stimmt und in der Wirklichkeitslehre das Sittliche als Zeichen einer umfassenden, unvollendeten, iiberpersönlichen Ganzheit zu deuten versucht, aber eine wirklich auf das Ttpdxxeiv, auf das Handeln ge¬ richtete Sittenlehre kann man erst schreiben, meint Driesch im Vor¬ wort der sittlichen Tat, wenn man viele der menschlichen Lagen, mit denen sich eine Ethik zu befassen hat, selbst erlebt und daher ihre Einzelheiten, auf die es in einer vollständigen Sittenlehre ankommt, kennengelernt hat. Das Hauptgewicht seiner Ethik liegt auf der ei¬ gentlichen Pflichtlehre, „die in den philosophischen Ethiken unserer Zeit immer zu kurz kommt und die aber gerade das Entscheidende ist“. „Denn gerade das, was wir Moral nennen, ist uns die Hauptsache“, schreibt er im Vorwort seiner Ethik. Praktische Fragen, wie insbe¬ sondere die Friedensfrage, die für Driesch die ethische Frage unserer Zeit schlechthin ist, waren der Anlaß seiner Ethik, als dessen Leser er sich vor allem den echten Staatsmann und Politiker wünscht. Driesch ist sich klar darüber, daß verpflichtende Ethik metaphysisch verankert sein muß, „denn nur auf metaphysischem Boden hat Ethi¬ sches einen über bloß ästhetisches Spiel hinausgehenden Sinn38. Aber Metaphysik ist ihm, wie wir hörten, weithin Vermutung, denn vom „Wirklichen“ wird nur erkannt, daß ihm Wissen in irgendeiner Form eignet, alles andere in ihr nicht Erkenntnis, sondern Vermutung, Deu¬ tung, daher nicht eindeutig, einsinnig ist. Daher sind wir im Ethischen vielfach auf ethisches Schauen, eine Art von höherem Instinkt, wie Driesch sagt, angewiesen. Besser wäre es vielleicht, von ethischem Fühlen zu sprechen, das Ausdruck der überpersönlichen sittlichen Ganzheit ist. Alles irgendwie „Gute“ bezieht Driesch auf diese im Werden befindliche überpersönliche Ganzheit und so formuliert er seinen sittlichen Imperativ: „Handle so, wie Du glaubst, daß Deine Handlung einen von Dir angenommenen und in seinem Wesen von Dir gebilligten künftgen Zustand der Menschheit fördert“39 im Hin¬ blick auf dieses überpersönlich Sittliche. Leiter Grund alles Sittlichen ist Driesch (nie ausgesprochen, aber immer durchschimmernd) der Glaube an eine alles Sein durchwal¬ tende und schließlich allen Dualismus überwindende höchste ratio. Als ersten Grundsatj des Sittlichen erkennt er die Bejahung des Lebens, des Lebens an sich und besonders des Lebens als Träger des „Wissens“. Töten ist ihm etwas ganz Ungeheuerliches, es bedeutet mit Willen einen Anderen ins Ungewisse stoßen, ihm etwas zufügen, das wir garnicht zu beurteilen imstande sind40. Aus dieser Lebensbe¬ jahung folgt Erhaltung und Pflege des Körpers, ebenso Entfaltung 38 Hans Driesch, Die sittliche Tat, Leipzig 1927, IV. 3# Ebenda, S. 9. 40 Ebenda, S. 276. 62