Nebenerwerb der Bergleute eine große Rolle!'633 635 Einmal mehr werden sozialgeschicht¬
liche Phänomene auf die Bergarbeiter reduziert, obgleich gezeigt wurde, dass die fair
das Saarrevier so typische bäuerlich-proletarische Mischexistenz auch in der Häittenar-
bciterschaft weit verbreitet war. Zuzustimmen ist Fehn, wenn er ausdrücklich auf den
Nexus von Pendelwanderung und Arbeiterbauerntum verweist,6311 allerdings mit der Er¬
gänzung, dass auch in der Industriegemeinde selbst - erinnert sei an die Arbeiterhäuser
in der Saarbrücker Straße - bäuerliche Elemente vorhanden waren. Für den Arbeiter¬
bauern hatte die Landwirtschaft den Charakter eines Nebenerwerbs. Je weiter die In¬
dustrialisierung voranschritt, desto klarer überwog die industrielle Lebensführung: Der
Fabriklohn bildete den Löwenanteil des Familieneinkommens, die aus der landwirt¬
schaftlichen Tätigkeit gewonnenen Erträge ergänzten den industriellen Arbeitslohn.
Abbildung 9: Zeichnung eines Neunkircher Schlafsaals für Hüttenarbeiter (iy. Jahrhundert).633
633 Fehn 1975, S. 213. Das Phänomen beschreibt ebenfalls, wenn auch mit begrenztem wissenschaftlichen
Wert, Altenkirch, Gunter: Jeder wusste, wo man ein „Gimmche“ machen konnte. Arbeiterbauern an
der Saar, in: Mallmann, Klaus-Michael/SCHOCK, Ralph/KLIMMT, Reinhard (Hrsgg.): Richtig daheim
waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 1987, S. 61-65. Altenkirch benennt zwar
einige typische Elemente des Arbeiterbauerntums, so etwa den landwirtschaftlichen Nebenerwerb, das
Pendlerwesen oder die Schlafhausexistenz. Andererseits verfällt er oftmals in einen anekdotenhaften Stil,
dem bisweilen seltsame Thesen und Schilderungen entspringen, etwa wenn es heißt, in besonders armen Fa¬
milien wären bisweilen Kinder im dritten [!] Lebensjahr zur Arbeit herangezogen worden. Siehe ebd., S. 63.
' Bei Fehn heißt es: „Charakteristisch für das Arbeiterbauerntum des 19. und auch des 20. Jahrhun¬
derts wurde die Pendelwanderung, die zur Überwindung der Entfernung zwischen dem landwirtschaft¬
lichen Betrieb und der Grube bzw. dem Industriewerk nötig war. [...] Vor allem das Wochenpendlerge¬
biet wurde erweitert.“ Siehe Fehn 1975, S. 197.
635 Die sicherlich idealisierte Zeichnung lässt dennoch erahnen, unter welchen Bedingungen die Arbei¬
ter in den Schlafhäusern leben mussten. Zwar konnte die Schlafhausgemeinschaft auch Ersatz für die
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