Neunkirchen war - nicht zuletzt aufgrund des fulminanten Aufstiegs der politischen
Arbeiterbewegung seit 1916 - einer der zentralen Schauplätze des Saarabstimmungs¬
kampfes. In der starken Arbeiterbewegung traf die sich anfänglich nur sehr zögerlich ent¬
wickelnde nationalsozialistische Zelle auf beträchtlichen Widerstand. Schon bevor die
NSDAP politisch ernsthaft an Gewicht gewinnen konnte - im November 193z eroberte
man erstmals vier Sitze im Stadtrat 80 - kam es hier und da zu gewalttätigen Auseinander¬
setzungen. Erstmalig in Erscheinung trat die nationalsozialistische Bewegung im Zuge
des hunderttägigen Bergarbeiterstreiks 1913, der sich durch seine antifranzösische Spit¬
ze bestens für rechtsnationalistische Propagandazwecke eignete. 81 Einige wenige lokale
Nationalsozialisten trafen sich in diesem Zeitraum regelmäßig in einem örtlichen Wirts¬
haus. Dies hatte aber für die Stadt zunächst keine dauerhaften Folgen, verschwanden
doch die wenigen Hitleranhänger genau wie im republikanischen Deutschland während
der folgenden Jahre wieder von der Bildfläche. s:
Im August 1930 kam es dann erstmals wieder zu einer nächtlichen Schlägerei zwi¬
schen Kommunisten und Nationalsozialisten. Letztere verfügten zu dieser Zeit bereits
über ein ,Sturmlokal‘ in der Kaiserstraße, wo im Dezember desselben Jahres eine NS-
Jugendversammlung abgehalten wurde. Im Umfeld dieser Veranstaltung waren erneut
Tätlichkeiten zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten zu verzeichnen. Au¬
ßerdem wurde Anfang 1933 eine nationalsozialistische Bücherei zur Verbreitung von
Propagandamaterial eingerichtet. 83 Ende Juli 193z versuchten Kommunisten, eine
nationalsozialistische Versammlung in einer Gaststätte in der Schulstraße zu sprengen.
Daran wurden sie von Polizei und Landjägern gehindert. Im Anschluss lieferten sich Po¬
lizeikräfte und Kommunisten eine Straßenschlacht, in deren Verlauf mehrere Personen
verletzt wurden. 84 Weitere Ausschreitungen fielen im März, April und am i.Mai 1933
vor."85 Im April wurde der lokale Leiter des Reichsbanners von SA-Leuten zusammen¬
geschlagen."86 Am zi. September 1933 überfielen SA-Männer eine Kneipe mit überwie¬
gend kommunistischem oder sozialdemokratischem Publikum. In der daraus resultie¬
renden Schießerei erschoss ein SPD-Anhänger einen Nationalsozialisten in Notwehr. In
der Folgezeit, nicht zuletzt im Zuge der Beisetzung, wurde der Tote zu einer Art Horst
illustriert anhand von Originaltexten in vorzüglicher Weise das publizistische Geschehen rund um den
Saarabstimmungskampf, wenngleich ausschließlich aus der Perspektive der Hitlergegner. Unter den
Autoren, die sich zur Saarfrage äußerten und hier Berücksichtigung fanden, zählten solch illustre Per¬
sonen wie Heinrich und Klaus Mann, Hanns Eisler oder Bertolt Brecht.
780 Siehe Ebenau 1990, S. 86.
81 Vgl. dazu noch einmal Mallmann 1987b.
82 Zum Wirken der wenigen Nationalsozialisten während des Bergarbeiterstreiks 1913 in Neunkir¬
chen vgl. Ebenau 2003, S. 231 f.
"S3 Vgl. Kühn 2003, S. 336.
784 Zu diesen Vorkommnissen vgl. Ebenau ¡990, S. 87 f.
785 Vgl. ebd., S. 93.
786 Vgl. Kühn 2003, S. 336.
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