Armeefuhren - Brandschatzung - Exekution
Die Reichsherrschaft Saarwellingen zwischen Altem
Reich und Französischer Republik
Eva Kell
In den Revolutionskriegen zwischen 1792 und 1797 verfolgten das revolutionäre
Frankreich und die Mächte des Alten Reiches politische und militärische Ziele,
seien es die Wiederherstellung der absolutistischen Macht oder die Überwindung
der Krise der Revolution oder gar die expansion révolutionnaire. Das Kriegsge¬
schehen wirkte sich vor allem in der linksrheinischen Grenzregion von Herbst
1792 bis Herbst 1796 unmittelbar in der Saargegend aus, mit mehrmonatigen Un¬
terbrechungen lag das Gebiet im Operationsbereich der gegnerischen Heere. Zwar
kam es hier nicht zu kriegsbestimmendem Militärgeschehen, aber Gefechte, Schar¬
mützel, Ausfälle aus der Festung Saarlouis, Patrouillen und Artillerieduelle häuften
sich1. Dazu kamen Einquartierungen, Plünderungen, Brandschatzungen und Ar¬
meelieferungen oder Fuhrdienste, Flucht, Misshandlungen und Gewalt, die den
Krieg für die Bevölkerung zum bitteren Alltag machten.
Das Dorf Saarwellingen war seit 1659 eine ungeteilte Reichsherrschaft, die zur
Grafschaft Kriechingen gehörte. Dieses Geschlecht erlosch 1681 im Mannes¬
stamm, so dass sie durch die weibliche Erbfolge zunächst an Ostfriesland und dann
an die Grafen von Wied-Runkel fiel. Amtssitz der Grafschaft blieb der Hauptort
Kriechingen, der wie die meisten der im Streubesitz liegenden Ortschaften der
Grafschaft in Lothringen lag. Insofern war der Herrschaftssitz stets fern vom Dorf
gelegen und die Saarwellinger Einwohner, teils begüterte Bauern, da der Dorfbann
über große Flächen an Wald-, Weide- und Ackerland verfügte, hatten ein hohes
Maß an kommunalem Selbstbewusstsein entwickelt.
Nicht zuletzt aufgrund der zeitweisen Einrichtung der province de la sarre als
Teil der Expansionspolitik Louis XIV. war daraus eine permanente Widerstandsbe¬
wegung gegen obrigkeitliche Bevormundung im 18. Jahrhundert entstanden, die
sich bis ins Vorfeld der Französischen Revolution nachweisen lässt. Die Gemein¬
derechnungen der Reichsherrschaft Saarwellingen von 1794 bis 1798, die ohne
herrschaftliche Einwirkungen erstellt wurden, legen exemplarisch Zeugnis von der
Kriegsbelastung und den Veränderungen der administrativen Strukturen infolge der
Französischen Revolution ab. Ein Rechnungsbuch der Gemeinde Oberlinxweiler,
das für die Jahre 1788 bis 1799 ediert ist, wird zum Vergleich herangezogen2.
1 Hans-Walter Herrmann, Erfahrungen mit der Französischen Republik als Besatzungs¬
macht. Die Saargegend in den Koalitionskriegen, in: Die Französische Revolution und
die Saar. Katalog der Ausstellung des Landesarchivs Saarbrücken ... zum zweihundert¬
jährigen Gedenken an den Ausbruch der Französischen Revolution, Saarbrücken Saar¬
land-Museum 10. Dezember 1989 - 28. Januar 1990, hg. von Hans-Walter Herrmann,
St. Ingbert 1989, S. 119.
Die fünf Original-Akten befinden sich im Privatbesitz von Klaus Mayer, Saarwellingen,
der eine Transkription als Quelienbasis für diesen Aufsatz zur Verfügung gestellt hat. Im
Folgenden wie folgt zitiert: Mayer, Gemeinderechnungen A 1 - A 5, Nr. Zur Herr¬
schaftssituation und zur Ertragslage des Dorfes: Klaus Mayer, Die Einwohner von Saar-
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