Rückkehr zum verabredeten Dienstantritt bei Semesterbeginn mit ihm besprechen.
Indessen hat Herr Tellenbach dies versäumt oder sich nicht mit Herrn Buisson ei¬
nigen können, ohne es mir zu sagen. Als ich jedenfalls am Dienstag, den 3. Okto¬
ber 1961, morgens - nach vielstündiger Fahrt mit dem Nachtzug - aus Rom nach
Saarbrücken zurückgekommen war, musste mir meine Frau berichten, dass sich
Herr Buisson in mehreren Telefonaten sehr indigniert über mein Fernbleiben geäu¬
ßert hatte: er habe mich doch seinen Kollegen und den Seminarmitarbeitern sowie
in der Veranstaltung zum Semesterbeginn den Studenten vorstellen wollen, was
nun alles gründlich daneben gegangen sei. Als ich dann zum (von ihm mit meiner
Frau im Telefonat vereinbarten) Termin (um 14 Uhr) auch noch mit zehnminütiger
Verspätung (weil ich die Busverbindungen von der Stadt zur Universität noch nicht
kannte) im etwa vier Kilometer außerhalb Saarbrückens im großen Stadtwald gele¬
genen Universitätsgelände (einer ehemaligen Kaserne) eintraf, war sein Groll noch
nicht abgeflaut. Ich hatte ihn schon durch die Fenster im langen Flur des Instituts¬
gebäudes auf- und abgehen und demonstrativ nach einer großen Wanduhr blicken
sowie den Zeigerstand mit demjenigen seiner Armbanduhr vergleichen gesehen.
„So geht es aber nicht, Herr Hiawitschka!“, waren seine ersten Worte, auf die ich
entgegnete, ich wisse Bescheid. Und als er danach - im Dienstzimmer angekom¬
men - mit den gleichen Worten zum zweiten Mal mit einer schon zurecht gelegten
Standpauke beginnen wollte und ich meine gleichen drei Worte wiederholte und
hinzufugte, ich brauchte keine Belehrung, da ich die Regeln eines geordneten Zu¬
sammenwirkens kenne und auch nicht mutwillig zu missachten gedächte, andern¬
falls ich mich ja wieder bei der Straßenbahn nach einer Beschäftigung umsehen
könnte, da herrschte - einen sehr gedehnten Moment lang - eisige Stille. Ich hatte
freilich klargestellt, dass er mich nicht als einen willfährigen Befehlsempfänger be¬
trachten könnte, dass ich ein Mitarbeiter, kein Untergebener, sein wollte. (Gewiss
war ich mit diesen - wenn ich mir das heute überlege - barsch wirkenden Worten
an die Grenze des Möglichen gegangen. Sie drückten indessen meinen damaligen -
auf der Basis meiner Lebenserfahrungen entstandenen - Selbstbehauptungswillen
aus, der sich nach einem Vortrag bei einer Mediävistentagung im März 1959 auf
der Insel Reichenau und mehreren daraufhin erhaltenen Angeboten von Assisten¬
tenstellen sowie den ersten lobenden Äußerungen über meine im Druck vorliegen¬
de Dissertation [Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien, 774-
962] ergeben hatte.) Das danach etwas angespannte Verhältnis zu Herrn Buisson
hat sich freilich recht bald gelockert, und es sollte sich in den nächsten vier Jahren
bis zu meiner Habilitation zu einer rechten Kameradschaft wandeln. Wissenschaft¬
lich sind wir uns freilich - das will ich hier auch gleich vermerken - nicht viel nä¬
her gekommen, denn unsere Arbeitsinteressen lagen zu weit auseinander: seine im
Spätmittelalter und der Kanonistik, das heißt in den Berührungszonen von Kirche
und Recht, sowie in der Geschichte der Normannen, meine im Früh- und Hochmit¬
telalter, in der Erforschung der europäischen adligen Führungseliten, wie ebenso in
der Kirchen- und Klostergeschichte.
In Saarbrücken habe ich meine Kräfte zuerst in den Aufbau einer den üblichen
Standards entsprechenden Seminarbibliothek4 gesteckt. In der erst seit dem Herbst
Vgl. zur frühen Geschichte des Historischen Instituts der Universität des Saarlandes ein¬
schließlich der Bibliothekssituation die verschiedenen Erinnerungsberichte der Zeitzeu¬
gen, in: Jubiläumsschrift zum sechzigjährigen Bestehen des Historischen Instituts der
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