forderte die Genehmigung des Arbeitsministeriums. Aber auch mit der Arbeits¬
kammer wurden die Gewerkschaften nicht zu einem gesellschaftlichen Ordnungs¬
faktor. Letztlich nutzte Kirn seine Möglichkeiten vor allem zur Zurückdrängung
christlicher Gewerkschaftler, die sich entsprechend lautstark beklagten. Bereits
1925 war durch eine Verordnung der Regierungskommission eine Arbeits¬
kammer errichtet worden. Ihre Zusammensetzung hatte sich aber von der 1951
geschaffenen Arbeitskammer insofern unterschieden, als in ihr Arbeitnehmer-
und Arbeitgeberseite paritätisch vertreten waren. Finanziert wurde sie über den
Haushalt der Regierungskommission. Zu Fragen, die Arbeitnehmer und Arbeit¬
geber gemeinsam betrafen, konnten Berichte und Gutachten erstellt werden wie
bspw. zum Arbeitsschutz, Tarifrecht und zur Sozialversicherung. Wegen ihrer
paritätischen Mehrheitsverhältnisse blockierte sich jedoch die Kammer bei
strittigen Fragen selbst/’7
Zusammenfassung
Extrem patriarchalische Unternehmensstrukturen im Hüttenwesen sowie eine
strenge preußische Bergverwaltung markierten ungünstige Rahmenbedingungen
für die Entwicklung gewerkschaftlicher Interessenvertretung an der Saar. Bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts konnten so Bergleute und Hüttenarbeiter politisch
neutralisiert werden. Der Aufstieg des Zentrums führte zur Etablierung christli¬
cher Gewerkschaften. Im Kontext des Kulturkampfes verknüpfte es die soziale
Frage mit konfessioneller Interessenvertretung und entwickelte sich zu einer
klassenübergreifenden politischen Kraft. Ein hoher Anteil an Bergleuten und
Hüttenarbeitern, ein überdurchschnittlich hoher Katholikenanteil bei gleichzeitig
hoher Bevölkerungsdichte unterstützten diese Entwicklung. Die Orientierung
der Arbeiter am Zentrum förderte auch vor 1918 ein Hineinwachsen der Arbeiter
in die katholischen Fachvereine und in die christlichen Gewerkschaften. Be¬
günstigt wurde dieser Prozess durch die noch ungünstigeren Rahmenbedingun¬
gen für die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften an der Saar, die
bereits vor Inkrafttreten von Bismarcks Sozialistengesetz einer besonders rigoro¬
sen politischen Illegalisierung ausgesetzt waren. Sozialdemokratie und freie
Gewerkschaften können sich zwar mit dem Ersten Weltkrieg auch im Saargebiet
etablieren, verlieren jedoch in der Völkerbundszeit deutlich an Stärke.
Internationalistisches Bewusstsein und die Strategie, sich mit Frankreich zugun¬
sten der Bergleute zu arrangieren, waren innerhalb des BAV nie unumstritten.
Die Überlagerung durch nationale Denkmuster, spätestens ab dem Bergarbeiter¬
streik von 1923, stärkte das Zentrum und die christlichen Gewerkschaften. Die
dörflichen Strukturen und Lebensweisen erleichterten es der katholischen Kir¬
che, die Bindung an die christlichen Gewerkschaften dauerhaft zu sichern.
67 Ebd., S. 485.
329