Typische Sondermythen
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Struktur- und Typenpsychologie als Grundlage der
Geisteswissenschaften — hier wäre in vorderster Linie
Eduard Sprangers Werk: „Lebensformen“ zu
nennen — muß es sich angelegen sein lassen, die ma߬
gebenden Hauptarten der Mythen zu studieren, weil
gerade ihre Erfassung ungemein geeignet ist, unser
historisches Verständnis zu fördern. In den Haupt¬
mythen der Kultur liegen charakteristische Verdich¬
tungen typisch-menschlicher Einstellungen zur Wirk¬
lichkeit vor, die oft wie mit einem Blitz die Grund¬
verfassung ganzer Zeitabschnitte und Generationen
erhellen. —
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A.
Einen interessanten Beleg für die Richtigkeit dieser
Behauptungen bietet der in den mannigfachsten
Gestalten und Abwandlungen immer wieder auftretende
Mythus von Platon und vom Platonismus.
Fast regelmäßig macht sich auf hervorstechenden
Stufen der abendländischen Geistesgeschichte eine
bestimmte Ausprägung dieses Mythus geltend.
Es wird gewöhnlich angenommen, seit der durch
Cosimo von Medici bewirkten Gründung der Pla¬
tonischen Akademie zu Florenz datiere die vertiefte
Erneuerung der Kenntnis und des Studiums der
Philosophie Platos. Tatsächlich aber haben wir hier,
wie ich an anderer Stelle darzutun versucht habe,
eine legendarische Zurechtmachung der eigenen Le¬
bensstimmungen und Weltanschauung unter der
Führung und dem bestimmenden Einfluß eines Sym¬
bols vor uns, dem man einzelne, an Platon anklingende
Züge lieh. Die besondere Lage und Geistesverfassung
der Renaissance verlangte nach einer Heiligenfigur
und nach einer Philosophengestalt, die möglichst stark