Fünfzig Jahre Saarländische Bibliographie1
Reinhold W. Weber
1. Erste bibliographische Anfänge
Als erste Regionalbibliographie unseres Landes gilt Anton Haßlachers Literatur¬
verzeichnis über das Industriegebiet an der Saar von 18792. Die etwas ungewöhn¬
liche Umschreibung für das behandelte Gebiet ist kein Zufall, denn ein Saarland
gab es zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht, das Gebiet gehörte zu Preußen und der
Bayerischen Pfalz und die Verwaltungszentren lagen respektive in Trier und in
Speyer. Das Literaturverzeichnis bezog sich aber auf ein Ballungsgebiet, das sich
im 19. Jahrhundert durch den Aufschwung von Bergbau und Eisen- und Stahlin¬
dustrie zu einer eigenständigen Wirtschaftsregion beidseits der Grenze entwickelt
hatte. Als 1919 das Saargebiet geschaffen und vom Deutschen Reich abgetrennt
wurde, deckten sich erstmals Region und Staatsgebiet. Diese raumordnungspoli¬
tische Pioniertat fand damals noch keinerlei Anerkennung, denn die Bevölkerung
lehnte dieses auf Druck Frankreichs entstandene Gebilde rundweg ab3.
Die Schaffung des Saargebiets unter Völkerbundsverwaltung hatte tiefgreifende
Wandlungen zur Folge. Saarbrücken wurde jetzt zum Verwaltungszentrum dieses
neugeschaffenen Gebietes. Damit einher ging die Aufgabe, auch kulturelle Funk¬
tionen auszufüllen. Dies um so mehr, als Frankreich eine breit angelegte Kultur¬
propaganda anbot, die die Saarländer für Frankreich gewinnen sollte. Die Antwort
waren Bemühungen um die Deutscherhaltung des Saarlandes, in deren Folge Geld¬
mittel, wenn auch begrenzt, aus dem Reich zur Verfügung standen. Die dafür er¬
forderlichen kulturellen Einrichtungen mussten erst geschaffen werden, denn Saar¬
brücken besaß weder ein Theater oder Orchester noch eine Volkshochschule oder
Stadtbibliothek. Alle diese Aufgaben lagen in der Hand von Vereinen. Das Indus¬
triegebiet an der Saar war vor dem Weltkrieg eine der wirtschaftlich bedeutenden
Regionen im Deutschen Reich, kulturell aber Provinz, weit abgelegen von den
alten Verwaltungszentren. Dies änderte sich nun. Die kulturellen Institutionen wur¬
den gegründet, zuletzt 1924 die Stadtbibliothek4. Der politische Konflikt im und
1 Die Abschnitte eins bis drei wurden übernommen, aktualisiert und überarbeitet aus:
Reinhold WEBER, Die Saarländische Bibliographie, in: Die Regionalbibliographie im
Digitalen Zeitalter: Deutschland und seine Nachbarländer, hg. von Ludger Syre und
anderen, Frankfurt am Main 2006, S. 335-347.
2 Anton Hasslacher, Literatur über das Industriegebiet an der Saar, Saarbrücken 1879,
LXV, 176 S. Die zweite Auflage erschien 1910 und ist noch heute für die alte Zeit zu
benutzen.
3 Gerhard Isbary, Regionale Probleme der Raumordnung: eine Untersuchung am Beispiel
des Landkreises Saarbrücken als Mittelpunkt des saarländischen Verdichtungsraumes,
Saarbrücken 1963, S. 2, 97; Wilhelm Dillinger, Bemerkungen zu einer Saarländischen
Bibliographie, in: Saarbrücker Hefte 4 (1956), S. 78; Hans-Walter Herrmann, Das
Saarland. Vom Industrierevier zum Bundesland, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege,
München 1990, S. 88.
4 Ludwig Linsmeyer, Kulturpolitik im Spannungsfeld zwischen Stadt und Verein: Zur
Entwicklung der Stadtbibliothek Saarbrücken und der Bibliothek des „Historischen Ver¬
eins für die Saargegend“ in der Zwischenkriegszeit, in: Zeitschrift für die Geschichte der
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