Die Saarfragen in deutschen Schulbüchern 1950 bis 2010
Bärbel Kuhn
Zahlreiche Publikationen liegen inzwischen zur Saarfrage vor. Nicht zuletzt das
Jubiläumsjahr 2007, in dem das 50-jährige Bestehen des Saarlandes als deutsches
Bundesland gefeiert wurde, brachte eine neue Welle historiographischer Produkti¬
onen hervor. Nicht untersucht wurde jedoch bislang die Frage, welche Informatio¬
nen die Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht zur Saarfrage erhielten
und erhalten und mit welchen Deutungen sie verbunden waren. Während das The¬
ma im Saarland fester Bestandteil des Geschichtsunterrichts ist1, kann man für die
beiden deutschen Staaten und nach 1989 für Gesamtdeutschland nicht selbstver¬
ständlich davon ausgehen, dass der „Sonderweg“ der Region als erwähnenswertes
Thema des Geschichtsunterrichts angesehen wurde.
Die folgenden Überlegungen gehen der historisch-politischen Bildung im Hin¬
blick auf die Saarfrage in diachroner Perspektive nach. Quellengrundlage sind Ge¬
schichtsschulbücher von 1950 bis 2010. Die diachrone Analyse versteht die Schul¬
bücher als Quelle, die Auskunft gibt erstens über die Auswahl der für Jugendliche
als vermittlungswert erachteten Inhalte, zweitens über deren Deutungen. Wenn
auch die Inhalte und Aussagen der Bücher keine unmittelbaren Schlüsse auf die
Rezeption zulassen, die Bücher also zunächst einmal nicht gleichzeitig etwas aus-
sagen über den Unterricht, den sie begleiten, so sind Schulbücher dennoch zentrale
Vermittler von Geschichte in ihrer jeweils aktuellen Narration. Indem sie das Ge¬
schichtsverständnis, die Geschichtsbilder und Einstellungen einer Zeit und einer
Gesellschaft bündeln und an weite Kreise der nachwachsenden Generation weiter¬
geben, sind sie - drittens - zugleich aufschlussreiche Quellen für das Geschichts¬
bild und ernst zu nehmende Faktoren der nationalen und - bei regionalspezifischen
Themen - regionalen Geschichtskultur.
Dass zwischen den vielfältigen wissensvermittelnden, didaktischen, bildungs¬
politischen und nicht zuletzt politischen Intentionen, die hinter einem Schulbuch
stehen, und seinen Wirkungen ein hohes Maß an Kohärenz angenommen wird, zei¬
gen die zahlreichen Schulbuchstreite, die in den letzten Jahren das Medium in die
Diskussion brachten - jeweils ging und geht es um die eigene Verortung und Iden¬
titätsvergewisserung bzw. -Stiftung.
Die bisweilen sehr heftig geführten Diskussionen belegen die große Brisanz, die
das Schulbuch bei aller Konkurrenz durch sogenannte „neue Medien“ für die Ver¬
mittlung von Geschichtsbildern immer noch besitzt. Sie offenbaren ein Verlangen
nach kollektiver einheitlicher Sinndeutung und -tradierung von gemeinsamem Er-
Zentral vor allem im Lehrplan für das Fach Geschichte, vierstündiger G-Kurs/ Gymna¬
siale Oberstufe Saar (GOS), Neigungsfach, Februar 2008.
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