Kommentar
den Landesherrschaften einer Region geben. Die Edition und wissenschaftliche
Analyse des Kirkeler Bestandes wird vergleichende Forschungen zum Rech¬
nungswesen auch in den westlich angrenzenden Territorien wie dem Bistum Metz
(Pays Messin) und vor allem dem Herzogtum Lothringen zulassen, die beide bei¬
derseits der Sprachgrenze lagen und als reichsangehörige Landesherrschaften offen
für französische Einflüsse waren. Da die Entwicklung territorialer Rechnungen ab
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kaum untersucht wurde1309, kann der Kir-
keler Bestand auch hierzu eine wichtige Grundlage bieten.
Die Quellengattung der Rechnungen erlaubt statistische Auswertungen (zum Bei¬
spiel von Ernteerträgen sowie Einnahmen und Ausgaben einzelner Sparten aus
verschiedenen Rechnungsjahren), was gerade im deutschen Sprachraum aufgrund
der politischen Zersplitterung nur selten möglich ist, und ist somit geeignet, öko¬
nomische und soziale Entwicklungen auch graphisch sichtbar zu machen. Dies
setzt natürlich eine hinreichende Anzahl edierter Rechnungen voraus. Die Quellen¬
basis soll mit dem vorliegenden Editionsprojekt erweitert werden. Eine Bewertung
der umfangreichen Kirkeler Rechnungen aus dem 15. Jahrhundert in verwaltungs-
bzw. wirtschaftshistorischem Zusammenhang ist angesichts der Masse der erhalte¬
nen Rechnungsserien bisher nicht einmal ansatzweise erfolgt.
Zur Bedeutung des Rechnungsbestandes der Kellerei Kirkel
Die Rechnungen des Kellers zu Kirkel stellen einen - trotz der vorhandenen zeitli¬
chen Lücken - sehr bedeutenden und geschlossenen Bestand dar, der seines glei¬
chen sucht. Aus dem südwestdeutschen Raum wurden bislang keinerlei vergleich¬
bare Rechnungen ediert, die von ihrem Umfang her für die spätmittelalterliche und
frühneuzeitliche Territorialverwaltung und Wirtschaftsgeschichte an die auf der
Burg Kirkel entstandenen Akten heranreichen. Ziel der laufenden Arbeiten am
Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters der Universität des Saarlandes ist es da¬
her, diesen einzigartig umfangreichen Rechnungsbestand aus Spätmittelalter und
Frühneuzeit (15. bis 18. Jahrhundert) für den auf das 15. Jahrhundert entfallenden
Teil zu erforschen und durch eine moderne, textkritische Edition weiterer verglei¬
chender Forschung zugänglich zu machen. Gegenstand der in Vorbereitung befind¬
lichen Publikation sind die Kellerei- und Amtsrechnungen der ehemaligen Reichs¬
burg Kirkel (heute Saarpfalzkreis) im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, deren we¬
sentlicher Teil aus dem 15. Jahrhundert überliefert ist, nämlich 29 Rechnungshefte
aus der Zeit von 1434/35 bis 1503/04. Mit ihrer Erschließung wird eine For¬
schungslücke geschlossen, denn das landesherrliche Rechnungswesen im Mittelal¬
ter ist für die Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz noch nicht erforscht.
Die 1075 erstmals urkundlich erwähnte Burg Kirkel (Saarpfalzkreis) war eine
Reichsburg, die der Kaiser bis ins 15. Jahrhundert mehrmals als Lehen ausgab. Sie
1309 MERSIOWSKY, Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, S. 535: „Allerdings ist die
formale Entwicklung der Rechnungen nach 1450 bislang kaum untersucht“. Er fuhrt seine
Untersuchungen in der Regel bis 1450 durch.
692