John Insley
Anmerkungen zu skandinavischen Personennamen
in Nordengland
Die Frage der Dichte und des Ausmaßes der skandinavischen Besiedlung Eng¬
lands im Hochmittelalter hat die Forschung lange beschäftigt. Man denke an
die Kontroverse um Peter Sawyers Buch The Age of the Vikings in den sechzi¬
ger Jahren des 20. Jahrhunderts. Eine Zeitlang schien es, als ob diese Kontro¬
verse sich erübrigt hätte und dass die gängige Meinung die von Cameron sei,
wonach im Ostmittelland eine große Einwanderung von dänischen Bauern
unter dem Schutz der Armeen der fünf Burgen (Nottingham, Lincoln,
Leicester, Derby und Stamford) in der Zeit zwischen der dänischen Besetzung
im Jahre 877 und der westsächsischen Eroberung durch Edward den Älteren
stattfand. Cameron bewies auf überzeugende Weise, dass die ostmittelländi¬
schen Ortsnamen des Typus Toton ,Landgut des TofT, in denen ein dänischer
Personenname mit dem altenglischen Element -tün ,Dorf, Landgut4 kombi¬
niert ist, Namen englischer Siedlungen sind, die von dänischen Grundherren,
wohl am Ende des 9. Jahrhunderts übernommen wurden, und dass die Namen
auf -by, die, anders als in Dänemark, sehr häufig mit Personennamen gebildet
sind, Zeugnisse einer sekundären Kolonisation sind.1 Cameron war durchaus
bewusst, dass die Morphologie von Ortsnamen und Flurnamen wichtige Indi¬
zien für die Dichte der skandinavischen Besiedlung liefert. Es ist zu bedauern,
dass einige seiner modernen Kritiker dies außer Acht gelassen haben. Seit
zehn Jahren gibt es eine Gegenreaktion auf die These einer dichten Besiedlung
Ostenglands durch die Dänen. Diese Reaktion geht primär von Archäologen
und Historikern aus und nicht von Sprachhistorikern.2 Ihr Umgang mit sprach¬
lichem Material ist oft dilettantisch und nicht selten von einem Mangel an
Verstand geprägt. In dieser Debatte werden Personennamen viel weniger
berücksichtigt als Ortsnamen, und es ist vielleicht an der Zeit, einige Gemein¬
plätze in Frage zu stellen. Wir sind natürlich mit dem Problem konfrontiert,
dass es keine altnordischen Texte in England gibt und dass unsere Personen¬
namen in lateinischen Quellen oder in spätaltenglischen Texten, die das teil¬
weise genormte Spätwestsächsische verwenden, eingebettet sind. Ich möchte
hier drei Texte untersuchen. Der erste Text ist eine Liste von Bürgschaften
eines gewissen /Elfric, die auf Blatt 161 verso eines Evangeliars aus York ge¬
schrieben wurde. Diese Liste, die von Erik BjÖrkman 1913 in der Morsbach-
Festschrift3 und (besser) von Stevenson in der English Historical Review ein
1 Vgl. Cameron 1976, S. 147-165.
2 Paradigmatisch ist Trafford 2000.
3 Björkman 1913.
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