Praktik. 3. Philosophie der Erziehung.
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rechtlos wäre; aber er kommt mit einem Mindestmaß von
Rechtsübung, von Eingriffen einer über die rechtliche
Ordnung wachenden Instanz in die Unmittelbarkeit des
Zusammenarbeitens aus, weil (wie gesagt) die Unterordnung
der Zwecksetzungen der Einzelnen unter die Forderungen
des gemeinsam gewollten Zwecks sich auf dieser Stufe im
allgemeinen von selbst versteht. In der weiteren, viel¬
seitigeren, räumlich und zeitlich weiter ausgreifenden Ent-
Wickelung eines Gemeinlebens wird aber immer weniger die
Voraussetzung dieser Selbstverständlichkeit erfüllt sein; es
bedarf daher der ausdrücklichen gegenseitigen Bindung;
es bedarf einer eigenen die Rechtsordnung beständig über¬
wachenden Instanz, einer eigenen Behörde der Rechts-
waltung; es bedarf einer mit der Schirmung des rechtlichen
Geistes betrauten Vertretung des Gesamtwillens und der
Gesamtkraft des Ganzen, einer anerkannten, dem Ganzen
verantwortlichen Regierung und einer organisierten Macht
dieser Regierung (Heer, Polizei). Darin tritt der rechtliche
Charakter des Gemeinlebens scharf hervor und erscheint die
Rechtswaltung als Träger nicht bloß, sondern Schöpfer und
Erhalter des Gemeinlebens. Wirklich ist sie das nicht; denn
das Recht genösse selbst keine Autorität, wenn nicht ein
tragender Gemeinwille vorhanden wäre, der in der Rechts¬
waltung nur seinen beauftragten Vertreter erkennt. Aber
dieser tragende Gemeinwille wird nach außen nicht sichtbar,
wogegen die Rechtswaltung offen vor Augen liegt. Für sie
selbst liegt darin die Gefahr des Übergriffes, durch die aber
in jedem Falle ihre Autorität leidet und der Zusammenhalt
des Ganzen sich lockert. Und diese Gefahr wächst mit der
weiteren und weiteren Ausdehnung der Zwecke, für welche
die rechtliche und politische Organisation einstehen soll, und
der damit gegebenen Vervielfältigung der Organe, die ihr
einhelliges Zusammenwirken immer schwieriger gestaltet.
So nimmt die rechtlich-politische Organisation, je höher sie,