Erster Brief.
Saarbrücken den 19. Nov. 1793.
Daß ich noch lebe, davon wird Sie, mein theuerster Freund,
der Anblick dieses Briefs überzeugen, dessen Absendung ich keinen
Augenblick länger als es das strenge Gesetz der Unmöglichkeit verbot,
aufschieben will, um Sie wegen meinem Schicksal, an welchem Sie
so großen, so herzlichen Antheil nehmen, wenigstens einigermaßen
zu beruhigen.
Ich lege Ihnen zugleich ein Tagebuch bei, welches unsere Ge¬
schichte seit 7 Wochen enthält. Ich habe gewöhnlich einige Stunden
der Nächte darauf verwendet um solches niederzuschreiben. Die
verschiedenen Gemüthsbewegungen, unter welchen solches geschah,
die Gefahren, mit welchen ich nicht selten umringt war, mögen mich
bei Ihnen entschuldigen, wenn Sie in solchem ziemlich oft auf
nachlässig hingeworfene Stellen stoßen, manchen bestimmtern Aus¬
druck vermissen, manchmal mehrere Deutlichkeit wünschen. Bei dem
Donner der Kanonen, dem Zischen der Haubitzgranateu, die zu¬
weilen in mein Haus und häufig in meine Straße fielen, und dann
bei der unangenehmen Nachbarschaft von einem Dutzend schwer
beladener Munitionswagen, wovon der oft nur durch ein Wunder
abgewendete Aufflug eines einzigen mehr als hinlänglich gewesen
wäre mich und meine Nachbarn unter dem Schutt unsrer Häuser
zu begraben, denkt man weniger als sonst jene Fehler zu vermeiden.
Lesen Sie also jenes Tagebuch, so wie es ist. Bewundern Sie
unsere Standhaftigkeit, mit welcher wir so viele physische und
moralische Leiden erduldet haben ohne zu unterliegen, mit welcher
wir das schwerste unter allen, die Vernichtung unsrer schönsten
Hoffnungen, ertragen ohne zu verzweifeln. Lesen Sie und bedauern
Sie uns. Leben Sie wohl.