Keller 5
Joh. Lud. Schürer 15 1 Caspar Sabel 7 15
Bernh. Schlosser 5 Joh. Phil. Geissbauer 5
Gg. Phil. Klein 5 Nik. Bernhard 7 15
Peter Beuerle 10 Michel Beyer 5
Joh. Matth. Pflug 7 15 Gg. Siebenpfeiffer 5
Anton Eichelberger 6 Heinrich Klein 2 15
Joh. Gg. Schultz 20 Lud. Bcilstein 2 15
Lud. André 25 A. Haldy 50
Pet. Steeg 15 Martin Arnold 10
Joh. Caspar Pitz 20 J. P. Beilstein 10
Christ. Heyl 10 Stephan Gärtner 6
Schneider Brand 10 Jakob Mohr 7 15
Martin Keck 10 Phil. Ammon 5
Daniel Mohr 15 Lorenz Christ 6
Gg. Nikol. Karelier 7 15 Jak. Mcffert 5
Phil. Löw 6 Joh. Peter Philipp 10
Matth. Korn 50 Hufschlag jun. 15
Joh, Dan. Wack 7 15 Phil. Dörkenitz 5
Jak. Zimmermann 7 15 Joh. Noll 5
Joh. Ad. Unverzagt 20 Nik. Rosenberger 2 15
Joh. Jak. Pfordt 7 15 Phil. Müller 7 15
Phil. Heinr. Korn 15 Nik. Bauer 7 15
Joh. Phil. Korn 15 Joh. Fried. Schweitzer 15
Gig. Heinrich Henne 7 15 Jak. Siegel 20
Conrad Karchcr 10 Andre 5
Gg. Carl Karcher 10 Theodor Wegei 7 15
Caspar Karchcr 50 Peter Pfeiffer 6
Joh. Lud. Hofmann 30 Joh. Jak. Otto 10
Wilh. Nieder 20 Phil. Karl Rosenberger 5
Jak. Johler 20 Phil. Fried, Weber 5
Phil. Heinrich Sandei 7 15 Joh. Ad. Schnis 5
J. A. Bcrsy 10 Theobald Bruch 7 15
Phil. Mohr 10 Heinrich Pitz 4
Andreas Dillmann 20 Phil. Heinr. Kayser 5
Namen Betrag Namen Betrag
Gld. Alb. Pf. Gld. Alb. Pf.
Bastian Korn 10 Marie Eleonore Gradein 20
Karl Sam. Bentz 5 Phil. Jak. Geissbauer 7 15
Gg. Noss 7 15 Valentin Hcrterich 6
Joh. Hcinr. HoKschütz 5 Jean Heinrich Gottlieb 7 15
Joh. Reeb 4 Georg Johler 5
Bernh. Major 7 15 Carl Wilh. Thome 7 15
Joh. Leonhard Boltz 2 15 Georg Carl Hörth 25
Conrad Kerne 5 Joh. Nikol. Beilstein 10
Gg. Jakob 5 Bernhard Träger 15
üg. Stephan Beilstein 10
Bernhard Pfeilstücker 5 5. DIE STADT SAAR-
Jakob Pfeilstücker Christian Haldy 5 25 BRUCKEN verspricht aus ihren Revennen zu zahlen 255
Gg. Sämcr 10
Nikol. Korn 25 6. SAARBRÜCKEN-
Andreas Pflug 5
Karl Sabel 5 ST. JOH. KRAHNEN-
Martin Siegel 7 15 COMPAGNIE
Schmidtborns Wittib 60 Schmidtborn u. Korn 275
Matthis Beilstein 10 Heinrich Karcher 100
Nickel Löwen Wittib 15 Phil. Burggraf 50
Joh. Jost Bräuning 10 David Merkle 55
Joh. Phil. Pflug 5 Gg. Lud. Firmond 55
Aug. Wilh. Kahm 5 Thomas Köhl 40
Jak. Lang 10 Joh. Chr.Schmklt, Materialist 25
Apotheker Wilkens 75 Casp. Karcher jun. 40
Philipp Desgranges 7 15 Gg. Nikol. Korn 40
Carl Sämcr 5 Gg. Schmidtborn u. Röchling 100
Mayer 15 J. C. Karcher 40
PhÜ. Peter Pfeiffer 1 20 J. Th. Röchling 55
Caspar Bruch 20 Thomas Röchling sen. (einmal) 100
Georg Beilstein 15 P. Haldy 55
Joh. Ludwig Hufschlag 15 Joh. Jak. Zix 30
Joh. Hauswaid 7 15 Alex. Silvester 30
Arnd Reuthcr u. Peter Franz Lucius 15
Zimmermann u. Co. 30 Joh. Jak. Wahlster 15
Emanuel Beilstein 5 Buchdrucker Hofer 10
Jean Friedrich Kleber 10 Carl Gust. Herrenschmidt 40
295
2, VOM EVANGELISCHEN GEMEINDEABEND
SAARBRÜCKEN UND ST. JOHANN, EIN ZWIEGESPRÄCH
Von E. Seine.
Jettchen: Dach, Dordie, ei, wo gchscht' dann hin?
Wie frei ich mich, daß ich dich sich'n.
Na Dorchc, saa, wie geht's dr dann?
Ihr wohne noch in Sang-Gehann?
Dorchen: Jo, jo, de wäescht, daß vor der Stadt
Mei Vadder Haus un Gaardc hat,
Un wann's wie jetz ufs Frijohr geht
Do gcbbt's ze duhn vun frich bis spät!
Un Jettche, saa, wie geht's dann dir?
Aa viel ze schaffe un wennig Pläsir?
Jettdien: Bei meiner Großmutter sinn ich jetz,
Die Fraa hat sich zur Ruh gesetzt,
Hat sich ihr Lebbdaa viel gequält,
Mir lache als, wann se's verzählt.
Wie die so jung war wie mir heit,
Jo, jo, daß war c anner Zeit!
Die hann gewäscht un hann genäht
ün hann gegrabt un hann gesät,
Un hann am Spinnrad noch gespunn,
Sin ufgestann schun mit der Sunn,
Oft frieh ins Feld vor Dau und Dag
Un hemmkumm erseht, wanns Owend war!
Wie war Saarbrkke domols klään!
Dort gings nur bis ans Neigelänn,
Un wo's no Daarle geht do unne
Dorchen: War nur ään Haus am Wallerbrunne!
Was saat sc dann vun Sang-Gehann?
296
Jcttchen: Wie weit is Sang-Gehann dann gang?
E paar Gasse um die Khdi' erum,
— Viel sinn die nit dort eniwwer kumm —
Un unnenaus war's ball am Enn
„Die Unner-Vorstadt“ hanse's genennt.
Später hannse de Bahnhof kricht.
Dorchcn: Nadierlich dann isdi’s ufgeblieht!
Die alte Saarbricker hann ganz ohne Grund
De Sang-Gehanner noch nits Wasser vergunnt!
Un, Jettche, de wäcscht ¡o wie ichs menne,
Jettdien; Dei Groljmudder, glaaw ich, war aa ään vun denne!
Die alte Saarbricker un Sangehanner,
Die wäre immer gäe enanncr,
Awwer mer sinn doch Großstadt wor,
Dorchen; Do kummt schon so ebbes nimmeh vor!
Na, nä, aweil in denne Zeide,
Do wäre se sich nimmeh streide;
Obwohl, ich kann de Neid verstehn!
Isch Sang-Gehann nit wunnerscheen ?
Denk nure an die Bahnhofstrolj',
Dort is doch immer ebbes los!
Die halt mit jeder Großstadt Schritt,
Jettdien: So ebbes hat Saarbricke nit!
Un wann's die Bahnhofstrolj nit hat,
Saarbricke ist die fein're Stadt!
Guck dr doch unser Schloß nur aan
Un ach die Sdiloljkirch' näwedraan
Mit all dä aide Grabdenkmäler!
Nä, nä, de madischt e großer Fähler,
Wann de uns das nit anerkennsdit,
Saarbricke war die Residenz!
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Dorchen: Was leit mix aan dä aide Zeidc!
Sang-Gehann wollt' immer vorwärts schreide,
Saarbrickc war wie ingercscht,
Denk nur ans Rothaus un die Poscht!
Gell der Vergleich gefallt dr nit,
Do sieht jed' Kind de Unnerschicd!
Jetlchcn: Ach Dorche, dal> äsch nur der Neid,
Ich siehn's, du willscht nur Zank und Strcid.
Hadde se so c Rothaus nur iwcrall
Wie unsersch mit dcmm hischdoiische Saal,
Wo all die feine Bilder sinn.
Ich glaab, de warscht noch garnit drin?
Un unser Poscht ufcm Ludwigsplatz,
Das war e Palascht! Mei Grohmudder saat’s,
Wie dort die nei Kirch' gebaut isch wor,
— Es sinn schun hunnerdfufzig Johr —
Do baude se — die wäre nit dumm —
All die scheene Heiser drum crum,
Do wohnde lauder Hofhcrre drin —
Wie schad, dalj die Zeide voriwwer sinn!
Un die Ludwigskirch' mit ihrer Kunscht!
Wo fmdt mr so e Kirch' dann sunscht?
Dorchen; Nu jo, dalj will ich der zugeschdehn,
Ich finne jo aa die Ludwigskirch' scheen,
Dalj mu^ mer schun, wammer uf Bildung halt,
Awwer wäcscht de, well Kirch' mr noch besser gefallt
Unser Johanncskirch', die is noch nei
Un is doch gewifj e feines Gebei
Mit ihrem Turm un ihre Glocke!
— Gell, aweil machscht de dich uf die Socke?
Jcttchen: Brauchscht mr das aa noch dehin zc dricke!
Glocke kriehn mcr aa in Saarbrkkc,
ün vielleicht scheencrc noch wie eicr
Sc sin uns nure aweil noch zu deier,
Awwcr cs Geld defor krieh mr ball!
Dorchen: Was sahscht de dann zu unserm Wald?
— Gell do packt dich widdcr de Neid! —
Do kammer gehn drin stunneweit!
Anrs Reemcrbrinnche, de Schädter-Hang!
Bischt noch nit viel drin spaziere gang?
Jettdien; Hann ich emol Zeit, und die han ich nit viel,
Do gehn ich üewer an die Deitschmiehl;
So c scheener Weiher, wie mir do hann,
Dcnne kenne ihr garnit in Sang-Gehann!
Un ufm Triller do drowe, wie isch's do so scheen.
Wann die Biercbääm all' in Bliede stehn!
Ach Dorche, denne Dag do vergeh ich nie,
Mir kinndc noch strcide bis morje frich!
Dorchen: Jo, Jcttche, jetz streidc mir miteinanner
Grad wie die alte Saarbricker un Sang-Gehanner!
Kumm, laß uns Widder Frcindschaft schließe,
Kannscht mr aa dci Großmutter grießc!
Mr sinn doch besser ään ennzig Stadt,
Wo all das Schwäre veräänigt traat,
Was mr jetz ufcrlcet krieht hann,
ün nimmeh Saarbricke un Sang-Gehann!
INHALTSVERZEICHNIS
I. Geichichte der Gemeinde Seite
1. Die Enthebung der Pfarrei Saarbrücken .... 7
2. Die Einführung der Reformation...................... 13
3. Kirchenzucht, Schule und Synoden .................. 17
4. Der dreißigjährige Krieg...........................38
5. Die Reunionszcit....................................39
6. Die Fürftenzeit ..........................................48
7. Die franzölifdie Zeit...............................85
8. Die reformierte Gemeinde............................95
9. Die evangelifdie Union.................................. 99
10. Die vereinigte evangelifdie Gemeinde ..... 114
11. Gottesdienftlidie Ordnung und kirchliche Feiern . . 124
12. Das Verhältnis zu der katholiidien Kirche und der
evangelifdie Bund...................................134
13. Das Verhältnis der Kirchengemeinde zu der bürger-
lichen Stadt-Gemeinde Saarbrücken.........140
14. Das Verhältnis der Gemeinde zum Stift St. Arnual 141
15. Der Kirchendior ........................................145
16. Der Weltkrieg und feine Folgen.....................149
17. Die neue Kirchenvcrfalfung................... 152
II. Die Pfarrer
1. Namen und Amtsdauer der Pfarrer.....................154
a) Evangelifdi-Iutherifche Pfarrer bis zur Union (1817) 155
b) Reformierte Pfarrer .................................158
c) Pfarrer der vereinigten cvangel. Gemeinde feit 1817 159
300
Seite
2. Wirtichaftliche Verhältniffe der Pfarrer...........167
3. Die Pfarrhäufer ...................................175
III. Die Kirchen
1- Die Schlol^kirche ....................... 178
2. Die Ludwigskirchc................................. 194
3. Die Kirchenglocken ................................225
4. Die Kirchengeräte ............ 239
IV. Das Kirchen vermögen..................................243
V. Friedhöfe und Beerdigungen.............................255
VI. Soziale Tätigkeit.....................................259
VII. Das Vereinsleben.................................. . 280
VIII. Stiftungen und Vermächtniffe........................283
Anhang
1. Verzeichnis der Beiträge zum Bau der Ludwigs-
kirche — 1762 ...................................... 291
2. Vom evangelifchen Gemeindeabend....................296
301
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Seite
Stiftskirche zu St. Arnual ......................................... 8
Inneres der Stiftskirche zu St. Arnual ........ 10
Schloljkirche zu Saarbrücken ....................................... 12
Graf Philipp III. im 24, Lebensjahre........................... . 16
Grabmal des Grafen Philipp III. . 20
Fürft Wilhelm Heinrich .............................................58
Reformierte Kirche ................................................ 60
Friedridi Joachim Stengel ......................................... 62
Haus am Ludwigsplaij................................................66
Treppe in einem Haus am Ludwigsplaij ....... 67
Die Ludwigskirche (Nordleite) ......................................69
Inneres der Ludwigskirche...........................................71
Saarbrücken und St. Johann um 1750 ........ 79
Saarbrücken und St. Johann um 1780 82
Fürft Ludwig .......................................................84
Turm und Dach der Ludwigskirche.................................91
Heinrich Böcking................................................94
Das alte Gymnafium..................................................116
Johann Friedrich Röchling ......................................... 161
Graf Guftav Adolf auf feinem Grabmal in der Schlo^kirchc 184
Gräfin Eleonore Klara auf ihrem Grabmal in der Schlo^kirche 185
Graf Ludwig Kraft und feine Gemahlin . .................187
Graf Karl Ludwig und feine Gemahlin......................188
Die Ludwigskirchc (Oftfeite)...............................195
Grundriß der Ludwigskirche ...............................197
302
Seite
Fenfterumrahmung an der Ludwigskirche......................... 200
Nafiau-Saarbrüddfehes Wappen (Attika der Ludwigskirche) . 202
Bild des Fürftcn Wilhelm Heinrich (Attika der Ludwigskirche) . 203
Der Apoftel Petrus (Attika der Ludwigskirdie) ...............20S
Die Liebe (Attika der Ludwigskirche) ......... 209
Inneres der Ludwigskirche ......................................212
Die Hermen unter dem F'üritenftuhl..............................216
Die Orgel in der Ludwigskirdie ..............................220
Wegführung der alten Glocken . . . :...................234
Die zwei größten neuen Glocken ..............................235
Silberne Kirchengeräte ................................. 240
Das alte und das neue Versorgungshaus...........................263
Das Siechenhaus.................................................266
303
UNSERE SAARHEIMAT.
Band 1: AN DER SAARMAID WANDERWEG. Von Theo Schmidt.
Band 2: REICHSGRAF JOCKEL. Von August Becker.
Eingclcitet und neuherausgegeben von Prof. Dr. Albert Becker.
Band 3: HEILMITTEL UND HEILBRÄUCHE IM SAARGEBIET.
Von Karl Schneider.
Band 4: SITTE UND BRAUCH IM SAARGEBIET.
Von Dr. Jak Zewe,
Band 5: NEUHAUS. Von Wilhelm Grande.
Band 6: GESCHICHTE DER EVANGELISCHEN GEMEINDE
ALT-SAARBRÜCKEN Von Prof. Dr. h. c. Ruppersberg.
Band 7: DAS OTTWEILER LEHRERSEMINAR. Von Aug. König.
Band 8: ALTESTE GESCHICHTE DES BLIESGAUES
Von Carl Pöhlmann.
Band 9: ABRISS EINER WIRTSCHAFTSGESCHICHTE DES
SAARGEBIETES. I. Teil Von Dr. Werner Lehmann.
Band 10: WIE DAS SAARGEBIET EVANGELISCH WURDE.
Von Carl Roderich Richter.
DIE REIHE WIRD FORTGESETZT.
291 SULB