8oo-i.ooo Arbeiter“ teil. |: Inwieweit sich die Befunde auf die Hüttenarbeiter über¬
tragen lassen, ist nicht klar, zumal hier derartige rituelle Traditionen fehlten. Jedenfalls
scheint der katholische Glaube aber im Großen und Ganzen doch nur bedingt ein ei¬
nigendes Band zwischen Italienern, Luxemburgern und anderen Landsleuten dargestellt
zu haben. Zum einen blieb die sprachliche Distanz, denn die Predigten wurden in den
jeweiligen Landessprachen gehalten. War dies noch durchaus naheliegend, so ist doch
folgende Schilderung interessant: „In schönster Ordnung saßen auf der einen Seite die
einheimischen Arbeiter und die deutscher Nationalität, während die andere Seite von den
Italienern eingenommen wurde!1 13 Schien der gemeinsame Gottesdienst zunächst als ein
die nationalen und soziokulturellen Gräben überwindendes Ereignis daher gekommen zu
sein, so manifestierte sich im Endeffekt gerade hier die kaum zu kompensierende Distanz.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das italienische Viertel in Düdelingen in mehre¬
ren Belangen einen Mikrokosmos für sich darstellte. Schon räumlich abgegrenzt von den
überwiegend luxemburgischen und anderweitig geprägten Stadtvierteln, entwickelte
die italienische Gemeinde ein beachtliches Eigenleben. Im Viertel lebten überwiegend
Hütten- und Bergarbeiter, daneben aber auch, wenigstens im Laufe der Jahre, Gastwirte,
Geschäftsleute und Handwerker. Die sich im Zeitalter der Industrialisierung so häufig ab¬
spielenden sozialen Segregationsprozesse wurden in Düdelingen überlagert von nationa¬
len wie soziokulturellen Segregationsmechanismen. Jedoch sollte dieser Umstand nicht
verabsolutiert werden. Die Entstehung des Viertels und seiner spezifischen Infrastruktur
war nicht das Resultat bewusster Abgrenzung, sondern die Dinge ergaben sich vielmehr
aus tagesaktuellen Notwendigkeiten heraus. Vor allem für die so dringend benötigten
Hüttenarbeiter musste Gelände zur Ansiedlung bereit gestellt werden, und dies geschah
pragmatischerweise direkt in der Nähe des Arbeitsplatzes. Dass die Italiener ein eigenes
Gemeindeleben, bestehend aus Vereinen, Geschäften, Cafés oder der Hilfskasse entwi¬
ckelten, war in erster Linie dem Bedürfnis geschuldet, sich in der neuen und fremdartigen
Umgebung einzurichten, mithin das Leben in der Fremde zu meistern. Dass es neben den
Tendenzen zur Segregation auch Schnittstellen und Kontaktzonen mit der autochtho-
nen Bevölkerung gab, zeigen nicht zuletzt die Feierlichkeiten zur Stadternennung Dü-
delingens Anfang August 1908. Zur Eröffnung am 1. August fand am Abend ein großer
Fackelzug unter Beteiligung der Düdelinger Vereine statt, darunter der „Italienische Un¬
terstützungsverein“, also der mutuo soccorso. Der Zug bewegte sich unter anderem durch
das Viertel ItalienL12 14 15 Beim Festzug tags darauf war der italienische Unterstützungsver¬
ein ebenfalls vertreten. '■ Die Feier zeigt, dass die Italiener in gewisser Weise zu einem
Bestandteil der Stadt geworden waren. Nichtsdestotrotz zeugt das Quartier Italien von
der besonderen, national wie soziokulturell segmentierten Struktur der Düdelinger Hüt¬
12 Ebd., S. 113.
13 Ebd., S. 116.
14 Vgl. Stadt Düdelingen. Festprogramm der Stadteinweihung, 1. August 1908, S. 11.
15 Vgl. ebd., S. 14.
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