II.
Typische Sondermythen
auf einzelnen geschichtlichen Kulturstufen.
Der auf Verabsolutierung eingestellte und auf das
Absolute hinzielende Prozeß der Mythologisierung
der Kultur nimmt nun nämlich teil an dem dialektischen
und antinomischen Schicksal aller schöpferischen und
im metaphysischen Sinne spontanen und autonomen
Funktionen. D. h.: Auch er vermag seine volle Frei¬
heit nicht uneingeschränkt zu betätigen, sondern er
erfährt eine Abwandlung und Einengung durch die
besonderen Verhältnisse und Strukturen der an ihm
interessierten Zeiten, Geschlechter, Menschen. Man
sieht das ewige Bild des Mythus stets gleichsam ge¬
färbt durch eine bestimmte geschichtliche Brille; es
wird historisiert und konkretisiert, es wird jeweiligen
Forderungen, Lebensstimmungen, Zweck Vorstellungen,
Zeitempfindungen und Zeitströmungen angeglichen,
sogar durch diese beeinflußt und von ihnen abhängig
gemacht.
Auf diese Weise entstehen jene Sonderformen des
Mythus, die für bestimmte geschichtliche Lagen und
Verhältnisse so sehr charakteristisch sind, daß sie
geradezu einen Wesensbestandteil dieser Lagen und
Verhältnisse darstellen und herangezogen und genau
berücksichtigt werden müssen, soll eine innere Er¬
fassung der betreffenden historischen Perioden und
ihrer Vertreter gelingen. Die in Ausführung von An¬
deutungen Nietzsches und besonders Diltheys in
Angriff genommenen, sehr wertvollen und aussichts¬
reichen Bemühungen um die Entwicklung einer