Wirtshäuser.343 Im Sog der Hüttenindustrie und des allgemeinen Stadtwachstums flo¬
rierten ferner Handel und Gewerbe. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, 1912, gab es in
Düdelingen 32 Handelsleute, 23 Schlosser,344 345 19 Schreiner, acht Schneider, zehn Metz¬
ger, zwölf Bäcker, elf Unternehmer, 65 Agronome, einen Elektriker, fünf Gärtner, zehn
Schuster und zehn Anstreicher.343 Neue Schulen entstanden im Zeitraum der industri¬
ellen Expansion ebenfalls. Neben den offiziellen Lehranstalten widmete sich seit 1920
eine Volksbibliothek, die aus dem 1909 gegründeten Volksbildungsverein hervorging,
der Weiterbildung.346 Die Stadtrechte erhielt Düdelingen bereits im Jahre 1907 aufgrund
eines großherzoglichen Erlasses vom 4. August. Die Erhebung wurde am 2. August des
Folgejahres feierlich mit einem großen Festzug, an dem auch die zahlreichen Vereine ver¬
schiedensten Inhalts teilnahmen, und mit Musik- und Gesangsauflührungen sowie einem
Feuerwerk begangen.34 Politisch-administrativ gehörte die Stadt zum Kanton Esch mit
der Kantonshauptstadt Esch-sur-Alzette, die in mehrfacher Hinsicht als das Zentrum des
luxemburgischen Minettebezirks gelten darf. Esch zählte zur Jahrhundertwende 11.097
Einwohner, 1909/10 15.196, war damit also etwas bevölkerungsreicher als Düdelingen.348
Düdelingen entwickelte im Verlaufe seiner Industrialisierung und Urbanisierung eine
neue Sozialtopographie. Dazu trugen in erster Linie die neu entstehenden Arbeiterquar¬
tiere bei. Wie oben gezeigt wurde, stellte die Hüttenarbeiterschaft einen beträchtlichen
Anteil der Düdelinger Bevölkerung. Es ist klar, dass die ständig wachsende Arbeiterpopu¬
lation im Stadtbild mehr oder weniger omnipräsent war. Diese These bestätigt sich beim
Blick auf ein Einwohnerverzeichnis aus dem Jahr 1935, in welchem insgesamt 56 Straßen
berücksichtigt wurden. Zwar waren Unterschiede in der relativen und absoluten Anzahl
derjenigen Anwohner feststellbar, die (wahrscheinlich) auf der Hütte tätig waren, aber
letztlich fanden sich Hütten beschäftigte in repräsentativer Zahl doch in nahezu allen Stra¬
ßen. Aber auch hier zeichnet sich eine klare Ballung im Viertel Brill ab, wo 73,9 Prozent
343 Vgl. Think, Frantz: L’Evolution du Commerce et de l’Artisanat, in: Livre du cinquantenaire de la ville
de Dudelange 1907-1957, Esch-sur-Alzette 1957, S. 125-158, hier S. 130. Unter die Kategorie „Wirtshäuser“
fallen sicherlich auch die gerade in den italienischen Wohngebieten zuhauf entstehenden Cafés.
344 Hier ist nicht klar, wieviele Schlosser eigenständig waren, d. h. zur städtischen Gewerbestruktur zu
rechnen sind, und wieviele auf der Hütte arbeiteten, wo dieser Beruf weit verbreitet war.
345 Vgl. Think 1957, S. 132.
346 Zum Schulwesen vgl. Diderich, François: Enseignement, in: Livre du cinquantenaire de la ville de
Dudelange 1907-1957, Esch-sur-Alzette 1957, S. 67-84. Diderich geht auch explizit auf die engagierte
Bildungspolitik des Hüttenunternehmens ein, die einmal mehr die zentrale Rolle des Werks bei der
Stadtentwicklung belegt. Vgl. ebd., S. 82. Zum informellen Lehrangebot in Volksschulen und -biblio-
theken vgl. Reding, Jean-Marie: Wissensvermittlung statt Volkserziehung, in: Ville de Dudelange
(Hrsg.): Centenaire Diddeleng 1907-2007, Düdelingen 2007, S. 152—155, hier S. 153.
34 Zur Stadternennung und vor allem zu den Feierlichkeiten vgl. Stadt Düdelingen. Festprogramm der
Stadteinweihung, 2. August 1908. Die Broschüre findet sich in Kopie u. a. im CDMH.
348 Zur Bedeutung von Esch-sur-Alzette für den Minettebezirk sowie zur Größe der Stadt vgl. Leiner
1994, S. 28 f.
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