Ärzte mit der Untersuchung des Körpers sehr viel zu
schaffen. So muß nun auch der Lehrer der Staatskunst
die Seele zum Gegenstände seiner Betrachtung machen,
aber immer nur um der angegebenen Zwecke willen und
soweit, als es für diese Zwecke genügt; noch genauer
darauf einzugehen, ist wohl für die gestellte Aufgabe der
Mühe zu viel.
Einiges aus der Seelenlehre ist nun in den exoterischen
Schriften ausreichend behandelt und mag hier Ver¬
wendung finden. So, daß die Seele einen unvernünftigen
und einen vernünftigen Teil hat. Ob diese beiden Teile
sich so von einander unterscheiden wie die Teile des
Körpers und alles Teilbare, oder ob sie ihrer Natur nach
untrennbar und nur dem Begriffe nach zwei sind wie die
innere und äußere Seite der Kreisperipherie, ist für unse¬
ren Zweck gleichgültig. In dem unvernünftigen Ver¬
mögen ist wieder ein Teil ein allem Lebendigen Ge¬
meinsames, nämlich das vegetative Vermögen, das Prinzip
der Ernährung und des Wachstums. Denn ein solches
Seelen vermögen ist wohl in allem, was sich ernährt, schon
für die Embryonen anzunehmen und ebenso für die aus¬
gebildeten Individuen, und zwar mit besserem Fug und
Grunde als irgend ein anderes. Dasselbe hat nun offenbar
eine generelle, nicht die spezifisch menschliche Voll¬
kommenheit. Denn dieserTeil und dieses Vermögen scheinen
ganz besonders im Schlafe tätig zu sein; im Schlafe aber
sind der Gute und der Schlechte am wenigsten zu er¬
kennen. Daher auch das Sprichwort: Zwischen den
Glücklichen und den Unglücklichen ist ihr halbes Leben
lang kein Unterschied. Dies ist auch nicht auffallend.
Denn der Schlaf ist eine Untätigkeit der Seele, insofern
sie tugendhaft und schlecht genannt wird, nur daß manche
von den im wachen Zustande vorausgegangenen Be¬
wegungen sich allmählich im Schlafe einigermaßen zur
Geltung bringen und in diesem Anbetracht die Träume
tugendhafter Menschen besser werden als die beliebiger
Leute.
Doch genug hiervon, und lassen wir das vegetative Ver¬
mögen, da es von Natur an der menschlichen Tugend
keinen Teil hat. Es scheint aber auch ein anderer Teil der
Seele ohne Vernunft zu sein, jedoch in gewisser Beziehung
an der Vernunft teilzunehmen. Wir loben nämlich an
dem Enthaltsamen und Unenthaltsamen die Vernunft
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