Zwischen Deutschland und Frankreich
Elisabeth von Lothringen,
Gräfin von Nassau-Saarbrücken
Herausgegeben von Wolfgang Haubrichs
und Hans-Walter Herrmann unter Mitarbeit
von Gerhard Sauder
ROHRIG UNIVERSITATSVERLAG
ZWISCHEN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH
ELISABETH VON LOTHRINGEN
GRÄFIN VON NASSAU SAARBRÜCKEN
Veröffentlichungen
der Kommission für Saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung e.V.
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ZWISCHEN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH
ELISABETH VON LOTHRINGEN,
GRÄFIN VON NASSAU-SAARBRÜCKEN
Herausgegeben von
WOLFGANG HAUBRICHS und HANS-WALTER HERRMANN
unter Mitarbeit von
GERHARD SAUDER
Röhrig Universitätsverlag
St. Ingbert 2002
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
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literarischen oder anderweitigen Bearbeitung.
Umschlag: Jürgen Kreher
Druck: Strauss Offsetdruck GmbH, Mörlenbach
Printed in Germany 2002
ISBN 3-86110-319-2
VORWORT
Die 600. Wiederkehr des nicht genau bekannten Geburtsjahres der Elisabeth von Loth-
ringen-Vaudemont, Gräfin von Nassau-Saarbrücken, das in den letzten Jahren des 14.
Jahrhunderts liegen muß, gab Anlaß, eine Zwischenbilanz des Forschungsstandes über
diese Persönlichkeit zu ziehen, die durch die Übertragung französischer Chansons de
Geste in spätmittelhochdeutsche Prosa aus dem Rahmen der übrigen Regenten und
Regentinnen der Grafschaft bzw. des Fürstentums Nassau-Saarbrücken heraustrat und
sich einen Platz in der Geschichte der deutsch-französischen Kulturbeziehungen erwarb.
Das Kolloquium, das die beiden Unterzeichneten gemeinsam mit ihrem Kollegen Profes-
sor Dr. Gerhard Sauder organisierten, sollte von Anfang an interdisziplinär ausgerichtet
sein. Neben Germanisten und Historikern sollten auch Romanisten und Kunsthistoriker
zu Wort kommen, letztere sowohl wegen des Elisabeth-Grabmals in der Stiftskirche St.
Arnual als eines der bedeutendsten Werke „saarländischer Sepulkralskulptur“ als auch
wegen der reichen Ausstattung einiger Handschriften ihrer Werke mit vielfarbigen
Miniaturen. So konnte in Trägerschaft der Universität des Saarlandes und der
Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V. mit finanzieller
Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Regierung des Saarlandes,
die in Elisabeth von Lothringen eine frühe Protagonistin der von ihr propagierten
grenzüberschreitenden Kulturpolitik sieht, teils in der Stiftskirche, teils in dem unmittelbar
benachbarten Albert-Schweitzer-Haus vom 8. bis 11. Oktober 1997 ein Kolloquium
stattfinden. Es wurde begleitet von einer von der Saarländischen Universitäts- und
Landesbibliothek aufgebauten Ausstellung, die zunächst vom 9. bis 22. Oktober 1997 in
der Stiftskirche, dann vom 27. Oktober bis 21. November 1997 in der Universitäts-
bibliothek gezeigt wurde. Ein Teil der Exponate dient als Vorlage für Abbildungen in
diesem Band. Bis Mitte November 1997 schlossen sich weitere Vorträge zur Elisabeth-
Thematik in der Stiftskirche und auf dem Campus an. Einer wurde in diesen Band
aufgenommen. Leider konnten für all diese Veranstaltungen keine französischen
Kolleginnen und Kollegen zur Mitarbeit gewonnen werden. Dies dürfte vornehmlich
daran liegen, daß derzeit die Chanson-de-Geste-Dichtung die französische Forschung
weit weniger interessiert als die Anfänge des Prosaromans die deutsche.
Der vorliegende Band enthält neben den mehr oder weniger stark erweiterten Referaten
des Kolloquiums einige zusätzliche Aufsätze. Den größten Zuwachs stellt die Edition der
sogenannten Varsberg-Korrespondenz dar durch einen ehemals an der Universität Mainz
gegründeten historisch-germanistischen Arbeitskreis unter Leitung von Albrecht Greule
und Karl-Heinz Spieß. Er hatte sich die gemeinsame Erforschung frühneuhochdeutscher
Prosatexte aus dem 15. und 16. Jahrhundert zum Ziel gesetzt und zur exemplarischen
Aufarbeitung aus dem überlieferten Verwaltungsschriftgut der Gräfin Elisabeth von Nas-
sau-Saarbrücken die Korrespondenz um die Besetzung und Rückgabe der Burg Varsberg
am südwestlichen Rande des Warndts ausgewählt. Die Herausgeber dieses Bandes freuen
sich, daß die beiden ehemaligen Mainzer Kollegen das Angebot zur Edition dieser Texte
mit sprachwissenschaftlichem und historischem Kommentar in diesem Band angenom-
men und ein umfangreiches Manuskript beigesteuert haben.
5
Auch an dieser Stelle danken die Organisatoren des Kolloquiums für die von verschiede-
nen Seiten ihnen zuteil gewordene Unterstützung, insbesondere der Deutschen For-
schungsgemeinschaft und der Regierung des Saarlandes für ihre Zuschüsse und der Ev.
Kirchengemeinde St. Arnual für die gastfreundliche Aufnahme in Kirche und Gemeinde-
haus.
Weiterhin sagen wir Dank verschiedenen Archiven und Bibliotheken für die Gewährung
der Reproduktionserlaubnis und die Lieferung von Abbildungsvorlagen und unseren Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns bei der Redaktion unterstützt, die computistische
Bearbeitung der Manuskripte und die Erstellung der Register übernommen haben, und
schließlich der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V.,
die den Band in ihre Schriftenreihe aufnahm und damit die Drucklegung wesentlich er-
möglichte. Für weitere namhafte Zuschüsse danken wir der Union-Stiftung e.V. und dem
Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes.
Saarbrücken, im Herbst 2001
Wolfgang Haubrichs
Hans-Walter Herrmann
Inhalt
Vorwort der Herausgeber............................................................5
Wolfgang Haubrichs
Die vier Prosahistorien Elisabeths:
Skizzierung ihres Inhalts.........................................................11
Wolfgang Haubrichs
Kurze Forschungsgeschichte zum literarischen Werk
der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken..............................................17
Gerhard Sander
Wolfgang Liepe — Erinnerung.......................................................41
Hans-Walter Herrmann
Lebensraum und Wirkungsfeld der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken..................49
Anhang: Das erhaltene nicht-urkundliche Verwaltungsschriftgut der Gräfin
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken..............................................125
Exkurs: Amtleute der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken..................146
Hein% Thomas
Im Vorfeld von Saarbrücken:
Frankreich und Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts................155
Germanistisch-Historischer Arbeitskreis der Universität Main%
Die Varsberg-Korrespondenz der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
aus den Jahren 1432-1434
Karl-Heim^ Spieß, Einleitung..................................................191
Albrecht Greule / Nina Janich, Sprachwissenschaftlicher Kommentar
zu den Briefen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken..............................194
Jürgen Herold, Quellenkundlicher und historischer Kommentar
zur Varsberg-Korrespondenz....................................................201
Jürgen Herold, Michaela Küper, Christine Maillet und andere,
Edition der Varsberg Korrespondenz............................................254
Übersicht zu den Teilkorrespondenzen..........................................367
7
Abbildungen einiger Stücke.................................................... 370
Verzeichnis der Ortsnamen und geographischen Begriffe...........................379
Verzeichnis der Personennamen...................................................383
Nina Janich
Individuelle Züge in spätmittelalterlichen Briefen am Beispiel
der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken...............................................389
Wolf-Dieter Dange
Entgrenzte Gesänge: Späte französische Heldenepik als Inspirationsquelle
für Elisabeth von Nassau-Saarbrücken...............................................411
Ute von Bloh, Kurt Gärtner und Michael Heinige
,Lohier et Malart4 — ,Loher und Maller4: Vorschläge zu einer Edition des Epos.....427
Bernd Basiert
„Ir herren machent Friden44: Gewaltdarstellung und Konfliktebewältigungs-
strategien in den Saarbrücker Chanson de geste-Bearbeitungen..............459
Walter Haug
Die Königin ,Sibille4 der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
und das Problem des Bösen im postarthurischen Roman...............................477
Ute von Bloh
Gefährliche Maskeraden. Das Spiel mit der Status- und Geschlechtsidentität
(,Herzog Herpin',,Königin Sibille',,Loher und Maller', ,Huge Scheppel')...........495
Klaus Graf
Ritterromantik? Renaissance und Kontinuität des Rittertums im Spiegel
des literarischen Lebens im 15. Jahrhundert.......................................517
Wolfgang Haubrichs
Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs.
Eine poetische Übersetzung Elisabeths aus dem Französischen?......................533
8
Gerhard Sauder
Die Rezeption der Prosaromane Elisabeths von Nassau-Saarbrücken:
Vom ,Volksbuch£ bis zur Romantik................................................569
Hans-Walter Stork
Die handschriftliche Überlieferung der Werke Elisabeths von Nassau-Saarbrücken
und die malerische Ausstattung der Handschriften................................591
Eva Wolf
Die Sprache der Bilder. Bild-Erzählung in den Handschriften
der Romane der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken.................................607
Christof Trepesch
Die Grabtumba der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
im Kontext zeitgenössischer Sepulkralkunst......................................623
Verzeichnis der Abbildungen.................................................... 657
Bildnachweis....................................................................660
Verzeichnis der Abkürzungen.....................................................661
Nachweis der zitierten Handschriften........................................... 664
Orts- und Personenregister......................................................667
9
Abb. 2: Eine Löwin trägt das von Herpins Frau geborene Kind weg. Holzschnitt aus
,Herpin-...Frankfurt: Reffeier, ca. 1579, Herzog August Bibliothek Wolfen-
büttel 556 • 11 Hist. 8°, vgl. auch das Titelblatt (Abb. 48 auf S. 579 dieses Ban-
des).
10
Die vier Prosahistorien Elisabeths - Skizzierung ihres Inhalts
Wolfgang Haubrichs
Vor ungefähr 600 Jahren wurde Elisabeth von Lothringen-Vaudemont geboren, 1412
wurde sie mit Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken vermählt, von 1429 bis 1442 führte
sie die vormundschaftliche Regierung der nassau-saarbrückischen Lande. Sie starb am 17.
Januar 1456 und wurde in der Kirche des Kollegiatstiftes St. Arnual, heute Stadtteil von
Saarbrücken, beigesetzt. Sie ist nicht die erste und nicht die letzte Regentin der Grafschaft
Saarbrücken, aber sie ist die bekannteste. Das mag daran liegen, daß ihre qualitätvolle
Grabtumba an zentraler Stelle im Chor der Stiftskirche deutlich sichtbar an sie erinnert
und daß ihre Übertragungen französisch gereimter Ritterepen in spätmittelhochdeutsche
Prosa ihr einen Platz in der Literaturgeschichte und der Geschichte des französisch-
deutschen Kulturaustausches gesichert haben. Die von ihr übertragenen Chansons de ges-
te behandeln in einem vierteiligen Zyklus Stoffe aus dem Sagenkreis um Karl den Großen
und seine Nachkommen.
Stilkritische Forschung hat festgestellt, daß Elisabeth mit der Geschichte von Herpin
von Burg es und seinem lieben sun Hem, also der Übertragung der chanson de geste ,Lion de
Bourges‘ begonnen hat. Das Epos beginnt am Hofe Karls des Großen zu Pfingsten, mit-
ten im höfischen Fest. Herpin, der Herzog von Bourges, rächt einen Schimpf, den ihm
sein Gegenspieler, Herzog Clarius, zufügt, in Selbstjustiz und enthauptet den Verleumder:
darumb muß er vor aller Ritterschaft sterben, gog damit sin schmrd auß und drat für Clarien ... und
gerspielde im sin heubt.
Damit hat er sich außerhalb der vom Kaiser garantierten und den Hof als besonderen
Friedensbezirk umfassenden Rechtsordnung gestellt. Er wird zum Tode verurteilt, nur der
Fürsprache seiner einflußreichen Verwandten hat er es zu verdanken, daß das Urteil in
Verlust seiner Besitztümer und Verbannung umgewandelt wird. Dieses Urteil löst eine mit
allerlei Motiven der Weltliteratur aufgefüllte Serie von Abenteuern, Irrfahrten, Kämpfen
und Eroberungen aus, die über drei Generationen reicht. Herpin wird sein Erbland nie
Wiedersehen, er fällt im Kampf einem Verräter zum Opfer. Erst sein Sohn Lewe — von
einer Löwin aufgezogen (Abb. 2-4) — kann Bourges zurückerobern, doch das vor allem
auf Grund jenseitiger Hilfe: er erlöst einen toten Ritter aus seiner schmählichen Grabstät-
te - ein Wirt hatte ihn wegen Zechprellerei in den Rauchfang gehängt. Der ,dankbare To-
te£ hilft dem Helden von nun an beständig als überirdischer „weißer Ritter“. Das interna-
tionale Erzählmotiv besitzt hier die Funktion, die Begnadung des Helden auszudrücken,
der sich am Ende seines Lebens zu Buße und Reue in eine Einsiedelei zurückzieht. Erst
Lewes Söhnen Wilhelm und Oleybaum gelingt die endgültige Befreiung des Landes von
ungerechten Tyrannen.
Auch die zweite Erzählung, die Elisabeth übersetzte, setzt bei Karl dem Großen ein: es ist
mit den Worten Elisabeths das buch von koning Karl von franckrich und siner husfroumn Si-
ll
Abb.3: Eine Löwin trägt das von Herpins Frau geborene Kind weg, Miniatur aus der
,Herpin£.-Handschrift Heidelberg, Cod. Pal. Germ. 152.
billen die umb eines getwerch willen verjaget wart, die schon ältere ,Chanson de la reine Sibillef
Es handelt sich um eine — natürlich völlig unhistorische — Adaption des Sagenmotivs von
der verleumdeten und vertriebenen Frau, handelt von elendem Verrat und großer Treue.
Ein mißgünstiger Zwerg legt sich in unehrenhafter Liebe zu der schlafenden keuschen
Königin; der von der Jagd zurückgekehrte König findet das unfreiwillige Paar und läßt die
Königin zum Feuertode verurteilen; erst der Umstand, daß sie ein Kind erwartet, und die
12
Abb.4: Vier Frauen sprechen ihre Wünsche für den Lebensweg des von der Löwin ge-
pflegten Kindes aus, Miniatur aus der ,Herpin’-Handschrift Preußischer Kul-
turbesitz, Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung Germ. Fol. 464.
Fürbitte großer Paladine vermögen den König dazu zu bewegen, die Strafe in Verban-
nung zu mildern. Die Geschichte wird bewegt von den großen Affekten der Menschen,
doch hält Gott seine Hand über alles Geschehen. Nach ausdauernder Verfolgung durch
einen schurkischen Verräter, nach unglaublichen Irrfahrten und Gefährdungen, nur be-
schützt von einem ungestalten Bauern und einem in Buße ehrlich gewordenen Dieb und
Zauberer wird die verfolgte Unschuld endlich reumütig von dem die Wahrheit erkennen-
den Karl wieder aufgenommen. Gerade die ,Sibille£ — in ihrer Erzählstruktur nicht unge-
schickt angelegt — zeigt romaneske und groteske Motive und Charaktere, die das eher an
eindimensionale Adelshelden gewöhnte Publikum zu faszinieren vermochten: Zweikampf
nicht zwischen zwei gerüsteten Rittern, sondern zwischen dem Verräter und dem bis über
den Tod treuen Hund seines Opfers; ins Gute gewendete Wundertaten eines ehemals bö-
13
sen Magiers, der nun selbstlos für die hilflose Mutter und ihr Kind sorgt; die komische,
mit treuem Heldenherzen und dickem Knotenstock bewaffnete Heroengestalt des hilfrei-
chen Bauern Warakir.
Über sich selbst hinaus weist Elisabeths Sibyllenhistorie durch die genealogische Notiz
des Schlusses. Nachdem Karl seine Gattin und seinen Sohn Ludwig in die Arme geschlos-
sen hat, die Verräter am Galgen gehängt wurden, heißt es:
Also wart könig Karl und sin husfrouwe wolgesünt und gewonnen darnach eynen sone der wart ein keyser
yu Rome und wart genant lohir. darnach gewonnen sye ein dochter, die wart ein Gräffyn yu pontus, die
gewan eynen sone hiesy isenbart. der was der; den sin vetter könig ludewig verjagete usy allen Crysten lan-
den als ir hernach werdent hören.
Genau diese Geschichte erzählt Elisabeth in ihrer dritten Übersetzung — , L o h e r und
M a 11 e r ‘. Erneut nimmt die Geschichte ihren Ausgang vom Hofe des nun schon alten
Karls. Der jüngere Sohn Karls nämlich, Loher, nam in allen tugenten yuo / und was geil undfrö-
lich. Damit geviele er den frawen so wol / day sie in so lib gewunnen day es die ritterschafft ser verdroß
gemein lieh. Die erzürnten Väter der verführten Töchter klagen Loher an und erreichen sei-
ne Verbannung. Damit nimmt die Handlung ihren Anfang und wird in drei Teilen organi-
siert. Der erste Teil spielt das Motiv vom getreuen und ungetreuen Freund durch: Loher
wird durch einen Verräter gefangen genommen, mit Hilfe des treuen Gesellen Maller aber
befreit und schließlich sogar König von Konstantinopel. Der zweite Teil variiert das Mo-
tiv von den „feindlichen Brüdern“: Inzwischen ist nämlich König Karl gestorben und
Ludwig hat seinen Platz eingenommen, den er auch dem rückkehrenden Loher nicht
räumt. Der Erbstreit der Brüder wird vom Papst geschlichtet: Ludwig soll französischer
König bleiben, Loher wird Kaiser von Rom. Die bösen Räte Ludwigs, identisch mit den
einstmals betrogenen Vätern, entmannen Loher, angeblich aus Rache, in Wahrheit jedoch
aus staatspolitischen Gründen; die Entmannung soll den Nachkommen Ludwigs auch das
Kaiserreich sichern. Umsonst: sie wissen nicht, daß Loher im Orient bereits einen Sohn
hat, Marphone, den König von Griechenland. Nach wechselvollem Kampf schlagen Lo-
her, sein Freund Maller und Marphone gemeinsam die Verräter, die hingerichtet werden.
Nach einem Intermezzo, in dessen Verlauf Loher seinen unerkannten Freund Maller im
Zweikampf tötet und damit einen Rachefeldzug der Verwandten Maliers auslöst, verkün-
det der Papst eine neue Weltordnung, welche Lohers Nachkommen vom Kaisertum aus-
schließt. Frankreich soll Erbkönigtum bleiben, das Kaiserreich aber soll eine Wahlmonar-
chie werden, in der stets der Stärkste und Beste zum Herrscher gekürt wird. Hier gab das
Epos eine Antwort auf die noch die Zeitgenossen Elisabeths bewegende „Frage, wie es
denn zu erklären sei, daß die römische Kaiserwürde und die französische Königswürde
nicht mehr wie bei Karl dem Großen auf einen Monarchen vereinigt sind, andererseits das
Königum noch weiter, das Kaisertum aber nicht mehr auf Erbfolge beruhte“ (Gaston Pa-
ris).
Der dritte Teil des ,Loher und Mallerc-Epos, der stoffgeschichtlich auf die alte chanson von
,Gormond et Isembard4 zurückgeht, wird von den Interpreten oft nur als Anhängsel be-
trachtet, doch genau hier, im Kampf des Neffen Isembard gegen den legitimen König
14
Ludwig, wird eine Antwort auf eine weitere reichsgeschichtlich-genealogische Frage gege-
ben: Wie kam es, daß Karls Geschlecht im Königtum Frankreichs durch ein anderes Ge-
schlecht abgelöst wurde? Dadurch nämlich, daß der schwache König Ludwig keine Söhne
hat, zum Verderben Frankreichs, wie die Historie Hug Schaplers meldet - so Elisabeth in einer
Vorausdeutung auf ihre letzte Übertragung, die sie am Ende des Epos nochmals verstärkt:
Ludwig ist trotz siegreicher Schlacht auf den Tod verwundet, er stirbt in Metz, wo in der
Tat Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, begraben lag. Er, der König, lies^ ein ei-
nich tochter, die hies7K marie, die wart eym gesellen, der hies% huge scheppel, \u elichem wibe und wart eyn
konig Inn franckrich, das erwarte er mit siner kunheit, als man dasg in sime buche eigentlich findet.
Die Geschichte des Stammvaters des neuen Geschlechts der Könige von Frankreich er-
zählt Elisabeth in sime buche, im,Huge Scheppel', dem eingedeutschten Namen für
Hugues Capet, der in der Tat in der Vorzeit, im zehnten Jahrhundert, ein neues französi-
sches Königshaus, die Dynastie der Kapetinger, begründete. Es ist der unaufhaltsame,
von Gott begünstigte Aufstieg eines archaischen, von feudaler Vitalität erfüllten Krafthel-
den bis zur höchsten Würde Frankreichs. Huge Scheppel wird als Sohn eines Ritters und
einer Metzgerstochter geboren, er ist also einer der ständisch gebrochenen Helden, wie
wir sie schon in den vorhergehenden Arbeiten Elisabeths kennengelernt haben. Nach
dem Tode des Vaters pflegt Hug einen aufwendigen adligen Lebensstil, bringt jedoch als-
bald sein Hab und Gut durch, kommt damit - wie die Übersetzerin sagt - aus der art des
Adels. Erst sein reicher Pariser Metzgersonkel gibt ihm neue Ausrüstung und neues Start-
kapital und damit auch eine neue Chance. Er geht zunächst auf Abenteuerfahrt, im Hen-
negau und in Brabant verführt er in kürzester Zeit die schönsten Töchter des ansässigen
Adels und zeugt zehn Söhne. Nach Paris zurückgekehrt, greift er in den ausgebrochenen
Konflikt zwischen einem aufständischen Kronvasallen, der die Erbtochter des König-
reichs zur Heirat zwingen will, und der verwitweten Königin ein. Er tötet den Rebellen;
im Kampf gegen seine Anhänger, die Paris belagern, zeichnet sich der kone wolgestalte man
so aus, daß man ihn zum Herzog von Orléans beruft, ihn mit einem königlichen Pfauen-
mahl ehrt, ihm das königliche Lilienwappen und die königliche Rüstung überträgt. Seine
zehn Söhne, von seinem Ruhm angelockt, stoßen zu ihm, zeichnen sich ebenfalls durch —
ererbte —Tapferkeit aus und helfen ihm gegen die Feinde. Der Vorkämpfer Frankreichs
erhält schließlich die Tochter des Königs Ludwig zur Frau und wird neuer König, zeugt
wiederum vil sun und damit eine neue Dynastie. Auch einen gefährlichen Aufstand seiner
Gegner kann er niederschlagen. Die Verräter werden hingerichtet.
In ,Hug Scheppel4 wird ein feudales Wunschbild der herrlichkeit, ein adliges Herrenideal,
das sicherlich für die Zeit schon nahezu unerfüllbar geworden war, nach Art und Weise
der chanson de geste in die Vorzeit projiziert. Der charismatische Held ist geprägt durch sei-
ne art, seine Natur, die ihm Stärke, Kühnheit, Ausdauer, Geschicklichkeit, Gewaltlust,
Schönheit, erotische Attraktivität und als Zeichen seines Heils - anders als etwa dem heil-
losen König Ludwig beschieden war — eine unbändige Zeugungskraft mitgibt. Seine Kör-
perkraft und Kühnheit schenkt ihm stets den Sieg über seine Feinde, seine militante Vita-
lität wird — hier wirkt das Erbteil der Metzgerstochter mit — bis zur Brutalität gesteigert,
wenn man von ihm sagt, daß er das Fleisch seiner Feinde schrote wie auf einer Metzelbank.
15
So wie er seine sexuelle Vitalität ohne Grenzen auslebt, so auch seine militärische, bis zur
Lust am Töten steigerungsfähige Natur, deren Exzesse von Elisabeth kurz, kühl und kraß
geschildert werden: ... huge hub sin schaff ax uff und traffyne oben in das visere so crefftenlich / Das
eryme das hyme Im heubte gurdeylte / und den schedel von einander erslug / von dem blude wart der
hertgog so vaste verblyndet... viele er von syme rosse gu der erden nieder. Diese Außerordentlichkeit,
diese Exzessivität des Vorzeithelden, der in Harmonie von ungehemmter kriegerischer
Virtus und ungehemmter Sexualität das Recht der Individualität, des autonomen Helden
gegen die Umwelt zu behaupten scheint, bleibt aber dennoch, und das ist das Besondere
des Epos, eingebunden in das Recht. Sie ist nur erträglich, weil alle Kämpfe Hugs Kämpfe
sind gegen Verrat und Hinterlist, Kämpfe „im Dienst der gerechten Sache des legitimen
Königtums gegen verräterische Verschwörungen des Adels“ (Walter Seitz). Der Metzgers-
sohn im Kriege ist zugleich ein Höfling bei Hofe, der als Aufsteiger die gesetzte Ordnung
respektiert und so integriert werden kann. Kühnheit und Unerschrockenheit im Kampf
vereinbart er mit Sanftheit im gesellschaftlichen Gebaren. So vermag seine Umgebung in
ihm alle Helden der Vorzeit wiederzuentdecken: Hector und Melidus, Roland und Olivier,
Wilhelm von Orange, Otger von Dannemark, Judas Makkabäus und Alexander, er über-
trifft sie alle. Seine paradoxe Harmonie von autonomer Vitalität und höfischer Gesell-
schaftlichkeit befähigt ihn zum Königtum. Das Faszinosum wird im Epos der Elisabeth
selbst ausgesprochen:
Das iest keyn wonder nit: eyn man ist nit dann eyn man. Dannoch ist eyn man gehen ander man wert /
So nu eyner gut getruwe ist und küne ist / wolgeschicket, von allen gjyddem lieplich wolgetan / und das
er sich fochten dut / alle die, die nyedderyene strydent odirfechtent / und ouch heldet, was er gelobet ¡So
sol er des ouch gebessert werden und liep gehabt sin /
Der Außerordentliche ist gekennzeichnet durch Treue, Gewandtheit, Schönheit und
Kampfkraft. Das sichert seinen Aufstieg in die friuntschaft und magschaft, d. h. Verwand-
schaft der Könige, wie das der Königin in den Mund gelegte Wort vom liep haben, das
rechtliche Bedeutung hat, signalisiert. Der Aufstieg des charismatischen Parvenüs, ohne-
hin schon gemildert durch die Verlegung des Geschehens in die graue Vorzeit, wird vol-
lends verständlich durch die darin erkennbare Heils- und Gnadenführung Gottes. Gerade
die Interpretationslinie, die zum Gottesgnadentum des Herrschers, seiner unmittelbaren
Legitimation aus Gott führt, hat Elisabeth nachweislich gegenüber ihrer französischen
Vorlage verstärkt: Die Bedeutung der Gnade aber kann um so deutlicher im Lebensweg
eines Helden hervortreten, je geringer er seiner Herkunft nach ist. Gott ließ in dieser in
der Vorzeit spielenden Geschichte erkennen, daß das Königtum dem wirklich tüchtigsten,
weil tapfersten und stärksten Geschlecht zugefallen ist: den Kapetingern.
Nach Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von ,franckrichs wappen‘. Königsgeschichte und genealogische Mo-
tivik in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht
43(1991) H.4, S. 7-11.
16
Kurze Forschungsgeschichte zum literarischen Werk Elisabeths
Wolfgang Haubrichs
Beachtung von literaturwissenschaftlicher Seite findet Elisabeth von Lothringen und Nas-
sau-Saarbrücken seit knapp zwei Jahrhunderten. In den Jahren 1804/05 übertrug Do-
rothea von Schlegel den Text des ,Loher und Maller' in eine gekürzte neuhochdeutsche
Fassung, die in Friedrich von Schlegels Ausgabe romantischer Sagen und Dichtungen er-
schien. In dem kurzen Vorwort wird Elisabeth von Nassau-Saarbrücken als Übersetzerin
genannt. Karl Simrock gab 1868, ebenfalls in neuhochdeutscher Übertragung, den voll-
ständigen Text eines Straßburger Druckes von ,Loher und Maller' aus dem Jahre 1514
heraus und äußerte dabei die Vermutung, daß auch ,Herpin' von ihr stamme, den er, wie
auch den ,Hugscheppel‘, in seinen Volksbüchern veröffentlicht hatte. Hermann Urtel
edierte 1905 den ,Hugscheppel‘ nach einer Hamburger Handschrift und schrieb ihr auch
,Sibille' zu, die in derselben Hamburger Handschrift überliefert ist.
Alle neuere Forschungsgeschichte1 zu den Übersetzungen Elisabeths aus dem Französi-
schen hat ihren Ausgang genommen und muß ihn auch heute noch nehmen von dem er-
ratischen Block, den die Untersuchungen des bedeutenden Philologen Wolfgang Liepe,
die 1920 als Ergebnis einer Hallenser Habilitationsschrift erschienen2, errichtet haben.
Wer sich in der germanistischen Forschungslandschaft der Zeit um den ersten Weltkrieg
auch nur ein wenig auskennt, weiß, wie kraftvoll die Arbeit Liepes den damals üblichen
Standard philologischer Qualifikationsarbeiten nicht nur erreichte, sondern wohl auch
überstieg.
1 Vgl. für ältere Überblicke über die Forschungsgeschichte: Volkelt, Peter: „Elisabeth von Lothringen,
Gräfin zu Nassau und zu Saarbrücken in Geschichte, Literatur und Bildender Kunst“, in: Ztschr. für die
Geschichte der Saargegend6/7 (1956/57), S. 37-54; Marie-Luise Linn (Hg.): HugSchapler. Ein liephchs lesen und
ein warhafftige Hystorij (= Deutsche Volksbücher in Faksimiledrücken, Reihe A, Bd. 5), Hildesheim/New
York 1974, Nachwort; Hans Hugo Steinhoff: „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Die deutsche Litera-
tur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2 (1980), Sp. 482-488; Gerhard Sauder: „Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken und ihre Prosaromane“, in: Saarländische Lebensbilder, Bd. 1, Saarbrücken 1982, S. 31-
56; Bernhard Burchert: Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaergählungen Elisabeths von Nassau-
Saarbrücken, Frankfurt a.M./Bern 1987; Xenia von Ertzdorff: Romane und Novellen des 15. und 16. Jahrhun-
derts in Deutschland, Darmstadt 1989, S. 200f£; Ursula Liebertz-Grün: „Höfische Autorinnen. Von der
Renaissance bis zum Humanismus“, in: Gisela Brinkler-Gabler (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1:
Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jhs., München 1988, S. 39-64, hier S. 54-59; Thomas Gramer: Ge-
schichte der deutschen Literatur im späten Mittelalter, München 1990 (dtv 4553), S. 70-73; Peter Nusser: Deutsche
Literatur im Mittelalter. Lebensformen, Wertvorstellungen und literarische Entwicklungen, Stuttgart 1992, S. 292.
2 Wolfgang Liepe: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland, Hal-
le a.S. 1920; ferner Ders.: „Die Entstehung des Prosaromans in Deutschland“, in: Ztschr. für Deutschkunde
36 (1922), S. 145-161; neu in: Ders.: Beiträge %ur Literatur und Geistesgeschichte, Neumünster 1963. Vgl. zur
Forscherpersönlichkeit Liepes G. Sauder in diesem Band S. 41-47.
17
Ist Elisabeth fortan immerhin in Literaturgeschichten durchweg beachtet worden3, so war
doch der weiteren Forschung wenig förderlich, daß nur die Hamburger, vom Sohn Jo-
hann III. (1442-1472) veranlaßte Handschrift des ,Huge Scheppel4 (entstanden ca.
1455/56 oder bald danach) seit 1905 in einer Faksimile-Edidon vorlag4. Daneben erlebte
der in der Offizin Grüninger 1500 zu Straßburg veranstaltete Druck des ,Hug Schapler4
seit 1928 mehrere und sich qualitativ stetig verbessernde Neueditionen5. Die in der selben
Handschrift überlieferte Übersetzung des Sibillenromans, die Übertragung der Chanson
von der ,Reine Sibile‘, wurde immerhin 1977 von Hermann Tiemann modern ediert6. Für
den sog. ,Herpin4 8, das Lemnbuch von Burges in Berrye1, die Übertragung der Chanson de ges-
te von ,Lion de Bourges4, und den die Thronwirren nach dem Tode Karls des Großen
und die Geburt von römisch-deutschem Imperium und französischem Regnum umkrei-
senden Roman ,Loher und Maller4® muß man immer noch auf die problematischen Über-
setzungen und Bearbeitungen Karl Simrocks von 1865 und 1868 zurückgreifen. Eine
schon 1972 angekündigte Gesamtedidon von Hans Gerd Roloff ist zum Leidwesen der
Forschung immer noch nicht erschienen9, jedoch ist es dem Verdienst einer von Helga
Lengenfelder betreuten Reihe von Mikrofiche-Edidonen zu verdanken, daß immerhin ein
Großteil der handschrifdichen Überlieferung nun in fotogradschen Farbkopien zugäng-
lich ist10.
3 Vgl. z.B. Heitz, Paul/Ritter, Franz J.: 'Versuch einer Zusammenstellung der Deutschen Volksbücher des 15. und 16.
Jhs., Straßburg 1924, S. 73f£, 93£, 218; Günther Müller: Deutsche Dichtung von der Renaissance bis %um Aus-
gang des Barock, Potsdam 1927, S. 74f£; Vogt, Friedrich / Koch, Max: Geschichte der deutschen Literatur von
den ältesten Zeiten bis %ur Gegenwart, 5. Aufl., Leipzig 1934, Bd. 1, S. 228£; Ehrismann, Gustav: Geschichte der
deutschen Literatur bis %um Ausgang des Mittelalters, TI. II, 2,2, 1935, Neudruck: München 1966, S. 51 Off.
[Lit.]; Rupprich, Hans: Die deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis •gum Barock, TL 1, München 1970 (=
Geschichte der deutschen Literatur von Helmut de Boor u. Richard Newald IV,1), S. 74f£, 738.
4 Urtel, Hermann (Hg.): Der Huge Scheppel der Gräfin Elisabeth von 'Nassau-Saarbrücken nach der Handschrift der
Hamburger Stadtbibliothek, Hamburg 1905.
5 Kindermann, Heinz (Hg.): Volksbücher vom sterbenden Rittertum, Weimar/Leipzig 1928 (= Deutsche Litera-
tur in Entwicklungsreihen, Reihe Volks- und Schwankbücher 1), S. 23-114; Linn (wie Anm. 1); Jan Dirk
Müller (Hg.): Romane des 15. und 16. Jhs. Nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten, Frankfurt a.M.
1990 (= Bibliothek der Frühen Neuzeit, 1. Abt. Bd. 1), S. 177-381, 1088-1158 [dort auch der Druck von
1537].
6 Tiemann, Hermann (Hg.): Der Rjoman von der Königin Sibille in drei Prosafassungen des 14. und 15. Jahrhunderts,
Hamburg 1977. Eine Übersetzung liegt vor mit: Elisabeth von Lothringen, Gräfin %u Nassau und Saarbrücken:
Sibille. Das Buch von König Karl von Franckrich und siner Husfromn Sibillen die umb eins Getwerch willen verjaget
wart. Eine freie Übertragung von Yvonne Rech, St. Ingbert 1994.
Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 483f.
8 Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 485f.
9 Angekündigt bei Brandis, Tilo: Die Codices in scrinio der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 1-110,
Hamburg 1972 (= Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Bd. VII),
S. 46-48.
10 Bloh, Ute von (Hg.): Historie von Herzog Herpin. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 152. Farbmikrofiche-Edition, München 1990;
Müller, Jan Dirk (Hg.): Huge Scheppel/Königin Sibille. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nas-
18
In den Vorreden dieser Faksimile-Edidonen und in zwei bedeutsamen Untersuchungen
zur späteren Druckgeschichte Elisabeths von Ralf Konczak11 und Bodo Gotzkowsky12
sind die insgesamt eher spärlichen Fortschritte auf dem Gebiete der Überlieferung und
Textgeschichte der literarischen Werke Elisabeths dokumentiert. Auch hier repräsentiert
die Untersuchung Liepes für weite Bereiche immer noch den Stand der Forschung. Erst
neuerdings freilich gelang Ute von Bloh die Sicherung zweier Einzelergebnisse, die be-
trächtlich weiterführen: Bei ,Loher und Malier4 kann sie nachweisen, daß die Langfassung
der Übersetzung (Hamburger und Kölner Handschrift) im 15. Jahrhundert von Kurzfas-
sungen (Heidelberger, Prager und Wiener Handschriften) begleitet wurden, denen letzt-
lich auch der Straßburger Grüninger-Druck von 1514 — auf einer der aus dem westdeut-
schen Raum stammenden Wiener Handschrift nahestehenden Vorlage fußend — zuge-
hört13. Für den ,Herpin4 konnte sie endgültig nachweisen, daß der Straßburger Druck von
1514 in seiner Bearbeitung direkt von der Braunschweiger, heute in Wolfenbüttel liegen-
den, auf den Saarbrücker Hof zurückzuführenden Handschrift abhängig ist14. Da die
Kurzfassung des ,Loher und Maller4-Romans sich zuerst bei Elisabeths Tochter Marga-
rethe von Rodemachern 1449 findet, andererseits die Druckfassung des ,Hug Schapler4
eine kürzende, selbständig auf eine Vorstufe der Hamburger Fassung zurückgehende und
möglicherweise auch aus Kenntnis französischer Überlieferung bessernde Bearbeitung des
ehemaligen Saarbrücker Bediensteten und Schreibers Conrat Heyndörffer darstellt, schei-
nen auch die Erstdrucke letzten Endes auf den Saarbrücker Hof zurückzuverweisen, wo-
bei dieses möglicherweise nur indirekte Verhältnis aber durchaus noch weiterer Erör-
terung bedarf.
jau-Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12 in scrinio. Farbmikrofiche-Edition, Mün-
chen 1993; Bloh, Ute von (Hg.): Hoher und Maller. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 und 11a in scrinio. Farbmikrofiche-Edition,
München 1995. In Vorbereitung ist die Edition der zur Serie der Hamburger Prachthandschriften gehö-
rigen ,Herpin‘-Handschrift Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek (Cod. 46 Novissimi 2° (B) durch
Eva Wolf (Saarbrücken).
11 Konczak, Ralf: Studien zur Druckgeschichte zweier Romane Elisabeths von Nassau-Saarbrücken:,Hoher und Maller‘
und,Herpin\ Frankfurt a.M. 1991.
12 Gotzkowsky, Bodo: , Volksbücher'. Prosaromane, Renaissancenovellen, Versdichtungen und Schrvankbücher. Biblio-
graphie der deutschen Drucke. TI. 1: Drucke des 15. und 16. Jhs., Baden-Baden 1991 (= Bibliotheca Bibli-
ographica Aureliana, Bd. 125), S. 79ff, 83ff, 89ff. Weitere Hinweise auf ,Hug Schapler‘-Drucke bei
Schanze (wie Anm. 24), S. 262ff.; Kratzsch, Konrad: Kostbarkeiten der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek
Weimar, 2. Aufl. Leipzig 1994, S. 152ff. [Druck von 1537].
13 von Bloh 1995 (wie Anm. 10), S. 12ff.; demnächst Bloh, Ute von: Ausgerenkte Ordnung. Hier Prosaepen aus
dem Umkreis der Gräfin Elisabeth von Nassau Saarbrücken, München ca. 2000 (= Münchner Texte und Un-
tersuchungen, Bd. 120) [im Druck], Abschnitt 1. Die Kölner Handschrift ist eine um 1486 entstandene,
aus der Bibliothek der mit dem Hause Saarbrücken verwandten Grafen von Manderscheid-Blankenheim
stammende Abschrift der für den Saarbrücker Hof gefertigten Hamburger Handschrift.
14 von Bloh (wie Anm. 13), Abschnitt 1. Bisher ging man von einer Abhängigkeit des Drucks von 1514 von
einer der Wolfenbütteler Hs. verwandten Vorlage aus: von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 59, Anm. 36;
Emil Müller: Überlieferung des Herpin von Burges, Diss. Halle a. S., 1905, S. 35f£; Liepe (wie Anm. 2), S. 112;
Burchert (wie Anm. 1), S. 197f.
19
Die weitere Rezeption des 16. bis 17. Jahrhunderts15, die allmählich den Roman um den
ersten Kapetinger auf dem französischen Thron, Hugo Capet, in den Vordergrund schob,
hat auch die Editions- und Forschungsgeschichte bis heute geprägt, die sich nur zögernd
in den letzten Jahren den anderen Übersetzungen Elisabeths zuwandte. Dabei muß die
handschriftliche Überlieferung und damit die primäre Rezeption aus einer ganz anderen
Perspektive gesehen werden. Es war der ,Loher und Maller', der die Entstehung des ,Rö-
mischen Reiches deutscher Nation4 und seiner Wahlmonarchie sowie die Dissoziierung
des Königreiches Frankreich und seiner Erbmonarchie episch erläuterte, welcher im Vor-
dergrund des Interesses stand. Wir besitzen davon oder können doch postulieren sieben
bis acht Handschriften, die beiden der Langfassung (1455/56 und ± 1486) und die drei
der Kurzfassung (1463, 1482, 1493), wobei der Codex Heidelberg UB 1012, geschrieben
1463 von dem Trierer Dominikaner Johannes von Worms , nach Ausweis des Kolophons
auf zwei hintereinander geschaltete Vorlagen, beide für Margarethe von Rodemachern in
den Jahren 1449 und 1457 verfertigt, zurückgeht. Dazu kommt — wenn nicht mit einer der
verlorenen Handschriften identisch - noch die Vorlage des Grüninger-Drucks von 151416.
Die 1437 von Elisabeth durch sich selhs, also in eigenem Tun, bedütschetf] Chanson de geste
von ,Loher und Maller4 - sicherlich eine der späteren im Kontext der französischen Lite-
raturgeschichte — hatte ja schon das bevorzugte Interesse von Elisabeths Mutter, der jrorn
Margrette greffynne gu nyedemont vnd from c%u Genville hert^og frydericbs von lottringen graffen c^u
wiedemont hussfram gefunden, die das Lied im Jahre 1405 aufzeichnen ließ, wie ein am
Schluß aller ,Loher und Maller'-Handschriften befindlicher vertrauenswürdiger, geradezu
memoria-orientierter Passus betont17. Erst 1988 konnte in Wiesbaden aus ursprünglich
Saarbrücker Besitz ein in Lothringen geschriebenes Fragment der französischen ,Loher
und Maller4-Fassung, die sonst nur durch Elisabeth und eine mittelniederländische Über-
setzung repräsentiert wird, aufgefunden und von Ulrich Mölk ediert werden18.
15 Vgl. den Beitrag von Gerhard Sander in diesem Band, S. 569-590.
16 Das Kolophon findet sich in diesem Band, Abb. 49 auf S. 594. Vgl. dazu von Bloh 1995 (wie Anm. 10),
S. 12f.; Wolfgang Haubrichs, in diesem Band, S. 533ff.. Die Datierung der beiden von Trierer Schreibern
vorgenommenen Abschriften nach spezifisch Trierer Heiligen (Agritius, Helena) verstärkt noch die Be-
ziehungen zur Bischofsstadt an der Mosel, zu der auch Elisabeths Tochter Margarethe intensive Bindun-
gen besaß. Die auffällige Handschriften-Genealogie unter Nennung auch der Mutter vermag zu zeigen,
in welcher Art und Weise das Haus Nassau-Saarbrücken wie bei den Hamburger Handschriften die
Übersetzungen mit dem Namen Elisabeths verband und für deren Rezeption sorgte.
17 von Bloh 1995 (wie Anm. 10), S. 16f.; Dies, (wie Anm. 13), Abschnitt 1. Deutlich scheint nun zu sein,
daß man nicht mehr unbesehen bereits der lothringischen Mutter die Zusammenstellung der vier franzö-
sischen Chansons de Geste zu einem Zyklus zuweisen darf.
18 Mölk, Ulrich: „Lohier et Malart. Fragment eines verschollenen französischen Heldenepos“, in: Nachrich-
ten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philologisch-historische Klasse, 1988, Nr. 5, S. 135-164;
Ders.: „Lohier et Malart. Fragment düne chanson de geste disparue“, in: Romania 110 (1989), S. 466-492.
Einen auf die Art und Weise der Übersetzung gerichteten Textvergleich unternimmt Danielle Buschin-
ger: „Le roman en prose en Allemagne à la fin du moyen âge - ses relations avec la France“, in: Kasten,
Ingrid u.a. (Hgg.) : Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter. Transferts culturels et histoire littéraire
au moyen âge, Sigmaringen 1998, S. 155-174, hier S. 164-173. Ihr Fazit (S. 173) ist: ,,C‘est un tout autre
20
Für das Yjemn buch von Burges in Berrye lassen sich immerhin noch fünf Handschriften und
drei Fassungen rekonstruieren, die eine zwiefach in der vom Saarbrücker Hof ausgehen-
den Wolfenbütteler Handschrift (1455/72) und im Straßburger Druck von 1514 vorlie-
gend, die zweite, wohl älteste von der schwäbischen Berliner Handschrift (vor 1487) und
die dritte von der Heidelberger, wohl aus dem Besitz der späteren Pfalzgräfin und Elisa-
beth-Verwandten Margarethe von Savoyen stammenden Handschrift (± 1475), repräsen-
tiert19. Dazu kommt noch eine verlorene Handschrift aus der Bibliothek der Pfalzgräfin
Mechthild von Rottenburg, die wohl auch die Quelle für ,Herpin‘-Zitate in Werken ihres
Hofdichters Hermann von Sachsenheim bildete20.
Demgegenüber fanden sich der Sibillenroman und ,Huge SchepeF nur in der vom Saar-
brücker Hof initiierten Hamburger Handschrift21. Für die Verbreitung des ,Hugec darf
man vielleicht noch die schon erwähnte Bearbeitung Conrat Heyndörffers werten, die
1500 gedruckt wurde22. Die ,Sibille‘ fand nicht einmal spät zum Druck, wohl weil sie — wie
schon Liepe feststellte23 — der Konkurrenz einer ähnlich konstruierten motivgleichen
Versnovelle, der ,Königin von Frankreich4 des Schondoch (kurz vor 1400)24, erlag, die in
24 Handschriften verbreitet war, freilich auch nicht gedruckt wurde. Gedruckt allerdings
hatte Grüninger in Straßburg 1500 und 1508 in deutlichem Zusammenhang mit jeweiligen
,Hug-Schapler‘-Nachdrucken die ebenfalls um das Motiv der unschuldig verleumdeten
texte qui naît sous la plume d’Elisabeth, qui a de son travail d’adaptation une conception très élaborée.“
Damit geht sie über Liepe, der die Vorlagentreue Elisabeths betont hatte, weit hinaus. Vgl. dazu Bloh,
Ute von/Gärtner, Kurt/Heintze Michael, in diesem Band, S. 427-458. Zu berücksichtigen wäre auch die
niederländische Übersetzung: Vgl. Iwema, Klaas: „De middelnederlandse fragmenten van Loyhier et
Malart. Een bronnen uitgave“, in: Leuvense Bijdragen 75 (1986), S. 433-494.
19 von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 11, 28£, 30f£; von Bloh (wie Anm. 13), Abschnitt 1; Backes, Martina:
Das literarische Leben am kurpfäl^ischen Hof %u Heidelberg im 15. Jh. Ein Beitrag %ur Gönneiforschung des Spätmit-
telalters, Tübingen 1992, S. 184.
20 Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 484; Backes (wie Anm. 19), S. 191; Behrend, Fritz/Wolkan, Rudolf: Der Eh-
renbrief des Püterich von Reichertshausen, 1920, S. 17-31; Mueller, Martha: Der,Ehrenbrief des Jakob Püterich von
Reichertshausen, die ,Tumierreimei Johann Hollands, der ,Namenkatalog‘ Ulrich Fuetrers. Texte mit Einleitung und
Kommentar, Diss. City University of New York 1985, S. 67-146; dazu Grubmüller, Klaus, in: Herfasserlexi-
kon (wie Anm. 1), 2. Aufl., Bd. 7 (1989), Sp. 920ff. [Lit.]. Vgl. zum ,Herpin' Anm.67f.
21 Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 484f., 486£; Müller (wie Anm. 10), S. 7ff.
22 Sie geht jedenfalls auf eine ältere, der Hamburger Fassung vorausgehende Stufe der Übersetzung zurück,
die damit ein drittes, ältestes Textstadium repräsentierte. Vgl. Müller (wie Anm. 10), S. 15f.; Müller (wie
Anm. 5) S. 1090. Zu dem 1470 im Dienste Graf Johanns III. nachweisbaren schriber Heindörffer vgl.
Klein, Hanns: „Eine anonyme Buchdruckerfamilie im frühen 16. Jh. zu Saarbrücken. Bemerkungen zu
ihrer Herkunft, Beziehungen nach Straßburg und zum Saarbrücker Schmucksteingewerbe“, in: Saarheimat
15 (1971), H. 8, S. 154-159, hier S. 156; neu in: Eder-Stein, Irmtraut u. a. (Hgg.): Beiträge ^ur Geschichte von
Gewerbe, Industrie und Verwaltung im Westrich und an der Saar für und mit Hanns Klein aus Anlaß seines 75. Ge-
burtstages, St. Ingbert 1995, S. 191 f.
23 Liepe (wie Anm. 2), S. 181 ff.
24 Vgl. Arnold, Udo: „Schondoch“, in: Vefasserlexikon (wie Anm. 1), 2. Aufl., Bd. 8 (1992), Sp. 820-823.
Schon in einer ,Loher und Maller‘-Hs. von 1463 (Heidelberg UB 1012) ist Schondochs ,Königin' neben
dem ,Herzog von Braunschweig' hinzugefügt worden. Vgl. v. Bloh 1995 (wie Anm. 10), S. 11.
21
und verfolgten Gattin kreisende ,Königstochter aus Frankreich4 des Hans von Bühel (um
1400)25.
Viele der Handschriften, unter anderem die drei der durch den Sohn Elisabeths, den Gra-
fen Johann III. unternommenen Edition, sind mehr oder weniger aufwendig illustriert.
Auch hier ging in der Erforschung kaum zufällig der ,Huge Scheppel4 voran25 26. Inzwischen
gelang für den ,Herpin4 der Nachweis, daß die prächtige Heidelberger Handschrift der
Margarethe von Savoyen (JO 479) aus einer intensiv für diese Fürstin in den siebziger Jah-
ren des 15. Jahrhunderts arbeitenden schwäbischen Werkstatt, der sog. Ludwig Hennfflin-
Werkstatt, stammt27. Für den Berliner ,Herpin4 arbeitete ein auch durch weitere Zeichnun-
gen und ein Altargemälde bekannter, bisher anonymer Künstler des mittelrheinischen
Raumes28, der anscheinend auch für Nürnberger Patriziatsfamilien gearbeitet hat. Begon-
nen haben inzwischen auch ikonographische Analysen29; dennoch befindet sich die Erfor-
schung der reichhaltigen Illustrationen der Elisabeth-Handschriften und ihres Umkreises,
von der noch manche Einsichten zu erhoffen sind, ganz in den Anfängen.
Gelegentlich sind in letzter Zeit Zweifel an der Autorschaft Elisabeths aufgetaucht, vor al-
lem von Seiten der Geschichtswissenschaft30. Eine Dame ihres Standes habe nach höfi-
25 Gerdes, Udo: „Hans von Bühel“, in: Verfasserlexikon (wie Anm. 1), 2. Aufl., Bd. 3 (1981), Sp. 443-449;
Andreas Unterforstgruber: „Literarische Tradition und Zeitgeschichte: ,Die Königstochter aus Frank-
reich als Propagandadichtung, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/87), S. 103-116;
Schanze, Frieder: „Hans von Bühel ,Die Königstochter von Frankreich'. Struktur, Überlieferung, Rezep-
tion. Mit einem buchgeschichtlichen Anhang zu den ,Königstochter'- und ,Hug Schapler'-Drucken und
einem Faksimile der ,Königstochter‘-Bearbeitung des Cyriacus Schnauß“, in: Haug, Walter/Wachinger,
Burghart (Hgg.): Positionen des Romans im späten Mittelalter, Tübingen 1991, S. 233-327; Müller (wie Anm.
10), S. 29.
26 So schon 1905 Schmidt, Robert: in: Urtel (wie Anm. 4), S. 20ff. Vgl. ferner Müller (wie Anm. 10), S. 31 ff.;
Klein, Hanns: „Der Maler Jost von Saarbrücken und sein Auftrag zur Ausmalung einer Kapelle in der
Metzer Karmeliterkirche vom Jahre 1455“, in: 19. Bericht der Staatlichen Denkmalpflege im Saarland, Abt.
Kunstdenkmalpflege (1972), S. 41-54, hier S. 46f.; Ders.: „Der Maler Jost von Saarbrücken und die mittelal-
terlichen Fresken in der Köllner St. Martinskirche“, in: Eder-Stein (wie Anm. 22), S. 175-184, hier S. 178.
Nun in diesem Band Hans-Walter Stork, S. 591-606.
27 von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 33ff.
28 Bloh, Ute von: „Die Rationalisierung des Wunderbaren. Text und Bild der Löwenepisode in Handschrif-
ten und Drucken der ,Historie vom Herzog Herpin'“, in: Chloe. Beihefte %u Daphnis 20 (1994), S. 513-542,
hier S. 522ff. mit Verweis auf: Fedja Anzelewsky: „Eine Gruppe von Malern und Zeichnern aus Dürers
Jugendjahren“, in: Jahrbuch der Berliner Museen 27 (1985), S. 36-59. Vgl. ferner Brandis, Tilo u. a.: Zimelien.
Abendländische Handschriften aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesif Berlin, Wiesbaden 1975,
Nr. 99; Glan% alter Buchkunst. Mittelalterliche Handschriften der Staatsbibliothek. Preußischer KulturbesiP,? Berlin,
Wiesbaden 1988, Nr. 89, S. 190f.
29 von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 35f£; Dies. 1995 (wie Anm. 13), S. 22ff.; Dies, (wie Anm. 13), Ab-
schnitt 4; Eva Wolf in diesem Band, S. 607-624.
30 Spies, Heinz: „Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“, in: Ingrid Kasten u. a. (wie
Anm. 18), S. 85-101, besonders S. 98ff. Gerne wird man seinem Fazit zustimmen (S. 101), daß „die ade-
lige Beschäftigung mit der Literatur ... angesichts der großen Anziehungskraft von Jagden, Turnieren
und Festen auf die Hochadeligen nur als eine von vielen Ausdrucksformen des höfischen Daseins ver-
standen werden“ darf. Doch wirft seine Argumentation im speziellen Falle von Elisabeth durchaus Prob-
22
sehen Gepflogenheiten kaum selber übersetzt oder gar geschrieben. Schriftverkehr war an
einem Grafenhofe Sache von bediensteten Spezialisten. Konnte sie überhaupt genügend
gut Deutsch, um solch verhältnismäßig flüssig geschriebene Prosa, wie sie uns in ihren
Chanson de geste-Übersetzungen vorliegt, verfassen zu können?
Die Fragen sind sicherlich berechtigt, doch für die literarhistorische Bewertung nur von
begrenzter Relevanz. Selbst wenn ein anderer, ein Gehilfe vom Schlage des Conrad
Heyndörffer, die Übersetzungen vorbereitet oder verfaßt hätte, so muß es doch einen
kleineren oder größeren Anteil Elisabeths an den Prosatexten gegeben haben, und sei es
nur der Anteil der Anregung und Überwachung. Das Kolophon der im Auftrag ihres
Sohnes entstandenen ,Loher und Maller'-Handschrift hebt Elisabeths Anteils hervor
{durch sich selbs). Diese Aussage gewinnt noch stärkeres Gewicht, indem sie aufgrund der
Datierung der Entstehung der Handschrift durch Hans-Walter Herrmann auf 1455/56
nicht als Meinung der folgenden Generation aufzufassen ist, sondern eventuell noch in
den letzten Lebensmonaten Elisabeths selbst oder kurz nach ihrem Tode niedergeschrie-
ben wurde. Die von ihrem Sohn Johann 111. veranlaßten, mit Wappen ausgezeichneten
Prachthandschriften lassen sich ferner nur als ein Akt der Memorierung jener literarischen
Tat verstehen, die vom Saarbrücker Hof ihren Ausgang nahm und selbst das Kolophon
der Handschriften, die die Tochter Margarethe veranlaßte, gedenkt unmittelbar nach der
Mitteilung der ,Verdeutschung' der Mutterschaft der vorgenanten jrauwen Ely^aheth von loth-
ringer (Abb. 18) so daß auch hier der Gedächtnis und Nachfolge stiftende Charakter der
Abschrift deutlich wird. Und was heißt — vor allem am Rande des französischen Kultur-
raumes —, Hochadlige ,dichten' nicht? Ist nicht unter anderen gerade Elisabeths Bruder
Antoine, der französische Gedichte verfaßte, ein leuchtendes Gegenbeispiel? Mit allen
Einschränkungen und im Bewußtsein eines keineswegs allein von personaler und indivi-
dueller Urheberschaft geprägten spezifisch mittelalterlichen Autorkonzepts dürfen wir
auch weiterhin wohl von den literarischen Werken Elisabeths sprechen.
Sprache und Stil dieser Werke, auch die Frage ihrer Einheitlichkeit, sind nach den Ansät-
zen, die wiederum Liepe gab, wenig untersucht worden, was durchaus auch mit der man-
gelhaften Editionslage zusammenhängt. Eine dialektgeographisch vergleichende die raren
Zeugnisse des Frühneuhochdeutschen des rheinfränkischen, sprachgrenznahen Raumes
einbeziehende Untersuchung der Graphemik, des Lautstandes und des Wortschatzes ist
ebenso ein Desiderat wie eine Untersuchung des spezifischen Sprachstils dieser Texte
lerne auf. Er stützt seine Ansicht über die mangelnden Deutschkenntnisse Elisabeths auf einen Brief der
Gräfin an René von Anjou, in dem sie ihn auf eine spätere ausführliche Antwort in einer strittigen Ange-
legenheit vertröstet, weil ihr im Augenblick die Amtleute, Räte und andere Personen fehlten, die solche
brieffe %u dutschem verstentnisse brengen mochten. Der Brief ist bemerkenswerterweise in Deutsch geschrie-
ben. Wenn es sich nicht überhaupt um einen diplomaüschen Versuch des Zeitgewinns handelt, um nicht
dem wartenden Boten, wie René erbat, eine Antwort mitgeben zu müssen, so bleibt vor allem festzustel-
len, daß es sich hier ja um die französischen Briefe des Anjou handelt, die zu deutschem Verständnisse4
zu bringen waren. Es kann sich also wohl nur um Probleme der Fachterminologie gehandelt haben, wel-
che die Gräfin nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte. Es heißt mhd. diutschen ja auch in einem
allgemeineren Sinne „erklären“. Vgl. auch Hans-Walter Herrmann in diesem Band, S. 94. u. 97£; von
Bloh (wie Anm. 13), Abschnitt 1.
23
zwischen den Sprachen. Neue erfolgversprechende, aber keineswegs bereits das Thema
ausschöpfende Ansätze hat jüngst Peter Bichsei gewagt31 32. Sein eigentliches Interesse gilt
freilich einem interessanten stilisdschen Sonderproblem: dem Wandel der lexikalischen
Paarform vom Typ rosse vndpberde, lieb oder leyt, stechen vnd slagen im Vergleich mit den früh-
neuzeitlichen Drucken am Beispiel — selbstverständlich — des ,Huge Scheppelf
Wenig auch gibt es seit Liepe zu berichten zur Untersuchung der verzwickten Vorlagen-
problematik, obwohl die Romanistik inzwischen z.B. eine neue Ausgabe des ,Lion de
Bourges432 und des ,Hugues Capet4 vorgelegt hat33. Dabei hat sich für die Handschrift des
,Lion de Bourges4 Paris B.N. fr. 22555 Herkunft aus dem lothringischen Raum des 15.
Jahrhunderts ergeben und die Herausgeber äußern die Vermutung, daß die Vorlage der
Elisabeth-Texte vielleicht mit diesem Text enger verwandt war. Für ,Hugues Capet4 exis-
tiert nur eine Handschrift (Paris Arsenal 3145, fol. 1-103v, 15. Jh.), die dialektgeographisch
in den Nordosten des französischen Sprachraums weist. Doch zeigt schon die um 1360
entstandene ,Chanson4 eine spezifische und bemerkenswerte Ansippung an andere gestes,
wobei v. 3294f. aus Anlaß der Abstammung der karolingischen Erbtochter Marie, die Hu-
gues heiratete und von der die neue Königsdynastie ihren Ausgang nimmt, der linaige des
Karolingers Pépin und die geste des berühmten lothringischen, mit Metz verknüpften Hel-
den Garin erwähnt wird34. Ansonsten aber stand der von Elisabeth (oder ihrer Mutter) zu-
sammengefügte Zyklus weder als Ganzes noch in seinen Elementen im Blickpunkt der
Forschung35. Die Edition des Wiesbadener Fragments von ,Loher und Maller4 durch Ul-
rich Mölk ist schon erwähnt worden. 1989 hat der Germanist Walter Haug die Vorla-
31 Bichsei, Peter: Hug Schapler - Überlieferung und Stilwandel. Ein Beitrag %um frübneuhochdeutschen Prosaroman und
t(ur lexikalischen Paarform, Bern 1999, S. 33ff.
32 Kibler, William W./Picherit, jean-Louis G./Fenster, Thelma S. (Hgg.): Lion de Bourges. Poème épique du
XIVe siècle, Genève 1980, 2 Bde., hier Bd. 1, S. Xllff. Vgl. zur Lokalisierung der lothringischen Hand-
schrift Ruelle, Pierre (Hg.): Huon de Bordeaux, Bruxelles 1960 (= Travaux de la Faculté de Philosophie et
Lettres 20), S. 12. Die französischen Arbeiten scheinen die Untersuchung von Wolfgang Liepe (Anm. 2)
nicht zu kennen.
33 Laborderie, Noëlle (Hg.): Hugues Capet. Chanson de geste du XIVe siècle, Paris 1997,
34 Laborderie (wie Anm. 33), S. 188. Vgl. Bossuat, Robert: „La chanson de ,Hugues Capet*“, in: Romania 71
(1950), S. 450-481, hier S. 478f. Eine bemerkenswerte, aber kaum beachtete Analogie zu ,Hugues Capet‘
bietet im Rahmen der mit Metz in Verbindungen stehenden ,Gestes des Loherains* die Chanson von
,Hervis de Metz*. Der namengebende Held ist wie Hugues von gemischter Herkunft; er ist ,fils d’un ri-
che bourgeois de Metz, et petit-fils, par sa mère, du duc de Lorraine. Celui-ci étant perdu de dettes, a en-
gagés ses terres au bourgeois messin, avant de partir en croisade, et lui a donné sa fille en mariage“. Die-
se gegenüber ,Hugues Capet* inverse genealogische Konstruktion war freilich für das lothringische Her-
zogtum wenig schmeichelhaft, obwohl aus ihr die neue lothringische Dynastie begründet wird. Vgl.
Schneider, Jean: La ville de Met^ aux XIIIe et XIVe siecle, Nancy 1950, S. 344. Vgl. Stengel, E. (Hg.): Hervis
de Mes, Dresden 1903; Philippe Walter: Hervis de Met% [frz. Übersetzung], Metz/Nancy 1984; Ders.,
„Lothringerepen“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1991), Sp. 2137f. [Lit.]; Haubrichs, Wolfgang:
„Volkssprache und volkssprachige Literaturen im lotharingischen Zwischenreich“, in: Herrmann, Hans-
Walter/ Reinhard Schneider (Hgg.): Lotharingia. Eine europäische Kemlandschafi um das Jahr 1000, Saarbrü-
cken 1995, S. 242 [Lit.].
35 Vgl. zur zeitgenössischen französischen Chanson de geste Wolf-Dieter Lange in diesem Band, S. 41 lff.
24
genproblematik intensiv in eine Erörterung der Struktur des ,Huge Scheppek einge-
bracht36. Ansonsten hat man in der neueren, noch darzustellenden literaturwissenschaftli-
chen Diskussion um Elisabeths Werke durchaus manchmal den Eindruck, als ob das Be-
wußtsein davon, daß die Hauptzüge der Handlung, die Motive und die Figurencharakte-
ristik im wesentlichen schon den französischen Quellen angehört haben, eher gering ist.
Sie wären auch für die Erzählstruktur zu beachten. Doch sind Analysen der Struktur und
des narrativen Aufbaus der vier Prosaromane Elisabeths ohnehin rar. Eine aus der Schule
Günther Müllers stammende Bonner Dissertation (1957) zur „Zeitgestaltung in den Pro-
saromanen der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“37 hat wenig Beachtung gefunden. Im
Jahre 1971 hat Norbert Thomas eine ausgedehnte Analyse der Handlungs- und Motiv-
struktur der frühen deutschen Prosaromane vorgelegt, in der auch ,Huge Scheppek und
die anderen Chanson de geste-Adaptationen Elisabeths behandelt werden38. Thomas fin-
det eine Doppelung der Handlungsstruktur: In einer ersten Partie zieht der Held in die
Welt hinaus, besteht Abenteuer der Liebe und des Kampfes, gewinnt schließlich auf
Grund seiner Tüchtigkeit eine Königstochter. Im zweiten Teil folgen Gefährdungen der
Herrschaft, erneuter Auszug des Helden, schließlich Sieg und glücklicher Rückerwerb der
Herrschaft. In diese Handlungsstruktur werden in einer Art Motivcollage die verschie-
densten, in der Tradition der Chansons de geste bereitliegenden Motive eingefügt: Em-
pörung und Rebellion gegen die Königsherrschaft, überraschende Bravourstücke, Über-
listung, Verrat, Eifersucht, Mutter-Tochter-Rivalität, Machtgier, blutige Morde und edle
Befreiungstaten bewegen die Handlung in stetem Auf und Ab. Walter Haug hat in einer
Arbeit, die es in ihrer Tragweite noch später zu würdigen gilt, zu solchem Bauplan zu
Recht bemerkt: „Das wirkt wie eine zur bloßen Hülse gewordene Schwundform der höfi-
schen Doppelkreisstruktur“, des doppelten Cursus der Helden des Artusromans39. Und er
hat zutreffend die Leere und Folgenlosigkeit dieses Schemas ausgeführt: „Der Zweck der
Doppelform reduziert sich ... auf zweierlei. Zum einen bietet sie einen Rahmen für eine
romanhafte“ — ich möchte hinzufügen, historische Epik imitierende — „Breite ... Das
zweite, was dieses Schema garantierte und, sobald der Zuhörer oder Leser es erkannte,
auch signalisierte, war die schließliche Zusammenführung der Linien im Happy-End. Die
thematisch unbelastete Form konnte die Handlung unbelastet zum positiven Ziel führen.
Und das sichere Vertrauen darauf gehört wesentlich zum Verständnis dieses Typus.“ Eine
36 Haug, Walter: „Huge Scheppel - der sexbesessene Metzger auf dem Lilienthron. Mit einem Organon ei-
ner alternativen Ästhetik für das spätere Mittelalter“, in: Wolfram-Studien 11 (1989), S. 185-205. Schon
Liepe, Entstehung (wie Anm. 2) S. 19f. hat daraufhingewiesen, wie sehr Elisabeth die Form der französi-
schen Vorlagen bis hin zur Beachtung der Laissenabsätze der Chansons de geste, bis zu direkten Hinwei-
sen auf die „Lieblichkeit“ von deren Versform respektierte, so daß man fast daran denken könnte, daß
sie die Lektüre derselben empfehlen wollte, auf jeden Fall aber „einen Abglanz von dem poetischen Reiz
der Originale in ihre Prosen hinüberretten zu können“ glaubte.
37 Enninghorst, Helmut: Die Zeitgestaltung in den Prosaromanen der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, Diss. Bonn
1957 (Masch.)
38 Thomas, Norbert: Eiandlungsstruktur und dominante Motivik im deutschen Prosaroman des 15. und frühen 16. Jhs.,
Nürnberg 1971, S. 96f£, 154f£, 176ff.
39 Haug (wie Anm. 36), S. 198.
25
einfache, der Unterhaltung dienende Formschablone also, eine episch gefüllte Wunder-
tüte? So würde es denn nichts mehr bedeuten als den Ersatz eines Platzhalters, wenn
Thomas feststellt, daß Huges bürgerliche Metzgerabstammung strukturell der Verban-
nung des Helden in anderen Chansons entspricht, aus der sich der Protagonist erst em-
porkämpfen muß? Doch ist es keineswegs sicher, daß man gerade in einer trivial kon-
struierten Erzählung nur die narrative Syntax interpretieren und über die paradigmatische
Bedeutung von Motiven wie das des halbadligen Aufsteigers, ja des Metzgers, hinwegse-
hen darf, welches die Handlung geradezu akzentuiert, indem sie aus dessen Vitalität und
Aggressivität eine Bedingung seines Erfolges macht.
Aussichtsreich wäre wohl auch ein zugleich Struktur- und rezeptionsorientierter Vergleich
von Motiven, z.B. des Motivs der „ungerecht verfolgten Frau“, das im späten Mittelalter
und in früher Neuzeit mit ,Griseldis4, der ,Sibille4, der ,Königin von Frankreich4, der ,Ge-
novefa4 und manchen anderen Texten so intensiv an Interesse gewinnt40.
Einen anderen vielversprechenden Weg ist Ute von Bloh 1993 mit einer Untersuchung
der narrativen Funktion der Briefe in Elisabeths Übersetzungen gegangen41. Sie vermag zu
zeigen, daß Briefe ebenso wie Berufungen auf chronikalische Quellen, ja wie im ,Herpin4
auf Kunstwerke, die die Wahrheit des Erzählten angeblich festhielten, ebenso wie auch
genaue Orts- und Zeitangaben Elemente der von den Texten erstrebten, auf Authentizität
bedachten Struktur der historia sind, welche Unterhaltung wohl in sich aufnimmt, aber
nicht in ihr aufgeht.
Dem Charakter einer historia, oder vielmehr einer Serie von miteinander verbundenen His-
torien entspricht auch der von Elisabeth intendierte und durch bedeutsame Änderungen
an den Scharnieren geförderte und verstärkte Zykluscharakter der Epen in der Rei-
henfolge ,Herpin4, ,Sibille4, ,Loher und Maller4, schließlich ,Huge Scheppel4, der seit Liepe
nicht mehr eigentlich bezweifelt wurde42, aber noch auf seine Funktionalität hin zu analy-
sieren wäre.
Die Forschungsgeschichte der letzten Jahrzehnte hat den romantischen, von Joseph Gör-
res (1807) herrührenden Begriff des ,Volksbuchs4, mit dem man die neu entstehenden
40 Vgl. Ertzdorff (wie Anm. 1), S. 34ff,; 201 ff.; Leander Petzoldt: „Populäre Erzählstoffe aus der Romania
in der Germania“, in: Rachewiltz, S. de/Riedmann, J. (Hgg.): Kommunikation und Mobilität im Mittelalter;
Sigmaringen 1995, S. 203-219, hier S. 209-213 [Lit.]; Thomas (wie Anm. 38), S. 26; Zhang, Yuan Zhi: Der
Ugendenstoff der heiligen Genovefa in dramatischen Bearbeitungen vom Barock bis %um Realismus, Frankfurt a.M.
1998.
41 Bloh, Ute von: „Information - Appell - Dokument. Die Briefe in den Heldenepen der Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken“, in: Uli 23 (1993), S. 24-49.
42 Wie von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 10 und Müller (wie Anm. 10), S. 30 bemerkt haben, hat Elisabeth
in den Text des ,Herpin‘ eingegriffen, um die Stellung der ,Sibille£ im Zyklus zu sichern: „sie hat in des-
sen Schlußteil nämlich gegenüber der einzelepischen Überlieferung König Ludwig (dessen Geburt erst in
der ,Sibille‘ erzählt wird) durch Karl ersetzt, so daß sich die Begebenheiten um Karls Ehe chronologisch
richtig anschließen können. Erst der ,Loher‘ erzählt dann von Karls Tod“. Auch Conrat Heyndörffer
geht in seiner Bearbeitung des ,Huge Scheppeh, die 1500 gedruckt wird, vom Zykluscharakter der Epen
aus; deswegen wird dort in einem Kurzreferat aus dem vorangehenden ,Loher' zitiert.
26
Prosahistorien des 15. und 16. Jahrhunderts von Elisabeth über die ,Melusine4 des Thü-
ring von Ringoltingen, den ,Fortunatus‘ bis hin zum ,Faustbuch4 lange Zeit zu fassen
suchte, gründlich destruiert43 und einen radikalen Wandel der Gattungsdiskussion bewirkt.
Jan Dirk Müller hat sie in seinem großen Forschungsbericht über Volksbuch und Prosa-
roman von 1985 nachgezeichnet und perspektiviert44. Der Glaube, daß sich in den ,Volks-
büchern4 eine Erzähltradition durch das Volk für das Volk fassen ließe, war „ein Miß-
verständnis. Die meisten Erzählungen, deren Ursprung und Wirkungskreis man im ,Volk4
vermutete, waren gegen Ende des Mittelalters für eine schmale, durch Stand und Bildung
ausgezeichnete Schicht bei Hof, im Landadel und in der Stadt entstanden. Vor Erfindung
und Verbreitung des Buchdrucks waren nicht allzu viele von Vermögen und Ausbildung
her in der Lage, sich volkssprachliche Bücher zu verschaffen und sie, gemeinschaftlich
oder allein, zu lesen. Wenn seit dem hohen Mittelalter der Schriftgebrauch auch allmäh-
lich in alle Bereiche des Alltags eindrang, so fanden doch anfangs vornehmlich solche
Texte größere Verbreitung, die zur Bewältigung der Lebenspraxis unmittelbar beitrugen:
religiöse, rechtliche, moraldidaktische, medizinische, historische usw. Der Anteil er-
zählender Texte war geringer. Doch kamen einem wachsenden Bedürfnis nach Belehrung
und Unterhaltung auch Übersetzungen und Bearbeitungen von Heldenepen, höfischen
Romanen, Legenden, Novellen entgegen, in denen anders als zuvor nicht mehr der Reim-
paarvers, sondern die Prosa dominierte.“45
Hier sind, und zwar als nahezu die ersten46, auch die Übersetzungen Elisabeths einzuord-
nen. Warum Prosa? Jan Dirk Müller hat hier die Ergebnisse der Forschung gültig zusam-
mengefaßt: „Der Übergang zur Prosa kann vielerlei Gründe haben, doch hängen sie zu-
meist mit der Ausbreitung einer volkssprachlichen Schriftkultur zusammen. In Einzel-
statt Gemeinschaftslektüre gewannen akustische Schmuckmittel wie der Reim an Bedeu-
tung; die sprachgeschichtliche Entwicklung hatte die Reimstruktur älterer Texte zerstört;
der Vers wurde als mnemotechnisches Hilfsmittel entbehrlich; es ging vornehmlich um
den Sachgehalt des Aufgeschriebenen, nicht so sehr seine überlieferte (Vers-)Gestalt; an-
dere Gattungen, zumal das volkssprachliche Fachschrifttum, richteten sich seit dem 13.
Jahrhundert an der Prosa der Gelehrtensprache Latein aus. So wurde allmählich die Prosa
zur Regel, der Vers zur auf wenige Gebrauchsformen oder auf besondere poetische Gat-
tungen beschränkten Ausnahme: Nach einigen verstreuten Vorläufern setzte sich im 15.
Jahrhundert der ,Prosaroman4 durch“47.
43 Kreutzer, Hans Joachim: Der Mythos vom Volksbuch. Studien gur Wirkungsgeschichte des frühneuhochdeutschen
Romans seit der Romantik, Stuttgart 1977.
44 Müller, Jan-Dirk: „Volksbuch/Prosaroman im 15./16. Jh. - Perspektiven der Forschung“, in: Internationa-
les Archiv für Sogialgeschichte der deutschen LJteratur, 1. Sonderheft, Tübingen 1985, S. 1-128. Vgl. auch Bur-
chert (wie Anm. 1), S. 159ff.
45 Müller (wie Anm. 5), S. 990.
46 Vgl. zu verstreuten Vorläufern Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 488.
47 Müller (wie Anm. 5), S. 990f.
27
Hier fügt sich auch der durch die bereits erwähnten erzählerischen Mittel und Beru-
fungsinstrumente dokumentierte historiographische Wahrheitsanspruch der Romane ein,
auch wenn diese clichés de témoignage zum Teil bereits aus den älteren Vorlagen stammen.
Sie haben ihre Funktion geändert48. Hierher gehört auch gattungstechnisch der oft konsta-
tierte nüchterne Erzählstil der Texte, die schnörkellose Linearität ihres Erzählens. In die
wirklichkeitsorientierte narrative Konstruktion gehört auch die Rolle, die zunehmend das
experiri der Helden, die erfarung als Erzählgegenstand in diesen sich oft selbst als ,Historien4
benennenden Prosaromanen, z.B. in Elisabeths ,Hug Schapler4 in der initiatorisch vorge-
schalteten Turnier-, Abenteuer- und Liebesfahrt des Protagonisten49. Zu Recht hat Irmela
von der Lühe 1981 als Charakteristikum der Prosaromane herausgearbeitet: „Nicht im
symbolischen Verweis auf den höfisch-aristokratischen Weltzusammenhang, aus dem
heraus Held und Abenteuer im höfischen Roman nur von Interesse sein konnten, artiku-
liert und legitimiert sich diese Literatur, sondern durch die vorgebliche Tatsächlichkeit des
Erzählten, durch die Histori, die Erzähltes und Geschehenes zugleich ist, und die Auf-
merksamkeit, Unterhaltung und Belehrung in einem gewährleistet“50. In diesem Sinne will
der Druck des ,Hug Schapler4 von 1500 ein liepliches Lesen und ein warhafftige Hystorij sein.
Von Interesse für dieses Publikum ist vor anderem der „besondere, einzelne, wiewohl
überdimensionale und phantastische Held“, wie es immer wieder an Huge, dieser dazu ja
besonders geeigneten, sowohl vitalen, potenten, aggressiven als auch erfolgreichen, zum
Königsthron gelangenden Mischexistenz aus Metzgersproß und Rittersohn, exemplifiziert
wird. Diese Texte sind ursprünglich für adliges Publikum bestimmt, sie sind sich als ,Pro-
saromane4 — wie Hans-Hugo Steinhoff formuliert hat — ihrer „selbst noch kaum be-
wußt“51. Sie werden eigentlich erst zu ,Prosaromanen4, indem sie — mit den ersten Dru-
cken (die ja oft mit Neubearbeitungen verbunden sind) - ihrem ersten Publikum entglei-
ten, ja sie schaffen sich ihr Publikum erst. Schon in einer frühen Arbeit hat Jan-Dirk Mül-
ler 1980 gezeigt, wie diese Texte allmählich in ihren Erfahrungen fremd für die rezipie-
rende Adelsschicht werden, auch dort, wo sie Feudalwelt schildern. „Dieses Fremdwerden
der Texte — synchron: durch Verbreitung jenseits des ursprünglichen Rezeptionskon-
textes; diachron: durch die historische Entwicklung — scheint mir konstitutiv für Ent-
stehung und Wandlung dieser frühen Prosahistorien, Bedingungen auch neuer literari-
scher Erfahrungsmöglichkeiten; einer neuen Strukturierung des Verhältnisses Autor / Re-
zipient / Text“52.
48 Vgl. Müller, Jan-Dirk: „Held und Gemeinschaftserfahrung. Aspekte der Gattungstransformation im frü-
hen deutschen Prosaroman am Beispiel des ,Hug Schapler4“, in: Daphnis 9 (1980), S. 393-426, hier S. 406.
49 Vgl. Müller (wie Anm. 5), S. 997.
50 Lühe, Irmela von der: „Die Anfänge des Prosaromans: ,Hug Schapler4 und ,Fortunatus444, in: Frey, Win-
fried/Raitz, Walter /Seitz, Dieter (Hgg.): Einführung in die deutsche Literatur des 12. bis 16. Jhs., Bd. 3, Opla-
den 1981, S. 69-91, hier S. 72.
51 Steinhoff (wie Anm. 1), Sp. 488. Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits bei Liepe, Entstehung (wie
Anm. 2), S. 19.
52 Müller (wie Anm. 48), S. 399.
28
Liegt es am Reiz der history, oder liegt es an dem bis in die Neuzeit andauernden Erfolg
des ,Huge Schepel4, daß gerade an diesem Text in den achtziger Jahren sozialgeschichtli-
che Interpretationsmuster erprobt wurden? Dabei war es Jan-Dirk Müller, der in seinem
Aufsatz „Held und Gemeinschaftserfahrung“ (1980)53 endgültig zeigte, daß sich — vor den
Drucken — die literarische Rezeption der Elisabeth-Übersetzungen innerhalb eng um-
schriebener Verwandtenkreise der Häuser Lothringen und Nassau-Saarbrücken, z.B. Kur-
pfalz, Savoyen und Blankenheim bewegte. Und dies prägt sich auch in der art des Prota-
gonisten Huge aus, der, indem er das Erbe der Mutter, der Metzgerstochter, und des rit-
terlichen Vaters vereinigt, zum Außenseiter wird. Zugleich aber entspringen dieser neuen,
dieser außerordentlichen Art, die Vitalität, Stärke und Schönheit vereinigt, „die Bedingun-
gen seines Erfolgs: Kühnheit, Ausdauer, Geschicklichkeit, erotische Attraktivität, alle als
Herreneigenschaften gekennzeichnet“. Er verkörpert die herlichkeit. Gerade an diesem
Außenseiter, den Fortuna und Gott begünstigen, an dem sich die gratia dei gerade dank des
fehlenden Geblütsrechts erweisen kann54, „wird körperliche Ungleichheit als Bedeutung
von Adel und feudalem Herrschaftsanspruch erfahrbar“55.
In dieser Bewertung trifft sich Müller wiederum mit Dieter Seitz in dessen Beitrag „Der
Held als feudales Wunschbild“ (1983)56, der die „Verherrlichung der bedenkenlosen Kör-
perkraft“57 hervorhebt. Elisabeths ,Prosaroman‘ macht ein durchaus adliges Identifikati-
onsangebot, das sich an Frauenliebe, an ritterlichen Turnieren, an Verachtung der Arbeit,
aber aggressiver Liebe zum Kampf orientiert. Wenn auch in die Vorzeit projiziert, in der
noch alle Möglichkeiten der Entfaltung offenstehen, ist es der in diesen Tugenden „wirk-
lich Tüchtigste“58, der Herrscher wird. Was sich in Hug entfaltet, ist erstrebte Individuali-
tät. Ein so nicht mehr mögliches, aber im 15. Jahrhundert auf die verschiedenste Weise
erstrebtes adliges Ideal, verkörpert sich in ihm. „Das Leben ist ihm dazu da, ungebrochen
feudale körperliche Individualität zu verwirklichen“59. Auch Seitz geht von einer Identität
des Heldenentwurfs des Romans mit der Gesellschaft, wenn auch mit einem Wunschbild
der Gesellschaft aus60.
53 Müller (wie Anm. 48), S. 396f., 400f.
54 Vgl. dazu auch Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs wappen. Königsgeschichte und genealogi-
sche Motivik in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der
Deutschunterricht 43 (1991), H. 4, S. 4-19, hier S. lOf.
55 Müller (wie Anm. 48), S. 410. Danielle Buschinger: „Pouvoir politique et pouvoir culturel. Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken“, in: Dies. (Hg.): Cours princières et châteaux. Pouvoir et culture du XIe au XIIIe siècle en
France du Nord, en Angleterre et en Allemagne, Greifswald 1993, S. 45-58, scheint noch Anhängerin der These
von Léon Gautier zu sein, daß die Chanson von ,Hugues Capet‘ die wachsende Macht des Bürgertums
widerspiegele, vielleicht sogar eine Auftragsarbeit der Pariser „bourgeoisie“ darstelle.
56 Seitz, Dieter: „Der Held als feudales Wunschbild. Zur historischen Bewertung des Typus Hug Schapler,
in: Horst Wenzel (Hg.): Typus und Individualität im Mittelalter,; München 1983, S. 122-139.
57 Seitz (wie Anm. 56), S. 124.
58 Seitz (wie Anm. 56), S. 133.
59 Seitz (wie Anm. 56), S. 126.
60 Vgl. von der Lühe (wie Anm. 50), S. 74f£; Müller (wie Anm. 48), S. 413f.
29
Diese Übereinstimmung wird von Bernhard Burchert in seiner Analyse der „Prosaerzäh-
lungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken“ (1987) heftig bestritten. Nach seiner Inter-
pretation steht im Vordergrund der Entwicklung von Elisabeths Helden gerade Triebver-
zicht auf den Sektoren der Sexualität und der kriegerischen Aggression als Vorbedingung
für den Thron. Gerade Huge entwickelt sich nach ihm, nachdem er die Exzessivität seiner
jugendabenteuer überwunden, sich sozusagen selbst gezähmt und 'zivilisiert' hat, zu ei-
nem mit Machtbewußtsein und Planungskompetenz kalkulierenden Herrscher. Aus dem
Triebverzicht des Helden erwächst seine höfische Karriere. Und gerade hierin sieht Bur-
chert eine Homologie zu politischer Situation und politischem Verhalten des Saarbrücker
Grafenhauses unter Elisabeth und ihrem Sohn Johann III., für das er eine Wendung von
einer gewaltbestimmten zu einer auf Pazifizierung gerichteten „rationalen“ Politik festzu-
stellen glaubt. Die Romane Elisabeths lösen für ihn die Spannung zwischen dem aggressi-
ven, triebbestimmten älteren Politikstil und der neuen Realität positiv auf. Burchert folgert
schließlich, daß „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken ein Leitbild für die Erziehung ihres
Sohnes Johann entwerfen wollte“61, für den er — ein zweifellos apartes Detail — aus dem
viel später für ihn überlieferten Beinamen Graf Senf62 ein „ungestümes Temperament“ er-
schließen will.63
61 Burchert (wie Anm. 1), S. 49ff.; Zitat bei Bernhard Burchert: „Auf dem Weg zum Roman. Anmerkungen
zu der Gattungskontroverse um den ,Hug Schapler1, in: Ztschr. für Deutsche Philologie 107 (1988), S. 400-
410, hier S. 408. Dabei soll nicht bestritten werden, daß literarische Werke auch als „Handlungsmaxime
für einen Landesherren“ rezipiert werden konnten. Vgl. das schlagende Beispiel in der Familie Graf
Gerhards II. von Sayn (1491), das Spiess (wie Anm. 30), S. 96f. anführt. Ein Bild der Politik des Saarbrü-
cker Hofes entwerfen von historischer Seite: Heinz Thomas: „Philipp, Graf zu Nassau und Saarbrü-
cken“, in: Peter Neumann (Hg.): Saarländische Lebensbilder, Bd. 3, Saarbrücken 1986, S. 11-42; ferner ders.
und Hans-Walter Herrmann, beide in diesem Band.. Auf Burcherts These von der „Domestizierung der
Sexualität“ bei Elisabeth, die für sie übrigens „ fille d’un duc français“ ist (S. 164), beruht noch stark Da-
nielle Buschinger (wie Anm. 18), S. 167, die freilich außer Liepe und B. die neuere Forschung kaum zur
Kenntnis nimmt.
62 Der Beiname wird angeführt - wohl aus mündlicher Überlieferung - in der Genealogia oder Stammregister der
durchlauchtigen hoch- und wohlgeborenen Dürsten, Grafen und Herren des uhralten hochlöblichen Hauses Nassau samt et-
lichen konterfeitlichen Epitaphien, kolligiert, gerissen und beschrieben durch Heinrich Dorsen, Malern von Altweilnau,
Anno 1632, Saarbrücken 1983 (= Veröffendichungen der Kommission für Saarländische Landesge-
schichte und Volksforschung 9), S. 194. Der Beiname stammt natürlich aus dem Kommentar von Hein-
rich Dors und nicht - wie Burchert (wie Anm. 1), S. 48 Anm. 1 behauptet - aus der in St. Arnual (Saar-
brücken) bis heute erhaltenen Grabinschrift.
63 Burchert (wie Anm. 1), S. 48. Zu Johann III. vgl. Kurt Hoppstädter: „Die Grafschaft Saarbrücken“, in:
Hoppstädter, K./Herrmann, Hans-Walter (Hgg.): Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2, Saarbrü-
cken 1977, S. 307; Deussen, Heinz H.: „Johann II., Graf von Nassau-Saarbrücken, Herr zu Heinsberg“,
in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 8 (1958), S. 104-108. Man sollte nicht vergessen, daß Johanns
III. Liebe zur rückwärtsgewandten ritterlichen Kultur des ,Herbstes des Mittelalters4 einmal durch seine
Zugehörigkeit zum von René d’Anjou 1448 gestifteten ,Ordre du Croissant1, zum andern aber auch
durch die Nachricht von einem 1471 zu Saarbrücken veranstalteten großen Turnier bezeugt wird, an
dem neben vielen anderen Grafen und Herren auch Herzog Nikolaus von Lothringen, Kurfürst Fried-
rich von der Pfalz, dessen Neffe Pfalzgraf Philipp und der Bischof von Speyer teilnahmen. Vgl. Rup-
persberg, Albert: Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, Bd. 1, 1908, Neudruck St. Ingbert 1979, S.
225.
30
Dieser zweifellos originellen, an der Literatursoziologie Lucien Goldmanns orientierten
These fehlt es — geprägt von einem eher ,naiven' Verständnis des komplexen Verhältnis-
ses von Literatur und ,Wirklichkeit4 — leider an der Beweisbarkeit der Prämissen. Z. B.
kann keine Rede davon sein, daß die Aggressivität Huges im Laufe der ,Historie' ab-
nimmt, oder auch, daß Elisabeth die kriegerische Aktivität und die körperliche, auch se-
xuelle Vitalität ihres Helden mißbilligt hätte; wo sie streicht oder mildert, geschieht dies
bei Szenen, die — im Sinne von Norbert Elias64 — der Vorverlegung der Peinlichkeits-
schwelle im höfischen Leben des späten Mittelalters und der stärkeren Privatisierung eini-
ger Lebensbereiche nicht entsprachen. Es darf auch durchaus bezweifelt werden, daß sich
das politische Verhalten Elisabeths und ihres Sohnes Johann so deutlich von der voran-
gegangenen Zeit und überhaupt vom Politikstil des späten Mittelalters unterscheidet, wie
Burchert annimmt65, ja ob seine Darstellung nicht „zumal bei dem fehdelustigen Johann
III. gründlich verzeichnet ist"66.
Schon in den Überlegungen zur literarischen Konturierung des Heldenbildes, zur Rolle
von Aggressivität und sexueller Vitalität im Verhalten der Protagonisten haben die sozial-
geschichtlich orientierten Arbeiten mentalitätsgeschichtliche Felder berührt. Es sind die
neunziger Jahre, welche die Werke Elisabeths auch explizit zu ergiebigen Quellen der Su-
che nach kulturellen Verhaltensmustern und Wertordnungen, nach geistigen Grundein-
stellungen und Vorbedingungen des Handelns der Zeit werden lassen. Diese Arbeiten
sind durchweg mit dem Namen Ute von Blohs verknüpft.
Zwei Arbeiten zum ,Herpin' gehen — durchaus noch auf den Spuren Jan-Dirk Müllers
wandelnd — der den ,Prosaromanen' eigenen „Lust am Wunderbaren“67 und der „Rationa-
lisierung des Wunderbaren“ in der Auseinandersetzung zwischen dem von der Neugierde,
der curiositas, gesteuerten Erfahrungswissen und dem Dogma, der ererbten Lehrmeinung,
nach68. Gut läßt sich diese Auseinandersetzung am Protagonisten Lew, dem Lion de Bour-
64 Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde., 4. Aufl., Bern 1977. Vgl. Haubrichs (wie Anm. 54),
S. 12.
65 Zur Kritik an Burchert vgl. z.B. die treffenden Bemerkungen bei Müller (wie Anm. 78), S. 21 Of. Anm.
17: „Doch ist vor schlichten ,Homologien4 zu warnen, die unterstellen, die Figuren im Epos ,verträten4
ständische Formationen in der Realität. Spekulativ bleiben Versuche, die Konstellation im Epos in eine
von den manifesten ständischen Charakterisierungen abweichende zu übersetzen, also im Verhältnis des
Königs Huge zum Hochadel und zur Stadt Paris eine Abbildung des Verhältnisses des Landesherrn von
Saarbrücken zu landständischem Adel und Bürgertum zu sehen. Derartige ,Übersetzungen4 isolieren ei-
nige wenige Elemente, sind nicht kontrollierbar, daher beliebig.44 Ferner ebd. S. 213 Anm. 29; schließlich
sehr überzeugend von Bloh 1990 (wie Anm. 10), S. 21 ff. Vgl. auch Hans-Walter Herrmann in diesem
Band, S. 85f., 89.
66 Müller (wie Anm. 78), S. 213 Anm. 28.
67 Bloh, Ute von: „Die Rationalisierung des Wunderbaren. Text und Bild der Löwenepisode in Handschrif-
ten und Drucken der ,Historie vom Herzog Herpin4“, in: Chloe. Beihefte ^ur Daphnis 20 (1994), S. 513-542,
hier S. 518.
68 Eine zweite Arbeit untersucht „das Wortfeld des Wunders und der Verwunderung ..., um den Mecha-
nismen auf die Spur zu kommen, nach denen etwas in diesem Text als ein wunder erfahren wird“: Bloh,
Ute von: „Über Wunder, das Staunen und Erschrecken und über die Grenzen des Wirklichkeitsentwurfs
31
ges, exemplifizieren, der Überleben und Aufzucht ebenso wie den Namen einer sich seiner
selbstlos annehmenden Löwin verdankt. Denn im Sinne der staunenden curiositas ist die
Tat und die Verzweiflung der Löwin, die über den (scheinbaren) Verlust ihres Pflegesoh-
nes klagt und stirbt, groß wunder, zugleich aber bleibt die Figur der Löwin doch gebunden
an ihren traditionellen Zeichencharakter, der ,Tapferkeit signifiziert.
In diesem Band69 stellt Ute von Bloh die kulturanthropologische Frage nach der Stabilität
von ,sozialem Status* und von ,Geschlechterrollen* und vermag subtil zu zeigen, in wel-
cher Art und Weise, etwa mit Hilfe des klassischen Instrumentariums von Verkleidung
und Vertauschung, Elisabeth soziale und geschlechtliche Rollen in einem offenen Spiel
hält. Freilich wird man schon hier fragen dürfen, wie das literarische Spiel wieder an die
Gesellschaft der Zeit zu binden sei. Noch intensiver verfolgt Ute von Bloh den einge-
schlagenen Weg in ihrem die Elisabeth-Philologie auf einen neuen und der internationalen
Forschungslage angemessenen literar- und kulturhistorischen Stand bringenden großen
Buch über die Prosawelten der Elisabeth70. Nun widmet sie sich den von den Texten
„entworfenen Ordnungen“, den sozialen „Regeln und ihren Überschreitungen“, der „aus-
gerenkten Ordnung“, wie der Titel verheißt. Was hier in interpretatorisch gekonnter, stets
auch den Erzählzusammenhang im Blick haltender Exegese, mit scharfsinniger, auch auf
das Verschwiegene und Ausgelassene, auf die Brüche der Schrift, auf die Transgression
und Verletzung von Ordnung, Regel, Normalität gerichteter Beobachtung und Reflexion
zu den Feldern Liebe und Ehe, Begehren und Werbung, Verwandtschaft, Freundschaft,
Bündnis und Konfliktaustragung beigetragen wird, sind wahre Kabinettstückchen einer
Erzählungen als Modellierung von Welt auswertenden und epochenbezogenen, zugleich
kulturanthropologisch orientierten historischen Semantik, die unbedingt auch die Auf-
merksamkeit und Kritik der Historiker verdiente. Freilich — wie oft bei Arbeiten zu Elisa-
beths Übersetzungen — bleiben noch die leicht zu stellenden, aber schwer zu beant-
wortenden, dennoch notwendigen Fragen nach dem Verhältnis zu den französischen
Chanson de geste-Vorlagen, nach vergleichbaren Mustern in analogen Gattungen und (in
vielen Fällen) auch die Fragen nach der Kontrolle der Resultate an normativen, theoreti-
schen und 'Realität' reflektierend verarbeitenden Texten.
Sozial-, mentalitäts- und kulturhistorische Interpretationsansätze fordern die Frage nach
der speziellen Funktionalität* dieser am Saarbrücker Hof zwischen 1437 und 1456 ent-
standenen Übersetzungen geradezu heraus. Diese Frage wurde umso dringender, als die
stets dürftige und ohnehin sich nur der von der späteren Rezeption gesteuerten Privile-
gierung des ,Huge Scheppel* in der literarhistorischen Wahrnehmung verdankende These
einer Anlehnung an aufkommende bürgerliche* Vorstellungswelten des späten Mittelal-
ters seit dem Nachwort von Marie-Luise Linn in ihrer Ausgabe von 1974 und der Arbeit
im Herzog Herpin“, in: Harms, Wolfgang/Jaeger, Stephen C. (Hgg.): Fremdes wahmehmen - fremdes Wahmeh-
men. Studien %ur Geschichte der Wahrnehmung und %ur Begegnung von Kulturen in Mittelalter und früher Neuheit,
Stuttgart/Leipzig 1997, S. 221-238, Zitat S. 221.
69 S. 495-515.
70 von Bloh (wie Anm. 12), Abschnitte 3 und 4.
32
von J an-Dirk Müller über „Held und Gemeinschaftserfahrung“ (1980) als erledigt gelten
durfte. Die Forschung hat sich seitdem bei der Beantwortung der Frage nach der Funk-
tionalität* dieser Texte in zwei grundsätzlich verschiedenen (wenn auch vielleicht durchaus
miteinander vermittelbaren) Kategorien bewegt, einmal im Sinne einer delectatio-Aesthetik
und zum andern im Sinne einer historisch aktualisierenden Lektüre der Texte. Beide Posi-
tionen wurden überraschenderweise fast gleichzeitig (1989) und zwar mehrfach in
verschiedenen Spielarten formuliert.
Es war Walter Haug, der - erneut am Beispiel des ,Huge Scheppel* - aus einer brillanten
strukturalen Erzählanalyse heraus die Position der „Unterhaltung“ entwickelte, die von
ihm als „eine elementare und zutiefst menschenwürdige Funktion der Literatur“ in ihr
Recht eingesetzt wird71. Huge, der Protagonist, bezieht sein Interesse bei den Adressaten
gerade aus seiner diskontinuierlichen, widersprüchlichen, konzeptionsresistenten Anlage.
Er ist „ungezügelter Gewaltmensch von umwerfender Attraktivität, gibt sich je nach den
Umständen als Mann von höfischer Zucht, vornehmer Zurückhaltung und vollendeter
Förmlichkeit, ja er legt eine Sensibilität für Standesdifferenzen und Rangordnungen an
den Tag“72, die ihm ein unbefangener Hörer oder Leser seines fulminanten, abenteuerli-
chen Einstiegs in die Historij kaum je Zutrauen konnte. Und: es ist Wert darauf zu legen,
daß dies schon die Konzeption der im 14. Jahrhundert, um 1360, eine Generation, bevor
Elisabeth geboren wurde, erfundenen französischen Chanson de geste war; Elisabeth be-
wahrte im wesentlichen die alte Erzählsubstanz. Diese Konstanz gilt es nach Haug zu in-
terpretieren, nicht die geringfügigen Änderungen. Aus solcher Interpretation entfaltet er
alsdann eine über den Einzelfall weit hinausreichende „Ästhetik, die diese Literatur als al-
ternative versteht“73. Alternativ ist sie in ihrer Aesthetik gegenüber Texten wie Artusro-
man, Heldendichtung usw., deren Struktur von einer ideologischen Konzeption generiert
wurde. Die alternative Literatur des späten Mittelalters weist dagegen fünf Hauptmerk-
male auf74:
Widersprüchlichkeit statt Problementfaltung.
Formale Kollage statt narrativer Kontinuität.
Narrative Unmittelbarkeit statt erzählerischen Gattungsbewußtseins oder gar erzähle-
rischer Gattungsreflexion.
Unterhaltung statt literarischen Anspruchs, woraus sich auch der Übergang zur Prosa
erklärt: „Ein müheloses Vergnügen sollte dieses neue Erzählen sein. Die moderne
deutsche Prosa wird unprogrammatisch aus der narrativen Lust geboren.“75
Geschichtslosigkeit statt aktualisierender Transformation und Rezeption, woraus sich
ihre langandauernde Beliebtheit erklärt.
71 Haug (wie Anm. 36), S. 205.
72 Ebd,S. 195.
73 Ebd.,S. 200.
74 Ebd., S. 200ff.
75 Ebd., S. 203.
33
Man wird von diesem Entwurf einer „alternativen Aesthetik“, der vor allem auf den Prä-
missen der Unterhaitungsfunktion und der Geschichtslosigkeit aufruht, sicherlich beein-
druckt sein. Aber zugegeben, daß ,Unterhaltung4 eine primäre Funktion von Literatur ist,
transportiert nicht gerade Unterhaltung bis heute in ihren Gewandfalten mehr als Unter-
haltung, ja oft — und das durchaus auch unwillentlich — geistige Kontrabande, die ihre
Funktion über die delectatio hinaushebt76. Und darf man aus der weitgehenden Konstanz
und Stabilität der Struktur auf Geschichtslosigkeit schließen? Identische oder ähnliche
Formen können zu verschiedenen Zeiten verschieden rezipiert und aktualisiert werden.
Eine aktualisierende Lektüre der Übersetzungen Elisabeths muß stets von dem Faktum
ausgehen, daß ihnen der Saarbrücker Hof auch noch in der Generation des Sohnes eine
bedeutsame Aufmerksamkeit geschenkt hat, indem er eine Serie von repräsentativ aus-
gestatteten und repräsentativ illustrierten Handschriften dieser Texte hersteilen ließ. Ger-
hild Scholz-Williams hat 1988 und 1989 darauf aufmerksam gemacht, daß sich damit das
etwas spätere und umfangreichere Bemühen des burgundischen Hofes (ab 1447) um das
burgundische Epos ,Girart de Roussillon4 und andere Chansons de geste, die ebenfalls re-
präsentative Sammlung und Umformung in Prosa erfahren, vergleichen läßt77: Literarische
Ansippung an den vornehmsten burgundischen Helden diene der Einheitspolitik der
Herzoge von Burgund. Elisabeths ,Hug Schapler4 (oder besser, da ja nicht vom Grünin-
ger-Druck von 1500 die Rede ist, ,Huge Scheppel4) ließe antiburgundische Tendenz er-
kennen, sei geradezu ein Gegenstück zum ,Girart‘ des im Aufträge des burgundischen
Herzogs schreibenden Wauguelin.
Auch Jan-Dirk Müller geht 1989 in seinem ganz anders gearteten Versuch aktualisierender
Lektüre von jenen Chansons de geste aus, die Herzog Philipp der Gute von Burgund er-
neuern ließ, „um im Bild seiner Vorgänger und Vorfahren die Ansprüche des eigenen
Hauses gegenüber dem Rivalen auf dem französischen Thron zu propagieren“78. Müller
erwägt verschiedene Aktualisierungsmöglichkeiten des ,Huge Scheppel4 im politischen
Kräftespiel der Zeit, in dem sich die kleinen Territorien des Westrich79 zwischen Frank-
reich, Burgund, Lothringen und den Mächten des Reiches zu behaupten hatten. Doch
76 Vgl. zur Kritik an Haugs Interpretation jetzt auch von Bloh (wie Anm. 13), Abschnitt 2.
Scholz-Williams, Gerhild: „Text als Zeichen“, in: Alexander Schwarz u. a. (Hgg.): Alte Texte lesen. Textlin-
guistische Zugänge ^ur älteren deutschen Uteratur, Bern/Stuttgart 1988, S. 167-205, hier S. 187ff.; vor allem
aber Dies.: „How to make friends: Burgundian politics in two early modern prose texts“ (Hug Schapler
and Girart de Roussillon), in: The Sixteenth Century Journal 20 (1989), S. 277-292. Vgl. dazu Haug (wie Anm.
36), S. 203f.; Müller (wie Anm. 78), S. 21 Off.
78 Müller, Jan-Dirk: „Späte Chanson de Geste-Rezeption und Landesgeschichte. Zu den Übersetzungen
der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Wolfram-Studien XI (1989), S. 206-226, hier S. 207 mit Ver-
weis auf Yvon Lacaze: „Le rôle des traditions dans la genèse d’un sentiment national au XVe siècle. La
Bourgogne de Philippe le Bon“, in: Bibliothèque de l’École des Chartes 129 (1971), S. 303-385.
9 Unter ,Westrich' ist die historische Landschaft zwischen Lothringen, Kurtrier, Kurpfalz und Elsaß zu
verstehen, in der lange Zeit eine Reihe kleinerer Grafschaften und Herrschaften, darunter auch Nassau-
Saarbrücken, ihre Reichsunmittelbarkeit behalten haben. Vgl. dazu Herrmann, Hans-Walter: „Territoriale
Verbindungen und Verflechtungen zwischen dem oberrheinischen und lothringischen Raum im Spätmit-
telalter“, in: Jb.fiir Westdeutsche Tandesgeschichte 1 (1975); S. 129-176, besonders S. 166-175 [Lit.].
34
führt der Versuch einer direkten Anbindung der literarischen Texte an politische Kons-
tellationen nicht zu befriedigenden Resultaten: „Weniger eine manifeste politische Ten-
denz als das Geschichts- und Gesellschaftsbild des selbstbewußten Dynasten“ — gemeint
ist Johann III. — „scheint sich denn auch in den Epenadaptionen einzuprägen“80. Einen
neuen und außerordentlich fruchtbaren Weg beschreitet Müller dann, indem er die auf-
fälligen, in den Illustrationen der Prachthandschriften Johanns enthaltenen Wappenabbil-
dungen analysiert. Er kann zeigen, daß neben den Wappen der Protagonisten der Hand-
lung, allen voran dem Lilienwappen des französischen Königs, auch Wappen von Fürsten
Vorkommen, die zwar nicht im Text Erwähnung finden, aber zur politischen, ja auch ver-
wandtschaftlichen Umwelt der Grafen von Nassau-Saarbrücken gehörten: Lothringen,
Baden, Österreich, Württemberg, Wittelsbach, Kurpfalz, Savoyen, Sponheim, Teck,
„einmal selbst das Wappen der Grafen von Saarbrücken und das der Grafschaft Heins-
berg-Loen, die Johann III. seit seiner Heirat mit der Erbtochter innehat“81. Die dem Vor-
bild von Chronik-Handschriften verpflichtete Wappenauszeichnung der Parteien in den
Illustrationen der Epen dient im Rahmen der repräsentativen Ausgestaltung der Hand-
schriften dazu, „die kollektive Verbindlichkeit des Geschehens heraldisch abzusichern“82.
Die quer zu den Bündnissen des Saarbrücker Hauses liegende Verteilung der Dynasten-
wappen auf die feindlichen Parteien der Epen erweist, „daß dem Betrachter in der Epen-
welt eine vertraute politische Konstellation begegnete“, gewissermaßen eine kulturelle
Kartierung des Adels, „nicht eine der rasch wechselnden territorialen Koalitionen, son-
dern eine Gruppe, die sich über alle Differenzen hinweg ihrer ausgezeichneten Rolle im
Reich bewußt war und diese episch abstützte“83. Aktualisierende Lektüre erweckte gerade
diese „Gemeinschaftserfahrung“.
Es fragt sich, ob man dieses zweifellos tragfähige Funktionalitätskonzept der ,Gemein-
schaftserfahrung4 nicht noch enger fassen kann — und damit komme ich auf einen gleich-
falls in das Jahr 1989 zurückreichenden eigenen Erklärungsansatz84 — etwa im Sinne eines
speziellen literarischen Interesses des Saarbrücker Hauses.
Bei der Interpretation der Elisabeth-Epen im Kontext dieses Adelshauses muß man von
vier auffälligen, diese Epen auch von den französischen Vorlagen und im Kreise anderer
literarischer Produktionen der Zeit differenzierenden und individualisierenden Grundzü-
gen ausgehen:
1) Die vier Epen Elisabeths bilden einen bewußt vermutlich erst von Elisabeth gestalte-
ten Zyklus85, der von Karl dem Großen über die letzten Karolinger zur Begründung
der kapetingischen Dynastie durch den außerordentlichen Helden Hugues Capet führt
80 Müller (wie Anm. 78), S. 213f.
81 Müller (wie Anm. 78), S. 215f.
82 Müller (wie Anm. 78), S. 226.
83 Müller (wie Anm. 78), S. 224.
84 Haubrichs (wie Anm. 54), passim.
85 Vgl. o. Anm. 42.
35
und zugleich die für die Länder entre deux, die Länder des Westrich, ungemein wichtige
Differenz zwischen der Wahlmonarchie des Imperiums und dem Erbkönigtum
Frankreich erklärte. Der Stolz auf Frankreich, auf die mit gewaltiger Zeugungskraft
ausgestattete ungeheure Gestalt an der Spitze eines ,ewigen4 Geschlechts86, und nicht
zuletzt der Stolz auf die kraft von franckrichs Wappen prägen besonders das Schlußwerk
des Zyklus.
2) Die auffällige und Interesse augenfällig bekundende Repräsentativität der von Johann
III. unter Erinnerung an seine Mutter und an seine lothringische Großmutter Marga-
rethe als Initiatorin einer Abschrift von ,Loher et Maller4 veranlaßten Handschriften.
3) Individuelle kleine Änderungen im Text der Elisabeth-Übersetzungen gegenüber der
Vorlage, die schon längst bemerkt wurden, wie etwa Einführung der Grafen von
Saarbrücken in die Handlung der Vorzeit-Epen, die Umbenennung einer Befestigung
auf den Namen der Zweibrücker, aber im Interessenfeld der Saarbrücker Grafen lie-
gende Burg Hatwil (Hattweiler). Dazu kommt die nur den Verwandten des Lothringi-
schen und damit auch des Saarbrücker Hauses zugedachte Prädikatisierung mit lieb:
erst Huge Scheppel, dem Spitzenahn Frankreichs; dann Lewe, den mit dem verwandten
Hause Anjou die Königswürde Siziliens und das Herzogtum in Kalabrien verband
(dessen Löwennatur und Löwenhaftigkeit zugleich an die Löwenwappen Nassaus und
Saarbrückens erinnern konnte)87; schließlich dem lieb heilig sant Ludowig, dem heiligen
König der kapetingischen Dynastie Frankreichs (f 1270)88.
4) Die von Jan-Dirk Müller herausgearbeitete Bedeutung des Wappenschmucks in den il-
lustrierten Handschriften Johanns III., der auf verwandten, befreundeten und um-
gebenden Adel verweist89, in den sich die Häuser Saarbrücken und Heinsberg einfü-
gen.
An dieses Wappenprogramm läßt sich bei einer speziellen Funktionsbestimmung bestens
anknüpfen. Der Forschung ist durchaus aufgefallen90, wie akzentuiert die Abstammung,
insbesondere die Genealogie des Hauses Lothringen in den Wappenprogrammen der
Grabmäler Elisabeths und ihres Sohnes Johann aufscheint. Um das genealogische Be-
wußtsein des Saarbrücker Hauses jedoch umfassender zu erschließen, muß man neben
diesen Memorialzeugnissen auch die umfangreichen Wappenprogramme des Eberbacher
Grabmals des zweiten Sohnes Philipp, des Gebetbuches der Tochter Margarethe von Ro-
demachern (Abb 5) und eines Berleburger Wappenblattes, die einen bedeutsamen und ge-
schlossenen heraldischen Grundstock aufweisen, in die Betrachtung mit einbeziehen. In
86 Vgl. dazu auch schon Müller (wie Anm. 48), S. 41 Of.
87 Vgl. von Bloh (wie Anm. 67), S. 524.
88 Müller (wie Anm. 5), S. 262, Z. 14£, 1141. Der hl. französische König ersetzt hier - wohl auf Grund ei-
nes Irrtums, möglicherweise schon der Vorlage - den hl. Dionysius von Paris an einem Memorialort. Die
Fehlerhaftigkeit und der Anachronismus ändern freilich nichts an der Bedeutsamkeit des Epithetons.
89 Müller (wie Anm. 78), S. 214ff.
90 z. B. Burchert (wie Anm. 1), S. 27f.
36
ihm fällt der prominente Einbezug des französischen Lilienwappens auf. Auch noch die
späte nassauische Epitaphiensammlung des Heinrich Dors (1632) nimmt — mit Bezug auf
die Zeit Elisabeths — das Grabmal eines französischen Königs auf91. In der Tat läßt sich
Abstammung Elisabeths von den Kapetingern nachweisen, denn ihre Urgroßmutter war
Marie von Blois, Enkelin Karls von Valois (f 1325), eines Sohnes des Königs Philipp III.
von Frankreich (1270-1285); dieser nun aber verband die Lothringerin in direkter männli-
cher Linie mit Ludwig IX. (dem Heiligen) und Hugo Capet (f 996). Sollte sich dieses ge-
nealogische Bewußtsein von franckrichs Wappen nicht auch in der Zyklusbildung um den
ersten französischen König aus kapetingischem Hause, seine Verbindung mit dem Hause
Karls des Großen und die Entstehung Frankreichs als literarisches Interesse äußern?
Diese Übersetzungen nun verbreiteten sich vorwiegend im Kreise der mit Nassau-Saar-
brücken und Lothringen verwandten Adelsfamilien des Südwestens, worauf bereits an-
fangs hinzuweisen war92. Damit schließt sich auch der Kreis dieses kurzen Überblicks.
Hier, in der Erforschung der literarischen Frührezeption der Elisabeth-Übersetzungen an
den Höfen des Westens und Südwestens, von denen der kurpfalzische sicher der bedeu-
tendste war93, und in der von Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg bereits 1941
91 Dors, Genealogía (wie Anm. 62), S. 258f.: Grabtumba des französischen Königs Karl VII. (1422-1461)
und seiner Gemahlin Maria von Anjou (f 1463). „Der Grund, warum Dors die Tumba aufnahm, könnte
in der Tatsache liegen, daß Isabella von Lothringen, Cousine der Gräfin Elisabeth von Lothringen, die
Frau des Bruders der Königin Marie war, des Renatus von Anjou. Die Herzoge von Anjou waren be-
kanntlich seit dem Tode Karls I. von Lothringen (1431) auch regierende Herzoge von Bar und Lothrin-
gen“. Hier ergibt sich also eine weitere bedeutsame Bindung an das kapetingische Königtum, die unmit-
telbar in die Zeit Elisabeths zurückführt.
92 Vgl. zur Herkunft der eventuell in die Umgebung der Pfalzgräfin Mechthild von Rottenburg, deren
Tochter in 2. Ehe Johann III., den Sohn Elisabeths, 1470 heiratete, führenden Berliner ,Herpin4-
Handschrift von Bloh (wie Anm. 67), S. 522 Anm. 35; ferner Kruska, Renate: Mechthild von der Pfaf im
Spannungsfeld von Geschichte und Uteratur, Frankfurt a. M. 1989. Zur Bibliothek der Grafen von Blanken-
heim, die eine ,Loher und Maliers-Handschrift besaßen (Anm. 13), vgl. Hartmut Beckers: „Handschriften
mittelalterlicher deutscher Literatur aus der ehemaligen Schloßbibliothek Blankenheim“, in: Die Mander-
scheider. Eine Eifeier Adelsfamilie. Herrschaft, Wirtschaft, Kultur, Ausstellungskatalog Köln 1990, S. 57-82. In
diesem Zusammenhang darf auch auf einen in literarischen Handschriften tätigen Schreiber des Saar-
Mosel-Raumes, Peter von Freysen, später Pfarrer von Steinwenden bei Kaiserslautern, aufmerksam ge-
macht werden, der 1422/23 eine Sammelhandschrift mit Strickers ,KarP, mit dem ,Wilhelm von Wen-
den' usw. für die Trierer Kurie (Dessau, Hs. 224) schrieb, und 1437 eine Handschrift mit dem Wille-
halm4 Wolframs von Eschenbach (Köln, Historisches Archiv W 2° 357) für Wirich III. von Daun-
Oberstein, der im Begriffe war, eine Adelsbibliothek aufzubauen. Vgl. Neu, Heinrich: „Bildungsgut auf
mittelalterlichen Burgen des Rheinlandes“, in: Wahrheit und Wert in Bildung und Erziehung. Festschrift Josef
Ésterhues, Ratingen 1955, S. 75-87; Becker, Peter Jörg: Handschriften und Frühdrucke mittelhochdeutscher Epen,
Wiesbaden 1977, S. 112ffi, 186, 220. Inzwischen ist in einem Moskauer Fragment eine zweite, vermudich
ebenfalls von Peter von Freysen für Wirich gefertigte ,Willehalm‘-Handschrift aufgetaucht. Vgl. Ganina,
Natalija / Wolf, Jürgen: „Ein Moskauer ,Willehalm4-Fragment (Fr89)“, in: Wolfram Studien 16 (2000), S.
319-335.
93 Vgl. Beckers, Hartmut: „Frühneuhochdeutsche Fassungen niederländischer Erzählliteratur im Umkreis
des pfalzgräflichen Hofes zu Heidelberg um 1450/80“, in: Miscellanea Neerlandica II: Festschrift J. De-
schampe, Leuven 1987, S. 237-249; Backes (wie Anm. 19), passim; Bloh, Ute von: „Anders gefragt: Vers
oder Prosa? ,Reinolt von Montalban4 und andere Übersetzungen aus dem Mittelniederländischen im
37
skizzenartig entworfenen Rekonstruktion der Bibliothek und der sonstigen literarischen
Interessen Elisabeths und ihrer Verwandten94 liegen bedeutsame, sicher freilich nicht die
einzigen Desiderata künftiger Forschung95.
Die Geschichtswissenschaft hat erst Jahrzehnte später als die Literaturwissenschaft das li-
terarische Schaffen Elisabeths zur Kenntnis genommen und ihr auch als Regentin und
Vormünderin ihrer beiden Söhne Philipp und Johann nie stärkere Beachtung geschenkt,
so daß die rund ein Jahrhundert alte Skizzierung ihrer Regierungstätigkeit in Albert Rup-
persbergs „Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken“', die mehr auf der noch
älteren Darstellung von Friedrich Köllner als auf eigenen Archivstudien fußt, immer noch
die beste Information über sie als historische Persönlichkeit bot, obwohl sich aus landes-
geschichtlicher Sicht die Notwendigkeit verdichtete, einige Angaben Ruppersbergs kri-
tisch zu überprüfen und stärker als er archivalische Quellen auszuwerten und somit auch
der Literaturwissenschaft eine breitere und bessere historiographische Grundlage zu bie-
ten96.
Umkreis des Heidelberger Hofes“, in: Wolfram-Studien 14 (1996), S. 265-293; Haubrichs (wie Anm. 54), S.
18f.
94 Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg: „Margarete von Rodemachern, eine deutsche Bücherfreun-
din in Lothringen, in: Hermann Blumenthal (Hg.): Aus der Geschichte der Handesbibliothek %u Weimar und ih-
rer Sammlungen, Jena 1941, S. 117-152 (mit 7 Abb.); vgl. ferner z. B. zum Gebetbuch der Margarethe von
Rodenmachern in Weimar noch Adolf Klein: „Das Wendalinusbild der Margarete von Rodemachern“,
in: Heimatbuch des Handkreises St. Wendel 15 (1973/74), S. 18-21. Gerade die religiösen Interessen des Eli-
sabeth-Kreises verdienten eine höhere Aufmerksamkeit der Forschung. Zu Recht weist Buschinger (wie
Anm. 18), S. 165 darauf hin, daß Elisabeth im Juli 1437 mit ihrem Bruder Anton in Metz ein jeu de la Pas-
sion, Nostre Seigneur Jhe'su Crist besucht habe. Vgl. zu den Metzer Mysterienspielen des 15. Jhs. (,Mistère de
saint Clément1 zwischen 1460/70, Barbara- und Katharinenspiele der Jahre 1485 und 1486) noch Elke
Ukena: Die deutschen Mirakelspiele des Spätmittelalters, Bern 1975, S. 305f. [Lit.]; Charles Bruneau/Pierre Ma-
rot, in: André Gain (Hg.): Histoire de Lorraine, Nancy 1939, S. 284 u. H.-W. Herrmann in diesem Band
S. 109-112 u. 114. Auch die kulturellen Kontakte, die dem Sohn Johann III. in den französischen
Sprachraum erwachsen, nachdem er in den 1448 von René d’Anjou gegründeten ,Ordre du Croissant4
aufgenommen wurde, sind zu beachten.
95 Von Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 94) ist z.B. die Frage gestellt worden, ob nicht auch die Berle-
burger Versübersetzung der ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs4 des Guillaume de Diguleville, von
der es zwei abhängige Prosafassungen gibt, ein Werk Elisabeths sei. Vgl. dazu Wolfgang Haubrichs in
diesem Band, S. 533-568ff. Damit öffnet sich zugleich der Blick auf einen literarischen Kreis um Elisa-
beths Tochter, Margarethe von Rodemachern.
96 Vgl. hierzu den Beitrag von Hans-Walter Herrmann in diesem Band, S. 9-124ff.
38
Abb.5: Margarethe von Nassau-Saarbrücken, Witwe zu Rodemachern, Miniatur aus ih-
rem Gebetbuch, Weimar, Zentralbibliothek der deutschen Klassik, Perga-
menthandschrift Q 59
39
Abb. 6: Grabplatte oder Epitaph des Grafen Philipp (II.) von Nassau-Saarbrücken- Weil-
burg in der Abteikirche Eberbach (nach Henrich Dors, Genealogia oder Stamm-
register der ... Fürsten, Grafen und Herren des ... Hauses Nassau, a. 1632, fol.
138r).
40
Wolfgang Liepe - Erinnerung
Gerhard Sauder
In den historisch-hermeneutischen und kulturwissenschaftlichen Disziplinen ist die Kate-
gorie ,Fortschritt fragwürdig. Gewiß gibt es auch in diesem Bereich der Wissenschaft ei-
nen Zuwachs des Wissens durch die Entdeckung neuer Quellen und Fakten, vor allem
aber durch überraschende Lektüren von längst ,ausgelesenen4 Texten. Von einem unauf-
haltsamen Fortgang des Wissensstromes und einer stetigen Anhäufung des Wissens im
Sinne des Fortschrittsglaubens, der im 19. Jahrhundert begründet wurde und weit in das
20. hineinreicht, kann jedoch nicht die Rede sein. Da es in unseren Disziplinen immer um
auslegungsbedürftige Texte geht und die Zeitmarke allen hermeneutischen Unterneh-
mungen eingeschrieben ist, wird jeder Versuch der Vergangenheit, einen Text zu ver-
stehen, zu einem Moment der Wissenschafts-, nicht unbedingt aber einer Fortschritts-
geschichte. Der Fall ist selten, daß eine Habilitationsschrift vom Beginn des Jahrhunderts
so viele Einsichten erarbeitet hat, daß sie nicht nur in der Erschließung von Quellen, son-
dern auch in den Grundlinien der Interpretation noch am Jahrhundertende für unentbehr-
lich und notwendig erachtet wird.
Hans Joachim Kreutzer urteilt in seiner wissenschaftskritischen Untersuchung „Der My-
thos vom Volksbuch“ (1977) über Liepes Darstellung: „Man besäße heute zumindest die
äußeren Voraussetzungen für ein Gesamtbild der im 15. und 16. Jahrhundert existie-
renden Erzählwerke in Vers und Prosa, wenn diese Literatur mit ihren Entstehungs- und
Lebensbedingungen im Prinzip so erforscht wäre, wie das in Liepes Buch exemplarisch
für einen wesentlichen Bereich geschehen ist. [...] Die Arbeit von Liepe verbindet die Er-
forschung der Überlieferung mit einer Würdigung der Texte im literarhistorischen Zu-
sammenhang.“1 In Liepes Konzept des Prosaromans bleibt kaum noch Spielraum für
Vorstellungen vom ,Volksbuch4. Diese Tendenz war von Lutz Mackensen vor allem re-
präsentiert worden. Seine Konzeption setzte sich in den zwanziger Jahren durch und
wurde durch „völkische“ Anschauungen bestärkt. In der Nachkriegzeit hat es bekanntlich
lange gedauert, bis diese Erblast erkannt wurde2. Von den Einwänden Liepes gegen die
popularisierenden ,Volksbuch‘-Thesen von Richard Benz, dessen Vorstellungen er „bibli-
ophilen Dilettantismus“3 4 nennt, muß hier nicht ausführlich die Rede sein; Kreutzer hat die
wichtigen Positionen der Diskussion dargestellt4. Auch die heute notwendigen Korrek-
1 Kreutzer, Hans Joachim: Der Mythos vom Volksbuch. Studien %ur Wirkungsgeschichte des frühen deutschen Romans
seit der Romantik, Stuttgart 1977, S. 131 f.
2 Vgl. Mackensen, Lutz: Die deutschen Volksbücher, Leipzig 1927, und Kreutzer (wie Anm.l), ebd.
3 Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland,
Halle a. S. 1920, S. 73.
4 Vgl. Kreutzer (wie Anm. 1), S. 124-130.
41
turen und Einschränkungen von Liepes Urteil über die literarhistorische Bedeutung Elisa-
beths in der Gattungsgeschichte des Romans müssen hier nicht wiederholt werden5.
Dennoch wird niemand, der sich mit dem Werk der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
beschäftigt, auf Liepes Monographie verzichten können. Nach wie vor stellt sie eine Basis
dar, auf die im großen und ganzen gebaut werden kann. Die Dankbarkeit der Forschung
gilt einem heute weitgehend vergessenen Gelehrten, der wohl nur noch in seinem zweiten
Hauptarbeitsgebiet, der Hebbel-Forschung, bekannt ist. Die Ursachen des Vergessens
sind in der Wissenschaftsgeschichte der Germanisdk in diesem Jahrhundert leider nicht
außergewöhnlich. Wolfgang Liepe wurde im Dritten Reich von seinem Lehrstuhl vertrie-
ben und kehrte erst in der Nachkriegszeit wieder nach Deutschland zurück — zu alt, um
noch einmal mit seinen Forschungen im Fach große Beachtung zu finden.
Wolfgang Liepe6 wurde am 27. August 1888 in Schulzendorf (Kreis Ruppin, Mark Bran-
denburg) als Sohn eines Pfarrers geboren. Das Kind besuchte bis zum achten Lebensjahr
die Dorfschule zu Herzberg (Kreis Ruppin). Nach dem Tod des Vaters 1895 zog die Fa-
milie nach Potsdam. Dort war Liepe Schüler des humanistischen königlichen Viktoria-
Gymnasiums seit 1897. Im September 1906 bestand er das Abitur und studierte zunächst
vom Wintersemester 1906 bis zum Sommersemester 1909 in Berlin Germanistik (bei
Erich Schmidt, Gustav Roethe und Max Herrmann), Romanistik (bei Heinrich Morf),
Philosophie (bei Wilhelm Dilthey, Georg Simmel und Max Dessoir) und Kunstgeschichte
(bei Heinrich Wölfflin). Im Herbst 1909 wechselte er nach Paris und studierte dort bis
zum Sommersemester 1910 Germanistik und Romanistik bei den Lehrern Charles Andler,
Henri Lichtenberger, Joseph Bedier, Charles Brunot, Gustave Lanson und Emile Male.
Nach Deutschland zurückgekehrt, belegte er im Wintersemester 1910/11 in Berlin seine
Hauptfächer und bezog im Sommersemester 1911 die Universität Halle. Im Frühjahr
1913 schloß er seine Studien mit der Promotion in Germanistik bei den Lehrern Philipp
Strauch, Kurt Jahn und Franz Saran ab. Seine romanistischen Lehrer waren Karl Vo-
retzsch und Walther Suchier. Liepe hatte eine Dissertation über „Das Religionsproblem
5 Vgl. ebd., S. 132 ff.
6 Die folgenden biographischen und bibliographischen Arbeiten sind mir bekannt; sie werden in meiner
Darstellung dankbar benutzt und wurden mit den Angaben in den herangezogenen Akten verglichen:
[Schulz, Eberhard?]: „Wolfgang Liepe 1888-1962. Ein Leben für Lehre und Forschung“, in: Hebbel-
Jahrbuch 1962, S. 10-14; Wodke, Friedrich Wilhelm: „Wolfgang Liepe (1888-1962). Zum 75. Geburtstag
am 27. August 1963“, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, NF, Vierter Band 1963, S. 233-242; Schulz,
Eberhard: „Wolfgang Liepe zum Gedenken“, in: Mitteilungen des Deutschen Germanisten-Verbandes 10 (1963),
Nr. 4, S. 3-5; Liepe, Wolfgang: Beiträge %ur Literatur- und Geistesgeschichte, hg. von Eberhard Schulz , mit ei-
nem Geleitwort von Benno von Wiese [Schriftenverzeichnis, zusammengestellt von Erich Trunz], Neu-
münster 1963; Schulz, Eberhard Wilhelm: „Liepe, Wolfgang“, in: 'NDB, 14. Bd., Berlin 1985, S. 532-533;
Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, Bd. 5, Teü 2: Geschichte der Philosophischen
Fakultät, bearbeitet von Karl Jordan und Erich Hoffmann, Neumünster 1969, S. 226-227 [Erich Hoff-
mann]; [Bigler, Ingrid]: „Liepe, Wolfgang“, in: Deutsches Literatur-Lexikon, dritte, völlig neu bearbeitete
Auflage, hg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang, Bern und München 1984, Sp. 1416; [Institut für
Zeitgeschichte]: „Liepe, Wolfgang“, in: International Dictionary of Central European Emigrés 1933-
1945, Vol. II, part 2: L-Z, München/New York/London/Paris 1983, S. 729.
42
Abb. 7: Wolfgang Liepe, links Aufnahme aus den 1920er Jahren, rechts aus den 1950er
Jahren
im neueren Drama von Lessing bis zur Romantik“ vorgelegt, die von dem Privatdozenten
Kurt Jahn angeregt worden war. Sie erhielt das Prädikat „diligentiae et acuminis documen-
tum laudabile“7 und erschien 1914 in Halle im Druck8. In der Kridk wurde besonders die
Applikation von Diltheys geistesgeschichtlicher Methode und ein ausführliches Kapitel
über den noch kaum im Kontext der Dramengeschichte gewürdigten Zacharias Werner
hervorgehoben. Wegen der unsicheren Zeitläufe und der wirtschafdichen Lage der sicher
nicht mit Reichtümern gesegneten Mutter legte Liepe zunächst 1914 noch das Staatsex-
amen mit einer Arbeit über Schellings Kunsttheorien ab. 1915 heiratete er die Kommili-
tonin Gertrud Neustadt. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er nicht zum Militär ein-
gezogen und leistete ersatzweise von 1916-18 Schuldienst an den Franckeschen Stiftungen
in Halle. Seit Dezember 1918 war er bis auf weiteres vom Schuldienst beurlaubt, um sich
auf seine Habilitadon vorzubereiten. Das Verfahren wurde am 8. Mai 1919 in Halle eröff-
net9. Am 30. Juli 1919 erhielt er die Venia legendi für deutsche Sprache und Literatur. Die
Antrittsvorlesung hielt er über das Thema „Rousseausche Kulturproblematik im Drama
von Goethes ,Götz‘ bis Hebbels ,Moloch4“ am 13. Oktober 1919.
Das Hauptgutachten erstellte Philipp Strauch. Er hob hervor, daß der Verfasser der
„Deutsch-Französin, der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, eine „eindringende
Die Promotionsakte Liepes im Universitätsarchiv Halle (UA Halle), Rep. 21 II, Nr. 199, Bd. 2.
8 Vgl. den Teildruck: Liepe, Wolfgang: Das Religionsproblem im neueren Drama von Lessing bis %ur Romantik
(Teildruck), Halle a.d.S. 1913. Die ungekürzte Ausgabe erschien unter dem Titel: Das Religionsproblem im
neueren Drama von Lessing bis %ur Romantik, Halle 1914 (= Hermaea, hg. von Philipp Strauch, Band XII).
9 Vgl. die Habilitationsakte im UA Halle, Rep. 21 III, Nr. 149.
43
Untersuchung“ gewidmet habe. Er gebe ein umfassendes Bild ihrer „literarhistorischen
Bedeutung“, halte nach allen Seiten „Ausschau“ und erschließe „neue Ausblicke“. Die
Beschreibung der epischen Vorlagen und ihrer Komposition und die kritische Prüfung
neuerer Thesen zum frühneuhochdeutschen Prosaroman (Fr. Schneider, R. Benz und O.
Walzel) wird zustimmend erwähnt. „Namentlich Benz [...] war [...] zurückzuweisen“.
Nach der Charakteristik von Margaretes „Vierepenzyklus aus der Picardie“, Elisabeths
französischen Vorlagen, bringe vor allem der Abschnitt über die „Sibille“ Neues. Das Ge-
samturteil lautet: „Der Verf. beherrscht seinen Stoff durchaus und entwickelt bei guter
Disposition seine Ansichten in oft scharfsinniger Weise. Das Thema interessiert übrigens
mindestens so wie den Germanisten auch den Romanisten und des Herrn Koll. Voretzsch
Urteil muss dem Ref. deshalb von ganz besonderem Werte sein. Und auch dem Kunsthis-
toriker ist einige Anregung geboten durch die den Hss. beigegebenen kolorierten Feder-
zeichnungen, s. R. Schmidt in der Einleitung zu Urtels Huge Scheppel-Ausgabe.“
Der Romanist Karl Voretzsch konnte sich nach dem fünfseitigen Referat des Kollegen
Strauch kürzer fassen. Er nennt die Habilitationsschrift eine „fleißige, gründliche, auch
den philologischen Einzelheiten nachgehende und sie für allgemeine Schlüsse und Ge-
sichtspunkte verwertende Arbeit, die den Verfasser auch mit den entsprechenden Gebie-
ten der franz. Literatur vertraut zeigt“. Allerdings seien die Analysen der vier französi-
schen Quellenwerke nicht von gleichbleibender Qualität. „Die Vorbilder des franz. Lion
de Bourges sind z.B. mit grösserer Gründlichkeit und Originalität behandelt als die Quel-
len des Loher und Maller, dessen Komposition allerdings noch eine eigene Untersuchung
verlangt. Den Nachweis, dass die deutschen Übersetzungen nicht nach franz. Prosaroma-
nen sondern nach fr. Versepen gefertigt worden sind, halte ich für gelungen; nicht für
ebenso zwingend den Beweis, dass alle 4 Dichtungen der Übersetzerin schon in zyklischer
Vereinigung zugekommen wären. Die Anfänge der franz. Prosa-Epen drückt der Verfas-
ser etwas zu tief in das 14. und 15. Jahrhundert hinab“.
Es ist besonders reizvoll, unter den Gutachtern auch Rudolf Unger zu finden, der den
Eindruck einer „gutfundierten, quellenmäßig gründlichen Untersuchung“ gewinnt, die je-
doch überall das „im engeren Sinne Philologische“ mit „Geschick und Weitblick in den
Dienst umfassenderer literarhistorischer Zusammenhänge zu stellen weiss“. Besonders
überzeuge ihn die Auseinandersetzung mit Walzel und Benz. Die „methodische Anlage
und Durchführung der Arbeit zeugt von Selbständigkeit, Scharfsinn und methodischer
Schulung“.
Der Kunsthistoriker Wilhelm Waetzoldt beschränkt sich auf eine Kritik von Liepes Stil.
Eine „stilistische Durcharbeitung“ des „weitschweifigen“ Stils und „undurchsichtigen
Satzbaus“ seien dem Verfasser dringend anzuraten: „Ein ausgeprägter Sinn für die Form
könnte dem Literarhistoriker nicht schaden.“
Von 1919 an lehrte Wolfgang Liepe in Halle als Privatdozent für Neuere Deutsche Litera-
tur. 1922 erhielt er einen Lehrauftrag für Theaterwissenschaft und wirkte auch als Drama-
turg am Stadttheater. Dies führte zu seiner Beteiligung an der Gründung einer Volksbüh-
ne in Halle, die schnell 20 000 Mitglieder zählte. Liepe war für mehrere Aufführungszyk-
44
len verantwortlich und hielt dazu einführende Vorträge.Im Jahre 1920 fand ein Vortrags-
und Aufführungszyklus „Das Drama der Jugend in Deutschland“ statt. Aufgeführt wur-
den u.a. Goethes „Prometheus“ und Hölderlins „Tod des Empedokles“10. Die theater-
praktische Tätigkeit ließ Liepe in diesen Jahren bei der Berufswahl zwischen literaturwis-
senschaftlicher und dramaturgischer Tätigkeit schwanken. Schließlich entschied er sich für
die akademische Laufbahn. 1925 wurde er zum nichtbeamteten außerordentlichen Profes-
sor in Halle ernannt. Bereits 1928 erhielt er einen Ruf auf die Professur für Neuere Deut-
sche Sprache und Literatur an der Universität Kiel. Zum 1. April 1928 wurde er zum per-
sönlichen Ordinarius (planmäßiges Extraordinariat, damit Beamter auf Lebenszeit) in Kiel
und gleichzeitig zum Direktor des literaturwissenschaftlichen Instituts mit Theatermuse-
um und Hebbelmuseum ernannt. Letztere Funktion sollte für die kommende Zeit auch
seinen Forschungsschwerpunkt bestimmen. 1929/30 führte ihn eine Einladung als Visi-
ting Professor an die Harvard University Cambridge/Mass, und eine Vortragsreise an wei-
tere amerikanische Universitäten.
Als akademischer Lehrer bot Liepe Vorlesungen und Seminare zur Literaturgeschichte des
18. und 19. Jahrhunderts, zur Theatergeschichte in Deutschland und speziell zum moder-
nen Drama an. In einem zufällig erhaltenen Brief an Artur Kutscher vom 16. Februar
1931 bittet er für eine Doktorandin um Auskunft über zwei in Kutschers Wedekind-
Biographie erwähnte Handexemplare des „Erdgeists“ mit handschriftlichen Bemerkun-
gen11.
Zwischen 1928 und 1933 baute Liepe die Sammlungen des Instituts für Literaturwis-
senschaft in Kiel, das Hebbelmuseum und das Theatermuseum, zügig aus. Dichter-
handschriften und Hebbel-Dokumente zum einen, Bühnenmodelle und Sprechplatten
von den Meiningern bis zur Gegenwart zum andern wurden zusammengetragen. Die
Bandumschnitte dieser wertvollen Platten befinden sich heute im „Deutschen Rundfunk-
archiv“ in Frankfurt a.M12. Mit der Hamburger Rundfunkgesellschaft ,Norag4 vereinbarte
er 1933 Direktübertragungen, die unter dem Titel „Theatrum academicum“ direkt aus
dem Institut gesendet wurden. Auf seinem Briefkopf wurde dieses Engagement für
Schallarchiv und Rundfunk dokumentiert: Liepe war auch Leiter einer „Lauthalle der
Schauspielkunst in Arbeitsgemeinschaft mit dem Audio-Vox-Sprachinstitut Berlin“. Ein
vergleichbares Interesse an neuen Medien in Verbindung mit Theaterwissenschaft war
damals an anderen deutschen Universitäten wohl nicht zu finden.
Alle Verdienste um die universitäre Forschung und Lehre und den Aufbau der Sammlun-
gen konnten Liepe nicht davor bewahren, Ende April 1933 im Zuge des nationalsozialisti-
schen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von seinen amtlichen
10 Vgl. Liepes Briefe an Wilhelm von Scholz vom 19.12.1919 und vom 4.1.1920 (Deutsches Literaturar-
chiv/Schiller-Nationalmuseum/Marbach am Neckar (61.3452/1 und 61.3452/2). Liepe benutzte die
Ausgabe: Der Tod des Empedokles von Hölderlin. Für eine festliche Aufführung bearbeitet und einge-
richtet von Wilhelm von Scholz, Leipzig 1910.
11 Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum/Marbach am Neckar (57.4853).
12 Deutsches Rundfunkarchiv. Historisches Archiv der ARD, Frankfurt a.M., 60006 Frankfurt a.M.
45
Verpflichtungen entbunden zu werden. Seine Ehefrau war jüdischer Abstammung, und
Liepes Mutter war die Tochter eines protestantischen Pfarrers und Berliner Privatdozen-
ten, der sich als Jude hatte taufen lassen13. Als beamteter Professor war er — in einer soge-
nannten ,Mischehe£ lebend — nicht mehr zu halten. Warum er mit Wirkung vom 1. No-
vember an die Philosophische Fakultät der Universität Frankfurt versetzt wurde, dort eine
planmäßige Professur mit normaler Lehrverpflichtung erhielt, aber weiterhin Mitglied des
Kieler Lehrkörpers blieb, ist wegen des Verlusts der Kieler Akten aus dieser Zeit nicht zu
klären14. Mit Schreiben des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erzie-
hung und Volksbildung vom 13. Januar 1936 an die Philosophische Fakultät der Universi-
tät Frankfurt am Main wurde Liepe zum 1. März 1936 an die Philosophische Fakultät der
Universität Kiel zurückversetzt. Inzwischen waren die „Nürnberger Gesetze“ in Kraft ge-
treten. Liepe ist wohl nahegelegt worden, wegen seiner ,Mischehe4 die vorzeitige Emeritie-
rung zu beantragen. Mit Wirkung vom 1. April 1936 wurde er unter gleichzeitiger Ertei-
lung eines Forschungsauftrages von den amdichen Verpflichtungen entbunden15. Liepe
wohnte in Frankfurt und erhielt sein Emeritengehalt von der Universitätskasse Kiel bis
Ende 1939 ausbezahlt. Er arbeitete an einem Forschungsprojekt über „Jean Jacques
Rousseau im deutschen Geistesleben“.
Kurz vor Kriegsausbruch erhielt er eine Einladung der Carl-Schurz-Gesellschaft zu einer
Vortragsreise in die Vereinigten Staaten. Er konnte eine Professur für Deutsche Kultur-
und Literaturgeschichte an der Theologischen Fakultät am Yankton College in Süd-
Dakota übernehmen. Frau und Kinder (zwei Söhne und eine Tochter) konnte Liepe nach-
reisen lassen. Als sein Nachfolger wurde in Kiel Clemens Lugowski berufen. Liepes in
Frankfurt zurückgelassener und eingelagerter Hausrat wurde von der NS-Regierung ver-
steigert. Die persönlichen Papiere, darunter das Material zu seiner Rousseau-Studie, fielen
im Keller von Freunden den Bomben zum Opfer.
1947 erhielt Liepe einen Ruf als Professor of German an die Universität Chicago. 1952 er-
laubte ihm ein Forschungsauftrag der „American Philosophical Society“ erstmals wieder
eine Deutschlandreise. Gastvorträge führten ihn an die Universitäten Kiel, Berlin und
Münster, wo er mit einem Hebbel-Vortrag am Germanistentag teilnahm. Im selben Jahr
13 Vgl. Schulz, Wilhelm Eberhard, in: NDB (wie Anm. 6), S. 532.
14 Vgl. die VersetzungsVerfügung des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung
vom 10.11.1934 an die Philosophische Fakultät in Frankfurt (gez. Rust). UA J.W. Goethe-Universität
Frankfurt a.M., Akten der Philosophischen Fakultät. Nach mündlicher Überlieferung in Kiel wurde Lie-
pe 1933 von Studierenden als ,Jude‘ denunziert. (Frdl. Mitteilung von H. J. Kreutzer, Regensburg). Im
Frühjahr 1933 fand in Kiel ein Ermittlungsverfahren gegen Liepe statt. Der Vorgang ist bis auf einige
Konzepte in schwer lesbarem Stenogramm nicht erhalten. Offenbar wurde Liepe vorgeworfen, Studen-
ten anderer Kollegen abgeworben zu haben, so daß sie nur noch seine Lehrveranstaltungen besuchten.
Ein Ermittlungsverfahren wurde auf Wunsch Liepes eingeleitet (Aktennotizen vom 15. und 22.5. 1933).
Als Zeugen wurden vom Universitätsrat nach Angaben eines Kollegen (Prof. Fritz Brüggemann) mehre-
re Studierende vernommen. Vgl. die spärlichen Akten der Christian-Albrechts-Universität Kiel, betr.
Disziplinarsachen der Professoren und Dozenten. Schleswig-Holsteinisches LA, Abt. 47, Nr. 1676.
15 Wie Anm. 14.
46
wurde ihm auf Antrag wegen der von den Nationalsozialisten verfügten vorzeitigen Eme-
ritierung (31.3.1936) Wiedergutmachung gewährt16. Werner Kohlschmidts Wegberufung
nach Bern (1953) erlaubte der Universität Kiel die Wiederberufung auf das Kieler Ordina-
riat für Neuere Deutsche Literaturgeschichte. 1956 wurde Wolfgang Liepe emeritiert. Von
1954 bis 1959 war er Vorsitzender der Hebbel-Gesellschaft, Leiter der Kieler Goethe-
Gesellschaft und Mitglied des Kultursenats der Stadt Kiel, die ihm 1960 ihren Kulturpreis
verlieh. Er ist am 10. Juli 1962 in Kiel gestorben.
Die von Liepes letztem Assistenten, Eberhard Schulz, herausgegebene Sammlung von
„Beiträgefn] zur Literatur- und Geistesgeschichte“ (1963)17 machte die wichtigen For-
schungsergebnisse des Gelehrten leichter zugänglich und wollte auch die thematische Ge-
schlossenheit seiner Lebensarbeit dokumentieren. Nach der bedeutenden Monographie
über Elisabeth von Nassau-Saarbrücken18 galt sein Interesse vor allem der Wirkung Rous-
seaus in der deutschen Literatur und dem Werk Friedrich Hebbels.
16 Vgl. die Akten im Schleswig-Holsteinischen LA Abt. 761, Nr. 12820.
17 Vgl. den vollständigen Titel unter Anm. 6.
18 Vgl. dazu auch Liepes Aufsatz „Die Entstehung des Prosaromans in Deutschland“, in: Zeitschrift für
Deutschkunde 36 (1922), S. 145-161, in den „Beiträge[n]“, S. 9-28.
47
Abb. 8: Siegel der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, angehängt an Urkunde vom
31. Mai 1455 (LA SB Best.N-Sbr.II Nr. 848 ) Durchmesser 53 mm eingedrückt in
rotes Wachs, eingebettet in naturfarbenes braunes Wachs.
Legende: Elisabeth de Eothrige comitissa de Nasaiv et de Sarep.
Ein älteres etwas kleineres Siegel, Durchmesser 36 mm mit der Legende Elisabet de
Eothrige coitissa de Nassarn et de Sarrpont, ist belegt durch einen Abdruck vom Jahre
1429 in AD M-et-M B 629 no. 134.
Sie bediente sich mindestens zwischen 1436 und 1443 auch eines secretes oder Signe-
tes. Ein Exemplar blieb erhalten (AM Metz AA 25,86), es handelt sich um ein
oblonges Achteck mit einer Höhe von ca. 20 mm. Das über das Wachs gelegte
Papierblättchen läßt Siegelbild und Buchstaben nicht genau erkennen. Die Stam-
pille könnte in einen Siegelring eingearbeitet gewesen sein.
48
Lebensraum und Wirkungsfeld
der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
Hans-Walter Herrmann
Die Geschichtswissenschaft hat erst Jahrzehnte nach der Literaturwissenschaft die Über-
tragung französischer Chansons de Geste in spätmittelhochdeutsche Prosa durch Elisa-
beth von Lothringen-Vaudemont, verehelichte Gräfin von Nassau-Saarbrücken, zur
Kenntnis genommen und eigentlich bis heute ihre über die mehr als ein Jahrzehnt andau-
ernde vormundschaftliche Regierung der nassau-saarbrückischen Lande für ihre beiden
Söhne Philipp und Johann weit hinausgehende kulturgeschichtliche Bedeutung nicht voll
gewürdigt. Gemessen an der zeitlichen und räumlichen Verbreitung der mit ihrem Namen
verbundenen Werke kommt ihrem literarischen Schaffen eine größere Bedeutung zu als
jedem anderem Regenten aus den linksrheinischen Zweigen des Hauses Nassau-
Saarbrücken, auch größer als dem hierzulande, nicht nur im populärwissenschaftlichen
Schrifttum, so hochgelobten Barockfürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken
(1718-1768).
Die nassauischen Genealogen und Haushistoriographen Johann Andrae', Henrich Dors1 2,
Johann Georg Hagelgans3 und Johann Martin Kremer4 erwähnten Elisabeths Überset-
zungstätigkeit ebenso wenig wie Friedrich Köllner5, Adolph Köllner6 und Karl Menzel7.
1 Johann Andreae, von 1596-1645 nassau-saarbrückischer 'Registrator, hat seine beim Ordnen, Inventarisie-
ren und Kopieren des Urkundenbestandes des Saarbrücker Archivs erworbenen Kenntnisse zu einer
mehrbändigen genealogischen Geschichte des Hauses Nassau und der von ihm beerbten Familien ge-
nutzt. Über Elisabeth finden sich einige Passagen in der Genealogie der Grafen von Nassau-Saarbrücken
(HHStA Wiesbaden Abt. 1002 Nr. 1). Eine ausführliche Würdigung Andreaes als Archivar und Histori-
ker steht noch aus, vgl. die Angaben bei Dors (wie Anm. 2) S. 17 f. mit Hinweisen auf ältere Literatur u.
Renkhoff, Otto: Nassauische Biographie. Kwnfiographien aus 13 Jahrhunderten, 2. Aufl. Wiesbaden 1992, S. 14.
2 Genealogia oder Stammregister der durchläuchtigen hoch- und wohlgeborenen Fürsten, Grafen und Herren des uhralten
hochlöblichen Hauses Nassau samt etlichen konterfeitlichen Epitaphien, kolligiert, gerissen und beschrieben durch Henrich
Dorsen, Malern von Altweilnau Anno 1632, unter Mitwirkung der Historischen Kommission von Nassau hg.
von der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V., Saarbrücken 1983
(= Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung IX), S.
188-191.
3 Hagelgans, Johann Georg: Nassauische Geschlechtstafel des walramischen Stammes von Graf Henrich dem Reichen
bis auf die von ihm stammende in drei fürstlichen Häusern der saarbrückischen Linie gegenwärtig blühende Nachkomme-
ne, durch Diplomata und andere archivalische Documenta, auch einige beigefügte Kjipferstiche erläutert, bestätigt und dem
Publico mitgeteilt von (...), Frankfurt/Main - Leipzig 1753. Über den Verfasser vgl. Renkhoff, Otto: „Johann
Georg Hagelgans, 1687-1762“, in: Nassauische Lebensbilder 5, Wiesbaden 1955, S. 57-69.
4 Johann Martin Kremer behandelte nur die Anfänge des Hauses Nassau bis zur Teilung in die ottonische
und walramische Linie im Jahre 1255 (Wiesbaden 1779) und die Geschichte der Grafen von Saarbrücken
und Saarbrücken-Commercy (Frankfurt - Leipzig 1785).
5 Köllner, Friedrich: Geschichte des vormaligen Nassau-Saarbrück'sehen Landes und seiner Regenten, 1. Teil: Geschichte
der Grafen und Fürsten von Saarbrück, Saarbrücken 1841.
6 Köllner, Adolph: Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, 2 Bde., Saarbrücken 1865, ND Saarbrü-
cken 1981.
49
Nachdem in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ ein Artikel von Karl Bartsch er-
schienen war8, brachte Albert Ruppersberg9 im letzten Jahr des 19. Jahrhunderts unter
Auswertung literarhistorischer Arbeiten10 Elisabeths Übersetzungstätigkeit in die lokal-
und regionalgeschichtliche Literatur ein. Vier Jahre später (1903) veröffentlichte Detta
von Zilcken einen umfangreichen Aufsatz in der Beilage der ,Münchener Allgemeinen
Zeitung*11, durch dessen Nachdruck in den ,Mitteilungen des Historischen Vereins für die
Saargegend*12 die saarländische Leserschaft über den Inhalt der Romane ,Loher und Mal-
ler* und ,Hugschapler* unterrichtet wurde. Detta von Zilcken, zum Zeitpunkt des Nach-
druckes ihres Aufsatzes schon verstorben, erwähnte, daß „einige Literarhistoriker, unter
ihnen Simrock, schließen wollen, daß die Gräfin von Saarbrücken auch die Verfasserin ei-
nes dritten Volksbuches sei: „Der weiße Ritter oder die Geschichte vom Herzog Herpin
von Bourges und seinem Sohn Löw“, bezog aber selbst keine Stellung zur Autorschaft.
Albert Ruppersberg als Schriftleiter der ,Mitteilungen des Historischen Vereins für die
Saargegend* wies in einer Fußnote13 auf die Vermutung Urtels14 hin, daß „auch das Buch
von der Königin Sibille, welches mit dem ,Hugescheppel* in der Hamburger Handschrift
zusammengebunden ist, durch Elisabeth übersetzt worden sei.“
Von seiten der frankophonen lothringischen Historiker wurde ihrer als Übersetzerin
erstmals von Robert Parisot (1919) gedacht15. Ruppersbergs biographische und landesge-
schichtliche Angaben wurden von Wolfgang Liepe16 übernommen und sind seitdem im-
mer wieder, meist unkritisch verwendet, manchmal sogar phantasievoll ausgeschmückt
worden. Anläßlich der 500. Wiederkehr ihres Todesjahres referierte im Dezember 1956
der Kunsthistoriker Peter Volkelt den damaligen Forschungsstand17. Hans Joachim
Menzel, Karl: Geschichte von Nassau von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis %ur Gegenwart, Bd. 5, Wiesbaden
1879.
8 Bartsch, Karl: „Elisabeth, Gräfin von Nassau und Saarbrücken“ in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 6,
Leipzig 1877, S. 18 £
9 Ruppersberg, Albert: Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, 1. Aufl. Saarbrücken 1899, Bd. 1, S.
207-210, 2. Auflage Saarbrücken 1908, S. 204-211, ND Saarbrücken 1979, im Folgenden wird nur die 2.
Auflage zitiert.
10 Wackernagel, Wilhelm: Geschichte der deutschen Literatur, 1.Auflage 1858, S. 357; Simrock, Karl: Loher und
Maller, Stuttgart 1868.
11 Nr. 128 u. 129.
12 Zilcken, Detta: „Gräfin Elisabeth von Saarbrücken, die erste deutsche Romanschriftstellerin. Literarhis-
torische Studie“, in: Mitt. Hist. Her. Saargegend 9 (1909) S. 15-36.
13 Fußnote auf S. 25 in dem in Anm. 12 genannten Aufsatz.
14 Urtel, Hermann: Der Huge Scheppel der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken nach der Handschrift der Ham-
burger Stadtbibliothek, Hamburg 1905 (Veröff. aus d. Hamburger Stadtbibliothek 19) S. 3.
15 Parisot, Robert: Histoire de Lorraine, Paris 1919, Bd. I, S.194.
16 Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland,
Halle a.d. Saale 1920.
1 Volkelt, Peter: „Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau und zu Saarbrücken in Geschichte, Litera-
tur und Bildender Kunst“, in: Ztschr. Gesch. Saargegend 6/7 (1956/57) S. 37-54 mit Hinweisen auf weitere
Erwähnungen Elisabeths in der lokalgeschichtlichen Literatur.
50
Kühn18 hat die Sommeraufenthalte Elisabeths auf Burg Bucherbach im Köllertal kritisch
hinterfragt. Bernhard Burchert19 hat die von Ruppersberg überlieferten Fakten der Re-
gentschaft Elisabeths und ihres Sohnes Graf Johanns III. von Nassau-Saarbrücken vom
Blickpunkt der Zivilisationstheorie des Norbert Elias her bewertet und sah Anzeichen für
einen politischen und sozialen Wandel gegenüber der Regierungszeit ihres Gatten bzw.
Vaters, Graf Philipps I.
Die starke Beachtung, die Elisabeth in den letzten Jahren von literaturwissenschaftlicher
Seite findet, verlangt von den Historikern, sich eingehender als bisher mit ihrem Leben,
vornehmlich ihrer Regentschaft, zu befassen. Dieser Versuch soll auf verbreiterter archi-
valischer Grundlage in kritischer Auseinandersetzung mit früheren Veröffentlichungen
und unter stärkerer Berücksichtigung der nassau-saarbrückischen Besitzungen in der
Reichsromania unternommen und damit ein nuancenreicheres Bild dieser bedeutenden
Frau gezeichnet werden.
1. Herkunft, Vermählung
Elisabeths Eltern waren Friedrich (Ferryj von Lothringen, Graf von Vaudemont, Herr zu
Rumigny, Boves und Aubenton, und Margarethe von Joinville20. Friedrich hatte 1391 von
seinem Bruder Herzog Karl von Lothringen einige Besitzungen in der Picardie erhalten.
Er führte nicht den Herzogstitel, der ihm in der deutschsprachigen Literatur mitunter bei-
gelegt wird21. Die Grafschaft Vaudemont, die Herrschaft Joinville und einige Burgen
brachte ihm seine Gattin Margarethe zu. Erst durch diese Heirat erwarb er in der Land-
schaft Lothringen Besitz. Margarethe, die älteste Tochter Heinrichs von Joinville, Erb-
marschall der Champagne, und der Marie von Luxemburg, war sechzehn Jahre älter als er
und Witwe aus zwei vorausgegangenen Ehen mit Johann von Burgund, Herrn von Mon-
taigu (JT373), und mit Graf Peter von Genf (fl392).
18 Kühn, Hans-Joachim: Zur Geschichte der Burg Bucherbach im Mittelalter. Bemerkungen gu Forschungsstand und
Quellenlage, Püttlingen [1986], S. 5-7.
19 Burchert, Bernhard: Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaerfihlungen Elisabeths von Nassau-
Saarbrücken, Frankfurt a.M./ Bern/ New York 1987.
20 Zu ihrer Familie vgl. Poull, Georges: La Maison ducale de Lorraine devenue la Maison impériale et royale d'Autri-
che, de Hongrie et de Bohème, Nancy 1991, S. 179-181 und François, Michel: „Histoire des Comtes et du
Comté de Vaudémont“, in: MS AL 71 (1934) S. 209-225, hier S. 213, Stammtafeln yur Geschichte der europäi-
schen Staaten, NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. VII, Marburg 1979, Tafel 6.
21 So Bartsch (wie Anm. 8) und Eiwert, W. Theodor: „Elisabeth, Gräfin von Nassau-Saarbrücken“, in:
NDB, Bd. 4, 1959, S. 445f. Auch V. Mertens, „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: LexAiA, Bd.3,
München-Zürich 1986, Sp. 1836 bezeichnet sie als „Tochter Herzog Friedrichs von Lothringen“. Der
Herzoginnen-Titel wird Elisabeth schon in der Besitzzuschreibung ihres Gebetsbuches zugelegt, vgl. S.
109:
51
Abb. 9: Rekonstruktionsversuch von Burg und Stadt Vaudémont vor 1636, aus: Pays
Lorrain 1999, S, 49. Die um 1900 entstandene Skizze vermittelt einen Eindruck
von der geringen Größe des Bergstädtchens und der Kargheit der Burg.
Elisabeths Geburtsjahr ist nicht bekannt. Ein Terminus post quem ergibt sich aus der
Hochzeit ihrer Eltern, die zwischen dem 4. Juni und dem 19. Juli 1393 stattfand22. Elisa-
beth kann also frühestens im April 1394 geboren worden sein. Die wenigen Wochen, die
im Jahre 1412 zwischen Elisabeths Verlobung und Vermählung lagen, berechtigen anzu-
nehmen, daß sie die Geschlechtsreife schon erreicht hatte. Somit ergibt sich ein Ansatz ih-
res Geburtsjahres zwischen 1394 und 1397/98. Da ihr Bruder Anton nach dem Tod des
Vaters in der Schlacht bei Azincourt (25. Oktober 1415) noch einige Zeit unter der Vor-
mundschaft seiner Mutter (J* 28. April 1417) stand, dürfte er jünger als Elisabeth gewesen
sein, vielleicht auch jünger als seine Schwester Margarethe23.
Ebenso unbekannt wie das Geburtsdatum ist der Geburtsort. Doch ist eher an Vézelise
im südlichen Lothringen, den Verwaltungssitz der Grafschaft Vaudémont, oder an Join-
ville an der oberen Marne als an die alte Burg Vaudémont zu denken, die dem Wohnkom-
fort des ausgehenden 14. Jahrhunderts schon nicht mehr entsprochen haben dürfte.
Die Grafschaft Vaudémont lag im Reichsgebiet, die Herrschaft Joinville im Königreich
Frankreich, beide im frankophonen Sprachraum. Wenn Liepe mitunter Elisabeths Vater
22 Poull (wie Anm. 20), S. 179.
23 Ebd. S. 179 f. u. 182.
52
als „deutschbürtig“ bezeichnet24, dann bedient er sich eines Nationalitätenbegriffes, des-
sen Rückprojizierung ins 15. Jahrhundert anachronistisch anmutet.
Über Kindheit und Jugend Elisabeths ist wenig bekannt. Doch könnten literarische Nei-
gungen der Mutter, insbesondere deren angebliche Übertragung des Romans ,Loher und
Maller4 (1405) vom Lateinischen ins Französische und die Aufführung eines Mirakelspiels
vom Leben der Heiligen Agnes 1410 in Vezelise25 dem jungen Mädchen Anregungen ge-
geben haben, die es als reife Frau veranlaßten, in die Fußstapfen der Mutter zu treten.
Im Frühjahr 1412 stand ihre Verlobung an. Verlobung im Kindesalter und Vermählung in
der Mitte des 2. Lebensjahrzehnts waren damals in Adelshäusern keine Besonderheit. In
Eheabsprachen finden sich entweder die allgemeine Wendung „nach erlangten mannba-
ren Jahren“ oder Angaben über die Zahl der vollendeten Lebensjahre26. Um ihre Hand
hielt an Philipp, Graf von Nassau und Saarbrücken, Herr zu Commercy an der Maas und
Merenberg im Taunus, Sohn des von Kaiser Karl IV. in den Fürstenstand erhobenen Gra-
fen Johann von Nassau-Weilburg und der Johanna von Saarbrücken-Commercy27. Er war
nach den Kurfürsten von Pfalz und Trier, den Herzögen von Bar, Lothringen und Lu-
xemburg der mächtigste und angesehenste Territorialherr zwischen Oberrhein und Maas.
Sein väterliches Erbgut lag zwischen Main und Lahn. Weilburg, Usingen und Neuweilnau
waren hier die wichügsten Positionen, aus dem mütterlichen Erbe stammten die Be-
sitzungen an der mittleren Saar und Blies, die sich um die Burgen Saarbrücken, Ottweiler
an der Blies und Bucherbach im Köllertal gruppierten und ihrer Rechtsnatur nach mehr
Metzer Lehen und Vogteien (über das Benediktinerinnenkloster Neumünster und das
Kollegiatstift St. Arnual) als gräfliches Allod waren28. Dazu kamen die im Sprachgebrauch
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (noch) nicht zur Grafschaft Saarbrücken gerechne-
24 Liepe (wie Anm. 16), S. 7, 9 u. 20.
25 Germain, Léon: „Ferry de Lorraine, comte de Vaudémont“, in: MS AL 31 (1881), S. 73-122, hier S. 111
26 Hagelgans (wie Anm. 3), S. 49 zur ersten Gattin des Grafen Johann III. Die Vermählung von Graf Phi-
lipps Schwester Agnes, mit Graf Heinrich dem Eisernen von Waldeck versprochen, sollte erfolgen, wenn
sie 12 Jahre alt sein würde (Ruppersberg, wie Anm. 9, S. 177), das Beilager von Graf Philipps Tochter
Johanna aus 1. Ehe mit dem Landgrafen Hermann von Hessen sollte im 14. Lebensjahr gehalten werden
(Hagelgans, wie Anm. 3, S, 47), ebenfalls das 14. Lebensjahr war für das Beilager der Margarethe von
Loen-Heinsberg mit Elisabeths ältestem Sohn Philipp vorgesehen (Hagelgans, wie Anm. 3, S. 47), Elisa-
beths eigene Tochter Margarethe wurde läjährig mit Gerhard von Rodemachern vermählt.
27 Zu ihm vgl. Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 180-203, Menzel (wie Anm. 7), S. 81-142, Thomas, Heinz:
„Philipp, Graf zu Nassau und zu Saarbrücken“, in: Neumann, Peter (Hg.): Saarländische Lebensbilder, Bd.
3, Saarbrücken 1986, S. 11-42 und seinen Beitrag in diesem Band. Zum Fürstenrang vgl. Rudorff, Wolf-
gang: Die Erhebung der Grafen von Nassau in den Reichsfürstenstand, Berlin 1921.
28 Eine dem derzeitigen Forschungsstand entsprechende Darstellung der Entwicklung der nassau-
saarbrückischen Landesherrschaft liegt nicht vor, letzte Zusammenfassung bei Hoppstädter, Kurt/
Herrmann, Hans-Walter, Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis
Zum Ausbruch der französischen Revolution, Saarbrücken 1977, S. 279-315.
53
Abb. 10: Burg und Ort Vaudèmont, Grundriß gezeichnet von Gérard Guiliato, aus: Bur,
Michel (Hg.): Les Peuplements Castraux dans les Pays de P Entre-Deux, Nancy
1993, S.175.
l=Burg, 2=Stiftskirche, 3=Brunnen, 4=Tor, 5=Tor Le Maitre, 6=Turm du
Guet, 7=Ausfallpforte la Brèche.
te Vogtei über die Benedikünerinnenabtei Herbitzheim an der oberen Saar, die mit den
Herzogen von Lothringen strittige Vogtei über das Prämonstratensersdft Wadgassen29
sowie die Vogteiherrschaft St. Avold (früher St. Nabor), wo die Ausübung der nassau-
saarbrückischen Herrschaft schon unter Philipp mit den Ansprüchen der Bischöfe von
Metz als Lehnsherren und der Herren von Kriechingen/Créhange als Untervögte konkur-
rierte, allerdings noch nicht in dem Maße, wie zu Zeiten seiner Enkel und Urenkel30. An-
teile oder Öffnungsrechte an Diemeringen31 und Niedersdnzel32 zeigen die Tendenz zur
29 Auch die Vogteiverhältnisse des Stiftes Wadgassen im Spätmittelalter sind noch nicht aufgearbeitet.
Hinweise für das 15. Jh. gibt das Regest einer Urk. vom 02.05.1466 bei Burg, Josef: Regesten der Prä-
monstratenserabtei Wadgassen bis gum Jahre 1571, Saarbrücken 1980, Reg. Nr. 839.
30 Einige Angaben bei Schwingel, Karl: „Die Verfassung des Großen Hofes der Vogtei St. Nabor
(St.Avold)“, in: Rhein. Vjbll. 22 (1956) S. 213-249.
31 Ein Viertel von Stadt und Burg Diemeringen war am 20.04.1414 an Nassau-Saarbrücken verpfändet
worden (HHStA Wiesbaden Abt. 121 u. Abt. 3001 Nr. 17 fol. 24-25), Verpfändung der Hälfte von Die-
54
Ausdehnung der nassauischen Einflußsphäre auf die obere Saar, die allerdings erst der
Enkel Johann Ludwig durch den Erwerb der Grafschaft Saarwerden konsolidieren konn-
te32 33. Aus dem mütterlichen Erbe stammten auch die Besitzungen in der Reichsromania,
vornehmlich die mit der jüngeren Saarbrücker Linie ins Teil gehende Herrschaft Com-
mercy34. Seit der Teilung von 1342 war dort Mittelpunkt und Verwaltungssitz die von der
gräflichen Saarbrücker Linie erbaute untere Burg in Commercy (Chateau-Bas), davon ab-
hängig die kleine Herrschaft Hey (terre de HejJ35, weiterhin im alleinigen Besitz der gräfli-
chen Linie die kleine Herrschaft Morley36, Anteil an den Burgen Pierrefort, Avant-Garde
und Bouconville aus dem Erbe der Linie Bar-Pierrefort37, Streubesitz zwischen oberer
Maas und mittlerer Mosel und schließlich Besitz in dem zum Königreich Frankreich gehö-
renden Bellistum (bailliage) Vitry38. Philipp hatte die beiden Gebiete seiner verdichteten
Herrschaftsrechte an Lahn und Saar durch eine Kette von Stützpunkten verbunden. Der
Erwerb der Herrschaften Kirchheim und Stauf am Donnersberg durch seine Heirat mit
Anna von Hohenlohe39, die mit gewaffneter Hand erzwungene Aufnahme in Homburg4'1,
der Erwerb von Pfandanteilen an der Burg Nanstein bei Landstuhl41 und die Aufnahme in
Burgfriedensgemeinschaften mit daraus resultierenden Offnungsrechten in Altenbaum-
meringen am 08.03.1422 u. Burgfrieden zu Diemeringen vom 29.06.1424 (ebd. fol. 154-158 u. LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 159).
32 Burgfrieden vom 09.07.1424 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 161), vgl. auch Benoit, Louis: „Elisabeth de Lor-
raine régente de Nassau-Sarrebruck et le burgfrid de Niedersdnzel“, in: MS AI2e Série 9 (1867) S. 137-
168.
33 Herrmann, Hans-Walter: Geschichte der Grafschaft Saarwerden bis gum Jahre 1527, Bd. 2, Saarbrücken 1959
(Veröff. d. Komm. f. saarlde. Landesgesch. 1), S. 105-149.
34 Mit dem Tode des Grafen Johann I. von Saarbrücken-Commercy im Jahre 1341 trat eine von ihm am
02.09.1326 getroffene Erbfolgeregelung in Kraft: Sein Enkel Johann (Sohn seines verstorbenen ältesten
Sohnes Simon) erbte die Grafschaft Saarbrücken, damit auch den Grafentitel, und alle sonstigen Besit-
zungen im deutschsprachigen Bereich sowie einen Anteil an Stadt und Herrschaft Commercy, sein jün-
gerer Sohn Johann erhielt den anderen Teil von Stadt und Herrschaft Commercy und wurde alleiniger
Besitzer der Burg (später sogen. Oberschloß). Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken erbaute 1389 in
Commercy auf dem gräflichen Teil einen Donjon (spätere Untere Burg/Chäteau-Bas), vgl. François-
Vivès, Simone: „Les seigneurs de Commercy au moyen âge XIe s. — 1429“, in: MS AL 74 (1936) S. 85-
162 u. 75 (1937) S. 1-134.
35 Sie bestand aus den Orten Flirey, Limey, Remenauville und Fey-en-Haye (alle Dép. M-et-M, Ct. Thiau-
court).
36 Dép. Meuse, Ct. Montiers-sur-Saulx.
37 Herrmann, Hans-Walter: „Beziehungen zwischen dem Saarraum und der Landschaft zwischen Mosel
und Maas im Mittelalter“, in: Ztschr. Gesch. Saargegend 20 (1972) S. 13-28, hier S. 24.
38 AD M-et-M B 628 Nr. 161. Es handelt sich nicht um Vitry-le-François, sondern um das etwas westlich
davon gelegene Vitry-en-Perthois (beide Dép. Marne).
39 Mötsch, Johannes: „Die Grafen von Henneberg als Besitzer der Herrschaft Kirchheimbolanden in der
Pfalz“, in: Jb. d. Hennebergisch-Frdnkischen Geschichtsvereins 8 (1993) S. 117-125.
40 Herrmann, Hans-Walter: „Beiträge zur Geschichte der Grafen von Homburg“, in: Alitt .Hist. Ver. Pfal^
77 (1979) S. 65-72.
41 Mehrere Belege seit 1413 in HHStA Wiesbaden Abt. 145 Urkk.
55
bürg, Frankenstein42, Wartenstein43 und Wöllstein44 bei Kreuznach und Drachenfels45 sind
hier zu nennen. Diese Kette setzte sich über die Saar hinaus nach Westen fort mit den
Ganerbenburgen Varsberg und Rollingen/Ra ville46 und dem Kemelacher Tal (Rémilly)47
(vgl. Übersichtskarte S. 57). So war zwar nicht ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet
entstanden, wohl aber ein System von Stützpunkten, das Philipp ermöglichte, trotz der
weiten geographischen Streuung seiner Besitzungen beim Hin- und Herziehen sich immer
auf eine seiner Burgen oder Städte, die nicht mehr als eine Tagesreise auseinanderlagen,
zu stützen.
Philipp war ein Mann, der über den Horizont seines relativ kleinen Territoriums hinaus-
sah, der im Kielwasser seines Cousins Johann, Kurfürst von Mainz, zeitweise aktiv in die
Auseinandersetzung zwischen Wittelsbachern und Luxemburgern um die deutsche Kö-
nigskrone eingriff, der in der Wetterau sich als Landfriedensobmann bewährt und der als
Mitglied des Großen Rates des französischen Königs Karls VI. und durch seine Verbin-
dungen zu Ludwig von Orléans Einblick in die inneren Verhältnisse Frankreichs bekom-
men hatte. Er war etwa gleichaltrig mit seinem künftigen Schwiegervater und knapp drei-
ßig Jahre älter als Elisabeth. Als Fünfzehnjähriger war er mit deren Tante Isabella von
Lothringen, einer Schwester seines jetzigen Schwiegervaters, verlobt worden, aus nicht
bekannten Gründen war das Verlöbnis gelöst worden48. Im Jahre 1387 hatte er Anna, die
einzige Tochter des Grafen Kraft von Hohenlohe, heimgeführt und dadurch die Herr-
schaften Kirchheim und Stauf am Donnersberg erworben. Anna war 1410 verstorben und
hatte zwei Kinder Philipp49 und Johanna50 hinterlassen.
42 Urk. von 1448 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5485 fol. 2.
43 Urk. vom 11.01.1431 LHA Koblenz Best. 54 V Nr. 137.
44 Die nassauische Teilhabe an Wöllstein ist belegt für 1393, 1411 und 1417 (HHStA Wiesbaden Abt. 149
D, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2384 S. 89-94).
45 Gde. Busenberg LK Pirmasens-Zweibrücken (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 155 u. Nr. 2443, S. 297-299 u.
HHStA Wiesbaden Abt. 145 Urkk. vom 27.03.1422 u. 23.10.1458).
46 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 217 u. Nr. 3101 fol. 8.
47 Ebd. Nr. 5198 fol. 1-6.
48 Vertrag vom 10.7.1383 zwischen Herzog Johann von Lothringen und Philipps Oheim Friedrich von
Blankenheim, Bischof zu Straßburg (HHStA Wiesbaden Abt. К 65 fol. 24-25), Hagelgans (wie Anm. 3),
S. 45, bei Poull (wie Anm. 20) keine Angaben.
49 Philipp, geboren 1388, gestorben 19.04.1416, zu Weilburg bestattet, zunächst mit Anna, der Tochter
Graf Günthers von Schwarzburg verlobt, Verlöbnis aber 1407 gelöst, Grabstein in Schloßkirche Weil-
burg, Inschrift bei Hagelgans (wie Anm. 3), S. 48 und Dors (wie Anm. 2), S. 252.
50 Johanna, 1409 mit Ludwig dem Sohn des Landgrafen Hermann von Hessen vermählt, dieser starb aber
1413, dann in 2. Ehe vermählt mit Graf Georg von Henneberg, gestorben 01.02.1481 vgl. Mötsch (wie
Anm. 39).
56
Abb. 11: Lebensraum und Wirkungsfeld der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken,
Übersichtskarte. Vgl. die Ausschnitte auf den beiden folgenden Seiten.
57
Abb. 12
58
Berus^"
Wehrden
Varsberg Saar brücke”
Neumünster
Ott weiter
Schiffweiler 4
Neunkirchen
^Bucherbach
Wadgassen
yölklingen
ILSt. Johann
<fi\St. Arnual
Kirkel
5
(^Battweiler
(5*Homburg
£
Zweibrücken
Saargemünd 1
I Diemeringen
Niederstinzel i
| Saarburg
Kartenausschnitt 2
zur Übersichtskarte zum Wirkungsfeld der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
H # Nassau - saarbrückischer Besitz
DO Nassau - saarbrückische Teilhabe
□o Besitz anderer weltlicher und geistlicher Herren
(5 Vogtei über Kloster oder Stift
Entworfen: Hans-Walter Herrmann Gezeichnet: Raimund Zimmermann
<5* Burg
□ Stadt
Stadt mit Burg
Abb. 13
59
Zur Aushandlung der Ehe hatte sich Graf Philipp persönlich in die Grafschaft Vaude-
mont begeben. Die Verlobung erfolgte dort am 8. Mai 141251. Warum seine Wahl gerade
auf Elisabeth gefallen war, ist nicht bekannt. Die Motivation muß im dynastisch-terri-
torialpolitischen Bereich gesucht werden. Eine „Liebesheirat“ sollte man ausschließen. Ob
er sich bis zur Vermählung am 11. August52 in der Grafschaft Vaudemont aufgehalten hat-
te oder inzwischen noch einmal in seine Lande zurückgekehrt war, ist unbekannt53. Die
Aussteuer Elisabeths bestand nicht in Land und Leuten, sondern in 10.000 Goldtalern54.
Als Sicherung verschrieb Philipp einen gleich hohen Betrag auf die Hälfte der Grafschaft
Saarbrücken und der Herrschaft Commercy, dotierte seine junge Frau mit einer Morgen-
gabe in Höhe von 2.500 francs und bestimmte die Burg Bucherbach im Köllertal als ihren
Witwensitz55.
2. An der Seite des Gatten
Über Elisabeths Leben zu Lebzeiten ihres Mannes ist wenig bekannt. Ihr Gatte war zu-
weilen in kaiserlichem Auftrag, häufiger aber zur Wahrnehmung eigener Interessen un-
terwegs; denn die Streulage seiner Besitzungen zwischen der Champagne und dem Tau-
nus erforderte schon aus Gründen der Besitzwahrung seine gelegentliche Anwesenheit.
Wir haben keine Hinweise, daß zu Lebzeiten des Grafen Philipp Saarbrücken schon der
bevorzugte Aufenthaltsort, also Residenz war. Vielmehr ist davon auszugehen, daß Phi-
lipp ganz im Stile mittelalterlicher Reiseherrschaft zwischen seinen Besitzungen an der
Lahn und im Taunus, an der Saar und in der Reichsromania hin- und herpendelte. Da die
nassau-saarbrückischen Urkunden der ersten Hälfte des 15. jahrhunderts selten den
Ausstellungsort enthalten, läßt sich ein Itinerar für ihn ebensowenig aufstellen wie für Eli-
sabeth während ihrer Regentschaft. Daß sie ihn manchmal begleitete, ergibt sich aus der
Geburt ihres Sohnes Johann in Kirchheim am Donnersberg56 und der Verbuchung von
Kosten in der Rechnung von Bouconville für Reparatur und Möblierung des Zimmers der
Gräfin in der dortigen Burg57. Ob sie gelegentlich ihre Mutter (j- 1417) in Vaudemont,
51 Eintragung in die Rechnung von Vaudémont (AD M-et-M B 9703 fol. 69 verso) zum 08.05.1412 fiancay
M. de Nassaum et ma damoiselle Ysabel, Liepe (wie Anm. 16), S. 6.
52 Dito zu Donnerstag dem 11.08. jour de nosses madame de Nassouive (fol.85 recto), so auch Germain (wie
Anm. 25) S. 73f.
53 Die genannte Rechnung von Vaudémont für das Jahr 1412 enthält noch folgende Eintragungen: zum 7.
Mai Monsieur de Naussaum a l'ostel et plusieurs chevaliers et escuiers (fol. 69 recto), zum 9. Juli escuiers du comte de
Nassaum a Hostel (fol. 79 verso), zum 13. September Monsieur de Nassau et tout sengen s a l'ostel (fol. 90 recto).
54 Du Mont, J. Baron de Carels-Croon: Corps universel Diplomatique du Droit des Gens II, 1ère partie, Amster-
dam - Den Haag 1726, S. 347-348,, vgl. AD M-et-M 3F 438 fol. 375, Poull (wie Anm. 20) S. 180.
55 Revers vom 8. Mai 1412 über Rückzahlung der Aussteuer, wenn Elisabeth ohne Nachkommen sterben
sollte (HHStA Wiesbaden 130 II A 536 S. 2, AD M-et-M B 357 fol. 5 u. B 414 fol. 87), einige Angaben
auch bei Poull: (wie Anm. 20), S. 180. Die Wittumsverschreibung wurde durch den Bischof von Metz
und den Herzog von Lothringen bestätigt (HHStA Wiesabden Abt. 130 II Nr. 536).
56 Hagelgans (wie Anm. 3) S. 49.
57 Rechnung von 1417/19 (AD Meuse B 1535 fol. 35).
60
Vezeüse oder Joinville besuchte, ist nicht bekannt. Rechnungen der vaudemontischen Be-
sitzungen, in denen solche Besuche am ehesten erwähnt sein könnten, sind aus dieser Zeit
nicht erhalten. Eine Begleitung ihres Gatten bei seinen militärischen Aktionen und politi-
schen Aktivitäten, z.B. 1415 Teilnahme am Konstanzer Konzil, 1421 am Nürnberger
Kurfürstentag, 1422 an den Reichstagen in Regensburg und Nürnberg, ist weniger wahr-
scheinlich.
Wir besitzen keine Nachrichten, inwieweit sie sich während seiner Abwesenheit an den
Verwaltungsgeschäften beteiligte58. Es fehlen Quellennachweise für Yvonne Rechs Quali-
fizierung „Die am Hofe merken schnell, daß sie es mit einer Frau zu tun haben, die sich
nicht in eine angepaßte passive Rolle, wie an deutschen Fürstenhöfen dieser Zeit noch üb-
lich, fügt, sondern klug und umsichtig die politischen Situationen in der häufigen Abwe-
senheit ihres Gatten meistert.“59 Meiner Ansicht nach hatte Elisabeth in jugendlichem Al-
ter im Elternhaus kaum Erfahrungen sammeln können, um, wie Rech schreibt, den poli-
tischen Führungsstil an deutschen Höfen mit dem in Paris kritisch vergleichen zu können.
Ebenso wenig wissen wir über ihr Verhältnis zu den beiden Stiefkindern, von denen Phi-
lipp mindestens sechs Jahre älter als sie selbst war. Einiges deutet darauf hin, daß er von
seinem Vater mit Aufgaben in den rechtsrheinischen Besitzungen betraut wurde. Dort
starb er im Jahre 1416. Die Stieftochter Johanna/Johannetta wurde am 22. Juni 1422
durch Vermittlung des Erzbischofs Konrad von Mainz und des Bischofs Johann von
Würzburg mit dem Grafen Georg von Henneberg vermählt60.
Mittelalterliche Chronisten und Genealogen erwähnen meist nur die Kinder, die länger
lebten. Daher läßt sich nicht sagen, ob der Sohn, den Elisabeth am 12. März 1418 gebar
und der den Namen Philipp erhielt, ihr erstes Kind war oder ob Schwangerschaften vo-
rausgegangen waren. Es folgten Johann, geboren am 4. April 1423, und Margaretha, gebo-
ren am 26. April 142661. Für die gelegentlich in der Literatur begegnende Erwähnung
zweier weiterer nicht namentlich genannter Kinder konnte ich bisher in den Quellen kei-
ne Bestätigung finden, vielleicht liegt eine Verwechslung mit den beiden Stiefkindern vor.
Im Umfeld des Grafen lebte auch dessen illegitimer Sohn Hent^ichin/Hain^equin de Nasso-
wen62. Bei Dicke bastard de Nassomn liegt die gleiche Herkunft nahe63. Ein Philipp von Nas-
58 Am 07.04.1418 ist sie an einer Schuldverschreibung ihres Gatten zugunsten von Peter Kranche von
Kirchheim über 600 fl. beteiligt (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 65 fol. 20 fl).
59 Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau und Saarbrücken: Sibille. Das Buch von König Karl von
Franckrich und siner Husfrouwen Sibillen, die umb eins Getwerch willen verjaget wart. Eine freie Übertragung von
Yvonne Rech, St. Ingbert 1994, S. 102.
60 Hagelgans (wie Anm. 3), S. 47, vgl. auch Mötsch (wie Anm. 39).
61 Hagelgans (wie Anm. 3), ebd.
62 Er wird lebend erwähnt bzw. siegelt zwischen 1400 u. 1413 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 76, 103, 104,
1174, 1499, 6783, AD Meuse B 251 fol. 126v - 128v, HStA München, Best. Rheinpfälzer Urk. Nr. 2721,
HHStA Wiesbaden Abt. 121 Nr. 105a, Abt. 130 Nr. 105 u. 113, Abt. 3001 Nr. 17 fol. 56 u. 225v-226v,
am 29.04.1412 Bastard genannt (ebd. 130 I II D 2 Nr. 2). In einer Urk. vom 09.04.1455 wird Graf Phi-
lipp als sein Vater genannt, beide sind schon verstorben (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 17 fol. 289).
61
sau, der mitunter in den welschen Landen mit Aufgaben betraut wurde, dürfte ebenfalls
ein unehelicher Sohn des Grafen Philipp gewesen sein63 64. Seine uneheliche Tochter Grede
war schon 1425 mit dem in gräflichen Diensten stehenden Peter von Rittenhofen ver-
mählt65. Den seit 1456 hin und wieder genannten Lucas (Lux), Bastard von Nassau, Halb-
bruder Graf Johanns III. dürfte Graf Philipp I. während der 2. Ehe gezeugt haben66. Vater
eines seit 1497 auftretenden Heinrich, Bastard von Nassau, wird einer von Elisabeths
Söhnen gewesen sein67.
3. Regentschaft
3.1. Übernahme der Vormundschaft
Graf Philipp starb im 61. Lebensjahr am 2. Juli 1429 bei einem Aufenthalt in den rechts-
rheinischen Landen. Er wurde beigesetzt im Kloster Klarenthal bei Wiesbaden, das im
Herrschaftsgebiet seiner Idsteiner Verwandten lag68. Die Vormundschaft für die beiden elf
und sechs Jahre alten Söhne und damit verbunden die Regentschaft in den nassau-
saarbrückischen Landen wurde nach Landesbrauch und Familientradition geregelt. Ver-
handlungen darüber sind nicht bekannt. Wir kennen das Ergebnis nur aus der faktischen
Handhabung in den folgenden Jahren.
Der elfjährige Philipp übernahm nominell, wahrscheinlich beraten und unterstützt von
Lehnsleuten und Beamten, die Verwaltung der rechtsrheinischen Gebiete, Elisabeth die
der Gebiete an der Saar und in der Reichsromania. In Kirchheim und Stauf erfolgte ein
Zusammenwirken der Mutter mit ihrem ältesten Sohn. Schon Menzel kannte keine Belege
für die Mitwirkung Elisabeths an der Verwaltung des rechtsrheinischen Besitzes. Er äu-
ßerte sogar die Ansicht, daß sie diesen Teil der nassauischen Lande wahrscheinlich nie-
Über adlige Bastardkinder im Spätmittelalter vgl. Reichert, Winfried: „Der fünfte Mann oder Über Bas-
tarde im Hause Luxemburg“, in: Giebmeyer, Angela/Schnabel-Schüle, Helga (Hgg.): „Das Wichtigste ist
der Mensch“. Festschrift für Klaus Gerteis %um 60. Geburtstag, Mainz 2000, S. 364-401, hier S. 389-396 mit wei-
terführender Lit.
63 Er quittiert am 10.10.1419 über 20 fl. 10 Groschen (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 121). Er wird letzmals le-
bend erwähnt am 04.08.1425 (ebd. Nr. 6804 ), 1418 vermählt mit Alard/ Aleyd de Nevie% nach Lienard,
Dictionnaire topographique de la Meuse, Paris 1872 S. 164 Naives-en-Blois, Dép. Meuse (LA SB Best. N-
Sbr.II Nr. 6792), deren Zweitehe mit Gérard de Wallemeix / Walmel seit 1426 mehrfach belegt ist (ebd. Nr.
188, 190, 191, 194, 6780, 6806, 6809, 6810, 6812, 6813 u. 6819).
64 Er empfing Lehen am 13.07.1426 (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 17 fol. 241v).
65 LH A Koblenz Best. 54 R Nr. 123.
66 Graf Johann III. von Nassau-Saarbrücken nennt in einem undatierten Schreiben (LA SB Best. N-Sbr.II
Nr. 4630 fol. 24) Lucas mynen bastart bruder, weitere Erwähnung von Lucas am 27.07.1456 (ebd. Nr. 1554).
Er hatte einen gleichnamigen Sohn, der 1521 Amtmann des Grafen Johann Ludwig von Nassau-
Saarbrücken in Ottweiler und Pächter einer Eisenschmiede bei Wiebelskirchen war (ebd. Nr. 358).
67 Erwähnt 1497-1510 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2397 fol. 43, 4297 fol. 23f., HHStA Wiesbaden Abt. 3001
Nr. 14 fol. 139).
68 Epitaphienbuch (wie Anm. 2), S. 184 f.
62
mals gesehen habe69. Ein Rückblick auf die Familientradition zeigt, daß der verstorbene
Graf Philipp selbst zunächst unter der gemeinsamen Vormundschaft seiner Mutter und
seines Großvaters mütterlicherseits gestanden hatte und, nachdem im Laufe des Jahres
1381 innerhalb weniger Wochen Mutter und Großvater verstorben waren, unter der sei-
nes Oheims Friedrich von Blankenheim, Bischof von Straßburg70.
Die Frage der weiblichen Regentschaft und Vormundschaft ist eng verbunden mit der
weiblichen Erbfolge in Allod und Lehen, letztlich mit der Stellung der Frau in der mittel-
alterlichen Adelsgesellschaft. Lothringen hatte drei Generationen zuvor den Kampf der
Yolande von Flandern um die Regentschaft für ihren Sohn Robert von Bar erlebt. Dem
Pariser Parlament hatte sie vorgetragen, daß das Recht auf tutela vel cura, ballum vel gardia seu
administratio des Minderjährigen in der Grafschaft Champagne, der Grafschaft Bar und
den benachbarten Gebieten beim Tod des Vaters der Mutter gebühre71. Elisabeth kannte
Analogiefälle aus der eigenen Familie: Ihre Mutter hatte zwei bis drei Jahre die Vormund-
schaft für Anton geführt72, ihre Urgroßmutter Marie von Blois, Witwe Herzog Raouls von
Lothringen, für ihren Sohn Johann, Elisabeths Großvater73. Eine späte Bestätigung für
mütterliche Vormundschaft ergibt sich aus der Anerkennung der Bestellung der Gräfin-
witwe Beatrix von Mörs-Saarwerden zur Vormünderin ihres Sohnes nach Gewohnheit
des Stiftes Metz durch Kaiser Maximilian im Jahre 151574. Auch aus dem Lehnsrecht er-
gaben sich keine Hindernisse für die Übernahme der Regentschaft durch Elisabeth. Die
weibliche Lehnsfolge in der Grafschaft Saarbrücken war bei dem Übergang von den alten
Grafen von Saarbrücken auf die Herren von Commercy und von ihnen auf das Haus
Nassau anerkannt worden75.
Hinsichtlich des Mündigkeitsalters lagen die Dinge weniger klar. Unter der Vorausset-
zung, daß das von den späteren nassauischen Hausgenealogen überlieferte Geburtsjahr
von Elisabeths ältestem Sohn Philipp - 1418 - zutrifft76, wäre er beim Tod des Vaters erst
elf Jahre alt gewesen. Dies erscheint auffallend jung. Sein Vater war mit Vollendung des
15. Lebensjahres aus der Vormundschaft endassen worden, sein Bruder Johann erst mit
69 Menzel (wie Anm. 7), S. 153, mindestens beim Tod ihres Gatten war sie aber doch dort, vgl. unten S_
70 Ruppersberg, (wie Anm. 9), S. 180.
71 Thomas, Heinz: Zwischen Regnum und Imperium. Die Fürstentümer Bar und Ij)tbringen %ur Zeit Kaiser Karls IV.,
Bonn 1973 (=Bonner Historische Forschungen Bd. 40), S. 24 ff., Bubenicek, Michelle: „Quand les tes-
tamentes règlent les régences. Les prises de pouvoir de Yolande de Flandre, comtesse de Bar, et de Ma-
rie de Blois, duchesse de Lorraine, au XIVe siècle“, in: Lotharingia 7 (1997) S. 59-66.
72 François (wie Anm. 20), S. 227.
73 Thomas (wie Anm. 71), S. 60 f.
74 Herrmann, (wie Anm. 33), Bd. 1, Reg. Nr. 1733.
73 Herrmann, Hans-Walter: „Die Saar - Grenze zwischen Mann- und Kunkellehen“, in: Haubrichs, Wolf-
gang/Jäschke, Kurt-Ulrich/Oberweis, Michael (Hgg.): Grenzen erkennen - Begrenzungen überwinden. Festschrift
für Reinhard Schneider zpr Vollendung seines 65. Febensjahres, Sigmaringen 1999, S. 249-262.
76 Hagelgans (wie Anm. 3), S. 47.
63
18 oder 19 Jahren. Der nassauische Hausvertrag von 149177, der sich am bestehenden
Rechtsbrauch orientierte, sah vor, daß er von jedem männlichen Mitglied der Familie nach
vollendetem 14. Lebensjahr beschworen werden solle. René von Anjou war ebenfalls mit
15 Jahren volljährig geworden78. Selbst wenn wir nicht die Vollendung eines bestimmten
Lebensjahres als Maßstab nehmen, sondern die körperliche und geistige Reife, ist eine
Mündigkeit mit elf Jahren bemerkenswert früh.
Philipp empfing schon 1430 die Reichslehen79, von Kurpfalz80 1432, 1434 und 1435 die
verschiedenen Kurmainzer Lehen81. Er vergab seit Dezember 1430 Aktivlehen82, schloß
Burgfrieden und fungierte als Partner bei der gütlichen Beilegung von Streitigkeiten83 84 85.
Elisabeth sprach ihre vormundschaftliche Regentschaft sehr häufig in den Urkunden und
dem sonstigen Verwaltungsschriftgut an. Im deutschsprachigem Schriftverkehr verwende-
te sie meist die Formel Elisabeth von Eotthringen widern gu Nassauw und %u Sarbrucken vor uns
und unsere sone von momparschafft wegenA französische Stücke ließ sie titulieren Nous Ysabel de
Eoherainne confesse vefve de Nassowen et de Sarrebruche, dame de Commarcey mainbumeresse et ayant le
bal et gouvernement de Philippe et Jehan nos enfans moinres d'aige8 5.
3.2. Aufnahme der Verwaltungsgeschäfte
Drei Tage nach dem Tod ihres Gatten kehrte die höchstens 35jährige Witwe mit ihren
Kindern nach Saarbrücken zurück. Sie muß ihn bei seiner letzten Reise begleitet haben;
denn die Zeit zwischen seinem Tod (2. Juli) und ihrer Rückkehr nach Saarbrücken (5. Juli)
ist zu kurz für eine Reise von Saarbrücken zum Begräbnis nach Klarenthal bei Wiesbaden
und zurück. Für den Rest ihres Lebens blieb sie Witwe86. Unmittelbar nach der Rückkehr
Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 234f.
78 Thomas, in diesem Band S.167f.
79 Altmann, Kegesta Imperii Nr. 7697, HHStA Wiesbaden Abt. 150 Urk. Nr. 472 u. Abt. 168 a Nr. 92.
80 Anteil an Altenbaumburg, Gericht auf dem Einrich, Seelbach (HHSTA Wiesbaden Abt. 150 Urk. 693-
695).
81 Sonnenberg u. Klopp (HHStA Wiesbaden Abt. 150 Nr. 516-518).
82 Ebd. Abt. 121.
83 Burgfrieden in Frankenstein am 20.09.1429 (HHStA Wiesbaden Abt. 168 a Nr. 91) in Kirchheim, Stauf
und Dannenfels mit Erzbischof Konrad von Mainz, Pfalzgraf Stephan von Zweibrücken und Graf
Friedrich von Veldenz am 19.07.1431 (HHStA Wiesbaden Abt. 137 Nr. 11, Abt. 168a Nr. 108 u. 109,
Abt. 170 Nr. 1092) und in der Burg Nassau am 14.07.1430 (ebd. Abt. 350 Nr.48).
84 Auch in der Korroboratio, z. B. vor uns und unser sone von momparschafft wegen unser ingesigel an diesen brief getan
hencken (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 6357); ähnlich von unser kind und momparschaft wegen (ebd. Nr. 2443, S.
135).
85 Z.B. Urk. vom 24.08.1431 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 205).
86 Stammtafeln %ur Geschichte der europäischen Staaten, 2. Aufl. hg. von Frank Baron Freytag von Loringhoven,
Marburg 1953, Tafel 13 und ihm folgend Theodor Eiwert (wie Anm. 21) geben an, Elisabeth habe sich
1430 in 2. Ehe mit einem Grafen Heinrich von Blämont (f 1441) vermählt, ebenso Alain Atten in der
seinem Aufsatz „Les Lorrains dans l‘ost de Charles VII“, in: Hemecht. Ztschr. Luxemburger Geschichte 40
64
(6. Juli) erbat sie schriftlich von Herzog Karl von Lothringen als Verwandtem (Onkel)
und als Lehnsherr Beistand, Rat und Schirm, wie der Wortlaut des Briefes vermuten läßt,
vornehmlich für ihre Besitzungen in der Reichsromania87. Wie der Herzog darauf reagier-
te, ist nicht bekannt. Elisabeth holte sich Rat bei einem nicht genannten Kleriker zur Ges-
taltung ihres Witwenstandes. Seine Antwort, bekannt als „Trostbrief4, ist abschriftlich im
Gebetbuch ihrer Tochter Margarethe überliefert88. Er enthält keine Anspielung auf die ihr
bevorstehende vormundschaftliche Regierung und die Erziehung ihrer minderjährigen
Kinder, sondern empfiehlt ein zurückgezogenes Leben.
Erstes Zeugnis ihrer Verwaltungstätigkeit ist ein Schreiben vom 28. September 1429 an
Graf Johann von Salm89. Ihr vordringliches Anliegen mußte sein, die rechtliche Anerken-
nung ihrer Vormundschaft durch die Lehnsherren und die Ganerben von Burgfriedens-
gemeinschaften90 zu erreichen und sich von den nassau-saarbrückischen Vasallen Lehns-
reverse ausstellen zu lassen91. Die Art und Weise, wie dies erfolgte, spiegelt die oben ange-
sprochene Aufteilung der Verwaltung. Elisabeth wurde belehnt von dem Kurfürsten von
Trier92, dem Bischof von Metz93 und den Herzogen von Lothringen und Bar94, ihr Sohn
Philipp empfing die Reichslehen und die Kurmainzer Lehen95.
(1988) beigegebenen Stammtafel. Dies trifft nicht zu, vermutlich sind Daten ihrer Schwester Margarethe,
die einen Theobald, Herr von Blämont (f im 2. Halbjahr 1431) geehelicht hatte, hier verfälschend ver-
mengt worden. Schon Wolfgang Liepe (wie Anm. 16) S. 22 hatte die irrige Annahme einer Zweitehe kor-
rigiert.
87 Varsberg-Korrespondenz Nr. 1 in diesem Band S. 254f.
88 Das Gebetbuch der Margarethe von Rodemachern wird heute in der Zentralbibliothek der deutschen
Klassik in Weimar als Pergamenthandschrift Q 59 verwahrt. Eine Auswahl der darin enthaltenen Bilder
wurde herausgegeben von Konrad Kratzsch: Das Gebetbuch der Margarete von Kodemachem, 2. Aufl. Berlin
1978, vgl. auch Schenk zu Schweinsberg, Eberhard Freiherr von: „Margarete von Rodemachem, eine
deutsche Bücherfreundin in Lothringen“, in: heihefi 23 der Ztschr. d. Ver. f. Thüring. Gesch. u. Altertumskde.
1941 u. Klein, Adolf: „Das Wendalinusbild der Margarethe von Rodemachern“, in: Heimatbuch des LK
St.Wendel 15 (1973/74) S. 18-21. Zu Elisabeth als Empfängerin des Witwenbriefs vgl. Kratzsch, S. 38 f.
Der Trostbrief findet sich auf fol. 102 recto - 123 verso. Daß er an Elisabeth gerichtet war, ergibt sich
aus dem Schlußsatz: Diß vurgeschriben wart miner frauwen seligen van Nassaue geschriben do sie wiedwe wart das sie
nah leben solde. Die Verfasserschaft eines Klerikers ergibt sich aus dem geistlichen Inhalt und aus der kur-
zen Anrede gnedige jrauwe, die kein Abhängigkeitsverhältnis erkennen läßt. Auch die Worte mit denen ihr
verstorbener Gemahl erwähnt wird {von uweren irdesschen gemahel des ßeisches it^unt ein weil die wurme geessen
hant), entbehren jeder respektvollen Formulierung, wie sie von einem Burgkaplan oder einem Frühmes-
ser in Saarbrücken zu erwarten wäre.
89 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3044 fol. 42.
90 Zu Diemeringen am 21.03.1432 (AD Bas-Rhin 25 J 252, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1284), zu Rollingen
1436 (ebd. Nr. 217 u. 3101).
91 Die erste bekannte Belehnung durch Elisabeth ist die des Hans von Rittenhofen im Oktober 1429
(HHStA Wiesbaden Abt. 121), weitere Belehnungen aus den Jahren 1430/31 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr.
1023, 1121,1136, 1176, 1472, 5574, 5785 und LHA Koblenz Best. 54 V Nr.137).
92 Lehensrevers für Ulrich von Manderscheid, Elekt zu Trier, datiert zu Ottweiler am 21.11.1431 (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 1477), Lehenbrief des Elekten vom 23.11.1431 (ebd. Nr. 1478); eine Auflistung der
Lehensobjekte in HHStA Wiesbaden Abt. 130 III B 5 Trier Nr. 1 fol. 2.
65
3.3. Regierungsziele
Vier Grundlinien sehe ich in Elisabeths Regentschaft, die ich als ihre Regierungsziele an-
sprechen möchte:
1) den territorialen Besitzstand zu sichern,
2) die auf Stärkung der Landesherrschaft ausgerichtete Politik ihres Gatten fortzuführen,
3) Neutralität zu wahren in dem konfliktträchtigen Umfeld sich überschneidender poli-
dsch-territorialer Interessen und wechselnder Bündnisse,
4) eine Überschuldung zu verhindern.
3.3.1. Wahrung des territorialen Besitzstandes
Zahlreiche Urkunden und Briefe belegen, wie Elisabeth darauf bedacht war, ihren Söhnen
das väterliche Erbe zu erhalten und allen Versuchen einer Schmälerung entgegenzutreten.
Ein beachtlicher Erfolg gelang ihr mit dem Rückkauf des Erbes von Graf Philipps Toch-
ter aus erster Ehe. Sie hatte bei einer Erbeinigung vom 30. November 1429 drei Viertel an
den Herrschaften Dannenfels, Kirchheim und Stauf und den Anteilen an Altenbaumburg,
Wöllstein und Frankenstein erhalten93 94 95 96. Im Juni 1431 kaufte Elisabeth all dies zurück für
26.000 fl. mit Genehmigung König Sigmunds und des Bischofs von Worms als Lehns-
herrn97.
Problematisch gestaltete sich die Aufrechterhaltung der nassau-saarbrückischen Rechte in
der Reichsromania oder, wie es im Sprachgebrauch der Saarbrücker Verwaltung hieß, en
roman pays. Als Erbe der Grafen von Saarbrücken-Commercy waren die kleine Herrschaft
Morley und Anteile an Burg, Stadt und Herrschaft Commercy 1381 an das Haus Nassau
gefallen. Mitherr in Commercy war Robert von Saarbrücken-Commercy, ein außerordent-
lich streitbarer Zeitgenosse, dessen Konflikte mit wechselnden Gegnern stets die Gefahr
der Schädigung nassau-saarbrückischer Leute, Güter und Rechte in „welschen Landen“
heraufbeschworen98. Schon ihr Gatte hatte sich in den frühen 1420er Jahren mit dem Ge-
93 Lehensrevers vom 18.02.1432 über Burg und Vorburg Saarbrücken, die Vogtei St.Nabor, eine von der
Herrschaft Pierrefort herrührende Jahrgülte von 10 Mud Salz auf die Salinen des Hochstiftes Metz und
eine Jahrgülte von 15 Schilling Metzer Pfg. auf das Dirminger Tal und von Commercy das, was sie zu
Recht vom Hochstift Metz empfangen soll (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1479 u. 6273, AD Moselle B
2345).
94 Die Belehnung wird erwähnt in Schreiben an Herzog René vom 31.05.1431 mit Bezug auf Morley
(HHStA Wiesbaden Abt. 130 III B 5 Lothr. Nr. 1 fol. 2), an ihren Bruder Anton vom 20.01.1432 (Vars-
berg-Korrespondenz Nr. 3) u. an die lothringischen Räte vom 13.08.1435 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr.
216).
95 Vgl. Anm. 79 u. 80.
96 Mötsch (wie Anm. 39), S. 123.
97 HHStA Wiesbaden Abt. 150 Nr. 599.
98 Robert von Saarbrücken-Commercy wird in der Arbeit von François-Vivès (wie Anm. 34) nicht behan-
delt, es ist daher zurückzugreifen auf Dumont,C.-E.: Histoire de la Ville et des Seigneurs de Commercy, Tome
Ier, Bar-le-Duc 1843, S. 209-271. Robert steht im Mittelpunkt einer ungedruckt gebliebenen Thèse de
66
danken getragen, große Teile seines Besitzes in der Reichsromania zu veräußern. Im nas-
sau-saarbrückischen Archiv finden sich noch heute die Konzepte zweier Urkunden, deren
Wortlaut einen voraufgegangenen Verkauf seines Anteils an Commercy, der Herrschaft
Morley und seiner Anteile an Avant-Garde, Bouconville und Pierrefort an Herzog Karl
von Lothringen voraussetzt99. Sein Verhältnis zu Robert war bis zu seinem Lebensende
gespannt geblieben. Schon im September 1429 schrieb Elisabeth deshalb an den Grafen
von Salm100.
Um sich selbst zunächst voll den Besitzungen an Saar und Blies zuwenden zu können, be-
stellte sie für Angelegenheiten in der Reichsromania am 15. März 1430 ihren gouvemeur en
roman pays Michel von Castel, Johann von Wolfstein, Gerin von Kübelberg, ihren Schult-
heißen in Saarbrücken Hans von Rittenhofen und Jacques von Vignoy, Dekan des Kollegi-
atstiftes St. Nicolas in Commercy und gleichzeitig nassau-saarbrückischer Rentmeister (re-
cepveur) in Commercy, zu ihren Generalbevollmächtigten101.
Schon zu diesem Zeitpunkt war ihr Verhältnis zu Robert von Saarbrücken-Commercy
nicht unbelastet; denn in der Generalvollmacht ist ein Termin für 24. März mit Robert
vorgesehen, um über Erbgut und Fahrhabe (pour cause d'eritage come de meubles) zu ver-
handeln. Die Streitpunkte konnten nicht ausgeräumt werden, sondern wurden zum Aus-
gleich an sechs Schiedsleute verwiesen, deren Auswahl für die politischen Sympathien
aufschlußreich ist. Von nassau-saarbrückischer Seite wurden benannt der lothringische
Seneschall Johann von Hassonville, Heinrich Haze und Magister Jehan de Bruilan, Siegel-
bewahrer des Herzogtums Bar, von Seiten Roberts von Saarbrücken-Commercy Robert
von Baudricourt102, Amtmann zu Vaucouleurs, sowie Amoul de Sampigny und jehan de Wai-
1‘Ecole des Chartes (vgl. Positions des Thèses de 1‘Ecole des Chartes 1885 S. 133). Die im Stadtarchiv
Metz verwahrten Quellen über ihn sind noch nicht ausgewertet (AA 25 Nr. 70-103 u. AA 51 Nr. 1).
99 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1516 : 1) René endäßt Philipp aus den Lehnspflichten für Morley, Bouconville,
Pierrefort und Avant-Garde, die Philipp an Herzog Karl von Lothringen verkauft hat. Letzterer siegelt
als Vormund Renés. 2) Herzog Karl von Lothringen beschwört einen Burgfrieden zu Commercy mit
Robert von Saarbrücken-Commercy, nachdem Philipp ihm seinen Anteil an Commercy verkauft hat.
Beide Konzepte sind undatiert. Eine ungefähre Datierung ergibt sich aus der Nennung Herzog Karls als
Vormund Renés. Die Vormundschaft begann mit dessen Vermählung mit Isabella von Lothringen
(24.10.1420) und endete am 04.08.1424: Poull (wie Anm. 20), S. 143.
100 Wie Anm. 89.
101 Bestellung als procureurgeneraulx et certaines messages especiaulx en toutes no^ causes quereles et besongnes reeles etper-
soneles meues et a mouvoir contre toutes personnes et par devant tous seigneurs et juges, bailifs, prevostes, maiours, commis-
saires, arbitres, auditeurs, délégués, subdelegues et autres quelconques de quelconque pouvoir ou autorité qu'ilx usent ou
soientfonde^ tant d'esglise come de siede en tant de mandant come de deffendant (AD M-et-M B 529 Nr. 136).
102 Zu ihm vgl. Contamine, Philippe: „Baudricourt, Robert von“, in: LexALA, Bd.l, 1980, Sp. 1563, Poull,
Georges: „Robert de Baudricourt, chevalier, capitaine de Vaucouleurs et Bailli de Chaumont, sa famille
et sa descendance“, in: Les Cahiers d'Histoire, de biographie et de Généalogie 2 (1966) S. 13-39, insbes. S. 21 u.
24 f., Dumont (wie Anm. 98) S. 222ff., 239, 244, Thomas in diesem Band S.176. Im Jahre 1437 war er
Bellis von Chaumont-en-Bassigny (Dupont-Ferrier, Gaston: Gallia regia ou Etat des officiers royaux des bail-
liages et des sénéchaussées de 1328 à 1515, Paris 1942-1966, Bd. 2. S. 152). Mitsiegler eines Vertrages zwi-
schen Elisabeth und Robert von Saarbrücken-Commercy AD M-et-M B 632 Nr. 14.
67
guilliem. Eine der Dissenspunkte dürfte die Verpfändung nassau-saarbrückischer Anteile
an Commercy an den Herzog von Lothringen und den Grafen von Vaudemont gewesen
sein103 104.
Schwierigkeiten bereitete auch die Respektierung der nassau-saarbrückischen Teilhabe an
den Burgen Pierrefort, Bouconville und Avant-Garde. Schon ihrem Gatten waren die
Einkünfte aus seinen Anteilen an den Burgen Pierrefort und Avant-Garde mit den zuge-
hörigen Dörfern seit der Zeit, als Kardinal Ludwig von Bar das Herzogtum verwaltet hat-
te, vorenthalten worden105, vielleicht als Repressalie für Philipps Parteinahme zugunsten
des Herzogs von Berg in der barischen Erbfolgefrage106. Nach seinem Tode wurde Elisa-
beth auch an der Teilhabe an Bouconville gehindert107. Sie bat schon bei ihrer Belehnung,
in ihre vollen Rechte eingesetzt zu werden und trug dieses Anliegen immer wieder schrift-
lich vor108. Nur in Nonsard waren anscheinend die nassau-saarbrückischen Rechte nicht
beeinträchtigt109. Es ist ihrer Beharrlichkeit zu verdanken, daß ihre Cousine Herzogin Eli-
sabeth als Generalstatthalterin in den Herzogtümern Lothringen und Bar 1442 den Gra-
fen Johann nicht nur mit Morley, sondern auch mit der Hälfte von Burg und Probstei
Bouconville (Bockendorff) und allen anderen Herrlichkeiten, Renten und Gülten, die seine
Vorfahren in den Bellistümern Bar, St. Mihiel und Clermont besessen hatten, belehnte
und ihre Amtleute ausdrücklich anwies, Johann in den Genuß dieser Lehen kommen zu
lassen110.
Differenzen mit Lothringen scheinen auch im deutschsprachigen Teil des Herzogtums
angestanden zu haben; denn Elisabeth forderte schon bei ihrer Belehnung in Nancy von
ander Sachen wegen dutsche lande antreffende ... bescheit %u tun. Herzogücherseits wurde angekün-
digt, in kurzer Zeit getrennte Verhandlungen über einen Ausgleich der Dissenspunkte in
103 Beide Urkk. vom 14. Mai 1430 AD M-et-M B 629 Nr. 137. Die Dienststellung Bruilans ergibt sich aus
einer Urk. vom 30.12.1430 (ebd. B 629 Nr. 138).
104 Vgl. S.75 u. 81.
105 Graf Philipp an Kardinal von Bar am 16.12.1418 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 2) u. Brief
vom 11. 11.1431 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 209).
i°6 Herrmann, Hans-Walter: „Territoriale und dynastische Beziehungen zwischen Nieder- und Oberlothrin-
gen im Spätmittelalter unter besonderer Berücksichtigung der versuchten Nachfolge der Herzoge von
Berg in Bar“, in: Rb.Vjbll 52(1988) S. 107-149, hier S. 122 ff. Ergänzend dazu ist ein Regest des nassau-
saarbrückischen Archivars Andreae (1. Drittel 17. Jh.) mitzuteilen: Zusag und Verwilligung Herzog Adolfs gu
dem Berg und Graf gu Ravensberg, demnach die Markgrafschaft Pont a Mousson an ihn kommen und ihm von Kg. Sig-
mund gu Gehen verliehen, also wolle er, sobald er die Markgrafschaft eingenommen habe, Graf Philipp Bouconville, Pier-
fort, Lavengarde, die er bisher gu Lehen gehabt, wiederum verleihen. Uff St. Joh. Baptistentag 1417 (HHStA Wiesba-
den Abt. 121 Nr. 105 a).
107 Wie Anm. 105.
los Verschiedene Briefe Elisabeths aus den Jahren 1433-1438 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 216, Nr. 2325 fol.
35f. u. 43f., HHStA Wiesbaden Abt.130 I II D 2 Nr. 4 u. Varsberg-Korrespondenz Nr. 84).
109 Das legen Quittungen über Zahlungen aus den Einkünften von Nonsard aus den Jahren 1419-1426 (LA
SB Best. N-Sbr. II Nr. 116, 141, 143,145, 172, 6763 u. 6799) nahe, vgl. auch AD M-et-M B 628 Nr. 123.
110 Ebd. Best. N-Sbr.II Nr. 1499 u. 6275, AD Meuse B 251 fol. 126 verso - 128 verso.
68
Sachen mische laut und deutsche lant zu eröffnen. Dazu scheint es trotz mehrmaliger Er-
innerung Elisabeths nicht gekommen zu sein111.
Eine schwere Niederlage mußte Elisabeth mit dem Verlust der Burgen Groß- und Klein-
Varsberg hinnehmen. Schwerer als die Minderung an Herrschaftsrechten im südwestli-
chen Randgebiet des Warndts dürfte der Prestigeverlust gewogen haben. In der Nahe des
heutigen Ortes Ham nördlich von St. Avold lagen die beiden Burgen Groß- oder Grafen-
varsberg und Klein-Varsberg. Die Literaturangaben lassen die komplizierten Besitzver-
hältnisse unklar112. Aus einem umfangreichen Schriftwechsel über den Besitz von Groß-
Varsberg aus den Jahren 1432-1434 ergibt sich, daß die Burg damals eine Ganerbenburg
war, an der außer Nassau-Saarbrücken die Herren von Rollingen, von Rodemachern,
Friedrich von Castel und Dietrich von Püttlingen Anteil hatten113. Die Besitzverhältnisse
an der nahe gelegenen Burg Klein-Varsberg waren durch mehrere Afterlehnsverhältnisse
sehr verschachtelt. Anteiler war die aus der Eifel stammende, aber auch in der Saargegend
begüterte Familie von Kerpen114. Im Spätjahr 1431 oder um die Jahreswende 1431/32
brachte Johann von Kerpen handstreichartig Groß-Varsberg in seinen Besitz und moti-
vierte sein Vorgehen als Aktion gegen den Großvarsberger Ganerben Georg von Rollin-
gen, der im lothringischen Erb folge streit auf seiten Renés gekämpft hatte, während er, Jo-
hann, sich als Parteigänger Antons von Vaudémont erklärte115. Elisabeth sah darin eine
Schmälerung ihrer und ihrer Söhne Rechte und verlangte zunächst von Johann von Ker-
pen, dann von ihrem Bruder Anton von Vaudémont die Rückgabe der Burg. Sehr bald
verlor Johann von Kerpen die Initiative an den Grafen von Vaudémont. Dieser setzte ei-
nen Burghauptmann (capitaine) dort ein116, der nun von Groß-Varsberg aus die umliegen-
den bischöflich-metzischen, herzoglich-lothringischen und nassau-saarbrückischen Gebie-
111 Wie Anm. 105 u. Brief vom 13 08.1435. (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 216), vielleicht waren dies die mit der
Herrschaft Forbach bestehenden Differenzen (ebd. Nr. 2320 S. 103-106).
112 Das Reichstand Elsaß-Lothringen, 3. Teil: Ortsbeschreibung, Straßburg 1901-1903, S. 1144f., Dictionnaire des
châteaux de France-, Jacques Choux: Lorraine, Paris 1978, S. 109f., Artikel „Ham-sous-Varsberg“.
113 Vgl. die Edition in diesem Band S.254-366 und den quellenkundlichen und historischen Kommentar von
Jürgen Herold in diesem Band S.201-254, die Ganerben werden genannt in den Stücken Nr. 2, 55, 70,
71, 74, 80.
114 Zwei Urkk. vom 07.05.1426 (HHStA Wiesbaden Abt. 121 Finstingen) werfen Licht auf die komplizier-
ten Lehens- und Afterlehensverhältnisse der Burg Klein-Varsberg. Heinrich, Herr von Finstingen
(Fénétrange, Dep. Moselle) trug sie von Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken, Elisabeths Gemahl, zu
Lehen, hatte damit aber seinerseits die drei Rollinger Brüder Georg, Johann und Jakob belehnt, diese
wiederum die Herren von Kerpen und Kerpen die von Kriechingen.
115 Der genaue Zeitpunkt der Besetzung ist nicht bekannt, am 20.01.1432 ist sie bereits vollzogen (Varsberg-
Korrespondenz, Nr. 3, 12, 82).
116 Der vaudémont'sche Burghauptmann wird in der Varsberg-Korrespondenz Nr. 46, 59, 62-67 Pierre de
Clemont, Cleremont, Clermont genannt. Vielleicht ist er identisch mit einem Messire Pierre de Clefmont, der zu-
sammen mit anderen Adligen eine Urk. Antons von Vaudémont vom 27.01.1432 betr. die Aufrechter-
haltung der Ansprüche auf Nachfolge im Herzogtum Lothringen siegelt [François (wie Anm. 20), S. 404-
407]. Zu Clefmont vgl. Jolibois, Emile: La Haute Marne ancienne et moderne. Dictionnaire géographique, statisti-
que, historique et biographique de ce Département, o.J., ND Avallon 1967, S. 151 ff.
69
te beunruhigte117. Von herzoglicher und bischöflicher Seite wurde Elisabeth für diese
Schäden verantwortlich gemacht, weil sie nicht die Räumung der Burg durch die vaudé-
mont'sche Besatzung erreichen konnte. Um Ostern 1433 überließ Anton von Vaudémont
einen Teil der Burg118 an Wancelin de la Tour119. In ihm haben wir einen der damals nicht
seltenen Haudegen zu sehen, der das Waffenhandwerk zu seinem Lebensinhalt gemacht
hatte. Als Bellis von Vitry stand er seit 1433 im Dienst des französischen Königs Karl
VII. Mit der Aufnahme Wancelins bekam der Varsberg-Konflikt eine neue Dimension,
vielleicht war gerade seine Teilhabe der Anlaß, daß Bischof Konrad Beyer von Metz sich
für die Burg zu interessieren begann. Er schlug Elisabeth vor, die Burg von ihm zu Lehen
zu nehmen, was sie, auf Wahrung des überkommenen Rechtsstatus bedacht, ablehnte120.
Daraufhin kaufte der Bischof hinter ihrem Rücken die Burg für 1200 fl. Die Verteilung
der Kaufsumme beleuchtet die Verteilung der Gewichte: Wancelin erhielt 600 fl., Anton
von Vaudémont 500 fl. und sein Burghauptmann 100 fl121. Im Herbst 1433 tauchte in dem
erhaltenen Briefwechsel der Gedanke einer Schleifung beider Burgen - Groß-und Klein-
Varsberg - auf122, sie wurde jedoch vom Bischof nicht durchgeführt, sondern nur die Bur-
gen besetzt123, ohne daß Elisabeth für diesen Verlust in irgendeiner Weise entschädigt
wurde.
Der Briefwechsel zeigt in beeindruckender Weise, wie Elisabeth sich bei Johann von Ker-
pen, ihrem Bruder Anton, dem Herzog René und seiner Gattin als Statthalterin der Her-
zogtümer Bar und Lothringen und bei dem Bischof von Metz für die Rückgabe der Burg
einsetzte. Er zeigt aber auch, wie freundliches Bitten, dringendes Ersuchen, Appelle an
117 Varsberg-Korrespondenz Nr. 26, 31, 40, 43, 46, 68, 76.
118 Anton verständigte seine Schwester erst Anfang Juli von der Aufnahme Wancelins um Ostern (ebd. Nr.
63).
119 Die Schreibung seines Namens variiert sehr stark: Ancelin, Anchelin, Ancherin, Angerric, Anselin de la Tour;
lTancellinus de Turre, Vene heim, Waincgelin, Wainsselin, Wanchelin, Warchelin, Warcielin de la Tour, Wentglin vom
Turne, Winchelin. Nach Poull, Georges: La Maison souveraine et ducale de Bar, Nancy 1994, S. 391 Sohn von
Gilles, Batard de Luxembourg. Choux, Lorraine (wie Anm. 111), S. 132 identifiziert La Tour mit La-Tour-en
Woëvre( Dép. Meuse, Ct. Fresnes), zeitweise führte er den Titel eines Seigneur de Conßans [en-Jarnisy] und
de la Creche (1437). Seit 1410 begegnet er in vielen lokalen Waffengängen (vgl. La Chronique de Philippe de
Vigneulles. Hg. v. Charles Bruneau, Bd. 2, Metz 1929, S. 225, 231, 246, 254-256, 261, 266). Im Frühjahr
1415 hatte er zusammen mit Johann von Kerpen (Jean de Querpe) im Dienste des Herzogs von Bar vor
Etain gegen den Grafen von Virneburg gekämpft (Paris, BN, Collection de Lorraine Bd. 94 fol. 18-21),
1417/18 stand er als Bellis des Kardinals von Bar in St. Mihiel im Felde gegen Herzog Adolf von Berg
(Herrmann: wie Anm. 106, S. 124f.), 1431 mit Robert von Saarbrücken-Commercy gegen den Bischof
von Verdun (Dumont wie Anm. 98, S. 222), von August (?) 1433 bis zu seinem Tode im Jahre 1444 Bel-
lis des Königs von Frankreich in Vitry (wie Anm. 102, Bd. 6) S. 177f. Die Quellen zur Geschichte der
Familie de la Tour im Stadtarchiv Metz (AA 22 Nr.4-140 u. AA 51 Nr.17) sind noch nicht ausgewertet.
120 Varsberg-Korrespondenz Nr. 61.
121 Ebd. Nr. 59 u. 76.
122 Ebd. Nr. 75.
123 Philippe de Vigneulles (wie Anm. 119), Bd. 2, S. 231 z.J. 1434: le devent dit seigneur Conrairdfit à force prendre
les deux Wemespertes, en lesquelles alors ce tenoient plusieurs malvais garsons, qui faisoient moult de maulx en l'éveschié et
on duchié de Bar.
70
Ehre und Treue bei den Adressaten ihrer Briefe nichts fruchteten. Weder ihr Lehnsmann
Johann von Kerpen, noch ihre lothringische und vaudemonfsche Verwandtschaft, noch
der Bischof von Metz als ihr Lehnsherr, noch die anderen Ganerben der Burg kamen ihr
entgegen. Das Nichtzustandekommen eines persönlichen Gesprächs mit ihrem Bruder124
und die Einladung zu Gesprächen, aber ohne Zeit und Ort zu nennen, und das Schweigen
des Metzer Bischofs auf ihr mehrmaliges Ersuchen, die Angelegenheit vor seinem Lehns-
gericht behandeln zu lassen125, drängen die Vermutung auf, daß sie als Frau in der Män-
nerwelt nicht ernst genommen wurde. Allein ihr kleiner Beamtenstab verhielt sich loyal.
Büßen mußten ihre Niederlage zwei Subalterne Wilhelm von Mynnenbach gen. Scheffer, ihr
Burggraf zu Varsberg, und Symel A.ldemeiger zu Varsberg. Beide steckte sie längere Zeit ins
Gefängnis126.
3.3.2. Stärkung der Landesherrschaft
Eifrig verteidigte Elisabeth die althergebrachten Rechte gegenüber den Nachbarterritorien
und dem niederen Adel. Ganz im Sinne der Politik ihres Gatten war sie bestrebt, die Re-
galien als landesherrliche Rechte gegenüber dem niederen Adel zu behaupten. Exempla-
risch ist ihr Vorgehen gegen Johann von Kriechingen und Friedrich Greiffenclau von
Vollradt. Sie wies die Ansprüche, die der Kriechinger schon zu Lebzeiten ihres Gatten auf
Fischerei, Jagd- und Holzrechte in den Wäldern erhoben hatte, und seine Beschwerde
wegen der Beseitigung einer Furt an der Saar und den daraus resultierenden Zwang zur
kostenpflichtigen Benutzung der gräflichen Fähre zwischen Völklingen und Wehrden zu-
rück127 und zwang Greiffenclau zum Verzicht auf die Nutzung der von seinen Eltern an-
gelegten Kohlengruben und Eisenschmieden bei Neunkirchen und Schiffweiler128. Haßla-
cher129 und Ruppersberg130 werteten diese Übereinkunft als das älteste Zeugnis für Stein-
kohlenabbau und Eisenverhüttung hierzulande. Inzwischen bekannt gewordene schriftü-
124 Varsberg-Korrespondenz Nr. 29, 31-39, vgi. auch den Beitrag von Herold S. 269 u. 288.
125 Elisabeth spricht wiederholt von den Edelmannen des Bischofs, einmal von uwer edelmane, unser genossen
(Varsberg-Korrespondenz Nr. 75, 76, 78, 80 u. 82). Der Versuch, eine lehngerichtliche Entscheidung
herbeizuführen, war taktisch klug, denn bei Einbeziehung anderer bischöflicher Lehensträger konnte sie
eher eine für sich günstige Entscheidung erwarten, als allein vom Bischof als Lehnsherr. Die Kompetenz
des Lehnsgerichts dürfte nicht unumstritten gewesen sein, da das Streitobjekt ja kein Metzer Lehen war.
Elisabeth trug zwar als Vormünderin ihrer Söhne verschiedene Metzer Lehen (vgl. Anm. 93), aber nicht
Varsberg. Der Dissens zu Bischof Konrad ergab sich ja gerade daraus, daß er versuchte, seine Lehens-
herrschaft auf Varsberg auszudehnen.
126 Urkk. des Symel Aldemeiger vom 21.03.1433 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 208) u. vier namentlich genannter
Metzer Bürger für Wilhelm von Mynnenbach vom 18.11.1433 (ebd. Nr. 214).
127 HHStA Wiesbaden Abt. 137 Nr. 111 und Abt. 170 Nr. 1092, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1485 u. Nr. 2443
S. 130 - 136.
128 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5624.
129 Haßlacher, Adolf: Der Steinkohlenbergbau despreussischen Staates in der Umgebung von Saarbrücken, Berlin 1884,
S. 22 f.
130 Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 206 f.
71
che Quellen und archäologische Befunde erlauben, die Anfänge früher anzusetzen131. Ü-
berzogen ist es, aufgrund der genannten Urkunde Elisabeth als Förderin des heimischen
Steinkohlenbergbaus zu rühmen.
Die Schöffen des unter lothringischer Herrschaft stehenden Forbach mahnte sie an ihre
Pflicht, auf Aufforderung zum Hochgericht nach Saarbrücken zu kommen und bestritt
die beanspruchte Mitnutzung der Wälder und Büsche auf dem Bann des damals wohl
schon wüstgefallenen Weilers Habschied bei Saarbrücken132.
Stattliche Einkünfte flössen jährlich in die gräflichen Kassen aus den Gebühren für das
Geleit auf den beiden überregionalen Straßen, die die Grafschaft Saarbrücken durchzogen
und sich in Saarbrücken-St.Johann kreuzten, einmal die Straße aus dem Pariser Becken
durch die Champagne und Lothringen nach dem Oberrhein mit Gabelungen über Frank-
furt nach Thüringen, nach Franken und nach Süddeutschland, dann die Straße von Ober-
italien über den Gotthard-Paß, Straßburg, durchs Elsaß und das Saartal nach Luxemburg
und Brabant133. Die jährlichen Einkünfte an Geleitsgeldern veranschlagte Elisabeth mit
1000 fl.134 Versuchen herzoglich lothringischer Amtleute, das nassau-saarbrückische Ge-
leitsrecht im Warndt zu beschneiden, trat sie entgegen135. Das Verkehrsaufkommen und
somit auch die Höhe der Einkünfte hing von der Sicherheit der Geleitstraßen ab. Schutz
vor Raubrittern und Strauchdieben mußte garantiert sein. Fehlte die Gewähr für sicheres
Geleit, dann zogen die auswärtigen Kaufleute und Fuhrleute auf anderen Straßen. Des-
halb war Elisabeth schockiert, daß die Varsberger Besatzung Kaufleuten des Herzogs von
Burgund 12 Wagen mit Lebensmitteln, Waren, Gold und Silber und 27 Schlachtrösser
(cbevaulx de hamoix) weggenommen hatten. Mögliche Folgen dieses Überfalls könnten, laut
ihres Schreibens, eine Verstimmung des Herzogs von Burgund und finanzielle Einbußen
infolge geringerer Frequentierung der Geleitstraße sein136. Gemeinsam mit den Inhabern
des Geleitsrechts auf anderen Teilstrecken der Straßen, den Grafen von Zweibrücken-
Bitsch, den Herren von Lichtenberg und den herzoglich lothringischen Amtleuten, be-
131 Herrmann, Hans-Walter: „Städte im Einzugsbereich der Saar bis 1400“, in: Publications de la Section Histo-
rique de 1‘lnstitut Grand-ducal de Luxembourg 108 (1992) S. 241.
132 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2320 fol. 103-106.
133 Herrmann, Hans-Walter: „Handel und Verkehr zwischen dem nördlichen Oberrhein und der Saar- und
Moselgegend im Spätmittelalter“, in: Jb.f. westdt. Landesgesch. 21 (1995) S. 333-365; Derselbe: „Die fland-
risch-lampartische Straße zwischen Straßburg und Sierck. Geschichte einer mittelalterlichen Neuanlage“,
in: Burgard, Friedheim/Haverkamp, Alfred (Hgg.): Auf den Römerstraßen ins Mittelalter. Beiträge %ur Ver-
kehrsgeschichte ^wischen Maas und Rhein von der Spätantike bis ins 19.Jahrhundert, Mainz 1997 (=Trierer Histori-
sche Forschungen Bd. 30), S. 447-469; zur Anbindung nach Nordwesten vgl. Yante, Jean-Marie: Le Lu-
xembourg mosellan. Productions et échanges commerciaux 1200-1560, Bruxelles 1996 (=Mémoires de la Classe
des Lettres, 3e série, Bd. XIII).
134 Varsberg-Korrespondenz Nr. 46.
135 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2320 S. 103 f.
136 Ebd. Nr. 46, auch Schreiben vom 06 .u. 11.01.1433 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 4 u. 6 von 1434
u.1437).
72
mühte sie sich, Sicherheit zu garantieren und für die Benutzung dieser Route zu werben137.
Andererseits ließ sie darauf achten, daß die Kaufleute nicht die Geleitsgeldhebestellen
umgingen138. Die angeführten Fälle mögen veranschaulichen, daß Elisabeth die Regalien,
insbesondere das Straßen-, Geleits-, Forst- und Bergregal gewinnbringend handhabte. Das
ihrem Gatten verliehene Münzregal nutzte sie anscheinend nicht, jedenfalls sind keine
nassau-saarbrückischen Prägungen aus der Zeit ihrer Regentschaft bekannt139.
Die nassauische Vorherrschaft in der Burg Homburg, die ihr Gatte eher militärisch als
rechtlich durchgesetzt hatte, konnte sie gegenüber den Familien Gymnich, Montfort und
Blick von Lichtenberg behaupten140. Die Verpfändung eines Achtels an Burg, Vorburg
und Dorf Rollingen und eines Viertels am Kemelacher tal (Rémilly) durch Else von Daun-
Oberstein für 400 rh. fl. brachte eine kleine Erweiterung des nassauischen Besitzes auf
halbem Wege zwischen Metz und der Saar141. Die im nassau-saarbrückischen Herrschafts-
bereich an der mittleren Saar und Blies siedelnden Menschen waren nicht ausnahmslos
nassau-saarbrückische Leibeigene. Eingestreut wohnten Leibeigene anderer Herren, nas-
sau-saarbrückische Leibeigene bewirtschafteten teilweise Land anderer Grundherren. Die
aus solcher Überlappung unterschiedlicher Rechte und Abhängigkeiten resultierende
Konfliktträchtigkeit versuchte Elisabeth durch Absprachen mit einigen adligen Herren zu
verringern142.
Sie war bemüht, daran festzuhalten, eine weibliche Lehensfolge sowohl in den Burg-
lehen143 als auch in anderen Lehen, die östlich der oberen Saar lagen, auszuschließen144.
Schließlich ist zu beobachten, daß sie bestrebt war, in bestehenden Lehensverhältnissen,
das Lehensobjekt, wenn es aus Land, Leute und deren Abgaben bestand, in ein Rentenle-
137 Schreiben Elisabeths vom 20.03.1440 (ebd. Nr. 224) u. ihrer Beamten vom 18.06.1440 (ebd. Nr. 2325 S.
45 f. u. Nr. 4628 S. 19-22).
138 Schreiben des Amtmannes Albrecht vom 02.12.1436 an Jakob von Rollingen (ebd. Nr. 4620 fol. 6).
139 Zum Münzregal der Grafen von Saarbrücken vgl. Herrmann, Hans-Walter: „Saarbrücken und St. Johann
von den Anfängen städtischen Lebens bis zum Niedergang im 30jährigen Krieg“, in: Wittenbrock, Rolf
(Hg.): Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 1: Von den Anfängen zum industriellen Aufbruch (1860), Saar-
brücken 1999, S. 199-298, hier: S. 254.
140 Ebd. Nr. 2443 S. 1012 - 1017. Eine zeitweilige Frontstellung der Montfort und Blick von Lichtenberg zu
Elisabeth ergibt sich daraus, daß sie am 13.01.1445, also 3 Jahre nach Beendigung der Regentschaft, aus-
drücklich ihr gegenüber Verzicht erklären. Für Gymnich vgl. Anm. 215 und 216.
141 Urk. vom 06.02. 1436 (LA SB Best.N-Sbr. II Nr. 2443 S. 309 - 317 mit Randvermerk 1522gelost.
142 1434 mit Johann von Kriechingen (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 130-136), 1435 mit Friedrich
Greiffenclau von Vollrad betr. Leute zu Landsweiler und Schiffweiler (ebd. S. 136 - 139).
143 1442 gegenüber Klaus von Kellenbach, seiner Frau Else von Eiweiler und ihrem Sohn Hans bei der be-
anspruchten Erbfolge nach Heinrich von Eiweiler, Elsas Bruder (LA SB Best. II Nr. 2443 S. 151-153).
144 Über die Lehensfolge in den saarbrückischen Burglehen und über den Mannlehencharakter östlich des
Oberlaufs der Saar gelegener Lehen vgl. Herrmann, Hans-Walter: „Die Saar - Grenze zwischen Mann-
und Kunkellehen“, in: Haubrichs, Wolfgang / Jäschke, Kurt-Ulrich / Oberweis, Michael: Grenzen erken-
nen - Begrenzungen überwinden. Festschriß für Reinhard Schneider zur Vollendung seines 65. Febensjahres, Sigmarin-
gen 1999, S. 249-262, besonders S. 258-260.
73
hen zu ändern, wobei sie sich und ihren Nachkommen vorbehielt, das Rentenlehen durch
eine einmalige Zahlung abzulösen, für die der Lehensträger dann eine Jahrgülte auf Ei-
gengut anweisen mußte145.
3.3.3. Neutralitätswahrung
Die Verquickung von drei Konfliktsträngen - dem englisch-französischen Thronstreit,
dem lothringischen Erbfolgekrieg und der burgundischen Expansion - ließ in einem brei-
ten Grenzstreifen zwischen Imperium und Regnum in den 1420er, den 1430er und der
ersten Hälfte der 1440er fahre ein politisches Klima hoher Instabilität entstehen146, be-
lastet durch häufigen Wechsel einander feindlich gesinnter Garnisonen und Raubzüge des
Landadels auf eigene Faust, der sich kurzfristig, nach jeweils aktuellen Erfolgsaussichten
verbündete oder bekriegte, wobei Robert von Saarbrücken-Commercy, Mitherr in einem
Teil der nassauischen Besitzungen im Maasland, sich durch Rauflust, Streitsucht und bis
zum Wortbruch gesteigerte Unzuverlässigkeit hervortat. Nach Ansicht von Zeitgenossen
hatte er durch seine vorzeitige Flucht zu Renés Niederlage bei Bulgnéville am 4. Juli 1431
beigetragen147 und war dadurch mitschuldig geworden am Tod zahlreicher lothringischer
Adliger.
3.3.3.1. Im lothringischen Erbfolgestreit
Elisabeths Onkel Herzog Karl von Lothringen hatte 1420 seine älteste Tochter Isabella
mit René von Anjou, der in weiblicher Linie das Herzogtum Bar und die Markgrafschaft
Pont-ä-Mousson geerbt hatte, vermählt. Mit Zustimmung der lothringischen Stände hatte
Karl in seinem Testament vom 13. Januar 1425 die weibliche Erbfolge im Herzogtum
Lothringen zum Nachteil der jüngeren Linie Vaudémont festgeschrieben. Bald nach dem
Tode Karls (f25. Januar 1431) beanspruchte Anton von Vaudémont, Elisabeths Bruder,
als einziger männlicher Nachkomme der lothringischen Herzoge seinerseits die Nachfol-
ge. Der sich daraus entwickelnde, zehn Jahre dauernde Erbfolgestreit, in dem militärische
Aktionen mit kürzerer oder längerer Waffenruhe wechselten, war verquickt mit den Par-
teiungen im französischen Thronstreit. René von Anjou war der Schwager König Karls
VII. von Frankreich. Anton von Vaudémont wurde lange Zeit gestützt und benutzt von
Herzog Philipp dem Guten von Burgund, der einerseits die englischen Ambitionen auf
die französische Krone unterstützte, andererseits eigene politisch-territoriale Interessen
gerade im Grenzstreifen zwischen Imperium und Regnum massiv verfolgte.
Im lothringischen Erbfolgestreit zwischen René von Anjou, der als Herzog von Bar un-
bestritten ihr Lehnsherr für Morley und ihre Anteile an Bouconville, Avant-Garde und Pi-
errefort war, und ihrem Bruder Anton versuchte Elisabeth, ihrer Korrespondenz nach zu
145 So 1433 mit Johann von Wolfstein und mit Johann von Kriechingen, 1436 mit Friedrich von Greiffen-
clau von Voürads (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 130-136,139-141, 941-942).
146 Siehe auch den Beitrag von Heinz Thomas in diesem Band.
14-7 Philippe de Vigneulles (wie Anm. 119) S. 224, Dumont (wie Anm. 98) S. 220 f.
74
urteilen, Neutralität zu wahren. Doch wurde sie gegen ihren Willen in den Konflikt einbe-
zogen. Einem ersten Versuch Renés, im Mai 1431 für seine Operationen sich der Burg
Morley als Stützpunkt bedienen zu können, indem er dort das Öffnungsrecht be-
anspruchte, begegnete Elisabeth ablehnend,148 weil sich Renés Ansinnen gegen ihren Bru-
der richtete. Sie erkannte zwar Morley als barisches Lehen an, verlangte aber, daß über ein
daraus abzuleitendes herzogliches Öffnungsrecht ein barisches Lehengericht (des Herzogs
edelmannen) entscheiden solle. Ob ein solcher Entscheid gefällt wurde, ist nicht bekannt.
Auch für den nassauischen Anteil an Commercy bestand Gefahr, in den lothringischen
Erbfolgestreit gezogen zu werden. Sie hatte im März 1430 jeweils ein Achtel an Burg,
Stadt und Herrschaft Commercy an ihren Onkel Herzog Karl von Lothringen und an ih-
ren Bruder Anton von Vaudémont verpfändet149. Nachdem nach Karls Tod der Konflikt
zwischen René und Anton offen ausgebrochen war, konnte die Teilhaberschaft beider
Kontrahenten leicht zu Reibereien innerhalb Commercys führen. Vermutlich aufgrund ei-
gener Erwägungen und auf Drängen ihres Teilhabers Robert von Saarbrücken-Commercy
verstand sich Elisabeth am 24. August 1431, also einige Wochen nach Renés Niederlage
bei Bulgnéville, zur Annulierung der Verpfändungen150. Sie und Robert verpflichteten
sich, in den kommenden sechs Jahren Burg, Stadt und Herrschaft Commercy an nieman-
den zu veräußern, noch irgendjemand dort aufzunehmen151. Damit war Commercy im
lothringischen Erbfolgestreit neutralisiert. Dies gelang ihr nicht mit der Burg Groß-
Varsberg.
Elisabeths Rolle bei den Verwicklungen um die Burg wurde bisher in der landesgeschicht-
lichen Literatur falsch gesehen und erst von Jürgen Herold aufgrund der Edition der so-
genannten Varsberg-Korrespondenz korrigiert152. Auch im Falle Varsberg gab Elisabeth
der Besitzstandswahrung den Vorrang gegenüber der Parteinahme für einen der beiden
Kontrahenten. Die Besetzung der Burg durch Johann von Kerpen, einen Parteigänger
Antons von Vaudémont, unter dem Vorwand, damit Georg von Rollingen, einen der
Gemeiner der Burg und Anhänger Renés von Bar153, treffen zu wollen, geschah ohne Wis-
sen und Zustimmung Elisabeths. Allerdings hielten Zeitgenossen zunächst eine Beteili-
gung zugunsten ihres Bruders für möglich. Dem trat sie durch eigene Erklärung und die
ihrer Amtleute entgegen154. Der schließliche Verlust von Groß-Varsberg wurde nicht da-
durch verursacht, daß sie im lothringischen Erbfolgestreit den falschen Prätendenten un-
148 Schreiben an Herzog René vom 21.06.1431:. ..uwer gnaden ml verstet, dai? mir nit ml gebürt ujfenung an myme
und myner kinde slosse uyder mynen bruder gu dun, so ich nit underwyset und auch nit erkant mre, da^ ich es von rechts^
wegen schuldig were yu dun (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II B 5 Lothr. Nr. 1 fol. 2-4).
149 Beide Urkk. vom 07.03.1430 in AD M-et-M B 629 Nr. 134, Reverse Herzog Karls und Graf Antons LA
SB Best. N-Sbr.II Nr. 157, 200 u. 201.
150 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 178 u. 205.
151 AD M-et-M B 632 Nr. 14.
152 Vgl. den Beitrag von ihm in diesem Band S.201-254, dort auch die früheren Deutungen für Elisabeths
Motive.
153 Varsberg-Korrespondenz Nr. 6, 13, 42, 49, 78, 82.
154 Ebd. Nr. 3-5.
75
terstützt hätte, sondern daß sie selbst Opfer von Rankünen und Intrigen wurde, deren
Motivation heute nicht mehr recht durchschaubar ist.
3.3.3.2. In der Endphase des Hundertjährigen Krieges
Seit der Mitte der 1420er Jahre hatten die verbündeten Engländer und Burgunder nach
und nach die wenigen noch zum Dauphin Karl haltenden Orte eingenommen. Herzog
Philipp von Burgund verstand es, beim Ausgleich mit René von Bar-Lothringen im Jahre
1437 Garnisonen im Argonner Wald in Clermont, Vienne und Varennes zu halten. Zur
Eindämmung des burgundischen Einflusses entsandte König Karl VII. Frankreich den
Connétable von Richemont in das Grenzgebiet zwischen Lothringen und Champagne mit
dem Auftrag, Ruhe und Frieden wiederherzustellen. Da dies nicht recht gelang, mischte
sich Karl VII. 1441 persönlich ein, um dem Burgunder Widerpart zu bieten. Karl konnte
zwar einen Ausgleich zwischen René und Anton herbeiführen und Robert von Saarbrü-
cken-Commercy in die Schranken weisen155 156, mußte aber hinnehmen, daß der Burgun-
derherzog das Herzogtum Luxemburg, das sich damals über Diedenhofen/Thionville
hinaus nach Süden erstreckte, besetzte. Drei Jahre später 1444/45 erschien König Karl
erneut in Lothringen, dieses Mal unter dem Vorwand, den Ausschreitungen der Ar-
magnaken Einhalt zu gebieten.
Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken war als vassal et subget du royXSb in der Endphase des
Hundertjährigen Krieges in militärische Aktionen im Grenzgebiet zwischen Lothringen,
Barrois und Champagne einbezogen. Vermutlich in der Nachfolge seines Großvaters Jo-
hann II. von Saarbrücken-Commercy hatte er im März 1386 Chaumont-Porcien und Saint
Vrain-en-Perthois und eine Jahrgülte von 24 Pfund auf die Prévôté Vitry zu Lehen ge-
nommen157 158. Schon 1420 waren die Bewohner seiner kleinen Herrschaft Morley durch ei-
nen Evrard und seine Gesellen geschädigt worden, im folgenden Jahr durch einen Perrin de
Mordaceyx5S.
König Karl VII. hatte den Grafen Philipp gebeten, ihn im Kampf gegen die Rebellen und
Illoyalen, die er schon besiegt habe, zu unterstützen. Leider ist das diesbezügliche Schrei-
ben nur auf den 25. März datiert, ohne Jahreszahl159. Doch läßt der Ausstellungsort Bour-
ges eine ungefähre Datierung in die zweite Hälfte der 1420er Jahre zu160. Inwieweit Graf
Philipp aktiv in die Kämpfe eingriff, läßt sich anhand der bisher bekannt gewordenen
Quellen nicht präzisieren. Jedenfalls wurden die nassau-saarbrückischen Besitzungen in
155 Dumont (wie Anm. 98), S. 241.
156 So bezeichnet ihn Johann Fust von Diebach, sein Statthalter in Commercy, in einem Schreiben vom
29.08.1427 an den Prévôt von Vitry (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2361 S. 1).
157 AD M-et-M B 628 Nr. 61. Chaumont-Porcien liegt im Dép. Ardennes, Arr. Rethel, Saint Vrain im Dép.
Marne, Arr. Vitry-le-François, Ct. Thiéblemont-Farémont. Vgl. zu Vitry meine Bemerkung in Anm. 38.
158 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 44.
159 HHStA Wiesbaden Abt. 130 III D 2 Nr. 10.
160 Zu den Aufenthalten Karls VII. in Bourges vgl. Thomas in diesem Band S.173F
76
der Reichsromania von den bandes ou parties de guerre^ de France nicht geschont. Im Sommer
1427 beklagte sich der nassauische Amtmann Johann Fust von Diebach bei dem Prévôt des
Königs in Vitry und bei Etienne de Rigney, Statthalter (Lieutenant) in Vitry für Theobald
Bastard von Neufchätel, daß Henri de la Tour, früher Bellis von Vitry, mit Unterstützung
von Leuten aus Vitry dem Grafen Philipp Schaden zugefügt habe161, obwohl der Graf sich
immer dem König gegenüber gehorsam gezeigt habe. Zur gleichen Zeit richtete Fust von
Diebach eine Beschwerde an die Bürger von Ste. Menehould, daß sie Henri de la Tour
unterstützt hätten, als er dem Arnoul de Sampigny, der homme et allie^ des Grafen Philipp
sei, in Neufville-en-Verdunois Leute und Vieh genommen und nach Ste. Menehould ge-
führt hätten162.
Elisabeth bzw. ihr Amtmann in Commercy konnten im Dezember 1429 einen Ausgleich
in Philipps guerre et débat mit Henri de la Tour erreichen. Die Einbeziehung von dessen
Ehefrau deutet daraufhin, daß die Gründe weniger in den politischen Gruppierungen,
sondern eher im persönlichen Bereich lagen163. Doch damit kehrte keine Ruhe ein. Die
Beeinträchtigung der nassau-saarbrückischen Besitzungen setzte sich während der Re-
gentschaft Elisabeths fort164. Sie selbst schätzte die Lage für so gefährlich ein, daß sie die
von ihrem Bruder im Mai 1432 vorgeschlagene Reise nach Morley nicht wagte165. Im No-
vember desselben Jahres beklagte sie sich bei dem Gouverneur der Grafschaft Ligny, de-
ren Inhaber Johann II. von Luxemburg-Ligny zur burgundischen Partei gehörte166, wegen
eines Überfalls auf ihre Leute bei einem Transport von Commercy nach Morley, zwei
Monate später, im Januar 1433 sandte der nassauischen Amtmann in Commercy eine Be-
schwerde wiederum an den Gouverneur von Ligny wegen Übergriffe auf die nassauischen
Leute in Lérouville167. Bei diesem Fall liegt die Vermutung nahe, daß der Gouverneur von
Ligny, der in Auseinandersetzungen mit Robert von Saarbrücken-Commercy verwickelt
war, nicht zu unterscheiden wußte, welche Güter und Leute im Umkreis von Commercy
den Grafen von Nassau-Saarbrücken und welche Robert gehörten.
161 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2361, Schreiben vom 31.07 u. 29.08.1427.
162 Ebd. Schreiben vom 29.07.1427. Die Bürger von Ste. Menehould antworteten, die Sache gehe sie nichts
an.
163 In der Urk. vom 07.12.1429 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1470) wird die Zerstörung einer Mühle mit dem
zugehörigen Weiher bei Naurqy erwähnt. Es gibt zwischen Mosel und Maas mehrere gleichnamige Orte,
nassau-saarbrückischer Besitz ist in Norroy-le-Veneur (Dép. Moselle, Arr. Metz-Campagne) nachgewie-
sen.
164 Auflistung der Schäden, die die Leute von Vignot in der Herrschaft Commercy zwischen dem
12.05.1430 und dem 11.05.1431 erlitten (ebd. Nr. 3112 Rotel 11).
165 Varsberg-Korrespondenz Nr. 39.
166 J oignon, Camille-Paul: En plein coeur du Barrois. Le Comté et la Fille de Ugny-en-Barrois, Bar-le-Duc 1951, Bd.
1, S. 88, Thomas in diesem Band S. 176, 178f.
167 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5859 fol. 1 u. 3.
77
Gerhild Scholz-Williams hat angedeutet, Elisabeths ,Hug-Schappler‘ ließe eine antibur-
gundische Tendenz erkennen168. Aus ihrer „Politik“ läßt sich nicht das Gegenteil nachwei-
sen, aber auch kein eindeutiger Beleg dafür anführen. Meiner Ansicht nach versuchte sie,
zwischen zerstrittenen Mächten zu lavieren und einer klaren Parteinahme auszuweichen.
Gegenüber ihrem proburgundischen Bruder Anton bemühte sie sich um Neutralität169. Ihr
Verhalten gegenüber René bezeichnete sie selbst als uffrichtig und reddelich170 und König
Karls VII. Wohlwollen glaubte sie durch die Berufung auf Dienste ihres Gatten und sei-
ner Vorfahren für das französische Königshaus erlangen zu können171. Aus fiskalischen
Gründen lag ihr daran, auch Händlern und Fuhrleuten aus dem burgundischen Einfluß-
gebiet eine sichere Befahrung ihrer Geleitstraßen zusichern zu können. Ihr Sohn Johann
trat mit der Übernahme der Verwaltung der Loen-Heinsberg‘schen Lande in den Kreis
der burgundischen Vasallen. Spätestens damit endete eine „antiburgundische Haltung“
von Nassau-Saarbrücken, wenn sie denn jemals vorhanden gewesen war.
3.3.3.3. Gegenüber den Eskapaden Roberts von Saarbrücken-Commercy
Von geringerer politischer Tragweite, aber noch stärkerer Störung des Landfriedens waren
die Aktionen des Robert von Saarbrücken-Commercy. Da Robert und Elisabeth je eine
Burg in Commercy besaßen, die beiderseitigen Anteile an der Stadt Commercy und den
zugehörigen Dörfern nicht getrennt waren, wirkten sich Roberts Raubzüge, Überfälle und
Scharmützel immer mehr oder weniger auf den nassau-saarbrückischen Anteil aus. Inso-
fern mußte sich die Übertragung des Schutzes über die Bewohner des nassauischen Dor-
fes Vignot an Robert im November 1431 auf die Dauer von sechs Jahren als Fehlent-
scheidung heraussteilen172. Einer deutlicheren Abgrenzung der nassauischen Unterburg in
der Stadt Commercy und auch ihrer besseren Verteidigung dürfte der Abbruch einiger
Häuser und Scheunen gedient haben173.
Am 18. September 1433 beschlossen Herzog René von Bar-Lothringen und Anton von
Vaudémont, in der Zeit gegenseitiger Annäherung auf die unaufhörlichen Räubereien
Roberts mit der Belagerung von Commercy zu reagieren174. Der Kreis derer, die die Zeit
168 Scholz-Williams, Gerhild: „How to make friends: Burgundian politics in two early modern prose texts
(Hug Schapler and Girard de Roussillon)“, in: The Sixteenth Century Journal 20 (1989) S. 277-292.
169 Er sah das freilich anders, vgl. seinen Brief vom 25.07.1433 (Varsberg- Korrespondenz Nr. 67).
170 Brief vom 16.09.1439 an die lothringischen Räte: Wann uns ire kriege, myschel und yiveytracht allemge nit liep
sondergetruweliche lyt gewest sint. Ir wißent auch wole, das wir uns in den vorgeschriben kriegen (zwischen dem Her-
zog von Bar-Lothringen und dem Grafen von Vaudemont) und andern sacken bißher nach unserm vermögen
gheen unserm vorgenanten gnedigen herm dem kunige und siner gnaden landen har und Lothringen uffrichtig und reddeli-
chen gehalten und faste gütlichen myde gelieden und wa^ uns %u fordern gebürte hat auch nit anders dan demutenclich und
underdenenclichegefordert han (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D2 Nr. 4 fol. 40).
171 Vgl. S. 97.
172 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 206.
173 Quittung über Entschädigung ehemaliger Besitzer (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 180).
174 Urk. vom 18.09.1433 (AD M-et-M B 629 Nr. 140).
78
für gekommen hielten, Robert einen Denkzettel zu verpassen, vergrößerte sich noch.
Nach voraufgegangener Belagerung von Commercy schlossen im Oktober 1434 der Her-
zog von Bar-Lothringen, der Graf von Luxemburg-Ligny, die Bischöfe von Metz und
Toul, die Stadt Metz, der Graf von Salm und die Frau von Saint Pol Frieden mit Robert,
ausgeklammert blieb Anton von Vaudémont175. Aber Robert setzte bald sein unstetes Le-
ben fort. In den nächsten Jahren wandte er sich gegen die Stadt Metz176. Als er sich dann
auch gegen den Connétable von Richemont stellte, ordnete König Karl VII. eine Strafak-
üon an177. Im Zusammenhang damit beanspruchte der Bellis von Vitry im Namen König
Karls VII. im Frühjahr 1441 das Öffnungsrecht in Commercy und die Schirmherrschaft
(Garde) über Vignot und die rückwirkende Zahlung der aus dieser Garde resultierenden
Einkünfte. Elisabeth lehnte ab, weil sie hinsichtlich des Öffnungsrechts durch frühere
Verträge mit Robert gebunden und ihr von einer königlichen Garde über Vignot nichts
bekannt sei178. Es wäre interessant zu wissen, ob sie als Zeitgenossin — wie heute die For-
schung179 — die garde royale als wichtiges Instrument zur Ausbreitung der königlichen Sou-
veränität ansah.
Auch zu dem im Umfeld Roberts von Saarbrücken-Commercy gelegentlich begegnenden
Robert von Baudricourt bestanden Spannungen180.
Gefährdung und Schädigung der nassauischen Besitzungen in der Reichsromania wogen
erheblich schwerer als die Wahrung des territorialen Besitzstandes an Saar und Blies ge-
genüber unbotmäßigen Vasallen oder begehrlichen Nachbarn. Die schwierigeren Auf-
gaben stellten sich der Regentin in „welschen Landen“.
3.4. Vermeidung einer Überschuldung
Aus der Zeit Elisabeths und ihres Gatten Philipp sind keine Rechnungen der Grafschaft
Saarbrücken erhalten181. Erst für die Regierungszeit ihres Enkels Johann Ludwig vermit-
teln eine Rechnung von 1485 und ein Etatvoranschlag von ca. 1489 einen Eindruck vom
Volumen der Einnahmen und Ausgaben182.
175 Urk. vom 10.10.1434 (ebd. B 629 Nr. 143).
176 Dumont (wie Anm. 98), S. 242 ff.
17 Philippe de Vigneulles (wie Anm. 119) S. 228, 236f., 258f., 264, 267 - 274.
178 Schreiben Elisabeths an Wancelin de la Tour vom 8.3.1441: les garde% anciennes de ses heritaiges appartenant au
bailliaige de ]/itry tant a Gignoy comme autre part et les arrieraiges du tempspassey (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044
fol. 35).
179 Rigaudière, A.: „Garde royale“, in: LexMA, Bd. 4, Sp. 1113 f.
180 Angedeutet in einem Brief vom Mai 1432 an ihren Bruder, Varsberg-Korrespondenz Nr. 39.
181 Erhalten sind Bucherbacher Rechnungen von 1420/22, 1447-1450 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3033 u.
3034).
182 Ediert von Klein, Hanns: „Beiträge zum Rechnungswesen der Grafschaft Saarbrücken an der Schwelle
zu neuzeitlicher Verwaltung. Die Rechnung des Saarbrücker Rentmeisters von 1485 und ein Rechnungs-
anschlag von 1489“, in: Eder-Stein, Irmtraut/Jacoby, Fritz/Stein, Wolfgang Hans/Ulbrich, Claudia: Bei-
79
Die Einnahmen stammen aus der Grundherrschaft (schafft in den Dörfern, rante von den
beiden Städten Saarbrücken und St. Johann, Bannwein und Ungeld, Bannbackhäuser,
Bannmühlen, Ablösung von Frohnverpflichtungen), der Gerichtsherrschaft (Strafgelder,
Siegelgelder aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit), dem Zehnten, den Regalien (Markt- und
Straßenzoll, Wegegeld, Geleit, Benutzung von Fähren, Kohlengruben, Fischwassern,
Jagdrecht, Waldnutzung durch Holzentnahme, Eckergeld für Schweinemast) und aus den
Erträgen der auf gräfliche Rechnung betriebenen Schäferei, Loh-, Walk- und Ölmühlen.
Die Einnahmen gingen teils in Geld, teils in Naturalien ein (Getreide, Wolle, Vieh, Eier,
Wachs, Pfeffer)183. Der Voranschlag von 1489 erfaßt die zu erwartenden Einkünfte aus
der Grafschaft Saarbrücken einschließlich des Streubesitzes im Bliesgau, Ottweiler und
Homburg und der Vogtei St. Avold. Die schwer voraussehbaren Strafgelder, das Entgelt
für die Entnahme von Fallholz und von Holz zur Herstellung von Faßdauben sowie der
Ertrag aus dem Kaufmannsgeleit, das Eckergeld für die Schweinemast und der Ertrag aus
den gräflichen Betrieben („Domänen“) sind nicht veranschlagt. Der Voranschlag ist also
unvollständig. Nach Abzug der Ausgaben verbleiben:
Grafschaft Saarbrücken Amt Ottweiler Amt Homburg insgesamt
an Geld Pfd.Pfg 500 784*) 80 1364
an Korn Malter 352 332 166 850
an Weizen Malter 97 10 3 110
an Hafer Malter 759**) 632 120 1511
*) darin 50 Pfd. Bußen und Frevel
**) Einnahme, ohne Abzug der zu erwartenden Ausgabe
Bleibt der Voranschlag für das Jahr seiner Erstellung schon unvollständig, so wächst die
Unsicherheitsmarge, wenn wir die Erträge in die Zeit von Elisabeths Regentschaft zu-
rückprojizieren. Über ihre Einkünfte gibt es von ihr eine einzige Aussage, nämlich die Ge-
leitsgelder würden jährlich rund 1000 fl. einbringen184. In ihrer Zeit müssen zu den Ein-
künften aus den Besitzungen in der Saargegend die aus der Reichsromania und aus den
Herrschaften rund um den Donnersberg (Kirchheim, Stauf, Dannenfels etc.) und aus dem
Streubesitz an der oberen Saar (Diemeringen, Niederstinzel), über deren Höhe wir keine
Hinweise haben, dazu addiert werden. Sehr groß war jedenfalls die Finanzmasse, über die
sie verfügen konnte, nicht.
träge %ur Geschichte von Gewerbe, Industrie und Verwaltung im Westrich und an der Saar für und mit Hanns Klein aus
Anlaß seines 75. Geburtstages, St. Ingbert 1995, S. 17-141, Voranschlag auf S. 120-141.
183 VgL auch die detaillierte Aufzählung in dem Vertrag vorn 30.01.1439 (S. 99f).
184 Varsberg-Korrespondenz Nr, 45.
80
Wenige Wochen nach Übernahme der Regentschaft verglich sie sich mit Johann Fust von
Diebach, der unter ihrem Gatten die Verwaltung geleitet hatte. Die Ausstände für von
ihm gezahlte Vorschüsse und im gräflichen Auftrag gekaufte Pferde beliefen sich auf 800
rh. fl. 5 Turnosen und 100 Malter Korn. Geld und Naturalien wurden ihm bis Ende Ok-
tober 1430 gezahlt185. Auch offene Forderungen anderer Adliger an ihren verstorbenen
Gatten befriedigte sie186. Dabei versuchte sie, sich mit den Gläubigern so zu einigen, daß
sie nicht den geschuldeten Betrag in einer Summe zahlte, sondern schon bestehende Ren-
ten- oder Burglehen aufbesserte. 187 Mitunter erreichte sie sogar einen entschädigungslosen
Verzicht188.
Im Frühjahr 1430 beschaffte sie sich durch Verpfändung von Anteilen an Commercy
20.000 fl189. Es bleibt offen, ob sie damit weitere von ihrem Gatten hinterlassene Schulden
abdecken wollte oder ob sie schon an den Rückkauf der zur Aussteuer an Graf Philipps
Tochter aus erster Ehe gegebenen Teile der Herrschaften Kirchheim, Dannenfels etc.
dachte. Durch die Annulierung der Verpfändung von Commercy und die damit ver-
bundene Rückzahlung der Pfandsummen verlor sie ihre Liquidität und mußte 26.000 fl.
bei dem Kurfürsten von Mainz, dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken und dem Grafen
von Veldenz aufnehmen und dafür als Sicherheit je ein Drittel der rückgekauften Burgen
und Orte verpfänden190. Weitere Veräußerungen konnte sie vermeiden, mußte doch aber
hin und wieder Geld aufnehmen191. Einen spürbaren Zustrom erhielt die gräfliche Kasse,
als ihr Sohn Johann mit ihrer Zustimmung im Frühjahr 1444 alle Besitzungen in den
„welschen Landen“ veräußerte192. Daß er als Gegenwert nicht Land zur Arrondierung sei-
nes Territoriums an der mittleren Saar und Blies eintauschte, sondern sich 42.000 fl. teils
bar auszahlen, teils dafür Einkünfte aus den herzoglich-lothringischen Ämtern Berus und
185 Urk. vom 17.10.1429 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 144, dort auch Quittungen Fusts vom 01.08 und
25.10.1430).
186 Z.B. am 19.04.1430 an Hensgin von Arras (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 1471), am 25.10.1431 an Hans,
Sohn des Goldschmieds von Püttlingen (ebd. Nr. 4576 fol. 1), am 02.10.1432 an Heinrich von Klingen-
berg (ebd. Nr. 1481), am 02.05.1436 Forderung des Hans von Bume, vertreten durch Niclas Kode Greden
Hansen seligen Sohn von Reinheim (ebd. Nr. 2443 S. 141 - 143, 978- 980), noch am 14.02.1444 an Hans
von Honecken (ebd. Nr. 1844).
187 Am 22.04.1441 mit Heinrich Mauchenheimer dem Älteren für ihn selbst und seinen verstorbenen
Schwager Henne von Breidenborn. Die Ansprüche betrafen z. T. die Erbschaft des Friedrich von Mal-
statt (LA SB Best. N-Sbr II Nr. 2443, S. 988 - 993).
188 So verzichtete Hannemann von Saarbrücken auf die Forderungen seines Vaters, seiner Mutter und sei-
nes Stiefvaters Ulrich von Breitenbach für die im Dienste Graf Philipps erlittenen Verluste und erhielt
eine Besserung seines Burglehens von 6 fl. Jahrgült (LA SB Best.N-Sbr. II Nr. 2443 S. 125 - 127) am
15.02.1435.
189 Vgl. Anm. 149, jeweils 10.000 fl. von Herzog Karl von Lothringen und von ihrem Bruder Anton.
190 Vgl. Anm. 96 u. 97, Ruppersberg (wie Anm. 9) S. 205.
191 450 rh. fl. bei Lambrecht von Castel, 1000 fl. bei der Kapelle in Saargemünd (HHSA Wiesbaden Abt.
130 I U Nr. 183), 650 Pfd. bei dem Metzer Domherrn Simon von Saarbrücken (Juni 1434, Paris, BN,
Collection de Lorraine Bd. 231, fol. 14).
192 Vgl. S.105ff.
81
Saargemünd verschreiben ließ, könnte als Bedarf Johanns an flüssigen Mitteln, aber auch
als Besitzstandswahrung des Käufers gewertet werden.
4. Regierungs- und Lebensstil Elisabeths
Bernhard Burchert glaubt, beim Vergleich des Regierungsstils Elisabeths und ihres Sohnes
Johann mit dem des Gatten bzw. Vaters einen politischen und sozialen Wandel feststellen
zu können, insbesondere in der Art der Konfliktbewältigung und im Verhältnis zum Bür-
gertum193.
4.1 Konfliktbewältigung
Ihre grundsätzliche Bereitschaft zum gütlichen Ausgleich sprach sie selbst einmal in einem
Schreiben an die herzoglich lothringischen Räte an194 und in der Praxis fand sie sich im-
mer wieder zu Schlichtungsversuchen ("Tagleistungen") bereit, um bewaffnete Auseinan-
dersetzungen zu vermeiden, wenn dies auch nicht in allen Fällen gelang. Während Philipp
die Lösung von Streitfragen meist mit militärischen Mitteln anging, bevorzugte seine
Witwe den gütlichen Ausgleich. Eine Reihe solcher „Tagleistungen“ zur Ausräumung von
Differenzen sind bekannt:
mit Heinrich Beyer von Boppard und den Gemeinem von Herbitzheim, Grund nicht
bekannt, 1429195.
mit Hannemann von Bitsch wegen Wegnahme von Sachen im Beisein des nassaui-
schen Burggrafens von Ottweiler 1430196.
mit Jakob Frienstich und dessen Bmder durch Vermittlung Herzog Stephans von Pfalz-
Zweibrücken wegen Ansprüche auf eine zur Herrschaft Homburg gehörige Herr-
schaft 1432/33197.
mit Johann, Herrn von Kriechingen, wegen der Sperrung der Furt durch die Saar bei
Wehrden und wegen seiner Ansprüche auf Jagd, Holzentnahmen in den gräflichen
Wäldern und Fischerei, 1433198.
mit Johann von Wolfstein wegen dessen Anspruchs auf ein Viertel des Dorfes Fe-
chingen, auf Kirchensatz und Zehnt zu Nußweiler und Gülten im Warndt, 1433199.
193 Burchert (wie Anm. 19), S. 9, 12, 30ff., 52.
194 Bereitschaft zum Ausgleich drückt Elisabeth aus in einem Brief an die Räte des Herzogs von Bar-
Lothringen vom 16.09.1439 (wie Anm. 170): dan wereymands underyne die ansprache oderforderunge an uns %u
haben und uns darumb pu beschedigen meynten, des wir doch nit hoffen, wann sie uns das in schriffte oder muntliche verstan
ließen, und nach Beendigung der Regentschaft in einem Brief an Meisterschöffe und Dreizehner der Stadt
Metz vom 21.01.1443:...da fuge ich uch gu wissen, das uns soliche myßhel nit lieb sint vnd in worheit wol wolten das
man der gütlich undfruntlich uberdragen werden mochte (AM Metz AA 25 Nr. 46).
195 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2334 S. 1 u. 4630 fol. 4, HHSTA Wiesbaden Abt. 130 III BS Speyer Nr. 1.
196 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 121-123.
197 Ebd. Nr. 4626 fol. u. Nr. 4627 fol. 1.
198 Ebd. Nr. 1487.
199 Ebd. Nr. 209.
82
gegen den zur vaudémont’schen Besatzung von Varsberg gehörenden Pierre de
Cle(r)mont machte Elisabeth im Juni/Juli 1433 Forderungen geltend, die anscheinend
nicht unmittelbar aus der Besetzung von Varsberg resultierten; denn sie ging ihren
Bruder Anton um Vermittlung an, die aber ausweislich der derzeit bekannten Quellen
nicht zustande kam200.
mit Ritter Philipp von Norroy wegen Forderung aus dem Dienst für Elisabeths Gat-
ten gegen die Stadt Metz, wegen des Dorfes Chaussy und wegen eines Schuldbriefes
des Heinrich von Bar, Herr zu Pierrefort, beigelegt durch die Vermitdung Bischof
Konrads von Metz am 4. Juni 1433201.
mit Graf Friedrich von Veldenz wegen der „armen Leute“ zu Nydemostem (=
Niederkirchen im Ostertal)202.
mit Jacques Bastard de Bourdiaulx wegen der Tötung eines Mannes und der Verwundung
von drei oder vier anderen durch den nassauischen Burggrafen von Morley. Der Aus-
gleich wurde mit Hilfe Antons von Vaudémont im April 1435 erreicht203,
mit Friedrich von Brandenburg, Herrn zu Stolzenberg, Clas Nesen Sohn von Blechen
und Peter Kannengiesser von Lahnstein durch Vermittlung Georgs und Johanns von
Rollingen 1435204.
mit Johann dem Jungen, Herrn von Finstingen, Tagsetzung durch den Grafen von
Salm nach Hesiber-Püttlingen 1436205 206.
mit Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken Homburgs und ander Sachen wegen™.
mit Auhert Boulay von Metz durch Vermittlung des Metzer Domherrn Simon von
Saarbrücken207.
mit Wilhelm Winterbächer wegen Wegnahme von Gut bei Uchtelfangen und Dunz-
weiler 1439208.
mit Huart von Elter, Herrn zu Apremont, wegen Schadenersatzes für einen Hengst
und andere Schäden, die ihm von Elisabeths Leuten aus Commercy, Vignot und Le-
rouville zugefügt worden sein sollen 1438/49209.
mit Huscins von Serióre aus nicht bekanntem Grund, Vermitdung des Bischofs von
Metz erbeten 1439210.
200 Varsberg-Korrespondez Nr. 59-60 u. 62-67, zu Pierre de Clermont vgl. Anm. 116.
201 Ebd. Nr. 2443 S. 123-125, vgl. auch Varsberg-Korrespondenz Nr. 51 u. 52. Im März 1433 vereinbart
Philipp von Norroy, Herr von Port-sur-Seille, einen Waffenstillstand (seurestat et abstinence deguerre) mit E-
lisabeth (ebd. Nr. 210).
202 Einladung zur Tagleistung am 16.6.1433 (ebd. Nr. 4630 fol. 4-5).
203 HHStA Wiesbaden Abt. 130 III D 2 Nr. 4 fol. 1.
204 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 7 u. 9.
205 Ebda. Nr. 218.
206 Einladung zur Tagleistung am 16.6.1433 (ebd. Nr. 4630 fol. 4).
207 Ebd. Nr. 3101 fol. 3.
208 Ebd. Nr. 240 u. 6274.
209 HHStA Wiesbaden Abt. 130 III G 2 b Nr. 2.
83
mit Johann von Geroldstein gen. Boße Johann und seinem Stiefsohn Johann von Hom-
burg, Sohn der verstorbenen Gerselis von Homburg, wegen eines Burgseßes zu Hom-
burg gen. Gerselis haus mit zugehörigen Grundstücken zu Homburg uff dem berg, umb
den berg, im banne, burgfrieden und in und umb dem dhael und sloß Homburg, ferner wegen des
Patronatsrechts, des großen und kleinen Zehnten zu Kirchenarnbach, Güter und Ge-
fallen zu Kirberg und des Zehnten zu Geislautern 1441210 211 212.
Die Zahl der Tagleistungen und der gelungenen oder angestrebten Ausgleiche veran-
schaulicht, wie Elisabeth bedrängt wurde. Vielleicht war sie als Frau in besonderem Maße
den Übergriffen oder der Fehdelust von Männern ausgesetzt. Die relativ häufigen
Schiedsverfahren belegen ihre Politik des friedlichen Ausgleichs und markieren damit ei-
nen deutlichen Unterschied zu der Politik des verstorbenen Gatten. Eine solche Umorien-
tierung hat schon Bernhard Burchert angesprochen.2,2
Auch in der Trierer Stiftsfehde zwischen den beiden Prätendenten Ulrich von Mander-
scheid und Rhaban von Helmstadt verhielt sie sich neutral213.
Freilich ganz ohne bewaffnete Auseinandersetzungen verlief auch ihre Regierungszeit
nicht. Schon im Frühling und Sommer 1432 kam es zu einem Waffengang mit dem Gra-
fen Friedrich von Leiningen. Mehrere kleine Adlige quittierten Elisabeth Zahlungen für
Hilfe und Dienst den crieg uß den syjt^e hant mit dem von Leiningen214. Erhard von Gym-
nich, Mitglied einer aus der Eifel stammenden, in Luxemburg stärker begüterten Familie,
erinnerte sich an den gewaltsamen Ausschluß aus der Ganerbschaft der Burg Homburg
durch Elisabeths Gatten im Jahre 1411215 und versuchte gegenüber der Witwe alte An-
sprüche neu zu beleben216. Auch hier war Elisabeth auf Wahrung des Besitzstandes be-
dacht und wies Erhards Forderungen zurück, worauf er mit kriegerischen Maßnahmen re-
210 Ebd.
211 Ebd. Nr. 2443 fol. 993-1002 u. 4297 fol. 9 verso, 99 u. 123 verso, Franz Xaver Glasschröder, Neue Ur-
kunden %upfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter, Speyer 1930, Nr. 262.
212 Burchert (wie Anm. 19), S. 31.
213 Vgl. dazu Laufner, Richard: „Die Manderscheider Fehde, eine Wende in der Geschichte Triers“, in: Trie-
rer Jb. 1953, S. 48-60.
214 Anlaß war die Tötung eines zur Herrschaft Kirchheim gehörigen Mannes, der sich unerlaubt entfernt
und unter den Schutz des Grafen von Leiningen gestellt hatte, -auf Veranlassung der nassau-
saarbrückischen Amtleute in Haft genommen und dort gestorben war (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1489).
Die daraus entstandene bewaffnete Auseinandersetzung wird durch Quittungen mehrerer „Diener“ Eli-
sabeths belegt, daß sie für Verluste in dem Krieg mit dem Grafen von Leiningen entschädigt wurden
(ebd. Nr. 1473, 1474, 1476, 1480, 1484 u.1488, HHStA Wiesbaden Abt. 121), Vgl. auch HHSTA Wies-
baden Abt. 150 Urkk. Nr. 157 u. 158 vom 09.05.1433).
215 Zur Vertreibung der Gymnichs aus Homburg vgl. Herrmann: „Grafen von Homburg“ (wie Anm. 40), S.
67-71.
216 Ein Rotel mit Korrespondenz zwischen Elisabeth und Erhard Gymnich wegen der durch Graf Philipp
von Nassau-Saarbrücken erfolgten Besitznahme des Gymnich’schen Anteils an Homburg aus dem Jahr
1433 (HHStA Wiesbaden Abt. 147 Nr. 8) ist so stark beschädigt, daß er z. Zt. für die Benutzung gesperrt
ist.
84
agierte, aber erfolglos blieb217. Noch ein weiterer Beleg über einen Waffengang ist be-
kannt: Am 4. Dezember 1438 beurkundete Niclas von Zedingen gen. Swartgmeiger, daß er als
Mann, Diener und Helfer Elisabeths und ihrer Söhne gegen Graf Heinrich von Zweibrü-
cken-Bitsch und Peter von St. Wendel gen. Spicgkop bezahlt wurde und auch in künftigen
Kriegen ihnen dienen will. Auch die Übergriffe des Wigerich von Stauffenberg, des Bas-
tards von Vergy218 und des Philibert von Chästelet219 wurden von Elisabeth als crieg angese-
hen, ebenso mit Johann von Geroldstein und seinem Stiefsohn Johann von Homburg220.
4.2. Verhältnis zum Bürgertum
Burchert schießt über das Ziel hinaus mit seiner Aussage, Elisabeth habe das französische
System einer unterstützenden Allianz zwischen ökonomischer und politischer Macht, zwi-
schen Bürgertum und Hof, unter Ausschaltung des niederen Adels importiert221; denn ihre
wichtigsten Ratgeber Johann Fust von Diebach, die Brüder Rittenhofen, Albrecht, Lam-
brecht und Michel von Castel, Simon Mauchenheimer, die beiden Kolbe von Gei-
spitzheim gehörten dem niederen Adel an,222 die meisten von ihnen hatten schon im
Dienst ihres Gatten gestanden. Es ist auch zu fragen, woher Elisabeth Grundsätze einer
„moderneren“ Verwaltungsorganisation gekannt haben sollte. In den elterlichen Territo-
rien Vaudemont und Joinville, die sie im Alter von höchstens 18 Jahren, wahrscheinlich
aber jünger verlassen hatte, ist beim jetzigen Forschungsstand die von Burchert formulier-
te „Allianz“ nicht nachgewiesen. Einen Erwerb solcher Kenntnisse als Ehefrau und junge
217 Das bewaffnete Vorgehen Erhards von Gymnich ist nur bekannt aus einer Urkunde des Heinrich von
Dune gen. Nachthube vom 30.07.1435, kraft deren er in den Dienst Elisabeths und ihrer Söhne trat und zu
helfen versprach sunderlich %u criege und vigentschaff.. .mit hem Erhard von Gymmenich, herm %u Berperg, und Jo-
hann von Bolchen, herm %u Zolvem (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 1841.)
218 Der Konflikt wird schon in der Varsberg-Korrespondenz (Nr. 39, 82-84) u. einem Schreiben an Elisa-
beth, Herzogin von Bar-Lothringen, vom 21.12.1433 (LA SB Best. N. Sbr.II Nr. 2325 S. 35 f.) erwähnt.
Am 20.02.1437 schreibt Elisabeth an René: So krieget uns der bastart von Vergey mdergot und recht. So sint Phi-
libert von Chastellet, Warisey von Stauffenberg und andern unsem vigende aen not %u mutwillen (HHStA Wiesbaden
Abt. 130 1 II D 2 Nr. 4 fol. 22). Der Anlaß zu diesem mehrjährigen feindlichen Verhältnis ist nicht be-
kannt. Der Bastard von Vergy entstammte wohl dem Hause Vergy (Dép. Côte d‘Or), dessen Hauptlinie
in burgundischen Diensten stand. Er erscheint 1444 als Führer eines Armagnakenhaufens (Philippe de
Vigneulles (wie Anm. 117), S. 284. Stauffenberg stammte nicht aus Lothringen (vgl. Varsberg-
Korrespondenz Nr. 84), vermutlich aus einem oberrheinischen Geschlecht (vielleicht Stauffenberg bei
Offenburg). Am 27.03.1424 übertrug ein Friedrich Bock von Stauffenberg seine Forderung gegen Her-
zog Karl von Lothringen auf seinen Vetter Friedrich Wydergrin von Stauffenberg (Paris, BN, Collection
de Lorraine, Bd. 93, fol. 113). Er könnte identisch sein mit dem in Elisabeths Schreiben genannten ¡Ver-
sieh/ Wirsich.
219 Anlaß zu den Spannungen mit Philibert von Chastellet war vermutlich dessen Zug vor Chambley, Dép.
M-et-M, Ct. Briey, an dem Nassau-Saarbrücken einen Anteil als lothringisches Lehen besaß.
220 Im August 1439 hatte Elisabeth geklagt über den Angriff auf ihr Gut ohne vorherige Absage (LA SB
Best. II Nr. 4297 fol. 99 verso). Bei der Rachtung vom 01.09.1441 wird von vorangegangenem krieg und
viendtschaft gesprochen (wie Anm. 211).
221 Burchert (wie Anm. 19), S. 36 u. 52.
222 Zu ihren Amtleuten, Räten etc. vgl. Exkurs.
85
Mutter bei Reisen in größere westeuropäische Fürstenresidenzen zu Zeiten hoher poli-
tischer Spannungen und militärischer Auseinandersetzungen halte ich für unwahrschein-
lich.
Eine unterschiedliche Haltung Philipps und Elisabeths gegenüber Städten und Bürgertum
vermag ich nicht in der Deutlichkeit wie Burchert zu erkennen. Es trifft zu, daß Elisabeth
keine Kriege gegen benachbarte Städte, dem Vierherrenkrieg von 1405-1408 gegen die
Stadt Metz vergleichbar223, geführt hat. Die gegenseitigen Anreden in der Korrespondenz
mit der Metzer Stadtverwaltung spiegeln ein freundnachbarschaftliches Verhältnis224. Ver-
bindungen zu Trier und anderen lothringischen oder oberrheinischen Städten sind nicht
bekannt. Die Werbungsschreiben nach Mecheln und Genf225 bezweckten eine stärkere
Frequentierung der Geleitstraßen, wie sie wegen ihrer Erträge an Geleitsgeldern und Zöl-
len im Interesse jedes Landesherren liegen mußte. Schon gar nicht vermag ich eine Ände-
rung im Verhältnis zu den eigenen Territorialstädten zu erkennen. Es ist daraufhinzuwei-
sen, daß die Bürgerschaft von Saarbrücken-St. Johann kein in der gräflichen Politik zu be-
rücksichtigender Machtfaktor war. Augenfällig wird dies in dem Faktum, daß die städ-
tische Verwaltung nicht in einem eigenen Rathaus, andernorts sichtbarer Ausdruck von
Bürgerstolz und Selbstverwaltung, untergebracht war, sondern in einem vom Grafen zur
Verfügung gestellten Gebäude226, daß die städtischen Einkünfte um die Mitte des 15. Jhs.
noch nicht viel abwarfen227 und die Städte erst unter ihrem Sohn das Recht zur Siegelfüh-
rung erhielten228.
4.3 Berater und „Beamte“
Man sollte sich Personalbestand und Kompetenzverteilung in der kleinen nassau-
saarbrückischen Verwaltung während Elisabeths Regentschaft nicht so vorstellen, wie es
die Forschung für einige fürstliche Kanzleien des Spätmittelalters herausgearbeitet hat229,
sondern in Anbetracht des geringen Personals davon ausgehen, daß Arbeitsgänge, die in
223 Zum Vierherrenkrieg vgl. Herrmann (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 118-129.
224 Elisabeth redet Meisterschöffe und Dreizehnerkollegium an unsergude frunde, die Antwortschreiben haben
die respektvollere Formulierung a noble [oder haulte] etpuissante dame madame la contesse de Nassaum et de Sar-
rebruche (AM Metz AA 25 Nr. 61, 64, 78).
225 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 224.
226 Herrmann (wie Anm. 139), S. 228-230 u. 254 f.
227 Thomes, Paul: Kommunale Wirtschaft und Verwaltung \wischen Mittelalter und Moderne. Bestandsaufnahme - Struk-
turen - Konjunkturen. Die Städte Saarbrücken und St. Johann im Rahmen der allgemeinen Entwicklung, Stuttgart
1995, S. 65-79.
228 Herrmann (wie Anm. 139), S. 219.
229 Landesherrliche Kanzleien im SpätmittelaXter. Referate zum 6. Internationalen Kongreß für Diplomatik, 2
Bde., München 1984; Ringel, Ingrid Heike: Studien zum Personal der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs Dietrich
von Erbach (1434-1459), Mainz 1980 (=Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchenge-
schichte Bd. 34), Brandenstein, Christoph Freiherr von: IJrkundenwesen und Kanftei, Rat und Regierungssystem
des Pfälzer Kurfürsten Ludwig III. (1410-1436), Göttingen 1983 (=Veröffentlichungen des Max-Planck-
Instituts für Geschichte 71).
86
einer größeren Verwaltung auf mehrere Personen verteilt waren, hier von einigen wenigen
erledigt wurden, wobei ein „leitender Beamter“ durchaus selbst zur Feder gegriffen haben
kann, auf den Punkt gebracht: Ich halte es für möglich, daß Männer wie Hans von Ritten-
hofen und Hannemann von Saarbrücken, die als clerc im nassauischen Dienst begonnen
hatten, später in höherer Position durchaus Briefe selbst geschrieben und/oder korrigiert
haben.
Die wenigen vorliegenden Arbeiten zur nassau-saarbrückischen Verwaltungsgeschichte
beschränken sich auf die Frühneuzeit, nur Hanns Klein gibt einige Informationen über
das spätmittelalterliche Rechnungswesen230. Meine Angaben im Exkurs sollen diese For-
schungslücke nicht aus füllen, sondern vornehmlich Material zur personellen Kontinuität
liefern.
Elisabeth stützte sich in ihren Regierungs- und Verwaltungsgeschäften auffrunde, mannen
und rette, die schon ihrem Gatten gedient hatten. Den Kreis ihrer Ratgeber kennen wir aus
zwei Urkunden der ersten Regentschaftsjahre: Am 15. März 1430 übertrug sie Vollmacht
in allen Angelegenheiten ihrer Besitzungen in der Reichsromania an den dortigen gouver-
nour Michel von Castel231, Johann von Wolfstein, Gerin von Kübelberg, ihren Schul-
theißen in Saarbrücken Hans von Rittenhofen und an Jacques de Vignoy, Dekan des St. Ni-
kolausstiftes in Commercy. Gleich zu Beginn des Varsberg-Konfliktes gaben Philipp von
Daun, Johann von Kriechingen, Georg von Rollingen, Johann von Hagen, Johann von
Oberstein, Hesse und Gerhard von Esch, Johann von Wolfstein, Johann von Ennebach,
Gerhard Kern von Siersberg, Philipp von Nassau und Hannemann von Saarbrücken eine
Ehrenerklärung für sie und ihren Amtmann Johann Fust von Diebach gegenüber der
Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen ab232. Die Genannten waren teils Lehnsleute, teils
Amtleute, die schon ihrem Gatten gedient hatten. Somit ergibt sich eine Kontinuität in
der „Beamtenschaft“, die ich im Exkurs detailliert belege. Anscheinend beauftragte sie
bald nach Übernahme der Regentschaft Männer, die sich nach ihrer Ansicht im Dienste
ihres Gatten bewährt hatten, mit leitenden Funktionen in Teilen ihres Territoriums: Her-
mann von Hohenweisel (Hoewißel) im Rechtsrheinischen233 234, Peter von Rittenhofen in den
Besitzungen am Donnersberg und Johann Fust von Diebach für die Grafschaft Saarbrü-
cken. Daß die damals gebrauchte Titulierung obrister amptmann234 später nicht mehr auf-
taucht, könnte so gedeutet werden, daß nach einer Anlaufphase sie selbst sich stärker an
der Landesverwaltung beteiligte und ihr daher diese Titulierung nicht mehr angebracht
schien. Doch blieb Johann Fust von Diebach der wichtigste Mann in den ersten Jahren
der Regentschaft. Da er auch gelegentlich Aufgaben in Commercy und in Kirchheim
wahrnahm, beschränkte sich sein Aufgabenbereich nicht auf die Grafschaft Saarbrücken.
Man kann in ihm vielleicht den ersten Repräsentanten einer im Entstehen begriffenen
230 Wie Anm. 182.
231 Wie Anm. 101.
232 Varsberg-Korrespondenz Nr. 4.
233 Nennung als Oberamtmann 1430 (HHStA Wiesbaden Abt. 88 Nr. 138 u. 139).
234 HHStA Wiesbaden Abt. 168a Nr. 93.
87
nassau-saarbrückischen Zentralverwaltung sehen. Als Amtleute in Saarbrücken folgten
ihm 1433 Kolb von Geispitzheim, Albrecht von Castel (August 1436-November 1438)
und Simon Mauchenheimer von Zweibrücken (ab Februar 1440). Die Kontinuität in der
Verwaltung verkörperte in hohem Maße auch Junker Hans von Rittenhofen aus einer
niederadligen Familie der Grafschaft Saarbrücken. Mindestens seit 1427 bekleidete er das
Schultheißenamt, in dem ihm 1436 Hans Schaumberger aus Saarbrücken folgte. Er blieb
auch dann im nassau-saarbrückischen Dienst in leitender Position und arbeitete für Elisa-
beth auch noch nach Beendigung der vormundschaftlichen Regierung. Er stand ihr von
allen Beamten vermutlich am nächsten235. Sein Bruder Peter war Amtmann in Kirchheim.
Ausgezeichneter Sachkenner der Verhältnisse in den welschen Landen war Jacques (Jaco-
min) von Vignot, Dekan des St.-Nikolaus-Stiftes in Commercy, der lange Zeit als Rent-
meister Philipps, Elisabeths und noch des jungen Grafen Johann fungierte. Die Verbin-
dung Elisabeths zu ihm lief wohl meist über die ihm Vorgesetzten gouvemours en romanpais,
nur eine einzige Anweisung von ihr an ihn direkt ist bekannt236.
Schreiber werden während Elisabeths Regentschaft im Gegensatz zu den Regierungszei-
ten ihres Gatten und ihres Sohnes Johann leider nicht namentlich genannt. Eine einge-
hende Untersuchung des „Schreibdienstes“ - der Fachbegriff Cant^lei begegnet in Nassau-
Saarbrücken erst im 16. Jahrhundert237 - durch Vergleich von Formular, Stil, Sprache und
Graphie und durch Bestimmung der am Schreiben von Konzepten, Ausfertigungen und
zeitgenössischen Kopien beteiligten Personen anhand paläographischer Kriterien kann
hier nicht geleistet werden238. Immerhin ist eine hierarchische Unterscheidung zwischen
Erstschreiber des Konzepts und Korrektor möglich (Abb. 25, 26), weiterhin fällt auf, daß
mitunter die Dammszeile im Konzept von anderer Hand eingefügt ist (Abb. 27). Bei den
korrigierenden Händen könnte an Hans von Rittenhofen und Hannemann von Saarbrü-
cken (vgl. Abb. 26) gedacht werden. Eine deutliche Unterscheidung zwischen Schreiber
und dem „Secretär“ Johannes von Roßbrücken - als „Kanzleivorstand“? - ist erst für die
Regierungszeit von Elisabeths Sohn Johann bei wenigen Stücken möglich (vgl. Abb.
14)239. In der sehr wichtigen Frage der Verwahrung von Elisabeths Siegel könnte ich mir
235 Am deutlichsten wird dieses besondere Vertrauensverhältnis in einem Brief an Meisterschöffe und Drei-
zehner von Metz angesprochen: und ir mogent uns auch siecher mlgleuben, das wir uch diese schrifft aen unsers sons
und siner amptlude und rette sondern alleyne durch unsers lieben getruwen Hansen von Ritenhoffen wissen, umb da% wir an
yme wol enifinden das yme die missel leit sin und die gerne gütlich uberdragen gesehe gelich in beder partigen besten meynen
und dun (AM Metz AA 25 Nr. 46).
236 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 222.
237 Erstmals genannt in einen Inventar der Burg von 1554 (ebd. Nr. 4706).
238 Die Beiträge von Jürgen Herold, S.203-231 und Ninajanich S.389-410 in diesem Band machen einen
begrüßenswerten Ansatz, allerdings stellt die Varsberg-Korrespondenz ja nur einen Teil der erhaltenen,
zu untersuchenden Quellen dar.
239 Unter ihrem Gatten waren Hans von Rittenhofen und Hans Schaumberger als Schreiber tätig (vgl. Ex-
kurs). Unter ihrem Sohn ist Johann von Roßbrücken (Russebrucken) als Schreiber verschiedentlich zwi-
schen 14.09.1452 und 30.04.1464 belegt (StadtA SB Best. Städt.Urk.Nr. 3, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 289,
848, 1928, 1991, 2320 S.161, 2805 fol. 12, 5834 fol. 29, auf der Plica unterschreibt er am 31.05.1455
(ebd. Nr. 848). Er nennt sich mitunter, nicht durchgehend secretarius.
88
vorstellen, daß Hans von Rittenhofen zeitweise Zugang hatte, weil vornehmlich für ihn
bestimmte Urkunden von ihr eigenhändig unterschrieben sind240. Ihre Unterschrift (vgl.
Abb.) als zusätzliches Beglaubigungsmerkmal sollte vielleicht den Verdacht einer miß-
bräuchlichen Verwendung durch einen Beamten, der Zugriff zu ihrem Siegel hatte,
ausschließen.
Abb. 14: Unterschrift des Schreibers Johann (von) Russebrucken (Rossbrücken) auf
Urkunde vom 31. Mai 1455.
Die Mehrzahl der „Beamten“ gehörten dem niederen Adel an, standen in einem Lehns-
verhältnis zu den Grafen von Nassau-Saarbrücken und trugen u.a. ein Burghaus in der
Saarbrücker Burg zu Lehen241. Nur die Rentmeister, die nicht namendich bekannten
Schreiber und andere niedere Chargen wie Kellner, Einnehmer von Zöllen und Geleits-
geldern, Boten, waren nichtadligen Standes. Eine Einbeziehung von Saarbrücker Bürgern
240 Vgl. Anm. 265.
241 Cber Burgmannenhäuser vgl. Hoppstädter, Kurt: „Die Burgmannenhäuser der Burg Saarbrücken und
ihre Besitzer“, in: Ztschr. Gesch. Saargegend 19 (1971) S. 147-172.
89
in den regelmäßigen Verwaltungsdienst oder für Sonderaufgaben ist sehr selten. Der
Saarbrücker Bürger und Schöffe Ruprecht Ludwig von lautem und Gelen Hans von Roß-
brücken fungierten 1435 als Einnehmer von Geleitsgeldern. Elisabeth stellte sie dem
Hans von Rittenhofen als Bürgen242. Diese Basis erscheint mir nicht tragfähig genug für
Burcherts Aussage, daß „die Allianz von Bürgern und dem gräflichen Haus in Abgren-
zung von den Landadligen als spezifische Regierungsweise“ Elisabeths und ihres Sohnes
anzusehen sei243.
4.4 Persönlicher Anteil an den Regierungsgeschäften
Der Historiker hat bei der Bewertung eines Regenten bzw. einer Regentin immer die Fra-
ge nach deren persönlichem Anteil an Regierungs- und Verwaltungsgeschäften zu stellen.
Urkunden und wichtigere Verwaltungsschreiben sind in der Regel auf deren Namen aus-
gefertigt und haben Rechtskraft durch Anhängen oder Aufdrücken ihres Siegels erhalten.
Damit ist aber nichts über die geistige Urheberschaft gesagt. Sind ein Vertrag, eine Über-
einkunft von Regent/in persönlich oder nach der von ihm/ihr gegebenen Instruktion
ausgehandelt worden oder haben geschickte Ratgeber und/oder Bedienstete mehr oder
weniger selbständig die Verhandlungen bis zur Unterschriftsreife geführt? Wurden admi-
nistrative, militärische, politische Maßnahmen von Regent/in erdacht, geplant und unter
seiner/ihrer aktiven Beteiligung durchgeführt oder gab er/sie bloß ihre Zustimmung zu
den von anderen vorgeschlagenen Aktionen oder Reaktionen und beteiligte sich nur we-
nig oder gar nicht an deren praktischer Umsetzung? Gewiß waren immer Personen, die
dem/der Regent/in durch Lehnsrecht oder Dienstrecht verbunden waren, an den Regie-
rungsgeschäften beteiligt244. Aber wie groß war deren Anteil? Ist dies bei den großen Ge-
stalten der politischen Geschichte des Mittelalters schon schwer zu entscheiden, so läßt es
sich bei den Regenten/innen kleiner oder mittlerer Territorien, wo sowohl autobiogra-
phische Quellen als auch eine den Ereignissen nahe Haushistoriographie fehlen - zu dieser
Gruppe gehört Elisabeth - nur mit einem größeren Grad von Unsicherheit beantworten.
Bei kritischer Auswertung der Quellen bin ich zu der Ansicht gekommen, daß Elisabeth
ein aktiver Anteil an den Regierungsgeschäften zuerkannt werden muß. Dafür spricht zu-
nächst einmal, daß sie selbst eine Reihe von Reisen im Interesse der Landes Verwaltung
unternommen hat: zum Empfang der trierischen Lehen nach Wittlich245 und der lothringi-
schen und barischen Lehen nach Nancy246, im Mai 1432 zu Verhandlungen mit ihrem
242 Urkk. vom 30.11.1434 u. 01.04.1435 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 136).
243 Burchert (wie Anm. 19), S. 157.
244 Deutlich wird die aktive Mitwirkung Lambrechts von Castel bei der Aushandlung der Urfehde des Hein-
rich von Gerspach, Hans von Mombronn und Jakob von Arnheim im Januar 1435 (Druck in: Wiederholte
Repräsentation undErwegung...1653, S. 48 f.).
245 Im Lehnbrief, ausgestellt in Wittlich am 23.10.1431 (ebd. LA SB Best N-Sbr II Nr. 1478) heißt es ...lyfflich
entphangen mit trumn, hulden, eyden und diensten.
246 Die persönliche Entgegennahme der Belehnung in Nancy erwähnt Elisabeth in einem Schreiben vom
13.08.1435 (LA SB Best. N-Sbr II, Nr. 216).
90
Bruder nach Vezeüse247, von dort weiter nach Nancy248 und drei Wochen später nach
Kirchheim am Donnersberg249, im Juni 1433 zu Besprechungen mit dem Bischof von
Metz nach Vic und im September desselben Jahres nach St. Avold250.
Meine Ansicht gründe ich weiterhin darauf, daß sie sich eines solchen Ansehens bei den
benachbarten Dynasten erfreute, daß Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken sie um
Vermittlung in seinem Zwist mit dem Herrn von Dillingen bat251, daß die Grafen von
Zweibrücken-Bitsch und die Herren von Lichtenberg ihr die Federführung bei der Wer-
bung zur stärkeren Benutzung der durch das Saartal führenden Geleitstraße überließen252,
daß der Graf von Lützelstein Urkunden bei ihr deponierte253 und daß sie zuweilen, ob-
wohl nur Gräfinwitwe, als „hochgeborene Fürstin“ angeschrieben wurde254. Hier sei auch
an die von der Metzer Stadtverwaltung verwendete Anrede erinnert255. Einen Beleg für ih-
ren persönlichen Anteil an der Formulierung wichüger Texte stellt für mich der Vertrag
mit ihren Söhnen vom 30. Januar 1439 dar (vgl. S. 100). Weitere Stützen meiner Be-
wertung sehe ich in ihrem Verhalten nach Beendigung der Regentschaft: sie trat in wichti-
gen Angelegenheiten wiederholt zusammen mit ihrem Sohn auf, mischte sich auch, min-
destens in einem Fall, ohne dessen Wissen ein256. Im Sommer 1443 begründete sie erfolg-
reich die Ablehnung einer Belehnung Johanns von Finstingen unter Berufung auf die ein-
schlägigen Sätze des hierzulande geltenden Lehnrechts zum Ausschluß der weiblichen
Erbfolge257. Die Beschwerden über die ihr durch Bernhard von Pallandt zugefügten Schä-
den trug sie selbst den lothringischen Räten vor und überließ dies nicht ihrem Sohn, ob-
wohl ja seine Fehde mit Pallandt ursächlich mit dem ihr entstandenen Schaden zusam-
menhing258. Sie beantwortete gelegentlich bei Abwesenheit ihres Sohnes an ihn gerichtete
247 Varsberg-Korrespondenz Nr. 33, 34, 36, 37, 39 u. 40.
248 Ebd. Nr. 42. Im August desselben Jahres erbot sie sich zu einer persönlichen Zusammenkunft mit Her-
zog René in Nancy, die aber nicht zustande kam (ebd. Nr. 44 u. 45).
249 Ebd. Nr. 42.
250 Ebd. Nr. 61, 70 u. 71.
251 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 4297 fol. 2 z.J. 1437.
252 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 223.
253 Ebd. Nr. 250 (Urkunden über Kestenberg und Frankenburg).
254 So durch Hans von Alben, Burggraf zu Saargemünd, im Jahr 1433 (ebd. Nr. 4627 fol. 2) u. am 3.12. o.J.
durch Friedrich von Castel (ebd. Nr. 3101 fol. 4).
255 Vgl. Anm. 224.
256 So setzte sie sich in einem Streitfall zwischen ihrem Sohn und der Stadt Metz, bei dem zwei Leute von
Metz in Haft genommen waren, für die befristete Freilassung bis zur anstehenden Tagleistung vor dem
Herrn von Rollingen ein (AM Metz AA 25 Nr. 46, vgl. auch Anm. 235). Metz entsprach diesem Wunsch
(ebd. Nr. 64).
257 Herrmann (wie Anm. 79) S. 258.
258 Vgl. S.108. Die selbständige Vertretung ihrer Sache gegen Pallandt ist folgendem Passus ihres Schreibens
an die lothringischen Räte vom 06.02.1453 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4) zu entnehmen:
Als ir auch schribent, ich solle mit myme sonn reden die vehede abe %u dun etc. das han ich ime furgelacht, hat er mir
91
Schreiben, wenn auch nur durch Zwischenbescheide259, und überließ dies nicht nur seinen
Amtleuten. Ihre Wertschätzung in der Familie äußerte sich in der Zuziehung zu den Ver-
handlungen zur Vermählung ihrer Nichte Walburga, Tochter ihrer Schwester Margare-
the260. Für ihr Ansehen bei der Beamten- und Dienerschaft spricht die Nennung vor dem
Sohn als regierendem Landesherrn261. Die genannten Fakten berechtigen, ihr eine aktive
Mitwirkung bei politischen und administrativen Entscheidungen zuzuerkennen.
Gegründet auf eine solche Bewertung muß die Beantwortung der Frage nach ihrem per-
sönlichen Anteil an der Abfassung der auf ihren Namen titulierten Briefe angegangen
werden. Aus ihrer Regierungszeit und den Jahren danach blieb neben einer stattlichen
Zahl von Urkunden eine im Vergleich zu anderen rheinischen und lothringischen Territo-
rien relativ umfängliche Korrespondenz erhalten. Ihre Briefe sind im Anhang aufgelistet.
Adressaten sind:
Herzog Karl von Lothringen und seine Witwe Margarethe,
René von Anjou, seine erste Gattin Isabella und ihre Statthalter in den Herzogtümern
Lothringen und Bar,
ihr Bruder Anton von Vaudémont,
ihre Schwester Margarethe, Frau zu Blämont,
Erzbischof Dietrich von Köln,
Bischof Konrad von Metz,
Bischof Reinhard von Speyer,
Elisabeth von Görlitz, Herzogin von Brabant und Luxemburg,
Jakob von Sierk, Dompropst zu Würzburg und Utrecht,262
Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken,
Johann und Simon, Grafen von Salm, und Johanna, Gräfin von Salm,263
geantwert, ir mogent in siner schrifft uch davon gedan ml vermercket han oder vermercken, uff weliehe masse und wie er sich
des erbotten hat.
259 Am 20.01.1452 an Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4629 fol. 18).
260 Margarethe hatte ca.1415 Theobald, Herrn von Blämont, geheiratet, er starb im Laufe des Jahres 1431 an
seinen in der Schlacht von Bulgnéville auf Seiten Renés erlittenen Verletzungen. Margarethe selbst starb
am 06.04.1469. Die Mitwirkung Elisabeths bei den Verhandlungen um die Vermählung von Margarethes
Tochter Walburga mit dem Grafen Jakob von Lützelstein/La Petite-Pierre ergibt sich daraus, daß sie die
Urkunde über die Mitgift der Braut mitbesiegelte [Poull (wie Anm. 20), S. 181] und einen Schuldbrief
des Herzogs von Lothringen über 450 rh. fl. auf die Salinen in Dieuze zur Sicherung der Mitgift Walbur-
gas in Verwahrung nahm (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1551). Mit ihrer Schwester Margarethe ergab sich
auch eine Verbindung aus beider Zugehörigkeit zur Ganerbschaft der Burg Steinsei (Niederstinzel bei
Finstingen/Fénétrange, Dép. Moselle, Arr. Sarrebourg). Elisabeths Sohn Johann beteiligte sich 1452 an
der kurpfälzischen Aktion gegen den Grafen von Lützelstein [Ruppersberg, (wie Anm. 9), S. 215].
261 Vgl. Anm. 282 u. 394.
262 Das Schreiben richtet sich an ihn als Kanzler Herzog Renés, ohne dies in der Adressatio anzusprechen.
Zur Kanzlerschaft vgl. Miller, Ignaz: Jakob von Sierck 1398199 - 1456, Mainz 1983, S. 45-51.
263 1436 schickte Johanna von Rotselaer, Gräfin zu Salm, ihren Kaplan mit einem Brief an Elisabeth betr.
den Bastard von Vergy (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 60).
92
Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch,
Graf Friedrich von Veldenz,
Jakob und Ludwig, Herren von Lichtenberg,
Robert von Saarbrücken-Commercy,
Huart von Elter, Herr von Apremont,
Else von Dhaun-Oberstein,
Johann von Rodemachern,
verschiedene Vasallen,
ihre Amtleute in ihren welschen Landen und in benachbarten Territorien,
Meisterschöffe und Dreizehner der Stadt Metz,264
Wancelin de la Tour, Bellis von Vitry,
Herr von Poix, Gouverneur von Ligny,
Kaufleute zu Genf.
Der Kreis der Korrespondenzpartner umfaßt Landesherren und benachbarte Territo-
rialherren, zeigt aber doch ein Überwiegen der Reichsromania. Auffallend ist das Fehlen
anderer großer Städte außer Metz, wie Straßburg, Speyer, Worms, Trier und der Grafen
und Herren aus dem Hunsrück und Pfalz (Wild- und Rheingrafen, Grafen von Leiningen
und Kurfürsten von der Pfalz) und aller rechtsrheinischen Korrespondenzpartner. Da in
den Empfängerarchiven bisher nicht systematisch recherchiert wurde, könnte sich die
vorstehende Liste erweitern.
Kein einziges dieser Schreiben ist autograph. Die Handschrift Elisabeths ist aus Unter-
schriften bekannt265, deren Eigenhändigkeit wird in der Korroboratio einer Urkunde vom
15. März 1442 angesprochen266. Sie zeigt nicht die Schreibgewandheit und den flüssigen
Duktus, die sich bei häufigem Schreiben größerer Texte eingestellt haben müßten. Die
Frage nach ihrem Anteil am Diktat ist schwerer zu beantworten. Eigenes Diktat oder
Korrekturen nach ihren Anweisungen lassen sich nicht exakt nachweisen; aber genauso
wenig läßt sich beweisen, daß sie mit Sicherheit nicht beteiligt gewesen sei. Ich vermag
nicht einzusehen, warum bei nachweisbarem persönlichen Anteil an Verhandlungen mit
Lehnsherren, Räten und Verwandten und bei nachweisbarer aktiver Mitwirkung an ande-
ren Regierungsgeschäften ihr gerade ein Anteil am nicht-urkundlichen Verwaltungs-
264 Außer den im Anhang aufgelisteten Schreiben ist zu verweisen auf einen Briefwechsel vom Sommer
1439 wegen der Belastung eines Metzer Bürgers durch Elisabeths Amdeute mit einer Lebensmittelsteuer
imalletoste) (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4620 fol. 7).
265 Quittung für Äbtissin von Neumünster vom 06.04.1434 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 152), Urk.
vom 05.06.1438 für Johann von Wolfstein (ebd. Nr. 167), Urk. vom 19.02.1440 auf der Plica zusammen
mit ihrem Sohn Johann (LA SB Best. N-Sbr.ll Nr. 1496), vom 23.03.1441 (HHStA Wiesbaden Abt. 130
I Nr. 179) u. vom 22.07.1444 (HHStA Wiesbaden Abt. 121) zugunsten des Hans von Rittenhofen. Unter
dem Freiungsbrief für Hofmeister Philipp Benßheimer vom 17.12.1432, der nur kopial überliefert ist,
steht nachgezeichnet Elisabeth subscpt.
266 han des %u urkonde unser iglicher sin ingesigel an diesen brieff dun henken und unser name mit unser selbs hand heran ge-
schrieben (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I) auch ihr Sohn Johann unterschrieb gelegentlich eigenhändig, am
04.04.1441 u. 1449 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 229 u. 247),
93
Schriftgut nicht zuerkannt werden sollte. Auch Nina Janich sieht in den Elisabeth-Briefen
der Varsberg-Korrespondenz „nicht das alleinige Produkt des oder der betreffenden
Kanzleibeamten“, sondern schreibt der Gräfinwitwe einen deutlichen Einfluß auf deren
Abfassung zu267.
Während alle Urkunden als rechtsverbindliche Schriftstücke in der Intitulado Elisabeths
Namen tragen, findet sich in dem erhaltenen nicht-urkundlichen Verwaltungsschriftgut
eine ganze Reihe von Schreiben nassau-saarbrückischer Amtleute, Empfänger sind meist
Amtleute benachbarter Territorien, manchmal auch Edelherren. Das bedeutet, daß in die-
ser Gattung von Schriftgut268 im Gegensatz zu den Urkunden keine generelle Titulierung
aller Ausfertigungen auf die Landesherrin üblich war. Darf man daraus folgern, daß alle
Verwaltungsschreiben, die als Ausstellerin oder Absenderin Elisabeth nennen, jeweils auf
ihre besondere Anweisung hin entstanden sind und daraus ihre Beteiligung an jedem auf
sie titulierten nicht-urkundlichen Schriftstück ableiten?
In einigen Fällen ist erkennbar, daß in anstehenden Streitfragen zunächst ihre Amtleute
Stellung nahmen und sie sich erst einschaltete, wenn deren Bemühungen erfolglos geblie-
ben waren269 270. Mitunter finden sich in den Briefen auch Wendungen, die die Beauftragung
durch sie andeuten (.. .hat laßen schryberi)210.
Mit Aufbau und Inhalt der Briefe, vornehmlich unter dem Aspekt der Formulargebun-
denheit, befassen sich Nina Janich271 und Jürgen Herold272 in diesem Band.
Beim Suchen nach Anhaltspunkten für Elisabeths Regierungsstil fällt das Werben um die
Gunst des Empfängers auf. Da sind einmal Berufungen auf Verwandtschaft273, auf Wit-
267 Vgl. ihren Beitrag in diesem Band S.408.
268 Als Beispiele seien genannt: Hans von Rittenhofen am 04.12.1433 an den Burggrafen von Forbach (LA
SB Best. N-Sbr. II Nr. 2320 S. 105 f.), am 02.02.1436 an Else von Dhaun (ebd. Nr. 3101 fol. 7), Albrecht
von Castel am 01.12.1436 an Jakob von Rollingen (ebd. Nr. 4630 fol. 6) u. im Sommer 1438 an Meister-
schöffe und Dreizehner der Stadt Metz (AM Metz AA 25 Nr. 34), am 30.06.1438 Schlichtung in Elisa-
beths Auftrag zwischen Katharina von Wolfstein, Meisterin zu Fraulautern, und dem nicht-adligen Niclas
von Ryttenhoffen (nicht verwandt mit den Brüdern Hans und Peter von Rittenhofen, LA SB Best. II Nr.
2939 fol. 77).
269 Z. B. hatte sich mit der Schadenersatzforderung des Huart von Elter zunächst ihr Amtmann in Com-
mercy befaßt (Schreiben vom 07.06.1438 HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II G 2 b Nr. 2).
270 An Philipp von Sötern (?) am 25.11.1433 (ebd.)
271 Vgl. S.389-410.
272 Vgl. S.203-231.
2 3 Die Verwandtschaft spricht sie an in der Varsberg-Korrespondenz sowohl gegenüber ihrer Cousine Eli-
sabeth, Herzogin von Bar-Lothringen (z. B. Varsberg-Korrepondenz Nr. 27) als auch gegenüber ihrem
Bruder Anton (ebd. Nr. 11). Auch in ihren Briefen von 1452/53 an die lothringischen Räte beruft sie
sich auf ihre Herkunft aus dem Hause Lothringen (HHSTA Wiesbadeb Abt. 130 III D 2 Nr. 4).
94
Abb. 15: Eigenhändige Unterschrift Elisabeths auf Schuldverschreibung zugunsten
der Abtissin und des Konventes von Neumünster vom 6. April 1434
(HHStA Wiesbaden Abt 130 Nr. 152).
Abb. 16: Eigenhändige Unterschrift Elisabeths auf Schuldverschreibung zugunsten
des Johann von Wolfstein vom 5. Juni 1438 (HHStA Wiesbaden Abt. 130
Nr. 167).
95
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Abb. 17: Eigenhändige Unterschriften Elisabeths und ihres Sohnes Johann auf der
Püca einer Urkunde vom 19.02.1444 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1496,
Ausschnitt).
96
wenschaft274 und auf mütterliche Sorge, den Söhnen das Erbe zu erhalten275. Auch Ver-
läßlichkeit und Beständigkeit gegenüber dem Empfänger oder seinen Vorfahren werden
angeführt, z.B. zur französischen Krone276: ...dem koninge von Franckrich, unserem herm, laßen
furbringen wie unser altem und vorfaren je und je sich %u dem huse von Franckrich gehalten und... an
dem boutellerie ampte ... und ander sacken und dergeliehen dinste lange %yt und viel jare wolgedienet,
oder den Herzog René erinnert sie wan wir uns erboden und erwiset haben gute Fothringer ju sin277
oder auf das gute Verhältnis zu ihrem verstorbenen Gatten anspielt278. Dabei muß offen
bleiben, ob sie selbst sich an entsprechend gute Beziehungen erinnerte oder ob solche
Formulierungen von Johann Fust von Diebach oder Hans von Rittenhofen, die Philipp
fast zwei Jahrzehnte lang gedient hatten, eingebracht wurden
Ihr Hinweis auf das gute Verhältnis zum französischen Königtum läßt die Frage nach ih-
rem Verhältnis zu Kaiser und Reich aufkommen. Darüber wurde bisher nichts bekannt.
Da mit den Reichslehen nicht sie, sondern ihr Sohn Philipp belehnt worden war, war es
nicht zu einer Begegnung zwischen Lehnsherrn bzw. seinem Bevollmächtigten und ihr
gekommen, woraus sich sowohl ein persönlicher Konnex als auch ein stärkeres Bewußt-
sein formaler Abhängigkeit hätte ergeben können. Die politischen Interessen der Könige
und Kaiser Sigmund, Albrecht II. und Friedrich III. lagen während der Regentschaft Eli-
sabeths nicht im Rheinland, dem Westrich und der Reichsromania, sondern in anderen
Gegenden des Reichs.
Taktieren könnte auch vorliegen, wenn sie Nicht-Wahrnehmung von Terminen oder ver-
zögerte Beantwortung von Briefen mit dem jugendlichen Alter Johanns279 oder mit fehlen-
274 So bieden ich uch gütlich, fordern undgesynnen aber ernstlich, das ir in stat myner gnedigesten herm die wiedewen und ne-
melich in besonderheit mich nast dem ich ein wiedewe und dem huse von lothringer bewant bin, schüren, schirmen und by
rechte behalten und hanthaben sollen (Schreiben an die lothringischen Räte vom 06.02.1453, HHStA Wiesba-
den Abt. 130 III D 2 Nr. 4 fol. 54).
275 Beispielsweise in einem Brief an Anton von Vaudémont vom 19.04.1432 (Varsberg-Korrespondenz Nr.
28, Zeile 46-49) und vom 05.05.1433 an Bischof Konrad von Metz (ebd. Nr. 54 Zeile 13-16).
276 In der Instruktion an den nassau-saarbrückischen Gesandten zu den beiden Königen Karl VII. von
Frankreich und René von Sizilien vom Herbst 1444 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4). Ange-
spielt wird auf Graf Johann II. von Saarbrücken-Commercy (fl 381), Großvater mütterlicherseits Graf
Philipps I. von Nassau-Saarbrücken. Über seine Tätigkeit im Dienste der französischen Könige finden
sich die ausführlichsten Angaben bei Poull (wie Anm. 119), S. 158 ff., u. Mohr, Walter: „Johann II. Graf
von Saarbrücken“, in: NDB Bd. 10 (1974) S. 522 u. Neumann, Peter: „Graf Johann II. von Saarbrücken-
Commercy“, in:Neumann, Peter (Hg.): Saarländische Lebensbilder, Bd. 2, Saarbrücken 1984, S. 43-59. Die
Datierung der Instruktion ergibt sich aus der Erwähnung des Verkaufs von Commercy, der im Februar
1444 erfolgt war, die Mitwirkung Elisabeths aus der mehrfach vorkommenden Formulierung unsers herm
gemahel und vatter seligen.
277 Ebenfalls in der Instruktion (wie Anm. 276), vgl. auch Anm. 170 u. Varsberg-Korrespondenz, Nr. 7 u.
42, Zeile 50 f.
278 Z. B. an Huart von Elter im August 1439 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II G 2 Nr. 2): wie unßer liebe herre
und gemahel selig sich geheen uwem altem gehalten und bedient hait als eines deils uwem magen und frunden wol kuntlich
ist. Zum angesprochenen Fall vgl. Herrmann: „Grafen von Homburg“ (wie Anm. 40, S. 68ff.).
279 Zur Begründung, daß Johann trotz Ladung durch Herzog René nicht zur Ständeversammlung nach
Pont-ä-Mousson kam, führt sie an: Dargu ist er noch faste jung und were er in jaren und verstentnisse, da% er in soli-
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den Sprachkenntnissen entschuldigt, so an René von Anjou am 4. Juni 1432, daß ihre
Amtleute und Räte, die einen französischen Brief Renés zu dutschem verstentnisse brengen
möchten, jetzt nicht bei ihr sind und von ihr an den Rhein geschickt wurden280. Eine unter-
lassene Gesandtschaft an König Karl VII. von Frankreich, der sich im Herbst 1444 in
Nancy aufhielt, entschuldigen sie und ihr Sohn Johann damit: so haben wir auch in dieser %yt
nymandt darin schicken gehabt, der es mit der frant^oisen spräche ußgerichten konde281. Bischof Kon-
rad von Metz faßte in der Endphase des Varsberg-Konfliktes seinen Unmut über solche
Verzögerungstaktik in die Worte: Do habent ir uns sit ostem her mit solichen schrifften uff gehalten
...so mercken und entpfindent wir yefft da\ wir mit schrifften und Worten bit% her geleidet und umge-
trieben worden sink82. Herzog Karl von Lothringen hatte ihrem Gatten siebzehn Jahre vorher
einen ähnlichen Vorwurf gemacht283. Bei der Erwähnung eifrigen Recherchierens284 läßt
sich nicht klären, ob dies tatsächlich oder nur vorgeblich geschah.
4.5 Hofhaltung
Spärlich sind die Nachrichten über Elisabeths Hofhaltung. Wenig bekannt ist über den
Aufenthaltsort ihres älteren Sohnes Philipp. Es hat den Anschein, daß sich der beim Tode
des Vaters elfjährige Junggraf zunächst noch in Saarbrücken aufhielt, dann aber zu einem
nicht genauer eingrenzbaren Zeitpunkt in Kirchheim und in den rechtsrheinischen nas-
sauischen Landen, deren Verwaltung ihm zugewiesen war. Ich vermute schon zu Zeiten
der Regentschaft Elisabeths eine nur zeitweise Anwesenheit am Hof der Mutter285, ganz
im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, der abgesehen von dem Aufenthalt in Frank-
che grosse Sachen yu raden und reden wiste, als sich das^ gebürt, so mlde ich deheyne vorgeschr(ieben) entschuldonge vor-
genommen sonder mlde yn y e syi umm gnaden gefertiget han, man ich grosse freude und wo ¡gefallen bette, da% er uwer gna-
de sehen und den selben uwemgnaden %u willengesin mochte (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I 11 D 2 Nr. 4 fbl.22).
280 Varsberg-Korrespondenz, Nr. 41.
281 Instruktion (wie Anm. 276).
282 Varsberg-Korrespondenz, Nr. 76, vertag in den sache(n) sprach er schon im Mai 1433 an (ebd. Nr. 57).
283 Als herre Cunrad Beyer, Symond Mouchenheimer, Heinrich Beyer, Friederich von Perroie, Johann von Hassonville und
andere nemelich yu Costent\ und vor von uns selbs an uch gefordert hant gekert unde abgetann unde darnach auch %u
Costenhi haben wirs auch unsem brader dun sagen, da% uns noch bißher nit können wiederfaren noch bescheen, wayforde-
runge wir an uch getan habent und tçuydem male als ir vonyglichem stucke und geschieht von uns herfolget unde besanten
gewesen sint, hant ir allewegen die sache uff den dage verlogen und uns nit wollen ledig y kn, usgeben und keren und hant
die Sachen hint^ugen unde uffhalde gehalden und in den %ugriffen beliben uff die dage, die uch mochten bescheit werden, da%
uns alles widerwertig ist...(HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 2 fol. 23 recto). Dieser abschrifdich
überlieferte Brief ist auf Donnerstag nach St. Johannis Nat. datiert, ohne Angabe des Jahres. Die folgen-
den, damit in Verbindung stehenden Kopien stammen aus dem Jahr 1415).
284 An Herzog René betr. Öffnungsrecht in Morley am 21.06.1431 (wie Anm. 148) ...da% ich an mynen bu-
chem, briefen, amptluden, retten, dienern jung und alt yu dutschen noch welschen landen nit erfaren han.
285 Urk. vom Oktober 1429 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2854 fol. 1). Am 02.02.1436 erwähnt Hans von Rit-
tenhofen in einem Schreiben an Else von Dhaun, daß Elisabeth und die beiden Söhneyt%e s(u Sarbrucken
by eynander sint (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3101 fol. 7). Das war anscheinend nicht die Regel.
98
reich im Jahre 1437286 den größten Teil seiner Kindheit und Jugend im Umkreis der Mut-
ter verbrachte.
Es gibt keine Anhaltspunkte für einen „Musenhof£, wie ihn Yvonne Rech sich vorstell-
te287. Ich warne auch davor, die von Jan Huizinga beschriebene Festkultur im Herbst des
Mittelalters im Analogieschluß auf den kleinen Saarbrücker Hof zu übertragen oder die
detailreichen Miniaturen von Spielen, Turnieren, Festmählern etc. in den von Elisabeths
Sohn in Auftrag gegebenen Prachthandschriften als Bildreportagen des Saarbrücker Hof-
lebens zu werten.
Der Elisabeth ständig umgebende Personenkreis rekrutierte sich teilweise aus den Famili-
en ihrer mannen, retten undfrunden. Nicht alle Inhaber von Burghäusern in der Saarbrücker
Burg bewohnten diese tatsächlich, gerade die wichtigeren Familien, wie Kriechingen, Rol-
lingen, Fleckenstein, Sierck, hielten sich in Burgen inmitten ihrer anderen Besitzungen auf.
Daß es auch gar nicht so leicht war, nassauische Lehensleute nach Saarbrücken zu bekom-
men, zeigt die Varsberg-Korrespondenz288.
Nachrichten über die weibliche Dienerschaft sind noch dürftiger. Heilke von Rodenhau-
sen kann als einziges „Hoffräulein“ angesehen werden, bevor Hans von Rittenhofen sich
in zweiter Ehe mit ihr vermählte289.
Noch einmal sei auf den knappen Personalbestand hingewiesen. Die von Burchert im
Analogieschluß zur Hofhaltung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg ange-
setzte Zahl von 200290 halte ich für zu hoch gegriffen, selbst wenn man das Wachpersonal
der Burg und das Gesinde bis hinunter zu Jungmägden und Stallknechten dazurechnet.
Es fehlen sowohl eine Hofordnung als auch andere Quellen über das höfische Zeremo-
niell291. Wahrscheinlich war es noch nicht notwendig, durch schriftliche Regeln das hierar-
chisch abgestufte Zusammenleben des relativ kleinen Personenkreises um Elisabeth zu fi-
xieren. Ihren Räten, Amdeuten, frunden, den anderen Bediensteten in der kleinen Verwal-
tung und dem Gesinde werden eigene Erfahrungen oder Anweisungen der schon länger
in diesem Kreise Lebenden genügt haben, um der Gräfinwitwe mit der von ihr erwarteten
Reverenz zu begegnen.
286 Vgl. S.120.
287 Rech (wie Anm. 59), S. 7ff.
288 Briefe an Johann von Kriechingen, Johann von Rodemachern, Georg von Rollingen, Friedrich von Cas-
tel und Dietrich von Püttlingen (Varsberg-Korrespondenz, Nr. 50, 54, 69-71, 77, 78, 80, 81 u. 83).
289 Am 08.09.1435 bekennt Elisabeth, daß sie dem Hans von Rittenhofen eine Gült von 10 oder 12 fl. als
Heiratsgut seiner Frau, ihrer Dienerin Heilke von Rodenhausen, zugesagt habe u. belehnt ihn jetzt mit
Gütern und Gülten, die ihr durch den Tod des Friedrich von Malstatt heimgefallen sind (HHStA Wies-
baden Abt. 121).
290 Burchert (wie Anm. 19), S. 35.
291 Aus der Zeit des Grafen Johann III. ist eine Hofordnung bekannt (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2847 fol.
123).
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Die Quellen geben uns kaum Hinweise, wie wir uns Elisabeths Reisen vorzustellen haben,
z.B. nach Nancy oder Vic oder Vezelise. Ihr minimales Gefolge müßte aus einem schreib-
kundigen Rat, einigen Dienerinnen und Troßknechten und einer bewaffneten Eskorte be-
standen haben. Die einzige bekannte Zahl, allerdings schon aus der Zeit nach der Regent-
schaft, beläuft sich auf 11 Pferde292.
Die archivalischen und archäologischen Quellen vom Aussehen der Saarbrücker Burg, in
der Elisabeth den größten Teil ihres Lebens verbrachte, ergeben ein im Detail unvollstän-
diges, insgesamt aber nüchternes Bild293. Gewiß zählte die Saarbrücker Burg nach Größe
und Ausstattung nicht zu den Paradebeispielen spätmittelalterlicher adliger Wohnkultur,
sondern gehörte zu jenen Bauten aus vergangenen Jahrhunderten, wie die elterliche Burg
Vaudemont, die weiter benutzt wurden. Eigene Baumaßnahmen oder solche ihres Gatten
Philipp sind nicht bekannt, erst ihr Sohn Johann ließ bauliche Veränderungen vornehmen,
nicht zuletzt deshalb, weil er öfter als seine Vorfahren sich hier aufhielt.
Ein wenig Licht auf die Hofhaltung wirft eine Auflistung über Ausgaben bei einem vier-
■/ wöchigen Sommeraufenthalt Elisabeths, Johanns und dessen Braut in Berus im August
eines Jahres zwischen 1451 und 1455294. Für das Ansehen der Gräfinwitwe noch rund ein
Jahrzehnt nach Rückzug aus der Regierung spricht ihre Erwähnung an erster Stelle. Die
notel verbucht Ausgaben zur Verpflegung (Eier, Fisch, junge Hühner, Gänse, Weizen,
Roggenbrot und Wein), die teilweise aus Saarbrücken geliefert wurde. Die Menge der ver-
ausgabten Nahrungsmittel bietet keinen Anlaß, an üppige Schmausereien zu denken. Je-
weils für einige Tage hielten sich geistliche und weltliche Amtsträger aus dem näheren
Umkreis (z.B. der Abt von Wadgassen und der Herr von Dillingen) in Berus auf und
machten dort der gräflichen Familie ihre Aufwartung.
Die bei Hofe getrunkenen Weine kamen vornehmlich aus dem Elsaß, auch von der
Blies295, an deren Unterlauf bis ins 20. Jahrhundert Weinbau, zuletzt nur noch für den Ei-
genbedarf, betrieben wurde. Waren eines gehobenen Anspruchs ließ Elisabeth auf den
292 Als min gnedige fraum was %u Bucherbach umb Martini als sy qwam von Rodemachem mit 11 pferden (Bucherbacher
Rechnung 1450 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3033 S. 62 u. 79).
293 Vgl. dazu meinen Aufsatz in Ztschr. f. d. Gesch. d. Saargegend 50 (2002).
294 Notel über einen Aufenthalt myner gnedige fraum mit myner gnedigen jungfraumn undjungherm dem jungen in Be-
rus (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 14). Der Aufenthalt dauerte von Mittwoch nach Inventio Ste-
phani (03.08) bis Dienstag nach Decollatio Johannis Baptistae (29.08), das Jahr ist nicht angegeben. Zwei
Anhaltspunkte ergeben sich zur Datierung: die Verpfändung von Berus durch Lothringen an Nassau-
Saarbrücken (1444) als terminus post quem und die Nennung der gnedigen jungfraumn. Da Elisabeths
Tochter Margarethe schon 1441 vermählt worden war, kann sie nicht gemeint sein. So bleibt nur Johan-
na von Loen-Heinsberg, die schon bald nach ihrer Verlobung mit dem Grafen Johann (30.11.1450) an
den Saarbrücker Hof gekommen war [Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 216 f.]. Dazu paßt auch die Be-
zeichnung der männlichen Person (jungherm dem jungen). Einen terminus ante quem liefert Elisabeths
Sterbedatum (17.01.1456).
295 Weinfuhren von der Blies finden sich in den Bucherbacher Rechnungen (wie Anm. 181) u. LA SB Best.
N-Sbr.II Nr. 2320 S. 11, 15 u. 16.
100
Messen in Frankfurt296 und Genf297 einkaufen. Am kurpfälzischen Zoll in Kaiserslautern
waren die für ihren Eigenbedarf und den ihrer Söhne bestimmten Güter zollfrei298. Die
Nachrichten über adligen Besuch in Saarbrücken bei Elisabeth beschränken sich auf eine
beiläufige Erwähnung eines Aufenthaltes der Elisabeth von Görlitz, Pfandherrin des Her-
zogtums Luxemburg, um 1435299.
Die in der lokalgeschichdichen Literatur gern erzählte Anekdote, die Bauern hätten in
Sommernächten mit Ruten die Teiche schlagen müssen, damit die Frösche durch lautes
Quaken nicht die Nachtruhe der Gräfin störten300, wird fälschlicherweise mit ihr in Ver-
bindung gebracht. Dies ist übrigens nicht die Marotte einer Herrin mit leichtem Schlaf,
sondern ein altes Herrenrecht, das auch für andere Orte Lothringens, des Westrichs und
des Elsaß belegt ist301.
5. Kein völliger Rückzug aufs Altenteil
Gegen Ende der 1430er Jahre war das Ende der Regentschaft abzusehen. Elisabeth als
Landesherrin und Mutter stellte sich die Aufgabe, die künftigen Herrschaftsbereiche ihrer
beiden Söhne abzugrenzen, sich um die Vermählung ihrer Kinder zu kümmern und
schließlich die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf dem
Altenteil zu treffen. Über die Erziehung ihrer Söhne ist wenig bekannt. Aus der Notiz ih-
res Jüngeren Johann, er habe 1437 in der Abtei St. Denis die französische Fassung des
Hugeschapler für seine Mutter abgeschrieben, leitet Bernhard Burchert eine von seiner
Mutter veranlaßte ritterliche Ausbildung in Paris ab302. Doch muß dazu kritisch bemerkt
werden, daß König Karl VII. sich nur selten in Paris aufhielt. Er bevorzugte die Residenz-
schlösser an der Loire und ihren Nebentälern, vor allem Loches.
296 Einkäufe im April 1435 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 136).
297 Zahlung des Johann von Wolfstein an einen Kaufmann in Genf im Auftrag Elisabeths, erwähnt in Urk.
vom 05.06.1438 (ebd. Nr. 167).
298 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 1521 Urk. von 13.01.1445.
299 In einem undatierten Schreiben an Georg von Rollingen (ebd. Nr. 3109 fol. 1) über die Gefangennahme
eines „armen Mannes“ namens Friedrich von Buesingen findet sich die Formulierung als unser frauwe von
Brabant Sarbrucken was. Diese Titulierung der Elisabeth von Görlitz erklärt sich aus ihrer ersten Ehe
mit Anton von Burgund, Herzog von Brabant. Aufgrund ihrer zweiten Ehe mit Johann von Bayern wird
sie auch "Frau von Bayern" genannt (Varsberg-Korrespondenz, Nr. 77).
300 Die Stelle im Völklinger Weistum von 1422 lautet: und gebürte mynerfrauwen der grajfynne yu Folkelingen %u ly-
gen, so sollent sie die frösche schweygen, da% sie myn frauwe nicht wecken (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2441 S. 370).
Ein direkter Bezug zu Elisabeth ist nicht erkennbar. Auch ist zu bedenken, daß die in den Weistümern
überlieferten gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen meist erheblich älter als die Niederschriften sind.
301 Hiegel, Henri: „Le droit de grenouillage en Moselle,“ in: ASFLAL 55 (1955) S. 13-20; Wilbert, Jean
Louis: „Le ,droit de grenouillage', légende ou réalité“, in: Société d'Histoire de l'Alsace-Bossue No. 36, 2ème
semestre 1996, S. 6-9; Rüg, Karl: Burg Bucherbach im Köllertal, Püttlingen 1984, S. 31.
302 Burchert (wie Anm. 19), S. 39.
101
Die Eheberedung zwischen ihrem Ältesten Philipp und Margarethe von Loen-Heinsberg
vom 7. Januar 1438 wurde von ihr und ihrem Sohn Johann mitbesiegelt303.
Am 30. Januar 1439, als Philipp bald das 20. und Johann das 16. Lebensjahr vollenden
würden, regelte Elisabeth in einem nach hiesigen Gepflogenheiten sehr detailreichen Ver-
trag ihren Unterhalt im Lebensabschnittt nach Beendigung der Regentschaft304. Der Text
spiegelt sie als erfahrene und kenntnisreiche Partnerin, die statt einer pauschalen Rege-
lung, etwa in Form eines allgemein gehaltenen Verweises auf ihr Wittum, durch sehr de-
taillierte Abmachungen sich angemessene Einkünfte sicherte, jetzt schon spätere Eventu-
alfälle regelte und damit möglichst wenig dem Zufall überlassen wollte. Der Text läßt den
Gedanken aufkommen, ob Elisabeth vielleicht Zweifel hegte, daß die eingangs angespro-
chene beiderseitige grosse trewe, liebe und freundschafft auch für die Zukunft das Verhältnis
zwischen Mutter und Söhnen bestimmen werde. Deutlich erklärte sie ihre Absicht, sich
nicht wieder vermählen zu wollen,305 baute aber doch in den Vertrag eine Klausel über ih-
re Versorgung bei einer eventuellen neuen Verehelichung ein306. Wenn sie sich nicht wie-
dervermählt, sonderen stat halten, unserem herren Got dienen oder sunst ir gemach haben wolle, soll
ihr hausung in der Burg Saarbrücken gegeben werden und die Hälfte des Betrages, der von
dem jährlichen Ertrag aus rechtlichen galten und renten von Städten, Burgen, Dörfern und
Landen der Grafschaft Saarbrücken nach Abzug der darauf angewiesenen gult undpension
von lehenschaften und manschaften noch verbleibt. Die Einkünfte werden im einzelnen spezi-
fiziert: weiden, weyher, fischereyen, Rollen, geleyden, schaffen, yinsen, backheusem und mullen, an wachse,
Pfeffer, pfenniggelt, weiß, rocken, habem und ander frucht, an Schweinen, gensen, kappen, hunem und an-
deren sacken, das rechtlich gult ist und von rechts wegen gef eilet und auch an dem ungelt, an dem das dar-
an unverbawetpleibet. Sie sind nach Saarbrücken zu liefern. An Heu, Ackerland und Gärten
ist ihr so viel zu überlassen, wie sie für ihre Pferde, ihr Vieh und ihre Küche haben möch-
te, ebenso aus den Wäldern der Grafschaft Saarbrücken benötigtes Brenn- und Bauholz.
Fuhren von Holz, Wein und anderen notturfigen Sachen werden nach Bedarf für sie ausge-
führt. Sie ist nicht gehalten, zu den Aufwendungen für Bau und Hut der Städte und Bur-
gen beizutragen, wohl aber hälftig zu den Baukosten für Mühlen, Weiher und Backhäuser
sowie für den Kauf von Fischen zum Aussetzen in Weihern. Sie kann sich unter Auf-
rechterhaltung ihres vorgenannten Unterhalts nach Belieben zeitweise in Ottweiler, Bu-
cherbach oder in den gräflichen Städten und Burgen über Rhein, auf dem Gau (um
303 HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 65 fol. 105-111.
304 Abschrift in Kopialbuch (16. Jh.) LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 143-151.
305 ... inn gantyer guter meynung und willen seyn, uns mit hinlicheit nit yu veränderen und uns in (= ihren Söhnen) yu hal-
ten und in (= den Söhnen) alles, das yu thun als ein getrewe mutter mit iren kinden halten und in thun soll.
306 In diesem Fall sollen die Städte und Burgen, auf die ihr Gatte ihren Wittum und ihre Morgengabe ver-
schrieben hatte, mit allen Herrschaftsrechten an denjenigen ihrer Söhne übergehen, dem sie bei der Tei-
lung zufallen werden. Dieser soll seiner Mutter auf Lebenszeit jährlich von dem Betrag, der von den aus
Städten und Landen der Grafschaft eingehenden rechtlichen gulte und rente nach Abzug darauf angewiesener
gulten und pension aus lehenschafft und manschaft verbleibt, die Hälfte zahlen. Sie soll alle Schuld und Pfand-
schaft und alle Fahrhabe, mit Ausnahme der kleinot yu unserem leibe gehörig und unseren wagen undgeschmucke,
ihren Söhnen belassen.
102
Kirchheim) oder in welschem Land aufhalten. Für den Fall, daß infolge Kriegs die Ein-
künfte der Grafschaft Saarbrücken sich so verringern, daß sie nicht standesgemäß leben
könne, soll ihr auf Verlangen von Einkünften aus anderen Landesteilen soviel nach Saar-
brücken oder dorthin, wo sie sich gerade aufhalten würde, geliefert werden, wie es dem
vorbeschriebenen Stand entspricht und zwar solange, bis die Einkünfte der Grafschaft
Saarbrücken wieder die frühere Höhe erreicht haben würden. Mit Aufnahme von Schul-
den auf die Grafschaft Saarbrücken soll sie nichts zu tun haben. Für den Fall daß ihre
beiden Söhne und ihre Tochter vor ihr versterben, sollen die Bestimmungen ihres Wit-
tumsbriefes anstelle dieses Vertrages treten. Die Lehensleute, Burgmannen, Amtleute,
Bürger und alle anderen Leute in Städten, Dörfern und Landen der Grafschaft Saarbrü-
cken werden auf die Einhaltung dieses Vertrags verpflichtet. Bemerkenswert ist auch die
Korroboratio: Die genaue Beachtung des Vertrages wird von Elisabeth bei frowelichen wur-
denn gelobt und versprochen, von den Söhnen mit guten trewen in eidts statt und bei unseren eh-
ren... unser lieben jramn und mutter in ire handt geleistet. Als Mitsiegler fungierten auf Wunsch
der Vertragspartner Lambrecht von Castel, Johann Fust von Diebach, Hermann von Ho-
henweisell und Johann Rode.
Diese Modifizierung der Wittumsverschreibung im Heiratsvertrag von 1412, in dem Bu-
cherbach als Wittumssitz vorgesehen war, wurde von der landesgeschichtlichen Literatur
kaum zur Kenntnis genommen. Zwar berichtete Hagelgans schon 1753, daß Elisabeth bis
an ihr Lebensende in Saarbrücken blieb307, aber erst Hans-Joachim Kühn308 hat die seit Al-
bert Ruppersberg in der Literatur immer wieder weitergegebene Behauptung, Elisabeth
habe als Witwe in Bucherbach residiert oder sich mindestens zur Sommerzeit häufig auf-
gehalten, widerlegt.
Als Sonderfall ist anzusehen, daß Johann in Sachen der Herrschaft Kirchheim schon am
10. August 1438 allein urkundete. In einem zweijährigen Übergangszeitraum (bis 1441)
urkundeten Mutter und Sohn öfter gemeinsam309. Im Februar 1442 empfing er die bari-
schen und lothringischen Lehen310 311 und im Juni desselben Jahres läßt er stolz in den Ur-
kundentext aufnehmen uße alle mumperschaffin. Deutlich drückte Elisabeth seine Entlassung
aus der Vormundschaft aus, als sie Johann von Finstingen am 6. April 1443 aufforderte,
die Lehen, die er bisher von ihr als Vormünderin getragen habe, nun von Johann zu emp-
307 Hagelgans (wie Anm. 3), S. 45.
308 Kühn (wie Anm. 18).
309 Gemeinsame Urkundenausstellungen zwischen 28.08.1439 und 1441: AD M-et-M B 690 Nr. 101,
HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 171 u. 177, LA SB Best-N-Sbr.II Nr. 1496, Titulierung nur auf Elisa-
beth (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1867 u. 4297 fol. 98), Lehensreverse für Elisabeth und Johann, ausge-
stellt zwischen Juni und September 1441 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1165, 1290, 5596, 5749 u. 5750),
Adressierung anderer Schreiben an beide (ebd. Nr. 2268 S. 3f., Mitt. Hist. Ver. Pfalz 32 (1912) S. 223),
allein an Johann von Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken am 12.07.1440 (ebd. Nr. 4626 fol. 4).
310 Wie Anm. 110.
311 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2854 fol. 2.
103
fangen, der seit über einem }ahr mündig sei312. Auch nach diesem Zeitpunkt war Elisabeth
mindestens beratend an wichtigen Entscheidungen beteiligt313.
In die letzten Wochen der gemeinsam von Mutter und Sohn geführten Geschäfte fiel die
Vermählung Margarethes. Mutter und Sohn wählten für die fünfzehnjährige Tochter bzw.
Schwester als Gatten Gerhard von Rodemachern, Sproß eines Edelherrengeschlechtes,
das wenige jahrzehnte zuvor durch die Beerbung der Familie von Bolchen/Boulay seinen
Besitz in Lothringen und Luxemburg auf einen Umfang gebracht hatte, der dem der hie-
sigen Grafenhäuser nicht viel nachstand314. Der Schwiegervater der jungen Braut Johann
von Rodemachern war am Saarbrücker Hofe wohl bekannt, er hatte zu den Ganerben
von Varsberg gehört, im Konflikt um die Burg sich allerdings, wohl entgegen Elisabeths
Erwartungen, sehr zurückgehalten315. Die antiburgundische Einstellung der Familie dürfte
in Saarbrücken bekannt gewesen sein. Freilich konnte niemand ahnen, daß diese Haltung
Gerhard und seine künftige Gattin schließlich Land und Herrschaft kosten würde316.
Von großer Wichtigkeit war der Teilungsvertrag, den die Brüder Philipp und Johann mit
rait und hilfe ihrer Mutter und etlicher guter Freunde, Mannen und Räte am 27. Februar
1442 zu Kirchheim abschlossen: Philipp bleibt die Grafschaft Nassau und aller Besitz jen-
seits des Rheines. Johann erhält die Grafschaft Saarbrücken, die Herrschaft Commercy
und Welschlant und alle Burgen, Städte und Dörfer diesseits des Rheins, ausgenommen die
Herrschaft auf dem Gau und vor dem Donnersberg mit Burg Dannenfels, Burg und Stadt
Kirchheim, Burg Stauf und den Anteilen an Frankenstein, Wöllstein und Altenbaumburg.
Beide Brüder sollen sie in rechter Gemeinschaft je zur Hälfte besitzen. Hinsichtlich der
Versorgung ihrer Mutter bestätigten die beiden Brüder die schon 1439 getroffene Abma-
chung317.
Vielleicht dachte der junge Graf Johann schon damals an Umbauten in der Saarbrücker
Burg; denn bei der Belehnung des Peter von Rittenhofen mit einem Burghaus in Saarbrü-
312 HHStA Wiesbaden Abt. 121.
313 Verkauf von Commercy, Abwehr der Armagnaken. Von benachbarten Territorialherren wird sie mitun-
ter in die Adressatio einbezogen, z.B. verzichtete am 27.08.1443 Johann, Herr zu Finstingen, gegenüber
Elisabeth und Johann auf alle Ansprüche auf die Vogtei Herbitzheim (HHStA Wiesbaden Abt. 121 u.
Abt. 3001 Nr. 17 fol. 86v-89r, AD Bas-Rhin 25 J 528).
314 Atten, Alain: „Rodemack et son chäteau“, in: Cahiers Lorrains 1979 S. 97-105, zur Vermählung Margare-
thes vgl. auch HHStA Wiesbaden Abt. 130 II Nr. 537.
315 Varsberg-Korrespondenz, Nr. 7, 55, 56, 68, 70, 71, 77, 79, 81 u. 83.
316 Atten, Alain: „Rodemachers letzte Fehde. Hintergründe und Streiflichter einer Burgbelagerung (21.5.-
8.7.1483)“, in: Hemecht. Ztschr.f. iMxemburger Geschichte. Revue d'Histoire luxembourgeoise 38 (1986) S. 7-36.
Margarethe starb am 5. Mai 1490 in Mainz, beigesetzt in der Kirche des dortigen Karmeliterklosters
[Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 203, Dors (wie Anm. 2); S. 208£]
317 HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 180, Abt. 130 II Nr. 360 (Kopie 16. Jh.), Abt. 150 Nr. 160, Abt. 3001
Nr.68 fol. 12r-15v, Menzel, (wie Anm. 7) S.147, Auszug in LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1506 u. 6278. Unter
den Sieglern des Vertrages erscheinen neben Elisabeth ihre vertrauten Ratgeber Lambrecht von Castel,
Hans und Peter von Rittenhofen, Simon Mauchenheimer von Zweibrücken und der mit rechtsrheini-
schen Angelegenheiten früh beauftragte Hermann von Hohenweisel.
104
cken am 2. Juni desselben Jahres behielt sich Elisabeth vor, eben dieses Burghaus auf Le-
benszeit zu bewohnen und baulich zu unterhalten318. Ob sie tatsächlich von diesem Recht
Gebrauch machte, ist nicht bekannt.
Das Jahr 1443 überzog das Land zwischen Maas und Mosel wiederum mit Krieg und
Schrecken. Heerhaufen, die durch die Beendigung des jahrzehntelangen Krieges zwischen
Frankreich und England beschäftigungslos geworden waren, wurden als kampferfahrene
Truppenkontingente zur Durchsetzung politischer Ziele mit Waffengewalt von regionalen
Mächten in Sold genommen. War dies nicht der Fall, sorgten sie auf eigene brutale Weise
für ihren Unterhalt. Nach ihrem früheren Dienstherrn wurden sie „Armagnaken“ ge-
nannt, eine Bezeichnung, die mundartlich abgewandelt zu „armen Gecken“ verballhornt
wurde, ebenso verbreitet, aber aussagekräftiger für ihr brutales Aufträgen war ecorcheurs
(Schinder). Nach den Angaben des Metzer Chronisten Philippe de Vigneulles sollen da-
mals Tausende von Reisläufern, Abenteuerern und Räubern, Brandstiftern und Halsab-
schneidern das Umland von Metz unsicher gemacht haben319. Die wichtigste militärische
Aktion dieses Jahres war die Besetzung des Herzogtums Luxemburg durch Herzog Phi-
lipp von Burgund320. Wo Klingen gekreuzt wurden, durfte Robert von Saarbrücken-
Commercy nicht fehlen. Manchmal stellte er sich in den Dienst eines größeren Herrn,
manchmal nutzte er die Gelegenheit, seine Revanchelust an einem früheren Gegner zu
befriedigen. So zog er 1443 zunächst vor das luxemburgische Montmédy321. Dann führte
er einen Kleinkrieg, bei dem wieder einmal die Einwohner des nassau-saarbrückischen
Dorfes Vignot geschädigt wurden322. Roberts Gebaren forderte Gegenaktionen heraus.
Ludwig von Haracourt, Bischof von Toul, der Herr de la Marche und Johann von
Finstingen verbündeten sich mit Bar-Lothringen und der Stadt Metz zu einer Strafaktion
gegen Robert. Zur selben Zeit ging das Gerede, in die beiden bischöflich-verdun’schen
Orte Hattonchätel und Sampigny solle eine burgundische Besatzung gelegt werden323. Re-
né weilte damals außer Landes, sein fünfzehnjähriger Sohn Ludwig, dem er den Titel eines
Markgrafen von Pont-ä-Mousson verliehen hatte, fungierte nominell als Statthalter in den
Herzogtümern Lothringen und Bar324. Vermutlich im Spätjahr 1443 wurde im Geheimen
mit Nassau-Saarbrücken über den Kauf der Besitzungen in welschen Landen verhandelt.
Wir wissen nicht, wer den Anstoß zu diesen Verhandlungen gab und wer sie auf lothrin-
318 HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk. vom 02.06.1442 für Peter von Rittenhofen.
319 Philippe de Vigneulles (wie Anm. 119), S.280 {piétailles, aventuriers, bouttefeus, lairons et couppegorge et toutes tel-
les manier de gens). Über ihr erstes Auftreten in Lothringen i. J. 1435 vgl. Marot, Pierre: „Les premiers ra-
vages des Ecorcheurs en Lorraine“, in: BSAL 1929, S. 144f.
320 Miller, Ignaz: „Kurtrier und die Übernahme des Herzogtums Luxemburg durch Herzog Philipp den Gu-
ten von Burgund im Jahre 1443“, in: Hémecht. Ztschr.f. Luxemburger Geschichte. Revue ¿.'Histoire Luxembour-
geoise 36 (1984), S. 489-514.
321 Philippe de Vigneulles (wie Anm. 119), S. 277, Dumont (wie Anm. 98); S. 246-251.
322 Dumont (wie Anm. 98), S. 252.
323 Bericht des Hans Schaumberg aus Commercy an Graf Johann v. Nassau-Saarbrücken (LA SB Best. N-
Sbr. II Nr. 3044 S. 121 f.)
324 Poull (wie Anm.20), S. 160.
105
gischer Seite führte, wohl kaum der junge Ludwig. Auf nassauischer Seite waren Hans von
Rittenhofen, Lambrecht von Castel und Simon Mauchenheimer beteiligt325. Schon rund
zwei Jahrzehnte früher hatte sich ja Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken mit dem Ge-
danken einer Veräußerung seines gesamten Besitzes zwischen Maas und Mosel getragen
hatte, das Projekt jedoch nicht realisiert326. Die Besitzungen en roman pays hatten seitdem
einen hohen Aufwand zur Besitzstandswahrung und Befestigung sowie zum Ausgleich er-
littener Schäden erfordert, sie waren all die Jahre hindurch der neuralgische Punkt der
nassau-saarbrückischen Territorialpolitik gewesen.
In den ersten Wochen des Jahres 1444 dürfte unter den Verbündeten bekannt geworden
sein, daß Robert von Saarbrücken-Commercy längerfristig gesehen durch den Aufkauf der
nassau-saarbrückischen Anteile und durch eine ständige lothringische Besatzung in der
Unterburg von Commercy eher in Schach gehalten werden könne als durch eine gewalt-
same Eroberung von Commercy mit nicht voraussehbaren Verlusten und einem anschlie-
ßenden „Frieden“, der bei der notorischen Unzuverlässigkeit Roberts doch nicht viel wert
wäre. Im Februar wurde der Besitzwechsel dann sehr schnell abgewickelt. Am 3. Februar
1444 verzichtete Graf Johann auf die barischen Lehen Morley, Pierrefort, Bouconville,
Avant-Garde, Nonsard und Norroy-le-Veneur327 und verkaufte seinen Anteil an Burg,
Stadt und Herrschaft Commercy und das Dorf Vignot an Markgraf Ludwig für 42.000 alte
rh. fl., davon wurden ihm 10.000 fl. bar gezahlt, für 22.000 fl. die herzoglich lothrin-
gischen Ämter Berus und Saargemünd verpfändet und 5.000 fl. auf die Einkünfte der
Stadt Wallerfangen angewiesen. Für die Zahlung des Restbetrages wurden Bürgen ge-
stellt328. Sein älterer Bruder Philipp329 330 stimmte zu und Elisabeth verzichtete auf diese Ge-
biete soviel es sie antriffßx\ Eine solche Erklärung war formell notwendig, weil sie 1412 auf
den Anteil an Commercy bewittumt worden war und auch im Vertrag mit ihren Söhnen
von 1439 die welschen Lande angesprochen waren. Aufgrund eigener Erfahrungen wird
sie den Verkauf befürwortet haben. Am 7. Februar übergab der nassau-saarbrückische
Amtmann Hans Schaumberger die Unterburg Commercy an den Beauftragten des Mark-
grafen, in den folgenden Tagen ließ er Vieh, Waffen und anderes über St. Mihiel und
325 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 235.
326 Vgl. S.67.
327 Ebd. Nr. 1505, 1510 u. 6277, Gegenurkunde Ludwigs vom 04.02.1444 (ebd. Nr. 1511, AD Meuse B 251
fol. 120-126).
328 Abschrift 16.Jh., LA SB Best. N-Sbr.il Nr. 1514 u. 6280. Vorhanden ist auch eine Nota eines nassau-
saarbrückischen Amtsträgers, daß anläßlich des Verkaufs über das Stift Commercy, die Lehensmannen,
die befreiten Leuten, Burgfrieden, Pfandschaft und Schulden zu reden sei (ebd. Nr. 252). Quittungen
über Teilzahlungen ebd. Nr. 6281-6283.
329 Schreiben Graf Philipps von Nassau-Weilburg, Bruder Graf Johanns III. von Nassau-Saarbrücken, an
Peter von Rittenhofen (ebd. Nr.1517).
330 Franz. Fassung: qu'il ly plaise les choses dessus dictes loer et greer soubs son seel en tant qu ce elle touche et peut toucher
(ebd. Nr. 231).
106
Pont-à-Mousson nach Saarbrücken bringen331. Erst in diesen Tagen scheint Robert von
dem Besitzwechsel erfahren zu haben. In einem Brief vom 13. Februar bezichtigte er Graf
Johann, mit dem Verkauf von Commercy gegen den beschworenen Burgfrieden versto-
ßen zu haben, der ausdrücklich die Genehmigung des Mitherrn bei der Veräußerung von
Anteilen vorsehe332. Sein Protest blieb ohne Wirkung. Sieben Tage später gab er den Wi-
derstand in Commercy gegen die Truppen des Markgrafen auf333.
Die Veräußerung der Besitzungen im Krisengebiet der Reichsromania brachte dem jun-
gen Grafen Johann und seiner Mutter keine sofortige Freistellung von Beschwernissen für
Land und Leute. Vielmehr gerieten nun auch ihre Besitzungen an der Saar in den Akti-
onsbereich der Armagnaken. König René nahm sie in Sold bei seinem Versuch, die Stadt
Metz, die er als rebellisch und ungehorsam anprangerte, mit Unterstützung seines königli-
chen Schwagers Karls VII. unter seine Herrschaft zu zwingen. Während ein Teil von ih-
nen unter dem Kommando des Dauphin Louis unter Beteiligung Roberts von Saarbrü-
cken-Commercy moselaufwärts zog, Epinal besetzte334 und nach der Niederlage gegen die
Schweizer am 26. August 1444 bei St. Jakob an der Birs nach Lothringen zurückkehrte,
schwärmten andere bis in die Saargegend aus. Bisher war nur bekannt, daß ein bei Blit-
tersdorf lagernder Haufen die nassauischen Lande schädigte335. Die gemeinsame Instrukti-
on des Grafen Johann und seiner Mutter für einen nassau-saarbrückischen Gesandten zu
König Karl und König René, die sich im September 1444 in Nancy aufhielten, liefert De-
tails336. Demnach hatte auf nassauische Bitten König Karl VII. den sergent Jean Vit ge-
schickt, um persönlich eventuelle Angriffe auf nassauisches Gebiet abzuwehren. Dieser
verursachte aber Schaden in den Ämtern Berus und Saargemünd, die an Graf Johann ver-
pfändet waren. Ein gewisser Poton, wohl identisch mit Poton de Xaintrailles337, und andere
raubten im Völklinger Hof und im Köllertal und brachen die Kirche in Schwalbach auf338.
Deshalb wurde der nassau-saarbrückische Gesandte instruiert, bei dem französischen Kö-
nig hude und schirme für die nassauischen Lande zu erbitten und eine Weisung anzustreben,
daß der Dauphin mit seinen Leuten nicht hierher käme339. Der Gesandte sollte um Er-
laubnis bitten, zum Schutz nassauischer Burgen und Dörfer königliche Hoheitszeichen
331 Aufstellung der Kosten des Hans Schaumberger seit der Übergabe der Unterburg von Commercy an
Markgraf Ludwig (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 234).
332 Ebd. Nr. 1523.
333 Poull (wie Anm. 20), S. 180.
334 Duhamel, L.: Négociations de Charles VII et de Louis XI avec les évêques de Met^pour la châtellenie d'LLpinal, Paris
1867.
335 Hoppstädter/Herrmann: (wie Anm. 28), S. 478.
336 Instruktion (wie Anm. 276).
337 Zu ihm vgl. Contamine, Philippe: „Xaintrailles“, in LexMA, Bd. 9, Sp. 395-397.
338 ...haben Poton und andere gerant in den Colredal und in den Folkelinger hoffe und da etliche manne und jraumn uns an-
gehorig gefangen, viel kuw, pherde, kremerie, spit^erie und ander gut und die kirche %u Swalpach uffgebrochen und da inne
auch genomen, iva^sie mlden (Instrukdon, wie Anm. 276).
339 Instruktion (wie Anm. 276).
107
anzubringen340. Über den Ausgang der Mission ist nichts bekannt. Im März 1445 unter-
nahmen die Ecorcheurs einen Vorstoß nach Falkenberg341. Eine von König Karl VII. in
Dienst genommene Gruppe setzte sich in dem Gorzer Gebiet südwestlich Metz342 fest
und bekriegte noch 1447 den Metzer Bischof Konrad Beyer343.
Es erstaunt, daß in den erhaltenen Quellen über die Brautwahl Johanns Elisabeth nicht
genannt wird. Die Urkunden über seine Verlobung am 30. November 1450 mit Johanna
von Loen-Heinsberg sind nicht von ihr besiegelt344. Die Vermählung fand erst im Dezem-
ber 1456, also nach ihrem Tod statt. Anscheinend brachte Johann seine kindliche Braut
bald nach der Verlobung nach Saarbrücken. Der Gedanke liegt nahe, daß Elisabeth sich
um die Erziehung der angehenden Schwiegertochter kümmerte345 346.
Im Herbst 1452 wurde sie noch einmal aktiv. Als Bernhard von Pallandt von der im Her-
zogtum Lothringen gelegenen Burg Felsberg aus ihr an ihrem Wittum Schaden zufügte im
Zusammenhang mit seiner Fehde gegen ihren Sohn Johann, beklagte sie sich bei den loth-
ringischen Räten, daß er mynen arme lüde aber großer swere verderpliche schaden mit brande, brant-
schatgonge, gefengenisse ettlicher armen lüde dag doch ungeburlich ist, und genommen gude getan und gu-
gefugefrA Ein Ausgleich kam erst im Herbst 1454 durch Vermitdung des Pfälzer Kurfürs-
ten zustande347. Um einen Ausgleich bemühte sich zeitweise auch Johanns älterer Bruder
340 Bei dem König von Sizilien und seinen Räten ist Rat einzuholen, obe uns not sie des koninges von Franckrich
bannere uff unser slosse gu stellen und sust siner gnaden wapen in etliche unsem dorffem uffguslagen, umb desto siecherer gu
sin, und duncket sy daggerads, dag sy dann daran sin und helffen wollen dag uns die bannere mit dir geschicket und uns
auch erleubet werde, die banniere uff gu stellen und die wapen anguslagen [Instruktion (wie Anm. 257)].
341 Zum Verlauf der Kämpfe im Pays Messin vgl. Philipp de Vigneulles (wie Anm. 119), S. 282-301.
342 Ebd., S. 304 u. 306.
343 Ebd, S. 307.
344 Vertragspartner ist Johann von Heinsberg, Bischof von Lüttich (HHStA Wiesbaden Abt. K 65 fol 112-
115). Die Braut war damals noch nicht 10 Jahre alt. Graf Johann von Nassau-Saarbrücken und Johanna
von Heinsberg sind am 24. August 1455 noch verlobt, nicht verheiratet; aber Johannas Mutter übergibt
die Regierung der heinsberg‘schen Lande ihrem künftigen Schwiegersohn (ebenda fol. 116-118). Am 20.
Dezember 1456 wird Graf Johann von Herzog Philipp von Burgund mit den heinsberg‘schen Lehen be-
lehnt (ebd. fol. 119-120).
345 Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 216 f.
346 Brief vom 21.01.1453 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I, II D 2 Nr. 4). Der Konflikt mit Pallandt könnte
damit Zusammenhängen, daß Graf Johanns Amtmann in Berus Dietrich von Brandscheid gen. Gebur-
chin den Bruder von Dietrich und Johann von Pallandt jemerlichen ermort und von dem leben gu dode braicht hat
(Brief vom 14.06.1451 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 13). Am 29.06.1451 erklärte sich Pallandt zum
Austrag mit Graf Johann von Nassau-Saarbrücken vor dem Herzog von Lothringen bereit (ebd. Nr.
4695 fol. 1). Anscheinend scheiterte dieser Schlichtungsversuch. Es kam dann zu einem Waffengang;
denn am 07.05.1453 quittierte Johann von Düren dem Grafen Johann Schadenersatz für seine Verluste
in der Fehde gegen Pallandt (ebd. Nr. 1540). Eine Auflistung der Schäden in HHStA Wiesbaden Abt.
121 Lehensakten Fleckenstein 3.
347 Ebd. Nr. 1545.
108
Graf Philipp. Es fällt auf, daß in den — allerdings unvollständig überlieferten — Akten er
den seiner Mutter zugefügten Unbill und Schaden nicht erwähnt348.
6. Religiosität
Die Anregung von Wolfgang Haubrichs aufgreifend, den religiösen Interessen Elisabeths
höhere Aufmerksamkeit zu schenken349, seien nachfolgend einige Nachrichten aus den
Quellen zusammengestellt.
Ein Gebetbuch Elisabeths blieb erhalten350 351. Der Bezug auf sie als Besitzerin ergibt sich
nur aus dem nicht von ihr, sondern später im Perfekt formulierten Eintrag Der hochgebom
fursstin Framn Frawn Fabele gebome hert^ogin von Futtringen vnd Frarnn t%u Nassau vnd Sarbru-
cken ist diß buch lein gewest requiesscant <sic!>. ln pace amen. Auf fol. 4 recto ist rechts oben das
Wappen der Margarethe von Rodemachern nachträglich angebracht worden. Als Einband
wurde verwendet eine auf Pergament geschriebene Anweisung des Generalvikars des
Metzer Bischofs Raoul de Coucy (Radulphus de Couciaco) vom 20. Juli 1414 an den Archidi-
akon von Marsal betr. die Besetzung der Pfarrei Gerselinga (heute Guerstling Dep. Moselle,
Ct. Bouzonville) mit dem Kleriker Wilhelm Fhilippi de Frymerstorfps7 Aufschlußreich für die
Herkunft des Bandes wäre die namentliche Ermittlung des Empfängers der Anweisung
des Metzer Generalvikars, eben des Archidiakons von Marsal352. Leider klafft in der einzi-
gen bisher veröffentlichten Namensliste eine Lücke zwischen 1409 und 1421. Nach der
Einführung des Klerikers in die Pfarrstelle in Gerslingen war die Anweisung ausgeführt
und eine Archivierung des betreffenden Schriftstückes nicht notwendig, es konnte also als
Bucheinband verwendet werden. Gerade seine Verwendung als Einbandmaterial spricht
gegen eine Entstehung des Gebetbuches in Saarbrücken. Auf welchem Weg es an Elisa-
beth gelangte, ist unklar.
Der kleine, 120 Blatt starke Band enthält von derselben Hand nach den 7 Tageshoren353
gegliedert Psalmen, andere Gebete und Teile der Meßliturgie (z.B. Gloria, Credo, Kyrie,
Praefatio) in vollem Wortlaut. Auf Vaterunser und Ave Maria sowie die Lesungen wird
jeweils nur hingewiesen354. Der Text ist bis auf wenige lateinische Einsprengsel deutsch.
Auf den letzten Blättern (fol. 116r-l 19 v) folgen von einer anderen Hand Gebete vor und
348 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 1011-1013.
349 Vgl. S.38 Anm. 94.
350 SuUB Hamburg Cod. Theol. 2061.
351 Ein Bezug des Ausstellers, des Bewerbers für die Pfarrstelle und der Pfarrei zu Nassau-Saarbrücken sind
nicht erkennbar. Das Präsentadonsrecht lag beim Ortsherrn (Dorvaux, Nicolas: Les anciens Pouillés du Dio-
cèse de Mefy Nancy 1902, S. 56 u. 103). Der Ort gehörte zum herzoglich lothringischen Amt Berus, das
1444 dem Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken im Zusammenhang mit dem Verkauf seiner Besit-
zungen in der Reichsromania verpfändet worden war (vgl. S.106).
352 Pelt, Jean-Bapdste: Textes extraits principalement des Registres Capitulaires (1210-1790), Metz 1930, S. 401 f.
353 Fol. 115v: Hie hant die syeben ge^yde von vnserm lieben herren godde ein ende.
354 Z.B. Fol. 12r Zeile 1: pater nr. ave maria, auf derselben Seite Zeile 13: die erste lec^e.
109
nach dem Empfang des Sakraments, ebenfalls auf deutsch. Beide Hände schreiben in ei-
ner gut lesbaren Geschäftsschrift. Mitunter ist der Anfang eines Absatzes oder eines Sat-
zes durch eine besonders groß ausgeführte Majuskel hervorgehoben. Es fehlen sowohl
kalligraphische Ausgestaltung als auch Illustrationen, es handelt sich also nicht um eines
der im Spätmittelalter beim Adel beliebten bibliophil gestalteten Stundenbücher. Rand-
bemerkungen, Hervorhebungen oder andere Gebrauchsspuren sind nicht vorhanden.
Leider enthält das Gebetbuch keine Anrufung von Heiligen, so daß wir nicht erfahren,
welche Heiligen Elisabeth als Fürbitter und Nothelfer besonders schätzte. Wolfgang Lie-
pe schreibt, daß unter den in Elisabeths Texten genannten Heiligen sie besonderes Inte-
resse dem Hl. Nikolaus entgegen gebracht zu haben scheine355. Das ist für eine Lothringe-
rin nicht verwunderlich. Neben dem großen Wallfahrtszentrum St. Nicolas-de-Port an der
Meurthe, das auch Jeanne d’Arc vor ihrem Aufbruch ins Loiretal aufgesucht hatte, erfreu-
te sich die Stiftskirche St. Nikolaus in Münster eines regen Besuchs gerade von Pilgern aus
den deutschsprachigen Teilen Lothringens356. Auch die Kapelle in der Stadt Saarbrücken —
nicht in der Burg — hatte ein Nikolaus-Patrozinium357 358. Der „Trostbrief4358 gibt keine Hin-
weise auf von ihr besonders geschätzte Heilige. Die Empfehlung sich an dem Vorbild
Mariens auszurichten, und zwei Verweise auf Petrus und Paulus bleiben im Allgemeinen.
Der Hinweis auf die Hl. Elisabeth dürfte durch ihren Vornamen zu erklären sein.
Die sonstigen Nachrichten über Elisabeths Religiosität entsprechen der Werkgerechtigkeit
des ausgehenden Mittelalters. Bei der Sorge für das eigene Seelenheil und das der Ver-
wandten baute sie ganz im Sinne der Zeit auf Stiftung und Ablaß. Schon drei Jahre nach
ihrer Heirat erwirkte ihr Gatte während seiner Anwesenheit in der Konzilstadt Konstanz
bei Papst Johannes XXIII. für sich und seine junge Gattin die Genehmigung, vor Tages-
anbruch Messe lesen lassen zu können, wenn die Geschäfte es erfordern, und in Gebie-
ten, über die das Interdikt verhängt ist, allerdings hinter verschlossenen Türen und ohne
Glockengeläut. Am selben Tag gewährte der Papst beiden Generalabsolution einmal in ih-
rem Leben und dann noch einmal in ihrer Todesstunde359.
i
355 Liepe (wie Anm. 16) S. 254
356 Marot, Pierre: Saint-Nicolas-de-Port. Pa „Grande église “ et le pèlerinage, Nancy 1963; ders.: Pa basilique des saint
Nicolas en Porraine, Saint-Nicolas-de-Port 1979, zu Münster: Cuny, Franz: Reformation und Gegenreformation
im Bereiche des früheren Archipresbyterates Bockenheim, Metz 1937, Bd. 1, S. 88-91 u. 99-109; allgemein: Mei-
sen, Karl: Nikolaus-Kult und Nikolaus-Brauch im Abendland, Düsseldorf 1938.
357 Ruppersberg, Albert: Geschichte der Graftschaft Saarbrücken, Bd.111 1: Geschichte der Stadt Saarbrücken und St.
Johann bis sqcm Jahre 1815, 2. Aufl., Saarbrücken 1913, S. 49 [Neudruck 1979].
358 Vgl. Anm. 88.
359 Alle drei Privilegien nur als Regest von Andreae überliefert (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 64). Kurz
darauf wurde der Papst in Haft genommen.
110
Im März 1441, mitten in der Zeit der Übergabe der Regierung an ihren Sohn, erhielten
beide - Elisabeth und Johann - vom Prior des Konventes zum Hl. Grab von Jerusalem
Ablaßbriefe360.
Elisabeth stiftete einige Jahrgedächtnisse:
am 29. August 1429 für ihren Gatten, seine (erste) Gemahlin, seine Kinder und El-
tern, zehn Messen und Vigil jeweils in den acht Tagen vor St. Kilian in der Süftskirche
St. Arnual, dazu sind jährlich vier Kerzen von je 1 Pfund zu besorgen,361
am 27. Oktober 1431 für sich, ihre Vorfahren, ihren verstorbenen Ehemann und ihre
Kinder in der Pfarrkirche zu Kirchheim. Die Stiftungsurkunde setzt die Zahl der ze-
lebrierenden Priester auf sechs fest und enthält ausführliche Bestimmungen über Zahl
der Kerzen und ihre Aufstellung362.
Die Städte Saarbrücken und St. Johann waren im Mittelalter keine selbständigen Pfarreien,
sondern Filialen von St. Arnual. In beiden Städten gab es zwar je eine Kirche, dazu in der
Burg eine Kapelle, aber da sie zum Pfarrsprengel von St. Arnual gehörten, residierte der
zuständige „Kirchherr“ dort und ließ die mit seiner Pfründe verbundenen Pflichten von
Hilfsgeistlichen wahrnehmen363. Seit im späten 14. Jahrhundert mit dem St. Jakobs-Altar
der Burg eine eigene Kaplaneipfründe verbunden war, dürfte sich die geistliche Begleitung
der gräflichen Familie und des Burggesindes verbessert haben364. Elisabeth erwirkte beim
Metzer Bischof 1449 die Erlaubnis, in ihrer Privatkapelle an einer geweihten Marmorplat-
te oder einem Tragaltar Messe lesen zu lassen365. Schon fünfzehn Jahre früher war ihren
Söhnen Philipp und Johann der Gebrauch eines Tragaltars in der Kapelle zu Ottweiler
gestattet worden366. Da die beiden damals (1434) sechzehn bzw. elf Jahre alt waren, dürfte
die Initiative zur Erlangung dieser Vergünstigung von ihrer Mutter ausgegangen sein.
Gemeinsam mit ihrem Sohn leitete sie in ihren letzten Lebensjahren eine bessere seelsor-
gerliche Versorgung der Bewohner beider Städte ein durch die Stiftung von Frühmessen
360 Für Elisabeth (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1501), Ablaßbrief von demselben Tag für Johann (ebd. Nr.
1550).
361 Ebd. Nr. 1469.
362 HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 17 fol. 334r-335r. Ein Jahrgedächtnis in der Stiftskirche St. Nikolaus
in Commercy (vgl. Quittung von Dekan und Kapitel vom 01.08.1428 über eine jahrgülte von 5 jrancs et 4
gros.. .pour certaines servises que nous faisons chascun an en nostre dicte esglise pour nostre trescheire dämme dämme de
Nassomn, IA SB Best. N-Sbr.II Nr. 152) betraf nicht Elisabeth, sondern ihre Schwiegermutter Johanna
von Nassau (ebd. Nr. 6511). Im Mai 1438 ein Jahrgedächtnis für ihren Gatten, sich selbst, ihre Söhne
Philipp und Johann und alle Altvorderen im Konvent Rothenkirchen (LA Speyer Best. Kloster Rothenkir-
chen, D39, Nr. 5)
363 Über die Unzufriedenheit der Bürger von Saarbrücken und St. Johann mit ihrer geistlichen Versorgung
vgl. Herrmann (wie Anm. 139), S. 271-276.
364 Wie Anm. 391.
365 ut in fortelicio sive Castro vestro de Saraponte in oratorio privato aut alio loco decenti super marmor benedictum seu altaro
portabile missam seu missas...perpresbyterum (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1535).
366 Ausgestellt von dem Kardinallegaten Julian am 20.04.1434 in Basel (ebd. Nr. 1757).
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in Saarbrücken und St. Johann367. Die beiden inhaltlich ähnlichen Urkunden von 1452 und
1455368 wiesen das Patronatsrecht wiederum dem Stift St. Arnual zu, verpflichteten dieses
aber, daß mindestens ein Priester persönlich auch nachts in den Städten anwesend und
damit jederzeit für Kasualien erreichbar sein sollte.
In ihrem Testament setzte sie dem Stift St. Arnual einen Betrag von 200 fl. aus, um auf
ewige Zeiten jährlich 52 Wochenmessen und 4 Vigilien an dem Fronaltar in der Stiftskir-
che für sie, ihren Gatten und ihre Kinder zu lesen, im ersten Jahresviertel von der Hl.
Dreifaltigkeit, im 2. Viertel von dem heiligen Geist, im 3. Viertel von Unserer Lieben Frau
und im 4. Viertel für die armen Seelen. Mit Geleucht, Ornamenten und anderen Sachen
sollte es so gehalten werden, wie es der Herrschaft gebührt369.
Wenige Wochen nach ihrem Tod stiftete ihr Sohn eine Wochenmesse für die Mutter370.
Ihr Sohn Philipp hatte schon im Spätjahr 1455 etliche Messen in der Stiftskirche in Weil-
burg für sich selbst und seine Gemahlin Margarethe von Heinsberg sowie für seine Eltern
Graf Philipp I. und Elisabeth von Lothringen-Vaudemont gestiftet371.
Elisabeth wurde als erstes Mitglied der landesherrlichen Familie in der St. Arnualer Stifts-
kirche beigesetzt. Während seit dem 12. Jh. die Grafen von Saarbrücken ihre Grablege in
der Kirche des Prämonstratenserstifts Wadgassen gehabt hatten und noch Graf Johann II.
von Saarbrücken-Commercy (fl 381) testamentarisch festgelegt hatte, in der Stiftskirche
St. Nikolaus in Commercy oder in Wadgassen bestattet zu werden, je nach dem, ob er in
welschen oder deutschen Landen sterben würde, begründete sie eine neue Familientradi-
tion, die fast rund zwei Jahrhunderte beibehalten wurde372. Es ist nicht bekannt, ob sie
selbst oder ihr Sohn für Grab und Tumba den exponierten Platz vor dem Hochaltar wähl-
te373. Jedenfalls erhielt sie damit eine Ruhestätte, die ihrem sozialen und politischen Rang
entsprach.
7. Kulturelle Interessen und literarisches Schaffen
Erste Kontakte mit dem kulturellen Leben ihrer Zeit sind schon aus Elisabeths Kindheit
bekannt. Sie dürfte etwa zehn Jahre alt gewesen sein, als sich ihre Mutter mit der Uberset-
367 Am 02.11.1452 (ebd. Nr. 1469).
368 Am 31.05.1455 (ebd. Nr. 848).
369 Ihr Testament konnte bisher noch nicht aufgefunden werden. Revers des Dekans und Kapitels vom
09.03.1461 (LA SB Dep.St.Arnual Bd. 2, S. 163 ff.).
370 HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 17 fol. 311-312.
371 Die Stiftungsurkunde konnte ich bisher nicht auffinden, wohl aber einen Revers des Dekans des Stiftes
Weilburg am 04.12.1455 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 II Nr. 246).
372 Herrmann, Hans-Walter: „Zur Geschichte des Stifts St. Arnual“, in: Herrmann, Hans-Walter (Hg.): Die
Stifiskirche St. Arnual in Saarbrücken, Köln 1998 (= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchenge-
schichte Bd. 130), S. 591-698, hier S. 655-662.
373 Zum Grabmal vgl. den Aufsatz von Christoph Trepesch in diesem Band S. 625-658.
112
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Abb. 18: Kolophon des Druckes ,Ein schöne warhaftige Hystory von Keiser Karolus sun genant
Loher} Druck, Straßburg 1514 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 298
Hist 2°) mit Hinweis auf die Übertragung von einer lateinischen Vorlage ins
Französische durch Margarethe von Joinville, verehelichte Vaudemont, Eli-
sabeths Mutter, und vom Französischen ins Deutsche durch Elisabeth. Die
Jahresangabe in den beiden letzten Zeilen MCCCC.V1Iist falsch.
zung des Loher-und Malier-Stoffs vom Lateinischen ins Französische befaßt haben soll374.
Aus mütterlichem Besitz stammte wohl auch die Loher-Maller-Übersetzung, von der
noch ein Fragment im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden erhalten blieb375. Der Übergang wei-
terer Texte, sowohl der später von ihr bearbeiteten, als auch anderer Handschriften auf
demselben Weg ist möglich, aber nicht nachgewiesen. Über die Herkunft des Buchbe-
standes, den sie ihrer Tochter Margarethe vererbte376, ist ebenso wenig bekannt wie über
kulturelle Interessen der jungen Ehefrau und Mutter. Karl Rüg vermutet, daß die „junge
Gräfin bei ihrer Ankunft in Saarbrücken die deutsche Sprache nicht erst hat lernen müs-
374 So am Schluß der ,Loher-und-Maller£-Handschriften [vgl. von Bloh, Ute (Hg.): Loher und Maller. Übertra-
gen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg Staats- und Universitätsbibliothek Cod.
11 und 11a in scrinio, Farbmikrofiche-Edition, München 1995, S. 16 f.], vgl. dazu Liepe (wie Anm. 16) S.
170ff.
375 Molk, Ulrich: „Lohier et Malart. Fragment eines verschollenen französischen Heldenepos“, in: Nachrich-
ten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philologisch-historische Klasse 1988, Nr. 5 S. 135-164, vgl. auch
den Beitrag von Ute von Bloh/Kurt Gärtner/Michael Heintze in diesem Band mit weiterer Lit.
376 Schenk von Schweinsberg (wie Anm. 88).
113
sen, sondern sie schon in der Jugend gehört und gesprochen hat“377. Seiner Meinung kann
ich mich nicht anschließen; denn es sind bisher keine Quellen über Kenntnis der deut-
schen Sprache im Hause Vaudemont bekannt geworden378. Umgekehrt hatte auch ihr Gat-
te trotz seiner Beziehung zum frankophonen Gebiet nach eigenen Angaben Defizite in
der Kenntnis des Französischen379 380.
Erst aus der Zeit ihrer Regentschaft liegt wieder eine Nachricht über den Besuch eines
Passionsspiel in Metz im Jahre 1437 vor, zusammen mit dem Bischof von Metz, dem Abt
von Gorze, ihrem Bruder Anton und plusieurs aultres seigneurs et dämme^ d'Allem aigne™. Be-
dauerlicherweise nennt der Chronist keine weiteren Namen: gerade die deutschsprachigen
Besucher, die demselben soziokulturellen Milieu wie Elisabeth angehört haben dürften,
würden interessieren, z.B. Mitglieder der Familie Dhaun-Oberstein. „Geschäftliche“ nicht
kulturelle Verbindungen Elisabeths zu Ennichin von Dhaun, Frau zu Rollingen, und zu Else
von Dhaun, Witfrau zu Kriechingen, sind bekannt381.
Einen kleinen Hinweis über ihre Kontakte zu einem Vertreter der bildenden Kunst ent-
hält die Bucherbacher Rechnung von 1450. Sie und ihr Sohn wiesen eine Kornlieferung
an für den Maler Jost in Saarbrücken, von dem erst in neuerer Zeit einige qualitätvolle Ta-
felgemälde bekannt geworden sind und der Wandmalereien ausführte in der Karmeliter-
kirche in Metz, eventuell auch in der Martinskirche in Kölln im Köllertal382.
37~ Rüg (wie Anm. 301), S. 32.
378 Es sind keine deutschsprachigen Urkunden der Grafen von Vaudémont bekannt. Vgl. Herrmann, Hans-
Walter: „Volkssprache und Verwaltung in Oberlothringen im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit“,
in: Gärtner, Kurt / Holtus, Günter (Hgg.): Beiträge %um Sprachkontakt und yu den Urkundensprachen ^wischen
Maas und Rhein (Trierer Historische Forschungen Bd. 29) Trier 1995, S. 129-172.
379 Als in den Streitigkeiten zwischen dem Herzog von Lothringen und der Stadt Metz um Johann von Ha-
racourt eine Tagleistung vor Elisabeths Gatten in Saarbrücken vorgesehen wurde, schrieb er im Mai
1422 an Metz:...und byden uch, da% ir uch dar yu richten wollet, day ir umr Sachen dann in dutschen ereilet und verde-
dinget, wann wir day welsche nit wol virstan und is auch unser frunde nit also enkonnent day wir die sache in welschen
vßgerichten mögen (AM Metz A A 25 Nr. 88).
380 Philipp von Vigneulles (wie Anm. 119) S. 245. Bei anderen Spielen nennt er die Zuschauer nicht nament-
lich: 01.08.1425 Martyrium des Hl. Viktor (ebd., S. 183), 16.-18.06.1435 Aufführung eines Katharinenle-
bens (ebd. S. 236), 17.09.1437 le jeu de la vangeance Nostre Seigneur Jhe'su Christ {— Spiel von der Zerstörung
Jerusalems durch Vespasian und Titus (ebd. S. 246), 01./02.09.1438 Martyrium des Erasmus (ebd. S.
252).
381 Im Jahre 1436 lieh Elisabeth der Else von Dhaun 400 alte rh.fl. und empfing von ihr fünf Jahre später
ein Viertel der Burg Püttlingen im Köllertal (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2268 S. 3-4 u. 5198 fol. 1-6).
Ännchen von Dhaun und ihre Schwägerin Ännchen von Castel schreiben 1437 an Elisabeth wegen der
in Rollingen gängigen Münze (ebd. Nr. 3101 fol. 11).
382 Jost dem maler von geheiß mynergnedigen frauwen und auch myns gnedigen junghem 2 maider kom (ebd. Nr. 3033 S.
72), Klein, Hanns: „Der Maler Jost von Saarbrücken und die mittelalterlichen Fresken in der Köllner St.
Martinskirche“, in: Eder-Stein/Jacoby/Stein/Ulbrich (wie Anm. 182) S. 175-184, hier S. 179, vgl. auch
Sterling, Charles: „Jost Haller, Peintre à Strasbourg et à Sarrebruck au milieu du XVe siècle“, in: Bulletin
de la Société Schongauer à Colmar 1979/82, Colmar 1983, S. 53-89.
114
Die ihr zugeschriebene Übertragung von Chansons de geste in spätmittelhochdeutsche
Prosa wird in die Zeit ihrer Regentschaft gesetzt.
Ähnlich wie bei der Verwaltungskorrespondenz stellt sich die Frage nach dem persönli-
chen Anteil Elisabeths an der Übertragung der französischen Chansons des Gestes in
spätmittelhochdeutsche Prosa. Reinhard Hahn äußerte sich 1990, daß die Autorschaft der
Saarbrücker Gräfin bei näherem Zusehen nicht über jeden Zweifel erhaben sei383. Karl
Heinz Spieß verfolgte diesen Gedanken weiter und spricht sich nicht nur gegen eine ei-
genhändige Niederschrift der Übertragungen aus, sondern formuliert: „Vermutlich hat
Elisabeth die Übersetzung der Chansons de geste einem zweisprachigen Sekretär aus ihrer
Umgebung übertragen und vielleicht die eine oder andere mündliche Hilfestellung gege-
ben.“384 Er stützt sich dabei auf eine Stelle im Konzept ihres Schreibens an René von An-
jou vom 4. Juni 1432, worin sie die nicht umgehende Beantwortung seines Briefes damit
entschuldigt, daß ihre Amtleute und Räte und diejenigen, die soliche briejje %u dutschem ver-
stentnisse brengen möchten, jetzt nicht bei ihr seien385. Hinsichtlich der Verneinung einer ei-
genhändigen Niederschrift stimme ich mit Spieß überein. Die von ihm herangezogene
Schriftstelle möchte ich nicht so schwer gewichten wie er, zumal es eine ähnliche Aussage
über Defizite an französischen Sprachkenntnissen am Saarbrücker Hofe gibt. Den Ent-
wurf eines Schreibens an König Karl VII. von Frankreich ließ Elisabeth im März 1441 zu-
nächst dem Bellis von Vitry zusenden mit der Bitte, ihre Entgegnung auf die französi-
schen Ansprüche in die rechte Form zu bringen „denn wir sind in Deutschland und ha-
ben keine Leute mit Kenntnis von Stil, Gebräuchen und Sprache Frankreichs, um mit
Ehrerbietung und Demut, wie sie seiner königlichen Majestät zukommt“386 387, zu antworten.
Als im Jahre 1444 Elisabeth und ihr Sohn Johann König René baten, bei König Karl VII.
von Frankreich für die Sicherheit ihrer Lande vorstellig zu werden, begründeten sie ihren
Entschluß einer nassau-saarbrückischen Gesandtschaft unmittelbar an den französischen
König mit den Worten: So haben wir auch in dieser %yt nymandt darin schicken gehabt der es mit der
frant^oisen spräche ußgerichten kondeiS7, m.a.W., am Saarbrücker Hof sei niemand, der die fran-
383 Hahn, Reinhard: Ion französischer Zungen in teütsch. Das literarische Lieben am Innsbrucker Hof des späteren 15.
Jahrhunderts und der Prosaroman ,Pontus und Sidonia\ Frankfurt/Main und Bern 1990, S. 76.
384 Spieß, Karl-Heinz: „Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“, in: Kasten, Ing-
rid/Paravicini, Werner (Hgg.): Kultureller Austausch und I Jteraturgeschichte im MittelalterITransferts culturels et
Histoire littéraire au Moyen Age (= Beiheft der Francia 43), Sigmaringen 1998, S. 97-100.
385 Varsberg-Korrespondenz, Nr. 41.
386 car nous sommes en Allemengne et n'avons nulle gens, stile ne sonde% des usaiges et langaiges de Trance pour faire no(st)re
responce portant honneur et humilitey au Roy Monseigneur comme a sa royale mageste appartient (Brief vom
18.03.1441 LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 35). Ein ähnliches Schreiben richtete Graf Johann am
23.12.1454 an Thierry von Lunécourt, Bellis in Vitry:....wil ich dem konige gerne dar umb schriben und ist dar
umb in dem besten myne meynonge, da^ ir mir in ernstlicher forderungs wise einen briejf schriben duhent, als ir mich des-
halb betedingen wollet und mir mit schickent eynen entwerff nach der besten forme, als sich dem konige %u schriben gebürt,
wie ir wollet da% ich dem konige schribe, so wil ich den briejf ußrichten und uch schicken dun, dem konige den vort %P%ufu-
gen (Konzept, ebd. Nr. 1552).
387 Instruktion (wie Anm. 276).
115
zösische Sprache in einem solchen Maße beherrsche, um im Vortrag und anschließendem
Dialog die nassau-saarbrückischen Interessen plausibel vorzubringen.
Wenn Karl Heinz Spieß Elisabeths Autorenschaft wegen mangelnder Sprachkenntnisse
als Autorin anzweifelt, dann ist nach Personen in ihrem Umkreis zu fragen, die das not-
wendige sprachliche Rüstzeug besessen haben könnten. Dabei ist an den Kreis ihrer Räte
und Amtleute und an Kleriker denken.
Einige ihrer langjährigen Mitarbeiter verfügten über französische Sprachkenntnisse, die sie
sich teilweise in den welschen Landen erworben hatten, die aber bei delikaten Verhand-
lungen mit frankophonen Partnern nicht ausreichten, wie das obige Zitat vermuten läßt.
Dazu zähle ich Johann Fust von Diebach, Hans von Rittenhofen, Michel und Lambrecht
von Castel, Hannemann von Saarbrücken, Philipp von Nassau, Hans von Schaumberg.
Alle mit Ausnahme Philipps von Nassau hatten zeitweise Verwaltungsaufgaben en roman
pays wahrgenommen und bekleideten Ämter, aus deren Ausübung sich gerade bei den hie-
sigen kleinräumigen Verhältnissen ein engerer Konnex mit der Regentin ergab.
Neben dem mit politischen und administrativen Aufgaben befaßten Personenkreis gab es
in Saarbrücken noch eine kleine Behörde der freiwilligen Gerichtsbarkeit, deren Mitglie-
der sich als huder des probsteisigels titulierten, vertraut mit Schriftlichkeit waren sie in jedem
Fall, inwieweit auch mit der französischen Sprache, ist nicht bekannt388.
Bei in Betracht kommenden Klerikern denke ich weniger an Mitglieder des St. Arnualer
Stiftskapitels389, als an Kapläne, deren bücherschreibende Tätigkeit Karl Heinz Spieß für
andere Höfe belegen kann390. Nachdem die Saarbrücker Burgkapelle schon 1227 der
Deutschordenskommende geschenkt und seitdem von dort aus kirchlich versorgt worden
war, hatte Graf Johann II. von Saarbrücken-Commercy eine Kaplaneipfründe an dem von
ihm gestifteten Liebfrauen- und Jakobsaltar gestiftet und dem gräflichen Haus das Präsen-
tationsrecht innerhalb der ersten vierzig Tage nach Vakantwerden Vorbehalten. Damit
hatte die gräfliche Familie die Möglichkeit, diese Pfründe einem Kleriker ihrer Wahl zu-
kommen zu lassen. 1364 hatte derselbe Graf Rechte und Pflichten des Inhabers dieser
Kaplaneipfründe ausführlich beschrieben und festgelegt. Aus der dem Kaplan zugestan-
denen Tischgemeinschaft konnte sich ein enger Konnex zur gräflichen Familie ergeben391.
388 Eine relativ große Anzahl ausgefertigter Urkunden seit dem ausgehenden 14. Jh. wird im LA Saarbrü-
cken Best. N-Sbr. 11 verwahrt. Untersuchungen zur Bestimmung des Personals (Schreiber etc.) sind noch
nicht erfolgt.
389 Der einzige Hinweis auf Buchbesitz eines Stiftsherrn ist ein Besitzervermerk ([Pertinet magistro Johanni Run-
gen de Herbet^heym canonico ecclesie Sancti Amualis) in einer Handschrift (15. Jh.) mit Werken des Marsilius
Ficinus in der Stadtbibliothek Zürich Cod. Zürich C 122 fol. 48v (frdl. Hinweis von Wolfgang
Haubrichs). Schon aus den Lebenszeiten des Ficinus (* 1433 \ 1499) ergibt sich, daß der Bücherbesitzer
aus dem St. Arnualer Kapitel nicht der Generation Elisabeths angehört haben kann.
390 Spieß (wie Anm. 384), S. 95.
391 Urk. von 1364 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 6260, gedruckt bei Kremer, Johann Martin: Genealogische Ge-
schichte des alten ardennischen Geschlechtes, insbesondere des gu demselben gehörigen Hauses der ehemaligen Grafen
Saarbrücken, Frankfurt-Leipzig 1785, Bd. 2 Nr. 228, S. 504-507). Die entsprechende Stelle lautet: Volumus
insuper pro nobis nostrisque successoribus perpetuo tenore presentium ordinantes, quod ex nunc in antea quandocumque et
116
Leider sind aus Elisabeths Zeit die Burgkapläne nicht namentlich bekannt. Erst nach ih-
rem Tod erfahren wir einen Namen, sogar von einem literarisch interessierten Kaplan.
Am 23. November 1466 bat Adelheid von Sierck, Gräfin zu Leiningen, den Grafen Jo-
hann, auf seinen Kaplan Bruder Lienhart einzuwirken, ihr ein Buch, das sie ihm geliehen
hatte und dessen Rückgabe sie angemahnt habe, nun endlich zurückzugeben392. Übrigens
erscheint ein Kaplan von Bolchen auch im Ausleiheverzeichnis der Margarethe von Ro-
demachern393.
Gegenüber Hahn und Spieß möchte ich doch Elisabeth einen erheblichen Anteil an der
Übertragung der Chansons de Geste zugestehen. Ich stimme mit ihnen überein, daß sie
die Texte nicht selbst geschrieben hat. Ihre wenigen überlieferten Unterschriften (Abb. 15
— 17) zeigen keinen sehr flüssigen Duktus. Ich räume ein, daß Elisabeth auch nach rund
zwanzigjährigem Aufenthalt in germanophoner Umgebung bei ihren Übersetzungen hin
und wieder einen native-speaker konsultierte oder gar konsultieren mußte. Für das Ge-
samtwerk halte ich aufgrund meiner Untersuchung ihrer Regierungstätigkeit an der Autor-
schaft fest, die bisher vorgetragenen gegenteiligen Argumente überzeugen mich nicht,
auch nicht die Briefpassagen über sprachliche Defizite. Einmal sind sie interpretierbar als
Stilmittel einer Verzögerungstaktik: Um mehr Zeit zur Beratung und Antwort zu gewin-
nen, werden Sprachschwierigkeiten vorgeschützt und man schickt zu wichtigen Verhand-
lungen einen Beauftragten, weil man dadurch sich selbst die Möglichkeit der Annahme
oder Ablehnung seiner Vereinbarungen offen hält. Zum anderen weisen sie nicht pau-
schal auf mangelnde Kenntnis der Sprache hin, sondern nur in zwei Teilbereichen, dem
sehr sensiblen des Protokolls und der exakten rechtlichen Interpretation. Schon im Sinne
der captatio benevolentiae des Empfängers war es notwendig, dem französischen König ein
formgerechtes Schreiben zuzuleiten. Zu dessen Abfassung hatte man in Saarbrücken kei-
ne Erfahrung; denn die Notwendigkeit, sich an Kaiser oder König zu wenden, ergab sich
höchst selten.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß am Ende des ,Loher und Maller' Elisabeth als
Übersetzerin genannt wird394. Gerade diesem letzten Argument messe ich umso höhere
quotienscumque nos vel successor noster comes Sarapontensis aut nostre conthorales seu uxores in loco Sarapontensi presentes
extiterimus et domicilium nostrum tenuerimus, quod idem capellanus dicte capellaniae qui pro tempore fuent mensam et vic-
tum continue habeat in dicta domo nostra in augmentum porcionis sue.
392 Eienhart habe sich herausgeredet, daß Graf Johann es in Händen habe. Am 13.12. antwortet Johann, es
könne sehr wohl sein, daß Bruder Lenbard ihm das Buch geliehen und er es verlegt habe. Wenn er es fin-
de, werde er es ihr schicken (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2320 S. 231 u. 239). Adelheid von Sierck, er-
wähnt zwischen 1451 und 1508, war die Tochter Arnolds von Sierck (J1443), der in Saarbrücken ein
Burghaus besessen hatte, und der Eva, Tochter des Rheingrafen Johann. Adelheid war vermählt mit
Graf Hannemann von Leiningen, Teilhaber an der Herrschaft Forbach, erwähnt zwischen 1453 und
1494 (Möller, Walter: Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter, Darmstadt 1922, S. 269 f. u. Tafel 121 ).
393 Vgl. das Bücherverzeichnis Margarethes bei Schenk von Schweinsberg (wie Anm. 88).
394 ...ist diß buch ouch vurbaß von welsch %u dutsch gemacht durch die wolgebome frowe Elisabeth die es durch sich selbs also
bedutschet hat als es hie vor an beschrieben stat... 1437. Des bittent erst wir vor die frowe, got welle ir woltat meren, dann
bittent ouch vor den schnber (wie Anm. 374). Vgl. auch das Kollophon des Druckes von 1514 (Abb. 18).
117
Bedeutung bei, weil die Entstehung der Handschrift, die mit diesem Kolophon endet, von
mir anhand heraldischer Kriterien auf 1455/56 datiert werden konnte395, also in die letzten
Lebensmonate Elisabeths oder kurz danach.
Über Kontakte und Verbindungen Elisabeths zu literarisch produktiv oder rezeptiv täti-
gen Frauen und Männern ihrer Zeit sind seit Liepe immer wieder Vermutungen geäußert
worden. In ihrer Korrespondenz396 fand sich kein Hinweis auf ihre literarischen Interessen
oder ihre Übersetzungstätigkeit. Dies erklärt sich meiner Ansicht am ehesten damit, daß
solche Schreiben von den nassau-saarbrückischen Archivaren als nicht aufhebenswert,
weil ohne Belang für die Wahrung landesherrlicher Rechte, erachtet wurden. Es wurde
bisher auch kein Brief bekannt an literaturfördernde Höfe, die mitunter in Verbindung
mit Elisabeth gebracht werden, wie der Kurpfälzer Hof in Heidelberg, dem der Mechthild
von der Pfalz in Rottenburg am Neckar und des Charles d‘Orléans in Blois. 397 Zu wenig
wurden bisher die Lebensläufe sorgfältig zueinander in Beziehung gesetzt. So wurde mei-
ner Ansicht nach kaum bedacht, daß Charles d‘Orléans von 1415 bis 1440 von den Eng-
ländern gefangen gehalten wurde. Verbindungen Elisabeths zu ihm wurden deshalb für
möglich gehalten, weil im Zusammenhang mit seinen Werken drei Rondeaux von Elisa-
beths Bruder Anton „im pretiös allegorischen Stil der Zeit ohne sonderliche Qualität“ ü-
berliefert sind398. Ihre Entstehungszeit, von Raynaud noch vor 1415 datiert,399 hat schon
Liepe infrage gestellt und eher eine Verbindung Antons von Vaudémont zu Charles von
Orléans nach 1440 angenommen. Ihm ist beizupflichten, denn „vor 1415“ war Anton
kaum dem Kindesalter entwachsen400.
Im Briefwechsel Elisabeths mit Anton klingen ebensowenig gemeinsame literarische Inte-
ressen an wie in ihrer Korrespondenz mit René von Anjou. Die Phase von Renés eigenem
belletristischen Schaffen liegt erst in seiner 1454 geschlossenen Zweitehe mit Jeanne La-
valle401. Vorher war er stärker mit der Verfechtung seiner Erbansprüche befaßt. In den
395 Vgl. S. 120f.
396 Vgl. die Auflistung der Briefe Elisabeths in Anhang.
397 Vitale-Brovarone, Alessandro: Artikel „Charles d’Orléans“, in: LexMA Bd. 2, Sp. 1728-1730.
398 Liepe (wie Anm. 16) S. 18.
399 Raynaud: Rondeaux et autres poésies du Xve siècle, Paris 1899, S. XVIII.
400 Anton stand bis zum Tode seiner Mutter (1417) unter deren Vormundschaft (vgl. S. 43), müßte also je
nach Ansatz der Volljährigkeit bei Erreichen des 15. oder 18. Lebensjahres zwischen 1399 und 1402 ge-
boren sein und wäre dann vor der Gefangennahme Charles d‘ Orléans höchstens 13 oder 16 Jahre alt
gewesen.
401 Zu René vgl. Coulet, N.: Le roi René - le prince, le mécène, l’écrivain, le mythe, Aix-en-Provence 1982; Robin,
Françoise: La cour dAnjou-Provence. La vie artistique sous le règne de René, Paris 1985 mit umfangreicher Bi-
bliographie. Wegen ihres Materialreichtums ist die alte zweibändige Arbeit von A. Lecoy de la Marche:
Le roi René, sa vie, son administration, ses travaux artistiques et littéraires d’après les documents inédits des archives de
France et d'Italie, Paris 1875, immer noch heranzuziehen. René beschäftigte sich zunächst mit der Tur-
nierkunst, Hauptwerk ist der in den späten 1440er Jahren entstandene Manuel du parfait organisateur de tour-
nois. Am Anfang seiner Dichtkunst stehen das bukolische Liebesgedicht Régnault et Jeanneton 1454/55 und
das wenig jüngere Mortifiement de vaine Plaisance, ein Dialog zwischen allegorischen Figuren. Schon 1457
folgte sein Hauptwerk Le Livre du Cuer dAmours espris, in Prosa, mit eingeschobenen längeren Verspar-
118
1430er Jahren konnte er infolge seiner burgundischen Gefangenschaft längere Zeit nicht
in seinen Landen sein, 1438/42 wandte er sich der Durchsetzung seiner Ansprüche auf
das Königreich Neapel zu, seit 1443 residierte er vornehmlich in seinen Schlössern im An-
jou und in der Provence. Die Verwaltung der Herzogtümer Bar und Lothringen überließ
er anfangs seiner Gattin Isabella, einer Cousine Elisabeths, später dann seinen Söhnen
Ludwig und Johann. Im Herbst 1444 und Frühjahr 1445 hielt er sich längere Zeit in Nan-
cy auf, richtete dort die Hochzeit seiner Tochter Margarethe mit König Heinrich VI. von
England aus und veranstaltete ein großes Turnier. In dieser Zeit wurde er nicht von einem
Mitglied der nassau-saarbrückischen Familie aufgesucht, sondern einer der rete undfrunde
dorthin geschickt, um die Notwendigkeit eines wirksamen Schutzes gegen die damals im
Land liegenden Armagnakenhaufen vorzutragen402. In späteren Jahren dürfte es zu per-
sönlichen Begegnungen Renés mit Elisabeths jüngerem Sohn gekommen sein; denn René
nahm Johann in den 1448 von ihm gestifteten Ordre du Croissant auf. Das Aufnahmedatum
gibt Ruppersberg mit 1455 an403. Die Ordensstatuten sahen vor, daß sich alle Mitglieder
jährlich am Festtag des Ordenspatrons, des Heiligen Mauritius, in der ihm geweihten Ka-
pelle im südlichen Querhaus der Kathedrale von Angers treffen und an den beiden fol-
genden Tagen zum feierlichen Ordenskapitel versammeln sollten404. Es darf angenommen
werden, daß Graf Johann diese Präsenz Verpflichtung nicht gänzlich unbeachtet gelassen
hat, sondern trotz der großen Entfernung zwischen Saarbrücken und Angers manchmal
an dem Kapitel teilgenommen hat und dabei René begegnet ist. Es könnten dabei Ge-
spräche über literarische Interessen oder Anfertigung von illuminierten Handschriften ge-
führt worden sein.
Die Frage nach Elisabeths Intention bei der Übertragung der Chansons de Geste wurde
von der älteren Germanistik pragmatisch beantwortet; eben weil Elisabeth dem franzö-
sischen Sprach- und Kulturbereich entstammte und ihre Mutter schon literarisch tätig
war, habe sie sich damit befaßt. Bernhard Burchert dagegen, weist den vier Epen einen
besonderen Stellenwert bei der Erziehung von Elisabeths jüngerem Sohn Johann zu. Sie
habe mit den Werken den Wandel von ritterlich-traditionellen Wertvorstellungen zu ei-
nem sich an den ökonomischen Gegebenheiten orientierenden realitätsangemessenen
Verhalten dem Sohn veranschaulichen wollen und sich dabei gleichzeitig um eine literari-
sche Selbstverständigung des Adels über die Regierung der frühneuzeitlichen Höfe be-
iden. Es steht in direkter Nachfolge des Roman de la Rose. Dem deutschsprachigen Leser vermittelt einen
ersten Eindruck René d’Anjou: Vorn liebentbrannten Herren, eingeleitet und erläutert von Franz Unterkir-
cher, Graz 1975, bibliophile Ausgabe: König, Eberhard: Das liebentbrannte HerDer Wiener Codex und der
Maler Barthélemy d'Eyck.
402 Instruktion (wie Anm. 276). Graf Johann III. erscheint nicht unter den Teilnehmern der von Christian
de Mérindol: Les fêtes de chevalerie à la cour du roi René. Emblématique, art et histoire (les joutes de Nancy, le Pas de
Saumur et le Pas de Tarascon), Paris 1993, bearbeiteten Turniere,
403 Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 225. Die Mitgliedschaft des Grafen Johann III. wird belegt durch die
Wappendarstellung in der Loher-und-Maller-Handschrift (vgl. Abbildung 19 und Erläuterung in diesem
Band S. 122f).
404 Perrier, E.: Les chevaliers de 1‘ordre du Croissant, Paris 1906, vgl. auch Levron, Jacques: Le bon roi René, Paris
1973, S. 161-170.
119
müht405. Aus Burcherts Sicht befinden sich die Helden in Elisabeths Prosaauflösungen
„genau am Übergang von der auf Körperkraft und Abstammung basierenden feudalen
Gesellschaftsformation und der Institutionalisierung, die den frühneuzeitlichen Hof cha-
rakterisiere.“ Beispielhaft ist für ihn die Entwicklung des Romanhelden Hug Scheppel, der
im Laufe der Zeit seine Körperkraft und seine sexuelle Potenz, seine Tapferkeit und
Schönheit und seine direkten Affektäußerungen zu verbinden lernt mit höfischen und ra-
tional gesteuerten Verhaltensweisen406. Die mir bekannten Quellen reichen nicht aus, um
derartige Veränderungen am Saarbrücker Hof von Philipp zu Elisabeth und Johann zu
belegen. Den Erfolg dieses von Elisabeth realisierten Erziehungsideales kleidet er in die
Worte „Johann entsprach in seinen Regierungsqualitäten dem Leitbild, das den Prosafas-
sungen seiner Mutter immanent ist“ 407 - eine Aussage, die sich vermutlich auf die Anga-
ben Ruppersbergs zu Graf Johann stützt, aber durch eine Untersuchung auf breiter archi-
vaüscher Basis überprüft werden müßte.
Wolfgang Haubrichs faßt den Epenzyklus „als Akt der Ansippung an den französischen
Spitzenahn“, den ersten kapetingischen König Hugo, als Akt der aktualisierenden memo-
ria, des Gedenkens auf. Tatsächlich läßt sich Elisabeths Vorfahrenreihe über Marie von
Blois, Herzogin von Lothringen, und Karl von Valois auf die Kapetingerdynastie zurück-
führen408.
Elisabeths jüngere Kinder Johann und Margarethe nahmen die literarischen Interessen der
Mutter auf. Von Johann wird berichtet, er habe 1437 in St. Denis nördlich von Paris einen
Hugscheppel-Text kopiert - richtiger ist wohl, kopieren lassen - und der Mutter mitge-
bracht409. Später als selbständiger Regent ließ er von ,Loher und Malier', ,Sybille£, ,Hug-
scheppeP und ,Herpin£ großformatige, mit vielen Miniaturen ausgeschmückte Handschrif-
ten anfertigen. Die Forschung setzte bisher ihre Entstehung in die Zeit von 1459 bis
1472. Aufgrund von heraldischen Kriterien läßt sich die Entstehung der ,Loher und Mal-
ler£-Handschrift410 auf 1455/56 eingrenzen. Auf Folio 1 recto linke Spalte oben ist ein
Wappen in eine kalligraphisch gestaltete D-Initiale eingefügt, der vierfeldrige Wappen-
schild zeigt rechts oben und links unten einen rot gekrönten goldenen Löwen in mit gol-
denen Schindeln bestreutem blauen Feld (= Nassau) und links oben und rechts unten ei-
nen gold gekrönten silbernen Löwen in mit goldenen Kleeblattkreuzen bestreutem blau-
em Feld (= Saarbrücken-Commercy). Das Wappen enthält noch nicht den Herzschild mit
den heraldischen Emblemen von Loen-Heinsberg (rechts gekrönter silberner Löwe auf
Rot, links geteilt oben Gold und Rot geschacht, unten zwei goldene Balken in Rot). Un-
405 Burchert (wie Anm. 19), S. 51 ff. u. 145.
406 Ebd., S. 55.
407 Ebd., S. 48.
408 Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs Wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik in
den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht 43
(1991) Heft 4 S. 4-17.
409 Liepe (wie Anm. 16) S. 20, 85, 99f., 104 und 139). Vgl. auch Sauder in diesem Band S. 573.
410 Staats- u. Universitätsbibliothek Hamburg Cod.ll in scrinio.
120
terhalb des Wappenschildes ist ein Schriftband LOZ EN CROISSANT erkennbar, - die
Devise des von König René gestifteten Ordens du Croissant (des zunehmenden Mondes) -
und darunter das Ordensemblem selbst, eine Mondsichel (Abb. 19), Graf Johann wurde
im Jahre 1455 in den Orden aufgenommen411. Das Wappen in der Handschrift entspricht
dem Stand vor Johanns Heirat mit Johanna von Loen-Heinsberg. Unmittelbar nach der
Hochzeit fügte er seinem Stammwappen die heraldischen Embleme der ihm zugefallenen
niederländischen Gebiete hinzu in der Weise, daß er einen Herzschild auflegte. Das sol-
cherart „gemehrte“ Wappen ist noch heute auf seiner Grabtumba in der Stiftskirche St.
Arnual zu sehen (Abb. 20). Somit ergibt sich als Entstehungszeit der Handschrift der
schmale Zeitraum zwischen Johanns Aufnahme in den Orden (1455) und der Hochzeit
mit Johanna von Loen-Heinsberg (vor 20. Dezember 1456). Bei dem hohen Stellenwert
des Wappens für Selbstverständnis und Repräsentation spätmittelalterlicher Dynasten ist
auszuschließen, daß ein Illuminator das veraltete Wappen seines Auftraggebers abbildete.
Die bisherige Datierung der Hamburger Handschrift auf 1470/72 beruhte einmal auf dem
Wasserzeichen des Papiers und zum Anderen auf einer falschen Lesung ihres Anfangs.
Untersuchungen über die in der Saarbrücker „Kanzlei“ bzw. am dortigen Hofe verwende-
ten Papiere anhand der Wasserzeichen liegen bisher nicht vor. Ob mit dieser Methode
überhaupt der Entstehungszeitraum auf wenige Jahre einzuengen ist, halte ich für zwei-
felhaft. Ute von Bloh las die vier senkrecht untereinander angeordneten Majuskelbuchsta-
ben rechts neben der D-Initiale mit Johanns Wappen URACH. Dieser Lesung kann ich
mich nicht anschließen. Frau von Bloh läßt die D-Initiale, die ja dem Wesen einer Initiale
entsprechend den Anlaut eines Wortes darstellt, außer Acht, und verwechselt das nach
rechts hin geschlossene unziale C mit einem A. Ich lese diese Buchstaben unter Einbezie-
hung der D-Initiale als DURCH412. Mit der Ausschaltung des Wortes „URACH“ entfallen
aber alle Überlegungen der Datierung unter Bezugnahme auf die zweite Gemahlin Graf
Johanns II. Elisabeth aus dem Hause Württemberg.
In Anbetracht des von Liepe betonten gleichen Formates, der Übereinstimmung der inne-
ren Anlage und des gleichen Schreibduktus der Hamburger ,Loher und Malleti-
Handschrift mit dem Hamburger ,Hugescheppel / Sibille‘-Band und der Wolfenbütteier
,Herpin‘-Handschrift413 liegt es nahe, auch die Entstehungszeit der drei letztgenannten in
die zweite Hälfte der 1450er Jahre zu setzen, nicht erst 1470/72.
Elisabeths Tochter Margarethe erbte Bücher ihrer Mutter. Da wir den Bücherbesitz Elisa-
beths nur über die Tochter kennen, läßt sich nicht sagen, ob es der gesamte Buchbestand
oder nur ein Teil war. Der relativ frühe Tod des Grafen Johann (am 25. Juli 1472 im Alter
von 49 Jahren) hat sich nachteilig auf die Pflege des Andenkens an Elisabeth in der Fami-
lie ausgewirkt. Seine beiden Töchter aus 1. Ehe wurden 1472 mit Herzog Wilhelm von Jü-
lich bzw. 1478 mit Pfalzgraf Friedrich von Simmern-Sponheim vermählt. Johann Ludwig,
411 Vgl. Anm. 369.
412 So las schon Urtel (wie Anm. 14) S. 3.
413 Liepe (wie Anm. 16) S. 85.
121
Abb. 19: Wappen des Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken in Verbindung mit
einer D-Initiale auf Fob 1 recto der ,Loher und Maller’ — Handschrift,
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Cod. 11 in scrinio. Man be-
achte die Vierfeldrigkeit des Wappenschildes, noch ohne Herzschild.
das einzige Kind aus Johanns zweiter Ehe mit Elisabeth von Württemberg, wurde erst am
20. Oktober 1472 nach dem Tode des Vaters geboren. Nach der baldigen Wiederverheira-
tung der Mutter (1474) mit einem Grafen von Stolberg und ihrer Übersiedlung nach Wer-
nigerode im Harz kam das Kind an den Hof seines Onkels und Vormundes Philipp nach
Weilburg und blieb dort bis zu seinem elften Lebensjahr, dann schloß sich eine die spätere
Regierungstätigkeit vorbereitende Ausbildung an den Universitäten Heidelberg, Tübingen
und Paris, kurz auch am herzoglichen Hofe in Nancy, an414. Die Unterbrechung der Hof-
haltung in Saarbrücken bedingte die Unterbrechung, wenn nicht sogar den Abbruch der
Traditionspflege. Als Johann Ludwig gegen Ende der achtziger Jahre die Regierungsge-
schäfte übernahm, traf er in Saarbrücken niemanden mehr an, der eine lebendige Erinne-
414 Hagelgans (wie Anm. 3) S. 52, Ruppersberg (wie Anm. 9) S. 226-232.
122
Abb. 20: Wappen des Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken, Detail seines
Grabmals in der Stiftskirche St. Arnual, Saarbrücken. Man beachte den
aufgelegten Herzschild mit dem Wappen von Loen-Heinsberg
rung an die Großmutter hatte und ihre Bücher lagen nicht in einer kleinen Saarbrücker
„Schloßbibliothek“, sondern die Tante hatte sie mitgenommen. Über die Anteilnahme des
ältesten Sohnes Philipp an den kulturellen Interessen seiner Mutter wurde bisher ebenso
wenig bekannt, wie Reste eines Briefwechsels zwischen beiden415.
Elisabeth starb am 17. Januar 1456416. Ihr Testament ist bisher nicht aufgefunden worden.
Daß ein solches vorhanden war, ergibt sich aus einem Revers des Stiftskapitels St. Arnu-
al417.
415 Ausweislich der Findbücher des HHStA Wiesbaden wurden Korrespondenzen des Grafen Philipp an
das Großherzogi. Flausarchiv in Luxemburg um 1890 abgegeben. Sie sind dort nicht mehr auffindbar
und werden den Kriegsverlusten zugerechnet.
416 Ihr Todestag findet sich auf der Grabplatte, er wird auch im Tagebuch des Heinrich von Nassau überlie-
fert [Kremer (wie Anm. 4), S. 426] und im Gebetbuch ihrer Tochter Margarete (wie Anm. 88).
123
In der langen Reihe der nassau-saarbrückischen Regenten kann Elisabeth zu den erfolg-
reichen gerechnet werden. In realistischer Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten
ihres Territoriums vollzog sie die Trennung zwischen rechtsrheinischen und linksrheini-
schen Gebietsteilen, befürwortete den Verkauf des nicht ausbaufähigen Besitzes in der
Reichsromania zugunsten einer Stärkung der nassau-saarbrückischen Macht an mittlerer
Saar und Blies. Im Verständnis ihrer Regentschaft als treuhänderischer Bewahrung des
überkommenen Besitzes hatte sie den Verkauf der „welschen Lande“ nicht selbst vollzo-
gen, aber, wohl im Wissen der von ihrem Gatten gehegten Veräußerungsabsichten, ihren
Söhnen zum Abstoßen dieses Außenpostens geraten, dessen Behauptung mehr Aufwand
erforderte als Einkünfte einbrachte. Das Monopol der Nutzung der Regalien behauptete
sie gegenüber den Ambitionen adliger Grundherren. Ihre bevorzugte Hofhaltung in Saar-
brücken und die Errichtung einer hier ansässigen Zentralverwaltung gab der Stadt Saar-
brücken erstmals in der Geschichte den Charakter einer Landeshauptstadt und Residenz-
stadt, der bis heute für die Stadtentwicklung von fundamentaler Bedeutung blieb. Damit
waren Wachstumsimpulse für Handel und Handwerk verbunden, die im einzelnen näher
untersucht werden müßten.
Die lebendige Erinnerung an ihre kulturelle Leistung ging im Hause Nassau-Saarbrücken
anscheinend bald nach dem Tod ihrer Kinder verloren. Außer dem Fragment der franzö-
sischen Vorlage von ,Loher und Malleti konnte bisher keine Spur vom literarischen Werk
der Ahnfrau in den Buchbeständen späterer Generationen der Grafen und Fürsten von
Nassau-Saarbrücken festgestellt werden. Doch sind die Bestände der europäischen Biblio-
theken an Handschriften und frühen Drucken noch nicht so durchforstet, daß jegliche
Hoffnung auf Neufunde aufgegeben werden müßte. Bleiben wir also auf der Spur. 417
417 Vgl. Anm. 369.
124
ANHANG
Das erhaltene nicht-urkundliche Verwaltungsschriftgut der Gräfin
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken.
Hans-Walter Herrmann
Für weitere Untersuchungen über Elisabeths persönlichen Anteil an der Übertragung der
chansons de geste in spätmittelhochdeutsche Prosa und über Entstehungsort und -zeit der
überlieferten Handschriften ihrer Werke erscheint es mir nützlich, Sprache und Schrift der
nassau-saarbrückischen Verwaltung ihrer Zeit zu kennen und mit ihren literarischen Tex-
ten zu vergleichen. Dafür halte ich das nicht-urkundliche Verwaltungschriftgut, also in er-
ster Linie Korrespondenzen, aber auch Schriftstücke des verwaltungsinternen Gebrauchs
(Instruktionen, Aufzeichnungen (Noteln) über bestimmte Vorfälle oder Verhandlungen)
für aussagekräftiger und ergiebiger als die stark formulargebundenen Urkunden.
Der Historiker versteht unter ,Urkunden4 schriftliche, unter Beachtung eines nach Person,
Sache, Ort und Zeit variablen Formulars angefertigte Texte, die Vorgänge rechtlicher Na-
tur, z.B. Käufe, Verkäufe, Belehnungen, Gewährung von Freiheiten und Vorrechten,
Bündnis-, Friedens-, Schutz-, Geleitsverträge, Urteile, Urfehden usw., dokumentieren sol-
len. Urkunden stellen die Hauptmasse des aus dem Früh- und Hochmittelalter überliefer-
ten Verwaltungsschriftguts dar. Im Zuge einer zunehmenden Schriftlichkeit des Ge-
schäftsverkehrs und der Verfügbarkeit von Papier als billigerem Beschreibstoff entstanden
im Spätmittelalter neben der Urkunde in weltlichen und geistlichen Kanzleien in regional
sehr differenzierter Intensität andere Schriftstücke, in denen weder konsütutiv noch de-
klaratorisch Rechtsgeschäfte schriftlich festgehalten („beurkundet44) wurden, sondern die
der Vorbereitung von Rechtsgeschäften, ihrer Durchführung und praktischen Umsetzung
dienten, die Verrechnung von Einkünften und Ausgaben in Geld oder Naturalien betra-
fen oder nur Übermittlung von Aufträgen und Nachrichten enthielten. Ein großer Teil
dieser Schriftstücke wird umgangssprachlich als ,Brief bezeichnet und das Wort im Fol-
genden auch in diesem Sinne verwendet, obwohl das mhd. brif dem heutigen Begriff Ur-
kunde4 entsprach.
Auch die Abfassung eines spätmittelalterlichen nicht-urkundlichen Verwaltungsschreibens
(= Brief) richtete sich nach einem Formular, ließ aber der individuellen Gestaltung, wie es
der Beitrag von Nina Janich in diesem Band zeigt, doch mehr Spielraum als die Urkunde.
Briefe enthalten oft eine breitere Schilderung von Vorfällen und Ereignissen, von Absich-
ten und Plänen, mitunter Motivation des eigenen offensiven oder defensiven Verhaltens
gegenüber den angesprochenen Fakten, Referate voraufgegangener Korrespondenz, auch
Beurteilungen des Korrespondenzpartners oder Dritter. Daher sind Briefe nicht nur eine
treffliche Ergänzung zum oft knappen und trockenen Inhalt von Urkunden, sondern sie
vermitteln gerade wegen ihrer geringeren Formulargebundenheit und ihres themaüsch
breiteren Inhaltes einen größeren und besseren Einblick in Syntax und Vokabular einer
Kanzlei als die Sprache der Quellengattung „Urkunden44.
125
Die Hauptmasse des nicht-urkundlichen Verwaltungsschriftguts aus der Zeit Elisabeths
ist vorwiegend in dem alten nassau-saarbrückischen Archiv überliefert, das heute vor-
nehmlich im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStA) und im Landesarchiv
Saarbrücken (dort als Depositum des Landeshauptarchivs Koblenz) verwahrt wird, aber
zum größeren Teil eingestreut in einen längeren Zeitraum betreffende Sachakten, so daß,
abgesehen von der Varsberg-Korrespondenz, die Elisabeth-Briefe nicht schnell auffindbar
sind. Die Suche nach der Gegenüberlieferung von Elisabeths Korrespondenz in den
Empfängerarchiven konnte nicht systematisch und erschöpfend durchgeführt werden.
Meine Recherchen brachten bisher kein positives Ergebnis. Die ehemalige herzoglich
lothringische Verwaltung hat anscheinend sowohl aus der Provenienz der herzoglichen
Linie als auch der Seitenlinie Vaudémont aus dem Spätmittelalter neben den Urkunden
('Tresor des Chartes) nur das Schriftgut der Finanzverwaltung, also Rechnungen, archiviert,
aber keine Korrespondenzen, Instruktionen und Noteln. Das Archiv der Bischöfe von
Metz (heute größtenteils in den AD Moselle, Metz) ist ohnehin nur schlecht überliefert.
Die Konzepte zu den im Stadtarchiv Metz erhaltenen Ausfertigungen von Elisabeth-Brie-
fen sind im alten nassau-saarbrückischen Archiv nicht auffindbar.
Meine Auflistung umfaßt auch die Elisabeth-Briefe der Varsberg-Korrespondenz, geht
aber über den dort belegten Empfängerkreis hinaus und umfaßt den gesamten Zeitraum
bis zu ihrem Tod.
Vermerkt sind
Datum und Empfänger
Betreff
Datumszeile in buchstabengetreuer Orthographie der Vorlage (mit Ausnahme der
Jahreszahlen)
Heutiger Verwahrort mit Angabe der Signatur, Überlieferungsstufe ( Konzept, Aus-
fertigung, Abschrift, Übersetzung, eventuelle Bearbeitungsvermerke in Orthographie
der Vorlage)
Verweis auf den Druck des betreffenden Schreibens in der in diesem Band ent-
haltenen Edition der Varsberg-Korrespondenz.
1429 Juli 6
an ihren Onkel Herzog Karl von Lothringen
betr. Bitte für sich und ihre Kinder um Beistand und Schutz in ihrem Wittum, ihrer Mor-
gengabe und ihrem Anteil an der Herrschaft Commercy.
mitwochen vor sant Kiliani dage 1429
HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 111, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 1.
1429 September 28
an Graf Johann von Salm
betr. Zwist ihres verstorbenen Gatten mit Robert von Commercy und mit Heinrich Beyer
[von Boppard].
sant michels ahent 29
126
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3044 fol. 42, Konzept, dt.
1431 Januar 21
an Johann von Castel
betr. Aufnahme in die Burgfriedensgemeinschaft Varsberg.
son dag nach Fabiani et Sebastiani 1430 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3112 fol. 7, Konzept oder Abschrift, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 2.
1431 Mai 31
an Kßynhart, Herzog von Bar und Lothringen, Markgraf zu Pont-ä-Mousson, Graf zu Guise
betr. das von dem Empfänger geforderten Öffnungsrecht zu Morley, zu dessen Gewäh-
rung sie keine Verpflichtung anzuerkennen vermag.
Sarbrucken uff Mitnwhen nehste nach dem heiligen Phingesdag 1431
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 I II B 5 Lothringen Nr. 1 fol. 2, kleinere Korrekturen, dt.,
Blatt leicht beschädigt, auf der Rückseite als abeschrift bezeichnet.
[1431 Mai/Juni]
an gnediger liebr here [René, Herzog von Bar-Lothringen]
betr. Öffnungsrecht zu Morley
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 I II B 5 Lothringen Nr. 1 fol. 3, undatiertes Konzept mit
Korrekturen, dt.
1431 Juni 19
an René, Herzog von Bar-Lothringen
betr. Öffnungsrecht in Morley.
donrestag nach sant Viti et Modesti dage 1431
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II B 5 Nr. 1 fol. 4, Konzept mit Korrekturen, dt.
1432 Januar 20
an Anton von Vaudémont
betr. Einnahme von Varsberg durch Johann von Kerpen.
Sarrebruche le XXe jour de januier 1431 (vermutlich Metzer Stil)
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 1, Konzept, frz., besch.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 3.
1432 Januar 26
an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen
betr. Wegnahme der Burg Graffenwarßberg durch Johann von Kerpen.
sammestag nach sant Pauli dage Conversio 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück Nr.l, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 7.
1432 Januar 26
an Anton von Vaudémont
betr. Wegnahme von Grafenwarsberg durch Johann von Kerpen.
%u Sarbrucken uff samßtag nach samt Pauli dage Conversio 1431
127
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 4, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 6.
1432 Februar 7
an Johann von Kerpen
betr. Rückgabe der Burg Graffemvarsberg.
donerstag nach Sant Agathendage 1431 iuxta stilum Metensem.
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 8, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 10.
1432 Februar 8
an Anton von Vaudemont
betr. Varsberg.
Sarrebruche le 1/IIIe Jour de feburier 1431 [Metzer Stil]
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 2, Konzept mit Korrekturen, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 11, vgl. Abb. 21.
1432 Februar 10
an Johann von Kerpen
betr. Varsberg.
sondag nehste nach Sant Agathen dage 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 2a, Abschrift, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr.13.
1432 Februar 11
an Johann von Kerpen
betr. Varsberg.
mandag vor sant Valentim dag 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 2, Abschrift, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 14.
1432 Februar 13
an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen
betr. Varsberg.
uff mittwochen vor St. Valentinusdage 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück Nr. 3, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 16.
1432 Februar 25
an Johann von Kerpen
betr. mit Hans von Rittenhofen entworfener Vergleich über Varsberg.
mondag nehste na sant Peters dage ad kathedram 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 5, Konzept, dt., der Entwurf des
Vergleichs ebenda Rotel 9 Stück 4.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 19.
128
1432 März 1
an Johann von Kerpen
betr. Vergleich.
samsdage vor dem sondage Esto michi 1431 iuxta stilum Metensem.
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 6, Abschrift, dt., Zusatz unter der
Empfängeranschrift vnd sal nymans disen brieff vffbrechen dann der (=Johann von Kerpen) selbs.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 20.
1432 März 4
an Johann von Kerpen
betr. Vergleich.
vff dinstag nach dem sondage Esto michi 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 7, Abschrift, dt., gleicher Zusatz un-
ter der Empfängeranschrift wie bei 1432 III/1.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 21, vgl Abb. 22.
1432 März 7
an Johann von Kerpen,
betr. Rückgabe von Varsberg.
fritag %u morgen vor dem sondage lnuocauit 1431 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 9, Abschrift, dt., gleicher Zusatz un-
ter der Empfängeranschrift wie bei 1432 III/1.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 23, vgl. Abb. 22.
1432 März 29
an Johann von Kerpen
betr. Rückgabe von Varsberg.
samsdag vor dem sondage Eetare 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 9 (Rotel 1) Stück 11, Konzept mit kleinen Kor-
rekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 25.
1432 April 19
an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen
betr. Varsberg.
uff den heiligen Oster abent 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 6, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 27.
1432 April 19
an Anton von Vaudemont
betr. Varsberg.
Sarrebruche le xix jour dauril 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 4, Abschrift, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 28.
129
1432 April 25
an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen
betr. Treffen mit Bruder Anton in Vezelise wegen Varsberg.
fridag vor dem sondagQuasimodo geniti 32
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 7, Konzept, mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 30.
[1432] Mai 6
an Anton von Vaudémont
betr. ihre Ankunft in Mörchingen.
escript au dit lieu de Morehange le I le jour de may
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 7, Konzept mit Korrekturen, franz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 33.
1432 Mai 6
an Elisabeth [Herzogin von Lothringen und] Bar
betr. Geleit von Vic nach Pulligny.
gu Mörchingen des vi dages des meyes 32
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 9, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 34, vgl. Abb. 23.
1432 Mai 16
an Anton von Vaudémont
betr. Erwartung des Treffens mit Empfänger.
Vezelise le Xl'l jour de may 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 9, Konzept mit Korrekturen, frz.,
vgl. Abb. 24.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 37.
[1432] Mai 19
an Anton von Vaudémont
betr. Bedenken gegen die von ihm angeregte Reise nach Morley.
Vezelise le lundy XIXe jour de may
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 11, Konzept mit Korrekturen, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 39.
1432Juni 4
an René, Herzog von Bar-Lothringen
betr. Aufschub der Beantwortung seines Schreibens.
mittwochen vor dem heiligen Phingestdage 32
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 12, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 4L
1432 Juni 17
an René, Herzog von Bar [-Lothringen]
betr. Wegnahme von Varsberg und Reise nach Vézelise und Nancy.
130
Kiercheim uff dinstag nach der heiligen drivaltickeitdage 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 13, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 42.
1432 August 24
an Johann Herrn zu Crichingen
betr. Schreiben an ihre mume [Herzogin Elisabeth von Bar und Lothringen] wegen Vars-
berg.
sant Bartholomeus dag 32
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 13, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 44, vgl. Abb. 25.
1432 September 15
an René, Herzog von Bar[-Lothringen]
betr. Ansetzung eines Tages in Nancy, um über verschiedene Angelegenheiten zu reden.
mondag nach dey heiligen cruces dage exaltacio 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 14, Abschrift, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr.45.
1432 November 25
an den Herrn von Poix, Herr von Verr...(P), Gouverneur der Grafschaft Uney (Ligny-en-
Barrois)
betr. Beeinträchtigung des Verkehrs ihrer Leute zwischen Commercy und Morley durch
die Garnison von Menoalcourt (Menaucourt).
a Sarrebruche le XXVjour de Novembre 1432
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5859 fol. 1, Konzept mit Korrekturen, franz.
1433 Januar 6
an Weither, Geleitsmann zu Wallerfangen,
betr. Vorgehen der Besatzung von Varsberg gegen Fuhrleute auf der Geleitstraße bei
Spurg.
uff der heiligen drier kuninge dag 1432 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 29/30, Konzept mit Streichungen und elfzeiligem
Nachtrag am linken unteren Rand, dt.
1433 Januar 11
an Amtleute der Herrschaft Bitsch
betr. Übergriff der Besatzung von Varsberg auf die Geleitstraße.
sondag neheste vor dem xxten dagen 32 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4625 fol. 1, Konzept, dt.
ln derselben massen einen brieff an vnßem newen von Uechtemberg.
1433 Januar 25
an Anton von Vaudémont
betr. Störung des Verkehrs auf der Geleitsstraße von Varsberg aus.
escript a Sarrebruche le xxve jour de januier 1432 [Metzer Stil]
131
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 12, Abschrift, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 46.
1433 Januar 25
an Johann von Kerpen
betr. Übergabe Varsbergs an ihren Bruder von Vaudémont.
sant Pauli dage Conversionis 1432 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 15, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 47.
1433 Februar 27
an Jorgen von Puddingen, Herrn zu Siebenbom und Dagstul
betr. Hilfe bei Wiedererlangung von Großwarsberg.
fridag vor dem sondage Invocavit 1432 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 14, Konzept mit Streichungen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 49.
1433 März 9
an Johann von Kriechingen
betr. seine Ansprüche auf Waldnutzung, seine Klagen über Fähre bei Wehrden.
montag vor sant Grégorien dag 1432 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1483, Konzept, dt.
1433 April 4
an Johann Studigel von Bitsch, Amtmann zu Schaumburg
betr. Herausgabe des ihren Leuten bei Numerschit (Lummerschied?) weggenommenen Gu-
tes, Bereitschaft zur Tagleistung.
samstag vor dem Palme tage 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 31/32, Konzept mit Korrektur, dt.
[1433] April 7
an Johann von Kriechingen
betr. Treffen zu Nomeny mit dem Bischof von Metz wegen Varsberg.
dinstag nehste nach dem palmetage [ohne Jahr]
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 21 Konzept mit Korrekturen von anderer Hand, dt.,
vgl. Abb. 26.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 50.
1433 April 13
Dis ist die widerantwert die wir Elisabeth dun uff so liehe antwert als Joihann herre gu Griechingen ...ge-
tan hait.
mon dag nehste nach dem heiligen osterdage 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1485, Rotel, dt. mit Korrekturen und einem Nachtrag von an-
derer Hand, dt.
132
1433 April 15
an Herrn [Konrad Bischof] von Metz
betr, Besprechung mit ihm über die Burg Großvarsberg und Vermittlung in ihrem Streit
mit Philipp von Noweroy.
mittwoche nehste nach dem heiligen Osterdage 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 23, Konzept, dt., Datumszeile von anderer Hand, vgl.
Abb. 27.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 51.
1433 April 23
an Bischof Konrad von Metz
betr. Varsberg,
j'ante Jbergen dag 33
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3112 fol. 26, Ausfertigung mit aufgedrücktem, aber erbro-
chenem Verschlußsiegel, keine Begründung warum im Saarbrücker Archiv, dt., vgl. Abb.
28.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 53.
1433 Mai 8
an Herrn [Konrad, Bischof] von Metz
betr. Beratung mit ihren Leuten zu St. Nabor über Varsberg.
fritag nach Inuencionis sce. crucis 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 25, Konzept mit Korrekturen von anderer Hand, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 54.
1433 Mai 8
an Johann, Herrn zu Rodemachem, Cronenberg und Numburg
betr. Zusammenkunft in Saarbrücken wegen der Burg Varsberg.
fritag nehste nach de% heiligen cruces dag Inuencio 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 18, Konzept mit Korrekturen, dt., auf demselben Blatt
unter dem Text Vermerk Item in derselben massen Joergen von Ruldingen etc. lieber getrumr, item
Frideriche von Castel lieber getrumr, item Diedericbe von Puttelingen lieber besonder; item Johann von
Wolffestein lieber getrumr
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 55.
1433 Mai 12
an Bischof Konrad von Metz
betr. Sendung ihres Schultheißen nach Vic zu Beratung über Varsberg.
uff den ^wolfften dag in dem meye 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 30, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 58.
1433 Juni 15
an Anton von Vaudemont
betr. Pierre de Clermont.
escript a Sarrebruche le XVe jour de jung 1433
133
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 14, Konzept, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 59.
1433 Juni 25
an Bischof Konrad von Metz
betr. Beratung über seinen Vorschlag über Varsberg.
donrestag nehste nach sant Joha ns baptisten dage natiuitatis 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 24, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 61.
1433 Juni 26
an Anton von Vaudemont
betr. Varsberg und Verlobung seines Sohnes Yerry mit der ältesten Tochter des Herzogs
von Bar.
escript a Sarrebruche le XXIde jour de jung 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 16, Konzept, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 62.
1433 Juni 27
an [Amtleute des Herzogs von Bar-Lothringen?]
betr. Tag zu Saargemünd wegen Störung des sicheren Geleits von Varsberg aus.
Samstag nach Johannis baptista 1433
HHStA Wiesbaden Abt. 130 III D 2 Nr. 4 fol. 49, Konzept, dt.
1433 Juni 29
an Hans von Alben, Amtmann zu Saargemünd (Gemunde)
betr. ihre armen Leute zu Habkierchen und Volpersmlre.
mondag nach sant Johannis dag 33
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2325 S. 37/38, Konzept, mit Korrekturen, dt.
1433 (Juli 8]
an Anton von Vaudemont
betr. Varsberg.
escript a Sarrebruche le viiiejour de jung 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 18, Konzept, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 64, dort auch zur Korrektur des Datums.
1433 Juli 20
an Anton von Vaudemont
betr. Varsberg.
escript le XXe jour de jullet 1433
LA SB Best. II Nr. 3112 fol. 10 (Rotel 2) Stück 20, Konzept, frz.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr.66.
1433 August 14
an Bischof Konrad von Metz
betr. Rückgabe ihrer Burg Varsberg.
134
vff unser lieben f rau wen abent assumpcio 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 32, Ausfertigung mit kleiner Korrektur, Ver-
schlußsiegel erbrochen, Papier leicht beschädigt, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 68.
1433 August 25
an Cont^e Mauchenheymer
betr. (a) Angebot eines gütlichen Tages wegen des Zehnten %u der alden stat Lympach (b)
Freilassung zweier Kapläne, die die Helfer des Peter Frispach im crieg gegen den Bischof
von Metz, der sie aber nichts angeht, in ihrem Land gefangen nahmen.
Uff dinstag nach sant Bartholomei dage 33
HHSTA Wiesbaden Abt. 147 Nr. 99, stark korrigiertes Konzept, dt., am rechten Rand
ausgefranst.
1433 August 29
an Hans von Alben, Amtmann zu Saargemünd,
betr. Streitigkeiten zwischen etlichen Leuten aus dem Amt Saargemünd und dem Meier
von Habkirchen wegen Erbgut in Uolpersweiler:
sant johans dag decollacio 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3105 fol. 2, Konzept mit Korrekturen, dt.
1433 August 31
an Hans von Alben, Amtmann zu Saargemünd
betr. Missei zwischen den armen Leuten zu Habkierchen und zu Uolperswilre, Tagleistung in
Saarbrücken.
mondag nach sant Johannisdag decollacio 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 37/38, Konzept mit Korrektur von anderer Hand, dt.
1433 September 2
an Elisabeth, Herzogin von [Bar-] Lothringen,
betr. Übergriffe des Wergerich (?) von Stauffemberg in Vignoy und andernorts im wel-
schem Land.
Mittwoch nach decollatio Johannis 1433
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3044 fol. 118, Konzept
1433 September 6
an Johann, Herrn zu Fodemachem, Cronenberg und Numburg
betr. Ladung für 23. September nach Saarbrücken zu Beratungen über den künftigen Be-
sitz von Varsberg.
sondag vor unser lieben frauwen dag nativitatis 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 34, Konzept, dt., auf der Rückseite Vermerk : item den
andern gemeynem vff die selbe maße vßgestalt, da^y sy mit dar by körnen sin.
Ausfertigung dieses Briefes in Nr. 3112 fol. 17 mit geänderter Datumszeile, Streichung
von sondag vor (ergibt dann das Datum 1433 IX/8), Reste des erbrochenen Verschlußsie-
gels, dt. '
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 69 (vgl. Abb. .S. 29) und 70.
135
1433 Oktober 16
an Hans von Alben, Burggraf zu Saargemünd .
betr. Tagleistung von Herrn Frensels und seines Bruders Jeckein wegen.
santgalten dag 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr, 3105 fol. 3, Konzept, dt.
1433 Oktober 17
an Nikolaus von Dorßmlre, Schaffner zu Saarwerden,
betr. Wegnahme saarwerdischer Pferde durch die Gemeinde Örmingen.
Samstag nach St. Lukastag Ev. 33
AD Bas-Rhin 10 J Nr. Konzept, dt.
Reg.: Herrmann: Geschichte der Grafschaft Saarwerden bis yum Jahre 1527, Bd. 1, S. 360, Nr.
978.
1433 November 17
an Johann von Wich
betr. Tagleistung vor Johann, Herrn von Criechingen, wegen seiner Geldforderung.
Under unserm Inges (igel) uff dinstag vor sant Elsabeth (!) dag 33
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 III G 2 Nr. 2, Konzept mit Korrekturen, dt.
[1433 Dezember]
Dis sint die stucke, die myn gnedige frauwe und junghem von Nassauwe etc. in der herrschafft von Fur-
pach (Forbach) gu fordern hant.
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2320 S. 103-104, dt.
Das Stück ist undatiert, von jüngerer Hand „ca. 1435“ vermerkt. Eine genauere Datierung
ergibt sich aus dem Zusammenhang mit einem Schreiben des Hans [von Rittenhofen]
vom 04.12.1433 an den Burggrafen von Forbach (ebd. S.105 f.).
1433 Dezember 6
an Bischof Konrad von Metz
betr. Varsberg.
sant Niclaus dag des heiligen bischoffes 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 16 (Rotel 3) Stück 2, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 74.
1433 Dezember 9
an Bischof Konrad von Metz
betr. Varsberg.
mitwochen nach vnser lieben frau wen dage Concepcio 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 16 (Rotel 3) Stück 3, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr.75.
1433 Dezember 15
an Bischof Konrad von Metz
betr. Varsberg.
dinstag nach sant Fucien dage 1433
136
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 16 (Rotel 3) Stück 5, Konzept, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 78.
1433 Dezember 21
an Elisabeth, Herzogin von Bar-Lothringen
betr. (a) Schaden, den Wersich von Stauffenburg mit Hilfe der Diener des Philibert von
Chastellet, Vogt von Epinal (Spynnal) und Herr Friedrich von Savigney ihr zugefügt haben,
erklärt ihre Bereitschaft zur Tagleistung; (b) bittet ihr zu helfen bei der Wiedereinsetzung
in ihre Anteile an den Burgen Pierfort, l'Avangarde und Bcw[conville], wenn der Ehegatte der
Empfängerin wieder ins Land kommt.
sant Thomas dage apostoli 1433
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 35/36, Konzept mit Korrekturen, dt., beschädigt.
1433 Dezember 24
an Jorg von Ruldingen
betr. Zusammenkunft in Saarbrücken.
uff den heilgen Crist abent 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 31 recto, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 79.
1433 Dezember 24
jeweils gleichlautende Schreiben an Friedrich von Castel und Dietrich von Putelingen
betr. Zusammenkunft in Saarbrücken.
uff den heiligen Crist abent 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 31 recto, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 80.
1433 Dezember 24
an Johann von Rodemachern
betr. Zusammenkunft zu Saarbrücken.
uff den heiligen Crist abend 33
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 31 verso, Konzept mit Korrekturen, dt.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 81.
1433
Korrespondenz zwischen Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und Erhard von
Gymnich, Herrn zu Berperch, wegen der durch Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken er-
folgten Inbesitznahme des Gymnich’schen Teiles der Burg Homburg.
HHSTA Wiesbaden Abt. 147 Nr. 8, Rotel aus ca. 6-8 Stücken bestehend, wegen starker
Beschädigung nicht benutzbar, Inhaltsangabe aus Findbuch der Abt. 147.
1434 Januar 12
an Elisabeth von Herzogin Bar-Lothringen
betr. (a) Klage über die Übergabe der Burg Varsberg durch den Bischof von Metz an den
Herzog von Bar-Lothringen, (b) Erinnerung an ihren Brief vom 21.12.1433 betr. die
137
durch Wersich von Stauffenberg verursachten Schäden und betr. Pierrefort, Avantgarde
und Bouconville.
dinstag vor santt Anthoniendage 33 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3112 fol. 22 (Rotel 5) Stück 15, Abschrift mit geringen Korrek-
turen.
Druck: Varsberg-Korrespondenz Nr. 82.
1434 Januar19
an Jorgen von Kn Idingen
betr. Zusammenkunft zu Saarbrücken wegen Varsberg.
dinstag nach sant Anthonii dage 33 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3101 fol. 3, Konzept, dt., Datumszeile von anderer Hand, auf
demselben Blatt wie das folgende Stück, darunter abeschrift an Jorgen von Ruldingen.
1434 Januar 19
an Jorgen von Ruldingen
betr. Bitte in ihrer Auseinandersetzung mit Aubert Boulayer von Metz wegen einer Schuld-
forderung, in der Symond von Sarbrucken, Domherr zu Metz, und Hans, ihr Schultheiß von
Saarbrücken, eine Einigung herbeiführen sollen, als gemeyner obmann zu fungieren.
Dinstag nach sant Anthoni dage 33 iuxta stilum Metensem.
LA SB Best, N-Sbr. II Nr. 3101 fol. 3 recto (dasselbe Blatt wie das vorhergehende Stück),
Konzept mit Korrekturen, dt., darunter: abschrift an Jorgen von Ruldinegn.
1434 März 21
an Friedrich, Graf von Zweibrücken-Bitsch,
betr. Übersendung einer von ihr konzipierten notel an den Herzog von Bar über Ge-
leitsfragen.
vff den heiligen palme dag 33 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 4 recto.
[1434 März]
Notel an den Herzog von Bar betr. Geleit,
ohne Datum
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 4 verso, Konzept mit Korrekturen, dt., mit Vermerk
abeschrift an mynen hem von bar oder sine gleides luden %u gemunde.
1434 Juni 22
an Simon, Graf von Salm
betr. Gefangennahme des Durant Aubert von Commercy mit einem Karren Salz und 3
Pferden bei Viviers.
dinstag vor sant Johans dag nativitas 34
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3o44 fol. 68, Konzept, dt.
1435 April 27
an Jakob, Herrn zu Lichtenberg,
138
betr. Tag zu Saargemünd wegen des Kaufleuten und Fuhrleuten auf der gemeinsamen
Geleitstraße zugefügten Schadens.
mittwoche nach sant marcus dage 35
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5834 fol. 6, Konzept mit Korrekturen, dt.
1435 Mai 16
an Hans von Alben, Amtmann zu Saargemünd,
betr. zwei Wiesen, die zwischen Henne von Ebersingen und Endres von Volperswilre und
dem Erzpriester von Saargemünd strittig sind.
mondag nach dem sondage Cantate 35
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3105 fol. 7, Konzept mit Korrekturen, dt.
1435 Mai 18
an Elisabeth, Herzogin von Bar-Lothringen
betr. die nassau-saarbrückischen Anteile an den Burgen Pierrefort, Avantgarde und Bou-
conville und eine immer noch anstehende Forderung von 1000 Franken an Herzog Edu-
ard von Bar.
des xviiiten dages in dem meye 35
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 45, Konzept mit Streichungen und Korrekturen,
dt.
1435 August 13
an die Räte des Herzogs von Bar-Lothringen, die zu dieser Zeit in Pont-ä-Mousson sind,
betr. die nassauischen Anteile an den Burgen Pierrefort, Avantgarde und Bouconville.
samsdag vor vnser lieben frauwen dage assumpcio 1435.
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 216, Konzept, dt., Wasserflecken.
1435 September 12
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Conrad von Spire, dessen Güter von der Stadt Metz festgehalten werden, der aber
[jetzt] nicht zu Saarbrücken sei.
mondag vor exaltacio sancte Crucis 1435.
AM Metz AA 25 Nr. 62, Ausfertigung, dt., beiliegend (Nr. 63) in Metz gefertigte Überset-
zung ins Französische.
1435 September 28
an [Friedrich, Graf] von Veldenz
betr. Tagleistung zwischen dem [Grafen] von Sponheim und ihren Söhnen wegen der Le-
henschaft des Herrn von Eemnstein zu Nassau-Saarbrücken.
mittwochen nehste vor sant michelsdage 35
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4297 fol. 18, Konzept, mit geringen Korrekturen, dt.
1435 September 29
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Ergebnis einer Befragung des Conrardt de Sj)ire.
le jour de Saint Michiel 1435.
139
AM Metz AA 25 Nr. 66, Übersetzung ins Franz.
[um 1435]
an Georg von Rollingen, Herrn zu Siebenborn und Dagstuhl, Amtmann im Lande Lu-
xemburg,
betr. Gefangennahme eines armen Mannes namens Friedrich von Buesingen durch Druphont
und die Brüder von Milenberg.
nicht datiert
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3109 fol. 1, Konzept, dt.
1436 Juni 1
an Johann Studigel von Bitsch, Amtmann zu Schaumberg,
betr. Beeinträchtigung des Brücker Anteils an der Burg Quierschied.
ander unserme secret vfffritag nehste nach dem heiligen phingestdage 36
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2805 fol. 33, Konzept, dt.
1437 Februar 9
an Else von Dhaun
betr. Burgfrieden zu Rollingen.
samsdag vor Esto michi 36 more Metense
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3101 fol. 8, Konzept mit Korrekturen, dt.
1437 Februar 20
an König von Sizilien (=Rene, Herzog von Bar-Lothringen)
betr. Entschuldigung der Nichtteilnahme ihres Sohnes Johann an der Versammlung der
Stände in Pont-ä-Mousson.
mitwochen nach Invocavit 1436 more Metense
HHStA Wiesbaden, Abt. 130 I II D 2 Nr. 4, Konzept, dt.
1437 März 2
an Jakob von Sierck, Dompropst zu Würzburg und Utrecht [Kanzler des Herzogs von
Bar-Lothringen]
betr. Bitte ihren Söhnen wieder zu den Burgen [vermutlich Avantgarde, Bouconville und
Pierrefort] zu verhelfen.
samsdag vor dem sondage Oculi 36 more Metense
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4, Konzept mit kleinen Korrekturen, Datums-
zeile von anderer Hand, dt.
1437 November 24
an Robert von Saarbrücken, Graf von Roucy und Braine, Herrn zu Commercy,
betr. Wegnahme von einigen Fässern Heringen in Elisabeths Geleit (passaige) in Vignot
durch Leute der Herzogtümer Bar und Lothringen.
ecript a Sarrebruche le XXIIII jour de novembre 1437
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 70, Konzept, frz., auf demselben Blatt wie das Schrei-
ben an Hannemann von Saarbrücken, Amtmann zu Commercy, vom 25.11.1437.
140
1437 November 25
an Hannemann von Saarbrücken, Amtmann zu Commercy,
betr. (a) Übersendung des Schreibens an Robert von Saarbrücken, (b) Hannemanns Bitten
um Übersendung von Armbrüsten und eines Pferdes, (c) Sache mit dem Bastard von
Vergy.
geben under unserme sígnete vff sant kathrinen dag 37
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 70, Konzept, dt., auf demselben Blatt wie Schreiben
an Robert von Saarbrücken-Commercy vom 24.11.1437.
1438 Januar 2
an Bischof Konrad von Metz
betr. Tagleistung in Nancy wegen ihrer Forderung an den König von Sizilien und gegen
Philipp von Noweroy.
donrstag nest nach dem heiligen jars dag 1437 [more Metense]
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4 fol. 39, Konzept mit Korrekturen, Datumszei-
le von anderer Hand, dt.
1438 Mai 1
an Erzbischof Dietrich von Köln
betr. Bestellung des Landes ihres Sohnes Philipp.
sant Philips vnd sant Jacobs der heiligen aposte ln dag 1438
HHStA Wiesbaden Abt. 130 III D 2 Nr. 4 fol. 40,
Konzept mit Korrekturen, Datumszeile von anderer Hand geändert, dt.
1438 Mai 20
an Bischof von Metz, Bischof von Toul und Statthalter des Königs von Sizilien [in den
Herzogtümern Bar und Lothringen]
betr. Tagleistung zu Nancy wegen des ihr entstandenen Schadens durch Vorenthaltung ih-
rer Anteile an Pierfort, [Avantgarde und Bouconville].
gegeben under myme sígnete uff dinstagh vor unsers herm uffart dage 1438
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 43/44, Konzept mit Korrekturen, dt., beschädigt.
1438 Juni 7
an Hu wart von Elter, Herrn zu Appremond
betr. Angebot eines Ausgleichs zur Klärung seiner Forderung wegen eines Hengstes.
Under unserme sígnete des VII dages des mandes junio 1438
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 I II G 2 b Nr. 2, Abschrift, dt., Blatt am rechten Rand aus-
gefranst.
1438 Juli 21
an Hannemann von Saarbrücken, ihren Amtmann zu Commercy
betr. Vorlage einschlägiger Schriftstücke auf dem von ihrem Bruder für 29. Juli in Metz
anberaumten Tag mit Huwartvon Elter wegen dessen Forderungen; Vertretung Elisabeths
auf einem Tag am 30. Juli in Rollingen mit der Stadt Metz wegen Sachen von Welschenlan-
des wegen (nicht spezifiziert).
Uff mandag vor sant Marien Magdalenen dage 38
141
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3044 fol. 78, Ausfertigung, Reste des Verschlußsiegels, dt.
1438 Juli 28
an Jaque de Vignoy, ihren Rentmeister zu Commercy
betr. Anweisung Hannemann de Sarrebruche, ihrem gouvemeur zu Commercy, 5 francs und 10
gros Metzer Münze zu erstatten, die dieser ihren Leuten von Saarbrücken bei einer Tagleis-
tung in Metz mit Herrn Hue von Aultry gezahlt hatte.
le xxviii jour de julet 38
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 222, Ausfertigung, aufgedrücktes Siegel, frz.
1438 August 3
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Tagsetzung in Rollingen an Montag nach ULF Assumptio.
sondag sant Stephansdag lnvencio 1438
AM Metz AA 25 Nr. 86, Ausfertigung, Signet, dt.
1438 August 9
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Tagleistung mit ihnen in Rollingen wegen Forderungen [nicht näher spezifiziert],
Termin sei zu kurzfristig angesetzt worden.
Sameßdage vor Sant Eaurenäendage 1438
AM Metz AA 25 Nr. 77, Ausfertigung, Rest des aufgedrückten Siegels, dt.
1438 August 14
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Tagleistung in Rollingen.
vff unser lieben fraurn abent assumptio 1438
AM Metz AA 25 Nr. 35, Ausfertigung, dt.
1439 Mai 1
an Konrad, Bischof von Metz
betr. Stillhalten des Huscins von Seriere bis St. Gallentag.
Under myme signete uff sant Philips und sant Jacobus der heiligen Aposteln dage 1439
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 I II G 2 b Nr. 2, Konzept mit geringen Korrekturen, dt.
1439 August 19
an J ohann Stump von Siemem
betr. seinen Anspruch auf das Lehen der Anniche von Gronbach und seine Unterstützung
für Johann von Gerolstein, Angebot zum Austrag vor Herzog Stephan von Pfalz-
Zweibrücken und/oder Graf Friedrich von Veldenz.
mitwochen ne[hst vor sant Bartholumeus dag 1439
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4297 fol. 98 recto-99 recto, Konzept mit Korrekturen, be-
schädigt, dt.
1439 August 20
an Hu wart von Elter, Herrn zu Appremond
142
betr. seine Forderung nach Bezahlung eines Hengstes, die sie, wie sich schon bei Tages-
leistungen in Pont-ä-Mousson und Metz ergeben hat, nicht anzuerkennen vermag.
Under underm sígnete uff domstag vor sant bartholomeus dage 1439
HHSTA Wiesbaden Abt. 130 1 II G 2 b Nr. 2, Konzept mit geringen Korrekturen Nr. 2,
dt.
1439 August 26
an Johann von Homburg
betr. Vorgehen des Johann von Gerolstein, Angebot zur Tagleistung.
uff mitwochen nach sant bartholomeus dage 39
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 4297 fol. 99 verso, Konzept, geringe Korrekturen dt., linke
obere Ecke abgerissen
1439 September 16
mit ihren Söhnen Philipp und Johann an die lothringischen Räte
betr. die Übergriffe des Johann von Gerolstein genant Rose Johann, gesessen zu Berus, seines
Sdefsohnes Johann von Hoemberg und des Heinrich Home, Niederbrennen von zwei Häu-
ser zum Spiedail und zu Varsberg, Wegnahme von Pferden und Wildseilen trotz des von
Werner von Fleville, Deutschbellis, und von Heinrich Hase vermittelten Vergleichs.
mittwoch nach exaltacione sánete Crucis 1439
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4 fol. 40, Konzept, Datum interlinear korrigiert
aus sontag nach sant Johanstage decollationis, dt.
1440 März 20
mit Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch, Jakob und Ludwig, Herren zu Lichtenberg,
Wirich von Homburg und Hans von Altdorf, Geleitsleuten zu Saargemünd, an die Kauf-
leute, die zu der bevorstehenden Messe nach Genf kommen,
betr. Sicherheit auf der Straße von Straßburg nach Luxemburg über Saarbrücken.
uff den heiligen palmedag 1439 secundum stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 224, Konzept, dt.
[1440 März]
mit Friedrich, Graf von Zweibrücken-Bitsch, Jakob, Herrn zu Lichtenberg, Wirich von
Hohenburg und Hans von Altdorf gen. Wollesleger, lothringischen Amtleuten zu Saarge-
münd, an Elisabeth von Görlitz, Herzogin zu Brabant,
betr. Aufhaltung ihrer Leute,
ohne Datum
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4628 S. 20-22, Konzept mit mehrfachen Korrekturen, dt.
1440 Juni 18
an Eberhard von Schaumburg, Ritter,
betr.: die Gemeiner der Geleitstraße zwischen Straßburg und der Mosel werden die Bür-
ger von Luxemburg den Kummer nicht entgelten lassen, ihr Leib und Gut soll sicher sein,
wenn sie zur nächsten Messe nach Straßburg fahren. Sie bittet, aber auch die Straße im
Lande Luxemburg sicher zu halten.
sammesdag nach sant Viti und Modesti dage 4o
143
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2325 S. 45/46, Konzept mit Korrekturen von derselben Hand,
dt.
1441 März 8
an Wantschelin, Seigneur de la Tour, Bellis von Vitry, und Jehan Doulon, königliche Räte in
Conflans
betr. a) das vom König von Frankreich begehrte Öffnungsrecht in Commercy, b) Ausfüh-
rungen über Verhältnis zum Königreich Frankreich, Versicherung der Ergebenheit ge-
genüber dem König von Frankreich, beanspruchte garde über 1 dgnoj.
escript a Sarrebruche le Ville jour de mars 1440 [Metzer Stil von mir angenommen]
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 85, Konzept mit zahlreichen Einschüben, frz.
1441 November 25
an Bischof Reinhard von Speyer
betr. Abwesenheit ihres Sohnes Johann und des Amtmannes Simon Mauchenheimer.
sant Katherinendag 41
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4629 fol. 2, Konzept, dt.
1443 Januar 21
an Meisterschöffe und Dreizehn Geschworene der Stadt Metz
betr. Bitte den Thielman von Swalpach, wegen dessen und wegen des Claman von Sultgen ein
Streit zwischen ihrem Sohn Johann und den Empfängern anhängig ist, der von Georg
von Rollingen verglichen werden soll, befristet frei zu lassen.
gegeben un der unserme Signete - uff Mandag vor sant vincencij dage 1442 stilum Meten sem
AM Metz AA 25 Nr.46 Ausfertigung, dt.
1444 September
Elisabeth und ihr Sohn Johann an die Räte des Königs von Sizilien in den landen Bar und
Lothringen
betr. Bitte um Schutz für ihre Burgen, Lande und Pfandschaft [gemeint sind die an sie
verpfändeten lothringischen Ämter Berus und Saargemünd]. Johann will sich gerne zu
den Königen begeben, bittet dann aber um Geleit von und bis Saarbrücken.
gu Sarbriucken) des. ..igsten dages des maendes septembres) 44.
LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3045 fol. 9, Konzept, dt.
[1444 Herbst]
Instruktion für nassau-saarbrückischen Gesandten an die Könige von Frankreich und Si-
zilien betr. Beunruhigung durch französische Söldner,
ohne Datum
HHStA Wiesbaden, Abt. 130 I II D 2 Nr. 4, Konzept mit Korrekturen, dt. Die Datierung
ergibt sich aus der Erwähnung des Verkaufs von Commercy und der Aktion König Karls
VII. und Renés gegen die Stadt Metz.
1452 Januar 20
an Herzog Stephan von Pfalz-Zweibrücken
betr.Forderungen ihres Sohnes wegen des Zolles [zu Kirkel]
144
sant Fabiani und Sebastiani dage 51 iuxta stilum Metensem
LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 4619 fol.18, Abschrift, dt.
Die Ergänzung ergibt sich aus dem Schreiben Stephans vom 07.01.1452 (ebd. fol. 17).
1452 November 24
an die Räte des Königs von Sizilien
betr. Schädigung ihres Wittums durch Bernhard von Pallandt
dinstag nach sant Elicgabeth dage 1452
HHStA Wiesbaden Abt. 130IlID2Nr. 4 fol. 54 (Rotel), Konzept, dt.
1453 Januar 21
an die Räte des Königs von Sizilien
betr. Bernhard von Pallandt.
samßdag sant Fabians vnd sant Sebastians dag 52 iuxta stilum Metensem.
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4 fol. 54 (Rotel), Konzept mit Korrekturen, dt.
1453 Februar 6
an die Räte des Königs von Sizilien
betr. Bernhard von Pallandt
dinstag vor dem sondage Esto michi 52 iuxta stilum Metense
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4 fol. 54 (Rotel), Konzept, dt.
1453 Oktober 29
an Johann, Herzog zu Kalabrien und Lothringen
betr. Bernhard von Pallandt.
mandag nach sant Sy mon vnd Jude apostoli 1453
HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr. 4 fol. 54 (Rotel), Konzept mit nachträglicher
Änderung der Datumszeile, dt., auf der Rückseite: diser brieffist vberschicket worden vff data da
Inne begriffen.
145
EXKURS
Räte und Amtleute der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken.
Amtmänner zu Saarbrücken.
Johann Fust von Diebach gen. Knebel, am 08.11.1411 erstmals als Amt-
mann genannt (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5281 fol. 1), hat unter Graf Philipp dieses Amt
durchgehend inne (HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk. v. 4.08.1416 u. Abt. 130 Nr. 105,
140, 148 u. I II G 2 b Nr. 1, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 168, 204, 838, 1245, 2325 S. 19 f.,
2443 fol. 324-326, 3109 fol. 1, 5554, 5834 fol. 1, AD Moselle Versement Coblence Nr. 47,
AM Metz AA 25, 52-55 u. 82, Paris BN Coli. Lorr. Bd. 47 f. 18, Johannes Mötsch: Regesten
des Archivs der Grafen von Sponheim 1065-1437, Teil 3 Koblenz 1989, Nr. 3501). Im Juli und
August 1427 korrespondiert er von Commercy aus als gouvemour pour hault et puissant Sei-
gneur mons. le conte de Nasowen et de Sarebruche en la contey dudit Sarbruche oder gouvemeur.... au lieu
de Commercey (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 2361 S. 3, 7, 9 u.ll und 3044 S. 10 ff., 75). Am
16.05.1430 erscheint er als Unterhändler in einem Vergleich zwischen Elisabeths ältestem
Sohn Philipp und Margarethe, der Witwe des Grafen Adolf von Nassau (HHStA Wiesba-
den Abt. 137 Nr. 111). Gouvemeur de Sairebruche nennt Elisabeth ihn am 24.08.1431 (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 205), im selben Jahr „oberster Amtmann der Grafen Philipp und Jo-
hann von Nassau-Saarbrücken in den Herrschaften Kirchheim, Stauf und Dannenfels“
(HHStA Wiesbaden Abt. 168a Nr. 93), dieselbe Titulierung rückblickend verwendet am
10.08.1433 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1489), 1432 wieder Amtmann zu Saarbrücken
(Varsberg-Korrespondenz Nr. 4, 5 u. 23). Im August 1433 erscheint Konrad Kolb von
Geispolzheim als Amtmann zu Saarbrücken (siehe unten), Johann Fust begegnet weiter-
hin in Elisabeths Diensten ohne Erwähnung einer Amtsbezeichnung (LA SB Best. N-Sbr.
II Nr. 1493, HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 162). Am 24.03.1433 beabsichtigt sie, ihn
zum Bischof von Metz zu schicken (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3112 fol. 26.), am
17.12.1433 steht er unter ihren frunden an erster Stelle, vor Amtmann und Schultheiß (ebd.
Nr. 1162). Am 01.04.1435 stellt sie ihn als Bürgen und nennt ihn ihren „Amtmann“
(HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 136). Am 07.06.1436 quittiert er eine aus der Zeit des
Grafen Philipp rückständige Kornlieferung (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 177) und am
21.12.1436 die Zahlung von ratsgeld. Am 24.02.1438 bekennt Elisabeth, ihm 1080 rh.fl. zu
schulden (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 158), Er war Inhaber eines Burglehens, zu
dem das Burghaus des f Amtmannes Heinrich von Bubenheim in der Saarbrücker Burg
gehörte (HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk. von 02.06.1442). Es siegelte noch den Vertrag
Elisabeths mit ihren Söhnen vom 30.01.1439 (vgl. S. 102f), im Dezember desselben Jahres
war seine Frau Anna Rodellweynen von Stromberg bereits in zweiter Ehe vermählt mit
Friedrich Keßler von Sarmstein. Sie bekennt von Elisabeth für alle Rückstände und Ver-
luste ihres ersten Mannes als Amtmann und Diener des Grafen Philipp und Elisabeths
bezahlt und entschädigt zu sein. Eine Summe wird nicht genannt. (LA SB Best. N-Sbr. II
Nr. 2443 S. 984-988).
146
Konrad Kolb von Gei spolz heim, am 29.08.1433 erstmals genannt als „mein
Amtmann“ (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3105 fol. 2 u.6357), weitere Nennungen als Amt-
mann bis 08.01.1434 (AD Moselle H 3897,5 u. LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 1162, Burg, Re-
gesten Wadgassen Nr. 753), am 07.11.1431 mit einem Lehen in Lettweiler (Donners-
bergkreis) belehnt, am 09.03.1435 erneut durch Elisabeth ohne Erwähnung seiner Amts-
bezeichnung in Ansehung der Dienste, die er und sein Bruder Dietsche ihrem Gemahl
und ihr geleistet haben und noch leisten werden (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 6357). An
demselben Tag verzichten die beiden Brüder ihr gegenüber auf Ansprüche auf Güter und
Rechte zu Saarbrücken, Geislautern und Ipplingen (ebd. Nr. 2854 fol. 1).
Albrecht von Castel als Amtmann zu Saarbrücken genannt zwischen 08.09.1435
und 19.12.1438 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 219, 2324 S. 5, 4297 fol. 16 u.19, 4536 fol. 17,
4630 fol. 6, HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urkk. von 16.03. u.10.08.1438, LHA Koblenz
Best. 54 C 19), AM Metz AA 25, 34. 1437 gouvemeur de Sarebruche genannt (HHStA Wies-
baden Abt. 130 Nr. 163). Er hatte schon 1435 in Elisabeths Auftrag mit den lothr. Räten
über Bouconville, Avant-Garde und Pierrefort verhandelt (LA SB Best. N-Sbr. II Nr.
216), sie nennt ihn dabei lieber getrumr. Sein Bruder war Michel von Castel (siehe unten
Amtleute zu Commercy). Im Frühjahr 1437 nassau-saarbrückischer Vertreter auf dem
lothringisch-barischen Ständetag in Pont-ä-Mousson (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D
2 Nr. 4 fol. 22). Er führte einen Zickzackbalken im Wappen (Siegel aufgedrückt auf
Schreiben vom 30.06.1438 LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2939 fol. 77), was enge Verwandt-
schaft mit den Brüdern Lamprecht und Michael von Castel beweist.
Simon Mauchenheimer von Zweibrücken, als Amtmann von Saarbrücken
genannt zwischen 19.02.1440 und 12.02.1451 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 1496, 1521, 3045
fol. 10, 3140 fol. 4 u. 4829 fol. 1, Best. Neumünster Nr. 107 S. 120, Burg, Regesten Wadgas-
sen Nr. 792), Mitwirkung beim Verkauf von Commercy (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 235,
Quittung über Vergütung). Am 26.03.1451 spricht Graf Johann ihn von allen Forderun-
gen aus seiner Tätigkeit als Amtmann in Saarbrücken während der am letzten Weih-
nachtsfest zu Ende gegangenen 11 Jahre ledig (Mauchenheimer Kopialbuch Nr. 54), am
24.06.1452 bestellt Kurfürst Friedrich I. v. d. Pfalz ihn zum Amtmann in Kaiserslautern
und Neuwolfstein (ebd.).
Schultheiße in Saarbrücken:
Hans von Rittenhofen, als Schultheiß von Saarbrücken genannt zwischen 1422
und 31.01.1438 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 302, 1162, 1481, 2441 S. 369, 2443 S. 221 f. u.
324, 2854 fol. 1 u.3112 fol, 8-10, 22 u. 26, 4629, 5766, HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk.
v. 08.09.1435 u. 31.01.1436 u. Abt. 130 Nr. 136, LHA Koblenz Best 54 R 124a, AD Mo-
selle H 3897, Varsberg-Korrespondenz Nr. 4, 5, 8, 18-25, 53, 57, 58 und 68, Burg, Regesten
Wadgassen Nr. 753, 757 u. 764), in französischen Texten mit der Amtsbezeichnung prevost
(z.B. AM Metz AA 25, 52-55).
Er erscheint am 24.02.1415, 1416, 1417, 1419 und 1421 als clerc des Grafen Philipp in An-
gelegenheiten von Commercy (AD Meuse В 1530, LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 104, 6754,
147
6789, 6791). Am 27.07.1421 war er Helfer des Bischofs von Straßburg (Publ. Lux.
33(1879), S. 222 Nr. 1310), am 19.08. desselben Jahres erhalten er und seine Frau Lise ein
Haus in der Hintergasse in Saarbrücken als Pfand (LHA Koblenz Best. 54 R 123). Am
15.01.1428 weist Graf Philipp ihm eine Jahrgült auf das Schultheißengut an (LA SB Best.
N-Sbr.II Nr. 165) und am 10.06.1429, also kurz vor seinem Tode, belehnt er ihn mit dem
Haus an der Badstube in Saarbrücken und einem Garten am Malstatter Weg. Wenige Wo-
chen später am 17.10.1429 mehren Elisabeth und ihr Sohn Philipp das Lehen mit einem
weiteren Haus in Saarbrücken an der Saarpforte (ebd. Nr. 2854 fol. 1).
Hans v. R. erscheint auch, nachdem das Schultheißenamt an Hans Schaumberg überge-
gangen war, im Umfeld Elisabeths und ihres Sohnes Johann. Zusammen mit Albrecht
von Castel ist er 1437 nassau-saarbrückischer Vertreter auf dem Ständetag in Pont-ä-
Mousson, Mitsiegler des Teilungsvertrages von 1442 (HHStA Wiesbaden Abt. 150 Nr.
160), 1444 an den Beratungen über den Verkauf von Commercy beteiligt (LA SB Best. N-
Sbr.II Nr. 235). Am 16.03.1438 belehnte Elisabeth ihn mit dem heimgefallenen Burglehen
des Matthis von Redelingen und seiner Ehefrau Jeannette von Malstatt (HHStA Wiesba-
den Abt. 121), am 22.07.1440 mit einer Wiese an der Saar, die von Katharina im Hoffe zu
St. Johann, der Frau des Heinrich von Eiweiler heimgefallen war (ebd.). Am 11.06.1442
bestätigte der volljährig gewordene Graf Johann die dem Hans v. R. in den Urkunden
vom 25.1.1418, 10.06.1429, Okt.1429 und 30.3.1432 gewährten Vergünstigungen (LA SB
Best. N-Sbr.ll Nr. 2854 fol. 2). Seine Vertrauensstellung auch unter Graf Johann ergibt
sich daraus, daß Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch am 21.01.1459 ein Schreiben ad-
ressiert an „Graf Johann oder in seiner Abwesenheit an Hans von Rittenhofen“ (LA SB
Best. N-Sbr.ll Nr. 4699). 1450 gehören die Brüder Hans und Peter von Rittenhofen zu
den Ganerben der Unterburg Homburg (Carl Pöhlmann, Die Herren von Ritsch gen. Genters-
berg, Neustadt 1933, Reg. Nr. 65). Eigenhändige Unterschrift vom Jahr 1417 (LA SB Best.
N-Sbr. II Nr. 6791).
Sein Vater Nikolaus war unter Graf Philipp Schultheiß in Saarbrücken, sein Bruder Peter
Amtmann in Kirchheim (siehe unten) und sein Bruder Thielmann von 1417-1438 Dekan
des Kollegiatstiftes St.Arnual bei Saarbrücken.
Hans v. R. war verheiratet in erster 1. Ehe mit Lise, der Tochter der Metze, Witwe des
Schultheißen Nikolaus von Saarbrücken (Paris BN, Collection Lorraine Bd. 47 fol. 18), in
2. Ehe mit Heilkin von Rodenhausen, aus dieser Ehe stammten die Töchter Dorothea
und Eva, letztere war vermählt mit Karl von Breidenborn. Hans v. R. starb vor dem
31.12.1466 (Mitt.Hist. Ver. Pfal^ll (1898) S. 77-164), Heilkin lebte noch 1479 (zur Familie
vgl. Nolte, Erich: „Zur Geschichte des Eschbergs“, in: Ztschr.f.Gesch.d. Saargegend 19(1971)
S. 177 f. und Klein, Hanns: „Der Maler Jost von Saarbrücken und die mittelalterlichen
Fresken in der Köllner St.Martinskirche“, in: Eder-Stein, Irmtraut/Jacoby, Fritz/ Stein,
Wolfgang/ Ulbrich, Claudia (Hgg.): Beiträge gur Geschichte von Gewerbe, Industrie und Verwal-
tung im Westrich und an der Saar für und mit Hanns Klein aus Anlaß seines 75. Geburtstages,
St.Ingbert 1995, S. 183).
148
Hans Schaumberg (Schauwnburg, Schaumberger) als Schultheiß genannt vom
24.02.1436 bis 1441 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 839, 2325 S. 41, 2939 fol. 78 u. 81, 3016
fol. 5 ff., 3109 fol. 2, 4534 fol. 1). Er wird 1426 unter Graf Philipp clerc (Schreiber) betitelt
(ebd. Nr. 148), später ist er Amtmann in Commercy (siehe unten), Besitzer des Schaum-
berger Hofs bei Alt-Saarbrücken, 1471 Rat Graf Johanns III. (Staerk, Dieter: Die Wüstun-
gen des Saarlandes, Saarbrücken 1976, S. 358).
Niclas von Folcklingen ,als Schultheiß genannt vom 17.07.1443 bis Jahreswen-
de 1461/62 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 246, 1138, 2220 S. 121 u. 167, 2266 S. 171 f, 2268
S. 1-2, 2320 S. 23-29, 51, 169 u.201, 2394 fol. 18, 2445 S. 458-60, 2847 fol. 33, 3045, 3110
fol. 18, 4535 fol. 1, LHA Koblenz Best. 210 Nr. 280 u. Best. 218 Nr. 813, HHStA Wies-
baden Kopiar A 14 fol. 259 f.). Als Nachfolger wird Hans von Saarbrücken erstmals zum
14.01.1462 erwähnt (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 2443 S. 452-457).
Rentmeister in Saarbrücken
Die offizielle Amtsbezeichnung lautete bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts in
Saarbrücken hojmeister. Seine Zuständigkeit beschränkte sich nicht auf Einnahmen und
Ausgaben der gräflichen Hofhaltung, sondern erstreckte sich auf die Finanzverwaltung
der gesamten Grafschaft.
Nikolaus 1423 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 3934 fol. 170) u. 17.10.1425 (HHStA Wies-
baden Abt. 130 Nr. 136).
Philipp Benßheimer,als hojmeister genannt vom 12.12.1430 - 20.05.1433 (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 1472, 1473 u. 1486, HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 151, Abt. 3001
Nr. 17 fol. 35), am 10.12.1432 von Elisabeth und ihrem Sohn Johann gefreit in Ansehung
der Dienste, die er ihrem verstorbenen Gatten und Vater getan hat und ihnen noch tun
soll (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. A 17 fol. 35). Er sagte 1455 aus über Weintrans-
porte zwischen dem Elsaß und Brabant in seiner Amtszeit (LA SB Best. N-Sbr.II Nr.
272). Der Passus, es gedenke ihm seit 26 Jahren und er habe als hoffemeister das fällige Ge-
leitsgeld im Dienste der Gräfin und des Grafen Johann erhoben, deutet daraufhin, daß er
dieses Amt wohl doch erst unter Elisabeth übernommen hatte und seine oben genannten
Dienste für den Grafen Philipp anderer Art waren.
Peter von Schiffweiler, als hojmeister genannt vom 24.11.1434 bis 1443 (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 193, 948, 1071, 1073, 1492, 1508, 3140 fol. 5 u. 5722, HHStA Wiesba-
den Abt. 121 Urk. v. 28.10.1443 für Conemann von Ebersweiler u. Abt. 130 I Nr. 167
u.169), 1436 Bürge u. Mitschuldner (ebd. Abt. 130 Nr. 158).
Philipp, hojmeister; 1447 u. 1450 (Bucherbacher Rechnung LA SB Best. N-Sbr.II Nr.
3033 S. 9 u. 81).
Hans von Swalpach,als hojmeister genannt 11.10.1452 - 1454 (LA SB Best. N-Sbr.
II Nr. 3110 fol. 18, LHA Koblenz Best. 54 S 707).
Clesgin von Mainzwiler, hojmeister 1456 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3023 fol. 3).
149
Kellner in Saarbrücken
Der Kellner war in erster Linie für Einnahme und Ausgabe von Naturalien, hin und wie-
der aber auch für Geldzahlungen zuständig, er unterstand dem hofmeister. Nicht namentli-
che Nennungen 1436 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 220 u. 1493).
Burggrafen zu Bucherbach
Albrecht von Eltschen genannt B e c km a n, belegt am 21.6.1435 (Weizsä-
cker, Wilhelm / Kiefer, Fritz (Hgg.): Pfälzische Weistümer., Bd. 1, Speyer 1962, S. 388).
Kellner zu Bucherbach
Wolf 1427 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3034 fol. 148).
Hans, 13.01.1447 - 1459 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 3033 S. 8, 9, 58, 61, 89 u. Nr. 3140.
Burggrafen zu Homburg
C o n t z und Heinrich, 20.09.1428 pleger des Amtes Homburg (ebd. Nr. 5834 fol. 2).
Hans von Hermannshausen gen. Pf entwert, als Burggraf belegt von
25.07.1450 - 24.11.1455 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 272, HHStA Wiesbaden Abt. 149 Nr.
38-40, Neubauer, Andreas: Kegesten des Klosters Werschweiler,; Speyer 1921, Nr. 918).
Burggrafen zu Ottweiler
Johann von Dirmingen 1411 u. 1424 genannt (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 5281
fol. 1, Burg: Regesten Wadgassen Nr. 719), ohne Namen, nur Burggraf 1418 (LA SB Best.
N-Sbr.II Nr. 2593 fol. 2o recto).
Conrat von Otingen 1439 (ebd. Nr. 2261 S. 118).
Peter von Neumünster 1441- 01.10.1443 (ebd. Nr. 1515, Burg: Kegesten Wadgassen
Nr. 780).
NN 1445 (ebd. Nr. 3045 fol. 10).
Kellner zu Ottweiler
Sibel, als Kellner zwischen 07.06.1436 und 25.11.1445 belegt (ebd. Nr. 1549 u. 2261 S.
118).
Roßendale 1452 belegt (ebd. Nr. 2593 fol. 9 recto).
150
Amtmänner zu Kirchheim:
Peter von Rittenhofen, Amtmann zu Kirchheim wahrscheinlich von 1425 bis
1451 (HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 17o, LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 4627 fol. 4).
Graf Philipp belehnte ihn am 27.07.1425 mit dem Burglehen des verstorbenen Philipp
von Geispitzheim, ehemaligen Amtmannes zu IGrchheim, Elisabeth mit dem Burghaus in
Saarbrücken, das früher Heinrich von Bubenheim und dann Johann Fust von Diebach
gehört hatte. Im Mai 1438 wurde er von Elisabeth zu Erzbischof Dietrich von Köln ge-
sandt Philipps myns sons sines landes bestellunge wegen (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2 Nr.
4 fol. 40), 1442 ist er Mitsiegler des TeilungsVertrages der nassauischen Brüder (ebd. Abt.
150 Nr. 160), 1444 an den Verhandlungen über den Verkauf von Commercy beteiligt (LA
SB Best. N-Sbr. II Nr. 235), 1450 gehörte er mit seinem Bruder Hans zu den Ganerben
der Unterburg Homburg (Pöhlmann, Carl: Die Herren von Bitsch gen. G entersberg,, Neustadt
1933, Reg. Nr. 65).
1461 lebte er nicht mehr (LHA Koblenz Best.54 R 208).
Er war vermählt seit 1425 mit Grede, einer unehelichen Tochter des Grafen Philipp L,
(Kremer, Origines II Bd. 2 S. 415 nach dem Nekrolog des Klosters Klarenthal), dann in
zweiter Ehe mit Lise(?) von Sponheim ((HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk. vom
02.06.1442). Zur Familie vgl. oben Schultheißen zu Saarbrücken, Hans von Rittenhofen.
Amtmänner zu Commercy
Richard von Apremont, gouverneur en Roman pays pour monsignour le conte de Nassowen
et de Sarrebruche 1412 - 01.12.1420 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 6758, 6760, 6762, 6786,
6789, 6797, 6798). HHStA Wiesbaden Abt. 130 III D 2 Nr, 2.
Heinrich von Gebenhausen (Guewenho^en, Gewenhusen), gouverneur en Roman pays
amptmann %u Welschenlande 1423 - 07.02.1427 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 139, 173, 174,
3o44 fol. 8, HHStA Wiesbaden Abt. 130 I H G 2 b Nr. 1).
Johann Fust von Diebach 1427 (vgl. oben Amtmänner in Saarbrücken)
Michel von Castel, Ritter, gouverneur...en leur terre de Roman pays 15.10.1428 - 1430
(LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 153, 202 u. 3044 fol. 49 u. 51, AM Metz AA 25 Nr. 48-50, 84
u. 85). Er quittierte schon am 05.04.1426 eine Jahrgülte auf Marktgefälle {ventes du marchiez
de Commarcey - LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 6805), auch noch am 05.04.1431 (ebd. Nr. 177).
Er war Bruder des Lambrecht von Castel (s.unten) und vermählt mit Margarethe von Le-
noncourt, Frau von Florehenge, am 1.11.1431 war er schon tot, die Tochter Marie stand zu
diesem Zeitpunkt unter Vormundschaft der Mutter (ebd. Nr. 6814).
Philipp von Saarbrücken, capitain de Commercy par monseignour le conte de Sarrebruche
1432 - 31.03.1433 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 5859 (Rotulus), 6815, 6816).
H annemann von Saarbrücken (Hermand de Sarrebruche) April 1435 - 11.06.1440
als Gouverneur (Amtmann) in Commercy belegt (HHStA Wiesbaden Abt. 130 I II D 2
Nr. 4 fol. 1 u. G 2 b Nr.2, LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 193, 211, 212, 222 u. 3044 fol. 57,
151
63, 70, 78, Nr. 6822, 6825), sollte im Juni 1438 Verhandlungen in Metz führen (HHStA
Wiesbaden Abt. 130 I II G 2 b Nr. 2), vermutlich identisch mit dem am 10.12.1433 ge-
nannten Elisabeths „Diener“ H(er)man(n) (Varsberg-Korrespondenz Nr. 76).
Aufenthalt in Welschland schon 1417 und 1419 belegt (AD Meuse B 1530, LA SB Best.
N-Sbr.ll Nr. 6791).
Er war 1419 Mitglied des Saarbrücker Lehnsgerichtes, von Graf Philipp belehnt am
22.06.1424 u.a. mit Burghaus in Saarbrücken (HHStA Wiesbaden Abt. 3001 Nr. 17 fol.
238 f.). Er verzichtete 1423 auf Erstattung der im Dienste Graf Philipps erlittenen Schä-
den (LA SB Best. II Nr. 2443 S. 125-127), überbrachte persönlich wichtige Briefe Elisa-
beths im Januar 1432 an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen, im April 1432 an Anton
von Vaudémont nach Joinville, im Juni desselben Jahres an Herzog René nach Pont-ä-
Mousson (Varsberg-Korrespondenz Nr. 7, 8, 38 u.40), begleitete Elisabeth auf der Reise
nach Vézelise (vgl. den Beitrag von Jürgen Herold in diesem Band S. 244). Am 15.02.1435
verzichtete er auf alle Forderungen von seiten seiner Vorfahren und seines Stiefvaters Ul-
rich von Breidenbach (HHStA Wiesbaden Abt. 121). Eigenhändige Unterschrift auf
Schreiben vom 22.06.1440 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 6285).
1441 wird seine Frau Margarete als Witwe genannt, 1442 verzichtete sie gegenüber Elisa-
beth auf alle Ansprüche aus der Gefangenschaft ihres Mannes als Amtmann von Com-
mercy (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 228, HHStA Wiesbaden Abt. 121 Urk. vom 21.01.1442,
Hoppstädter, Burgmannenhäuser S. 154).
Hans Schaumberger 04.01.1443 - Frühjahr 1444 lieutenant in Commercy (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 3044 fol. 96), letzter nassau-saarbrückischer Amtmann in Commercy,
noch am 23.12.1443 berichtet er dem Grafen Johann, daß er dem Grafen von Vaudémont
und seiner Frau durch Boten einen Brief zustellen ließ, wahrscheinlich nach Joinville (ebd.
3044 fol. 121f.), übernahm den Rücktransport der nassauischen Fahrhabe aus Commercy
(ebd. Nr. Anm. 305).
1436-1439 Schultheiß in Saarbrücken (siehe oben).
Rentmeister (Recepveut) zu Commercy:
Jacque (Jacomin) de Vignot, Dekan des St. Nikolaus-Stiftes in Commercy, als
receveur belegt zwischen 1401 und 31.03.1444 (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 73, 106, 111, 119,
120, 122, 124-126, 136, 146, 151, 153, 174, 180, 182, 185-187, 190, 191, 194, 195, 197,
222, 229, 3044 fol. 59, 6761, 6764, 6765, 6772, 6774, 6779, 6781, 6788, 6789, 6793, 6796,
6797, 6799, 6800, 6808, 6809, 6813, 6814, 6816-18, 6820-27, 6831 u.6833). Robert von
Saarbrücken-Commercy hat ihm nach dem Verkauf des nassauischen Anteils vorüberge-
hend Güter entzogen (Dumont: Commercy, Bd. 1, S. 255 f.).
Rentmeister zu Bouconville
Gérard de Deneuvre 1417-1419 (AD Meuse B 1535), und wieder 1428-1430,
Jean de H au lxerelz, prevost et receveur 1427-1428 (ebd. Nr. 1538).
152
Jean de M andres, 1428-1430, 1447 prevost, chatelain et receveur pour la duchesse de Bar
(ebd. B 1539-1541).
Rentmeister zu Morley
Bertrand de 1£ O p i ta 1 1419-1420 (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 6758 u. 6762).
Prevost am 10.11.1432 nicht namentlich genannt (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 5859 fol. 1).
Personen ohne Amtsbezeichnung
Lambert (Lambrecht) von Castel, noble homme, Bruder des Michel von Castel,
Amtmann zu Commercy (s. oben). Er hat schon 1418 und noch 1443 Jahrgülten auf
Bannbacköfen und Marktgefälle in Commercy (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 6767, 6778,
6794, 6795, 6801, 6826), Mitschuldner des Grafen Philipp am 14.09.1426 (HHStA Wies-
baden Abt. 130 Nr. 137), Mitsiegler für Elisabeth am 17.10.1429 (LA SB Best. N-Sbr. II
Nr. 2854 fol. 1), erscheint als Berater in Angelegenheiten von Commercy am 17.03.1430
u. 24.08.1431 (ebd. Nr. 170 u. 205), vorgesehen zu Verhandlungen mit Bischof von Metz
am 24.04.1433 (Varsberg-Korrespondenz Nr. 53), Gläubiger Elisabeths 25.06.1434
(HHStA Wiesbaden Abt. 130 Nr. 153). Am 30.09.1441 erklärt er, für Hengste und Pferde,
die er als mann, diener und rait des Grafen Philipp u. seiner Frau Elisabeth abgeritten habe,
bezahlt worden zu sein (LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 1502). Im Jahr 1442 ist er Mitsiegler
des TeilungsVertrages zwischen den nassauischen Brüdern (HHStA Wiesbaden Abt. 150
Nr. 160), 1444 an den Verhandlungen über den Verkauf von Commercy beteiligt (LA SB
Best. N-Sbr.II Nr. 235). Ausweislich seines Siegels führte er einen Zickzackbalken im
Wappen.
Er war vermählt mit Katharina von Zweibrücken, einer Tochter Albrechts von Zweibrü-
cken, unehelicher Sohn Graf Walrams II. von Zweibrücken und der Sibille von Ixey (LA
SB Best. N-Sbr.II Nr. 6767, 6778 u. 6785), zu Albrecht von Zweibrücken: Pöhlmann,
Carl: Regesten der Grafen von Zweibrücken aus der Linie Zweibrücken, Speyer 1962, Reg.Nr. 819,
844, 883,914, 947, 984).
Dietsche Kolb von Geispolzheim, am 09.03.1435 spricht Elisabeth von
Diensten, die er und sein Bruder Konrad (s. Amtmänner zu Saarbrücken) ihrem Gemahl
u. ihr geleistet haben (LA SB Best. N-Sbr.II Nr. 6357).
Johann von Wolfstein, schon am 14.12.1415 Bürge für Graf Philipp (HHStA
Wiesbaden Abt.130 Nr. 113), Mitsiegler für Elisabeth am 21.06.1431 (AD Moselle H
3897), Schuldanerkenntnis Elisabeths gegenüber ihrem lieben getruwen Johann v. W. über
100 rh. fl., die er für sie an einen Kaufmann in Genf zahlte (HHStA Wiesbaden Abt. 130
Nr. 167), Inhaber verschiedener Lehen von Nassau-Saarbrücken, dazu und zur Familie
Klein, Hanns: „Das Gültbuch des Nassau-Saarbrücker Amtmannes Johann von Wolfstein
aus dem Jahre 1494“, in: Ztschr. Gesch. Saargegend 17/18 (1969/70) S. 209-228, weitere Er-
wähnung in Verbindung mit Elisabeth LA SB Best. N-Sbr. II Nr. 209.
153
154
Im Vorfeld von Saarbrücken: Frankreich und Burgund in der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts
Heinz Thomas
Frankreich und Burgund, das waren nach dem zum Beispiel im Journal des sogenannten
Bourgeois de Paris üblichen Sprachgebrauch seit dem Jahre 1410 Armagnac und Burgund.
Aber Armagnac, das war nicht nur in diesem Kontext für den oder die so Angesproche-
nen ein böses Schimpfwort1. Graf Bernhard VII. von Armagnac, dessen Tochter Bonne
1410 Herzog Karl von Orléans geheiratet hatte, den Sohn des 1407 von Leuten Herzog
Johanns Ohnefurcht von Burgund ermordeten Herzogs Ludwig, war nach Ansicht seiner
vielen Feinde ein grausamer Schlächter: Wann immer nach Streitereien zwischen den Par-
teien auf den Straßen von Paris ein Mordopfer gefunden wurde, sagte man2: Das hat ein
Armagnac getan. Die so Bezeichneten haben, soweit sie nicht aus der Grafschaft Armag-
nac stammten, diesen Namen nie akzeptiert, sondern ihn so verstanden, wie er gemeint
war, als Schimpfwort. Als ein Engländer vor Orléans Jeanne als putain des Armagnacs, Hure
der Armagnacs, verhöhnte, war das für die Pucelle eine zweifache Beleidigung3 4. Auch der
Bourgeois von Paris hat um diese schlimme Bedeutung des Namens gewußt: Karl VII.
und seine Anhänger, das waren für ihn Armagnacs, jedenfalls bis 1435. Danach wechselte
er den Namen, aus Armagnacs wurden Français, und im Bericht über die kampflose Beset-
zung seiner Stadt durch die einstigen Armagnacs avancierte Karl VII., bis dahin besten-
falls als dauphin bezeichnet, auf einmal zum roi de FranceA.
Im folgenden kann selbstverständlich nicht das gesamte Panorama der französisch-
burgundischen Geschichte von 1397 bis etwa 1440 ausgebreitet werden, es werden einige
Linien des Bildes der Vorgänge skizziert, wie es sich aus der Perspektive des Hofes ausge-
nommen haben könnte, deren Haupt Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau und zu
Saarbrücken, vom Tode ihres Mannes am 2. Juli 1429 bis zur Mündigkeit ihrer Söhne Phi-
lipp (1438) und Johann (1442) gewesen ist5. Dabei werden hin und wieder Themen oder
Motive, die in Elisabeths Romanen anklingen, gestreift werden, denen bei einem sozusa-
1 Beaune, Colette (Hg. u. Übsf.Joumal d'un Bourgeois de Paris de 1405 à 1449, , Paris 1990, S. 35, § 13, (zu
den Morden von 1410), u. S. 152 f. § 262, (zu den Erfolgen der Engländer von 1419). Vgl. Favier, Jean:
Artikel „Armagnacs et Bourguignons“, in: LexAIA, Bd. 1, München, Zürich 1980, Sp. 962 f. Allgemeine
Literatur: Autrand, Françoise: Charles VJ. La folie du roi, Paris 1986; Fresne de Beaucourt, G, du: Histoire
de Charles Hl, Bd. 1-6, Paris 1881-1891; Vale, M. G. A.: Charles VII, London 1974; Vaughan, Richard:
Philip the Bold, London 1962; Ders.: John the Fearless, London 1966; Ders.: Philip the Good, London 1970.
2 Journal (wie Anm. 1), S. 35, § 13.
3 Nach der Aussage von Jeannes Beichtvater Jean Pasquerel war diese doppelte Beleidigung die Antwort
auf einen Brief, der mit einem Pfeil zu den Engländern geschossen worden war: Assunt nova de la putain
des Armignacf Duparc, Pierre (Hg.): Procès en nullité de la condamnation de Jeanne d'Arc, Bd. 1, , Paris 1977, S.
394. Nach Fertigstellung des Aufsatzes erschien meine Veröffentlichung Jeanne dArc. Jungfrau und Tochter
Gottes, Berlin 2000, in den folgenden Anmerkungen wird noch nicht darauf verwiesen.
4 Erste Nennung Karls VII. als König im Bericht zum Jahre 1436: Journal (wie Anm. 1), S. 349, § 692.
5 Vgl. dazu den Beitrag von H. W. Herrmann in diesem Band S. 49-124.
155
gen normalen historischen Überblick über die Epoche kaum eine Bedeutung zugemessen
würde, zum Beispiel die Metzger von Paris6, die Verleumdung einer Königin7 oder die
Bedeutung des Herzogtums Berry mit seiner Kapitale Bourges für die Regierung Karls
VII8.
Schon das erste der bisher genannten Daten, der Todestag des Grafen Philipp, würde An-
laß zu einer Reflexion über Zusammenhänge zwischen dem Thema dieses Bandes und
den Vorgängen in Frankreich bieten: Zwei Wochen später, am Sonntag, dem 17. Juli
1429, wurde in der Kathedrale von Reims Karl VII. zum König geweiht und gekrönt, in
unmittelbarer Nähe zum Altar stand die Tochter eines Bauern aus dem Dorf Domremy,
das zum Erbe von Elisabeths Cousine Jeanne von Joinville-Bourlémont gehörte9. Aber
stellen wir das einstweilen zurück und greifen auf den Beginn der Geschichte zurück, so-
weit sie in diesen Themenkreis gehört.
Philipp, Graf zu Nassau und zu Saarbrücken
Zwischen Regnum und Imperium, unter diesen Titel könnte man das Wirken des Grafen
Philipp stellen10. Ich will im folgenden sehr knapp und in groben Zügen die Ereignisfolge
skizzieren, die mit dem Abschluß der Ehe Philipps mit Elisabeths von Vaudémont-
Joinville endete. Die dabei erkennbar werdenden Gegebenheiten und Entwicklungen sind
vielleicht am ehesten dazu geeignet, die im Thema angesprochenen Konstellationen
Frankreich und Burgund mitsamt ihren Rückwirkungen auf die darunter liegende regiona-
le Ebene halbwegs übersichtlich zu kennzeichnen.
Insbesondere in den letzten Jahren vor dem Sturz König Wenzels und dann am Anfang
von Pfalzgraf Ruprechts III. Königtum war das Interesse Philipps unverkennbar auf den
Osten gerichtet, wo sich ihm dank seiner Verbindungen zu Erzbischof Johann von Mainz
die Möglichkeit zu eröffnen schien, eine steile Karriere im Dienste Ruprechts anzutreten11.
Nach der mit Wenzels Absetzung einhergehenden Wahl des Pfalzgrafen zum römischen
König am 21. August 1400 avancierte Philipp für einige Jahre zu einem der wichtigeren
Helfer des neuen Königs. So wurde er im Juni 1401 vor allem wohl wegen seiner Zwei-
sprachigkeit mit der Leitung einer Gesandtschaft beauftragt, die in Paris über ein Bündnis
verhandeln sollte, und zwar mit Ruprechts Cousine, der Königin von Frankreich, Isabeau
de Bavière, sowie mit den Herzogen von Burgund und Berry12. Erstes Ziel der Allianz sollte
6 Vgl. u. bei Anm. 43.
Vgl. u. nach Anm. 90.
8 Vgl. u. nach Anm. 103.
9 Vgl. u. nach Anm. 126 und 145 f..
10 Vgl. Thomas, Heinz: „Philipp Graf zu Nassau und zu Saarbrücken“, in: Saarländische hebensbilder, Bd. 3,
Neumann, Peter (Hg.): Saarbrücken 1986, S. 11-42; zu einem Fehler in diesem Beitrag S. 186 u. Anm.
190.
11 Thomas: „Philipp“ (wie Anm. 10), S. 14 ff., bes. S. 22 ff.
12 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 4, hg. v. Julius Weizsäcker, 1882, Nr. 298, S. 354 f.
156
die Bekämpfung des von Wenzel zum erblichen Herzog von Mailand erhobenen Gianga-
leazzo Visconti sein, ln einer zweiten Ausfertigung der VerhandlungsVollmachten wurde
aber noch ein zweiter, näherliegender Widersacher genannt, nämlich Giangaleazzos
Schwiegersohn, Herzog Ludwig von Orléans, der jüngere Bruder König Karls VI13. Wir
wissen nicht einmal, ob Graf Philipp damals tatsächlich nach Paris gereist ist, jedenfalls
kam das angestrebte Bündnis nicht zustande, und wenig später muß Philipp sich die Frage
gestellt haben, ob es sinnvoll sei, sich weiterhin noch zu dem nach dem Abbruch seines
Italienzuges praktisch schon gescheiterten König Ruprecht zu bekennen, jedenfalls ver-
schwand er von nun an so gut wie vollständig aus dem Wirkungskreis des römisch-
deutschen Königtums und ist erst nach dem Tode des Pfälzers (18. Mai 1410) wieder auf-
getreten, als er sich für die Wahl des Markgrafen Jost zu Ruprechts Nachfolger einsetzte,
damit aber nur zum Förderer einer sich rasch verflüchtigenden Episode wurde14: Etwas
mehr als zwei Monate nach seiner Wahl (1. Oktober 1410) ist König Jost am 18. januar
1411 gestorben und hat damit seinem schon am 20. September 1410 von anderen Herren
gewählten Vetter Siegmund den Weg frei gemacht15. Graf Philipp hat auch unter Sieg-
mund gelegentlich im Bereich der Reichspolitik mitwirken dürfen, jedoch beschränkte
sich das auf einige wenige Geschäfte, von denen eins noch im Zusammenhang mit der
Erbfolge in Bar nach der Katastrophe von Azincourt zu berücksichtigen sein wird16.
Burgund und Orléans am Westrand des Reiches
Wenden wir den Blick nach Westen: Am 18. August 1402 hatte Herzog Ludwig von Or-
léans von dem schon erwähnten Markgrafen Jost von Mähren, einem Vetter des für abge-
setzt erklärten Königs Wenzel, die Pfandrechte an dem strategisch ungemein wichtigen
Herzogtum Luxemburg gekauft17. Graf Philipp hat noch einige Jahre gezögert, ehe er sich
offen zu dem neuen Herrn von Luxemburg bekannte18: Am 3. März 1406 wurde er zu
Soissons Lehnsmann Herzog Ludwigs von Orléans, nachdem er sich gemeinsan mit drei
anderen Herren der Region — dem Grafen Johann von Salm, Friedrich von Moers, Graf
zu Saarwerden, und Gerhard, Herr von Bolchen — verpflichtet hatte, dem Orléans in des-
sen Kampf gegen die Stadt Metz zu helfen: Ludwig wollte offenbar das erreichen, was
13 Vgl. das Regest der in Anm. 12 genannten Vollmacht.
14 Deutsche Keichstagsakten, Bd. 7, hg. v. Dietrich Kerler, 1877, S. 9 mit Anm. 1. Allgemein: Hoensch, Jörg K.:
Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle %ur Neuheit, 1368-1437, München 1996, S. 148 ff. Zusammenfas-
send: Thomas, Heinz: Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, Stuttgart 1983, S. 377 ff.
15 Vgl. zu der Wahl Josts vor allem Heimpel, Hermann: Die Lener von Gmünd und Straßburg 1162-1447, Bd.
2, Göttingen 1982, S. 637 ff.
16 Vgl. u. bei Anm. 70: Philipp unterstützte 1417/18 den Herzog Adolf von Berg beim Kampf um die
Markgrafschaft von Pont-à-Mousson, mit der Adolf von Siegmund am 4. Mai 1417 belehnt worden war.
17 Schoos, Jean: Der Machtkampf erwischen Burgund und Orléans unter den Herzogen Philipp dem Kühnen, Johann Oh-
nefurcht von Burgund und Ludwig von Orléans, Luxemburg 1956, S. 141 ff.; Nordberg, Michael: Les ducs et la
royauté. Études sur la rivalité des ducs d'Orléans et de Bourgogne 1392-1407, Uppsala 1964, S. 171 ff. Vgl. noch
die in Anm. 1 genannten Werke von Vaughan.
18 Nordberg: Les ducs (wie Anm. 17), S. 178 ff. mit den Quellen.
157
1324 Graf Johann von Luxemburg, König von Böhmen, nicht geschafft hatte, Metz, die
Mutter aller Freiheiten, seiner Herrschaft zu unterwerfen19. Daß der Bund mit Orléans für
Philipp eine „societas leonina“ sein würde, geht schon aus den Zahlen des ins Auge ge-
faßten Aufgebots hervor: Der Orléans, der hier weit von seinem Stammland operieren
würde, sollte mit 150 Mann ebensoviel Truppen stellen wie die vier Herren aus Lothrin-
gen zusammen. Die Umtriebe des Orléans am Westrand des römisch-deutschen Reiches
tangierten auch die Interessensphäre seines Vetters Johann Ohnefurcht von Burgund, und
zwar in fast schon existenzbedrohendem Ausmaß: Die Herrschaft über Luxemburg, die
sich nun auch noch auf die Freie Stadt Metz auszudehnen schien, bot die Möglichkeit, die
Verbindungslinien zwischen den oberen und den niederen Landen Johanns zu blockieren,
zwischen dem Herzogtum Burgund mitsamt der Freigrafschaft im Süden und der Graf-
schaft Flandern und ihren Annexen im Norden20.
Wie in solchen Fällen üblich, ordneten sich die regionalen Mächte nach den Vorgaben auf
der höchsten Ebene, und das führte zu einer Wiederbelebung der traditionellen Rivalität
zwischen den Fürstentümern Bar und Lothringen21. Herzog Karl von Lothringen sah sich
seit dem Mai 1407 einer Koalition gegenüber, die sich aus den Herzogen Ludwig von Or-
léans und Eduard (III.) von Bar zusammensetzte. Graf Philipp gehörte nach wie vor zur
Partei des Orléans, der Lothringer fand Unterstützung bei Burgund. Das war eine Kons-
tellation, deren Folgen auch nach dem Tod Ludwigs von Orléans am 23. November 1407
erkennbar blieben und trotz manchen Bündniswechsels unterschwellig die politische Sze-
nerie in Lothringen bis 1419 prägen würden: Die Herzoge von Lothringen und Burgund
auf der einen Seite, die von Bar und Orléans auf der anderen. Als einer der kleineren Brü-
ckenschläge über die Parteiungen hinweg kann die Hochzeit bezeichnet werden, die Graf
Philipp mit der Tochter von Herzog Karls II. Bruder Friedrich (Ferry) von Lothringen, des
Grafen von Vaudémont, im August 1412 gefeiert hat22. Die Ehe diente offenkundig zur
Besiegelung des Friedens, zu dem sich Graf Philipp nach dem für ihn unglücklich ver-
19 Zum Krieg von 1324 vgl. Die Metier Chronik des Jaiques Dex (Jacques d'Esch) über die Kaiser und Könige aus dem
Luxemburger Hause, hg. v. Georg Wolfram, Metz 1906, hier besonders die Reimchronik über den Vierher-
renkrieg, S. 84 ff., wo in Strophe 1, S. 84 Metz als die meire de franchise gepriesen wird.
20 Vgl. z. B. die Karte in Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 187, sowie den generellen Überblick über
Burgunds Expansion in: Großer Historischer Weltatlas, Bayerischer Schulbuch-Verlag (Hg.), Bd. 2, Mün-
chen 1970, S. 117 sowie die Karte „England und Frankreich im Spätmittelalter“, S. 118.
21 Vgl. allgemein: Parisse, Michel (Hg.): Hot bringen. Geschichte eines Grenßandes,. Deutsche Ausgabe v. Hans-
Walter Herrmann, Saarbrücken 1984; Mohr, Walter: Geschichte des Herzogtums Lothringen, Bd. 4, Trier 1986.
Zum 14. Jahrhundert und dem weitreichenden Abklingen der Rivalität zwischen Bar und Lothringen:
Thomas, Heinz, Zwischen Regnum und Imperium. Die Fürstentümer Bar und Lothringen in der Zeit Kaiser Karls
IV., Bonn 1973, bes. S. 316 ff. Zum folgenden Wiederaufleben der Rivalität hat der Konflikt zwischen
Lothringen und Frankreich um die Stadt Neufchäteau beigetragen, vgl. z. B. das Urteil des Pariser Par-
laments vom 1. August 1412 gegen Herzog Karl II., hg. v. Luce, Simeon: Jeanne d'Arc ä Domremy, Paris
1886, Preuves Nr. 20, S. 30-72. Das Urteil greift auf Vorfälle bis zum Jahre 1398 zurück, vgl. S. 41.
22 Dazu z. B. Ruppersberg, Albert: Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, Bd. 1, Saarbrücken 1908, S.
202f.
158
laufenen Krieg mit Lothringen und der Ermordung seines Lehnsherrn Orléans bereit ge
funden hatte.
Die französische Monarchie nach Maupertuis (1356):
Die Orchideenblüte der Familie Valois
Die französische Monarchie hatte sich nach der Katastrophe von Maupertuis/Poitiers
vom 19. September 1356 unter König Karl V. (1364-1380) erholen können, wobei mit
dieser leichthin gemachten Aussage die Leiden, die der Bevölkerung des Landes aufge-
bürdet worden waren, in keiner Weise zur Geltung gebracht werden können23. Beim Tode
Karls V. waren die territorialen Verluste, die der Friedensvertrag von Brétigny 1360 mit
sich gebracht hatte, weitgehend wettgemacht worden, die Grafschaft Armagnac zum Bei-
spiel stand wieder unter der Kuratel von Paris24. Die französische Monarchie, so schien es,
war aus dem neuerlichen Krieg mit England gestärkt hervorgegangen. Die an die Nor-
mannenzeit erinnernde Kriegs- und Beutelust, die Englands Ritterkönig Eduard, dessen
Sohn, den seit dem 16. Jahrhundert so genannten Schwarzen Prinzen, und einen Teil des
englischen Adels in so furioser Weise beflügelt hatte, war, so schien es, von inneren Wir-
ren, Bauern- und Bürgerrevolten, religiösen, häretischen Bewegungen, erstickt worden25.
in Frankreich aber verwandelte sich zur gleichen Zeit der Kindersegen König Johanns II.
in einen Fluch: Die Stabilisierung neuer oder die Konsolidierung bereits bestehender
Fürstentümer unter Prinzen königlichen Geblüts, Anjou, Berry, Burgund, Orléans, sie lie-
ßen die Monarchie nahezu in den Zustand gleiten, der das Zwillingsreich im Osten seit
jeher ausgezeichnet hatte26: Behauptung und Fortentwicklung der monarchischen Gewalt
wurden für mehrere Jahrzehnte in gravierender Weise beeinträchtigt. Allerdings sollten
über den Analogien zwischen dem Königreich Frankreich und dem römisch-deutschen
Imperium die prinzipiellen Unterschiede nicht übersehen werden: Herzog Ludwig von
Orléans hat zwar im Grenzgebiet zwischen den beiden Reichen eine Politik betrieben, die
deutsche und luxemburgische Landeshistoriker zum Anlaß nahmen, die Entwicklung in
Frankreich nach Maßgabe der deutschen Verhältnisse zu deuten: die Expansionspolitik
des Orléans schien geradezu auf die Etablierung eines Territorialstaates hinauszulaufen,
23 Vgl. Delachenal, R.: Histoire de Charles L, Bd. 1-5, Paris 1909-1931, bes. Bd. 4 u. 5. Vgl. noch die zahlrei-
chen Überblicke über den Hundertjährigen Krieg, z.B.: Perroy, Edouard: The Hundred Years War, London
1965 (Übersetzung von: Ta Guerre de Cent Ans, Paris 1965); Contamine, Philippe: Ta Guerre de Cent Ans,
Paris 1968; Allmand, Christopher: The Hundred Years War, Cambridge 1988.
24 Vgl. z.B. Perroy (wie Anm. 23), S. 160 ff.
25 Vgl. z.B. McKisack, May: The Fourteenth Century, 1307-1399, Oxford 1966, S. 398 ff.
26 Vgl. Gazelles, Raymond: Société politique, noblesse et couronne sous Jean le Bon et Charles V, Genf, Paris 1982,
vgl. bes. S. 498 ff.: „A l'avènement de Charles V ce qui substiste du royaume est, pour une bonne part,
divisé en grands fiefs et apanages...“; Léguai, André: „Fondements et problèmes du pouvoir royal en
France (autour de 1400)“, in: Schneider, Reinhard (Hg.): Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen
Vergleich, Sigmaringen 1987, S. 41-58, bes. S. 42 f. Vergleich zwischen Frankreich u. dem römisch-
deutschen Reich (um 1360): Thomas, Heinz: Deutsche Geschichte (wie Anm. 14), S. 244 ff.
159
wie er im Osten gang und gäbe war27. Aber bei aller Ähnlichkeit sollte doch nicht über-
sehen werden, daß das maßgebliche Zentrum von Ludwigs Politik der Hof zu Paris war
und blieb, das gleiche ließe sich, wenn auch schon mit einigen Einschränkungen, im Hin-
blick auf Burgund unter Philipp dem Kühnen und Johann Ohnefurcht konstatieren28: An-
laß für den dann in die Tat umgesetzten Mordplan Johanns Ohnefurcht war die weitrei-
chende Sperrung der ihm bis dahin aus den Quellen der Pariser Zentrale zugeflossenen
Subsidien und ein Revirement unter den königlichen Amtsträgern zugunsten der Klientel
des Orléans. Weitere Komponenten dieser sich vom Status des römisch-deutschen Rei-
ches unverkennbar abhebenden Strukturen des französischen Staatswesens waren: das
schon fast vollständige Monopol im Bereich der Münze29, die Existenz eines obersten Ge-
richts in Paris, des Parlements30, neben dem das Hofgericht des römischen Königs oder
Kaisers trotz der in jüngster Zeit unternommenen Aufwertungsversuche als quantité
négligeable erscheint31, dann die Pariser Universität, die nicht nur von ihren Professoren
als eine zentrale Basis von Frankreichs Identitätsbewußtsein kultiviert wurde32 — und
daneben gab es eine vom nahezu ständigen Krieg oder der Furcht davor genährte Besteu-
erung des Landes, von der ein römischer König oder Kaiser nur träumen konnte33.
Aber zurück zur Orchideenblüte der königlichen Familie: Ihre Konsequenzen stellten nur
eine Besonderheit der französischen Entwicklung im späten 14. und frühen 15. Jahrhun-
27 So vor allem Schoos: Der Machtkampf (wie Anm. 17), bes. S. 136 ff.; anders Nordberg: Les ducs (wie Anm.
17), S. 162 ff.
28 Vgl. die in Anm. 1 genannten Titel von Vaughan. Die Herzoge Philipp der Kühne (1364-1404) und Jo-
hann Ohnefurcht (1404-1419) haben zwar damit begonnen, ihre Territorien vom Königtum abzukap-
seln, zum Durchbruch kam diese Tendenz aber erst unter Philipp dem Guten (1419-1467), vgl. u. bei
Anm. 165 ff.
29 Vgl. Hennemann, |ohn B.: Royal Taxation in Fourteenth Century France. The Development of War Finanang,
1322-1356, Princeton 1971; Ders.: Royal Taxation in Fourteenth Century France. The Captivity and the Ransom of
John II, Princeton 1976.
30 Vgl. Autrand, Françoise: Artikel „Parlement“, in: LexMA Bd. 6, 1993, Sp. 1731 ff. mit der wichdgsten
Literatur.
31 Vergleich zwischen den höchsten Gerichten in Frankreich und im römisch-deutschen Reich: Thomas:
Deutsche Geschichte (wie Anm. 14), S. 251 ff. Vgl. die weit fortgeschrittene Serie: Diestelkamp, Bernhard
(Hg.): Urkundenregesten yur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, bisher Bd. 1-8. Nur ein ge-
ringer Anteil der hier registrierten Urkunden betrifft Prozesse, die vor dem Hofgericht geführt wurden.
Vgl. zu denen der Zeit von 1331 bis 1347 Thomas, Heinz: „Ludwig der Bayer: Reichspolitik und Lan-
despolitik“, in: Zschr. f. Bayer. Landesgesch. 60 (1997), S. 144-165, bes. S. 150 ff.
32 Zu Frankreichs Identitätsbewußtsein im Mittelalter vgl. u. a. Strayer, Joseph R.: „France -The Holy Land,
the Chosen People an the Most Christian King“ (1969), ND in: Ders.: Médiéval Statescraft and the Perspec-
tives ofHistory, Princeton 1971, S. 300-314; Beaune, Colette: The Birth of an Ideologe. Myths and Symbols of Na-
tion in Late-MedievalFrance, Berkley u. a. 1991 (Übersetzung von: Naissance de la nation France, Paris 1985).
33 Vgl. die Arbeiten von Hennemann (wie Anm. 29). Zur späteren Zeit: Rey, Maurice: Les finances royales sous
Charles RT. Les causes du déficit, 1388-1413, Paris 1965; Ders.: Le domaine du roi et les finances extraordinaires
sous Charles VT, 1388-1413, Paris 1965. In enger Wechselwirkung zum Steuersystem vollzog sich die
Entwicklung des Militärwesens, vgl. dazu Contamine, Philippe: Guerre, état et société à la fin du Moyen Age.
Études sur les armées des rois de France, 1337-1494, Paris u. a. 1972.
160
dert dar: Zerfall der Monarchie, der Alleinherrschaft des Königtums, wie sie Suger von
St.-Denis um 1140 in seiner Vita Ludwigs VI. vorgezeichnet hatte und wie sie dann in ei-
nem guten Jahrhundert von Philipp II. August (1180-1223) über Ludwig den Heiligen
(1226-1270) bis hin zu Philipp IV., dem Schönen (1285-1314), durchgesetzt worden war34.
Karl VI. schien das Land wieder in die gewohnte Richtung lenken zu können, als er am 3.
November 1388 in Reims die über Gebühr verlängerte Vormundschaftsregierung seiner
Oheime für beendet erklärte35 und danach mit Hilfe vor allem der Leute aus der Regie-
rung seines Vaters die Herrschaft übernahm36. Aber nur wenige Jahre später, am 5. August
1392, überfiel den König die Krankheit, die ihn zunächst periodenweise, am Ende dauer-
haft regierungsunfähig machte37. Das ist die zweite, zufällige, aber darum nicht minder
wichtige Besonderheit der Geschichte Frankreichs, die mit der anderen selbstverständlich
in enger Wechselwirkung stand. Frantisek Graus hat eine Studie über Karl VI., Richard II.
von England und den römischen König Wenzel unter den Titel gestellt38: Das Scheitern
von Königen. Ein wenig zugespitzt ließe sich dazu sagen: Wenzel und Richard II. sind
tatsächlich gescheitert, beide wurden abgesetzt, Richard ist aller Wahrscheinlichkeit nach
umgebracht worden. Karl VI. aber ist als König eigentlich gar nicht gescheitert. An eine
Absetzung des mit dem Himmelsöl von Reims gesalbten Königs hat allem Anschein nach
niemand ernsthaft gedacht: Karl blieb König, er war selbst für den Sieger von Azincourt,
König Heinrich V. von England die Quelle seiner Legitimation als künftiger König von
Frankreich, wobei allerdings dem Lancaster und seinem Helfer, Herzog Philipp von Bur-
gund, ein entscheidender Irrtum unterlief, denn eines konnte auch ein gesalbter König
von Frankreich nicht bewirken39 die Änderung des geltenden Thronfolgerechtes, das die
Frau als Trägerin und Vermittlerin des Erbes ausschloß.
In der Realität des politischen Alltags aber hatte die Krankheit des Königs selbstver-
ständlich enorme Auswirkungen: Sein Bruder Ludwig versuchte mit teilweise zwei-
felhaften Methoden, die monarchische Komponente von Frankreichs Staatswesen gegen
34 Suger: Vie de Fouis IT, le Gros, hg. v. Henri Waquet, Paris 1964. Zu den oben genannten Königen vgl. de-
ren Kurzbiographien von Joachim Ehlers, Ludwig Vones u, Jürgen Miethke in: Ehlers, Joachim u. a.
(Hggf.Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII., 888-1498, München 1996; Ehlers, J.:
Geschichte Frankreichs im Mittelalter, Stuttgart u. a. 1987.
35 Vgl. Autrand: Charles IM (wie Anm. 1), S. 163 ff. Zusammenfassend: Müller, Heribert: Karl VI., in dem
Anm. 34 genannten Sammelband, S. 303-320.
36 Autrand: Charles VI (wie Anm. 1), S. 165 ff.
37 Autrand: Charles LT, S. 289 ff.; R. Famiglietti: Royal Intrigue: Crisis at the Court of Charles IM (1392-1420),
New York 1986. Die Phasen von Krankheit und Gesundheit werden registriert in: Bellaguet, Louis-
François (Hg.): Chronique du Religieux de Saint-Denis), Bd. 1-6, Paris 1839-1852. Daß dieser „Religieux“ i-
dentisch ist mit Michel Pintoin, am Ende seines Lebens Kantor von St.-Denis, kann als gesichert gelten,
vgl. die Einleitung zum ND der Chronique (Paris 1994) von Bernard Guenée; Ders.: „Le portrait de
Charles VI dans la Chronique du Religieux de Saint-Denis“, in: Journal des Savants 1997, S. 125-165.
38 Graus, Frantisek: „Das Scheitern von Königen: Karl VI., Richard IL, Wenzel IV.“, in: Das Königtum (wie
Anm. 24), S. 17-39.
39 Vgl. zum folgenden: Scheidgen, Helmut: Die französische Thronfolge (987-1500): Der Ausschluß derFrauen und
das Salische Gesetz, Bonn, Phil. Diss. 1976; Beaune: The Birth (wie Anm. 32), S. 245 ff.
161
die Interessen vor allem des Herzogs von Burgund zu wahren und zu festigen, fiel dann
aber am 23. November 1407 dem Mordanschlag Johanns Ohnefurcht zum Opfer40. Der
Mörder hatte seine Tat gut vorbereitet, indem er und seine intellektuellen Helfer die Re-
gierung von Karls VI. Bruder als eine von Lastern schlimmster Art geprägte Tyrannis ver-
unglimpften und dabei auch die Person der Königin nicht verschonten. Johann Oh-
nefrucht hat sich wenige Tage nach dem Mord ganz offen zu seiner Tat bekannt und die
Tötung seines Vetters von dem Pariser Magister Jean Petit als notwendige Maßnahme ge-
gen einen Tyrannen rechtfertigen lassen41. Die Schlüssigkeit von Petits Beweisführung war
aber nicht für jedermann einsehbar, und so entstand ein Bürgerkrieg zwischen den An-
hängern des Burgunders und denen des Mordopfers42. Ausgefochten wurde dieser nicht
nur, aber doch vornehmlich um die Kapitale Paris, wo Johann Ohnefurcht über eine
schlagkräftige und brutale Anhängerschaft verfügte. Es waren vor allem die Metzger, die
Schlachter aus dem Hallenviertel, deren Ergebenheit er mit einer durchaus plausibel er-
scheinenden Polemik gegen die Steuerpolitik des Hofes sowie eindrucksvollen Reform-
vorschlägen gewann — und nicht zuletzt durch großzügige Verteilung von Wein aus Beau-
ne festigte43. Der gewiß nicht bedeutendste, aber doch bestbekannte Gefolgsmann des
Burgunders, Simon le Coustellier,, genannt Caboche, gehörte als Abdecker in den weiteren
Umkreis dieser oft blutrünstigen Bourguignons. Die in Elisabeths Romanen gegenüber
den Quellen schon etwas abgemilderten Schilderungen grausamer Kriegsführung und
Menschenschlächterei dürften von den Zeitgenossen in Frankreich kaum als Reminiszen-
zen an glücklicherweise lange verflossene, archaische Zeiten empfunden worden sein. Be-
stialität war schon vor dem Neubeginn des englisch-französischen Krieges im Jahre 1415
ein ganz normaler Bestandteil des Alltagslebens, und zwar nicht nur in der Hauptstadt,
über deren jahrzehntelanges Elend das Journal des sog. Bourgeois de Paris Auskunft gibt44.
Paris von 1412 bis 1436
Paris, um das an dieser Stelle zusammenzufassen, stand von 1412 bis Mitte 1413 unter der
Terrorherrschaft des Burgunders45, wurde im August 1413 von den Anhängern der Or-
léans übernommen46, die, wie erwähnt, seit etwa 1410 von ihren Feinden als Armagnacs
40 Guenée, Bernard: Un meurtre, une société. A assassinat du duc d‘Orléans, Paris 1992; zum Mord vgl. bes. S. 176
ff. c:; Vaughan: John the Yearless (wie Anm. 1), S. 44 ff.
41 Guenée: Un meurtre (wie Anm. 40), S. 180 ff.; Vaughan: John the Yearless (wie Anm. 1), S. 70 ff.
42 Guenée: Un meurtre (wie Anm. 40), bes. S. 221 ff.; Vaughan: John the Yearless (wie Anm. 1), S. 67 ff.
43 Guenée: John the Yearless (wie Anm. 1), S. 29 ff. u. 67 ff. Roger, Jean-Marc: Artikel „Caboche, Simon“ in:
LexMA Bd. 2, 1983, Sp. 1130 mit Literatur; Autrand, F.: Charles Id (wie Anm. 1), S. 470.
44 Journal (wie Anm. 1), passim.
4э Vaughan: John the Yearless (wie Anm. 1), S. 67 ff. Vgl. auch die Bande der Nouvelle Histoire de Paris'. Cazel-
les, Raymond: Paris de la jin du régne Philippe Auguste à la mort de Charles V, 1223-1380, Paris 1972; Favier,
Jean: Paris au XVe siècle, 1380-1500, Paris 1974.
46 Journal (wie Anm. 1), S. 69, § 82.
162
bezeichnet wurden. In der Nacht zum 29. Mai 1418 fiel die Stadt dann wieder in die Hän-
de der Burgunder, die ihren Sieg mit ausgedehnten Massakern feierten, denen u. a. auch
das Oberhaupt der anderen Partei, der Konnetabel Graf Bernhard VII. von Armagnac,
zum Opfer fiel47. Drei Jahre später wechselte wieder die Herrschaft: Am 1. Dezember
1420, sechs Monate nach dem Abschluß des Vertrags von Troyes zog König Heinrich V.
von England zusammen mit König Karl VI. von Frankreich sowie dem Herzog von Bur-
gund feierlich in seine zweite Kapitale, die von nun an für 15 Jahre, bis zum 13. April
1436, unter englischer Herrschaft stand48. Weder Heinrich noch nach seinem Tod sein
Bruder, Herzog Johann von Bedford, hatten Mühe, die durch Massaker, Hunger, Seuchen
und Flucht dezimierte und überwiegend burgundisch gesinnte Bevölkerung unter Kon-
trolle zu halten: Von Bedfords persönlicher Eskorte abgesehen, standen mitunter kaum
mehr als ein paar Dutzend englische Söldner als Besatzung in der Stadt49. Erst im Zu-
sammenhang mit der englischen Niederlage vor Orléans gab es Anlaß zum Mißtrauen.
Jeanne d‘Arc und ihre Mitstreiter haben offenbar geglaubt, daß ihr mit völlig unzu-
länglichen Mitteln unternommener Sturm auf Paris am Tage von Mariae Geburt, dem 8.
September 1429, Signal für einen Aufstand im Inneren der Stadt sein könne, aber das er-
wies sich als Irrtum, der von Bedford zum Kommandanten ernannte Jean de Villiers, Herr
de lTsle-Adam konnte Paris ohne Mühe behaupten50. Erst am 13. April 1436, sieben Mo-
nate nach dem in Arras geschlossenen Frieden zwischen Frankreich und Burgund (21.
September 1435) ist es den Truppen Karls VII. gelungen, die Hauptstadt zu besetzen, und
es war wohl eine bezeichnende Marginalie, daß der erste, der die Mauern von Paris auf ei-
ner Leiter überwand, niemand anders war als der inzwischen in Karls Dienste getretene
Herr de lTsle-Adam51. So weit die Skizze der Geschichte von Paris in der Zeit von 1409
bis 1436, deren englische Periode der dem Lager Karls VII. durchaus abgeneigte Bourgeois
de Paris in seinem Journal als eine Zeit der Trostlosigkeit charakterisierte: An den alten
Feinden von jenseits des Meeres ließ er kein gutes Haar; nur den Regenten Bedford,
Heinrichs V. jüngeren Bruder, hat er als einen halbwegs erträglichen Menschen gelten las-
sen52.
4~ Journal (wie Anm. 1), S. 109 ff., § 190 ff.
48 Zum Einzug Heinrichs V. in Paris vgl. Journal (wie Anm. 1), S. 162, § 291; Allmand, Christopher: Henry
V, London 1992, S. 153 ff. Allgemein: Thompson, Guy Llewelyn: Paris and its People ander English Kule.
The Anglo-Burgundian Regime 1420-1436, Oxford 1991.
49 Thompson: Paris (wie Anm. 48), bes. S. 94 ff.
50 Journal (wie Anm. 1), S. 265 ff., § 519; der Verfasser verweist (S. 268) darauf, daß die Mauern der Stadt
damals im wesentlichen von den Bürgern verteidigt wurden. An Schwergewappneten (hommes d‘armes),
habe es nur 40 bis 50 Engländer gegeben. Vgl. Thompson: Paris (wie Anm. 48), S. 106 ff. mit Verweis
auf weitere Quellen.
51 Journal (wie Anm. 1), S. 350, § 693.
52 Journal, S. 355 f., § 696.
163
Frankreich nach der Ermordung des Orléans bis Azincourt, 1408 — 1415
Zurück zu den Vorgängen nach dem Mord am Herzog von Orléans. Zwar gab es einige
Leute, die versuchten, den Konflikt zwischen dem Burgunder und seinen Feinden zu
schlichten, aber der Haß war zu stark und Johann Ohnefurcht zu intransingent, um die
Lage auch nur konsolidieren zu können53. Die Friedensbemühungen hätten vielleicht dann
doch noch zu einem Erfolg führen können, als König Heinrich IV. von England am 20.
März 1413 starb und sein gleichnamiger, damals 26jähriger Sohn die Krone übernahm:
Die schon unter Heinrich IV. geführten Verhandlungen der Engländer mit dem orléa-
nistisch dominierten Hof sowie mit Burgund wurden fortgeführt, lösten in Frankreich im
wesentlichen aber nur eine Debatte darüber aus, welcher der Parteien die Schuld am
Scheitern der Verhandlungen und damit an dem dann unausweichlich werdenden Krieg
zuzumessen sei54. Heinrich V. und seine Berater haben nie einen Zweifel an ihrer Über-
zeugung aufkommen lassen, daß sie keinen Raubkrieg führen, sondern nur dem Recht
zum Siege verhelfen wollten55. Unbezweifelbar ist freilich, daß die englischen Rüstungen
für den Kriegszug über See bereits im Gange waren, als die Gegenseite noch verhandeln
zu können glaubte.
Die englische Invasion stellte den Burgunder vor die Frage, ob er seine Position ge-
genüber England und dem von seinen Gegnern beherrschten Hof nicht revidieren und
trotz der Feindschaft mit den Orléanisten der Pflicht zur Verteidigung seines Königs
nachkommen müsse56. Am 11. Oktober, zwei Wochen vor Azincourt, glaubte man in Pa-
ris, Johann werde sogar in eigener Person an der Spitze seines Aufgebotes erscheinen, und
sein Sohn Philipp ist sogar bis ins Artois vorgerückt57. Aber keiner von beiden hat am 25.
Oktober 1415 an der Schlacht teilgenommen. Manche Anhänger Burgunds aber sind ih-
ren Pflichten nachgekommen, und ein großer Teil von ihnen hat das mit dem Leben be-
zahlt, darunter auch Johanns Bruder, Herzog Anton von Brabant, sowie der jüngere Bru-
der Herzog Karls von Lothringen, Ferry, Graf von Vaudémont, Elisabeths Vater58. Das
Oberhaupt der Orléanisten, der damals gerade 24 Jahre alte Herzog Karl von Orléans, ge-
riet in Gefangenschaft, aus der er erst 25 Jahre später, im Jahre 1440, entlassen wurde, zu
53 Religieux (wie Anm. 37), Bd. 3, S. 755 sowie Bd. 4, S. 91 ff. und Bd. 5, S. 79 ff
54 Zu England vgl. Allmand: Henry V (wie Anm. 48), bes. S. 61 ff.; zur Situation in Frankreich vgl. zusam-
menfassend Vaughan: John the Fearless (wie Anm. 1), S. 205 ff
55 Vgl. Heinrichs V. Manifest vom 28. Juli 1415, dessen Text der Religieux (wie Anm. 37) vollständig in sei-
ne Chronik inserierte: Bd. 5, S. 527 ff
56 Vaughan: John the Fearless (wie Anm. 1), S. 205 ff
57 Vaughan: John the Fearless, S. 208, vgl. dazu die Versuche des Bourgeois de Paris, die Untätigkeit der Bur-
gunder zu kaschieren: Journal (wie Anm. 1), S. 86 f., § 127 f.
58 Zu den zahlreichen prominenten Toten von Azincourt vgl. Journal (wie Anm. 1), S. 88, § 130; Le Rxligieux
(wie Anm. 37), Bd. 5, S. 571 ff Dazu Allmand: Henry K (wie Anm. 48), S. 83 ff; Autrand: Charles 17
(wie Anm. 1), S. 535 ff.
164
spät eigentlich, um auf das poetische Talent der Elisabeth noch maßgeblich einwirken zu
können59.
Der Tod von Azincourt: die Folgen in Bar und Lothringen
Zu den Toten von Azincourt gehörte auch Herzog Eduard III. von Bar, ein notorischer
Anhänger der Orleanisten, gehörte aber auch sein jüngerer Bruder Johann, Herr von Pui-
saye60. Der Tod der beiden Brüder hat zu einer sehr eigenartigen Konstellation im lothrin-
gischen Raum geführt - er wurde Ausgangspunkt der Vereinigung der beiden über Jahr-
hunderte hinweg um die Vorherrschaft der Region am Oberlauf der Maas rivalisierenden
Herzogtümer Bar und Lothringen — und das Ergebnis von Azincourt war auch eine der
Voraussetzungen für die Karriere der Tochter des Bauern Jacques d‘Arc aus Domremy61:
Die südliche Hälfte des Dorfes, in der Jeannes Elternhaus stand und noch immer steht,
gehörte zu den Besitzungen, welche die Familie Bourlemont vom Herzog von Bar zu Le-
hen hielt.
Der einzig mögliche direkte Erbe der beiden Toten von Azincourt, ihr Bruder Ludwig,
hatte schon früh die geistliche Laufbahn eingeschlagen62. Seine Karriere war beim Tode
der letzten seiner fünf Brüder schon zu weit fortgeschritten, um sich in den Laienstand
zurückversetzen zu lassen, denn nur zwei Jahre, nachdem der damals höchstens 20jährige
59 Vgl. Champion: Pierre, Vie de Charles d'Orléans, Paris 1910; Vitale-Brovarone, Alessandro: Artikel „Charles
d‘ Orléans“ in: LexAiA Bd. 2, 1983, Sp. 1728 f. Zwar hatte der Gefangene Verbindungen zu seiner Hei-
mat; so sorgte er für eine Belohnung der Pucelle, die seine Hauptstadt gegen seine Kerkermeister vertei-
digt hatte. Vgl. Quicherat, Jules: Procès de condamnation et de réhabilitation de Jeanne dArc dite Im Pucelle, Bd. 5,
Paris 1849, S. 112 ff. Germanisten verfahren bei der Aufzählung von Elisabeths Verbindungen im Hin-
blick auf den Orléans jedoch etwas zu großzügig, vgl. Mertens, Volker: Artikel „Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken“, in: LexAiA Bd. 3, 1986, Sp, 1836 f.: Die Gräfin habe über ihren Bruder Beziehungen zum
Hof Karls von Orléans gehabt. Dieser hatte jedoch bis 1440 keinen „Hof‘, und Anton war zumindest
bis 1431 ein überzeugter Bourguignon, mithin kein Orléanist. In Karls Biographie von Champion wird
Vaudémont nur einmal im Zusammenhang mit der Schlacht von Bulgnéville genannt. Vgl. dazu u. Anm.
152.
60 Zu den Toten der Familie Bar vgl. Herrmann, Hans-Walter: „Territoriale und dynastische Beziehungen
zwischen Nieder- und Oberlothringen im Spätmittelalter“, in: Rhein. Vjbll. 52 (1988), S. 107-149, hier S.
117 ff. sowie die „Genealogische Übersicht“, S. 149. Heinrich und Philipp, die beiden ältesten Brüder
Herzog Eduards, waren während des von Burgund geführten Kreuzzugs ums Leben gekommen, der mit
der Katastrophe vor Nikopolis (September 1396) geendet hatte; vgl. Religieux (wie Anm. 37), Bd. 3, S.
210. Eduard hatte sich anfangs wohl neutral verhalten, war aber 1413 von Anhängern Johanns Ohne-
furcht in Paris arretiert und zeitweise mit dem Tode bedroht worden, vgl. Religieux, Bd. 5, S. 20. Nach
seiner Befreiung war Eduard im Gefolge des Dauphin Ludwig ein unversöhnlicher Gegner des Burgun-
ders, vgl. Religieux, Bd. 5, S. 128 ff. sowie S. 380.
61 Vgl. (mit dem unentbehrlichen Quellenanhang), Luce: Jeanne dArc (wie Anm. 21). Guter Überblick über
den Forschungsstand: Tanz, Sabine: Jeanne dArc. Spätmittelalterliche Mentalität im Spiegel eines Weltbildes,
Weimar 1991. Dazu Thomas, Heinz: „Jeanne d’Arc und Domremy-Mentalität und dörfliche Realität“, in:
Göttingische Gelehrte Anzeigen 246 (1994), S. 110-126; zu den Herrschaftsverhältnissen in und um Domre-
my vgl. bes. S. 114 ff.
62 Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 119 ff.
165
Jüngling das Bistum Langres übernommen hatte (1395), war er vom Nachfolger Clemens*
VII., Benedikt XIII., ins Kardinalskollegium berufen worden. 1413 wurde er Bischof von
Chälons-sur-Marne, und wenig später, im Oktober 1415, mußte er dann zur Kenntnis
nehmen, daß seine Eltern ihm mit der Entscheidung, einen ihrer sechs Söhne der Kirche
zu offerieren, den Aufstieg zum Herzog von Bar verbaut hatten.
So mußte er sich am Ende mit dem Titel eines „Kardinals von Bar“ begnügen63. Zunächst
scheint Ludwig freilich mit dem Gedanken gespielt zu haben, das Erbe seines Hauses
selbst zu übernehmen. So gründete er am 31. Mai 1416 die Adelsgesellschaft vom Weißen
Windspiel, die Compagnie du Cevrier blanc, in der er 47 der Vasallen von Bar und Pont-ä-
Mousson versammelte und u. a. darauf verpflichtete, Gut, Ehre und Nutzen ihres Herrn,
des Kardinals, gegen jedermann zu schützen64.
Die Vereinigung des Adels von Bar und Pont-ä-Mousson in einer Compagnie war auch
eine Präventivmaßnahme gegen Ansprüche des Herzogs Adolf von Berg, der im Dezem-
ber 1400 die jüngste Schwester des Kardinals geheiratet hatte, der ihre Eltern wie ihrer er-
sten Tochter den Namen ihrer Großmutter Yolande (von Flandern) gegeben hatten65. Die
jüngere Yolande hatte zwar nach der Auszahlung ihrer Mitgift 1411 auf weitere An-
sprüche verzichtet und dies auch urkundlich bestätigt, aber nach Azincourt erklärte ihr
Gemahl, daß dieser Verzicht mit dem Tode von Yolandes beiden Brüdern hinfällig ge-
worden sei und scheint zur Begründung dieser Ansicht auf den wunden Punkt des Kardi-
nals verwiesen zu haben66: Dieser sei Geistlicher und könne daher die beiden Fürstentü-
mer der Familie Bar nicht übernehmen. Im Hinblick auf die vom römisch-deutschen
Reich lehnsrührige Markgrafschaft von Pont-ä-Mousson hat Herzog Adolf alsbald einen
mächtigen Bundesgenossen gefunden, den römisch-deutschen König Siegmund, dessen
Vater 1354 die Markgrafschaft gegründet hatte67. Siegmund hatte sich während einer Reise
quer durch Westeuropa am 15. August 1416 mit König Heinrich V. von England gegen
den mit ihm eng verwandten König von Frankreich verbündet68. Zwar hatte Herzog
Adolf bis dahin nicht eben zu den Freunden Siegmunds gehört, aber da Adolfs Anspruch
auf das Erbe des Hauses Bar nunmehr nahtlos in Siegmunds Politik paßte, entsprach der
63 Zu dem von Ludwig in seinen Urkunden geführten Titel vgl. Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60),
S. 120, Anm. 36: par la graice de dieu Cardinal duc de Bar (nach unserem Usus würde hier freilich zwischen
Cardinal und duc ein Komma gesetzt werden.). Nachdem René 1424 das Herzogtum Bar übernommen
hatte, wurde das Wort duc gestrichen; vgl. z. B. Luce: Preuves Nr. 210, S. 239-41 vom 13. April 1429.
64 Herrmann: „Beziehungen“, S. 120 mit Verweis auf Collin, Hubert: „Après Azincourt. Bar, Capitale du-
cale et la compagnie du Levrier blanc (1416)“, in: Bulletin des Soc, d'Histoire et d'Archéologie de la Meuse 12
(1975), S. 29-46.
65 Herrmann: „Beziehungen“, S. 117 ff. Zu Yolande von Flandern, der das Verdienst zukam, den Grafen
von Bar den Aufstieg in den Fürstenstand geebnet zu haben, vgl. Thomas: Zwischen Regnum und Imperium
(wie Anm. 21), passim, bes. S. 73 ff.
66 Herrmann: „Beziehungen“, S. 120 mit Anm. 57.
6~ Herrmann: „Beziehungen“, bes. S. 121 ff.
68 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 7, hg. v. Dietrich Kerler:, 1877, Nr. 224 ff., S. 332 ff. Vgl. Hoensch: Kaiser Si-
gismund (wie Anm. 14), S. 232 ff.
166
König dem Ersuchen des Herzogs und belehnte ihn am 4. Mai 1417 mit der Mark-
grafschaft sowie allen anderen Besitzungen der Familie Bar, die rechts der Maas gelegen
waren69 70. Indes war die Belehnung eine Sache, die Inbesitznahme eine andere. Adolf hat
sich ungewöhnlich lange intensiv darum bemüht, seine Ansprüche in Oberlothringen
durchzusetzen und ist damit erst gescheitert, als er im Frühjahr 1422 in Gefangenschaft
geriet; indes kann diese letzte Phase hier unberücksichtigt bleiben.
Bemerkenswerter ist die erste von Adolfs Militäraktionen, die der Herzog im Herbst 1417
begonnen hat, und zwar mit Unterstützung durch Herren der Region in Oberlothringen,
darunter auch Elisabeths Gemahl Philipp'0. Dieser Vorstoß hatte weitreichende Folgen,
denn der Kardinal entdeckte nunmehr den enormen Vorteil, den ihm seine älteste
Schwester bei der Abwehr des Ehemannes der jüngsten bieten konnte: Yolande die Ältere
hatte 1379 König Johann von Aragon geheiratet; aus dieser Ehe war eine Tochter hervor-
gegangen, die wiederum nach ihrer Urgroßmutter Yolande benannt worden war und es
gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Herzog Ludwig II. von Anjou, König von Sizilien,
verstanden hatte, ihre Tochter Marie am 18. Dezember 1413 mit Karl, dem Sohn König
Karls und der Isabeau von Bayern, zu verloben71.
Dieses Ereignis gehörte in den Zusammenhang der Auseinandersetzung am Ende der ers-
ten Phase burgundischer Herrschaft über Paris, als Johann Ohnefurcht am 23. August
1413 Hals über Kopf die Hauptstadt verließ und die anderen Prinzen der königlichen
Familie sich endlich einmal geschlossen gegen den Burgunder stellten72 Damals schickte
Herzog Ludwig II. die mit seinem gleichnamigen Sohn ordnungsgemäß verheiratete Ka-
tharina zu ihrem Vater Johann Ohnefurcht zurück und gab seinem Sohn eine Tochter des
Herzogs von Bretagne zur Frau73. Das war ein Affront, den der Burgunder dem Anjou bis
zu dessen Tod (1417) nicht verziehen hat, und dementsprechend besiegelte die auf die
Verstoßung von johanns Tochter folgende Verlobung Karls (VII.) mit Marie dcAnjou ei-
ne Allianz, deren antiburgundische Prägung noch lange wirksam bleiben sollte74. Den
Kardinal von Bar dürfte dieser Aspekt jedoch zunächst weniger interessiert haben, als die
Hilfe, die ihm Maries Mutter gewähren konnte. Unter Hinweis darauf, daß Yolande die
Ältere bei der Heirat mit dem König von Aragon keine Aussteuer erhalten hatte, haben
69 Edition der Urkunde: Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 144 ff.
70 Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 123 f.
71 Religieux (wie Anm. 37), Bd. 5, S. 230: Der König war damals krank. Maßgeblich für die Verlobung war
auf der Seite des Bräutigams dessen Mutter Isabeau. Zu Yolande (der Tochter Yolandes der Älteren,
Schwiegermutter Karls VII.) vgl. Contamine, Philippe: Artikel „Yolande d'Aragön“, in: I^exMA Bd. 9,
1998, Sp. 414 f.
Religieux, Bd. 5, S. 148 ff.
73 Religieux, Bd. 5, S. 160: Et h[ae]c mutabilitas ... inter eos (sc. regem Sicilie et ducem Burgundie), inexpiabilis odii fomi-
tem ministravit.
74 „Die Partei der Angiovinen“ ist ein Topos bei der Schilderung von Karls VII. Hof. Vgl. z.B. Vale: Charles
VII (wie Anm. 1), S. 22 ff. Oft wird übersehen, daß diese Partei, was die Familie Anjou betrifft, bis in
die dreißiger Jahre hinein aus nur zwei Frauen bestand: Karls Schwiegermutter Yolande und seiner Frau
Marie; letztere scheint sich sehr zurückgehalten zu haben.
167
deren Tochter und ihr Bruder, der Kardinal, sich darauf geeinigt, daß die beiden Fürsten-
tümer Bar und Pont-ä-Mousson auf die Nachkommen Yolandes der Älteren übergehen
sollten,75 und ergänzt wurde dieser Coup durch einen im Frühjahr 1419 vereinbarten E-
hebund zwischen dem damals zehnjährigen René und der etwa gleichaltrigen Isabella, der
Tochter Herzog Karls von Lothringen, die nach dem Willen ihres Vaters dessen Fürsten-
tum erben sollte76. Der wohl von Philipp dem Guten inspirierte Versuch König Heinrichs
V., kurz vor dem Vertrag von Troyes die Allianz zwischen Anjou und Lothringen durch
das Angebot einer Ehe zwischen Isabella und seinem Bruder Bedford zu verhindern,
schlug fehl77: Am 24. Oktober 1420 hat der Kardinal René und Isabella getraut und
zugleich die Regierung der Fürstentümer Bar und Pont-ä-Mousson dem Schwiegervater
seines Großneffen überantwortet, die Herzog Karl bis zu Renés Volljährigkeit (im Januar
1424) ausüben sollte, während er selbst sich als Bischof nach Verdun transferieren ließ,
von wo aus er gegebenenfalls rasch zu Hilfe gerufen werden konnte.
Renés Etablierung in Bar und seine Hochzeit mit Isabella von Lothringen ließen die Zeit-
genossen darüber rätseln, welcher der beiden um Frankreichs Krone kämpfenden Partei-
en die beiden Herzogtümer künftig zuneigen würden: der anglo-burgundischen unter
Heinrich V. und Philipp dem Guten oder aber den seit dem Mord von Montereau vom
Dauphin Karl geführten Armagnacs: Herzog Karl galt bis dahin als Anhänger Burgunds
und soll von Johann Ohnefurcht nach dem Tode des Grafen von Armagnac sogar zum
Konnetabel Frankreichs ernannt worden sein,78 der neue Herzog René aber war der
Schwager des Dauphin.
Der Dauphin Karl — von Montereau zum Vertrag von Troyes
Karl, geboren 1403 als zweitjüngster der sechs Söhne König Karls VI. und der Isabeau
von Bayern, war erst mit dem Tode seines Bruders Johann am 4. April 1417 zum Thron-
folger avanciert79. Als die Anhänger Burgunds in der Nacht zum 29. Mai 1418 die Haupt-
stadt überrumpelten, wurde der gerade 15 Jahre alte Dauphin von Amtsträgern des Gra-
75 Vgl. allgemein Vitolo, Giovanni: Artikel „René von Anjou“, in: LexMA Bd. 7, 1995, Sp. 727 f; Giradot,
Alain: „Les Angevins, ducs de Lorraine et de Bar“, in: Le Pays Lorrain 1978, S. 118. Zu Renés Frühzeit:
Duvernoy, Emile: „Documents sur les débuts de René d'Anjou dans les duchés de Lorraine et de Bar
(1419-1431)“, in: Annuaire de la Société d'Histoire et d\Archéologie de la Lorraine 39 (1930), S. 55-74. Weitere
Literatur s. Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 126, Anm. 97. Wegen seines Quellenanhangs
noch immer unentbehrlich: Lecoy de la Marche, A.: Le roi René, Bd. 1- 2, Paris 1875.
76 Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 127 f. mit Literatur; Mohr: Geschichte (wie Anm. 21), Bd. 4,
S. 60 f.
Vgl. Mohr: Geschichte (wie Anm. 21), Bd. 4, S. 61 mit Anm. 545. Danach hat Heinrich am 18. März 1420
zwei Gesandte mit dem oben genannten Angebot nach Lothringen gesandt. Zur Hochzeit vgl. ebd. so-
wie Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 128. Zur Volljährigkeit des am 9. Januar 1409 gebore-
nen René vgl. u. Anm. 120.
8 Mohr: Geschichte, Bd. 4, S. 58 mit Anm. 523. Ausgeübt hat der Herzog dieses Amt nie.
9 Beaucourt: Histoire de Charles L77 (wie Anm. 1); Vale: Charles LTI (wie Anm. 1); Müller, H.: in dem Anm.
32 zitierten Sammelband, S. 321-336.
168
fen von Armagnac in Sicherheit gebracht. Weniger der Mord am Bruder seines Vaters im
Jahre 1407 als der Schrecken dieser Flucht und die Wut über das dubiose Verhalten seines
Vetters von Burgund im Krieg gegen die Engländer dürften für ihn Anlaß zu dem fatalen
Entschluß gewesen sein, den Mörder von 1407 in eine Falle zu locken und massakrieren
zu lassen80. Richard Vaughan hat die Behauptungen Karls VII. und seiner Anhänger, daß
es sich bei der Tat auf der Seine-Brücke von Montereau am 10. September 1419 um einen
zufälligen, durch eine verdächtige Bewegung des Opfers provozierten Totschlag gehan-
delt haben könnte, überzeugend als unzutreffend erwiesen: Es war vielmehr ein geplanter,
heimtückischer, mit Axthieben auf den ungeschützten Kopf des sich vom Kniefall vor
dem Dauphin erhebenden Opfers ausgeführter Mord, der sicherlich mit Wissen, wahr-
scheinlich sogar auf Befehl des Thronfolgers verübt worden ist81.
Zu den Folgen des Verbrechens, das nicht einmal Jeanne d’Arc in Abrede gestellt hat,82
gehörten das Bündnis von Johanns Sohn Philipp des Guten mit Fleinrich V. vom 25. De-
zember 141983, die Enterbung des Thronfolgers durch den damals noch unter burgundi-
scher Kuratel stehenden Vater am 17. [anuar 142084, und schließlich der Vertrag von
Troyes vom 21. Mai 142085.
Bei diesem Vertrag handelt es sich um ein in Form von zwei Privilegien abgeschlossenes
Abkommen zwischen den Königen Karl VI. von Frankreich und Heinrich V. von Eng-
land, das Heinrich als Gemahl von Karls Tochter Katharina zum Erben Frankreichs er-
klärte und in zahlreichen Punkten die Modalitäten festsetzte, nach denen das Königreich
80 Vaughan: John the Fearless (wie Anm. 1), S. 263 ff. Zur Diskussion um die Beteiligung des Dauphin vgl.
bes. S. 274 ff. Zweifel an der Schuld des Dauphin äußert Autrand, F.: Charles 17 (wie Anm. 1), S. 574:
„Un crime prémédité?“
81 Vaughan: John the Fearless, S. 274ff.
82 Jeanne wurde im Prozeß von Rouen danach befragt, ob ihr König gut daran getan habe, den Herzog von
Burgund zu töten. Sie erwiderte: quod hoc fuit magnum damnum pro gern Franck; et quicquid esset inter ipsos duos
principes, Deus misit eam ad succursum regis Franck. Text: Tisset, Pierre u. Lanhers, Yvonne (Hgg,): Procès de
condamnation de Jeanne dArc, Bd. 1, Paris 1960, S. 175.
83 Bonenfant, Paul: Du meurtre de Montereau au traité de Troyes, Brüssel 1958, S. 128 mit Verweis auf die
Quelle: Ordonnances des roys de France de la troisième race, Bd. 12, Paris 1777, S. 273 ff. Die Ordonnanz wurde
erst am 9. Februar in 35 Exemplaren ins burgundische Frankreich expediert und am 13. Februar in Paris
publiziert, vgl. Bonenfant, S. 130.
84 Bonenfant: Du meurtre, S. 98 ff. Der Vertrag mit Burgund wurde von Heinrich V. am 25. Dezember 1419
bestätigt vgl. Bonenfant, S. 111.
85 Ediert u. a. in: Ordonnances (wie Anm. 85), Bd. 11, Paris 1769, S. 86 ff.; Cosneau, E.: Fes grands traités de la
Guerre de Cent Ans, Paris 1889, S. 100-115. Vgl. Richard, Jean: Artikel „Troyes, Vertrag von“, in: FexMA
Bd. 8, 1997, Sp. 1067 f. Gegen die dort genannten Darstellungen deutscher Provenienz bleibt festzuhal-
ten: Im Vertrag von Troyes ist die Enterbung Karls VII. nicht erwähnt, sondern stillschweigend als be-
reits vollzogen vorausgesetzt worden. Karls VI. Sohn wird lediglich in § 29 erwähnt: Keiner der beiden
Könige, aber auch nicht der am Vertrag eigentlich gar nicht beteiligte Herzog von Burgund, durfte mit
Karl, der sich Dauphin von Vienne nenne, ohne Zustimmung der anderen verhandeln. Nach Karls VI.
Rückkehr in die Hauptstadt fand dort im Dezember 1420 noch ein feierliches Gerichtsverfahren gegen
den Dauphin statt, ein lit de justice, das die Aberkennung der Erbrechte des Dauphin ebenfalls schon vor-
aussetzte und bekräfdgte, vgl. Bonenfant: Du meurtre, S. 176 ff
169
künftig in Personalunion von Heinrich V. und dessen Erben regiert werden sollte. Der
Vertrag von Troyes galt und gilt in Frankreich durchweg als ein schändliches, von Eng-
land und Burgund dem Königreich oktroyiertes Diktat. Gelegentliche Einwände gegen
diese Einschätzung können nicht überzeugen86. Ein Diktat war der Vertrag von Troyes
ganz gewiß, allerdings kann der burgundische Anteil daran als eher geringfügig eingestuft
werden87. Die englischen Zugeständnisse, zum Beispiel im Hinblick auf die Übernahme
cies Königstitels erst beim Tode Karls VI., hatte Heinrich schon gewährt, noch ehe dem
Burgunder der Zugang zu den Beratungen gestattet worden war: Heinrich V. hat den
Herzog von Burgund bis zu seinem Tode als einen läsdgen, nie aber als einen ebenbürti-
gen Partner angesehen und ihm dies gelegentlich auch sehr deutlich zu verstehen gegeben.
Nach Ansicht von rovalistisch gesinnten Zeitgenossen basierte der Vertrag von Troyes
auf einem prinzipiellen Fehler, auf Unrecht. Denn die Erklärung über die Enterbung des
Dauphin vom 17. Januar 1419 hätte nach Ansicht der Verteidiger von Karls VII. Recht
auf Frankreichs Krone selbst dann keine Wirkungskraft gehabt, wenn dessen Vater Herr
seines Willens gewesen wäre88. Nicht unerheblich für unseren Zusammenhang ist noch ein
Hinweis auf folgendes Detail: Die Rechtmäßigkeit von Karls VI. Verfügung einmal vor-
ausgesetzt wäre nach den Regeln des in Frankreich geltenden Erbrechts zunächst, d. h.
vor dem in eine ganz andere Richtung weisenden Vertrag von Troyes, nicht etwa Philipp
von Burgund zum Thronfolger aufgestiegen, sondern sein Vetter Ludwig III. von Anjou
und nach diesem dessen Bruder René, der Erbe des Herzogtums Bar89. Diese im Hause
Frankreich selbstverständlich bekannte Konstellation wird beim Urteil über die Rolle des
Hauses Anjou im Kampf um Frankreichs Krone nur selten in angemessener Weise be-
rücksichtigt.
86 Kritik an der einhelligen Verdammung des Vertrags durch seine Landsleute übt Markale, Jean: Isabeau de
Bavière. Die Wittelsbacherin auf Frankreichs Thron, München 1994, S. 341 ff. Der Autor übersieht u. a., daß
der Vertrag es Heinrich freistellte, den Krieg um die Krone Frankreichs weiterhin mit englischen Söld-
nern zu führen, besonders herausgehobene Posten auch mit Engländern zu besetzen etc. So wurde der
Graf von Salisbury 1422 zum gouverneur der Grafschaft Champagne ernannt und hat in dieser Eigenschaft
auch im Grenzgebiet an der Maas gewirkt, vgl. allgemein Williams, E. Carleton: My Ford of Bedford. 1389-
1435, being a Fife of John of Fancaster, first Duke of Bedford, brother of Henry V and Regent of France, London
1963, S. 106 ff.; zu Einzelheiten vgl. Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 76, S. 118 £, Nr. 87,
S. 134 mit Anm. (usw.),
87 Vgl. zum folgenden Bonenfant: Du meurtre (wie Anm. 83), Annexes Nr. 5 (ca. 27. Sept.-l. Okt. 1419).
88 Karl VII. stand bis zum Erscheinen Heinrichs V. in Troyes (20. Mai 1420) unter burgundischer Kuratel,
danach wechselte er unter die der Engländer. Der Einfluß des Burgunders auf den Hof hatte freilich sei-
ne Grenzen dort, wo es um den Bestand der Territorien von Frankreichs Krone ging, vgl. die Bemer-
kung von Bonenfant: Du meurtre (wie Anm. 83), S. 164 ff.
89 Das Recht auf den Thron richtete sich nach der Sohnesfolge im Königshaus. Demnach wären zunächst
die Nachkommen König Karls V. erbberechtigt gewesen, d. h. nach König Karl VI. die (legitimen) Söh-
ne des ermordeten Herzogs von Orléans. Diese wurden seit Azincourt von den Engländern gefangen-
gehalten. Nach ihnen standen die Nachkommen der Söhne König Johanns IL. Ludwig (I.) von Anjou
war nach König Karl (V.) der Zweitälteste, Philipp (der Kühne) von Burgund der jüngste von Johanns
Söhnen. Vgl. Thomas, H.: Johann IL, in dem Anm. 34 genannten Sammelband, S. 267 f.
170
Das Gerücht über Karls VII. uneheliche Geburt
Die Enterbung des Sohnes durch den Vater hat in jüngerer Zeit mehrfach für Verwirrung
gesorgt. Der Dauphin, so wird unterstellt, sei für enterbt erklärt worden, weil er von sei-
ner Mutter Isabeau beim Ehebruch empfangen worden sei90. Wie andere vor ihr hat sich
z. B. Hedwig Röckelein in einem Beitrag zur Geschichte der Jeanne d'Arc auf eine Kron-
zeugin berufen, die das Rätsel um Karl VII. gewiß am ehesten hätte aufklären können91.
Es sei Karls Mutter gewesen, die behauptet habe, der Dauphin „sei ein illegitimer Sohn
Karls VI.“, und Isabeau hätte ihm „damit die Rechtsgrundlage des Anspruchs auf die
französische Krone“ entziehen wollen. Diese Aussage wäre naturgemäß gleichbedeutend
gewesen mit dem Geständnis: „Ich habe die Ehe gebrochen. Ich war, bin eine Hure.“
Selbstverständlich hat Isabeau so etwas nie gesagt. Indes hat auch Heribert Müller in sei-
ner brillanten Skizze über Karl VII. den Sachverhalt nicht ganz zutreffend umschrieben92:
„Daß der Dauphin an seiner Legitimität auf Grund einer möglicherweise unehelichen Ab-
stammung zweifelte, ... ist durch keine Quelle zu belegen.“ Das ist zwar nicht falsch, für
den mit der Materie nicht vertrauten Leser aber ein wenig irreführend; denn es gibt einen
Zeugen aus dem Umkreis Karls VII., der unmißverständlich über das Gerücht berichtet,
Karls Mutter habe den Sohn beim Ehebruch empfangen, und Autor dieser Schrift war
nicht etwa ein heimlicher Gegner Karls VII., sondern einer seiner Panegyriker, der Mönch
Jean Chartier von St. Denis, den der König 1437 damit beauftragt hat, die Chronik des
Michel Pintoin fortzusetzen, d. h. eine sozusagen amtliche Darstellung seiner Regierungs-
zeit zu schreiben93. Karls Mutter, so heißt es im Kapitel über deren Tod, habe wegen der
Mißgunst der Engländer ihren Lebensabend ganz unstandesgemäß verbringen müssen. So
hätten die Engländer ihr viel Leid mit der Behauptung zugefügt, ihr Sohn Karl, der Dau-
phin, sei illegitim und könne deshalb die Krone Frankreichs nicht erben.
Bei näherer Untersuchung dieser und voraufgegangener Propagandaaktionen gegen die
Königin ergibt sich, daß Isabeau schon kurz vor der Ermordung Herzog Ludwigs von
Orléans (1407) des Ehebruchs bezichtigt worden war. Vermutlich in diesem Zusammen-
hang dürfte auch ihr Name Isabelle in Anspielung auf die Ehebrecherin Isold (Jsot) in
90 Diese Erklärung für die Enterbung des Dauphin findet sich z. B. bei Nette, Herbert: Jeanne d'Arc in
Selbst^eugnissen, Hamburg 1977, S. 12, der überdies meint, es sei Karls Mutter gewesen, die den König da-
zu gebracht habe, seinen Sohn für illegitim zu erklären. Steinbach, Hartmut: Jeanne d'Arc. Wirklichkeit und
Legende, Göttingen u. a. 1978, S. 8: „Unter dem Einfluß seiner Frau Isabeau ließ er (Karl VI.) sich 1420
im Vertrag von Troyes sogar dazu mißbrauchen, seinen Sohn unter Anzweiflung seiner legitimen Ab-
stammung zu enterben....“
91 Röckelin, Hedwig: „Jeanne d‘Arc als Konstruktion der Geschichte“, in: Röckelin, Hedwig u. a. (Hgg.):
Jeanne d'Arc oder Wie Geschichte eine Figur konstruiert, Freiburg u. a. 1996, S. 12 f. Ähnliche Unterstellungen
vgl. Anm. 75. Vgl. zum gesamten Sachverhalt Thomas, H.: „Vom höfischen Gerede zum Rufmord. Die
Kampagnen gegen die Königin Isabeau von Frankreich“, in: Haubrichs, Wolfgang u. a.(Hgg.): Grenzen er-
kennen, Grenzen überwinden. Festschrift für Reinhard Schneider, Saarbrücken 1999, S. 333-351.
92 Müller: Kari VII., in dem Anm. 34 genannten Sammelband S. 324.
93 Chartier, Jean: Chronique de Charles VII, roi de France, hg. v. Vallet de Viriville (Hg.), Bd. 1, Paris 1858, §
108, S. 208 ff.
171
Isabeau verballhornt worden sein94. Verantwortlich für diese Rufmordkampagne war Her-
zog Johann Ohnefurcht, der wohl nicht ganz ohne Anhaltspunkte das Gerücht kultivieren
ließ, die Königin unterhalte unerlaubte Beziehungen zu ihrem Schwager, Johanns späte-
rem Mordopfer Ludwig von Orléans. Es ist wenig wahrscheinlich, daß mit diesem seit
1405 verbreiteten Gerede bereits explizit die Legitimität von Isabeaus fünftem Sohn (*22.
Februar 1403) bestritten werden sollte, denn Karl war damals noch durch zwei ältere Brü-
der von der Position des Thronfolgers getrennt und bot damit kaum ein lohnendes Ziel
für politisch motivierte Diffamierung. Überdies scheint der Burgunder nach dem Tod des
Orléans die Kampagne gegen die Königin eingestellt zu haben95. Später, im Jahre 1417,
hat sich Isabeau sogar mit ihrem einstigen Verleumder verbündet und ihm als Legitimati-
onsfigur im Kampf um die Zentrale der Monarchie gedient, der zunächst gegen den Gra-
fen von Armagnac und dann, nach dessen Ermwordung im Mai 1418, gegen ihren eige-
nen Sohn Karl geführt wurde96. Nach dem Mord von Montereau hat Isabeau in ihrem Re-
fugium zu Troyes versucht, mit Karl Kontakt aufzunehmen, was aber allem Anschein
nach von den in ihrem Umkreis weilenden Wächtern des Burgunders aufgedeckt wurde97.
Damit war die politische Rolle der Königin aus Bayern ein für allemal ausgespielt. Im eng-
lisch besetzten Paris wurde sie unter strenger Verwahrung gehalten und von der Bevölke-
rung isoliert. Mitunter soll man nicht einmal gewußt haben, wo Isabeau sich aufgehalten
hat98. Damals scheinen die Vorjahren von Burgund ausgestreuten Gerüchte um Isabeaus
Sittenlosigkeit von Engländern wiederbelebt und um die Behauptung erweitert worden zu
sein, der nach dem Tode seines Vaters zum König ausgerufene Karl VII. sei gar nicht der
Sohn Karls VI. und könne deshalb nicht die Krone Frankreichs beanspruchen. Die ge-
genwärtig im Umlauf befindliche Irrlehre über die Gründe von Karls Enterbung hat mit-
hin sehr alte Wurzeln. Indes kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter-
stellt werden, daß Heinrich V. und nach dessen Tod sein Bruder Bedford an dieser Kam-
pagne nicht beteiligt waren: Isabeau war die Mutter von Heinrichs V. Gemahlin Katharina
94 Vgl. Markale (wie Anm. 86), S. 7, der freilich nicht erörtert, welche Assoziation mit der Veränderung des
Namens Isabelle in Isabeau verbunden sein sollte. Vgl. Thomas: „Vom höfischen Gerede“ (wie Anm.
91), bei Anm. 44 ff. Daß der Erfinder die Ehebrecherin Isot im Sinne hatte, kann aufgrund des Deck-
namens Tristifer für den Orléans in einem zeitgenössischen Schlüsselroman, dem ,Pastoralef, unterstellt
werden, der kurz nach 1422 von einem (gemäßigten), Anhänger Burgunds geschrieben wurde: Blan-
chard, Joël (Hg.): Le Pastoralet, Paris 1983, dazu Ders.: La pastorale en France aux Xi Le et XLe siècle, Paris
1983, S. 147 ff.
95 Vgl. Thomas: „Vom höfischen Gerede“ (wie Anm. 91), bei Anm. 75 ff.
96 Vgl. Vaughan: John the Fearless (wie Anm. 1), S. 221 ff. Schon 1409 war es zu einer Annäherung zwischen
Isabeau und dem Burgunder gekommen, vgl. Vaughan: John the Fearless, S. 80 f. Diese kann aber noch
keine dauerhafte Wirkung gehabt haben, vgl. Anm. 71.
97 Vgl. Deprez, Eugène: „Un essai dünion nationale à la veille du traité de Troyes“, in: BEC 99 (1938), S.
343-353. Die Kopien der hier edierten Briefe sind in den Beständen des Public Record Office zu Lon-
don überliefert. Abgefangen und kopiert worden sind sie aber wohl von den Burgundern, die zum Zeit-
punkt, als die Briefe expediert wurden, den Hof in Troyes unter ihrer Kontrolle hatten, vgl. Anm. 89.
Vgl. auch Bonenfant: Du meurtre (wie Anm. 67), S. 100 f. u. 119.
98 Journal (wie Anm. 1), S. 208, § 401.
172
und die Großmutter Heinrichs VI., des Königs von England und Frankreich; der Ver-
dacht, daß sie die Mutter eines Bastards sei, mußte auch die Ehre der Katharina und ihrer
Nachkommen treffen". So haben auch die der englischen Partei verantwortlichen Richter
von Rouen Jeanne zwar vorgerechnet, daß deren König ein Mörder sei99 100, einen Hinweis
auf Zweifel über dessen Abstammung aber enthalten die Prozeßakten nicht.
Karl VII. und Jeanne d'Arc
König Heinrich V. von England ist nie König von Frankreich geworden; er starb am 31.
Angust 1422, knapp zwei Monate vor Karl VI. Gemäß dem Vertrag von Troyes wurde
Heinrichs gleichnamiger Sohn Karls Nachfolger; sein Bruder, Herzog Johann von Bed-
ford, übernahm im englischen Teil Frankreichs die Regentschaft101. Als der Dauphin auf
einer Burg bei Puy-en-Velay am Oberlauf der Loire die Nachricht vom Tode des Vaters
erhielt, ließ er sich hier von seinen Leuten am 28. Oktober 1422 zum König ausrufen102.
Der frühe Karl VII. wird heute gerne als der „König von Bourges“ bezeichnet, um damit
die Erbärmlichkeit seiner Anfänge bis zum Erscheinen der Jeanne d'Arc zu umschrei-
ben103. Bourges war der Hauptort des Herzogtums Berry, das beim Tode von Karls Groß-
onkel Johann (1416) an die Krone zurückgefallen war104. Der genannte Titel ist zeitgenös-
sisch, bezeugt in dem 1456 entstandenen Registre Delphinal des Mathieu Thomassin105. Es
kann im übrigen nicht ausgeschlossen werden, daß die Bezeichnung von einem Anhänger
des Königs erfunden worden war, denn daß Karls Aufstieg zum „Roy très victorieux“ ein
sehr mühseliger, anfangs nahezu aussichtslos erscheinender Vorgang gewesen war, haben
auch seine Anhänger nie verschwiegen, sondern ganz im Gegenteil stets betont106. Bour-
99 Vgl. Thomas: „Vom höfischen Gerede“ (wie Anm. 91), nach Anm. 75.
100 Vgl. Anm. 82.
101 Vgl. allgemein Williams: My Lord of Bedford (wie Anm. 86).
102 Ausführlichster Bericht: Douet-D‘Arcq, L. (Hg.): Lnguerran de Monstreiet, Lxi Chronique, Bd. 4, Paris 1860,
S. 129 f. Dazu (mit z. T. unzutreffenden Angaben) Kantorowicz, Ernst H.: Die gwei Körper des Königs „The
Kings Tiro Bodies“, München 1990, S. 407 mit Anm. 323.
103 Vgl. bei Anm. 90.
104 Vgl. Devailly, Guy: Artikel „Bourges II“, in: LexMA Bd. 2, 1983, Sp. 513 ff. Keinen eigenen Beitrag über
Bourges enthält der Sammelband: Hans u. Paravinci, Werner (Hgg.): Fürstliche Residenten im spätmittelalter-
lichen Furopa, Patze, Sigmaringen 1991, vgl. aber Favreau, Robert: Jean de Berry et la ville de Poitiers, S. 103-
135, bes. S. 112 ff.
105 „Mathieu Thomassin, Régistre delphinat“, in: Quicherat: Procès (wie Anm. 59), Bd. 4, Paris 1847, S. 303.
Thomassin vermerkt allerdings ausdrücklich, der oben genannte Titel sei von Karls Feinden genutzt
worden: Et les ennemys se truffoient et mocquoient de lui, et iappeloient „roy de Bourges“, pour ce qu'il se y estoit retraict
et y faisoit le plus de sa demeurance. Zum Verfasser vgl. Contamine, Philippe: „Naissance düne historio-
graphie: Le souvenir de Jeanne d'Arc en France et hors de France, depuis le „procès de son innocence“
(1455-1456), jusqu'au début du XVIe siècle“, in: Francia 15 (1987), S. 233-256, hier S. 241 f.; ND in:
Ders.: De Jeanne d'Arc aux guerres d'Italie, Orléans, Caen 1994.
106 Unterschiedlich war nur das Urteil über die Ursache von Karls wundersamem Aufstieg: die eigenen Leis-
tungen, die der Jeanne d‘Arc oder der Durchbruch, den er dem Frieden mit dem Herzog von Burgund
verdankte. Zur letzten Version vgl. Zingel, Michael: Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der bur-
173
ges war nun gewiß kein schäbiges Nest, sondern eine alte, von Herzog Johann prächtig
ausgebaute Residenzstadt. Karl wohnte, wenn er hier weilte, im Bischofspalast, der ihm
wohl mehr Komfort und Sicherheit bot als das herzogliche Domizil107. Im übrigen war er
von Anfang an darum bemüht, keine der unter seiner Herrschaft stehenden Städte zu ei-
nem zweiten Paris aufsteigen zu lassen, wo sich schon vor der 1405 einsetzenden Krisen-
zeit die Volksmassen, die Konzentration von Behörden und Gelehrsamkeit zu sozialen
und politischen Sprengsätzen entwickelt hatten108. Karl etablierte sein Parlament, den
obersten Gerichtshof, in Poitiers, wo es auch eine Universität gab; die oberste Fi-
nanzbehörde, die chambre des comptes, aber wirkte in Bourges, wo sich der häufigere Auf-
enthalt des Königs auch auf den Handel segensreich auswirkte: Jacques Coeur war ein
Bürger dieser Stadt109.
Daß die Katastrophe von Azincourt auf Frankreichs Ereignisgeschichte der folgenden
Jahrzehnte enorme Auswirkungen gehabt hat, steht außer Zweifel. Aber auch die innere
Struktur der Monarchie wurde von den Folgen der Niederlage in weitreichendem Maße
verändert: Der Adel des Nordens war bei Azincourt dezimiert worden110. Zwar sind man-
che Edelleute aus der Normandie und anderen von den Engländern okkupierten Gebie-
ten geflüchtet und in die schlecht honorierten Dienste Karls VII. getreten,111 jedoch haben
die im Süden und im äußersten Westen der Loire gelegenen Regionen nunmehr ein im
Vergleich zur bisherigen Geschichte des Königtums erheblich größeres Gewicht gewon-
nen112.
Auf der anderen Seite standen nach den Siegen ihrer Truppen und dem Vertrag von
Troyes die traditionellen Kerngebiete von Frankreichs Monarchie unter der Herrschaft
der Engländer113. Heinrich V. und nach ihm Bedford waren bemüht, die Loirelinie zu er-
reichen, indes gelang es ihnen nicht einmal, Orléans zu erobern, und weiter im Westen
gundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, Sigmaringen 1995, vgl. im Register s. v. „Karl VII.“ Zur Ein-
schätzung des Faktors „Jeanne d’Arc“ vgl. Contamine: Naissance (wie Anm. 105). Vgl. noch die in Anm.
148 genannten Beiträge von Twellenramp und Thomas.
107 Devaillv: „Bourges“ (wie Anm. 104), Sp. 514 vermutet, Karl habe den Herzogspalast als zu weiträumig
empfunden.
108 Die Universität war in besonderem Maße in den Streit zwischen Burgund und Orléans-Armagnac verwi-
ckelt. Vgl. dazu den ausführlichen Bericht des Religieux (wie Anm. 37), vgl. Bd. 6 im Register s. v. Uni-
versité de Paris, S. 787 ff. Zu Poitiers vgl. Little, Roger G.: The parlement of Poitiers. War, Government and
Politics in France, 1418-1436, London 1984.
109 Mollat, Michel: Der königliche Kaufmann. Jacques Coeur oder der Geist des Unternehmertums, München 1991.
110 Vgl. Autrand: Charles L7 (wie Anm. 1), S. 535 ff.
111 Zu nennen ist vor allem Herzog Johann II. von Alençon, einer von Jeannes Kampfgefährten, vgl. zu ihm
Gourhand, Jean: Artikel „Alençon“, in: LexAiA Bd. 1, 1980, Sp. 350 f.
112 Ein Teil der heute als „Partei der Anjou“ bezeichneten Gruppierung im Umkreis des Königs kam aus
der Provence, vgl. Vale: Charles VII (wie Anm. 1), S. 22 ff. mit Hinweisen auf Leute anderer Provenienz.
113 Vgl. die Karten z. B. in den Büchern zum Hundertjährigen Krieg (wie Anm. 23), Perroy, S. 246; All-
mand, S. XIII. Zu einzelnen Regionen vgl. z. B. Allmand, Christopher T.: Lancastrian Normandy, 1415-
1450, Oxford 1983; Vale, M. G. A.: English Gascony, 1399-1453, Oxford 1970; zu Paris vgl. Anm. 48.
174
blieben Tours und die Grafschaft Anjou Bastionen Karls VII. Demgegenüber wurde die
Grafschaft Champagne, die seit den Tagen Johanns Ohnefurcht weithin unter burgundi-
scher Kontrolle stand, mit dem Vertrag von Troyes an die Engländer abgetreten, wobei
manche der hier tätigen, von Herzog Johann eingesetzten Regionalbeamten im Amt blie-
ben und für eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen England und Burgund sorgen
konnten114. Allerdings gab es besonders am Ostrand der Grafschaft einige Nester von
Anhängern Karls VII., zum Beispiel die Feste Vaucouleurs am Oberlauf der Maas, ein
paar Meilen nördlich des damals ganz unbekannten Dörfchens Domremy115. Vaucouleurs
wurde von dem vermutlich durch Maßnahmen Herzog Johanns verpreliten Herrn Robert
von Baudricourt gehalten.
Zwar hatten englische Truppen gemeinsam mit einem burgundischen Anfgebot am 30.
Juli 1423 bei Cravant in der Nähe von Auxerre einen Vorstoß Karls VII. gen Nordosten
zurückgeschlagen und damit die Grundlage für die definitive Konsolidierung der engli-
schen Verwaltung geschaffen, aber die Lage im südwestlichen Vorfeld der Grafschaft
Saarbrücken war und blieb ungemein kompliziert116. Ein Grund dafür war die bereits ge-
schilderte Konstellation in den Herzogtümern Lothringen und Bar sowie der Markgraf-
schaft von Pont-ä-Mousson. Herzog Karl, in voraufgegangenen Tagen ein zeitweise enga-
gierter Anhänger Burgunds117, erhielt zwar im Namen Karls VI. eine Einladung zum
Abschluß des Vertrags in Troyes, zog es jedoch vor, zu Hause zu bleiben118. Erst im Früh-
jahr 1422, nachdem die Engländer die Grenzregionen seines Herzogtums heimgesucht
hatten, bequemte sich der Herzog, den Eid auf jene neue Verfassung des Königreichs zu
leisten, tat das jedoch nicht in Paris, sondern zu Dijon vor dem Herzog von Burgund, der
ihm dafür versprach, den König von England bis zum 1. August zur Einstellung der
Feindseligkeiten zu veranlassen119. Viel geändert hat das aber nichts. Im Gegenteil: Als
114 Vgl. Dupont-Ferrier, Gaston; Gallia Regia ou Etat des offiäers royaux des bailliages et des sénéchaussées de 1328 à
1515, Bd. L6, Paris 1942-1966, bes. Bd. 2 mit den Angaben über Chaumont und Bd. 6 mit denen zu Vi-
try.
115 Zu Vaucouleurs und der Ausdehnung der Burgherrschaft im 14. Jahrhundert, als der Ort fast immer di-
rekt dem Bailli von Chaumont unterstellt war, vgl. Thomas, H.: Zwischen Regnum und Imperium (wie Anm.
21), S. 243 ff.; Parisse, M.; Artikel „Vaucouleurs“, in: EexMA Bd. 8, 1997, Sp. 1443 f.
116 Zu Cravant vgl Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 11 u. 14 f. Im Nordwesten hat Bedford am 17.
August 1424 bei Verneuil einen vergleichbaren Sieg erzielt, vgl. Williams: Bedford (wie Anm. 86), S. 112 ff.
117 Vgl. o. Anm. 78 und u. Anm. 120.
118 Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Supplement Nr. 17, S. 305 f. vom 26. April 1420, Troyes. Daß der
Herzog dem Spektakel fernblieb, kann aus einem späteren Schreiben an Heinrich V. erschlossen werden.
Daraus geht hervor, daß Heinrich den Herzog aufgefordert hatte, ihn bis spätestens zum 15. März 1422
aufzusuchen. Karl sagte schon am 12. Januar wegen Krankheit ab: Luce: Jeanne d'Arc, Supplément Nr.
21, S. 311.
119 Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Supplément Nr. 26, S. 318 vom 6. Mai 1422, Dijon. Der von Luce:
Supplément Nr. 25, S. 317 ff. unter dem Datum des 10. April 1422 edierte Brief des Regenten Bedford
an den Herzog gehört natürlich ins Jahr 1423: Bedford verspricht, mit dem Grafen von Salisbury über
dessen Aktionen in Bar zu sprechen und ihn zu veranlassen, sie einzustellen. Salisbury agierte als gouver-
neur der Grafschaften Champagne und Brie, vgl. Williams: Bedford (wie Anm. 86), S. 106 ff. sowie o.
Anm. 86.
175
Karls Schwiegersohn René am 12. August 1424, acht Monate nach seinem 15. Geburtstag,
zehn Tage nach der Geburt seines ersten Sohnes, die Herrschaft über Bar und Pont-ä-
Mousson angetreten hatte, schickte Bedford dem Lothringer am 22. August einen sehr
grob formulierten Brief, in dem er Karl daran erinnerte, Vasall des Königs (gemeint war
Heinrich VI.) und stets ein Parteigänger des Herzogs von Burgund gewesen zu sein120,
jetzt aber unterstütze er die Sache seines Schwiegersohnes, und in dessen Besitzungen
weilten die Feinde des Königs.
Einige Monate später, am 13. Januar 1425, erließ Herzog Karl ein neues Testament121:
Falls Isabella kinderlos sterben würde, sollte das Herzogtum auf seine jüngste Tochter Ka-
tharina übergehen. Elisabeths Bruder, Graf Anton von Vaudémont, Herr von Joinville,
Sohn von Karls jüngerem Bruder Ferry, der bisher den künftigen Übergang des Herzog-
tums auf Isabella und René hingenommen hatte, erhob nunmehr Einspruch gegen diese
neue Regelung122. Im Sommer 1425 kam es zum offenen Bruch zwischen Oheim und
Neffen. Anton fand alsbald Unterstützung bei der anglo-burgundischen Partei, die selbst-
verständlich ein großes Interesse daran hatte, die Übernahme Lothringens durch Karls
VII. Schwager vielleicht noch rückgängig machen zu können123.
Herzog Karl, sein Schwiegersohn René und dessen Onkel, der Kardinal, haben auch nach
der Attacke des Grafen von Vaudémont versucht, ihre Zurückhaltung gegenüber den
Vorgängen in Frankreich so weit wie möglich zu wahren und sich bemüht, dem von Bed-
ford und dem Burgunder ausgehenden Druck auszuweichen124. Robert, Herr von Baudri-
court hatte es schon vorher verstanden, die abwartende Haltung seiner fürstlichen Nach-
barn zu nutzen, und behauptete seine kleine Festung auch nach der Schlacht von Cravant
als Stützpunkt König Karls VII. im fernen Osten von dessen Reich125. Für die Bevölke-
120 Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Supplément Nr. 31, S. 322 f. Bedford machte dem Herzog ins-
besondere Vorwürfe wegen der Unterstützung der Besatzung von Guise. René führte auch den Titel ei-
nes Grafen von Guise. Die Grafschaft Guise war jedoch von Heinrich V. im Februar 1422 für konfis-
ziert erklärt und dem Burgunder Jean de Luxembourg verliehen worden. Bedford hatte diese Schenkung
im Namen Heinrichs VI. am 4. Juni 1423 bestäügt; vgl. Luce, S. 203, Anm. 1.
121 François, M.: „Histoire des comtes et du comté de Vaudémont“, Teil 2, in: MS AL 71 (1933), S. 209-354,
hier S. 231. Herzog Karl hatte eine Schwäche für Testamente, vgl. u. Anm. 200.
122 Erstes Indiz für Antons Versuch, die neue Verfügung in Frage zu stellen, ist eine Erklärung Herzog
Karls II. vom 8. April 1425, auf die der Vaudémont ausweichend reagierte. Vom 1. Juni 1425 datiert ein
Ultimatum des Herzogs, vgl. Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 14), Preuves Nr. 111, S. 157 f. mit Anm. 4.
Vgl. Mohr, Geschichte (wie Anm. 21), Bd. 4, S. 63 f. Umfassend: François (wie Anm. 121).
123 Vgl. Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 117, S. 162 (mit dem Datum 24. September 1424,
richtig ist 1425): Heinrich VI. verleiht dem Vaudémont zum Lohn für dessen Dienste Besitzungen; Nr.
154, S. 194 vom 16. August 1427 (desgleichen).
124 Diese mitunter verkannte Neutralitätspolitik läßt sich aus den von Luce: Jeanne dArc (wie Anm. 21),
edierten Quellen leicht erkennen, vgl. o. Anm. 118 ff.
125 Vgl. zu ihm Contamine, Philippe: Artikel „Baudricourt, Robert von“, in: LexMA Bd. 1, 1980, Sp. 1563
mit Literatur: Poul, Georges: „Robert de Baudricourt“, in: Cahiers d'histoire, biographie et de généalogie, Nancy
1966, S. 11-39. Nach Poulls überzeugenden Ausführungen war der Hauptmann Herr des vom Herzog-
tum Lothringen lehnsrührigen Baudricourt (an der Straße von Neufchäteau nach Osten, kurz vor Mire-
176
rung der ungeschützten Dörfer, vor allem der zu Renés Herzogtum Bar gehörenden, hatte
die für den Hauptmann von Vaucouleurs so angenehme Konstellation indes verheerende
Konsequenzen. So oktroyierte der anfangs mit Baudricourt im Bunde stehende, nach
Gravant aber zur anglo-burgundischen Partei wechselnde Robert von Saarbrücken, Herr
von Commercy, den Bauern von Greux und Domremy seinen Schutz, und zwar für die
enorme Summe von 220 Schildgulden126. Elisabeths Familie war in gleich zweifacher Wei-
se in den Vorgang vernickelt. Der Schutzgelderpresser war ein entfernter Verwandter ih-
res Gemahls; Robert und Philipp teilten sich in die Herrschaft Commercy. Domremy und
Greux aber gehörten zur Herrschaft einer Cousine Elisabeths, der Jeanne von Bourlé-
mont, die mit dem in Diensten Herzog Karls von Lothringen stehenden Ritter Henri
d'Ogéviller verheiratet war127. Genutzt hat der Schutz des Straßenräubers von Commercy
allem Anschein nach nur wenig: Ein im Gefolge von Elisabeths Mutter aus Savoyen zu-
gewanderter Edelmann, der seit dem Vertrag von Troyes, vermutlich im Auftrag Bur-
gunds, das zum Herzogtum Bar gehörende Maastal mit Mord und Brand heimsuchte,
überfiel, vermutlich 1423/24, das Dorf Domremy und raubte das gesamte Vieh128. Die
Herrin des Dorfes wandte sich an ihren Vetter, Elisabeths Bruder Anton von Vaudémont,
und bat um Hilfe. Anton, der damals wrohl noch nicht an seine Ansprüche auf das Her-
zogtum Lothringen gedacht hat, sandte einen Suchtrupp aus, dessen Anführer das Vieh
fand und nach Joinville, Antons Residenzort, trieb, von wo aus es nach Domremy zu-
rückgebracht wurde. Man nimmt an, daß der Viehraub des Savoyarden zu den Schlüssel-
court), nicht also (wie von Contamine vorausgesetzt), nach dem zur Champagne gehörenden Baudre-
court (ca. 20 km westlich von Joinville).
126 Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 51, S. 97 ff. vom 7. Oktober 1423 mit der Forderung von
2 gros je Feuer; dazu Pièce additionelle Nr. 53, S. 359 ff. vom 31. März 1427, aus der hervorgeht, daß die
Ratenzahlung in eine Pauschale von 220 Schildgulden (escus d'otJ, umgewandelt worden war, deren Be-
gleichung durch die Leute von Domremy und Greux von ihrem Gläubiger, einem Bürgen, geleugnet
wurde. Wo das Geld geblieben war, läßt sich nicht erkennen. Zuletzt wurde über den Fall Anfang 1429
vor Baudricourt verhandelt, vgl. Luce: Jeanne d'Arc, Appendice, S. CCCXI f. vom 6. Februar 1429.
127 Elisabeth stammte über ihre Mutter aus der Familie Joinville. Anseau, Herr von Joinville (f ca: 1343),
war ihr Urgroßvater. André, Urgroßvater der Jeanne, Herrin von Bourlémont, war ein Bruder Anseaus.
In dem Anm. 128 genannten Gnadenbrief wird Jeanne als parente von Elisabeths Bruder Anton bezeich-
net. Allgemein: François, Simone: „Les seigneurs de Commercy au Moyen Age“, T. 1 in: MSAL, 74
(1936), S. 85-162; T. 2. ebda 75 (1937/39), S. 1-134. Stammtafel in T. 1 nach S. 102. Zum Ritter Henri
d'Ogéviller vgl. Luce: Preuves Nr. 20, S. 43, vgl. auch Nr. 236, S. 275 ff., bes. S. 276, Anm. 4. Ogéviller
liegt etwa 20 km östlich von Lunéville. Henri ist bald nach dem 6. Februar 1429 verstorben. Spätestens
am 16. September 1429 war seine Witwe mit Johann, Graf von Salm, verheiratet, der seit 1423 in der
Verwaltung des Herzogtums Bar eine bedeutende Rolle gespielt hatte, vgl. Luce: Preuves Nr. 236, S. 276
f. Anm. 4.
128 Der Fall wurde wegen des dabei verübten Totschlags an dem Savoyarden Henri d‘Orly gerichtlich ver-
folgt. Der Täter, Barthélemy de Clermont, erhielt im Juli 1455 einen Gnadenbrief des Königs, in dem die
Zeit des Vorfalls nicht genauer datiert wurde: dès trente ans ou environ. Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21),
Preuves Nr. 236, S. 275 ff. Die Zuwanderung des Savoyarden ins Maastal erklärt sich aus der zweiten
Ehe von Elisabeths Mutter Margarete von Joinville mit Graf Peter von Genf (f 1392), dem Bruder Papst
Clemens' VIL, vgl. Luce: Jeanne d’Arc Preuves Nr. 236, S. 277, Anm. 4. Henri d‘Orly gehörte offenbar
zur Klientel von Elisabeths Mutter.
177
erlebnissen der Jeanne d‘Arc gehörte129. Roberts von Saarbrücken Schutzgelderpressung
wird man jedoch ebenfalls dazu rechnen können, denn Jeannes Vater war als doyen von
Domremy an dem Prozeß beteiligt, der um die Zahlung der 220 Gulden geführt wurde:
Dieses Verfahren hat sich lange hingezogen und am 6. Februar 1429 in Vaucouleurs zu
einem Eklat geführt130: Jeanne war damals entweder am Prozeßort oder aber erreichte die-
sen nur wenige Tage später, nachdem sie Herzog Karl von Lothringen aufgesucht hatte131.
Zum Zeitpunkt von Jeannes Aufenthalt in Vaucouleurs und ihres Abstechers an den Hof
des Lothringers in Nancy oder St.-Nicolas-de-Port schien das Schicksal der königstreuen
Bastion an der Maas bereits besiegelt zu sein. Nachdem sich die Aktionen des Grafen von
Vaudémont fürs erste nicht zugunsten der Anglo-Burgunder ausgewirkt hatten, entschied
sich Bedford im Winter 1427/28, mit eigenen Kräften gegen die letzten Stützpunkte Karls
VII. im Osten der Champagne vorzugehen und damit auch die beiden Fürstentümer an
der Maas zur Anerkennung der englischen Herrschaft zu zwingen132. Die Maßnahmen
wurden im Einvernehmen mit dem Burgunder beschlossen und durchgeführt, der Bed-
ford erlaubte, in seinen Ländern Söldner anzuwerben133. Als Befehlshaber der Aufgebote,
die im Sommer 1428 in den Argonnen und im Maastal operierten, wirkten Vertrauensleu-
te Philipps des Guten134. Als eines der wichtigsten Ziele der Säuberungsaktionen galt
Baudricourts Städtchen Vaucouleurs. Man kann geradezu behaupten, daß dieser kleine
Ort in Bedfords Planungen im Sommer 1428 eine ebenso große Bedeutung hatte, wie we-
nig später, im Herbst, Orléans135. Im Juli 1428, kurz vor dem Beginn von Salisburys Feld-
129 Vgl. z.B. Tanz: Jeanne d‘Arc (wie Anm. 61), S. 126. Frau Tanz datiert den Viehraub in den Sommer 1425;
zum Datum vgl. aber die in Anm. 128 zitierte vage Angabe der Quelle.
130 Luce: Jeanne d'Arc (wie Anm. 21), Appendice, S. CCCXI f.
131 Der Besuch bei Karl II. wurde in beiden Prozessen erwähnt, nicht aber der Ort der Begegnung. Vgl. Pro-
cès de condamnation (wie Anm. 82), Bd. 1, S. 49. Hier wird erwähnt, daß Jeanne den Herzog gebeten hab&,
ihr seinen (Schwieger-)Sohn als Begleiter mitzugeben. Die zweite Aussage: Procès en nullité (wie Anm. 3),
S. 378. René war während Jeannes Besuch bei Karl II. nicht zugegen, sondern befand sich in St.-Mihiel,
vgl. Luce: Jeanne dArc, Preuves, S. 237, Anm. 1. Dementsprechend ist zu korrigieren: Thomas: Jeanne
dArc (wie Anm. 61), S. 121 f. mit Anm. 55, wo vermutet wird, daß René anwesend war.
132 Luce: Jeanne dArc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 154, S. 195 ff. vom 22. August 1427: Antoine de Vergy,
Graf von Dommartin, capitaine und gouverneur der Grafschaften von Champagne sowie von Stadt und Bis-
tum Langres, wird von Heinrich VI. (d. h. von Bedford), beauftragt, vier von seinen Feinden gehaltene
Orte zum Gehorsam zu zwingen, und zwar Mouzon und Vaucouleurs an der Maas, Beaumont und Pas-
savant in den Argonnen. Am 20. Januar 1428 wechselte der Beauftragte: Jean de Luxembourg, Graf von
Guise und Herr von Beaurevoir, sollte die vier Festen erobern; Luce: Jeanne dArc, Preuves Nr. 152, S.
202 ff. Vgl. Anm. 136.
133 Die Einigung zwischen Bedford und Philipp wird in der Ernennung Antoines von Vergy vom 22. Au-
gust 1427 erwähnt, vgl. Anm. 134.
134 Vgl. Anm. 134. Vergy war ein Lehnsmann des Burgunders, Luxembourg desgleichen und obendrein ei-
ner der wichtigsten Hauptleute Johanns Ohnefurcht und Philipps des Guten. Er hat zwei Jahre später im
Auftrag Philipps Compiègne belagert und dabei Jeanne gefangengenommen. Vgl. ausführlich Champion,
Pierre: Guillaume de Flavy, Paris 1906.
135 Salisbury hatte für sein Expeditionskoprs von 1428 vorgesehen: 2 400 Mann, davon 600 hommes d'ar-
mes (darunter 6 Bannerherren und 34 Ritter), sowie 1 800 Bogner: Getiers and Papers Illustrative of the War
178
zug gegen Orléans mußte Baudricourt nach kurzer Belagerung gegenüber dem Befehlsha-
ber von Bedfords Aufgebot kapitulieren, nachdem er aller Wahrscheinlichkeit nach von
seinen fürstlichen Nachbarn dazu gedrängt worden war136. Karl II. und René waren of-
fenbar zu der Einsicht gelangt, daß sie dem konzentrischen Druck der Engländer und
Burgunder nicht mehr länger standhalten könnten. Einzelheiten des Kapitulati-
onsvertrags, auf den Baudricourt sich einlassen mußte, sind nicht bekannt; vermutlich hat
er konzedieren müssen, sich zunächst neutral zu verhalten und seine Burgherrschaft nach
einer festgesetzten Frist an den dafür zuständigen Bailli von Chaumont zu übergeben137.
Zu den Konsequenzen der englischen Militäraktion vom Sommer 1428 gehörte auch, daß
Herzog René sich im Frühjahr 1429 angesichts der ihm von Vaudémont drohenden Ge-
fahr dazu entschloß, die Herrschaft König Heinrichs VI. anzuerkennen und sich damit
von seinem Schwager Karl loszusagen138. Vermutlich war der Besuch, den das Bauern-
mädchen Jeanne aus Domrémy Renés Schwiegervater abstattete, Baudricourts letzter Ver-
such, die beiden Fürsten von diesem auch für ihn fatalen Schritt abzuhalten139. Aber
jeanne kann auf den alten und kranken Lothringer keinen großen Eindruck gemacht ha-
ben, jedenfalls hat sein Schwiegersohn und Erbe René am 13. April 1429, als Jeanne in
Tours die letzten Vorbereitungen für ihren Marsch nach Orléans traf, seinen Onkel Lud-
wig beauftragt, in seinem Namen dem englischen Regenten in Paris Treueid und Mann-
schaft für seine von der Krone Frankreichs rührenden Lehen zu leisten140. Der Kardinal
hat diesen Auftrag am 5. Mai erfüllt; Karls VII. Schwager war damit zum Lehnsmann
König Heinrichs VI. geworden141.
Drei Tage später haben die Engländer nach schweren Verlusten die Belagerung von Or-
léans abbrechen müssen; bis zum 17. Juni sind ihre Garnisonen an der Loire vernichtet
of the F.nglish in France during the Reign of Henry P7, hg. v. Joseph Stevenson, London 1861, S. 403 ff. Jean
de Luxembourg hat im Frühjahr 1428 eine für den Kampf im Osten bestimmte Truppe von 1 921 Mann
aufgeboten, was aber von der Regierung als zu aufwendig angesehen und nicht gebilligt wurde: Luce:
Jeanne d'Arc, Preuves, S. 204, Anm. 1. Gegen Vaucouleurs sollte Antoine de Vergy eine Truppe ins Feld
führen, die so viel kosten durfte wie 1 000 Schwergewappnete (hommes d’armes); Mandat Bedfords vom
22. Juni 1428: Luce: Jeanne d’Arc, Preuves Nr. 184, S, 217 f. Tatsächlich wurden dann 796 Mann aufgebo-
ten: 4 Bannerherren, 14 Ritter, 383 hommes d’armes und 395 Schützen; vgl. Luce: Preuves Nr. 187, S.
220 f. vom 16./17. Juli 1428.
136 Die Kapitulation wird von einigen Quellen bezeugt, vgl. Luce: Jeanne d’Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr.
190, S. 222 ff. von Juli 22 bis August 7 sowie Nr. 194, S. 226 ff. vom 15. September 1428.
137 Vgl. andere Vorgänge dieser Art: Luce: Jeanne d’Arc, Supplement Nr. 32, S. 323 ff., dazu S. 328f, 1 und S.
227,1.
138 Luce: Jeanne d’Arc, Preuves Nr. 210, S. 239 f.
139 Vgl. Anm, 131. Nur Baudricourt kann den Herzog auf Jeanne aufmerksam gemacht haben, vgl. Thomas:
Jeanne d’Arc (wie Anm. 61), S. 121 ff.
140 Luce: Jeanne d’Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 210, S. 239 f.
141 Aimond, Charles: Les relations de la France et du 1/erdunois de 1270 ä 1552, Paris 1910, S. 247 mit den Quel-
len. Der auch in seinem eigenen Namen geschlossene Vertrag band auch das vom Kardinal gehaltene
Bistum und die Stadt Verdun an die englische Partei.
179
oder vertrieben worden142. Am 18. ]uni schlugen Karls VII. Truppen die abziehenden
Engländer bei Patay, wenig später begann der Zug des Königs in die Champagne. Am 2.
Juli starb Elisabeths Gemahl, am 10. juli kapitulierte Troyes, am 17. Juli wurde Karl VII.
in der Kathedrale von Reims gesalbt und gekrönt. Sein Schwager, Herzog René von Bar,
hatte sich inzwischen zwar entschlossen, der neuen Lage Rechnung zu tragen, kam aber
zu spät, um in Reims als einer der Pairs de France in herausragender Weise an den Feier-
lichkeiten teilnehmen zu können143. Vertreten wurde sein Fürstentum aber durch eins sei-
ner Landeskinder, das Bauernmädchen Jeanne aus Domremy, der die Ehre zuteil wurde,
mit ihrem Banner in der Hand neben dem Altar zu stehen144. Erst einige Tage später stieß
René zum Heer seines Schwagers und gehörte dann wenig später zu denjenigen, die Jean-
nes Forderung, den Krieg gegen England und Burgund zügig fortzusetzen, mit Erfolg zu
hintertreiben wußten. Vielleicht hat er gehofft, mit dieser friedfertigen Haltung Philipp
den Guten zur Preisgabe seines Klienten Vaudémont zu bewegen: Dieser hat sich unter
dem Eindruck der englischen Katastrophe am 20. August 1429 zu Verhandlungen mit
René bereiterklärt. Drei Wochen später hat Karl VII. seinen Feldzug abgebrochen und ist
in seine Regionen südlich der Loire zurückgekehrt145.
Das Echo auf Jeannes Wirken im römisch-deutschen Reich
Das Auftreten der Jeanne d‘Arc und ihre wundersamen Erfolge haben damals im rö-
misch-deutschen Reich enormes Aufsehen erregt: zwei deutschsprachige Briefe un-
terrichteten Adressaten in Metz und Württemberg über die Siege bei Orléans und Patay146.
Im Umkreis von Heidelberg wurde die Frage diskutiert, ob es sich bei Jeanne um eine von
guten oder von bösen Geistern besessene Jungfrau handele147. Der Augustiner-Eremit
Jean Pasquerel, Jeannes Beichtvater, schrieb in ihrem Namen einen Drohbrief an die Ket-
142 Vgl. z. B. Pernoud, Régine / Clin, Marie-Véronique: Johanna von Orléans, Bergisch-Gladbach 1991, S. 105
ff.
143 René erschien erst am 2. August 1429, als Karl VII. in Provins weilte, vgl. Moranville, H. (Hg.): Percevalde
Cagny, Chroniques, Paris 1902, S. 163. Zu Karls Krönung vgl. Jackson, Richard A.: Vive le roi! A Flistory of
the French Coronation from Charles U to Charles'K, Chapel Hill, London 1984, S. 41 ff.; Contamine, Philippe:
„Un acteur du sacre de Charles VII: Georges de La Tremoille“, in: L'hisioire de Reims en questions. Travaux
de l'Academie Nationale de Reims, 1841-1991, Bd. 171 (1991), S. 197-211. La Trémoille vertrat einen der
Pairs aus dem Laienstand, von denen keiner erschienen war.
144 Vgl. (außer Jackson, wie Anm. 147), Jeannes eigene Aussage: Procès de condamnation (wie Anm. 59), Bd. 1,
S. 101 ff.
145 Vertrag über eine Schiedskommission, zu der auf Seiten des Vaudémont auch Robert von Saarbrücken-
Commercy gehörte: Luce: Jeanne d’Arc (wie Anm. 21), Preuves Nr. 220, S. 254. Zu Renés Verbleiben
beim König vgl. Perceval de Cagny (wie Anm. 143), S. 168.
146 Quicherat, Jules: Procès de condamnation et de réhabilitation de Jeanne d’Arc dite la Pucelle, Bd. 5, Paris 1849, S.
347 ff; vgl. dazu Twellenkamp, Markus: „Jeanne d’Arc und ihr Echo im zeitgenössischen Deutschland“,
in: Jahrbuch für rnstdt. Tandesgesch. 14 (1988), S. 43-62, hier S. 44 ff Ergänzend: Thomas, Heinz: „Jeanne la
Pucelle, das Basler Konzil und die ‘Kleinen’ der Reformatio Sigismundi“, in: Francia 11 (1984), S. 319-
339.
14' Quicherat (wie Anm. 146), Bd. 5, S. 422 ff; dazu Twellenkamp: „Jeanne d’Arc“ (wie Anm. 146), S. 47 ff.
180
zer in Böhmen, dessen Text in ein Register König Siegmunds eingetragen wurde148. Und
fünf Jahre nach Jeannes Tod führte der künftige Graf Ruprecht von Virneburg ein junges
Mädchen nach Köln, das von sich behauptete, die puella de Francia zu sein. Unter diesem
Titel wurde sie am 2. August 1436 ins Geleitregister der Stadt eingetragen149.
Die Folgen von Karls VII. Apeasementpolitik
Das Ergebnis des gegen den Willen Jeannes und einiger ihrer prominenten Kampfge-
fährten erfolgten Abbruchs von Karls VII. Kriegszug war nicht der Beginn von er-
folgversprechenden Friedensverhandlungen, sondern die Verlängerung der Leiden, von
Mord und Totschlag um zunächst weitere fünf Jahre150. Insbesondere die im Westen der
Grafschaft Saarbrücken gelegenen Regionen der Champagne, wo sich Troyes und Reims
als Bastionen Karls VII. behaupteten, wurden nun noch stärker in Mitleidenschaft gezo-
gen als das schon vorher der Fall gewesen war151: Eines der Ereignisse aus dieser Schre-
ckenszeit war der Sieg von Elisabeths erneut aktiv gewordenem Bruder Anton über sei-
nen Rivalen von Anjou in der Schlacht bei Bulgnéville am 2. Juli 1431152 nur fünf Monate
nachdem mit dem Tode Herzog Karls (25. Januar) das Problem der Erbfolge im Herzog-
tum Lothringen aufs neue aktuell geworden war: Am 22. Februar erhob Anton den An-
spruch auf die direkte Nachfolge, worauf René mit der Forderung reagierte, Anton solle
ihm für seine vom Herzogtum Bar lehnsrührige Grafschaft Vaudémont huldigen153. Der
Konflikt wurde bei Bulgnéville im Süden von Neufchäteau mit den Waffen ausgetragen,
aber nicht entschieden, jedenfalls nicht zugunsten des Vaudémont: René geriet in Gefan-
148 Johanna Maria van Winter u. D. Th. Enklaar (Hgg.): De brieven van Jeanne d’Arc, Groningen, Djakarta
1954, Nr. 22, S. 50 f. Der Brief wird hier als „onecht“ deklariert. Das ist verfehlt. Vgl. Sickel, Theodor:
„Lettre de Jeanne d’Arc aux Hussites“, in: BEC 2 (1861), S. 81-83; Thomas: „Jeanne la Pucelle“ (wie
Anm. 146), S. 326 ff.
149 Atten, Alain: „Jean Claude des Armoises — ein Abenteuer zwischen Maas und Rhein — 1436“, in: Kurtrie-
risches Jb. 19 (1979), 151-180, hier S. 156 mit S. 172, Anm. 103. Die Reise der Falschen Jeanne gehört in
den Zusammenhang des Trierer Schismas jener Zeit, vgl. dazu Miller, Ignaz: Jakob von Sierck 1398/99 —
1456, Mainz 1983.
150 Daran sollte im Hinblick auf den Kult um die gelehrten Räte erinnert werden, die in der gegenwärtigen
Historiographie die Stelle von Fürsten und Königen eingenommen haben. Anders als die meisten der
heutigen Politiker hatten Leute wie z. B. Nicolas Rolin auf Seiten Philipps oder Pegnault de Chartres im
Umkreis Karls VII. nicht nur eine Option, sondern deren zwei: Frieden und Krieg. Dementsprechend
wäre das Urteil von Müller („Karl VII.“, wie Anm. 35, S. 328), über Jeannes unerbittlichen „Bellizismus“
und die stete Verständigungsbereitschaft der genannten Herren zu modifizieren: Jeanne ist es nicht we-
niger um Frieden gegangen als jenen Herren, die etwa die Zeit des Zweiten Weltkriegs benötigten, um
einen faulen Frieden zustande zu bringen.
151 Vgl. über die andauernden Kriegshandlungen z. B. die Chronik des Jean Chartier (wie Anm. 93), ab cap.
63, Bd. 1,S. 112 ff.
152 Vgl. Douet-D’Arcq, L. (Hg.): Enguerran de Monstrelet, Ea Chronique, Bd. 4, Paris 1860, a. a. 1431, cap. 108,
S. 459 ff.; François: „Vaudémont“ (wie Anm. 121), S. 238 f.; Miller: Jakob von Sierck (wie Anm. 149), S. 39
mit Anm. 155.
153 Duvernoy: „Documents“ (wie Anm. 75), S. 69 ff. Dort auch die Kriegserklärung Renés an Vaudémont
vom 14. April 1431.
181
genschaft, wurde aber vom Anführer des burgundischen Kontingents entführt, das gehol-
fen hatte, den Anjou zu schlagen154.
In der Folge mußte Elisabeths Bruder zur Kenntnis nehmen, daß er im Schachspiel zwi-
schen Karl VII. und Philipp dem Guten nur ein Bauer war, den der Burgunder ohne gro-
ße Bedenken opfern würde, wenn dies der Wahrung oder Erweiterung seines Macht- und
Einflußbereichs dienlich sein könnte. Allerdings war der Weg zum Ziel wohl auch für den
Burgunder nicht leicht erkennbar: Anfangs scheint Philipp eine einvernehmliche Regelung
der Erbfolge zwischen René und Anton einer radikalen Lösung vorgezogen zu haben155:
Der Anjou wurde gegen Stellung von Geiseln im April 1432 bedingt freigelassen, und in
einem am 13. Februar 1433 zu Brüssel geschlossenen Vertrag haben die Parteien verein-
bart, daß Anton seine Rechte auf das Erbe Lothringens binnen einer bestimmten Frist
darzulegen habe. Zugleich sorgte der Burgunder dafür, daß die künftige Symbiose zwi-
schen Anjou und Vaudémont durch die Verlobung von Antons ältestem Sohn Ferry und
Renés ältester Tochter Yolande besiegelt wurde156. Natürlich konnte er nicht wissen, daß
der erste Sohn aus dieser von ihm gestifteten und dann tatsächlich zustandegekommenen
Ehe seinem Hause dereinst den Todesstoß versetzen würde.
Nach dem Vertrag von Brüssel kam es zur Einschaltung einer höheren Instanz: Der Erb-
streit um das Herzogtum Lothringen wurde vor den gerade von seiner Kaiserkrönung zu-
rückgekehrten Siegmund getragen und von diesem im wesentlichen zugunsten Renés ent-
schieden157: Am 24. April 1434 verlieh der Kaiser in Basel dem Anjou die Regalien des
Herzogtums Lothringen sowie die Markgrafschaft von Pont-ä-Mousson. Zwar hat Sieg-
mund auch noch erklärt, daß von der Belehnung des Anjou die Ansprüche des Vaudé-
mont nicht in Frage gestellt werden sollten. Das aber war ein damals eher hypothetischer
Vorbehalt, der das Faktum nicht in Frage stellte, daß René nunmehr seine vom Imperium
rührenden Lehen mit Zustimmung des Kaisers besaß. Jetzt mußten nur noch seine von
Frankreichs Krone abhängigen Besitzungen eindeutig gesichert werden.
154 Vgl. Anm. 153.
iss Vgl François: „Vaudémont“ 2 (wie Anm. 121), 5.239 f. mit Verweis auf die Edidon des oben genannn-
ten Vertrags von Brüssel: Dom Augustin Calmet: Histoire de Lorraine, 2. Aufl. Bd. 6, Nancy 17, S. 143.
156 François: „Vaudémont“ 2 (wie Anm. 121), S. 240. Zum folgenden, dem Sieg von Antons und Renés En-
kel, Herzog René IL, über Philipps des Guten Sohn Karl den Kühnen und dessen Tod am 5. Januar
1447 vor Nancy, vgl. Vaughan, Richard: Charles the Bold, London 1973, S. 420ff.; Paravicini, Werner: Karl
der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund, Göttingen 1976, S. 110 f.
157 Regesta Imperii XI, Bd. 2, Wilhelm Altmann (Bearb.), Innsbruck 1900, Nr. 10 289 f. Außerdem ist ein No-
tariatsinstrument mit Siegmunds Entscheidung über den Streit zwischen René und Anton zu beachten.
Druck: Calmet: Histoire de Lorraine (wie Anm. 155), Bd. 7, 1757, Preuves, Sp. 29 ff. Gegen Mohr: Geschich-
te (wie Anm. 21), S. 77 muß festgestellt werden, daß René nicht mit dem „Herzogtum Lothringen“ (d. h.
mit dem damit gemeinten Gebiet), belehnt wurde, sondern (nur), mit den im einzelnen genannten Rega-
lien, die zum Herzogtum gehörten. Die Belehnung von 1434 entsprach also exakt derjenigen von 1361,
die eine Abkapselung des Herzogtums vom römisch-deutschen Reich signalisierte. Vgl. Thomas, Heinz:
„Die lehnrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen zum Reich von der Mitte des 13. bis zum
Ende des 14. Jahrhunderts“, in: Rhein. Vjhll. 38 (1974), S. 166-202, hier S. 193 ff. Teilweise anders, aber
nicht immer zutreffend Mohr: Geschichte, S. 30 ff.
182
Wenige Monate nach der Belehnung durch den Kaiser stieg René in den ersten Rang von
Europas Fürstenhierarchie auf: Am 12. November 1434 starb sein älterer Bruder Ludwig
(III.); damit wurde René Oberhaupt einer Familie, die nach der regulären Erbfolge dem
Thron Frankreichs näherstand als die Burgunder, er übernahm die Herrschaft über das
Herzogtum Anjou sowie die Grafschaft Provence und obendrein auch noch den An-
spruch auf die Krone des Königreichs Sizilien-Neapel158.
Für Philipp den Guten schien das ein Geschenk des Himmels zu sein. Am 26. März 1435
mußte der künftige König wieder in die Gefangenschaft zurückkehren, aus der er ja nur
unter bestimmten Bedingungen entlassen worden war159. Der aktuelle Anlaß für die
intransingente Haltung des Burgunders dürfte die Absicht gewesen sein, dem Schwager
König Karls VII. während der damals bevorstehenden Friedenskonferenz der drei am
Krieg in Frankreich beteiligten Parteien jede Möglichkeit zu nehmen, sich als vierte Macht
ins Spiel zu bringen. Der Kongreß von Arras führte am 6. September zum Bruch zwi-
schen England und Burgund160 und am 21. September zum Frieden zwischen König Karl
VII. und Philipp dem Guten161. Der Fall des Anjou wurde in dem Vertrag nicht erwähnt.
Philipp der Gute war entschlossen, diese Angelegenheit nach seinen eigenen Vorstellun-
gen zu regeln.
Eine flüchtige Lektüre des Vertrags von Arras vermittelt den Eindruck, Karl VII. habe
sich nahezu bedingungslos den Forderungen des Burgunders gebeugt:162 Nach vielen
Worten über die Schändlichkeit der Ermordung eines unschuldigen Fürsten folgen Erklä-
rungen über die in Gestalt von teuren Stiftungen zu leistende Buße für das Verbrechen
und über beträchtliche territoriale Konzessionen des Königs, darunter auch solche in der
Champagne. Die für Karl VII. wichtigste Gegenleistung des Burgunders wird erst in § 28
verzeichnet, und das in negativer Form163: Herzog Philipp wird zeit seines Lebens nicht
gehalten sein, für die in seiner Hand befindlichen Länder und Herrschaften dem König
Lehnseid und Mannschaft zu leisten. Er bleibt vielmehr für seine Person exempt von je-
der Unterwerfung, befreit von der Souveränität, der Oberherrschaft des Königs von
Frankreich. Das war sozusagen die spiegelnde Buße für den Mord von Montereau, der an
158 Vgl. z. B. Léonard, Émile G.: Les Angevins de Naples, Paris 1954, S. 485 ff. Zum folgenden: Mit der Über-
nahme des Anspruchs auf das Königreich Sizilien gewann René einen eifrigen Fürsprecher, Papst Eugen
IV., der die Anjou gegen ihre Rivalen von Aragon unterstützte, vgl. Toussaint, Joseph: Les relations diplo-
matiques de Philippe le Bon avec le Concile de Baie (1431-1449), Löwen 1942, bes. S. 153 ff.
159 Vgl. Mohr: Geschichte (wie Anm. 21), S. 78.
160 Zu Arras vgl. Vaughan: John the Fearless (wie Anm. 1), S. 98 ff. mit Literatur; Patze, Hans: Artikel „Arras,
Frieden von“ in: I^exAIA Bd. 1, 1980, Sp. 1028 ff. An der Konferenz von Arras haben Renés damaliger
Kanzler Jakob von Sierck und weitere Räte des Anjou teilgenommen, für ihren Herrn jedoch nichts er-
reichen können, vgl. Miller (wie Anm. 149), S. 154 f.
161 Vgl. Cosneau: Les grands traités (wie Anm. 85). 116 ff.
162 S. Anm. 163.
163 Cosneau: Les grands traités (wie Anm. 85), S. 113: Item et que mondit seigneur de Bourgoigne ne sera tenu de faire
aucune foy, ne bornage, ne service au Roy ... mais sera et demourra exempt, de sa personne, en tous cas, de suhjeccion, hom-
mage, ressor, souveraineté et autres du Roy, durant la vie de lui...
183
einem vom Kniefall vor seinem künftigen Herrn sich erhebenden Vasallen verübt worden
war.
Die burgundische Expansion und ihre Auswirkungen im Raum westlich der Graf-
schaft Saarbrücken
Herzog Philipp hatte mit dem Vertrag von Troyes den Einfluß auf die Zentrale des Kö-
nigreichs Frankreich eingebüßt, den sein Großvater ganz selbstverständlich ausgeübt und
sein Vater mit allen Mitteln zu wahren versucht hatte. Wenn die von Philipps Chronisten
Enguerrand de Monstrelet notierte Nachricht zutraf, wonach Heinrich V. auf dem Toten-
bett seinen Leuten geraten habe, die Regentschaft in Frankreich dem Herzog von Bur-
gund anzubieten, und dieser die Offerte abgelehnt hätte, dann wären Philipps in den fol-
genden Jahren erzielte Erfolge das Ergebnis einer bewußten Abwendung von der auf
Frankreichs Zentrale gerichteten Politik seiner Vorgänger gewesen164. Manches spricht für
eine solche Einschätzung, indes haben die burgundischen Chronisten der Zeit Philipps
des Guten doch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie ihren Herrn zur Familie der Köni-
ge Frankreichs rechneten, und haben ihm keine Ambitionen zugeschrieben, seinen Herr-
schaftsbereich in ein eigenständiges, von Frankreich unabhängiges Reich zu verwandeln,
dessen Ansatz sich in § 28 des Vertrags von Arras abzeichnete165.
Die Basis für einen solchen Staat hatte Philipp just in der Zeit zwischen dem Vertrag von
Troyes und dem Frieden von Arras geschaffen oder doch in entscheidendem Maße aus-
gebaut. Als väterliches Erbe hatte er 1419 übernommen:166 das Herzogtum Burgund mit
der Freigrafschaft gleichen Namens im Süden, die Grafschaft Flandern im Norden. Hinzu
kamen nunmehr167: die unter Ludwig dem Bayern an die Wittelsbacher gefallenen Graf-
schaften Hennegau, Holland, Seeland und Friesland (1428/32), die Grafschaft Namur
(1429), sowie die Herzogtümer Brabant und Limburg (1430). Der Gewinn des Herzog-
tums Luxemburg, das von einer Nichte Kaiser Siegmunds regiert wurde, schien nur noch
eine Frage der Zeit168. Zumeist übersehen wird, daß Bedford nach den Niederlagen gegen
die Pucelle Anfang 1430 dem Burgunder die Grafschaft Champagne zu Lehen übertragen
hat169. Das Bild, das eine Karte dieses burgundischen Länderkonglomerats dem Betrachter
vor Augen führen würde, ließe deutlich werden, welche Konzession Philipp dem Mörder
164 Monstrelet. Chronique (wie Anm. 102), Bd. 4, S. 110.
165 Zingel: Frankreich (wie Anm. 106), bes. S. 228 ff. Vgl. noch die in Anm. 172 zitierte Literatur.
166 Hinzuzurechnen sind einige kleinere Herrschaften, vgl. generell Vaughan: Philip the Good, S. 29 ff., Kapi-
tel „Conquest and Expansion 1420-1433“.
167 Zu Hennegau, Holland, Seeland vgl. Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 31 ff.; zu den Vorgängen
um 1432 vgl. S. 50; zu Namur: S. 29 f; zu Brabant und Limburg: S. 51 f.
168 Zu Luxemburg bis 1439 vgl. Miller: Jakob von Sierck (wie Anm. 149), S. 30 f.; Heimann, Heinz-Dieter:
Zmschen Böhmen und Burgund. Zum Ost-Westverhältnis innerhalb des Ferritorialsystems des Deutschen Bleiches in 15.
Jahrhundert, Köln, Wien 1982, S. 65 ff.
169 Williams: Bedford (wie Anm. 86), S. 182. Die Belehnung im Namen Heinrichs VI. fand am 8. März 1430
statt.
184
seines Vaters mit dem Frieden von Arras gemacht hat, dessen Text zwar den Burgunder
als Triumphator erscheinen ließ und noch immer läßt, der aber mit der gar nicht explizit
ausgesprochenen Anerkennung Karls VII. als König auch den Verzicht auf den Besitz der
Grafschaft Champagne implizierte, wo es freilich, wie in anderen Regionen auch, burgun-
dische Enklaven gab, um deren Besitz in den folgenden Jahren ständige Konflikte geführt
wurden170.
Spätblüte der Ritterschaft: Der Orden vom Goldenen Vlies
Daß Herzog Philipp trotz der Anerkennung Karls VII. auch weiterhin eine kaum einge-
schränkte souveräne Stellung einnahm, stand schon aufgrund des § 28 im Frieden von Ar-
ras außer Frage171. Aber es gab noch andere Indizien für das Streben des Burgunders nach
einer königsgleichen Stellung: Am Ende der Feierlichkeiten zu seiner Hochzeit mit Isabel-
la von Portugal in Sluis bei Brügge am 7. Januar 1430 hatte der Wappenkönig von Flan-
dern verkündet, daß sein Herr zu Gottes Ehren, zur Bewahrung des christlichen Glaubens
und zur Erhöhung des edlen Standes der Ritterschaft einen Orden gegründet habe, der
den Namen „Goldenes Vlies“ tragen werde172. Der „Toison d‘or“ trat neben den damals
schon 85 Jahre alten Hosenbandorden der Könige Englands, in dem die Blüte nicht nur
des englischen Adels Aufnahme gefunden hatte, sondern zum Beispiel auch König Sieg-
mund während seiner Englandreise im Jahre 1416173. Der König von Frankreich verfügte
damals über keinerlei Institution dieser Art. Erst Karls VII. Sohn Ludwig XI. ist 1469, zu
Beginn seines Konflikts mit Philipps des Guten Sohn Karl dem Kühnen, dem Beispiel
seines unbotmäßigen Vasallen gefolgt und hat den Orden des Erzengels Michael gegrün-
det, der freilich nie das Renomme gewinnen konnte wie seine Vorläufer in England und
Burgund, die bekanntlich noch heute existieren, während der französische Königsorden
der Revolution zum Opfer fiel174.
170 Vaughan: Philip the Good, S. 113 f.
171 Bonenfant, A. M. und Paul: „Le projet d’érection des Etats bourguignons en royaume en 1447“, in: Le
Mojen Age 45 (1935), S. 10-23; Schneider, )ean: „Lotharingie, Bourgogne ou Provence? L’idée d’un
royaume d’entre-deux aux derniers siècles du Moyen Age“, in: Liege et Bourgogne (Les congrès et collo-
ques de 1’ Université de Liège, Bd. 66), 1972, S. 15-44. 1438 wurde Philipp als Kandidat für das römische
Königtum ins Spiel gebracht, vgl. Paravicini, Werner: „Zur Königswahl des Jahres 1438“, in: Rhein. Vjbll.
39 (1975), S. 99-115.
172 Vgl. D’Arcy Jonathan Dacre Boulton: The Knights of the Crown. The Monarchical Orders ofKnighthood in Later
Médiéval Europe, 1325 - 1520, Woodbridge 1987, S. 356ff. Daß Philipp der Gute seinen Orden in Kon-
kurrenz zum Hosenbandorden und im Bewußtsein gegründet habe, daß Karl VII. über keine vergleich-
bare Institution verfügte, betont sein Chronist Georges Chastellain, vgl. ausführlich Zingel: Frankreich
(wie Anm. 106), S. 148f.
173 Vgl. Hoensch: Kaiser Sigismund (wie Anm. 14), S. 230; Boulton: The Knights (wie Anm. 172), S. 131 mit Li-
teratur. Siegmund hatte schon 1408 einen eigenen Orden gegründet, den des Drachens, vgl. Boulton, S.
348 ff.; Bogyay, Thomas: Artikel „Drachenorden“, in: LexMA Bd. 3, 1986, Sp. 1346.
174 Boulton: The Knights (wie Anm. 172), S. 427 ff. Voraufgegangen war König Johanns II. Sternenorden un-
serer Lieben Frau vom Edlen Haus zu St. Ouen, der aber schon nach wenigen Jahren (vermutlich 1356),
seinen Geist aufgab, Boulton, S. 167 ff.
185
Die Folgen des Friedens von Arras:
Die Écorcheurs und König Karl VII. in Lothringen
Nach dem Frieden von Arras und dem damit einhergehenden Verzicht auf den größten
Teil der Grafschaft Champagne stand für Philipp wiederum das Problem des Brücken-
schlags zwischen seinen Gebieten in Nord und Süd auf der Tagesordnung175. Einen Pfeiler
dafür versuchte er zunächst unter rigoroser Ausnutzung der Zwangslage Renés von Anjou
zu errichten176. Er forderte die Auslieferung des Herzogtums Bar als Pfand für Renés Lö-
segeld, das anfangs, dem königlichen Status des Gefangenen gemäß, auf die ungeheuerli-
che Summe von 3 Millionen Dukaten festgesetzt, dann auf immer noch 1 Million redu-
ziert wurde. Als diese Erpressung an Renés Standhaftigkeit scheiterte, wurde die in sol-
chen Fällen schon oft bewährte Eheallianz ins Spiel gebracht: Renés jüngere Tochter
Margarete sollte Philipps Sohn Karl heiraten und als Mitgift das Herzogtum mitsamt der
Markgrafschaft von Pont-ä-Mousson erhalten, die dann bis zur Geschäftsfähigkeit des
damals gerade drei Jahre alten Bräutigams von dessen Vater regiert werden sollte177. Aber
auch diese Variante wurde nicht realisiert. Am Ende mußte sich der Burgunder mit der
Aussicht auf ein Lösegeld in Höhe von nur noch 400.000 écus zufrieden geben178. Ende
1436 wurde René wieder in die Freiheit entlassen. Alles schien auf eine friedliche Zukunft
im oberlothringischen Raum hinzudeuten, als im Oktober 1437 auch eine Einigung zwi-
schen René und seinem Widersacher von Vaudémont erzielt werden konnte179. Aber nur
wenig später kam es zu einem erneuten Ausbruch des Konflikts, in den nunmehr König
Karl VII. nicht mehr allein durch Stellvertreter eingegriffen hat, sondern in höchst eigener
Person.
René scheint davon überzeugt gewesen zu sein, daß seine Herrschaft über Bar und Loth-
ringen nunmehr als gesichert gelten konnte. Jedenfalls reiste er im Frühjahr 1438 gen Sü-
den, um seinen Anspruch auf das Königreich Sizilien-Neapel durchzusetzen180. Anton von
Vaudémont nahm die Gelegenheit wahr und unternahm mit Hilfe picardischer Söldner
und adeliger Bundesgenossen der Region Raubzüge quer durch Bar und Lothringen, wo-
raufhin Renés Amtleute Karl VII. um Hilfe baten181. Die wurde auch nicht verweigert, je-
doch erwiesen sich die vom König in den Osten gesandten Söldnerführer schon bald als
175 Vgl. u. a. Miller: Jakob von Sierck (wie Anm. 149), S. 33 ff. u 80 ff.
176 Ebd., S. 40 ff., bes. S. 43, Anm. 178. Die Lösegeldforderungen wurden teilweise schon in Währungen
Italiens (Venedigs und Neapels) bemessen.
177 Ebd., S. 45 mit Hinweisen auf weitere Forderungen des Burgunders.
178 Ebd., S. 46 mit dem Verweis auf die Überlieferung des am 28. Januar 1437 in Lille beurkundeten Ver-
trags. Vgl. auch Toussaint: Les relations (wie Anm. 158), S. 153 ff.
179 Vgl. François: „Vaudémont“ (wie Anm. 121), S. 244 sowie S. 245, Anm. 1: Verweis auf einen am 16. Ok-
tober 1437 geschlossenen Vertrag, demzufolge Anton den Frieden wahren wollte.
180 Abreise Renés aus Marseille: 12. April 1438. Nahezu gleichzeitig eröffnete Anton die Feindseligkeiten,
François: „Vaudémont“, S. 245.
181 Vgl. zusammenfassend Aimond: Les relations (wie Anm. 141), S. 260 ff.; Mohr: Geschichte (wie Anm. 21), S.
79.
186
eine noch schlimmere Plage für das Land als diejenigen, die sie bekämpfen sollten. Be-
sonders hervorgetan haben sich bei den Plünderungszügen auf königlicher Seite zwei alte
Kampfgefährten der Jeanne d‘Arc, die Sieger von Patay, La Hire und Poton de Xaintrail-
les182, auf der anderen war es Robert von Saarbrücken, der gegen die Anjou in Lothringen
kämpfte, seiner Tätigkeit aber auch auf eigene Rechnung nachging183.
Die an Kriegsgreuel durchaus gewöhnten Zeitgenossen haben die neuerlichen Exzesse als
eine unerträgliche Heimsuchung empfunden und ihre Plagegeister als écorcheurs (Schinder)
gebrandmarkt184. Ende 1439 sah sich Karl VII. veranlaßt, eine Ordonnanz gegen das Un-
wesen jener angeblich ohne seine Autorisierung wütenden Söldnerbanden zu verkün-
den185, indes war er in den folgenden Monaten vor allem damit beschäftigt, die als Praguerie
bezeichnete Opposition des hohen Adels zu unterdrücken, die sich die Eindämmung der
seit den Siegen von 1429 und dem Frieden von Arras rasch expandierenden Macht der
Krone zum Ziel gesetzt hatte186. Im Februar 1441 konnte Karl jedoch die Initiative ergrei-
fen und unternahm in eigener Person einen Feldzug in die Heimat der Jeanne d‘Arc, wo
sich seit der Jahreswende 1299/1300 keiner seiner Vorgänger hatte blicken lassen187. In
Vaucouleurs erschien Robert von Saarbrücken-Commercy und leistete am 28. Februar
Abbitte für seinen Krieg gegen Karls Schwager René, obendrein aber auch Lehnseid und
Mannschaft für seinen Anteil an der Herrschaft Commercy. Einen Monat später konnte
der König in Reims auch den Grafen von Vaudémont zum Nachgeben bewegen188. Der
Vertrag zwischen Anton und den Vertretern Renés erwies sich in der Folge als tragfähige
Basis für den Frieden zwischen diesen Parteien und bewirkte im übrigen, daß der Vaudé-
mont sich von seinem bisherigen Patron, dem Burgunder, abwandte und zu einem Partei-
gänger Karls VII. wurde189.
Einer von Antons einstigen Bundesgenossen aber war noch immer nicht bereit, die Nie-
derlage hinzunehmen. Robert von Saarbrücken-Commercy setzte seine Attacken auf Bar-
Lothringen fort, mußte aber Ende 1443 erneut einlenken und hat sich am 3. Februar 1444
182 Vgl. die Artikel von Contamine, Philippe: „La Hire“, in: LexAiA Bd. 5, 1991, Sp. 1614 f.; u. „Xaintrailles,
Poton, Seigneur de“, in: LexAiA Bd. 9, 1998, Sp. 395 ff.
183 Vgl. Aimond: Les relations, S. 250 f.
184 Vgl. Tuetey, A.: Les Écorcheurs sous Charles 17/, Bd. 1-2, Montbéliard 1874; Aimond: Les relations (wie
Anm. 141), S. 260 f.
185 Ordonnances (wie Anm. 83), Bd. 13, S. 306.
186 Vgl. Contamine, Philippe: Artikel „Praguerie“, in: LexAiA Bd. 7, 1995, Sp. 167 ff.; Vale: Charles T 77 (wie
Anm. 1), S. 70 ff.
187 Zur Begegnung Philipps IV. und Albrechts I. bei Quatrevaux, einem Gehöft zwischen Toul und Vau-
couleurs, vgl. z. B. Hessel, Alfred: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter König Albrecht I. von Habsburg, Mün-
chen 1931, S. 82. Zu Karls VII. erster Lothringenreise vgl. Aimond: Les relations (wie Anm. 141), S. 261.
188 François: „Vaudémont 2“ (wie Anm. 121), S. 249 mit Verweis auf den am 27. März 1431 in Langres ge-
schlossenen Vertrag.
189 Vgl. François: „Vaudémont 2“, S. 251 ff: Graf Anton erhob 1449 vor dem Pariser Parlament Klage ge-
gen Philipp den Guten, weil dieser ihn um Renés Lösegeld geprellt hätte. Am Verfahren, das vermutlich
wie das Hornberger Schießen ausging, war als Exekutivbeamter auch Robert von Baudricourt beteiligt.
187
Renés Sohn und Statthalter Ludwig gebeugt, wobei er es hinnehmen mußte, daß Elisa-
beths Sohn Johann den bei der Erbteilung von 1442 auf ihn übergegangenen Anteil an
der Herrschaft Commercy mit dem Château-Bas dem Statthalter verkaufte190. Damit wur-
den die Anjou in die Lage versetzt, den wichtigsten Stützpunkt des alten Störenfrieds
durch eigene Leute kontrollieren zu lassen.
Wenig später erschien König Karl VII. zum zweiten Mal in Lothringen. Der am 28. Mai
1444 in Tours abgeschlossene Waffenstillstand mit England191 hatte den König in die Lage
versetzt, diesmal ein nach Ansicht deutscher Beobachter unübersehbar großes Heer gen
Osten zu führen192. Über das Ziel der Operation haben viele Zeitgenossen gerätselt, und
auch Historiker der Gegenwart sind zu unterschiedlichen Einschätzungen gekommen193.
Als gesichert kann gelten, daß Karls VII. Hauptstoß in die Region vorgetragen wurde, auf
die sich die Expansionspläne Philipps des Guten richteten, wo der Burgunder nur wenige
Monate zuvor, im November 1443, mit der Eroberung Luxemburgs einen seiner größten
militärischen Erfolge erzielt hatte194. An der antiburgundischen Tendenz von Karls VII.
Feldzug kann mithin kaum gezweifelt werden.
Davon abgesehen aber gab es Komponenten des Vorgangs, die in eine fernere Zukunft
wiesen: Zum ersten Mal wurden die Metzer mit der Forderung konfrontiert, den König
von Frankreich als ihren Herrn anzuerkennen195, zum ersten Mal wurde der Rhein ernst-
haft als Grenze des Königreichs ins Auge gefaßt196, und die bis dahin zum Besitz der Met-
zer Kirche gehörende Stadt Epinal wurde der Herrschaft von Frankreichs Krone unter-
worfen197. Von ebenso weitreichender Bedeutung, und zwar nicht nur für die Militärge-
190 François-Vivès: „Les seigneurs de Commercy“ (wie Anm. 127), T. 2, S. 135 nach BN Coli. Lorraine Bd.
295, f. 129.. Der enorme Kaufpreis von 42 000 fl. läßt ahnen, welche Bedeutung dem Saarbrücker Anteil
an der Herrschaft über Commercy beigemessen wurde. Vgl. Thomas: „Philipp“ (wie Anm. 10), S. 42 mit
einem Fehler: Es war Johann, nicht also Philipp, der den Saarbrücker Anteil am Erbe mitsamt dem da-
zugehörenden Teil von Commercy übernommen hat. Vgl auch den Beitrag von Herrmann in diesem
Band S. 105-107.
191 Text: Cosneau: Les grands traités (wie Anm. 85), S. 152 ff.
192 Marot, Pierre: „L’expédition de Charles VII à Metz (1444-1445), documents inédits“, in: BEC 102
(1941), S.109-155. Schon am 6. Juli 1443 hatte der König seine Baillis von Chaumont und Vitry angewie-
sen, die Bürger von Metz daran zu hindern, weiterhin die Abtei Gorze zu behelligen, vgl. Urk. Nr. 1, S.
141 ff.
193 Ein Teil des Heeres zog unter dem Dauphin Ludwig ins Elsaß und durch die burgundische Pforte gegen
die Eidgenossen. Karl VII. konnte sich dabei auf eine Bitte König Friedrichs berufen. Vgl. dazu die
Schreckensmeldungen in Deutschland über die „Armen Jecken“ d. h. die Armagnacs, wie sie immer
noch benannt wurden: Deutsche Reichstagsakten, Bd. 17, 2, hg. v. Walter Kaemmerer, Göttingen 1962, Nr.
225 ff., S. 467 ff.
194 Vgl. Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 276 ff.
195 Marot: „L’expédition“ (wie Anm. 192), vgl. bes. Quelle Nr. 2, S. 145 ff., Nr. 4, S. 152 ff.
196 Marot: „L’expédition“, S. 137 f. Dazu Hübinger, Paul Egon: „Die Anfänge der französischen Rheinpoli-
tik als historisches Problem“, in: HZ 171 (1951), S. 21-45; dazu wiederum Miller: Jakob von Sierck (wie
Anm. 149), S. 148 mit Anm. 302.
197 Marot: „L’expédidon“, S. 137 f.
188
schichte, war eine nach dem Ende des Feldzugs vermutlich in Nancy verkündete Ordon-
nanz, mit der eine Epoche des monarchischen Heerwesens eingeleitet wurde, in deren
Verlauf die Etablierung stehender Kompanien die politische Entwicklung der europäi-
schen Staatenwelt in entscheidender Weise prägen würde198.
Résumé
Die Zeit von Elisabeths Regentschaft stand im Schatten von teils sensationellen, teils
grauenvollen Vorgängen und Umbrüchen. Zwar werden manche der dabei langfristig
wirksamen Komponenten nur wenigen Zeitgenossen einsehbar gewesen sein. Für jeder-
mann erkennbar war freilich gleich zu Beginn von Elisabeths Zeit der Wandel in dem
zwischen Bedford, Karl VII. und Philipp dem Guten aufgeteilten Frankreich, als Jeannes
Dauphin in Reims zum König gesalbt und gekrönt wurde. Die Bauerntochter, die dieses
Wunder ermöglicht hatte, war in einem Dorf aufgewachsen, das unter der Herrschaft ei-
ner Cousine Elisabeths stand, das von einem Verwandten des Grafen Philipp in geradezu
existenzbedrohendem Ausmaß drangsaliert worden war, während Jeannes Landesherr,
Herzog René von Bar, seit 1425 mit Elisabeths Bruder, dem Grafen von Vaudémont, um
den künftigen Besitz des Herzogtums Lothringen stritt. Nach Karls VII. Triumph von
Reims schien die Vertreibung der Engländer aus dem Königreich nur noch eine Frage
weniger Monate zu sein. Aber dann wandte sich das Blatt: Die Jungfrau aus Domremy ge-
riet in Gefangenschaft, wurde in Rouen exekutiert. Die Folgen von Karls VII. Apease-
ment-Politik gegenüber Burgund waren für die Gebiete westlich der Grafschaft Saarbrü-
cken über mehr als zehn Jahre hinweg im wahrsten Sinne dieses Wortes verheerend. Die
Engländer waren zwar verschwunden, dafür aber sorgten Bandenchefs, ob sie nun An-
hänger Philipps des Guten waren oder solche Karls VII., für eine Steigerung des Chaos,
das erst mit der Usurpation des Herzogtums Luxemburg durch den Herzog von Burgund
und das Eingreifen des Königs übersichtlicher geordnet wurde: Von nun würden Frank-
reich und Burgund als die beiden Pole wirken, denen sich die kleineren Mächte der Regi-
on unterzuordnen hatten. Allenfalls ein in der Region präsenter Herzog von Bar und
Lothringen würde sich bei diesem Doppelspiel noch als eigenständiger Partner behaupten
können. Es mag sein, daß die Einsicht in die Sprengkraft dieser Konstellation zu dem
Entschluß von Elisabeths Sohn Johann beigetragen hat, seinen Anteil an der in jenem
Spannungsfeld gelegenen Herrschaft Commercy im Februar 1444 zu verkaufen, und es
198 Die sog. Große Ordonnanz ist nicht erhalten, ihr Inhalt kann aber rekonstruiert werden, vgl. Contamine:
Guerre (wie Anm. 33), S. 278 mit Anm. 4, der die verlorene Ordonnanz zwischen zwei erhaltene datiert,
die ebenfalls dem Mililitärwesen gewidmet waren und am 9. Januar 1445 in Nancy bzw. am 25. Mai in
Louppy-le-Chäteau (bei Bar-le-Duc), ausgestellt wurden. Edidon: (1), Tuetey, Les écorcheurs (wie Anm.
184), Bd. 1, S. 307 ff.; (2), Cosneau, E.: Le connétable de Richemont, Arthur de Bretagne, 1393-1458, Paris
1886, Appendix Nr. 83, S. 609f. Vgl. die Zusammenfassung von Contamine: Artikel „Compagnie
d’ordonnance“, in: LexMA Bd. 3, 1986, Sp. 99.
189
scheint, daß Johann damit nur der Linie gefolgt ist, die seine Mutter in der Zeit ihrer Re-
gentschaft gegenüber den Konflikten im Westen ihrer Grafschaft vorgezeichnet hatte199.
199 Seit Beginn des Hundertjährigen Krieges scheint die eine oder andere Familie vor Ehen mit Partnerin-
nen und Partnern aus Frankreich zurückgeschreckt zu sein, vgl. Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm.
60), S. 118 mit Verweis auf zwei Lothringen und Saarbrücken betreffende Vorgänge. Zum ersten Fall
vgl. Krebs, Manfred: „Die Erbfolgeordnung Herzog Karls II. von Lothringen vom Jahre 1410“, in: El-
saß-Eothring. Jb 1929, S. 110-121. In diesem Testament hat der Herzog (unter dem Eindruck des Streits
um Neufchäteau), Ehen seiner Kinder mit Partnern aus Frankreich untersagt. Daran scheint er sich nur
wenige Jahre später nicht mehr erinnert zu haben, vgl. o. bei Anm. 76ff. Zum zweiten Fall vgl. Gerlich,
Alois: „Interterritoriale Systembildung zwischen Mittelrhein und Saar in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts“, in: Bll. f. dt. Eandesgesch. 111 (1975), S. 116 ff.
190
Germanistisch-Historischer Arbeitskreis der Universität Mainz
Die Varsberg-Korrespondenz der Gräfin
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken aus den Jahren 1432-1434
Karl-Heinz Spier
Vor über 15 Jahren, als das fachübergreifende Gespräch zwischen Germanisten und His-
torikern noch kaum in Gang gekommen war, haben der Sprachwissenschaftler Albrecht
Greule und der Verfasser als Historiker, beide damals wissenschaftliche Mitarbeiter an der
Universität Mainz, einen Germanistisch-Historischen Arbeitskreis begründet. Die Einrich-
tung des Kreises erfolgte aus der Erkenntnis heraus, daß beide Disziplinen frühneuhoch-
deutsche Prosatexte des 15. und 16. Jahrhunderts erforschen, ohne die Ergebnisse des je-
weiligen Nachbarfaches zur Kenntnis zu nehmen. Im Arbeitskreis wurden gemeinsam mit
den Studierenden archivalische Texte gelesen, transkribiert sowie aus germanistischer und
historischer Sicht interpretiert.
Schon bald regte sich der Wunsch, ein Textcorpus editionsreif zu gestalten und zu publi-
zieren. Die Auswahl fiel schließlich auf die Korrespondenz der Gräfin Elisabeth von Nas-
sau-Saarbrücken, da der Verfasser die Archivalien im Landesarchiv Saarbrücken bei der
Vorbereitung seiner Habilitationsschrift gesichtet hatte. Für Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken sprach zudem der Umstand, daß ihre Korrespondenz in der Forschung bei-
der Fachdisziplinen Beachtung finden würde. In der Folgezeit transkribierten, regestierten
und interpretierten die studentischen Mitglieder des Arbeitskreises, betreut von den bei-
den Leitern, intensiv die in Saarbrücken bei einem von Hans-Walter Herrmann vorberei-
teten Archivbesuch im Original eingesehenen Briefe aus der Zeit des Varsberg-Konfliktes.
Nachdem Albrecht Greule 1992 nach Regensburg und der Verfasser 1994 nach Greifs-
wald berufen worden waren, wendete sich der Germanistisch-Historische Arbeitskreis un-
ter der Leitung von Sigrid Schmitt anderen Texten zu1, während Michaela Küper und
Christine Maillet in mühevoller Kleinarbeit die redaktionelle Bearbeitung für eine künftige
Publikation der transkribierten Texte übernahmen. Zwischenzeitlich wurde das vorliegen-
de Material bereits von den Mitgliedern für wissenschaftliche Fragestellungen ausgewer-
tet2. Aufgrund beruflicher Belastungen referierte jedoch mit Nina Janich nur ein Mitglied
1 Siehe hierzu: Das Protokoll des Niersteiner Kittergerichts (1654-1661), bearbeitet und herausgegeben von
Kerstin Riedel und Sigfrid Schmitt mit dem Germanistisch-Historischen Arbeitskreis an der Universität
Mainz, Darmstadt und Marburg 1999 (Quellen und Forschungen zur Hessischen Geschichte 122).
2 Janich, Nina: „Höflichkeit und Streit in Briefen. Die Varsberg-„Fehde“ der Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken“, in: Historische Soziolinguistik des Deutschen III. Sprachgebrauch und sprachliche Leistung in sozialen
Schichten und sozjofunktionalen Gruppen. Internationale Fachtagung Rostock/Kühlungsborn 15. - 18. 9.
1996, hg. von Gisela Brandt, Stuttgart 1997 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 351), S. 95-110; Dies.:
Individuelle Züge in spätmittelalterlichen Briefen am Beispiel der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, in
diesem Band S. 389-410; Spieß, Karl-Heinz: „Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen A-
del“, in: Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter. Kolloquium im Deutschen Historischen Institut
191
des Arbeitskreises auf dem Saarbrücker Elisabeth-Kolloquium im Oktober 1997, dessen
Ergebnisse im vorliegenden Band publiziert werden.
Als das freundliche Angebot der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und
Volksforschung, die Edition in diesen Tagungsband aufzunehmen, an Albrecht Greule
und den Verfasser erging, beschlossen wir, den Texten eine sprachgeschichtliche und eine
historische Einführung voranzustellen. Bei der Abfassung des historischen Teils traten je-
doch große Schwierigkeiten auf, weil der Arbeitskreis sich aufgrund seiner Ausrichtung
auf die deutschen Texte konzentriert und die französischen außer acht gelassen hatte. Für
die Aufhellung des historischen Hintergrundes der Varsberg-Auseinandersetzung war es
aber unverzichtbar, auch die in französischer Sprache geführte Korrespondenz mit Elisa-
beths Bruder Anton von Vaudemont heranzuziehen, ln dieser Situation erwies es sich als
ein Glücksfall, daß der Greifswalder Doktorand Jürgen Herold bereit war, die Transkrip-
tion und Regestierung dieser Texte zu übernehmen. Er brachte hierbei Erfahrungen, die
er im Rahmen der Recherchen für seine vom Verfasser betreute Dissertation über „Fürs-
tenbriefe im Spätmittelalter“ gesammelt hatte, gewinnbringend ein. Im Zuge der Text-
aufbereitung arbeitete sich jürgen Herold so intensiv mit neuen Ergebnissen in den Ab-
lauf des Varsberg-Konfliktes ein, daß ihm schließlich auch die Abfassung der historischen
Einführung allein übertragen wurde. Schließlich hat er aus der Kenntnis der gesamten
Korrespondenz und des Konfliktverlaufs heraus auch die Regesten der deutschsprachigen
Briefe noch einmal überarbeitet und zusammen mit Michaela Küper die Zusammenfüh-
rung aller Texte, die Endfassung der beiden Register und die Schlußredaktion besorgt.
Um den Anteil der einzelnen Mitglieder des Germanistisch-Historischen Arbeitskreises an
der Edition deutlich zu machen, wurden die Texte mit den jeweiligen Namen der Bearbei-
ter versehen.
Paris 16. - 18. 3. 1995, hg. von Ingrid Kasten, Werner Paravicini und René Pérennec, Sigmaringen 1998
(Beihefte der Francia 43), S. 85-101.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Edition:
R. K. Becker 74
M. Bleymehl-Eiler 19, 20, 35
St. Grathoff 10, 22, 44
D. Hermann 78
Jürgen Herold 3, 11, 12, 15, 18, 24, 26, 28, 29, 32, 33, 36, 37, 38, 39, 40, 43, 46, 48, 59, 60,
62, 63, 64, 65, 66, 67, 71, 72, 77, 83
Ch. Herrmann 14
Nina Janich 6, 25, 41
Michaela Küper 1, 7, 16, 30, 31, 50, 51, 54, 58, 61, 71, 73, 79, 80, 81, 84
P. Kunkel 2, 9, 18, 45
Christine Maillet 4, 5, 13, 21, 27, 34, 49, 55, 68, 69, 70, 83
T. Sadoswki 8, 12, 75
S. Sander 56, 57
R. Schäfer 42, 47, 52, 53
Sigrid Schmidt 23
A. Zipfel 17, 76, 82
Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Edition S. 254-366.
193
Sprachwissenschaftlicher Kommentar zu den Briefen Elisabeths von
Nassau-Saarbrücken
Albrecht Greule / Nina Janich
Die vorliegenden Briefe der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken aus den fahren 1432-1434
sind sprachhistorisch zwischen dem Mittelhochdeutschen und dem Frühneuhochdeut-
schen anzusiedeln, da sie im Lautstand sowohl noch Züge des klassischen Mittelhoch-
deutschen als auch Tendenzen zum Frühneuhochdeutschen aufweisen. Im folgenden
werden die in den Briefen nachweisbaren sprachlichen Tendenzen und Auffälligkeiten in
den Bereichen Phonologie, Graphie, Flexion und Wortschatz1 skizziert, die vom klassi-
schen Mittelhochdeutsch abweichen und als mundartliche oder sprechsprachliche Formen
oder als Zeichen eines Sprachwandels hin zum Frühneuhochdeutschen interpretiert wer-
den können. Damit soll ein erster Schritt zu einer sprachwissenschaftlichen Verortung
dieses Kanzleischrifttums noch unabhängig von Schreiberhänden und der Verfasserfrage
geleistet werden. Eine differenzierte Untersuchung zum Beispiel der sprachlichen Unter-
schiede zwischen Konzept und Abschrift oder zwischen den Briefen verschiedener Hän-
de bleibt eingehenderen Analysen Vorbehalten2.
1. Wortschatz-Besonderheiten
1.1 Varianten
Wie bei der Schreibung (vgl. 4.) sind jeweils im selben Brief lexikalische Varianten nach-
weisbar, was zum einen an der Entstehungszeit und ihren beginnenden Ausgleichsten-
denzen, zum anderen — möglicherweise dadurch bedingt — an unterschiedlichen dialekta-
len Einflüssen liegen kann. So stehen beispielsweise kommen, swster und ^wischen neben
quemen, suster und tuschen, was für einen oberdeutschen Einfluß spricht.
1 Zu syntaktischen Besonderheiten wird nicht näher Stellung genommen. Weitgehend lassen sich die Er-
gebnisse Helmut Eberts zur Syntax frühneuhochdeutscher Bittbriefe übertragen: „Nicht zuletzt korres-
pondiert der sprachliche Aufwand (z.B. Anzahl der Sätze) mit der Größe der Bitte, ebenso hängt das
Vorhandensein und die Beschaffenheit einer syntaktischen Tiefenstaffelung mit der Komplexität des
vorgetragenen Sachverhalts zusammen.“ Vgl. Ebert, Helmut: „Bemerkungen zur Syntax frühneuhoch-
deutscher Bittbriefe“, in: Anne Betten (Hg.): Neue Forschungen %ur historischen Syntax des Deutschen. Referate
der Internationalen Fachkonferen^ Eichstätt 1989, Tübingen 1990 (Reihe Germanistische Linguistik 103), S.
224-238, hier S. 236.
2 In den objektsprachlichen Beispielen erscheinen die Kürzel aufgelöst. Alle metasprachlichen Äußerun-
gen zum Sprachstand beziehen sich selbstverständlich nur auf die im Text tatsächlich vorhandenen
Schreibweisen und zugrundeliegenden Lautungen. Da viele der zitierten Ausdrücke mehrfach und in
verschiedenen Schreibweisen auftauchen, wurde exemplarisch jeweils (eine Schreibung ausgewählt (vgl.
3.4 und 4.)
194
1.2 Lehnwortschatz
Erstaunlicherweise ist fast kein französischer Lehnwortschatz in den Briefen nachweisbar,
obwohl sowohl Elisabeth als auch ihr Kanzleibeamter Hans von Rittenhofen nachweislich
zweisprachig waren. Seltene Beispiele im Briefkorpus: ordenieren, parthie bzw. mderparthie.
1.3 Fachsprachliche Einzelwörter
Es handelt sich bei den Briefen um die geschäftliche Korrespondenz der Kanzlei der Eli-
sabeth von Nassau-Saarbrücken. Durch die inhaltliche und formale Nähe zu einem Feh-
debriefwechsel (vgl. Janich in diesem Band) läßt sich erklären, daß die Briefe in hohem
Grad fachsprachlich geprägt sind, was sich sowohl an einzelnen in Rechtswörterbüchern3
nachweisbaren Termini technici als auch an fachsprachlichen Formeln und feststehenden
Wendungen (vgl. 1.4) zeigen läßt.
Beispiele:
undgest du uns des uß (vgl. RWB I, Sp. 1029: ausgehen ,etw. verweigern; Forderung/ Vertrag/
Schiedsgericht u.ä. nicht halten/ ablehnen');
ußgeracht (vgl. RWB I, Sp. 1072: ausrechten ,vor Gericht verhandeln4);
Dar umb ichjn ... bededinget (vgl. RWB II, Sp. 21 lf: beteidi(n)gen hier ,jmd. belangen4);
aengeverde (vgl. RWB III, Sp. 1387: Gefährde ,List4 betrug4);
genechen (vgl. RWB IV, Sp. 206: genahen beanspruchen, sich etw. bemächtigen4);
glaubs briefe (vgl. RWB IV, Sp. 909f: Glaubbrief,Beglaubigungsschreiben4);
ingeben (vgl. RWB II, Sp. 1388 ,übergeben4, neigt zur Bildung von Paarformeln).
1.4 Feststehende (teil-)fachsprachliche Wendungen
Als häufig fachsprachlich im Sinne der Nachweismöglichkeit über ein Rechtswörterbuch,
immer aber mit der Funktion der rechtlich abgesicherten Autoritätssicherung und -
Steigerung können die zahlreichen feststehenden Wendungen in den Briefen gelten. In
Festigkeit und Grad der Terminologisierung lassen sich mindestens zwei Hauptgruppen
unterscheiden:
a) feste und durch Rechtswörterbücher nachweisbare Rechtsformeln;
b) formelhafte Ausdrucksweisen, die entweder häufiger im Briefkorpus auftauchen oder
singulär zur inhaltlichen Verstärkung dienen und die häufig einzelne Elemente der
Rechtssprache enthalten, in ihrer Formelhaftigkeit aber nicht direkt nachweisbar sind.
Letztere können unterteilt werden in Paarformeln, die als Strukturmuster allgemein
sehr häufig sind (vgl. beispielsweise die Belegreihen im „Deutschen Rechtswörter-
buch44), in allgemein nicht ganz so häufige Dreierformeln, die im vorliegenden Brief-
3 Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache, Bd. I-IX (bis Notrust), Weimar
1914-1996. Das Rechtswörterbuch wird im folgenden als RWB, römische Bandnr. + Spaltenzahl zitiert.
Da noch nicht alle Bände erschienen sind, wurden an Beispielen hauptsächlich vom Alphabet her beleg-
bare ausgewählt. Zentrale Formeln wurden auch ohne direkten Beleg aufgenommen.
195
korpus jedoch besonders bevorzugt werden und nicht selten durch Alliteration ge-
stärkt sind, sowie in sonstige korpustypische Formulierungen mit ansatzweise festem
Charakter (fest im Sinne der Wiederholbarkeit).
Beispiele:
zu a) belegte Rechtsformeln:
nast anspracben und antwort und erkentenisse; auch: ansprechen und forderung (vgl. RWB I, Sp.
731 f: ansprache ,Klageformel; Forderung, Rechtsstreit4, neigt zur Bildung von Paarformeln
und ist im Zusammenhang mit Antwort häufiger belegt; RWB I, Sp. 733: ansprechen münd-
lich gegen jmd. Klage erheben*; RWB I, Sp. 756f: Antwort (Verteidigungsrede) auf eine
Klage4; RWB III, Sp. 215-218: Erkenntnis Anerkenntnis; Urteil, Schiedsspruch4, neigt zur
Bildung von Paarformeln; RWB III, Sp. 626: Forderung ,allgemeiner Anspruch auf etw.4,
häufig belegt im Zusammenhang mit Ansprache);
mit dime briefe und boden (als Paarformel üblich; vgl. RWB II, Sp. 426);
unbewart diner/siner eren (vgl. RWB II, Sp. 1264: Ehre bewahren ,Fehde ansagen4);
von eren und rechts wegen (als Formel belegt; vgl. RWB II, Sp. 1257);
pu minen banden bringen (in fester Verbindung vgl. RWB IV, Sp. 1585 ,herbeischaffen4);
unsem banden stellen (in fester Verbindung vgl. RWB IV, Sp. 1595 ,(Sachen) übergeben4);
•gu dagegeen dich kommen!schicken (,einen Schiedstag einberufen (lassen)4);
nast rade und heljfe (vgl. RWB V, Sp. 958, 965: Hilfe ,Beistand, Unterstützung4, häufig als
Formel mit Hilfe und Kat, auch in negativem Kontext ^Beihilfe4));
aen vede und aen vigentschafft (vgl. RWB III, Sp. 468: Feindschaft — rechtliches Synonym zu
Fehde)4;
zu b) strukturell formelhafte Ausdrucksweisen, oft mit einzelnen Rechtswörtern:
— Paarformeln:
von (graffesch aff / manne schaff / von gebürte und blutes) wegen bewant und verbuntlich (s.u.);
angewonnen und abegelaufen (auch in umgekehrter Reihenfolge) (vgl. RWB I, Sp. 151: ablaufen
,erobern, erstürmen4, Sp. 648: angewinnen ,durch Gewalt erlangen’);
des nit enferren oder entwisen (vgl. z.B. RWB III, Sp. 19: entweisen hier ,wegnehmen’);
von der myssel undgespenne wegen (vgl. RWB IX, Sp. 697: Mißhell,Streit, Feindseligkeit’; RWB
IV, Sp. 555: Gespän Rechtsstreit4, neigt zur Bildung von Paarformeln);
mit recht yu verantworten und gu versprechen stehen;
— verstärkende (z. T. alliterierende) Dreierformeln:
myne amptlude, rette und frunde (vgl. z.B. RWB I, Sp. 576: Amtleute; RWB III, Sp. 866-870:
Freund,Verwandter; Bundesgenosse; Vertreter, Schiedsrichter4);
4 Zum rechtlichen Status und entsprechenden sprachlichen Formeln und Bezeichungen vgl. Orth, Fdsbet:
Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, Fehderecht und Fehdepraxis im 14. und 15. Jahr-
hundert, Wiesbaden 1973 (Frankfurter Flistorische Abhandlungen 6), hier bes. 55f.
196
nast ansprachen und antwort und erkentenisse (s.o. unter a));
mit versigelten briefen, gelubeden und spräche (vgl. z.B. RWB IV, Sp. 43: Gelübde hier ,Schuldver-
sprechen’);
alle dedinge, dage und ußdrag (vgl. z.B. RWB I, Sp. 1122: Austrag ,Vergleich, Vereinbarung,
friedliche oder schiedsrichterliche Beilegung’; vgl. die Bedeutung von Tag als Schiedstag);
aen ... wissen, willen und verhencknisse\
beredt, ^ugesagt und ^ugeschriben (vgl. z.B. RWB I, Sp. 1563: bereden ,verabreden, Überein-
kommen’, neigt zu Paarformeln);
geschrieben, gebeden und gefordert,
halden, nachgan und dun wolies (vgl. z.B. RWB IV, Sp. 1514: halten vereinbaren, einhalten’;
dabei ein Beleg einer Dreierformel);
schriben, sagen und clagew,
gnedenclich, gunstlich und gütlich,
dick, ernstlich und hejftenclich;
faste hohe, hart und swerlich,
— korpusspezifische Wendungen:
gleublich %u sagen (und %u schrifft) (vgl. RWB IV, Sp. 922: glaublich glaubwürdig’, als Zusatz
auch bei Zitierung von Urkunden oder Urteilen üblich);
von manneschaff wegen verbuntlich (vgl. RWB IX, Sp. 154ff: Mannschaft ,lehnsrechtliche Ver-
bindung; Lehen; Lehnstreue’);
als Formel am Schluß von Rekapitulationen: in masse da^ (in) uwergnade brieffe eigentlich begrif-
fen ist/ inheldet/ ußwiset oder alternativ nast lüde des briefes.
1.5 Grammatikalisierungen
Mehrfach ist zu beobachten, daß Wortgruppen in ihrer ursprünglichen, wörtlichen Bedeu-
tung abgeschwächt sind und eine neue, grammatische Bedeutung als Konjunktion haben
(= Grammatikalisierung): nast dem — ,nachdem’, bynnen de% da^ - ,deswegen, weil’, in masse —
,wie’, in fügen (< in vuogen) — ,wie’.
2. Flexion
2.1 Mittelhochdeutsche Merkmale
In der Flexion sind noch mhd. Merkmale nachweisbar. So fehlt beispielsweise im Dativ
Plural des Personalpronomens noch die -en-Endung (yn statt inen), die 2. Pers. Sg. des
Verbs wollen wird noch als mit (statt willst) gebildet (ebenso macht statt machst). Auch das
Präteritopräsentium ich torste taucht noch auf.
2.2 Frühneuhochdeutsche und mundartliche Tendenzen
197
Typisch frühnhd. dagegen ist beispielsweise ein hyperkorrektes -e in der 1. und 3. Pers.
Sg.: erfure <?rund daß die 1. Pers. Sg. auf -en gebildet wird {ich clagen, ich ruffen, ich enbieden).
Als mundartliches Kennzeichen läßt sich werten, daß sich neben der klassischen mhd.
Form gewesen auch die mitteldeutsch verbreitete Nebenform gewest findet.
2.3 Einzelne Auffälligkeiten
Auffällig ist, daß Prädikate, die sich auf die angeredete und sozial höherstehende Person
beziehen, aus Höflichkeitsgründen prinzipiell in der 3. Pers. PL stehen, statt bei der ge-
wählten Anrede ihr in der 2. Pers. PI. {ihr werdent, ihr dadenl).
Weiterhin bemerkenswert und auch in den Bereich der Syntax reichend sind die häufigen
Spreizformen, bei denen die Verben dun und han miteinander kombiniert auftreten, so daß
sich neben einem finiten Hilfsverb zusätzlich ein zweites Hilfsverb im Infinidv neben ei-
nem Vollverb im Infinitiv findet (ähnlich wie heute bei haben + Modalverb): hait dun schri-
ben, dun werben han.
Eine punktuelle Auffälligkeit stellt die Form huds dages dar: das unflektierbare Adverb hu-
de/ heute wird anstelle der heute üblichen adjektivischen Ableitung heutigen analog zum Be-
zugsausdruck in den Genitiv gesetzt.
3. Lautstand
Ausgegangen wird vom Lautstand des klassischen Mittelhochdeutsch, der sich im Brief-
korpus vor allem in der noch nicht eingetretenen frühneuhochdeutschen Diphthongie-
rung manifestiert. Alle ungewöhnlichen oder der mitteldeutschen Mundart zuzuschrei-
benden Abweichungen sowie frühnhd. Tendenzen werden im folgenden vermerkt.
3.1 Frühneuhochdeutsche Tendenzen'
Vollzogene Monophthongierung /uo/ > /u:/ (gut, dun, bruder, hude, gudes),5 6 aber noch
keinerlei frühnhd. Diphthongierung (uß, vigentschafft, diner, bi/);
Nukleus Senkung von mhd. /ou/ > /au/ (frauwe, laufen);
zum Teil schon omd. Rundung /a/ > /o/; auffällig ist, daß sich gerundetes mondag in
einer Abschrift findet, ungerundetes mandag dagegen in einem Konzept, was auf
schriftsprachliche Überarbeitung sprechsprachlich orienderter erster Entwürfe schlie-
ßen lassen könnte;
5 Zur Notation: Laute (Phoneme) werden in Schrägstriche gesetzt (/a/), Schriftzeichen (Grapheme, Al-
lographe) (vgl. 3.4 und 4.) stehen in spitzen Klammern (<a>). Um die Länge eines Vokals zu markieren,
wird ein Doppelpunkt angefügt (/a:/ = langer Vokal a).
6 Zu Übergangsformen /uo/ > /ue/ : <ü, ii> (infügen — in vuogeri) und zum Problem der Monophthongie-
rung /ie/ > /i:/ siehe unter 3.4.
198
Rundung /e/ > /5/ : <o> (vgl. unter 4. /ü/ : <u>) (gwolff;
sehr starke Tendenz zu Synkopierungen, für die möglicherweise auch sprechsprachli-
che Tendenzen verantwortlich sind [gleublich, gnug eimel dime statt einemel dineme, ver-
bodi).
3.2 Anzeichen eines westmitteldeutschen Schreibdialekts7 *
Mitteldeutsche Monophthongierung mhd. /ei/ > md. /e:/ (scholthesse statt scholtheiqe,
bede für beide, bededingen für beteidingen)\
Senkung von /u/ zu /o/ vor allem vor Nasal, aber auch vor Liquid (forderonge, meynong
verbontlich, fanden, sommen, scholthesse). Daß es sich hinsichtlich der Senkung vor anderen
Konsonanten erst um eine Übergangszeit handelt, zeigt sich an Kompromißschrei-
bungen wie mderbüde und bourgfriederk. Daß die Senkung als Teil des Schreibdialekts
immer wieder bewußt wurde, zeigen die am ehesten als hyperkorrekt zu wertenden
Fehler in uffen (statt offen, auch uffenberlich) und hertqug (statt heigog)',
sehr häufig mitteldeutsch /d/ statt /1/ im Anlaut, postvokalisch und nach Konsonant
[woldes, dedes, dage); ungewöhnlich ist, daß bei retej rette/ redte ,Räte’ und an rade ,an
Rat(schlag)’ offensichtlich eine lexikalische Differenzierung auch graphisch-
phonetisch ausgedrückt wird (< ahd., mhd., mnd. rät, asächs. rad, nl. raad)\
ab und zu unverschobenes /p/ im Anlaut {plichtiff,
typisch mundartliche Wortformen wie btt neben mit und abeslet zu abslagen\ vgl. auch
die Varianten suster/ swester und quemen/ körnen (vgl. 1.1);
beim anaphorischen Pronomen mittelfränkische Nebenform mit protheüschem h: hyn
statt yn.
3.3 Mundartlich-sprechsprachliche Tendenzen
Die hier genannten Phänomene unterscheiden sich von den unter 3.2 genannten darin,
daß sie nur sehr punktuell bei einzelnen Wörtern auftauchen und daher wahrscheinlich
keine schriftsprachliche Geltung besaßen, sondern als Ergebnisse sprechsprachlicher Ein-
flüsse gewertet werden können:
Senkung von /i/ zu /e/ (brengen)\
Entrundungen [frinttlich neben fruntlich, ichgleibe neben gleublich)',
Rundung vor Labial {ummer statt immer)-,
Belege für die einzelnen Punkte vgl. Paul, Hermann: Mittelhochdeutsche Grammatik, neu bearb. von Peter
Wiehl und Siegfried Grosse, 23. Aufl., Tübingen 1989, §§ 163-165.
Die Form bourgfrieden könnte allerdings als Verschreibung auch ein Indiz für den geringfügigen französi-
schen Einfluß sein.
199
Vorhandensein md. Nebenformen Eschemittwochen statt Aschermittwoch und echt/ acht,
wobei die Varianten echtj acht auch im selben Text auftauchen;
rheinfränkische g-Spirantisierung [eyniche)\
Assimilation (umbewart aus unbewart;Warsperges neben Warsberges).
3.4 Phänomene, die Lautung und Schrift betreffen
<ü, ü> steht nicht für einen Umlaut, sondern anstelle des mhd. Diphthongs /uo/ > /ue/
{in fügen < mhd. in mögen); offensichtlich befindet sich also die frühnhd. Monophthongie-
rung /uo/ > /u:/ (s.o.) bei einigen Wörtern noch in einem Übergangs Stadium, was auch
die Varianten müme < mhd. muome > *mueme und mume (monophthongiert) zeigen.
Die frühnhd. Monophthongierung /ie/ > /1:/ läßt sich aufgrund der gleichbleibenden
Schreibung <ie> mit Dehnungs-e allein von der Schrift her nicht belegen. Das graphische
Phänomen, daß vom Schreiber offensichtlich gerne ein Hiatus-h als Signal für eine di-
phthongische Aussprache eingefügt wird frijhen, dühe), läßt aber darauf schließen, daß die
Monophthongierung häufig bereits vollzogen wurde, da sich bei <ie>-Schreibungen kei-
nerlei graphisches Trennzeichen findet ibriefe). Gäbe es noch regelmäßig Diphthonge,
brauchte er das <h> nicht als Trennungszeichen.
Ähnlich könnte es sich mit der Schreibung von intervokalischem <g> verhalten, das
wahrscheinlich für einen mitteldeutschen Übergangslaut /)/ steht, der als eine Art Sproß-
konsonant oder Trennungszeichen innerhalb eines Diphthongs erscheint {vigentschaff statt
viantjvient, gedigen aus mhd. gedihen > gedien).
4. Graphie
In der Graphie der Briefe fällt in erster Linie vollständige Inkonsequenz auf, was bei-
spielsweise durch willkürliche Dehnungsbezeichnung und ebensolche Konsonantenver-
dopplung deutlich wird. Aufgrund der zahlreichen Parallelformen sind Schlußfolgerungen
zum Lautstand daher nur mit Vorsicht zu treffen9.
Doppelschreibung von Konsonsanten (z. B. <ff>, <ss>, <nn>, <tt>) folgt keinen
nachvollziehbaren Regeln, gibt also keine Auskunft über Länge oder Kürze des vor-
hergehenden Vokals {-schafft, hoffen, schriffte gegenüber lauffen, brieffe, graffeschaff, scholthesse,
rette, sonne ,Sohn’). Verschiedene Schreibungen desselben Wortes stehen nebeneinan-
der {laufen — lauffen, brieffe — briefe, rete — rette);
häufige Verwendung von Dehnungs-e und Dehnungs-i {aen, laeßen, Baer, geen, brieffe,
hait, noit, woil)\
9 Auf die willkürliche Verteilung von <u> und <v> oder von <dz> wird nicht weiter eingegangen. Bei
den vorhergehenden Wortbeispielen wurde daher entsprechend heutiger Schreibung vereinheitlicht.
200
<u> steht undifferenziert für langen und kurzen u-Vokal sowie für den langen oder
kurzen Umlaut /ü/ (unsem, dun, umm, frunde). Ähnlich bei <o> (keine graphische
Markierung des Umlauts: mögen, o/ffj; <e> auch für mhd. <ae> (<dedes statt tatesty,
Schreibung von <i>, <ie> und <y> willkürlich für Länge, aber auch bei Kürze (dine,
briefe, dry, aber auch siecher, geschiechte)\ des öfteren auch <ij>-Schreibung, die jedoch auf
langes /i:/ beschränkt zu sein scheint (bij, sy, v@t)\
die rheinfränkische g-Spirantisierung (vgl. eyniche unter 3.3) scheint dazu zu führen,
daß auch nicht-mundartliche ach-Laute als <g> verschriftlicht werden (geschag statt
mhd. geschah);
<nck> für <nk> (beduncken)\
im Auslaut <ß> für mhd. <z>.
Quellenkundlicher und historischer Kommentar zur
Varsberg-Korrespondenz
Jürgen Herold
Als Elisabeth, Gräfin von Nassau-Saarbrücken, im Jahre 1429 nach dem Tode ihres Gat-
ten Philipp die vormundschaftliche Regierung für ihre noch minderjährigen Söhne über-
nahm, stand sie vor der Aufgabe, den Bestand der Grafschaft Nassau-Saarbrücken in
schwierigen Zeiten nach Möglichkeit zu wahren und zu festigen. Die verwandtschaftli-
chen Bindungen an das lothringische Herzogshaus schienen zunächst keine schlechten
Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wirken zu bieten. Der Tod ihres Onkels Herzog
Karl von Lothringen am 25. Januar 1431 brachte aber einen radikalen Wandel des politi-
schen Klimas hervor, da er einen Erb folge streit auslöste, der nicht nur das Land, sondern
auch die Verwandtschaft Elisabeths, deren Hilfe sie als Witwe besonders bedurfte, in zwei
einander befeindende Lager spaltete. Herzog Karl hatte, als sich abzeichnete, daß er ohne
männlichen Erben bleiben sollte, schon lange vor seinem Tod damit begonnen, seinem
Schwiegersohn und designierten Nachfolger René von Anjou, Herzog von Bar, die Unter-
stützung der Stände zu sichern, indem er diese auf René als Nachfolger einschwören
ließ10. Die Voraussetzung hierfür war die Einführung der weiblichen Erbfolge durch Karl
im Jahre 1408 gewesen, die in Lothringen bislang nicht gegolten hatte11. Der nächste
männliche Verwandte des Herzogs, sein Neffe Anton Graf von Vaudémont, der Bruder
Elisabeths, wollte sich mit dieser Neuerung, die ihn von der Nachfolge im Herzogtum
10 Mohr, Walter: Geschichte des Herzogtums I j>tbringen, Teil IV: Das Herzogtum Lothringen zwischen Frankreich und
Deutschland (14, - 17. Jahrhundert), Trier 1986, S. 64, vgl. auch Herrmann, Hans-Walter, „Territoriale und
dynastische Beziehungen zwischen Nieder- und Oberlothringen im Spätmittelalter“, in: Rhein. Vierteljah-
resbll. 52 (1988), S.107-149, insbesondere S.117-135; vgl dazu auch die Beiträge von Herrmann S. 49-124
und Thomas S. 155-190 in diesem Band.
11 Mohr (wie Anm.l), S. 55.
201
ausschloß, jedoch nicht abfinden und hatte bereits in den Jahren vor dem Tod seines On-
kels dagegen intrigiert12. Nach dem Ableben Karls beanspruchte er sogleich die Herzogs-
würde in Lothringen. Um sie zu erreichen, suchte er Unterstützung bei Herzog Philipp
III. von Burgund. René von Anjou dagegen erhielt Hilfe vom französischen König, der
ihm ein militärisches Kontingent zur Verfügung stellte. Als es am 2. Juli 1432 bei Bul-
gnéville zur Schlacht kam, erlitt René eine vernichtende Niederlage und geriet selbst in
burgundische Gefangenschaft, aus der er erst 1437 endgültig entlassen wurde. Aber trotz
des Schlachtensieges konnte Anton die lothringische Herzogswürde nicht erlangen. Er
unterlag ganz dem Einfluß des Herzogs von Burgund, der mit und in dem Konflikt eigene
Interessen verfolgte und die Situation zunächst offen ließ. Schließlich entschied er sich
gegen Anton und für René von Anjou als Herzog von Lothringen. Dabei bemühte er sich
um ein Übereinkommen zwischen den beiden Rivalen mit dem Ergebnis, daß diese am
27. Januar 1432 einen vorübergehenden Waffenstillstand bis Weihnachten des Jahres be-
schlossen13.
Nur wenige Tage vor diesem Vertrag hatte der Varsberg-Konflikt begonnen. Er ist da-
durch ausgelöst worden, daß Johann von Kerpen, als Vasall von Saarbrücken Besitzer der
Burg Klein-Varsberg, von dieser aus die benachbarte Burg Groß-Varsberg, an der Elisa-
beth selbst einen Anteil besaß, zusammen mit Leuten Antons von Vaudémont besetzt
hatte, um sie gegen René von Anjou einzusetzen. Die früheste Nachricht über diesen
Vorgang enthält ein Brief Elisabeths an ihren Bruder Anton vom 20. Januar 1432. Darin
informiert sie ihn über die Vorgänge und verlangt die Rückgabe der Burg.
Der Brief ist Bestandteil einer Zusammenstellung von Schriftstücken, die sich im Bestand
Nassau-Saarbrücken II des Landesarchivs Saarbrücken unter der Nummer 3112 erhalten
hat. Diese Überlieferung, die von der Forschung zwar gelegentlich erwähnt wurde, hat
bislang keine hinreichende Würdigung erfahren, obwohl sie für die mittelalterliche Ge-
schichte der Grafschaft Nassau-Saarbrücken von einiger Bedeutung ist. Sie gewährt wert-
volle Einblicke in die Regierungszeit und besonders in die Regierungspraxis der Gräfin E-
lisabeth. Es handelt sich dabei um die Korrespondenz, welche Elisabeth um ihre Burg
Groß-Varsberg, auch als Grafen-Varsberg oder Neu-Varsberg bezeichnet, in den Jahren
1432 bis 1434 geführt hat und die den Kernbestand der vorliegenden Edition ausmacht.
Der Varsberg-Konflikt hat schließlich dazu geführt, daß die Burg Groß-Varsberg der
Grafschaft Saarbrücken verloren gegangen und zusammen mit dem Kleinen Varsberg
zerstört worden ist, ohne daß über den genauen Ablauf der Ereignisse bisher Klarheit ge-
wonnen werden konnte14. Die in der Edition vorliegenden Briefe erlauben es nun, die
12 Ebd.S. 63-64.
13 Ebd.S. 73-79.
14 Zur Geschichte der Varsberg-Burgen siehe: Hoppstädter, Kurt: „Die Grafschaft Saarbrücken“, in: Ge-
schichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis %um Ausbruch der französischen
Revolution, hg. von Kurt Hoppstädter und Hans-Walter Herrmann unter Mitwirkung von Hanns Klein,
Saarbrücken 1977 (Mitteilungen des Historischen Vereins für die Saargegend e. V., Neue Folge, Heft 4),
S. 288; Châtelain, L.: „Notice sur le château et les sires de Varsberg, Metz 1885 (Mémoires de 1‘académie
202
Handlungen und die Motive der Beteiligten, die in der bisherigen Forschung recht wider-
sprüchlich dargestellt wurden, neu zu bewerten. Zudem gestatten sie es, der Frage nach-
zugehen, welchen Anteil Elisabeth selbst an der Ausübung der Regierung genommen hat
und welche Entscheidungsspielräume ihr dabei zur Verfügung standen.
Bei der Untersuchung der vorliegenden Korrespondenz hat dieselbe sich als außerordent-
lich vielseitig und facettenreich erwiesen. Daher war es möglich, über die ereignisge-
schichtlichen Aspekte hinaus auch einen Einblick in das spätmittelalterliche Brief- und
Korrespondenzwesen und dessen kanzleitechnische Voraussetzungen zu gewinnen. Dies
ist umso bedeutsamer, als im Unterschied zu den Urkunden für die Auswertung spätmit-
telalterliche Briefe kaum Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
Die spezifischen Möglichkeiten und die Grenzen der Interpretation solcher Schreiben zu
kennen, ist aber eine wesentliche Voraussetzung für die Interpretation selbst. Daher sollen
einige formal-quellenkundliche und kanzleitechnische Aspekte am Anfang dieser Unter-
suchung stehen.
1. Quellenkundliche Einführung
1.1 Überblick
Die hier edierte Korrespondenz besteht aus insgesamt 86 Schreiben, die als Konzepte,
Ausfertigungen oder Abschriften in 78 Schriftstücken vorliegen. Das Corpus enthält an
einzelnen Briefen15 aber nur 84, da in zwei Fällen von dem selben Brief je eine Ausferti-
gung und eine Abschrift vorhanden sind16. Der größte Teil der Briefe ist in deutscher
Sprache verfaßt worden, doch liegen auch 24 französische Schreiben vor. Der Gesamtbe-
stand umfaßt mehrere Teilkorrespondenzen, die im Einzelnen jedoch erst weiter unten
besprochen werden17. Die meisten Briefe stammen aus dem Konfliktzeitraum der Jahre
1432 bis 1434. Nur zwei Schreiben sind aus der Zeit davor. Da sie zum Verständnis der
de Metz, III. ser. 11. Jahrg.); „Varsberg“, in: Das Reichsland Elsass-Lothringen. Landes- und Ortsbeschreibung,
hg. vom Statistischen Bureau des Ministerium für Elsass-Lothringen, Dritter Theil: Ortsbeschreibung, 2
Hälften, Straßburg 1901-1903, S. 1144-1145; Die alten Territorien des Bezirkes Lothringen (mit Einschluß der
%um Oberrheinischen Kreis gehörigen Gebiete im Bezirke Unter-Elsaß) nach dem Stande vom 1. Januar 1648, Theil 2,
Straßburg 1909 (Statistische Mitteilungen über Elsaß-Lothringen, hg. vom Statistischen Bureau für El-
saß-Lothringen, 30. Heft), S. 536; C. H.: „Ham-sous-Varsberg. Chateau de Varsberg“, in: Dictionnaire des
chäteaux de France, sous la direction dWan Christ: Lorraine (Meurthe-et-Moselle, Meuse, Mosel, Vosges)
par Jacques Choux, Paris 1978, S. 109-110.
15 Als „Brief4 wird im Folgenden immer der einzelne Brieftext unabhängig von seiner materiellen Gestalt
bezeichnet. Liegt ein Brief in verschiedenen Überlieferungsformen (Ausfertigung, Konzept, Abschrift)
vor, werden diese als „Schreiben“ bezeichnet, d. h. ein und derselbe Brief kann in mehreren Schreiben
vorliegen. Ein Schriftstück meint dagegen stets die materielle Form, das Blatt oder den Bogen, auf den
geschrieben wurde. Ein Schriftstück kann demzufolge mehrere Schreiben bzw. Briefe enthalten.
16 Zwei Briefe Johanns von Kerpen an Elisabeth: Nr. 12 und 24.
17 Siehe hierzu im quellenkundlichen Teil die Ausführungen zu den Briefformularen S. 205 ff., sowie im
historischen Teil die Erörterungen der Etappen des Konfliktes S. 234-254.
203
Situation Elisabeths als Regentin (Nr. 1) sowie der Verhältnisse um die Burg Grafen
Varsberg (Nr. 2) beitragen, sind sie ebenfalls in das Corpus aufgenommen worden. Bei ei-
nem Schriftstück handelt es sich um eine Urkundenabschrift (Nr. 18). Deren Aufnahme
in die Edition war unabdingbar, da einige andere Briefe auf sie Bezug nehmen. Ihr Fehlen
hätte eine Lücke in der Korrespondenz bedeutet. Aus dem gleichen Grunde sind noch
drei weitere Schreiben aufgenommen worden, die, obwohl nicht an Elisabeth gerichtet
oder in ihrem Namen verfaßt, dennoch als Bestandteil der Varsberg-Korrespondenz an-
zusehen sind18.
1.2. Die Bildung von Rotuli
Etliche Schriftstücke, die jeweils denselben Korrespondenzpartner betreffen, sind chrono-
logisch fortlaufend zu Rotuli aneinander geheftet worden. Hierbei handelt es sich um eine
frühe Form der Aktenbildung, die spätestens zur Regierungszeit Elisabeths, wahrschein-
lich aber schon unter ihrem Gatten Philipp in die Praxis der Saarbrücker Kanzlei Eingang
gefunden hatte. Die Bildung der Rotuli erfolgte allerdings nicht zugleich mit der fortlau-
fenden Korrespondenz. Vielmehr sind alle Schreiben bzw. Schriftstücke zunächst als Ein-
zelstücke abgelegt worden. Erst bei einer späteren Sichtung hat man sie teilweise nume-
riert und anschließend zusammengeheftet. Nur so ist zu erklären, daß die meisten in den
Rotuli enthaltenen Abschriften zunächst in der gleichen Weise wie ausgefertigte Briefe
rückseitig adressiert und gefaltet und in dieser Form eine Weile aufbewahrt worden sind.
Bei einigen Abschriften dagegen, bei denen es sich meistens um mehrere auf einem Bogen
handelt, ist dieser weder auf der Rückseite beschrieben, noch gefaltet worden. Die An-
schrift ist dabei auf der Vorderseite links unter dem Text notiert worden. Wahrscheinlich
hat man sie erst beim Anlegen der Rotuli angefertigt. In zwei Fällen sind dazu auch die
Vorlagen, jeweils eine eingegangene Ausfertigung, erhalten19. Auf diese Weise wurde für
einige Teilkorrespondenzen, mit Johann von Kerpen, mit Elisabeths Bruder Anton von
Vaudémont, mit Elisabeth und René (Reinhard) von Bar-Lothringen (René von Anjou)
sowie mit Bischof Konrad von Metz, je ein Rotulus zusammengestellt. Ein- wie ausge-
gangene Briefe sind in zeitlich korrekter Folge in sie aufgenommen worden. In zwei Fäl-
len erfolgten Nachträge, indem man ein oder zwei Blatt linksseitig an ein bereits im Rotu-
lus vorhandenes angeheftet hat20. Im Falle der Korrespondenz mit Johann von Kerpen
und mit Bischof Konrad von Metz liegen über den Inhalt der Rotuli hinaus noch weitere
Briefe vor. Bei ersterem handelt es sich dabei nur um zwei, bei dem Bischof dagegen um
den überwiegenden Teil der Briefe, nämlich um neun von vierzehn. Die Rotuli stellen
demzufolge keine konsequente Erfassung eines Einzelsachverhaltes dar, was zusätzlich
dafür spricht, daß sie erst nach Abschluß des jeweiligen Vorganges angelegt worden sind.
Eine genaue Datierung ist nicht möglich. Doch unterscheiden sich, sofern vorhanden, die
18 Nr. 4 und 5 ( von Elisabeth veranlaßte Briefe einiger ihrer Leute und Amtleute an Elisabeth von Bar)
sowie Nr. 22 (Johann von Kerpen an Elisabeths Schultheiß Hans von Rittenhofen).
19 Siehe Anm. 16.
20 Nr. 4 und 5 (auf einem Bogen) sowie Nr. 13.
204
rückseitige Numerierung und der Vermerk des jeweiligen Betreffs hinsichtlich der Schrift
nicht von der auch sonst in diesen Jahren in der Saarbrücker Kanzlei gebräuchlichen, Ins-
besondere die Numerierung ist aber als eine Vorarbeit für das Zusammenheften anzuse-
hen. Daher kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß die Bildung der Rotuli
in der Regierungszeit Elisabeths oder ihrer Söhne erfolgt ist und eventuell mit neuerlichen
Rückgabe- und Entschädigungsforderungen, die gegenüber dem Bischof von Metz für das
Jahr 1452 durch Elisabeths Sohn Johann III. überliefert sind,21 zusammenhängt.
1.3 Das Papier - Herkunft, Format, Art der Beschreibung
Das Papier der Briefe, die in der Saarbrücker Kanzlei ausgestellt worden sind, aber auch
das der eingegangenen Schreiben ist in seiner Beschaffenheit weitgehend einheitlich. Be-
sonders zu unterscheidende Sorten treten nicht auf. Für Konzepte, Ausfertigungen und
Abschriften ist stets gleichartiges Material verwendet worden. Ein besonderes, minder-
wertiges und dünneres Konzeptpapier, wie es in anderen Kanzleien in Gebrauch war,
wurde nicht benutzt. Geringfügige Abweichungen in der Materialstärke bewegen sich im
Rahmen des bei handwerklicher Produktion Üblichen. Die Größe der verwendeten Bö-
gen liegt bei 292 bis 300 mm in der Höhe und etwa 440 mm in der Breite, was dem grö-
ßeren Kanzleiformat entspricht. Als Wasserzeichen kommt bei den Saarbrücker Schreiben
nur ein bestimmter Typ der Waage vor. Der Herkunft nach handelt es sich demzufolge
ausschließlich um französisches Papier aus Troyes22.
Die Bögen wurden meistens quer beschrieben und danach unten abgeschnitten, was man
daran sehen kann, daß bei einigen Exemplaren auf der Rückseite, die in den meisten Fäl-
len im Verhältnis zur Vorderseite quer beschriftet wurde, die Schleifen von Schriftzeichen
teilweise mit abgeschnitten worden sind23. Kürzere Briefe weisen daher stets ein Quer-
format auf. Nur bei längeren Schriftstücken entstand auf dieselbe Weise ein Längsformat.
War der abgeschnittene Teil noch von ausreichender Größe, wurde ein neuer Brief darauf
begonnen, der am Schluß wiederum beschnitten werden konnte, so daß manche Schrift-
stücke oben und unten Schnittkanten aufweisen. Bei einigen Konzepten hat man auf rela-
tiv schmale Bogenreste zurückgegriffen und sie quer beschrieben. Recht wenige Exempla-
re sind an drei oder gar vier Kanten beschnitten.
21 Hoppstädter: „Die Grafschaft Saarbrücken“ (wie Anm. 14); Ruppersberg, Albert: Geschichte der ehemaligen
Grafschaft Saarbrücken. 1. Teil: Von der ältesten Zeit bis %ur Einführung der Reformation, Nachdruck der zweiten,
vermehrten Auflage von 1908, St. Ingbert 1979, S. 205.
22 Piccard, Gerhard (Bearb.): Wasserzeichen Waage, Stuttgart 1978 (Veröffentlichungen der staatlichen Ar-
chivverwaltung Baden-Württemberg, Sonderreihe, Findbuch V). Es handelt sich stets um den dritten in
Abt. III (Nr. 101 bis 222) dargestellten Subtyp dieses Zeichens, der im Zeitraum der Varsberg-
Korrespondenz für Schreiben aus der Saarbrücker Kanzlei auschließlich beobachtet werden konnte. Spä-
ter treten auch andere Wasserzeichen - z. B. Stierkopf, Lilie, Vierfüßer - auf; zum Format siehe ebenda S.
14; zur Herkunft ebd. S. 11.
23 Z. B. bei Nr. 6 und 68.
205
1.4 Verschluß und Besiegelung
Da sich im Bestand der vorliegenden Edition auch drei Ausfertigungen von Brie-
fen durch die Saarbrücker Kanzlei befinden, ist es möglich, hinsichtlich Faltung,
Verschluß und Besiegelung nicht nur Aussagen über die eingegangenen Schreiben zu tref-
fen, sondern auch einen Blick auf die Saarbrücker Praxis zu werfen. Es scheint allgemein
üblich gewesen zu sein, daß man die Briefe zunächst auf der Rückseite mit der Anschrift
des Empfängers versehen hat, um sie dann erst zu falten, da das nach der Faltung ent-
standene Format in Abhängigkeit vom Raum, den die Beschriftung einnimmt, variiert und
sich diesem stets anpaßt. Zudem kommen Abschriften vor, die nicht gefaltet, aber den-
noch genau wie Ausfertigungen adressiert worden sind. Der Brief wurde dazu von der
Vorderseite von der rechten oberen über die linke untere Ecke auf die Rückseite gewen-
det, so daß die vormalige Unterkante sich nun rechts befand. Etwas oberhalb der Mitte
des Blattes und mit einem gewissen Abstand vom rechten Rand hat man sodann mehr
oder weniger dicht bis an denselben heran in einer oder mehreren Zeilen, mit einer Initia-
le beginnend, die Adresse geschrieben. Danach wurde links von der Schrift das Papier
nach hinten geschlagen und so gefaltet, daß neben der Schrift nur noch ein schmaler
Rand blieb. Nun hat man das Blatt wenig oberhalb der Schrift erneut nach hinten gefaltet
und diesen Vorgang unterhalb derselben wiederholt, so daß ein annähernd quadratisches
Format entstanden ist. Die oberhalb der Adresse nach hinten geschlagene Fläche bildete
dort die Außenseite, war aber etwas kürzer als die verbliebene Gesamtfläche, da das Siegel
je etwa zur Hälfte auf beiden sich überlappenden Rückflächen angebracht werden muß-
te24.
Beim Verschluß hat man sich verschiedener Methoden bedient, von denen drei genauer
beobachtet werden können. Die erste besteht darin, daß im Abstand etwa des halben Sie-
geldurchmessers zwei parallele Schnitte durch alle Papierlagen erfolgt sind, durch die ein
schmales Papierbändchen (Pressei) geführt wurde, dessen Enden sich auf der Rückseite
des Briefes überlappten. Über diesen wurde Wachs aufgetragen, das man mit einem rau-
tenförmigen Papierblättchen (Tektur) bedeckte und mit dem Siegelaufdruck versah25.
Bei der zweiten Methode, mit der alle Briefe des Bischofs Konrad von Metz verschlossen
wurden, erfolgte nur ein Siegelschnitt, der aber etwas breiter war. Anstelle des schmalen
Papierbändchens und der Tektur hat man ein Papierblättchen in Form eines langen,
spitzwinkligen Dreiecks genommen und von der Adreßseite des gefalteten Briefes dessen
24 Vgl. hierzu auch Maue, Hermann: „Verschlossene Briefe - Briefverschlußsiegel“, in: Kommunikationspra-
xis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. von Heinz-Dieter Heimann in Verbindung
mit Ivan Hlaväcek, Paderborn; München / Wien / Zürich 1997, S. 191-204, besonders die Abbildungen
S. 208.
25 Zu Faltung und Verschluß vgl. auch Mengel, Elisabeth: „Aktenkundliche Untersuchungen an der Kor-
respondenz zwischen Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und Albrecht von Preußen. Ein Beitrag zur
historischen Aktenkunde des 16. Jahrhunderts“, in: AZ 48 (1953), S. 121-158, mit zahlreichen Abbildun-
gen. Die dort erläuterten Methoden entsprechen jedoch nur annähernd denen der Varsberg-Briefe.
206
Spitze durch den Schlitz geführt26. Das breitere Ende ist sodann über die Kante des Brie-
fes auf die Siegelseite geschlagen worden und hat dort die Funktion der Tektur einge-
nommen27.
Diese beiden Varianten kommen an den eingegangenen Briefen vor. In Elisabeths Kanz-
lei selbst wurde aber noch etwas anders verfahren. Den bereits erwähnten Ausfertigungen
ist nämlich allen gemeinsam, daß an der Kante, an der sich das Siegel befindet, ein wenige
Millimeter breiter Streifen von einer Ecke bis kurz hinter das Siegel durch einen sauberen
Schnitt abgetrennt wurde, der später an der verbliebenen Verbindungsstelle mit dem Blatt
abgerissen und dadurch verloren gegangen ist. Dabei handelt es sich um das bei der ersten
Methode beschriebene Siegelbändchen, das durch einen langen Einschnitt an der Kante
des Papiers gewonnen und mit diesem bis zum Erbrechen des Siegels bzw. bis zum Off-
nen des Briefes verbunden geblieben ist28.
Unabhängig von der Art des Verschlusses sind die Briefe nach der Besiegelung unterhalb
der Anschrift noch einmal gefaltet worden und zwar so, daß dieselbe außen sichtbar blieb,
das Siegel aber innen geschützt war.
Zum Aussehen der Siegeln läßt sich leider keine Aussage treffen, da, wenn sie überhaupt
noch vorhanden sind, ihr Zustand sehr schlecht ist. Meistens sind jedoch nur noch
Wachsreste oder -spuren erhalten (vgl. Abb. 8 S. 48).
Einige Briefe Antons von Vaudemont29 wie auch einer des Bischofs Konrad von Metz30
sind doppelt verschlossen und besiegelt worden. Dabei besteht das erste, zentrale Siegel
jeweils aus rotem, das zweite, mehr am Rande des gefalteten Briefes angebrachte, aus grü-
nem Wachs.
Im Corpus befinden sich auch zwei Ausfertigungen31 der in der Varsberg-Korrespondenz
gelegentlich angesprochenen32 „offenen“ Briefe. Dabei handelt es sich um Schreiben, die
nicht in der soeben besprochenen Weise gefaltet, verschlossen und versiegelt wurden,
sondern auf der Vorderseite unter dem Text einen Siegelaufdruck erhalten haben. Bei ei-
26 Nr. 52, 57, 72 mit zwei derartigen Verschlüssen, 73, 76; ebenso ein Brief des Johann von Kerpen, Nr. 24,
sowie an zwei Briefen Antons von Vaudemont, die doppelt besiegelt und verschlossen wurden; jeweils
einer der beiden Verschlüsse (mit grünem Siegelwachs, in Unterschied zu dem jeweils anderen aus rotem
Wachs) ist hierbei in dieser Weise ausgeführt worden.
27 Das Beispiel eines vollständig erhaltenen Verschlusses dieser Art aus dem Jahre 1420 befindet sich im
LA SB Best. N-Sbr II Nr. 3101 f. 2 (Johann von Rollingen an Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken).
28 Diese Methode, ein Siegelbändchen, das mit dem Papierbogen verbunden bleibt, durch einen Einschnitt
am Rande desselben zu gewinnen, erinnert in gewisser Weise an die Praxis des abhängenden Siegels bei
Pergamenturkunden.
29 Nr. 36, 60, 65 und 67.
30 Nr. 76.
31 Nr. 12 (Johann von Kerpen) und 32 (Anton von Vaudemont).
32 Z. B. in den Briefen Nr. 7 und 8, dabei angesprochen sind die Briefe Nr. 4 und 5, die als Abschriften
vorliegen.
207
nem ist das Siegelwachs ohne weitere Vorkehrungen auf das Papier gebracht worden und
deshalb bis auf einige Spuren vollständig abgefallen; bei dem anderen Brief hat man im
Papier kleine Dreiecke eingeschnitten und aufgefaltet, damit das Wachs besser haften
bleiben konnte. Solchen Briefen, von denen auch einige als Abschriften in der Edition
enthalten sind, eignet ein anderer Rechtscharakter, der sich neben der Besiegelung auch in
einem besonderen Formular ausdrückt. Daher wird auf sie im Zusammenhang mit der
äußeren und inneren Form weiter unten ausführlicher eingegangen33.
1.5 Jahresstil und Datierung
Bei der Festlegung des Jahresbeginns kamen in den Briefen der Varsberg-Korrespondenz
drei verschiedene Termine zur Anwendung. Am häufigsten ist der Jahreswechsel zum 25.
März (Annunciationsstil) der unter der Bezeichnung stilus Metenses (Metzer Stil), einmal
auch als stilus Treuirensis, in der Dammszeile angegeben wurde (Nr. 83)34. Die Saarbrücker
Kanzlei hat ausschließlich iuxta stilum Metensem datiert, wobei die Kennzeichnung nur zwi-
schen 1. Januar und 25. März erfolgte35.
In den Briefen des Johann von Kerpen gibt es keine Angaben zum Jahresstil. Von den
vier Briefen, die das Corpus enthält,36 liegen aber zwei vor dem 1. März und sind mit 1431
datiert. Die zwei anderen dagegen sind nach dem 1. aber vor dem 25. März datiert und
tragen die Jahreszahl 1432. Die Reihenfolge der Aufnahme in den Rotulus sowie der in-
haltliche Bezug weisen alle vier Briefe in das Jahr 1432 nach heutiger Zählung. Daraus er-
gibt sich, daß, wenn kein Fehler des Schreibers vorliegt, hier als Jahresanfang der 1. März
angenommen wurde (vorcaesarischer oder altrömischer Jahresbeginn).
Die Kanzlei des Herzogs von Bar-Lothringen hat sich ebenfalls des Metzer Stils bedient,
doch war auch die Datierung nach stilus Tullensis und Verduner Stil in Gebrauch37. Bei bei-
den handelt es sich um den Osterstil mit Jahreswechsel am Ostersamstag38.
Die vier Briefe des Metzer Bischofs enthalten keine Angabe zum Jahresstil, da keiner in
den kritischen Zeitraum zwischen 1. Januar und Ostern gefallen ist.
Ebenso tragen die Briefe Antons von Vaudemont, wie auch alle anderen französischen
Schreiben, keine Kennzeichnung des Jahresstils, doch ergibt sich aus dem Gesamtzu-
33 Siehe das Kapitel über die litterae patentes, S. 224ff.
34 Siehe hierzu und zum folgenden Grotefend, Hermann: Taschenbuch der Zeitrechnung, 11. verbesserte Aufla-
ge, hg. von Theodor Ulrich, Hannover 1971.
35 Sie fehlt für diesen Zeitraum nur in zwei Briefen: Nr. 4, 1432 Januar 24 sowie Nr. 6, 1432 Januar 26. Im
Frühjahr 1437, also nach der Varsberg-Korrepondenz, begegnet auch die Formel more Metense (vgl. An-
hang zum Beitrag von Herrmann in diesem Band S. 140, Stücke vom 20.02. und 02.03.1437.
36 Nr. 9,12,22,24.
37 Touler Stil: Nr. 8, 1432 Januar 30; Verduner Stil: Nr. 84, 1434 Januar 20.
38 Während in den Saarbrücker Briefen immer die Formulierung iuxta stilum... verwendet wird, heißt es in
denjenigen von Bar-Lothringen secundum stilum...., einmal ...Metensem, einmal ...T'ullensem-, in einem drit-
ten steht die Formulierung nach gemhnheit des bistums Verdun.
208
sammenhang die Beachtung des Annunciations- oder des Osterstiles. Welcher von beiden
befolgt wurde, läßt sich nicht erschließen, da innerhalb dieser Korrespondenz zwischen
den fraglichen Tagen keine Briefe Antons überliefert sind.
Die ausdrückliche Angabe des Jahresstils innerhalb des Zeitraumes bis zum 25. März bzw.
bis Ostern eines jeden Jahres deutet daraufhin, daß der Jahreswechsel zu einem früheren
Zeitpunkt wenigstens mitgedacht worden ist. Hierfür in Frage kommen der zurückliegen-
de 25. Dezember oder der 1. Januar, d. h. der Weihnachts- oder der Circumcisionsstil. Ei-
nen Hinweis darauf, zu welchem von diese beiden der Annunciationsstil als Kontrast ge-
setzt worden ist, enthält die Datumzeile in einem Brief des Johann von Rodemachern an
Elisabeth: geben vnder myme signet vff dinstacb neist vur deme xxte<"' dage jm jar(e) xiiij vnd xxxiij se-
cundum stilum Treuirensem39. Obwohl der Trierer Stil (Jahresbeginn am 25. März) ausdrück-
lich genannt wird, ist nur die Jahresangabe danach erfolgt. Denn würde man das Datum
unverdächtig, d. h. von der Jahresangabe nach dem Annunciationsstil ausgehend, auflö-
sen, käme man auf den 7. April 1433. Dieser Brief antwortet aber auf ein Schreiben Elisa-
beths vom 24. Dezember 1433. Bei der Angabe des Tages wird in der Datumzeile auf den
20. Tag des Jahres, d. h. den 20. Tag noch Weihnachten (13. Januar) Bezug genommen40.
Wir haben es also mit einer Vermischung von Weihnachtsstil für die Tages- und Annun-
ciationsstil für die Jahresangabe zu tun. Daher lautet das korrekte Datum nach heutiger
Lesart 12. Januar 1434.41 Die drei weiteren Schreiben des Johann von Rodemachern ent-
halten keinen Hinweis auf den Jahresstil, da sie aus der zweiten Hälfte des Jahres 1433
sind. Eine solche Angabe ist daher überflüssig gewesen. Einer seiner Briefe ist zudem oh-
ne Datum.
Bei der Angabe des Datums gibt es zwischen den französischen und den deutschen Brie-
fen einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der Tageszählung. Die deutschen Briefe
gehen in der Regel nach dem kirchlichen Festkalender42, in den französischen wird der je-
weilige Tag des Monats genannt. Die Ordinalzahl wird dabei durch römische Zahlzeichen,
beim ersten und letzten Tag des Monats auch im Wortlaut {premier; demier) wiedergegeben,
darauf folgt die Angabe des Jahrhunderts in der Form Van mil iiij<tn>> und schließlich Jahr-
zehnt und ]ahr in römischen Ziffern. Bei den Briefen Antons ist die Angabe des Jahres
überwiegend, bei denen Elisabeths selten weggelassen. In den französische Briefen erfolgt
39 Nr. 83.
40 Vgl. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung, (wie Anm. 25), S. 20.
41 Die ersten Tage des Januars in dieser Weise zu bezeichnen, war auch in der Saarbrücker Kanzlei ge-
bräuchlich, denn das Datum in einem Brief Elisabeths an die Amdeute der Herrschaft Bitsch vom 18.
Januar 1433, der nicht Bestandteil dieser Edition ist, lautet: geben vff sondag nehste vor dem xxie(n) dage anno etc.
xxxij° jux(ta) stilu(m) Meten(sem). Dabei fällt auf, daß auch hier der 20. des neuen Jahres (nach Circumcisi-
onsstil) als Bezugstag gewählt worden ist.
42 Es kommen davon nur drei Ausnahmen vor: Nr. 72: ...des xxim tages nouembr(is)..., ein Brief des Metzer Bi-
schofs; Nr. 58, an den Bischof von Metz: ... vff den gxvolfften dagjn dem meye... sowie Nr. 83 (wie Anm. 39).
209
in den meisten Fällen auch die Angabe des Ortes43, was bei den deutschen Schreiben ins-
gesamt eher selten ist44.
Für die Datumzeile der deutschen Briefe kann man, ausgehend von der Jahresbezeich-
nung, drei Grundupen beobachten. Bei den beiden ersten ist die Jahresangabe lateinisch.
Sie erfolgt entweder anno domini mit vollständiger Jahreszahl (einschließlich Jahrtausend
und Jahrhundert) oder anno etc. mit verkürzter Jahreszahl (nur Jahrzehnt und fahr). Die
verkürzte Wiedergabe ist nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, auf Konzepte oder
Abschriften beschränkt. Sie tritt ebenso bei Ausfertigungen auf45. Beim dritten Grundtyp
erfolgt die Jahresangabe in Deutsch unter der Bezeichnung in dem jar; gefolgt von der Jah-
reszahl, die entweder in der Form m cccc xxxüj (für 1433) oder nach einem anderen Duktus
als xiiif vnd xxxüj auftritt.
Neben der Ortsangabe kann in der Datumzeile auch noch ein zusätzlicher Hinweis auf
die Besiegelung des Briefes Vorkommen, doch tritt dies nur auf bei Briefen Elisabeths an
die Gemeiner von Varsberg und Johann von Kerpen, bei dessen Briefen, bei den Briefen
Johanns zu Rodemachern sowie bei einem Brief Antons an Elisabeth46. Bei vier Briefen
Elisabeths an Johann von Kerpen wurde zusätzlich vermerkt, daß das Siegel fu ende diese
schlifft gedruckt bzw. heran gedruckt wurde. Darin ist ein deutlicher Hinweis darauf zu sehen,
43 Sie fehlt nur einmal: Nr. 66, Elisabeth an ihren Bruder Anton.
44 Doch gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kanzleien: aus dem vorliegenden Corpus
haben die Briefe von Bar-Lothringen und die des Metzer Bischofs stets eine Ortsangabe, von den 42
Saarbrücker Exemplaren nur drei (Nr. 6, 34, 42), alle weiteren keine. Von den drei diesbezüglichen Brie-
fen Elisabeths sind zwei außerhalb und nur einer, der einzige deutschsprachige an ihren Bruder Anton
(Nr. 6), in Saarbrücken verfaßt worden, was ein Indiz dafür sein könnte, daß es sich bei letzterem even-
tuell um die Übertragung eines französischen Briefes, bei denen die Ortsangabe ja die Regel ist, handelt.
Die Art des Briefschlusses mit Dienstentbietung und Segenswunsch kommt in dieser Weise in den ande-
ren deutschen Briefen nicht vor. Die Datumzeile weist überdies eine Form auf, die in den Schreiben der
Saarbrücker Kanzlei nicht üblich ist, da die Jahresbezeichnung xiiif (vierzehnhundert) und die zweimali-
ge Erwähnung des Begriffes „Jahr“ {im jare xiiif vnnd xxxjjarr) sonst nicht auftritt. Dieses Schreiben gibt
im übrigen nicht nur wegen der Sprache sonder auch hinsichtlich der Handschrift, die im ganzen Be-
stand singulär ist, Rätsel auf. Abgesehen vom Ausstellungstag und einer kleinen Zutat ist er inhaltlich
und sogar bis in einzelne Formulierungen hinein identisch mit dem vorangegangenen, französischen
Brief an Anton (Nr. 3). Bemerkenswert ist außerdem, daß bei diesem Brief, der als Abschrift vorliegt, in
der Eröffnung eine Korrektur vorgenommen wurde , bei der das Wort grus durch dinst ersetzt worden
ist. Dabei handelt es sich keineswegs, wie vermutet wurde, um eine in das Belieben des Absenders ge-
stellte und mit einer bestimmten Absicht verbundenen stilistische Variation (siehe den Aufsatz von Nina
Janich in diesem Band). Vielmehr ist die Grußformel an dieser Stelle den Schreiben an niedriger gestellte
Personen Vorbehalten. An gleich- oder höherstehende Personen erfolgt statt dessen eine Dienstentbie-
tung. Bei der vorgenommenen Korrektur handelt es sich demzufolge um eine „protokollarische“ Rich-
tigstellung.
45 Das Verhältnis von Ausfertigungen (9 Vorkommen) einerseits zu Konzepten und Abschriften (zusam-
men 15 Vorkommen) andererseits, in denen diese Datumsform auftritt, ist drei zu fünf und entspricht
damit dem Gesamtverhältnis von Ausfertigungen (31 Vorkommen) zu Konzepten und Abschriften (53
Vorkommen).
46 Es handelt sich um den bereits erwähnten „offenen“ Brief Antons an seine Schwester, Nr. 32.
210
daß jeweils ein „offener“ Brief vorliegt, was um so bedeutsamer ist, als daß der „offene“
Charakter mit Blick auf das Siegel selbst nicht hätte festgestellt werden können, da es sich
bei diesen Exemplaren um ein Konzept und drei Abschriften handelt. Auch hier spielt der
besondere Rechtscharakter solcher Schreiben eine Rolle, so daß diese Erscheinung im
Zusammenhang mit der Erörterung des Briefformulars im folgenden Abschnitt bespro-
chen werden wird47.
1.6 Äußere und innere Form der Briefe
Briefe sind nicht nur Texte, die gelesen, vorgelesen und gehört werden. Sie haben auch
eine Materialität und ein äußeres Erscheinungsbild, in denen sich die Materialität des Ab-
senders mitteilt. Sie können gezeigt und betrachtet werden48. Die Untersuchung der äuße-
ren Form, der Einrichtung und Ausrüstung im Sinne der Diplomatik, ist daher nicht nur
Mittel zur Feststellung der Uberlieferungsform. Sie gibt zusammen mit der Analyse der
inneren Form, des sogenannten Formulars, auch wesentliche Einblicke in die Kommuni-
kationsstruktur unter den Briefpartnern. Nach einem Modell der Kommunikationstheorie
geht menschliche Kommunikation immer unter zwei Aspekten, einem Inhalts- und einem
Beziehungsaspekt, vonstatten49. Erfolgt die Kommunikation unmittelbar und persönlich,
wird der Beziehungsaspekt vor allem durch non- oder paraverbale Mittel wie Mimik, Ges-
tik, Tonfall der Stimme usw. ausgedrückt. Sie liefern den Schlüssel für die „richtige“ In-
terpretation der Mitteilung. Bei einer indirekten oder mittelbaren Kommunikation, wie sie
die Briefkorrespondenz darstellt, stehen diese Mittel nicht zur Verfügung. An ihre Stelle
treten innere und äußere Form, Briefoptik und Briefformular, in denen der Beziehungsas-
pekt seinen Ausdruck findet. Diese beiden Formebenen waren nicht nur für die Rezepti-
on des Briefes durch den Empfänger von Bedeutung. In ihrer Gesamtheit sind sie Aus-
druck der mittelalterlichen Sozialordnung. Ihre Kenntnis und Beachtung bildet daher ei-
nen ganz wesentlichen Zugang für die historische Interpretation der Schreiben.
1.6.1. Einrichtung und Ausrüstung
Hinsichtlich der äußeren Form kommen in den vorliegenden Briefen drei Arten der Ein-
richtung des Textes vor, bei denen der Unterschied durch die jeweils verschiedene Stel-
lung der INTITULATIO, der Selbstnennung des Absenders also, bestimmt wird. Die
INTITULATIO kann einmal als Briefkopf über der Mitte des Haupttextes und mit einigem
Abstand von diesem stehen. Sie kann den Brief aber auch abschließen und einen separa-
ten Brieffuß unterhalb des Haupttextes rechts von der Mitte desselben und durch einen
Zwischenraum von ihm getrennt bilden. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine Un-
terschrift im Sinne eines Beglaubigungsmittels, wie es der Blick eines heutigen Brief-
47 Siehe das Kapitel zu den litterae patentes S. 224 ff.
48 So schreibt etwa Johann von Kerpen an Elisabeth nicht, daß er ihre Briefe gelesen hat, sondern: Jch ...
han %wen briefe gesehen (Nr. 9) oder Jch ... han eynen uffen biy ff gesehen (Nr. 12).
49 Watzlawick, Paul / Beavin, Janet H. / Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Pa-
radoxien, 4., unveränderte Auflage Bern / Stuttgart / Wien, 1974.
211
Schreibers vermuten lassen könnte. Andernfalls würde dieser, im übrigen unabdingbare
Bestandteil nicht an so verschiedenen Positionen Vorkommen. In der dritten Form der
äußeren Einrichtung des Textes besteht der Brief aus nur einem zusammenhängenden
und nicht weiter gegliederten Textblock, der auch die INTITULATIO enthält. Meistens steht
diese dann am Anfang, doch kann sie unter bestimmten Voraussetzungen auch im Inne-
ren des Textes Vorkommen50.
Briefkopf und Brieffuß beginnen stets mit einem Versalbuchstaben, der Haupttext wie
auch die äußere Anschrift mit einer mehr oder weniger aufwendigen Initiale.
1.6.2. Briefformulare
Beim Briefformular, der inneren Form des Briefes, kommen zwei Grundtypen vor, die
zugleich zwei verschiedene Briefarten repräsentieren, einerseits die LITTERAE CLAUSAE,
andererseits die LITTERAE PATENTES oder APERTES. Bei letzteren handelt es sich um die
in den Schreiben des vorliegenden Corpus gelegentlich erwähnten „offenen“ Briefe51.
1.6.2.1 Die LITTERAE CLAUSAE
Doch zunächst zu den LITTERAE CLAUSAE. Ihr Formular läßt sich in gewisser Weise von
Bestandteilen herleiten, die nach den Grundsätzen der hochmittelalterlichen ARS
DICTANDI gebildet wurden52. Demnach soll ein Brief aus fünf aufeinander folgenden E-
lementen bestehen. Den Anfang bildet die SALUTATIO, gefolgt von einem Überleitungs-
teil, der entweder sehr allgemein als EXORDIUM, PROEMIUM, ARENGA oder spezifischer als
CAPTATIO BENEVOLENTIAE bezeichnet wird. Die nächst folgenden Elemente sind
NARRATIO und PETITIO und zum Schluß die CONCLUSIO. Dieses Gliederungsschema war
Grundlage der lateinischen Briefkunst des Hochmittelalters, aus der es zugleich hervorge-
gangen ist. Es läßt sich durchaus auf die hier vorliegenden volkssprachlichen Briefe des
Spätmittelalters anwenden, reicht aber keinesfalls aus, um alle regelmäßig auftretenden
Formelemente zu beschreiben, da das Schema dieser Briefe sich unter dem Einfluß des
Urkundenformulars zu einem eigenen Formenspektrum weiterentwickelt hat53. Vier
Hauptbestandteile, die jeweils verschiedene Elemente enthalten, können auftreten. Der
50 Bei litterae patentes im ordo infimus, dazu siehe weiter unten das Kapitel über die litterae patentes, S.
224 ff.
51 Zu den litterae patentes vgl. Meisner, Heinrich Otto: Archivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918, Leipzig
1969, S. 34 £
52 Vgl. hierzu Schaller, Hans Martin: „Ars dictaminis, Ars dictandi“, in: LexMA, Bd. 1, Sp. 1031-1034; Ca-
margo, Martin: Ars dictaminis - ars dictandi, Turnhout 1991 (Typologie des sources du moyen äge Occiden-
tal 60); Constable, Giles: Letters and Uetter-Collections, Turnhout 1976 (Typologie des sources du moyen äge
Occidental 17).
53 Zum Urkundenformular siehe Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter, Stuttgart 1993, S.
119-126; Breslau, Harry: Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, 3. Auflage, Berlin 1958, Bd.
1, S. 45-85, besonders S. 47-48. Zum Briefwesen des 14. und 15. Jh. siehe Steinhausen, Georg: Geschichte
des deutschen Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen Holkes, Bd. 1, Berlin 1889, S. 20-110.
212
Brief beginnt mit einer Eröffnung, die aus einer nicht namentlichen Anrede sowie in
Abhängigkeit von der hierarchischen Stellung der Briefpartner zueinander wahlweise aus
förmlichem Gruß, Dienstentbietung oder Ehrbezeugung bestehen kann. Die Reihenfolge
ist dabei variabel. Aber nur die Anrede ist unverzichtbar und tritt daher gelegentlich allein
auf. Danach kann eine Überleitung, bestehend aus der Mitteilung, einen Brief empfan-
gen zu haben, einer mitunter sehr umfangreichen Rekapitulation von dessen Inhalt und
einer zum eigentlichen Anliegen überleitenden Mitteilungsformel folgen. Statt eines vo-
rangegangenen Briefes kann aber auch ein Gespräch oder Ereignis rekapituliert werden.
Die Bestandteile wie auch die Überleitung als Ganzes wurden nur optional verwendet, tre-
ten also keinesfalls immer auf. Der dritte Hauptbestandteil und zugleich der pragmatische
Kern54 des Briefes enthält das Anliegen, in dem schlichte Mitteilungen wie auch jegliche
Form von Aufforderungen (Wunsch, Bitte, Verlangen, Forderung, Anordnung, Befehl)
vorgebracht werden. Nach dem Schema der ARS DICTANDI handelt es sich hierbei um
NARRATIO und PETITIO. Der Schluß des Briefes beginnt meistens mit einer Formulie-
rung, die das Anliegen noch einmal nachdrücklich verdeutlichen soll. Je nach Art des An-
liegens wird dabei das Versprechen, sich erkenntlich zeigen zu wollen, eine Ermahnung
oder eine Drohung (SANCTIO) ausgesprochen. Als weitere Elemente können zudem die
Bitte oder Forderung zu antworten, eine zusätzliche Dienstentbietung und ein Segens-
wunsch auftreten. Danach folgt die Datumzeile, die in den vorliegenden Briefen niemals
fehlt, auch wenn sie in einem Falle weder Zeit- noch Ortsangabe, sondern nur einen Sie-
gelhinweis enthält55.
Zum Briefformular gehört aber noch ein weiteres Element, das man keinem der Hauptbe-
standteile zuordnen kann, da es in seiner Position relativ beweglich ist. Hierbei handelt es
sich um die INTITULATIO, die, wie bereits bei der äußeren Form besprochen,56 bei den
LITTERAE CLAUSAE am Anfang oder am Ende des Briefes stehen kann. Doch ist ihre Posi-
tion dabei niemals beliebig, da sie, wie auch die übrige konkrete Ausgestaltung des For-
mulars, durch den Charakter des Anliegens, aber vor allem durch das sozial-ständische
Verhältnis der Briefpartner zueinander bestimmt wird.
Auf der Außenseite des gefalteten, verschlossenen und versiegelten Briefes befindet sich
eine Anschrift. Sie verdient deshalb besondere Beachtung, weil sie keine eigentliche Ad-
resse, sondern die INSCRIPTIO des Empfängers im Sinne der Diplomatik darstellt. Sie steht
immer im Dativ und enthält in ihrer vollständigen Form für alle Personengruppen drei
Grundbestandteile, die aus weiteren Elementen bestehen: dem Namen des Adressaten,
54 Zum Begriff des pragmatischen Kerns vgl. Koch, Peter: „Urkunde, Brief und Öffentliche Rede. Eine
diskurstraditionelle Filiation im Medienwechsel“, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung,
Band 3, Heft 1, 1998, S. 13-44.
55 Nr. 56, ein Brief Johanns zu Rodemachern an Elisabeth.
56 Siehe S. 205.
213
seinen Amts- und Herrschaftstiteln sowie einer förmlichen Anrede. Bei Vertre-
tern des Hochadels steht ihr als vierter Bestandteil die Standesbezeichnung voran57.
Die Standesbezeichnung beginnt mit dem Artikel, gefolgt von dem Standesattribut (hoch-
geboren, wohlgeboren, edel). Bei weldichen Fürsten erscheint zusätzlich der Standesdtel
fürste. Bei Bischof Konrad von Metz als geistlichem Fürsten von nicht edelfreier Herkunft
lautet die Standesbezeichnung: Dem erwirdigen in Gotte vater.
Dem Namen geht bei Grafen und Fürsten zudem die Apposition heren hzw.fraumn voran.
Ansonsten tritt die Bezeichnung herre nur als Bestandteil des Herrschafttitels auf, der auch
durch ein etc. abgekürzt oder ersetzt werden kann — letzteres jedoch nur auf Konzepten
und Abschriften.
Die Anrede am Ende der INSCRIPTIO beginnt mit dem Possessivum mime oder miner bzw.
unserm gefolgt von einem oder mehreren Attributen wie gnedigen, lieben, guten und einer oder
auch zwei Appositionen, bei denen es sich um die Bezeichnungen here, fraum sowie um
deskriptive aber auch klassifikatorische Verwandtschaftsbezeichnungen handeln kann.
Eine INSCRIPTIO mit allen genannten Elementen enthält zum Beispiel der Brief Elisabeths
an ihren Onkel Herzog Karl von Lothringen:
Dem hochgebomen fürsten hem Karle, hert^ogen gu Lothringen vnd marggrajjen, туте gnedigen lieben
hem vnd ohemen (Nr. 1).
Die Verwandtschaftsbezeichnung ist in diesem Falle deskriptiv, wie auch diejenige zwi-
schen Elisabeth und Anton (seur, frere) . Eine klassifikatorische dagegen verwendet sie stets
gegenüber Johann zu Rodemachern:
Dem edeln Johanne, hem gu Kodemachem %u Cronenberg vnd %uo Nuwerburg туте lieben neuen5*.
Der Bezeichnung „Neffe“ entspricht in diesem Falle kein wirklicher Verwandtschaftsgrad.
Ebenso wird die Verwandtschaftsbezeichnung zwischen Elisabeth und Elisabeth von Bar
klassiflkatorisch gebraucht, obwohl ein tatsächliches Verwandtschaftsverhältnis vorliegt.
Hier kollidiert das klassifikatorische Prinzip mit dem deskriptivem, wobei letzteres zu-
rücktritt. Deswegen wird in der Korrespondenz der beiden Cousinen Elisabeth von Bar
als mume, Elisabeth jedoch als nyfftel angesprochen. Wie schon gegenüber Johann zu Ro-
demachern, der allerdings keine gleichartige Erwiderung vorbringt, soll hiermit der sozial-
ständische Unterschied zwischen den beiden Personen betont werden59.
57 Zu den Titeln und Anredeformen vgl. Henning, Eckart: „Titulaturenkunde. Prolegomena einer „neuen“
Hilfswissenschaft“, in: Festschrift gum 125jährigen Restehen des Herold Rerltn 1869-1994, hg. von Bernhart
Jähnig und Knut Schulz, Berlin 1994 (Herold-Studien 4), S. 293-310.
58 Nr. 55,69,70.
59 Klassifikatorische Verwandtschaftsbezeichnungen waren auch sonst in Gebrauch, wie ein Schreiben Eli-
sabeths an den Grafen von Veldenz vom 28. September 1435 zeigt, der rückseitig den Vermerk: myme
hruder von veldentyn etc. trägt (LA Saarbrücken, Best. N-Sbr II, Nr. 4297, f. 18). Hierin wird ebenfalls deut-
lich, daß sich in der Verwendung solcher Bezeichnungen zugleich das sozial-ständische Verhältnis aus-
drückt, indem sich Grafen und Gräfinnen untereinander als Geschwister anreden, einen „nur“ Edelfrei-
214
Bei den französischen Briefen gelten die gleichen Grundsätze. Nur die Reihenfolge ist
verändert, da die INSCRIPTIO mit der Anrede beginnt (a mon treschier et tresame frere ...). Der
Dativ wird hierbei durch das Voranstellen der Präposition „a“ gekennzeichnet.
Die INSCRIPTIO ist bei den LITTERAE CLAUSAE keineswegs nur eine für die Zustellung des
Briefes notwendige äußere Zugabe. Sie enthält vielmehr den Schlüssel, nach dem das
Formular in seiner konkreten Form entwickelt worden ist. Die Prinzipien, die dabei zur
Anwendung kamen, sind in einem Formenschema enthalten, das von der mittelalterlichen
Brieflehre als ORDO TRIPLEX bezeichnet wurde60. Ausgangspunkt ist dabei stets die hierar-
chische Stellung des Absenders zum Empfänger. Diese Stellung kann eine über-, gleich-
oder untergeordnete sein und wird daher in den lateinischen Formelbüchern jeweils als
SUBLIMUS, MEDIOCRIS oder INFIMUS bzw. mit synonymen Begriffen wiedergegeben61.
Als ein weiteres Formmerkmal des Briefes tritt der STILUS hinzu62. Er wird davon be-
stimmt, ob der Absender von sich in der Ein- oder Mehrzahl spricht. Liegt die „ich“-
Form vor, handelt es sich um den STILUS LITTERAE oder Briefstil, bei der „wir“-Form um
den STILUS CURIAE oder Kurialstil.
Die Briefe Elisabeths im ORDO MEDIOCRIS, an ihren Bruder Anton und an Johann Herrn
zu Rodemachern, sind immer im Briefstil verfaßt. Die Adressaten werden dabei im Plural
(ihr, euch) angeredet, deren Antworten fallen gleichermaßen aus.
Auch im ORDO INFIMUS verwendet Elisabeth den Briefstil und redet dabei die Empfänger
ebenfalls im Plural (ihr, euch) an. Das betrifft ihre Briefe an fürstliche Personen wie René
von Anjou, Elisabeth von Bar-Lothringen, Bischof Konrad von Metz und Herzog Karl
von Lothringen. Diese antworten aber stets im Kurialstil unter der Anrede „ihr“ bzw.
„euch“.
An niedriger stehende Personen wie Johann von Kerpen, Georg von Rollingen, Johann
von Castel, Johann von Kriechingen, d. h. im ORDO SUBLIMUS, verwendet Elisabeth den
Kurialstil. In der Anrede benutzt sie dabei den Singular (du, dir, dich). Die Erwiderungen
dagegen gebrauchen den Briefstil unter Verwendung des Plurals für die Adressatin.
en dagegen als Neffen bezeichnen. Desgleichen verfahren Fürsten mit Grafen. Zwischen René von An-
jou und Elisabeth kann man das ebenfalls beobachten. Er bezeichnet sie als Cousine, worin man eventu-
ell auch eine Anspielung auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen seiner Gattin und Elisabeth sehen
kann, doch reagiert Elisabeth wie Johann zu Rodemachern ihr selbst gegenüber und spricht René in kei-
nem der Briefe verwandtschaftlich an. Eine repräsentative Aussage ist aus der Korrespondenz der bei-
den aber nicht möglich, da von Renés Seite nur ein einziger Brief vorliegt.
60 Siehe z. B. die ,Summa dictaminum‘ des Magister Ludolf von Hildesheim, in: Briefsteller und l ormelbücher
des 11. bis 14. Jahrhunderts, bearb. von Ludwig Rockinger, 2 Bde., München 1863 (Quellen und Erörterun-
gen zur bayerischen und deutschen Geschichte, 9/1-2), Bd. 1, S. 361.
61 Anstelle von sublimus erscheinen auch die Begriffe excellens, supremus, altior, maior und summur, für mediocris-,
médius und equalis-, für infimus-. inferior und minor (ebenda Bd. 1 und 2, passim).
62 Siehe hierzu Meisner: Archivalienkunde (wie Anm. 42) S. 23 ff.
215
Außer ORDO und STILUS kam noch ein weiteres Kriterium zur Anwendung. Im Unter*
schied zu diesen beiden Merkmalen geht es nicht von der Person des Absenders, sondern
vom Empfänger aus. Der Vergleich sämtlicher Briefe zeigt nämlich, daß hochadlige und
fürstliche Personen nach der Devise nobiles vositantur ausnahmslos im Plural, nicht edelfreie
jedoch von ersteren im Singular angesprochen wurden63.
Der Schlüssel für die Analyse des Briefformulars liegt, wie bereits angedeutet, in der
INSCRIPTIO. Von ihr ausgehend kann man unter Beachtung von ORDO und STILUS zu-
nächst die Grundkonstruktion offenlegen, um von dort aus zu den feinen Nuancen vor-
zudringen, die für den mittelalterlichen Absender wie Empfänger des Briefs gleicherma-
ßen subtile wie wichtige Signale dargestellt haben. Klima und Strategien, unter denen die
Korrespondenzen geführt worden sind, sowie deren Veränderungen finden darin ihren
Ausdruck. Für die historische Interpretation sind sie vor allem deshalb wichtig, weil hier
falsche Einschätzungen sehr schnell zu unhaltbaren Schlußfolgerungen führen können.
Die Texte auf der Innen-und Außenseite eines Briefes erscheinen zunächst als zwei von
einander getrennte Bestandteile. Doch stehen sie in einer engeren Beziehung zueinander,
als man glaubt, da Elemente der INSCRIPTIO in der Eröffnung des Briefes stets wieder
aufgegriffen, gewissermaßen zitiert werden. Damit wird die Trennung des in der Urkunde
noch zusammenhängenden Formulars in ein Außen und ein Innen überbrückt und ein
inniger Bezug beider Seiten zueinander hergestellt. Wie dieses Prinzip in der jeweils spezi-
fischen Weise in Erscheinung tritt, soll nun an Hand der Einzelkorrespondenzen erläutert
werden64 65.
1.6.2.1.1 Der Briefwechsel mit Bar-Lothringen
Daß Elisabeths Briefe an René von Anjou und Elisabeth von Bar-Lothringen im ORDO
INFIMUS stehen und deshalb als STILUS der Briefstil verwendet wurde, ist bereits erörtert
worden. Als INSCRIPTIO wird gegenüber Elisabeth von Bar folgende Form verwendet:
Der hochgebornen furstynnen frauiven Elisabeth, hert^ogynne %u Bar vnd %u Lothringen, hert^o-
gynne vnd marggraffynne, marggraffynne, Pontemous vnd grajjynne %u Guise, myner gnedigen He-
ben frauwen vnd mumenh5.
Der ORDO INFIMUS verbietet eine INTITULATIO vor der Eröffnung des Briefes, die daher
mit der Anrede in folgender Weise beginnt:
Hochgebome furstynne, gnedige Hebe frauwe vnd mumme. Uwem gnaden inbieden ich
myn demudiges gebet vnd waçy ich vermag.
63 Siehe auch Steinhausen, wie Anm. 53, S. 45.
64 Bei den nun folgenden Zitaten wird die Verklammerung von inscriptio und intitulado jeweils durch
Fettdruck verdeutlicht.
65 Nr. 27, 30; dagegen tragen Nr. 7, 16, 34 und 82 nur eine Verweisform bzw. einen Betreff: Mynerfrauwen
von Bar von ¡Varsberges wegen.
216
Diese Gegenüberstellung zeigt, daß Standesbezeichnung und förmliche Anrede der
INSCRIPTIO einschließlich einer klassifikatorischen Verwandtschaftsbezeichnung hier wie-
der aufgegriffen wurden. Darauf folgt eine etwas abgeschwächte Dienstentbietung. Der
nun folgende Überleitungsteil kann situationsbedingt die Bestätigung, einen Brief erhalten
zu haben, eine Inhaltsangabe desselben sowie eine Promulgationsformel in der Art: ... vnd
begehm uwem gnaden gu wissen, da^... enthalten. Danach wird das Anliegen formuliert, das
meistens aus Mitteilung und Bitte besteht. Der typische Schluß beginnt mit dem Verspre-
chen, sich erkenntlich zeigen zu wollen, wenn dem Anliegen entsprochen wird, gefolgt
von der Bitte um Antwort und einer Dienstentbietung:
... da^ ml ich, wo ich mag, willen dich verdienen vnd begem des uwer gnaden gnedige verschriebene ant-
wort. Dieselbe uwer gnaden mir allet^ijt gebieden duhe66.
Wenn Versprechen und Bitte um Antwort fehlen, kann an ihrer Stelle vor der Dienstent-
bietung auch eine Anrede stehen:
Gnedige liebe frauwe vnd mume, uwer gnade duhe mir alletspt gebieden. 67
Danach kommt die Datumzeile und ganz zum Schluß die INTITULATIO, die in den Kon-
zepten und Abschriften zumeist abgekürzt wurde. Vollständig sieht sie so aus:
Elisabeth von Lothringen grajfynne witwa %u Nassauwe vnd Sarbrucken.
Zu diesem Formular existiert aber noch eine Variante, bei der in der Eröffnung die Ab-
folge von Anrede und Dienstentbietung vertauscht wurde:
Min demütiges gebet vnd wa^ ich vermag uwem gnaden aliet^it vorgeschrieben. Gnedige liebe frauwe
vnd mume, als ... (Nr. 27),
oder:
Min pater noster vnd demütiges gebet vnd wa% ich vermag uwem gnaden alletgtt beuor. Gnedige liebe
frauwe vnd mume, als... 68.
Die Briefe an René von Anjou weisen das gleiche Formular wie diejenigen an seine Gattin
Elisabeth von Bar auf,69 doch ist in der Anrede keine Verwandtschaftsbezeichnung enthal-
ten. Bei einem Brief fehlt zudem in der Eröffnung die Dienstentbietung (Nr. 45).
Von Elisabeth von Bar-Lothringen liegen fünf deutsche und ein französischsprachiger
Brief,70 von René von Anjou nur ein französischer vor (Nr. 40). Sie alle stehen im ORDO
SUBLIMUS und sind daher im Kurialstil verfaßt. Die typische INSCRIPTIO auf der Rückseite
lautet:
66 Nr. 7, 30, 34, 82 sowie Nr. 42 an René von Anjou.
67 Nr. 16, 27; bei Nr. 41, in gleicher Weise an René von Anjou.
68 Nr. 30, 34, sowie Nr. 42 an René von Anjou.
69 Siehe Anm. 66, 67 und 68.
70 Nr, 8, 17, 31, 35 (alle deutsch) und 26 (französisch).
217
Der wolgebomen fraum Elisabeth von Lothringen grauinne %u Nassau vnd %u Sarbrucken vnser
lieben nyfftel (Nr. 17).
Dem ORDO SUBLIMUS entsprechend steht in der Eröffnung vor der Anrede die
INTITULATIO. Der Standesunterschied ist aber nicht so groß, als daß diese in einen separa-
ten Briefkopf gesetzt werden würde:
Elisabeth, hert^oginne %u Bare vnd gu Lothringen etc.. Wolgeborne liebe nyfftel wir enbietent uch
vnsem frun fliehen grus vnd was wir liebes vnd gutes vermugenfx.
Nach der Anrede steht ein förmlicher Gruß, der zugleich eine abgeschwächte Dienstent-
bietung enthält, ln den französischen Schreiben fehlt ein solcher Gruß dagegen71 72.
Der Briefschluß enthält vor der Datumzeile meistens eine Ermahnung, in einem Falle
auch eine Drohung (Nr. 26). Die beiden französischen Schreiben weisen zudem die Bitte
um Antwort sowie einen Segenswunsch auf.
1.6.2.1.2 Der Briefwechsel mit dem Bischof von Metz
Innerhalb der Korrespondenz mit dem Bischof von Metz wandte sich Elisabeth mit elf
Schreiben'3 deutlich häufiger an diesen, als der Bischof ihr in seinen sechs Briefen geant-
wortet hat74 75. Hinsichtlich der ORDINES treten die gleichen Grundsätze wie gegenüber Bar-
Lothringen hervor. Gleichermaßen sind auch Elisabeths Briefe im Briefstil, diejenigen
Konrads im Kanzleistil verfaßt. Da es sich bei dem Bischof aber um einen geistlichen
Fürsten handelt, fallt die konkrete Umsetzung des Formulars im Vergleich zum Brief-
wechsel mit Bar-Lothringen etwas anders aus. In der INSCRIPTIO, mit der Elisabeth ihre
Briefe an Konrad von Metz versehen läßt, erscheint daher das Standesattribut hochgeboren
gegen die Bezeichnung erwirdig., die Standesbezeichnung^rr/gegen in Gotte vatter ersetzt:
Dem erwirdigen in Gotte vatter hem Conradt, bischoffe %u Metge, myme liebn hem -.
In der Eröffnung des Briefes wird darauf in der Form
Erwirdiger lieber herre76
71 Nr. 31, in gleicher Weise Nr. 8, 35, 84.
72 Ebenso in einem der deutschen Briefe, Nr. 17. Die verwandtschaftliche Anrede in den französischen
Briefen lautet cousine. In einem der deutschen Schreiben (Nr. 8) ist statt nyfftel die Bezeichnung mume ver-
wendet worden, was wohl auf einen Irrtum des Schreibers zurückgeht.
73 Nr. 51, 53, 54, 58, 61, 68, 74, 75, 78; zwei Briefe Elisabeths an den Bischof sind nicht überliefert, aber in
Nr. 72 erwähnt.
'4 Nr. 52, 57, 72, 73, 76, ein Brief des Bischof ist nicht überliefert, aber in Nr. 72 erwähnt.
75 In dieser Weise gleichlautend für alle Briefe an Konrad, bis auf die Nr. 54 und 74, die statt der Inscriptio
nur einen Betreff aufweisen: myme hem von Met^e.
76 Nr. 51,53, 54, 58,68.
218
zurückgegriffen. In diesen Briefen treten zunächst weder Dienstentbietung noch förmli-
cher Gruß auf. Im Verlaufe der Korrespondenz kam es aber zu einer Abwandlung im
Formular, indem der Anrede eine Ehrerweisung hinzugefügt wurde:
Erwirdiger lieber herre, ere vndgut umr liebe allet^ijt vorgeschrieben (Nr. 61).
Diese Abfolge tritt zwischenzeitig allerdings nur einmal auf. In den letzten drei Briefen
Elisabeths an Bischof Konrad wurde sie durch Vertauschen der beiden Elemente noch
einmal variiert und lautete dann stets:
Wirdickeit vnd ere uwer liebe vorgeschrieben. Lieber here11.
Die Überleitung, in der ein zuvor empfangener Brief, ein vorangegangenes Gespräch oder
ein Ereignis rekapituliert wird, schließt an die Anrede stets mit dem Wort als an. Der typi-
sche Briefschluß ist der Form nach identisch mit demjenigen der Schreiben an Bar-
Lothringen. Auf das Versprechen, sich erkenntlich oder dienstbar zeigen zu wollen, fol-
gen die Bitte um Antwort sowie eine Dienstentbietung:
. ..ich vnd myne kinde d% vmb uch verdienen, da wollen wir willig s(u sin vnd begem her vff uwer gnedige
verschrieben antwert. Uwer liebe du he mir gebieden77 78 79.,
Die Bitte um Antwort kann dabei aber auch fehlen:
... d\ wil ich, wo ich mag, in billichen Sachen geen uwer liebe gerne verdienen. Uwer liebe gebiede mir al-
lesyjU.
Darauf folgt die Datumzeile und darunter, vom übrigen Text durch einen Zwischenraum
abgesetzt, die INTITULATIO, die das Ende des Briefes bestimmt.
Konrad von Metz hat sich in seinen Antworten mit einer INSCRIPTIO an Elisabeth ge-
wandt, die mit derjenigen von Bar-Lothringen im wesentlichen übereinstimmt. Eine Ver-
wandtschaftsbezeichnung kommt jedoch nicht vor. Statt dessen wurde Elisabeth als jrun-
dynne angesprochen:
Der edeln wolgebornen vnser lieben frundynnen frauwe Elisabeth von Lothringen widwe
Nassouwe vnd gu Sarbrucken (Nr. 57).
Darauf lautet die Eröffnung des Briefes:
Edele vnd wolgeborne liebe frundynne.
Bei der Benutzung dieser Formularteile zeichnen sich die Briefe des Metzer Bischofs
durch eine gewisse Variationsbreite aus, insofern eines der beiden Standesattribute (edel
oder wohlgeboren) mitunter weggelassen wurde und auch die Reihenfolge der einzelnen
77 Nr. 74, 75, 78.
'8 Nr. 74, in gleicher Weise die Nr. 58, 68, 75, 78.
79 Nr. 53, ebenso Nr. 54 und 61, bei Nr. 51 dagegen besteht die Dienstentbietung nur aus dem letzten
Element.
219
Elemente verschieden sein kann80. Besonders auffällig ist aber, daß die Art der Anrede
sich im Verlaufe des Briefwechsels ändert. Statt liebe frundynne spricht er Elisabeth in den
beiden letzten Briefen als gute frundynne an81. Dieser Wandel ist um so merkwürdiger, als er
zeitgleich zu den oben genannten Veränderungen im Formular der Briefe Elisabeths (sie-
he oben) auftritt.
Der Schluß der Briefe enthält meistens nur einen Segenswunsch in der Form Got sij mit
ucffi2. Danach steht das DATUM, gefolgt von der INTITULATIO. Daß diese stets am Schluß
des Briefes erscheint, macht den einzigen sofort sichtbaren Unterschied der Schreiben
Konrads zu denen von Bar-Lothringen aus, da er zu einer anderen Briefoptik geführt hat.
1.6.2.1.3 Der Briefwechsel mit Anton von Vaudemont
Die Briefwechsel der Geschwister Elisabeth und Anton von Vaudemont steht im ORDO
MEDIOCRIS. Daher benutzen beide den Briefstil. Bei diesen Schreiben handelt es sich um
die umfangreichste Einzelkorrespondenz innerhalb des Corpus. Es enthält von Elisabeth
an Anton zwölf,83 von Anton zehn Schreiben84. Lediglich eines, ein Brief Antons an Elisa-
beth, ist in deutscher Sprache verfaßt, doch deuten eine Reihe von Anzeichen darauf hin,
daß es sich dabei um eine Übertragung aus dem Französischen, das die Sprache der übri-
gen Briefe zwischen ihnen ist, handelt85. Das von den beiden benutzte Formular ist im
Wesentlichen gleich. Nur einmal hat Anton seiner Schwester einen „offenen“ Brief ge-
schickt, dessen Aufbau etwas anderen Grundsätzen folgt, die weiter unten im Zusam-
menhang mit den LITTERAE PATENTES besprochen werden86.
Da es sich bei den Briefen Elisabeths an Anton um Abschriften oder Konzepte handelt,
ist der Amts- bzw. Herrschaftstitel häufig durch ein etc. abgekürzt worden. Wenn die
INSCRIPTIO vollständig vorliegt, lautet sie:
A mon treschier et tresame frere et seigneur Anthoinne de Lorraine conte de Vaudemont etc*'7.
Davon leitet sich die stets gleichbleibende Anrede treschier et tresame frere am Beginn
der Eröffnung her. Auf diese folgt in den meisten Fällen eine Dienstentbietung: je moy re-
commande a vous tant comme je puix, oder in der Form toutes recommandacions premises. Bei Elisa-
beths Briefen an ihren Bruder fehlt sie nur drei Mal, davon in den beiden letzten Schrei-
ben an Anton88. Bei dem ersten Brief, der auf ihrer Reise nach Vezelise entstanden ist,
80 Zumeist erscheint die Anrede vorangestellt, doch kann sie auch als letztes stehen (Nr. 76).
81 Nr. 73,76.
82 Nr. 57, 72, 76; bei Nr. 52 fehlt der Segenswunsch, Nr. 73 ist nur als Fragment erhalten.
83 Nr. 3, 6,11, 28, 33, 37, 39, 46, 59, 62, 64, 66.
84 Nr. 15, 29, 32, 36, 38, 48, 60, 63, 65, 67.
85 Siehe Anm. 44.
86 Siehe S. 205 ff.
87 Nr. 3, 46, 59, 64, 66.
88 Nr. 74, 66.
220
wurde die Dienstentbietung aus dem Konzept gestrichen (Nr. 33). Vielleicht war Elisa-
beths Enttäuschung über die Verschiebung ihres Treffens der Grund dafür. Anton dage-
gen hat selten eine Dienstentbietung verwendet. Lediglich in seinen ersten beiden und
dem letzten Brief des Jahres 1432 kommt sie vor. Bei der INSCRIPTIO erscheint in Antons
Briefen das gleiche Grundmuster wie in denen Elisabeths:
A ma treschiere et tresamee suerla contesse de Nausso et de Sarrebruche.
Es fällt auf, daß er seine Schwester niemals namentlich, sondern nur als Gräfin von Nas-
sau und Saarbrücken angesprochen hat. Unter Bezugnahme auf die INSCRIPTIO beginnen
die Briefe ganz analog zu denen Elisabeths mit der Anrede treschiere et tresamee suer.
Daneben treten auch die Varianten treschiere et amee suer sowie in einem Fall chiere et amee suer
auf. Diese um das tres reduzierte Form (bzw. Formen) weist zum ersten Mal der letzte
Brief von 1432 auf, wird aber in Antons Briefen des Jahres 1433 bestimmend89 90.
Nach der Eröffnung kann ein Überleitungsteil auftreten, dessen typische Elemente die
Bestätigung, einen Brief empfangen zu haben (j’ay receu vo^ lettres), eine Inhaltsangabe des-
selben, häufig eingeleitet durch faisant mención que ... oder contenant que ... sowie eine Pro-
mulgationsformel in der Art veullie^savoir que ... darstellen.
Der Schluß in Elisabeths Briefen an Anton hat eine sehr komplexe Gestalt. In den meis-
ten Fällen beginnt er mit einer Anrede, gefolgt von einer Ermahnung, der Bitte um Ant-
wort einer Dienstentbietung und dem Segenswunsch:
Tres ch ¿er et tres ame frere, en toutes ces choses vous plaice a faire, comme mon attendue, asseurance et par-
faite ßance en est a vous, en moy rescripuant sur ce vostre boin plaisir auec se chose vous plait, que bonne-
ment puisse et je la feray d’ung tresboin euer, priant nostre seigneur, quj vous ait et tiegne en sa sainte gar-
de et vous doint bonne vie et longuéV
Die Dienstentbietung fehlt in den Briefkonzepten, die während Elisabeths Reise nach
Vézelise entstanden sind91. In Abhängigkeit vom Anliegen des Briefes und der Dringlich-
keit, mit der dieses zum Ausdruck gebracht werden soll, kann anstelle der Ermahnung
oder zusätzlich zu ihr ein Versprechen, das Entgegenkommen entgelten zu wollen, ste-
hen92. Bei manchen Briefen fehlt die Anrede zu Beginn des Briefschlusses;93 bei anderen
dagegen tritt sie noch ein zweites Mal vor dem Segenswunsch auf94.
Antons Briefe dagegen weisen im Briefschluß lediglich einen Segenswunsch sowie gele-
gentlich die Bitte um Antwort95 oder eine Anrede auf96.
89 Nur einmal wurde die vormalige Form wieder aufgegriffen: Nr. 63.
90 Nr. 64, in gleicher Weise Nr. 46 und 66.
91 Nr. 33, 37, 39.
92 Nr. 3, 6,11,33,37,59,62.
93 Nr. 11,28, 33, 66.
94 Nr. 3 und 6.
95 Nr. 32, 63.
221
Allen Briefen gemeinsam ist wieder, daß die INTITULATIO nach der Datumzeile ganz zum
Schluß steht.
1.6.2.1.4 Der Briefwechsel mit Johann zu Rodemachern
Die Korrespondenz mit Johann zu Rodemachern steht ebenfalls beiderseits im ORDO
MEDIOCRIS96 97 98. Diese Schreiben sind daher im Briefstil verfaßt. Die INTITULATIO hat ihren
Platz jeweils am Ende des Brieftextes. Auch dem Aufbau des Formulars liegen bei den
Briefen Elisabeths wie auch bei denen Johanns die gleichen Prinzipien zugrunde. Die Un-
terschiede, die bei der konkreten Ausgestaltung auftreten, entsprechen überwiegend sol-
chen, die auch im Briefwechsel mit Anton beobachtet werden konnten. Allerdings sind
die Rollen vertauscht. Das, was für die Briefe Antons im Unterschied zu denen seiner
Schwester zutraf, findet sich gegenüber Johann zu Rodemachern in Elisabeths Briefen
wieder, während in den Schreiben des Johann zu Rodemachern Merkmale auftreten, die
Elisabeths Briefe an Anton aufweisen.
Die INSCRIPTIO auf den Briefen an Johann lautet stets gleichbleibend:
Dem edeln Johann, herren %u Kodemacher Cronenburg und %ur Nu wen bürg myme lieben neu-
erfs.
Die Eröffnung, die mit einem förmlichen Gruß beginnt, schließt daran an:
Minen fruntlichen grus beuor. Lieber neue.
Johann versieht seine Antworten mit einer INSCRIPTIO in der Form :
Der edelher vnd wailgebomerfrauwen, frauwe DJfabetht von Dotthnngen graueynne wydewe -yo Nas-
souwe vnd %o Sarbrucken etc., myner lieuen frauwen (Nr. 77).
Die Eröffnung seiner Briefe unterscheidet sich aber von denen Elisabeths dahingehend,
daß an Stelle des förmlichen Grußes eine Dienstentbietung erfolgt:
Minen willigen dinst alt-yjt beuore. Edelhe lieue frauwe.
Außerdem variieren Johanns Briefe bei diesen Bestandteilen etwas. So treten die Standes-
attribute „edel“ und „wohlgeboren“ sowohl zusammen, als auch einzeln auf. Daneben
kann auch die Reihenfolge von Dienstentbietung und Anrede wechseln (Nr. 71). Bemer-
kenswert ist zudem, daß Elisabeth gegenüber Johann eine Anrede verwendet, die eine
klassifikatorische Verwandtschaftsbezeichnung (Neffe) enthält, während Johann sie um-
gekehrt als lieue frauwe bezeichnet.
Doch sind das noch keine Unterschiede, die eine Parallele zum Briefwechsel mit Anton
von Vaudemont darstellen. Dieser besteht vielmehr im Briefschluß. Bei den Briefen Eli-
96 Nr. 62 und 64.
97 Briefe Elisabeths: Nr. 55, 69, 70, 81; Briefe Johanns zu Rodemachern: Nr. 56, 71, 77, 83.
98 Nr. 69, in gleicher Weise Nr. 55 und 70; das Briefkonzept Nr. 81 weist nur einen Betreff auf: Rodema-
chem.
222
sabeths tritt darin kein Segenswunsch auf, so daß er im Gegensatz zu Johanns Briefen, die
stets einen solchen enthalten, knapper und nüchterner wirkt. Elisabeth bringt im
Briefschluß aber stets eine Ermahnung und einmal auch die Bitte um Antwort hervor (Nr.
81), während Johann zu Rodemachern stets mit einer Dienstentbietung erwidert. Das
führt dazu, daß Elisabeths Schreiben fordernder, die des Johann zu Rodemachern aber
ehrerbietiger wirken. Beiden gemeinsam ist allerdings, daß der Briefschluß mit einer An-
rede beginnen kann, ohne daß eine solche jedoch immer auftreten würde".
Der Formularvergleich innerhalb dieser Teilkorrespondenz ist ein Beispiel dafür, wie sozi-
al-ständische Gemeinsamkeiten und Unterschiede gleichermaßen deutlich gemacht wer-
den konnten. Der ORDO MEDIOCRIS und die Verwendung des Briefstils manifestieren die
gemeinsame edelfreie wie nichtfürstliche Herkunft. Bei der Ausgestaltung des Formulars
kommt jedoch der niedrigere Stand Johanns zu Rodemachern, der im Unterschied zu Eli-
sabeth und ihren Söhnen nicht über den Grafentitel verfügt, sowie seine Rolle als Vasall
von Nassau-Saarbrücken zum Ausdruck99 100.
1.6.2.1.5 Die Briefe an die Gemeiner der Burgen Varsberg
Im Zusammenhang mit dem Varsberg-Konflikt liegen auch einige Schreiben Elisabeths
an Gemeiner beider Burgen Varsberg vor, von denen keine Antworten überliefert sind.
Dabei handelt es sich unter anderem um jeweils zwei Briefe an Johann von Castel,101 Jo-
hann von Kriechingen102 und Georg von Rollingen103. Sie stehen alle im ORDO SUBLIMUS
und weisen den Kanzleistil auf. Das, was sie am deutlichsten von den bisher besproche-
nen Briefen unterscheidet, ist die INTITULATIO, die als ein gesonderter, dem übrigen Text
voran stehender Briefkopf verfaßt worden ist. Die INSCRIPTIO auf der Rückseite weist den
Namen des Adressaten, dessen Herrschaftstitel sowie eine Anrede auf, z. B.:
Johann, hem %u Crichingen, vnserm lieben getruwen (Nr. 44).
In der Eröffnung des Briefes wird diese Anrede nach einem förmlichen Gruß in der be-
reits bekannten Weise wieder aufgenommen:
l/nsem fruntlichen grus beuor. Liebergetruwer.
Die Überleitung entspricht derjenigen in den Briefen an den Bischof von Metz. Nach dem
Wort als wird ein zuvor empfangener Brief, ein vorangegangenes Gespräch oder ein Er-
eignis rekapituliert. Der Schluß weist zur Bekräftigung des Anliegens regelmäßig eine Er-
mahnung104 sowie meistens auch die Aufforderung zu antworten auf, die mitunter sehr
99 Von den Briefen Elisabeths an Johann zu Rodemachern: Nr. 81; umgekehrt: Nr. 56 und 83.
100 Vgl. hierzu Brief Nr. 81, in welchem Elisabeth Johann zu Rodemachern auffordert, den Empfang sei-
ner Lehen endlich zu erneuern.
101 Nr. 2, 80.
102 Nr. 44, 50.
103 Nr. 49, 79.
104 Sie fehlt nur in Nr. 2, an Johann von Castel.
223
schroff formuliert wurde: Dine verschriben antwert°5. Danach folgt die Datumzeile, die das
Briefende bildet.
Die Erörterung der Teilkorrespondenzen zeigt also, daß es ein einheitliches Grundmuster
für alle diese LITTERAE CLAUSAE gibt, das zum einen in der wiederkehrenden Abfolge
formal gleicher Bestandteile und deren Elementen, zum anderen in der Verklammerung
von äußerer INSCR1PTIO und innerer Anrede besteht. In Abhängigkeit vom ORDO und
weiteren ständischen Merkmalen ist das Formular entsprechend variiert worden, ohne daß
man dabei das Grundmuster verlassen hat.
1.6.2.2 Die LITTERAE PATENTES
Beim Lesen der Briefe gerät man gelegentlich an Textstellen, in denen von uffen brijfen, die
empfangen oder versandt wurden, die Rede ist. Geht man diesen Hinweisen nach, gelangt
man zu einer begrenzten Anzahl von Schriftstücken, die sich durch charakteristische
Merkmale von den übrigen unterscheiden. Diese „offenen“ Briefe oder LITTERAE
PATENTES weisen die gleichen Grundelemente wie die LITTERAE CLAUSAE auf, doch fehlt
ihnen die Spaltung des Formulars in ein Innen und ein Außen. Deshalb bedarf es bei ih-
nen auch nicht der Verklammerung dieser beiden Ebenen, da die vollständige INSCRIPTIO
stets Bestandteil der Eröffnung des Briefes ist. Die „offenen“ Briefe stehen dadurch dem
Urkundenformular noch etwas näher als die LITTERAE CLAUSAE, ein Eindruck, der durch
die Besiegelung direkt unter dem Text zusätzlich verstärkt wird.
Das erste Schreiben dieser Art, das uns innerhalb des Corpus entgegentritt, ist ein Brief
verschiedener Personen aus der Umgebung Elisabeths an Elisabeth von Bar-Lothringen
(Nr. 4). Sie bezeugen darin gegenüber der Herzogin, daß die Gräfin von Nassau-
Saarbrücken sowie ihre beiden Amtleute Johann Faust von Diebach und Hans von Rit-
tenhofen den Eid abgelegt und erklärt haben, daß sie an den Vorkommnissen um die
Burg Groß-Varsberg unbeteiligt waren und daher unschuldig sind. Daher haben sie des
vrckunde ihr ingesigel... an dissen vffen briff gedruckt. Da es sich hierbei um eine Abschrift
handelt, wird an den äußeren Merkmalen nicht sogleich erkennbar, in welcher Form der
ausgefertigte Brief die Herzogin erreicht hat. Diese hat jedoch den Empfang desselben
und eines weiteren Briefes, bei dem es sich um ein gleichartiges Schreiben des Johann
Faust von Diebach und des Hans von Rittenhofen handelt, das aber ebenso nur als Ab-
schrift vorliegt (Nr. 5), bestätigt und dabei beide als „offen“ bezeichnet.
Die Ausfertigung eines in Saarbrücken eingegangenen „offenen“ Briefes stellt dagegen ein
Schreiben des Johann von Kerpen an Elisabeth dar105 106. Das Siegel aus grünem Wachs ist
zwar abgefallen, doch kann man die Stelle unmittelbar unterhalb des Textes, an der es
einst angebracht worden ist, noch gut erkennen. Dieses Schriftstück ist nur auf einer Seite
beschrieben worden und war nicht verschlossen. Darüber hinaus enthält der vorliegende
Bestand noch eine weitere Ausfertigung eines „offenen“ Briefes, bei dem es sich um ein
105 Nr. 49, 79, 80.
106 Nr. 12a, davon liegt auch eine Abschrift vor: Nr. 12b.
224
Schreiben Antons von Vaudemont an seine Schwester handelt (Nr. 32). An diesem ist das
Siegel zwar stark beschädigt, aber nicht abgefallen, da man in dem Papier darunter kleine
spitzwinklige Einschnitte vorgenommen und die so entstandenen Spitzen aufgebogen hat-
te, um dem Siegelwachs mehr Halt zu geben. Es ist übrigens der einzige Brief Antons, der
einen Siegelvermerk enthält. Einen weiteren Hinweis auf einen „offenen“ Brief kann man
einem Schreiben Johanns von Kerpen entnehmen (Nr. 12), in dem dieser bestätigt, einen
solchen von Elisabeth erhalten zu haben, doch gibt es davon nur eine Abschrift (Nr. 10).
Legt man die so bezeugten „offenen“ Briefe zugrunde, ist es möglich, an Hand des For-
mulars und der Einrichtung dieser Schriftstücke weitere Konzepte und Abschriften als
LITTERAE PATENTES zu identifizieren. Auch bei ihnen lassen sich verschiedene ORDINES
beobachten, doch fehlt im vorliegenden Corpus der ORDO MEDIOCRIS. Dagegen treten
Brief- und Kanzleistil gleichermaßen auf.
Das Formular dieser Briefe ist leichter zu überschauen als das der LITTERAE CLAUSAE, da
sich die INSCRIPTIO nicht auf der Außenseite befindet und daher auch keine Bezugnahme
auf sie zu erfolgen braucht. Sie ist stets in vollständiger Form Bestandteil der Eröffnung.
Dabei kommen die gleiche Elemente wie bei den LITTERAE CLAUSAE vor. Im ORDO
SUBLIMUS geht der INSCRIPTIO in einem gesonderten Briefkopf die INTITULATIO voraus.
Liegt der ORDO INFIMUS vor, steht zuerst die INSCRIPTIO gefolgt von der INTITULATIO,
die stets mit einem Personalpronomen, ich oder wir, das dem Namen des Absenders vo-
rangeht, beginnt.
Die beiden „offenen“ Briefe an Elisabeth von Bar werden jeweils mit der INSCRIPTIO er-
öffnet:
Der hochgebomen furstynnen, fraumn Elisabeth, hertgogynnen gu Bar vnd gu Lothringen, hertgogynnen
vnd marggraffynne, marggraffynne gu Pontemous und graffyne gu Guise, vnser gnedigen lieben fraumn.
Der darauf folgende Teil enthält die INTITULATIO der absendenden Personen, die in eine
Dienstentbietung eingeschlossen wurde. Danach wird mit einer Promulgationsformel zum
Anliegen übergeleitet:
... enbieden ich, Phillips von Dune,....vnser vnderdennige, willige, schuldige dinste vnd begem u-
wem gnaden gu wissen, dag ... (Nr. 4).
Nach dem Anliegen, das im konkreten Falle darin besteht, eine Eidesleistung Elisabeths
zu bezeugen, erfolgt in diesem Brief auch eine CORROBORATIO, verbunden mit dem Be-
siegelungshinweis:
Des gu vrckunde han ich, Phillips von Dune, ... vnser iglicher sin ingesigel der wir andern vns gu diser
git mityn gebruchen an disen vjfen briffgedruckt, die vorgeschriben Sachen gu besagen (Nr. 4).
Der urkundliche Charakter dieses Briefes, dessen Ende die Datumzeile bildet, wird hier-
durch besonders deutlich.
Der zweite „offene“ Brief an Elisabeth von Bar-Lothringen ist diesem sehr ähnlich. Nur
der Schluß folgt in stärkerem Maße dem Briefformular, da er aus dem Versprechen, sich
dienstbar zeigen zu wollen, und der Bitte um Antwort besteht:
225
Da% wollen wir vmmer wo wir können odir mögen geen uwem gnaden willenclich gerne verdienen vnd be-
gem de% uwer gnaden gnedige verschriben antwert vnd hant des gn vre künde vnserjclicher sin jngesigel gu
ende dieser sebrifftgedruckt (Nr. 5).
Er enthält ebenfalls einen Besiegelungshinweis und wiederum als letztes das Datum.
In vergleichbarer Weise ist auch der „offene“ Brief Antons von Vaudemont an seine
Schwester Elisabeth verfaßt. Nach INTITULATIO und INSCRIPTIO sowie dem Anliegen
schließt er mit der Bitte um Antwort, einem Segenswunsch und der Datumzeile. Am En-
de erfolgt jedoch noch ein Nachsatz (Nr. 32).
1.6.2.3 LlTTERAE PATENTES und LITTERAE CLAUSAE -
der Briefwechsel mit Johann von Kerpen
Auch der Briefwechsel mit Johann von Kerpen enthält eine Reihe „offener“ Briefe. Auf
einen von ihnen, die Ausfertigung Johanns an Elisabeth, wurde bereits hingewiesen. Be-
sonders interessant wird die Korrespondenz aber dadurch, daß LITTERAE PATENTES und
LITTERAE CLAUSAE in ihr einander abwechseln. Dabei stellt sich die Frage, welche Gründe
dazu geführt haben mögen, einmal diese, ein anderes mal jene Art von Brief zu benutzen.
Um einer Antwort näher zu kommen, sollte man sich vor Augen führen, daß Briefe ihrem
Wesen und ihrem Zweck nach subsidiäre Kommunikationsmittel darstellen - subsidiär
deshalb, weil sie als Mittel der Fernkommunikadon unmittelbare, persönliche, d. h. münd-
liche Kommunikation ersetzen. Die Briefsituation ist deshalb stets eine Situation der Fer-
ne, die es zu überbrücken gilt. In diesem Sinne leitet sich der Brief von einem mündlichen
Diskurs her, dessen spezifischer Charakter auch in der Art des Briefes zum Ausdruck
kommen kann. Bei den LITTERAE CLAUSAE ist die mündliche Diskursform die des Dia-
logs, des Gesprächs zwischen zwei Personen. Die Gesprächssituation ist dabei eine per-
sönliche. Von ihr herzuleitende Briefe werden deswegen verschlossen. Den „offenen“
Briefen liegt dagegen auch ein „öffentlicher“ Charakter zugrunde. Die Form des mündli-
chen Diskurses, von der sie herrühren, ist die Ansprache an eine Person vor einem wie
auch immer gearteten Publikum, in erster Linie aber die Gerichtsrede. Die in der Vars-
berg-Korrespondenz enthaltenen LITTERAE PATENTES werden als Mittel in rechtlichen
Auseinandersetzungen eingesetzt, sind daher als Rechtsmittel gedacht. Diese Form
der Konfliktführung wird in den Brieftexten mit dem Rechtsterminus beledigen bezeichnet.
Da Johann von Kerpen den Varsberg-Konflikt unmittelbar verursacht hat, treten die
LITTERAE PATENTES im Briefwechsel mit ihm so zahlreich auf.
Von den hierin überlieferten Schreiben ist das erste ein Brief Johanns an Elisabeth (Nr. 9).
Obwohl er nur als Abschrift vorliegt, ist er dem Formular nach deutlich als „offener“
Brief erkennbar. Er folgt darin sowohl den beiden „offenen“ Briefen an Elisabeth von
Bar-Lothringen als auch demjenigen seines eigenen zweiten Briefes an die Gräfin von
Nassau-Saarbrücken, von dem es eine Ausfertigung und eine Abschrift gibt. Wie es der
ORDO INFIMUS verlangt, beginnt er in der Eröffnung mit der INSCRIPTIO, gefolgt von der
226
INTITULATIO, bestehend aus dem Pronomen (ich), dem Namen und dem Herrschaftstitel:
Elisabeth von Lothringen, grafjynne widern gu Nassaum vnd gu Sarbrucken. Ich, Johan here gu Kerp-
pen vnd gu Warßberg,___
Darauf folgen die Bestätigung für den Empfang zweier Schreiben, kurze Inhaltsangaben,
eine Promulgationsformel (da vff begem ich uch gu wissen) und das Anliegen. Eine Dienstent-
bietung kommt an keiner Stelle vor. Den Schluß bilden ein das Anliegen bekräftigendes
Versprechen, sich für die Vorwürfe verantworten zu wollen, sowie die Datumzeile mit
dem Siegelhinweis. In der gleichen Weise ist auch der zweite Brief Johanns an Elisabeth
verfaßt (Nr. 12). Daneben liegen aber noch zwei weitere Schreiben von ihm vor, die ver-
schlossen wurden107. Sie folgen daher auch dem Formular der LITTERAE CLAUSAE mit äu-
ßerer INSCRIPTIO einschließlich der Anrede, die in der Eröffnung des Briefes wieder auf-
gegriffen wird. Auch bei diesen Briefen enthält der Schluß eine Bekräftigung des Anlie-
gens und die Datumzeile. Am Ende steht die INTITULATIO.
Die LITTERAE PATENTES Elisabeths an Johann von Kerpen folgen ebenso wie ihre ande-
ren Schreiben an ihn dem ORDO SUBLIMUS und weisen daher den Kanzleistil auf. Sie be-
ginnen stets mit der INTITULATIO in einem gesonderten Briefkopf. Der darunter stehende
Textblock fängt mit einer INSCRIPTIO an, die allerdings sehr knapp gehalten ist und außer
dem Namen nur den Herrschaftstitel enthält. So wie in Johanns Briefen keine Dienstent-
bietung, erfolgt in Elisabeths Brief kein förmlicher Gruß. Der Briefwechsel zwischen den
beiden erscheint überhaupt, und zwar immer, auf die notwendigsten Elemente reduziert.
Der INTITULATIO im Briefkopf,
Llisabeth von Lothringen, grappinne witwa gu Nassauwe vnd gu Sarbrucken,
folgt ohne Anrede und förmlichen Gruß eine vollständige INSCRIPTIO:
Johann, herre gu Kerppen vnd gu Warßberg als...108.
Im Unterschied zu Johann, verlangt Elisabeth in ihren Briefen an ihn immer eine Ant-
wort, die aber, wie es scheint, zumeist ausgeblieben ist. Ferner ist auffällig, daß die vier
„offenen“ Briefe an Johann von Kerpen zur Bekräftigung des Anliegens die Drohung
enthalten, weitere Maßnahmen gegen ihn ergreifen zu wollen, falls er den gestellten For-
derungen nicht nachkommen würde. Die typische Floskel, mit der dieses Formularele-
ment, das der SANCTIO in den Urkunden entspricht, beginnt, lautet: Vndgest du vns deg vß,
so wellen wir ... 109. Die Datumzeile ihrer vier „offenen“ Briefe enthält stets einen Siegel-
107 Nr. 22 an Hans von Rittenhofen, Nr. 24 an Elisabeth.
108 Nr. 14, in gleicher Weise Nr. 10, 25, 47.
109 Nr. 25, in gleicher Weise Nr. 10, so ähnlich Nr. 14 und 47.
227
vermerk, der dadurch besonders auffällt, daß das Siegel als zu ende diese schrifftgedruckt oder
heran gedruckt bezeichnet wird, eine Formulierung die sonst nicht vorkommt110 111.
Die übrigen Schreiben Elisabeths an Johann von Kerpen gehören zum Typus der
LITTERAE CLAUSAE. Die meisten von ihnen tragen als zusätzliches Merkmal am Ende der
INSCRIPTIO einen Vertraulichkeitsvermerk:
Johanne, hem %u Kerppen vnd %u Warsberg, vnd sal nymans disen brieff vjjbrechen dann der egenannte
Johann selbsm.
In der INSCRIPTIO selbst ist auf jegliches Beiwerk verzichtet worden, weswegen in der Er-
öffnung des Briefes, der die INTITULATIO als gesonderter Briefkopf vorausgeht, als Anre-
de nur der Name wieder aufgegriffen wird:
Elisabeth von Wotthr(ingen), g(ra)j]ynne widern gu Nassaum und %u Sarbrucken.
Johan,...
Diese Briefe erscheinen daher etwas schroffer als die LITTERAE PATENTES. Dadurch, daß
sie mit diesen in vermischter Folge auftreten, könnte man vermuten, daß so jeweils ein
schärferer Tonfall erzeugt werden sollte. Der Unterschied ist aber nicht stilistischer, son-
dern rein formaler Art und ausschließlich dem jeweiligen Brieftypus geschuldet. Er läßt
sich mit keiner besonderen strategischen Absicht verbinden112. Die INSCRIPTIO ist bei
sämtlichen Schreiben an Johann von Kerpen stets die gleiche. Eine Anrede, die liebergetru-
wer hätte lauten müssen,113 fehlt stets. Da der Vorwurf gegenüber Johann von Kerpen auf
Untreue lautete, wäre es inkonsequent gewesen, ihn als „Getreuen“ anzusprechen. Wie
bei allen anderen LITTERAE CLAUSAE wird in der Eröffnung des Briefes aus der
INSCRIPTIO zitiert. Da sie aber lediglich aus dem Personennamen und dem Herrschaftsti-
tel besteht, kann dabei nur an den Namen angeknüpft werden. Die bloße Nennung des
Namens in der Eröffnung ergibt sich daher folgerichtig aus der Konzeption dieser
LITTERAE CLAUSAE. Ein Gunstentzug soll damit nicht signalisiert werden. Das Gegenteil
trifft zu, denn diese Briefe weisen nicht nur den Hinweis auf vertrauliche Zustellung auf,
sondern auch einen Briefschluß, der wesentlich milder als derjenige der LITTERAE
PATENTES formuliert ist, da er im Unterschied zu den „offenen“ Briefen keine
SANCTIONES, sondern lediglich eine Ermahnung (Nr. 19) oder sogar das Versprechen,
sich erkenntlich zeigen zu wollen,114 bzw. die Aufforderung zu antworten enthält115.
110 Einen solchen erweiterten Besiegelungsvermerk weisen auch die beiden „offenen“ Briefe an Elisabeth
von Bar-Lothringen auf. Dagegen ist der „offene“ Brief Antons der einzige von ihm, der überhaupt die
Besiegelung vermerkt.
111 Nr. 19, in gleicher Weise Nr. 20, 21, 23.
112 Vgl. hierzu auch Janich in diesem Band S. 395..
113 Vgl. die Anrede gegenüber Johann von Kriechingen, der ebenso wie Johann von Kerpen mit einem An-
teil an dem Kleinen Varsberg Vasall von Saarbrücken war (Nr. 44, 50), sowie Henning: „Titulaturenkun-
de“ (wie Anm. 57), S. 300.
114 Nr. 20 und 23.
228
1.7 Die Überlieferungsformen
Am Schluß der quellenkundlichen Betrachtungen soll die Frage nach der Überlieferungs-
form stehen. Sie ist nicht immer leicht zu beantworten. Ausfertigungen sind in der Regel
ohne weiteres an ihren äußeren Merkmalen, u. a. dem erbrochenen Siegel zu erkennen.
Die Unterscheidung zwischen Konzept und Abschrift macht aber mitunter Schwierigkei-
ten und ist nicht immer eindeutig zur treffen. Bei eingegangenen Schriftstücken, die keine
Ausfertigungen sind, kann es sich nur um Abschriften handeln. Sind sie zusammen mit
Saarbrücker Schreiben auf einem Bogen verzeichnet, müssen letztere ebenfalls Abschrif-
ten darstellen. Daneben existieren etliche Schriftstücke, die sich durch äußere Merkmale
klar als Konzepte erweisen. Bei ihnen sind zumeist INSCRIPTIO und INTITULATIO neben-
einander unter dem übrigen Text verzeichnet. Ihre Schrift stellt eine sehr flüchtige Kon-
zeptkursive dar. Meistens weisen diese Schriftstücke interlineare Korrekturen auf, solche
also, die bei fortlaufendem Konzipieren erfolgt sind. Nachträgliche Überarbeitungen
kommen bei ihnen aber ebenfalls vor.
Neben solchen klar zu bestimmenden Stücken bleibt jedoch ein beträchtlicher Rest, der
sich nicht ohne weiteres einordnen läßt. Ihnen gemeinsam ist, daß sie in einer regelmäßi-
gen Urkundenkursive geschrieben wurden. Einige von ihnen sind so exakt verfaßt, daß sie
auch als Ausfertigung hätten dienen können. Andere wiederum weisen nachträgliche
Überarbeitungen, die teilweise von zweiter Hand erfolgt sind, auf. Diese als Konzepte an-
zusprechen, wird ihrem tatsächlichen Charakter jedoch nur teilweise gerecht, da ihre Fas-
sung vor der Überarbeitung selbst auf ein Konzept zurückgehen kann.
Unter den Briefen dieses Corpus befinden sich zwei Schreiben, die einen gewissen Ein-
blick in die Praxis der Saarbrücker Kanzlei gewähren. Bei dem ersten handelt es sich um
das Konzept eines Briefes an Johann zu Rodemachern (Nr. 69). Die Schrift ist eine flüch-
tige Kursive. Das Schreiben enthält einige interlineare Korrekturen, die beim Konzipieren
selbst erfolgt sind. Das zweite stellt eine vollständige Ausfertigung desselben Briefes, ein-
schließlich Siegel und Verschluß, dar (Nr. 70). Die Korrekturen des Konzeptes erscheinen
sauber eingearbeitet. Der Brief ist in dieser Form aber nicht expediert worden. Vielmehr
wurde er wieder geöffnet und noch einmal überarbeitet. Dabei hat man Streichungen und
Ergänzungen über der Zeile und am Rande vorgenommen, die sich alle auf im Text gege-
bene Termine und das Datum beziehen. Diese Ausfertigung ist also zum Konzept gewor-
den. Davon wurde eine erneute Reinschrift erstellt. Sie wurde ausgefertigt und hat den
Adressaten schließlich erreicht, denn er bezieht sich in seiner Antwort auf die Termine
und das Datum, wie sie in der Überarbeitung erscheinen (Nr. 71). Der Brief hat in seiner
Entstehung demzufolge einen Prozeß durchlaufen, an dessen Anfang ein Konzept stand.
Davon hat man eine Reinschrift angefertigt, die als Ausfertigung gedacht war, aber
schließlich noch einmal überarbeitet und erneut ausgefertigt worden ist. Überarbeitete
Ausfertigungen kommen in noch zwei weiteren Fällen vor115 116. Alle drei stellen ein hinrei-
115 Nr. 13 und 21.
116 Nr. 53, 68, beide an Bischof Konrad von Metz.
229
chendes Zeugnis dafür dar, wie die Briefe aussahen, wenn sie Elisabeths Kanzlei verlassen
haben. Daneben kommen aber eine ganze Reihe von Schriftstücken vor, die ein ver-
gleichbares Aussehen besitzen, ohne daß es sich bei ihnen um Ausfertigungen handelt,
denn sie sind nicht verschlossen und besiegelt worden. Sie weisen alle einen sauber ge-
setzten Schriftspiegel auf, bei dem vor allem der linke Rand exakt und gerade erscheint
und wurden in einer gut lesbaren Urkundenkursive aufgezeichnet. Etliche hätten in der
vorliegenden Form durchaus als Ausfertigung dienen können, andere dagegen enthalten
Überarbeitungen, so daß man bei ihnen von zwei Gruppen sprechen kann: Reinschriften
und überarbeitete Reinschriften. Eine ebensolche Unterscheidung drängt sich auch bei
den Konzepten auf. Neben solchen, bei denen lediglich interlineare Korrekturen Vor-
kommen, existieren auch etliche, die nachträgliche Überarbeitungen in Form von Strei-
chungen sowie Ergänzungen am Rande und über der Zeile tragen. Die herkömmliche Un-
terscheidung in Konzept, Abschrift und Ausfertigung wird daher dem Charakter dieser
Korrespondenz hinsichtlich der Überlieferungsformen keineswegs gerecht. Zunächst muß
man unterscheiden zwischen eingegangenen Schreiben und solchen der Saarbrücker
Kanzlei selbst. Bei den eingegangenen Schreiben bereitet die Klassifikation keine Proble-
me, da entweder die Originale, d. h. Ausfertigungen, oder aber von solchen angefertigte
Abschriften vorliegen. Bei den Saarbrücker Schreiben sind aber vier verschiedene Typen,
die einem jeweils verschiedenen Stadium im Prozeß des Briefschreibens entsprechen, zu
unterscheiden: Konzepte, überarbeitete Konzepte, Reinschriften und überarbeitete Rein-
schriften. Nicht überarbeitete Reinschriften unterscheiden sich äußerlich nur durch das
Fehlen von Siegel und Verschluß von den Ausfertigungen. Einen Sonderfall von überar-
beiteten Reinschriften stellen die drei überarbeiteten Ausfertigungen dar.
Dieser Vielfalt an Formen wurde im Rahmen der Edition bei der Klassifikation der Stü-
cke insofern Rechnung getragen, als die herkömmliche Unterscheidung nach Konzept,
Abschrift und Ausfertigung beibehalten, daneben aber gegebenenfalls die Art der Korrek-
tur bzw. Überarbeitung zusätzlich vermerkt worden ist.
1.8 Zusammenfassung
Die Unterscheidung der Briefe nach genetischen Kriterien in Konzepte und Reinschriften
sowie deren Stufen der Überarbeitung ist ein Ergebnis der quellenkundlichen Untersu-
chungen, das nicht nur der Klassifikation der Schreiben dient. Vielmehr gewährt sie zu-
sammen mit den Erörterungen hinsichtlich der Papier- und Briefformate, der Zusammen-
stellung von Rotuli, des Verschlusses und der Besiegelung sowie der Datierung auch einen
Einblick in die Praxis der Kanzleien, allen voran der Saarbrücker. Desweiteren hat die Er-
örterung von innerer und äußerer Form der Briefe gezeigt, daß zwei verschiedene Briefty-
pen, denen eine jeweils verschiedene Diskursform zugrunde liegt, zu unterscheiden sind.
Die LITTERAE CLAUSAE stellen eine schriftliche Form des Dialogs dar. Da es sich bei ih-
nen nicht um „öffentliche“ Schreiben handelt, wurden sie verschlossen und mit einer äu-
ßeren INSCRIPTIO versehen. Die LITTERAE PATENTES dagegen blieben unverschlossen.
Bei ihnen ist die INSCRIPTIO Bestandteil der Eröffnung des Briefes. Die ihnen zugrunde
liegende mündliche Form des Diskurses ist die öffentliche Ansprache an eine Person nach
230
Art einer Gerichtsrede. Solche Briefe wurden als förmliche Rechtsmittel beim Führen ei-
nes Rechtsstreites gebraucht.
Die Analyse der Briefe hat zudem gezeigt, daß die Gestaltung des Briefformulars festen
Regeln folgte. Diese lassen sich zum einen von den Grundsätzen der ARS DICTANDI her-
leiten, wonach für den Brief fünf Teile (PARTES) vorgeschrieben waren: SALUTATIO,
EXORDIUM, NARRATIO, PETITIO und CONCLUSIO. Die PARTES selber sind jedoch noch in
weitere, stets wiederkehrende Elemente gegliedert, die sich von den Elementen des Ur-
kundenformulars ableiten lassen. Die konkrete Ausgestaltung des Formulars geht vom
Verhältnis des Absenders zum Empfänger innerhalb der mittelalterlichen Sozialhierarchie,
das ein über-, gleich- oder untergeordnetes sein konnte, aus. In den mittelalterlichen
Briefstellern wurde dieses System im ganzen als ORDO TRIPLEX, die einzelnen Grade je-
weils als ORDO SUBLIMUS, ORDO MEDIOCRIS und ORDO INFIMUS o. ä. bezeichnet. Für je-
den dieser ORDINES gab es feste Vorgaben hinsichdich der Ausformulierung und Anord-
nung der einzelnen Briefelemente, die zusammen mit dem System der Titel und Anreden
die Gestalt des Briefes besdmmt haben. Bei den LITTERAE CLAUSAE kommt dabei der
INSCRIPTIO eine Schlüsselstellung zu, da sie als Außenadresse mit ihren Titeln und Anre-
deformen den jeweiligen ORDO begründet, von dem aus das Briefformular als im Weite-
ren entwickelt erscheint. Die Untersuchung hat zudem gezeigt, daß es zwar Spielräume
für die Ausgestaltung des Formulars gab, diese aber sehr gering waren. Wenn solche
Spielräume genutzt worden sind, konnten sie jedoch mit Strategien der Verhandlungsfüh-
rung in Verbindung gebracht werden, die zu beobachten sich für die Interpretadon der
Briefe als durchaus wichtig erwiesen hat.
Die Ergebnisse der quellenkundlichen Untersuchung sind allein auf der Grundlage des in
dieser Edition vorliegenden Briefcorpus, das zeitlich, räumlich und auch thematisch eng
begrenzt ist, gewonnen worden. Der Vergleich mit Georg Steinhausens Edition „Deut-
sche Privatbriefe des Mittelalters“ und den darin enthaltenen Briefen von und an „Fürsten
und Magnaten, Edle und Ritter“ (Bd. 1) zeigt jedoch, daß sich die strukturellen Grundsät-
ze, die bei der Varsberg-Korrespondenz zu beobachten sind, auch in einem größeren
Kontext wiederfinden117. In welchem Rahmen sie Allgemeingültigkeit beanspruchen kön-
nen und ob zudem noch andere Tendenzen existiert haben, bleibt weiteren, bereits ge-
planten Untersuchungen überlassen. Die an den Varsberg-Briefen gewonnenen Ergebnis-
se der quellenkundlichen Analyse stellen die Grundlage für deren nun sich anschließende
historische Interpretation dar.
2. Der Varsberg-Konflikt im Spiegel der Varsberg-Korrespondenz
Den historischen Rahmen für den Varsberg-Konflikt bildete, wie bereits eingangs
erläutert wurde, der lothringische Erbfolgestreit. Er wurde dadurch ausgelöst, daß nach
dem Tod von Herzog Karl von Lothringen dessen Neffe Anton von Vaudemont als
117 Deutsche Privatbriefe des Mittelalters, Bd. 1: Fürsten und Magnaten, Edle und Ritter, Band 2: Geistliche, Bürgerl, hg.
von Georg Steinhausen, Berlin 1899-1907 (Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte, Erste Abtei-
lung: Briefe, 1. und 2. Band).
231
nächster männlicher Verwandter des Verstorbenen nicht akzeptieren wollte, daß nicht er,
sondern Karls Schwiegersohn René von Anjou die Nachfolge als Herzog von Lothringen
antreten sollte. In der Schlacht von Bulgnéville hatte Anton zwar seinen Rivalen René mit
burgundischer Hilfe besiegen können, doch gelang es ihm nicht, diesen militärischen
Erfolg auch in einen politischen umzuwandeln. Da die lothringischen Stände Anton die
Zustimmung verweigerten, war er ganz und gar auf die Hilfe des Herzogs von Burgund
angewiesen. Dieser verband jedoch mit dem Sieg über René von Anjou, den er als seinen
Gefangenen in Dijon festhielt, eigene Absichten. Ihm muß es den eigenen Interessen
förderlicher erschienen sein, an René als Herzog von Lothringen festzuhalten. Daher
bemühte er sich, zwischen den beiden Rivalen zu vermitteln, wobei er Anton anscheinend
auch unter Druck gesetzt hat, so daß dieser sich schließlich zu einer grundsätzlichen
Übereinkunft mit René von Anjou einverstanden erklärte. Kurz bevor dies geschah, fand
die Besetzung der Burg Groß-Varsberg durch Leute Antons statt.
Die Umstände des Überfalls und die Reaktion der Zeitgenossen lassen keinen Zweifel
daran aufkommen, daß die Einnahme der Burg nicht in erster Linie gegen Elisabeth ge-
richtet war, sondern vielmehr dem Zweck dienen sollte, eine Ausgangsbasis für weitere
feindselige Handlungen gegen René von Anjou zu gewinnen. Ein solcher gewaltsamer
Akt nur wenige Tage vor dem Waffenstillstandsabkommen mit René kann darauf hindeu-
ten, daß Anton nicht ernsthaft an einer Einigung mit ihm interessiert war. Andererseits ist
es aber auch möglich, daß er dadurch seine Position in den weiteren Verhandlungen
verbessern wollte. Wie sich der Verlauf dieses Konfliktes in der darüber geführten Kor-
respondenz darstellt, welche Rolle den daran beteiligten Personen jeweils zukommt und
welche Motive sie hatten, soll Gegenstand der nun folgenden Ausführungen sein.
2.1 Die Forschungslage zum Varsberg-Konflikt
Anlaß und Beginn der Varsberg-Auseinandersetzung sowie deren Verlauf, der von dem
Bemühen Elisabeths bestimmt war, die Burg zurück zu erhalten, sind von der historischen
Forschung bislang nur kurz gestreift worden.
In seiner „Geschichte des vormaligen Nassau-Saarbrückschen Landes und seiner Regen-
ten“ vertritt Friedrich Koellner die Ansicht, daß Elisabeth am lothringischen Erbfolge-
streit „unbezweifelt“ teilgenommen habe. Er bezieht sich dabei auf die Korrespondenz
zwischen ihr und ihrem Bruder, die „wegen mutueller Hülfe gegen den Herzog von Loth-
ringen und Bar“ geführt wurde. Der Bischof von Metz habe in diesem Zeitraum „Ver-
handlungen zur Beilegung der Mißhelligkeiten gepflogen, weiche wegen der Aufnahme
der Lehen zwischen Saarbrücken und Lothringen entstanden waren.“ Er sei es zudem
gewesen, der die beiden Burgen Varsberg 1433 „weggenommen und an den Herzog von
Lothringen übergeben habe, der sie von Grund aus zerstören ließ.“118
118 Koellner, Friedrich: Geschichte des vormaligen Nassau-Saarbrückschen ¡ ¿indes und seiner Regenten. Drei Theile. Ers-
ter Theil: Geschichte der Grafen und Dürsten von Sarbrück, Saarbrücken 1841, Nachdruck Saarbrücken 1981
(Saarbrücker Nachdrucke 1), S. 198.
232
Fast gleichermaßen hat sich Albert Ruppersberg geäußert, der meint, daß Elisabeth im
Krieg zwischen René von Anjou und Anton von Vaudémont für letzteren Partei ergriffen
habe, „wie es scheint, gereizt durch Vorenthaltung einiger lothringischen Lehen.“119 Nach
der Schlacht von Bulgnéville sei Anton durch Johann von Kerpen dessen Schloß Vars-
berg geöffnet worden. Johann unternahm nun „von dort aus Raub- und Plünderungszüge
in das Gebiet des Bistums Metz und in das Herzogtum Bar; hierüber ergrimmt, zog der
Bischof von Metz, Konrad Bayer von Boppard, heran und zwang im April 1433 die bei-
den Schlösser Grafen-Warsberg und Klein-Warsberg zur Übergabe, worauf sie an Loth-
ringen ausgeliefert und zerstört wurden. Gräfin Elisabeth, die Mitbesitzerin von Groß-
oder Grafen-Warsberg und Lehnsherrin von Klein-Warsberg, ließ ihren dortigen Amt-
mann wegen der Auslieferung des Schlosses gefangen setzen, verlangte aber vergebens
Rückgabe der Burg und Entschädigung.“120
Auch Peter Volkelt betrachtet die Rolle Elisabeths in einem ähnlichen Licht. Mit Aus-
nahme des Varsberg-Konfliktes schätzt er ihre Regierungszeit als überwiegend erfolgreich
ein. Im Zusammenhang mit dem lothringischen Erbfolgekrieg sieht er sie ebenfalls auf
Seiten Antons. „Obwohl Elisabeth militärisch nicht eingriff, ging dieses Unternehmen für
sie insofern ungünstig aus, als sie die beiden Burgen Groß- und Kleinwarsberg bei
Kreutzwald, die sie ihrem Bruder als Ausgangspunkte zur Verfügung gestellt hatte, ein-
büßte. Freilich war dieser Verlust noch zu verschmerzen. Der reichhaltige Briefwechsel,
den Elisabeth mit ihrem Bruder über die ganze Angelegenheit führte, hat sich in den Ar-
chiven erhalten."121
Eine ähnliche Auffassung vertrat auch Kurt Hoppstädter. Elisabeth habe „die Besitzun-
gen und Erwerbungen ihres Gemahls im wesentlichen halten können mit Ausnahme der
beiden Burgen Warsberg, die durch das Ungeschick ihres Amtmannes Johann von Ker-
pen verloren gingen.“122 Daran anknüpfend meint Hans-Walter Herrmann im selben
Band, daß Elisabeth innerhalb des lothringischen Erbfolgestreites für ihren Bruder Partei
ergriffen und dabei ihre Burg verloren habe. „Daß ein saarbrückisches Kontingent im
Heere Antons mitgekämpft habe, ist nicht überliefert; aber nach Antons Sieg führt der
Saarbrücker Vasall Johann von Kerpen von den Warsberger Burgen im Warndt aus Plün-
derungszüge gegen bischöflich-metzische und herzoglich-barische Orte, gewiß mit Dul-
dung der Gräfin Elisabeth. In einer Gegenaktion zerstört der Bischof von Metz im April
1433 die beiden Burgen, wodurch Nassau-Saarbrücken als Mitherr von Großwarsberg
und als Lehnsherr von Kleinwarsberg unmittelbar geschädigt wurde.“123
119 Ruppersberg (wie Anm. 12), S. 205.
120 Ebd. S. 206.
121 Volkelt, Peter: „Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau und zu Saarbrücken in Geschichte, Literatur
und Bildender Kunst“, in: Ztschr. f d. Geschichte der Saargegend 6/ 7 (1956/57), S. 40.
122 Hoppstädter (wie Anm. 5), S. 307.
123 Herrmann, Hans-Walter: „Grundlinien der Saarländischen Geschichte“, in: Geschichtliche Landeskunde des
Saarlandes (wie Anm. 5), S. 470-545, hierzu S. 477.
233
Bislang ist also stets die Meinung vertreten worden, daß Elisabeth hinsichdich der Ausei-
nandersetzung um die Erbfolge im Herzogtum Lothringen ihren Bruder unterstützt habe,
indem sie die Besetzung von Groß-Varsberg durch }ohann von Kerpen und dessen Raub-
und Plünderungszüge gegen Gebiete des Herzogs von Bar und des Bischofs von Metz
zumindest duldete. Nachdem der Bischof von Metz beide Varsberg-Burgen gewaltsam an
sich brachte, seien sie an den Herzog von Bar-Lothringen übergeben und schließlich zer-
stört worden.
Das Studium der in der Edition vorliegenden Varsberg-Korrespondenz erlaubt es nun, ei-
nen tieferen Einblick in die Vorgänge und deren Hintergründe zu erlangen sowie Rollen
und Motive einzelner Beteiligter etwas klarer zu erkennen. Der Varsberg-Konflikt erweist
sich dabei als Austragungsfeld des lothringischen Erbfolgestreites, dessen Hauptbeteiligte,
wie auch deren Helfer, in dem Briefwechsel zur Sprache kommen. Anlaß und alleiniges
Ziel dieses Briefwechsels ist das Bemühen Elisabeths, ihre Burg Groß-Varsberg und zeit-
weise eventuell auch Klein-Varsberg zurück zu erhalten. Dieses Bemühen kennzeichnet
dabei die Perspektive, aus welcher der Varsberg-Konflikt in den Briefen erscheint. Die
Einzelkorrespondenzen sind dabei meistens nicht parallel geführt worden, sondern wech-
seln einander ab. In ihrer Abfolge widerspiegeln sich die einzelnen Etappen der Bemü-
hungen Elisabeths um Rückgabe der Burgen, verursacht durch sich wandelnde äußere
Bedingungen, auf die sie mit wechselnden Strategien reagiert hat.
2.2 Die Etappen des Konfliktes im Überblick
Nachdem Elisabeth von der Besetzung ihrer Burg Groß-Varsberg durch Johann von
Kerpen erfahren hatte, war sie sogleich um Schadensbegrenzung bemüht. Neben dem
Verlust der Burg drohte zugleich die Gefahr, durch diesen Vorgang in den lothringischen
Erbfolgekrieg hineingezogen zu werden, da der Herzog von Bar-Lothringen als ihr
Lehnsherr sie für die Schädigungen, die von Varsberg aus gegen ihn zu erwarten waren,
verantwortlich machen könnte. So gingen auch gleich Gerüchte um, die Eroberung der
Burg sei mit ihrem Einverständnis oder gar durch ihr Zutun zu Gunsten ihres Bruders
Anton von Vaudémont geschehen. Genährt wurden solche Nachrichten sicher auch da-
durch, daß einer der Mitbesitzer von Groß-Varsberg, Georg von Rollingen, zu den Hel-
fern Renés von Anjou gehörte, während Johann von Kerpen, Besitzer der Nachbarburg
Klein-Varsberg, zur Partei Antons hielt. Für letzteren diente Georgs von Rollingen An-
hängerschaft an René als Anlaß oder Vorwand, in dessen und zugleich Elisabeths Burg
einzudringen und seinen Gegner hinauszuwerfen. In einer solchen Konstellation war es
natürlich für Elisabeth nicht gerade leicht, ihre Neutralität glaubhaft zu machen, zumal die
Gefahr bestand, daß eine solche Haltung von den beiden verfeindeten Parteien gar nicht
akzeptiert werden würde. Andernfalls drohten ihr aber neben den Beschuldigungen und
bereits erlittenen Verlusten Schadensforderungen und die Gefahr gewaltsamer Übergriffe
seitens der Gegner Antons. Diese schwierige Balance hat Elisabeth zu meistern versucht,
indem sie sich, den einen gegenüber fordernd, den anderen gegenüber beschwichtigend,
an die verschiedenen Seiten durch Briefe, Unterhändler und gelegentlich auch persönlich
gewandt hat.
234
In der ersten Phase ihrer Bemühungen um Wiedererlangung der Burg ist Elisabeth daher
an ihre Cousine Elisabeth, Herzogin von Bar-Lothringen, herangetreten, die für ihren in
burgundischer Gefangenschaft sitzenden Gatten René die Regierung führte, um ihre Un-
schuld an den Vorgängen zu beteuern und bezeugen zu lassen124. Zuvor hatte sie bereits
zwei Schreiben an ihren Bruder gerichtet, ohne daß dieser geantwortet hätte125. Ihr Haupt-
augenmerk lag aber zu diesem Zeitpunkt darauf, Johann von Kerpen als ihren Vasallen in
die Pflicht zu nehmen und von ihm die Rückgabe der Burg zu erlangen. Neben den Brief-
kontakten hat es dabei auch mündliche Verhandlungen gegeben, die von Elisabeths Amt-
leuten geführt worden sind126. Ende Mai 1432 zeichnete sich aber ab, daß auf diesem We-
ge nichts zu erreichen war, da Johann gegenüber der Besatzung beider Burgen selbst ins
Hintertreffen geriet und Varsberg wahrscheinlich verlassen mußte. Der Schriftverkehr mit
Johann von Kerpen kam völlig zum Erliegen, und es begann die zweite Phase des Kon-
fliktes oder besser des Versuches, denselben zu lösen, die dadurch gekennzeichnet war,
daß Elisabeth erneut ihrem Bruder Anton schrieb (Nr. 28). Sie konnte ihn dazu bewegen,
einem gemeinsamen Treffen in Vézelise zuzustimmen, wohin er sie auf den 7. Mai einlud
(Nr. 29). Die Reise stand aber unter keinem guten Stern, da Anton Zeit und Ort des Tref-
fens mehrfach verschob, während Elisabeth bereits auf dem Weg zu ihm war127. Ob er tat-
sächlich stets von neuem verhindert worden ist oder ob es sich bei den Gründen, die er
dafür vorbrachte, nur um Vorwände handelte, läßt sich nicht mit Sicherheit einschätzen.
Bei der Lektüre seiner Briefe entsteht jedoch der Eindruck, daß er einem Zusammentref-
fen mit seiner Schwester aus dem Wege gehen wollte. Für Elisabeth endete diese Reise
mit einer schweren Enttäuschung, da sie unverrichteter Dinge zurückkehren mußte. Für
ein halbes Jahr ruhte der Kontakt mit Anton von Vaudémont. Dafür begann nun ein
Briefwechsel mit René von Anjou, der im Mai 1432 vorübergehend aus burgundischer
Gefangenschaft entlassen worden war128. Er richtete schwere Vorwürfe an Elisabeth und
machte sie für die Schäden, die ihm von Varsberg aus zugefügt worden waren, verant-
wortlich. Elisabeth versuchte, dem entgegenzutreten, indem sie ihre Unschuld an den
Vorgängen beteuerte und zugleich ihre Bemühungen um eine Beilegung des Konfliktes
darlegte. Im September 1432 kam jegliche Korrespondenz zum Thema Varsberg zum Er-
liegen, während die Besetzung der Burgen durch Leute Antons von Vaudémont andauer-
te.
Erst im Januar 1433 wurden diesbezügliche Kontakte wieder aufgenommen. Elisabeth
wandte sich erneut an ihren Bruder, da seine Leute von Varsberg aus ihre Geleitstraßen
überfallen und reisende Kaufleute ausgeraubt hatten. Seine Antwort war wiederum hin-
haltend129.
124 Nr. 4, 5, 7.
125 Nr. 3, 6.
126 Nr. 9, 10, 12, 13, 14, 19-25.
127 Nr. 32, 33, 36-39.
128 Nr. 40,41,42, 45.
129 Nr. 46, 48.
235
Die dritte Phase der Korrespondenz begann im April 1433, nachdem bekannt geworden
war, daß Bischof Konrad von Metz die beiden Burgen in seine Hand gebracht hatte. Eli-
sabeth w^andte sich in Briefen und durch Unterhändler mehrfach an den Bischof, der zu-
nächst recht wohlwollend reagierte130. Doch scheint ihr der Preis, den er für die Ausliefe-
rung ihrer Burg verlangte, zu hoch gewesen zu sein. Es begann die vierte Phase, in der sie
die Aufmerksamkeit erneut auf ihren Bruder richtete. Im Juni und Juli des Jahres sandte
sie vier Schreiben an ihn, die er alle beantwortet hat131. Sie machte ihm darin schwere
Vorwürfe. Anton jedoch leugnete jede Schuld und Beteiligung und brach schließlich den
Kontakt ab. Danach kam es zur fünften und letzten Phase des Versuches, die Varsberg-
Burgen zurück zu erhalten. Im August nahm Elisabeth wieder Verbindung zum Bischof
von Metz auf. Dieser scheint jedoch kaum noch gewogen gewesen zu sein, ihr das Gefor-
derte auszuhändigen. Im September endete der Briefwechsel ohne Ergebnis132. Im Januar
1434 übergab der Bischof die beiden Burgen an den Herzog von Bar-Lothringen. Nach-
dem sie davon erfahren hatte, wandte sich Elisabeth noch einmal in dieser Angelegenheit
an ihre Cousine Elisabeth, die für ihren in die Gefangenschaft zurückgekehrten Gatten
wiederum die Regierung in Lothringen führte, wurde aber von ihr abgewiesen133. Damit
endete die Varsberg-Korrespondenz, und der Verlust der Burgen schien endgültig zu sein.
2.3 Der Verlauf der Auseinandersetzungen im Einzelnen -
Rollen und Motive der beteiligten Personen
2.3.1 Der Beginn des Konfliktes und erste Maßnahmen Elisabeths
zur Schadensbegrenzung
Am 20. Januar 1432 richtete Elisabeth das eingangs erwähnte Schreiben an ihren Bruder
Anton von Vaudemont, aus dem wir erfahren, daß die Besetzung der Burg Groß-
Varsberg durch Johann von Kerpen kurz zuvor geschehen war (Nr. 3). Zu diesem Zeit-
punkt hatte es bereits persönliche Kontakte zwischen Johann von Kerpen und einigen
Amtleuten Elisabeths gegeben134. Dadurch war ihr bekannt geworden, daß Anton die
Einnahme der Burg veranlaßt hatte. Der Überfall war unmittelbar gegen Georg von Rol-
lingen gerichtet,135 der ebenso wie Elisabeth einen Anteil an der Burg besaß. Möglicher-
weise hatte es Spannungen persönlicher Art zwischen Georg von Rollingen und Johann
von Kerpen gegeben, doch befand sich Georg zum Zeitpunkt des Überfalls nicht auf der
Burg. Daher diente das Argument, gegen ihn vorgegangen zu sein, wohl nur als Vorwand
130 Nr. 51-54, 57, 58,61.
131 Nr. 59, 60, 62-67.
132 Nr. 68, 72-76, 78.
133 Nr. 82, 84.
134 Nr. 6, Elisabeth an Anton: ... vnnd als ich solichir geschiechte gewaere bin worden, han ich myne amptlude vnnd rede gcu
den egenanten von Kerppen vnnd sinen middegesellen geschickt....
135 Nr. 3, Elisabeth an Anton: ... en votre nom sur Joerge de Kauille ... ; - Nr. 6: ... vnnd haben vnser vorgeschriben sloß
von umm wegen vffjoorgen von Ru Idingen gewonnen.
236
für die Besetzung von Groß-Varsberg. Der Hintergrund für den Varsberg-Konflikt ist
zweifellos der lothringische Erbfolgekrieg, in dessen Verlauf sich Georg von Rollingen
auf die Seite Renés von Anjou gestellt hatte,136 während Johann von Kerpen zu Anton
von Vaudémont hielt137. Die Besetzung von Groß-Varsberg zielte daher eigentlich gegen
René. Dieser Zusammenhang war den Zeitgenossen bewußt, denn von Renés Seite war
sofort der Vorwurf laut geworden, Elisabeth hätte das Vorgehen Johanns von Kerpen zu-
gunsten ihres Bruders unterstützt oder zumindest geduldet138. Der Vorwurf des Mitver-
schuldens zum einen und der Verlust der Burg zum anderen stellen die beiden Seiten des
Konfliktes dar, denen Elisabeth in den nun folgenden Monaten und Jahren gleichermaßen
zu begegnen versuchte. Ihre sofortigen Maßnahmen hierfür zielten zunächst in drei Rich-
tungen. Als erstes hat sie ihre Amtleute zu den bereits erwähnten Gesprächen mit Johann
von Kerpen geschickt, um die Hintergründe seines Vorgehens zu erfahren und sich ein
Bild von der Situation machen zu können. Danach schrieb sie an ihren Bruder Anton,
teilte ihm das Vorgefallene mit und verlangte von ihm, für die Rückgabe der Burg zu sor-
gen. Dieser beeilte sich indes nicht gerade mit der Antwort. Erst am 13. Februar, nach
dem dritten Schreiben Elisabeths an ihn, hat er reagiert, ohne sich allerdings zum Sach-
verhalt selbst zu äußern. Vielmehr hat er seine Schwester an seinen Bellis Gerhard von
Pfaffenhofen verwiesen, den er zu ihr schicken wollte (Nr. 15)139. Neben der Kontaktauf-
nahme mit Anton wandte sich Elisabeth zugleich an ihre Cousine Elisabeth, die Herzogin
von Bar-Lothringen, die die Regentschaft führte. Um dem Verdacht der Begünstigung ih-
res Bruders entgegenzutreten, hatte sie zuvor eine Anzahl von Leuten ihres Gefolges ver-
sammelt. Vor diesen haben Elisabeth sowie ihre beiden Amtleute Johann Faust von Die-
bach und Hans von Rittenhofen beeidet, an den Vorfällen um die Burg Varsberg unbetei-
ligt gewesen und unschuldig zu sein. Elisabeth hatte Wert darauf gelegt, daß an diesem
Treffen auch Leute teilnahmen, die nicht nur ihr sondern zugleich auch dem Herzog von
Bar-Lothringen durch Lehnsmannschaft oder anderweitig verbunden waren,140 wie z. B.
Georg von Rollingen, der daher ebenfalls unter den Versammelten erscheint. Als Ergeb-
nis dieser Zusammenkunft wurden zwei „offene“ Briefe an Elisabeth von Bar-Lothringen
136 Nr. 12, Johann von Kerpen an Elisabeth: ... dan jch byn eyßguden herren helffer worden, dergekryget hait vmb syn
rychtliche erbe.
137 Nr. 82, Elisabeth an Elisabeth von Bar: ... nast dem nu da% vorgeschriben sloß Waisberg vff mynen egenanten gnedi-
gen heren vnd Jorgen von Ruldingen, der sin heißer wa? vnd is doch nit vorkundet hatte, da^ sloß bestellen, als sich da%
gebort, gewonnen....
138 Nr. 3, Elisabeth an Anton: ... disant que le dit de Kerppen et ses dits complices soient par le grey, voulentey et consente-
ment de my et de mes dis officiers pour vous bien mys et laissie dedens la dite fourteresse. - Nr. 6: ... so werden auch ich
vnnd myne amptlude, als mir allentag mit warheit vorkommet, swerlich bedacht, der vorgenante von Kerppen vnnd sine
mydde gesellen sten mit vnserme wißen odir willen uch %cu staden mit vorteil jn das vorgeschriben vnser sloß körnen.
139 Zu den Pfaffenhofen siehe: Duvernoy, Emile M.: „La famille des Pfaffenhofen en Lorraine“, in: Revue
Historique de la lorraine, janvier-février 1930, S. 8-18; zu Gerhard von Pfaffenhofen als Bellis der Graf-
schaft Vaudémont: Nüchel, François: „Histoire des comtes et du comté de Vaudémont“, Teil 2, in:
MS AL 71 (1933), S. 266 ff.
140 Dar vmbe ich etwie viel myner manne vnd guden frunde, die auch d% merteil myns gnedigen herm von Bare vnd von Loth-
ringen vnd uwergnaden manne sint, bij mich verbot hangehabt. - Nr. 7.
237
ausgestellt, in denen zwölf Anwesende die gegebenen Eide bezeugt und mit ihren Siegeln
beglaubigt haben. Elisabeth hat diese beiden Briefe zusammen mit einem persönlichen
Schreiben, in dem sie noch einmal ausdrücklich ihre Unschuld an den Vorgängen und ihr
Bedauern darüber bekundet, an ihre Cousine geschickt141. Wenige Tage später hat die
Herzogin von Bar in ihrer Antwort den Empfang der drei Schreiben bestätigt und die er-
wünschte Entschuldigung gewährt, zugleich aber verlangt, daß Elisabeth weiteren Scha-
den, der von Varsberg gegen ihr Land ausgehen könnte, verhindere (Nr. 8).
Darüber hinaus ist Elisabeth auch gegen Amdeute von Varsberg, denen eine Begünsti-
gung oder ein Mitverschulden der feindlichen Einnahme der Burg vorzuwerfen war, vor-
gegangen und hat den aldemeiger von Varsberg Sjmel und Wilhelm von Mjnnenbach in Haft
nehmen lassen142.
2.3.2 Erste Phase: Die Auseinandersetzung mit Johann von Kerpen
Nach diesen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung hat Elisabeth damit begonnen, sich
für die Wiedererlangung der Burg einzusetzen. Dabei hatte sie zunächst geglaubt, in Ver-
handlungen mit Johann von Kerpen dieses Ziel erreichen zu können. Johann war Elisa-
beth und ihren Söhnen durch seine Burg Klein-Varsberg, ein Lehen der Grafschaft Saar-
brücken, mannschaftspflichtig. Seine Burg hatte ihm und den anderen Gefolgsleuten An-
tons als Ausgangsbasis bei dem Überfall auf den Großen Varsberg gedient. Nach voll-
brachter Tat waren Johann und ein Teil der Mannschaft dorthin zurückgekehrt,143 so daß
die Beunruhigung der Umgebung nun von beiden Burgen aus erfolgte.
Die beiden ersten Briefe, die Elisabeth in der Varsberg-Angelegenheit an Johann von
Kerpen geschickt hat, sind nicht überliefert. Von ihnen erfahren wir jedoch in dem ersten
Schreiben Johanns an Elisabeth vom 6. Februar 1432, in dem er ihre beiden erwidert und
zugleich erwähnt, auch von Johann Faust von Diebach einen Brief in der gleichen Ange-
legenheit erhalten und bereits beantwortet zu haben. Zur Sache selbst will sich Johann in-
des noch nicht äußern, sondern verweist auf ein zwischen Johann Faust von Diebach und
ihm vereinbartes Treffen, in dessen Ergebnis er zu den Vorwürfen Stellung nehmen will
(Nr. 9). Johann muß mit seiner Antwort etliche Tage säumig gewesen sein, denn am Tag
darauf läßt Elisabeth ein Schreiben an ihn verfassen, in dem sie ihn zur Antwort auf ihre
vorangegangenen Briefe ermahnt. Daraus erfahren wir, welche Art von Forderungen Eli-
sabeth gegenüber Johann erhoben hat. Sie verlangt von ihm, daß er die Burg Groß-
Varsberg mit allem Gut, das sie und ihre Söhne darin besessen haben, unverzüglich in ihre
Hände zurückgibt. Wenn er dazu nicht willens oder in der Lage sein sollte, sei sie auch be-
reit, die Angelegenheit auf einem Rechtstag auszutragen. Für den Fall, daß er sich dem
141 Nr.4, 5, 7.
142 Das Ehepaar kam im März und Wilhelm von Mynnenbach im November 1433 wieder frei (LA SB Best.
N-Sbr. II Nr. 208 u. 214; (den Hinweis auf diese beiden Urkk. verdanke ich der freundlichen Mitteilung
von H.-W. Herrmann).
143 In Nr. 42 an René von Anjou heißt es: .. vß dem Cleynen Warsberg vnd wider dar in ... .
238
gänzlich entziehen will, droht sie damit, ihn vor fürsten, graffen, frihen hem, rittem, knechten,
sieden vnd andern allermenlich anzuklagen. Desweiteren schreibt sie, daß er ihre Burg besetzt
habe, ohne daß zuvor eine Fehde oder Feindschaft zwischen ihnen bestanden hätte und
daß der Überfall seine Mannschaftspflicht ihr gegenüber sowie seine Ehre, die er geringer
achte als das geraubte Gut, verletze (Nr. 10). Diesen Argumenten gegenüber scheint Jo-
hann nicht gänzlich taub gewesen zu sein. Jedenfalls hat er in der Folgezeit eingelenkt und
die Bereitschaft gezeigt, ihren Forderungen nachkommen zu wollen. Was die konkreten
Gründe für seine Nachgiebigkeit gewesen sein mögen, läßt sich aus der Korrespondenz
nicht völlig erhellen, doch scheint es, daß er nicht nur auf dem Großen Varsberg, sondern
auch auf seiner eigenen Burg, dem Kleinen Varsberg, gegenüber Antons Leuten mehr und
mehr ins Flintertreffen geraten ist. In seiner Antwort an Elisabeth vom 9. Februar, genau-
so wie die beiden vorangegangenen Schreiben Elisabeths ein „offener“ Brief, deutet sich
dies bereits an. Hierin rechtfertigt er sich damit, daß er der Helfer eines Herrn geworden
sei, der um sein rechtliches Erbe Krieg führe. Für diesen sei er gegen seine eigenen Feinde
vorgegangen, die sich in Elisabeths Burg aufgehalten haben. Das würde seine Ehre kei-
neswegs verletzen. Es sei zudem nicht seine Absicht, Elisabeth die Burg vorzuenthalten.
Da er aber bei dieser Sache kein Hauptmann sei, habe er bereits an seinen Herrn, den
Hauptmann selber, d. h. Anton von Vaudémont, geschrieben und darum gebeten, daß die
Burg an Elisabeth zurückgegeben werde, ohne bislang jedoch eine Antwort erhalten zu
haben. Sobald ihn eine solche erreicht haben wird, will er es ihr mitteüen. Was den Vor-
wurf betrifft, gegen seine Ehre gehandelt zu haben, ist er bereit, sich dafür auf einem
Rechtstag zu verantworten (Nr. 12). Am Tag darauf hat Elisabeth erneut an Johann von
Kerpen geschrieben. Ihr Brief, der diesmal kein „offener“ ist, beantwortet aber nicht sei-
nen vom Vortag, da dieser sicher noch gar nicht zu Elisabeth gelangt war. Vielmehr war
ihr zu Ohren gekommen, daß Johann zusammen mit seinen Kumpanen von Varsberg aus
die Stadt St. Avold überfallen haben soll, wogegen Elisabeth ihren Protest zum Ausdruck
bringt (Nr. 13). Vielleicht hat es sich dabei auch nur um ein Gerücht gehandelt, denn in
den folgenden Briefen hört man von dieser Sache nichts mehr. Spätestens am nächsten
Tag aber, dem 11. Februar, muß Johanns Brief Elisabeth erreicht habe, da sie unter die-
sem Datum darauf antwortet. Neue Sachverhalte kommen aus dem Schreiben, das wieder
ein „offener“ Brief ist, nicht zu Tage, doch fordert sie Johann auf, am 21. Februar zu ei-
nem Schiedstag vor Johann von Kriechingen in Kriechingen zu erscheinen (Nr. 14). Zu
diesem Treffen ist es tatsächlich gekommen, denn am 24. Februar hat Johann von Kerpen
mit Hans von Rittenhofen als Vertreter Elisabeths in Gegenwart des Johann von Krie-
chingen einen Vertrag hinsichtlich der Rückgabe der Burg Varsberg geschlossen, über den
eine Urkunde ausgefertigt worden ist (Nr. 18). Darin heißt es, daß Johann von Kerpen
den Großen Varsberg binnen zwölf Tagen an Elisabeth zurückgeben soll. Im Gegenzug
garantiert Elisabeth, daß die Burg für den Fall, daß der Krieg zwischen René von Anjou
und Anton von Vaudémont wieder aufflammen sollte, neutral bleiben würde. Außerdem
soll zwischen den Gemeinem des Kleinen und des Großen Varsberg ein gemeinsamer
Burgfrieden vereinbart und verbrieft werden. Warum Johann von Kerpen einem solchen
Vertrag hatte zustimmen können, kann nur damit erklärt werden, daß er einem ziemlich
starken Druck durch Elisabeths Leute ausgesetzt gewesen sein muß. Denn wie sich her-
239
ausstellen sollte, war er gar nicht in der Lage, für die Rückgabe der Burg zu sorgen. Auch
auf Saarbrücker Seite muß die unsichere Lage Johanns bekannt gewesen sein, da von nun
an die Briefe an ihn verschlossen und zusätzlich mit einem Vermerk zur vertraulichen
Übergabe versehen worden sind144. Deren Inhalt und der Stand der Verhandlungen sollten
wohl damit vor Antons Leuten geheim gehalten werden. Am 25. Februar, d. h. einen Tag
nach Vertragsschluß, erklärte Elisabeth gegenüber Johann von Kerpen ihr Einverständnis
zu dem Abkommen (Nr. 19). Als Johann etwa eine Woche später noch immer keinen
Termin für die Übergabe genannt hatte, ermahnte ihn Elisabeth mit Schreiben vom 1.
März deswegen. Johann kam dem nicht nach, sondern schrieb am 4. März an Hans von
Rittenhofen und bat um Fristverlängerung bis zum 8. März. Zugleich bot er an, falls es
ihm nicht gelingen sollte, die Rückgabe des Großen Varsberges herbeizuführen, als Ersatz
seine Burg, den Kleinen Varsberg, an Elisabeth auszuhändigen (Nr. 22). Der erbetene
Aufschub wurde Johann von Kerpen mit der Aufforderung gewährt, den Tag für die
Übergabe einer der beiden Burgen, der zwischen dem 9. und dem 11. März sein sollte,
zwei Tage im Voraus zu benennen. Da Johann dem bis zum 7. März offenbar nicht nach-
gekommen war, ließ Elisabeth an diesem Tag erneut ein vertrauliches Mahnschreiben an
ihn ab fassen, in dem er aufgefordert wurde, einen Tag für die Übergabe, der zwischen
dem 8. und dem 11 März liegen sollte, anzuzeigen sowie die Sicherheit ihrer Amtleute da-
bei zu garantieren (Nr. 23). Dieser Brief war wohl überflüssig, denn am selben Tag schrieb
Johann von Kerpen an Elisabeth, daß er nicht in der Lage sei, den Großen Varsberg zu
übergeben. Statt dessen wolle er ihr den Kleinen Varsberg am 10. März aushändigen (Nr.
24). Doch auch dazu ist es nicht gekommen. Drei Wochen später, am 29. März, wandte
sich Elisabeth erneut in einem „offenen“ Brief an Johann. Sie rekapituliert darin die bishe-
rigen Ereignisse und Übereinkünfte. Dabei wiederholt sie ihre Vorwürfe und Forderun-
gen und geht ausführlich auf Johanns Rechtfertigungen und Versprechungen ein. Für die
Übergabe des Kleinen Varsberg setzt sie ihm noch einmal eine Frist bis zum 5. April.
Falls er sich wieder nicht daran halten würde, droht sie erneut damit, ihn vor fürsten, grajfen
vnd frijhen, rittem, knechten, steden vnd anders allermen lieh zu verklagen (Nr. 25). Daß Johann
von Kerpen auch dem nicht nachgekommen ist, braucht eigentlich nicht erwähnt zu wer-
den. Dieser Brief gibt in seiner Ausführlichkeit eine Art Rechenschaftsbericht über das
Bemühen Elisabeths, die Rückgabe ihrer Burg durch Johann von Kerpen zu erreichen,
und markiert zugleich dessen Ende. Einen ähnlichen Brief, der ebenfalls eine ausführliche
Rekapitulation der bisherigen Ereignisse enthält, hat Elisabeth acht Wochen später an
René von Anjou geschickt. Hinsichtlich der Rolle des Johann von Kerpen weist dieses
Schreiben ein Detail auf, das in der Korrespondenz mit Johann nicht vorkommt, denn sie
teilt dem Herzog mit, daß ihm die Burg Groß-Varsberg durch Antons Leute weggenom-
men worden war (Nr. 42). Warum er nicht in der Lage oder willens war, den Kleinen
Varsberg zu übergeben, geht auch hieraus nicht hervor. Zudem liegt ein Schreiben eines
gewissen Nicola de Vienne vom 28. Juli 1432 an Elisabeth vor, in dem dieser sich als
Hauptmann von Varsberg im Aufträge Antons von Vaudémont ausgibt145. Es scheint
144 Nr. 19-21,23.
145 Nr. 43 vom 28. Juli 1432.
240
wahrscheinlich, daß Johann auch aus seiner eigenen Burg hinausgedrängt worden ist. An-
dernfalls wäre sie im Jahr darauf nicht ebenfalls in die Hände des Metzer Bischofs gelangt.
Ein letztes Schreiben Elisabeths an Johann von Kerpen ist auf den 25. Januar 1433 da-
tiert. Darin wird Johann nicht mehr aufgefordert, selbst für die Rückgabe der Burg zu
sorgen, sondern sich als derjenige, der den Konflikt veranlaßt hat, an Anton von Vaude-
mont zu wenden, um zu erreichen, daß dieser den Großen Varsberg an seine Schwester
zurückgibt (Nr. 47). Eine Reaktion Johanns darauf ist nicht bekannt.
Während die Verhandlungen mit Johann von Kerpen noch im Fluß waren, ist Elisabeth
damit fortgefahren, sich gegenüber Bar-Lothringen weiter abzusichern. Noch bevor es zu
dem besagten Vertrag zwischen Johann von Kerpen und Hans von Rittenhofen gekom-
men war, hatte sie sich ein weiteres Mal in einem Brief an ihre Cousine Elisabeth von Bar-
Lothringen gewandt (Nr. 16 vom 13. Februar). Darin teilte sie ihr mit, den Brief mit der
Bestätigung, hinsichtlich der Varsberg-Angelegenheit entschuldigt zu sein, erhalten zu ha-
ben (Nr. 8 vom 30. Januar). Desweiteren informierte sie die Herzogin darüber, daß sie be-
reits in mehreren Briefen an ihren Bruder Anton sowie an Johann von Kerpen herange-
treten sei und von diesen die Rückgabe der Burg sowie die Wiedergutmachung der Schä-
den verlangt habe. Für den Fall, daß sie dieses Anliegen ausschlagen sollten, habe sie die
beiden zu einem Schiedstag aufgefordert, zu dem die Herzogin nun ebenfalls bittet, ihre
Unterhändler zu schicken. Demzufolge war Elisabeth bemüht, alle Konfliktparteien zu-
sammen zu bringen, falls die Verhandlungen mit den einzelnen Beteiligten zu keiner Lö-
sung führen sollten. In ihrer Antwort vom folgenden Tag (14. Februar, Nr. 17) stimmte
die Herzogin diesem Anliegen zu, mahnte jedoch zur Eile und verlangte, daß weiterer
Schaden verhindert werde. Letzteres ist Elisabeth wohl kaum gelungen, denn am 15. Ap-
ril, also kurz nachdem die Verhandlungen mit Johann von Kerpen endgültig gescheitert
waren, hat ihr die Herzogin wiederum geschrieben und die erneuten Überfälle, die von
Varsberg aus gegen ihr Land ergangen sind, beklagt sowie die Wiedergutmachung der
Schäden gefordert (Nr. 26). In ihrer Antwort konnte Elisabeth dem wenig entgegenset-
zen. Sie bemühte sich daher vor allem, das Prekäre ihrer Situation sowie ihre bisherigen
Bemühungen um Beilegung des Konfliktes deutlich zu machen, um so die Herzogin zu
beschwichtigen. Zugleich bat sie darum, ihr den Termin für einen Schiedstag in Forbach
oder (Ober)Homburg zu benennen, zu dem ihrer beider Unterhändler einander treffen
könnten (Nr. 27 vom 19. April). Noch am selben Tage ist auch ein Schreiben an Anton
von Vaudemont verfaßt worden (Nr. 28). Daraus erfahren wir, daß in der Zwischenzeit
dessen Bellis Gerhard von Pfaffenhofen bei Elisabeth gewesen ist. Doch scheint die Sa-
che dadurch nicht vorangekommen zu sein, da er ihr keine verbindliche Zusage machen
konnte. Eine solche sollte sie erst nach Gerhards Rückkehr zu Anton durch diesen selbst
erhalten, was aber offensichtlich nicht geschehen ist. Elisabeth hatte deshalb erneut die
Initiative ergriffen und ihren Diener Hannemann von Saarbrücken nach Joinville ge-
schickt, damit er mit Anton verhandele. Hannemann hatte aber nicht Anton selbst, son-
241
dem nur dessen Gattin angetroffen und mußte daher unverrichteter Dinge zurückkeh-
ren146.
2.3.3 Zweite Phase: Elisabeths vergebliche Reise nach Vézelise
Gerhards Fahrt nach Saarbrücken sowie Hannemanns Mission nach Joinville müssen zwi-
schen dem 12. Februar, dem Datum des bislang letzten Briefes von Anton (Nr. 15), und
dem 19. April, dem Tag als Elisabeth sowohl an die Herzogin von Bar-Lothringen als
auch an ihren Bruder geschrieben und diese Vorgänge rekapituliert hat, stattgefunden ha-
ben. Ebenfalls in diesem Zeitraum hatte sie sich ein weiteres Mal schriftlich an Gerhard
von Pfaffenhofen gewandt und ihn gebeten, nach Metz zu kommen. Dessen Antwort war
allerdings abschlägig, da er in Abwesenheit seines Herrn und ohne dessen Zustimmung
nichts unternehmen dürfe147. Das war für Elisabeth der Anlaß, erneut an ihren Bruder zu
schreiben und um ein persönliches Treffen mit ihm in Vézelise zu bitten (Nr. 28 vom 19.
April). Damit begann die zweite Phase ihrer Bemühungen um die Wiedererlangung der
Burg Groß-Varsberg.
Die Antwort Antons erfolgte nur wenige Tage später. Darin erklärt er sich zu einem sol-
chen Treffen in Vézelise bereit und schlug ihr den 7. Mai dafür vor (Nr. 29 vom 23 April).
Elisabeth begann unverzüglich mit den Reisevorbereitungen. Am 25. April schrieb sie
wiederum an Elisabeth von Bar-Lothringen, bat um einstweilige Aussetzung des verein-
barten Schiedstages, um das Ergebnis ihres Treffens mit Anton abzuwarten, sowie um
Geleit für den 6. Mai von Vic-sur-Seille bis Pulligny, d. h. bis zur Grenze des lothringi-
schen Gebietes kurz vor Vézelise (Nr. 30). Die Antwort der Herzogin ist günstig ausgefal-
len. Sie gewährte das erbetene Geleit, ermahnte Elisabeth aber zugleich, dafür zu sorgen,
daß Anton weitere Überfälle auf ihr Land von Varsberg aus unterbinde (Nr. 31 vom 27.
April).
Elisabeth machte sich rechtzeitig auf den Weg, um ihren Bruder in Vézelise zu treffen.
Als sie am 6. Mai Mörchingen (Morhange) erreicht hatte, fand sie dort ein Schreiben An-
tons vor, in dem er ihr mitteilte, den vereinbarten Termin nicht einhalten zu können (Nr.
32 vom 2. Mai). Er schlug ihr deshalb vor, die Zusammenkunft um acht Tage auf den 15.
Mai zu verschieben. Als Grund für die Verzögerung gab er an, in wichtigen Angelegenhei-
ten zum Herzog von Burgund reiten zu müssen, da er von diesem gerufen worden sei.
Den konkreten Anlaß erfahren wir weder aus diesem noch aus den späteren Briefen, doch
kann man davon ausgehen, daß ein Zusammenhang mit der vorübergehenden Entlassung
Renés von Anjou aus burgundischer Gefangenschaft, die am 30. April 1432, d. h. zwei
Tage vor Antons Brief erfolgt ist, bestand148. Die Begründung scheint daher glaubhaft zu
sein, denn es galt für ihn, nun auf die so veränderte Situation im Kampf um die lothringi-
sche Herzogswürde zu reagieren. Bei seinem Treffen mit dem Herzog von Burgund muß
146 Siehe Nr. 28.
147 Ebenda.
148 Siehe Mohr: Herzogtum Lothringen (wie Anm. 10), S. 75.
242
ihm allerdings endgültig klar geworden sein, daß dieser ihn in seinem Anliegen nicht wei-
ter unterstützen und an René als Herzog von Lothringen festhalten würde. Während seine
bisherigen Briefe sich vor allem durch gleichermaßen sachliche wie unverbindliche Kürze
ausgezeichnet haben, sind die nun folgenden durchweg von einer gewissen Bitterkeit ge-
prägt. Ob er tatsächlich nun um jeden Preis eine persönliche Begegnung mit seiner
Schwester vermeiden wollte, läßt sich nicht mit Sicherheit erweisen. Dadurch aber, daß er
in den nun folgenden Tagen und Wochen wie auch im darauf folgenden Jahr immer neue
Gründe fand bzw. Umstände hervorrief, die ein solches Zusammentreffen verhinderten,
spricht vieles für eine solche Annahme. Diese Verbitterung, die wohl daher rührte, daß
sich sein Versuch, Herzog von Lothringen zu werden, mehr und mehr als aussichtslos er-
wiesen hat, ist anscheinend auch von seiner Umgebung geteilt worden. Anders wäre nicht
zu verstehen, daß Antons Hauptmann auf dem besetzten Varsberg, der bereits erwähnte
Nicola de Vienne, am Schluß seines Briefes an Elisabeth den Segenswunsch mit dem
Vorwurf verbindet, die Gräfin habe sich für ihren Bruder nicht genügend eingesetzt149.
Elisabeth hat die Verzögerung der Reise umgehend der Herzogin von Bar-Lothringen
mitgeteilt und um eine Verschiebung des Geleits von Vic-sur-Seille nach Pulligny um acht
Tage gebeten (Nr. 34 vom 6. Mai). Bereits einen Tag später hat Elisabeth von Bar geant-
wortet und ihrer Bitte stattgegeben. Zugleich erging aber an Elisabeth erneut die Mah-
nung, für ein rasches Ende des Konfliktes zu sorgen und zwar vor Renés von Anjou in
Kürze zu erwartender Rückkehr aus der Gefangenschaft (Nr. 35). Noch am Tage ihrer
Ankunft in Mörchingen hat Elisabeth ebenfalls ihrem Bruder geschrieben. In ihrem Brief
hat sie die Verzögerung bedauert und betont, daß sie dadurch wegen anderer bereits ver-
abredeter Zusammenkünfte in Schwierigkeiten geraten könne. Schließlich blieb ihr aber
nichts anderes übrig, als sich mit Antons neuem Vorschlag einverstanden zu erklären und
sich darauf einzurichten, ihn nun am 15. Mai in Vézelise zutreffen (Nr. 33 vom 6. Mai).
Mit Schreiben vom 8. Mai hat Anton ihr den Termin noch einmal bestätigt und verspro-
chen, auf jeden Fall zu der Verabredung zu kommen (Nr. 36). Als Elisabeth am 15. Mai in
Vézelise eintraf, fand sie ihren Bruder entgegen seinen Versprechungen nicht vor. Auch
eine Nachricht hatte er anscheinend nicht hinterlassen, so daß sie sich nach einem Tag des
Wartens genötigt sah, ihm erneut zu schreiben und ihn aufzufordern, unverzüglich, aber
spätestens bis zum nächsten Montag (19. Mai) nach Vézelise zu kommen (Nr. 37. vom 16.
Mai). Darauf hat Anton bereits am folgenden Tag geantwortet und ihr mitgeteilt, gerade
erst vom Herzog von Burgund kommend in Joinville eingetroffen zu sein. Durch die
Strapazen, die er und sein Gefolge auf dieser Reise erlitten hätten, sehe er sich aber außer-
stande vor dem nächsten Donnerstag (22. Mai) nach Vézelise kommen zu können. Da er
aber auch das nicht garantieren könne, schlägt er vor, daß Elisabeth bis zum kommenden
Dienstag (20. Mai) nach Morley reisen solle. Er würde in das nur wenig davon entfernte
Montiers-sur-Saulx kommen, so daß sie sich treffen könnten (Nr. 38 vom 17. Mai). Elisa-
beths Antwort ist ihr letzter Brief an Anton in diesem Jahr. Wegen verschiedener Konflik-
te, die sie mit Personen der Region hat, und weil sie dringend zu den anderen bereits er-
149 U benoist fis de dieu vous ait en sa sainte garde, qui vous dont bonne vie et longe, mellour vollentiers d’aidier votre firere, que
n ’aveq. (wie Anm. 145).
243
wähnten Treffen eilen muß, sieht sie sich nicht in der Lage, nach Morley zu reisen. Sie
ermahnt ihren Bruder noch einmal dringend, bis zum nächsten Donnerstag doch noch
nach Vezelise zu kommen, und sie nicht der Schande auszusetzen, unverrichteter Dinge
zurückkehren zu müssen (Nr. 39 vom 19. Mai). Letzteres blieb ihr jedoch nicht erspart,
denn Anton ist nicht nach Vezelise gekommen. Elisabeth reiste daher nach acht Tagen
des Wartens ab, ohne daß es zu dem erhofften Treffen mit Anton gekommen wäre. Den
Rückweg nahm sie über Nancy in der Erwartung, dort ihre Cousine, die Herzogin von
Bar-Lothringen, sowie René von Anjou zu treffen. Die beiden waren aber gerade nach
Pont-ä-Mousson gereist, wohin sie ihnen nicht hat folgen können, da sie es sehr eilig hat-
te, an den Rhein zu kommen, um sich dort mit dem Erzbischof von Mainz und dem
Pfalzgrafen bei Rhein zu treffen. Daher konnte sie nur Hannemann von Saarbrücken
schicken, der den Herzog in Pont-ä-Mousson schließlich auch erreichte und mit ihm rede-
te150. René zeigte für die nachgiebige Haltung seiner Gattin in der Varsberg-Angelegenheit
kaum Verständnis. Im Ergebnis seines Gespräches mit Hannemann sandte er am 31. Mai
an Elisabeth einen sehr umfangreichen Brief, in dem er schwere Vorwürfe gegen sie er-
hob und äußerte, zu keinem Schiedstag bereit zu sein, solange Antons Leute die Burg
Varsberg besetzt hielten und von dort aus Überfälle auf sein Land unternähmen (Nr. 40).
Elisabeth war zunächst nicht in der Lage, auf Renés Vorwürfe zu reagieren, da ihre Amt-
leute, die sie dazu gebraucht hätte, gerade zu den bereits genannten Treffen an den Rhein
gereist waren. Daher hat sie den Empfang von Renés Schreiben am 4. Juni zunächst nur
bestätigt und ihn mit der Antwort vertröstet. Am 17. Juni muß sie ihre Berater indes wie-
der bei sich gehabt haben, da an diesem Tag ein Schreiben an René verfaßt worden ist, in
dem Elisabeth zu dessen Forderungen Stellung nimmt und dabei die bisherigen Ereignisse
sowie ihre Bemühungen, den Konflikt zu lösen, ausführlich rekapituliert. Als Beweis ihrer
Loyalität teilt sie dem Herzog mit, ihr Bruder und seine Leute hätten ihr angeboten, sie
wieder in ihre Anteile an der Burg einzusetzen, wenn sie bereit wäre, mit diesen einen ge-
meinsamen Burgfrieden zu schwören. Das habe sie jedoch von sich gewiesen. Sie bittet
René, anzuerkennen, daß sie keine Schuld an der Besetzung von Varsberg und den davon
ausgegangenen Schäden trägt, und ihr das schriftlich zu bestätigen (Nr. 42). Über Renés
Reaktionen ist nichts bekannt. Die erwünschte Entschuldigung scheint er jedenfalls nicht
erteüt zu haben, wie auch kein weiterer Brief von ihm vorliegt. Dennoch muß Elisabeth in
den nun folgenden Wochen weiter bemüht gewesen sein, einen Schiedstag mit Renés und
wohl auch Antons Leuten herbeizuführen. Am 24. August schrieb sie deswegen an Jo-
hann von Kriechingen (Nr. 44) und am 15. September ein letztes Mal René (Nr. 45), doch
scheint es nicht zu einem solchen Tag gekommen zu sein. Für den Rest des Jahres 1432
hat es anscheinend keinen weiteren Briefwechsel in der Varsberg-Angelegenheit gegeben.
2.3.4 Dritte Phase: Beginn der Verhandlungen mit Bischof Konrad von Metz
Im Januar 1433 hat Elisabeth den Kontakt zu ihrem Bruder wieder aufgenommen, da sei-
ne Leute von Varsberg aus nun auch der Grafschaft Saarbrücken Schaden zugefügt hat-
150 Siehe hier2u Nr. 40 (René an Elisabeth) und 42 (Elisabeth an René).
244
ten. Ihr Brief vom 25. des Monats beginnt mit ausgiebigen Höflichkeitsfloskeln, in denen
sie sich nach seinem und seiner Familie Befinden erkundigt sowie ihr eigenes und ihrer
Kinder Wohlbefinden zum Ausdruck bringt (Nr. 46). Dieses Schreiben ist dadurch einzig-
artig, nicht nur innerhalb des Briefwechsels mit Anton, sondern für die gesamte Varsberg-
Korrespondenz. Anscheinend war Elisabeth bemüht, sich auf diese Weise das Wohlwol-
len oder zumindest die Aufmerksamkeit ihres Bruders zu sichern. Der Begriff der capta-
tio benevolentiae ‘ trifft daher im vollen Wortsinn auf dieses Briefelement zu. Zu diesem
Schreiben war sie indes dadurch veranlaßt worden, daß Antons Leute von Varsberg aus
eine ihrer Geleitstraßen in der Nähe von Saarbrücken überfallen und dabei ediche Fuhr-
leute, für deren Geleit Elisabeth die Verantwortung hatte, ausgeraubt und gefangen ge-
nommen hatten. Aus einem Schreiben, das Elisabeth am 6. Januar an den Geleitsmann
Weither in Wallerfangen geschickt hat, geht hervor, daß der Überfall kurz zuvor bei
Spurck auf der Saarstraße, die von Straßburg über Saarbrücken nach Luxemburg führte,
erfolgt ist151. Für den Überfall macht sie namentlich Pierre de Clermont, Mondert de Lais-
sart sowie Johann von Kerpen verantwortlich, an die sie sich bereits gewandt und die
Rückgabe des Raubgutes verlangt habe, doch hätten diese es ihr ausgeschlagen. Daher
wendet sie sich nun an ihren Bruder und bittet ihn, für die Wiedergutmachung der Schä-
den zu sorgen, vergißt aber auch nicht, erneut von ihm die Herausgabe der Burg Groß-
Varsberg zu verlangen. Am gleichen Tag erging auch noch ein Schreiben an Johann von
Kerpen152. Darin wird er aufgefordert, sich als derjenige, der den Verlust ihrer Burg verur-
sacht hat, wiederum an Anton von Vaudémont zu wenden und von neuem dafür einzu-
treten, daß dieser ihr den Großen Varsberg zurückgibt. Von einer Beteiligung Johanns an
dem Überfall verlautet in diesem Brief allerdings nicht, so daß es eher fraglich erscheint,
daß er daran tatsächlich mitgewirkt hat. Mit Pierre de Clermont dagegen ist es zu einem
länger währenden Konflikt gekommen, dessen konkrete Umstände in den Briefen jedoch
nie genannt werden. Der Versuch, mit ihm zu einer Schlichtung zu gelangen, ist von nun
an stets Inhalt der Korrespondenz mit Anton. Anton von Vaudémont gab sich in seiner
wie immer knappen Antwort verwundert über diese Dinge (Nr. 48 vom 7. Februar). Von
dem Überfall wisse er nichts, wolle sich aber erkundigen. Ansonsten scheint er verbittert
gewesen zu sein. Hinsichtlich der Burg Varsberg äußert er sich dunkel, daß er schon wüß-
te, was er mit ihr machen würde, wenn er sie besäße, um sich anschließend darüber zu
beklagen, daß ihn seine Verwandten im Stich ließen, vor allem seine Schwester Margarete
von Blämont, die René von Anjou, seinem Feind, sogar Geld geliehen hätte. Wegen der
Rückgewinnung ihrer Burg scheint Elisabeth indes wieder etwas Hoffnung gefaßt zu ha-
ben, da sich zu Beginn des Jahres 1433 eine Verständigung zwischen ihrem Bruder und
René anzubahnen begann. In ihrem Brief vom 25. Januar hatte sie Anton darauf ange-
sprochen. Dieser wollte sich aber von Brüssel aus, wo er vor dem Herzog von Burgund
mit René zusammen getroffen war, seiner Schwester gegenüber nicht weiter äußern und
wiegelte ab (Nr. 48). Unter der Vermittlung oder wohl eher dem Druck des burgundi-
151 LA Saarbrücken Best. N-Sbr. II Nr. 3225, f. 29/30. - Zu den Geleitstraßen der Grafschaft Saarbrücken
siehe die in dem Beitrag von Herrmann in diesem Band S. 72, Anm. 133 angegebene Literatur.
152 Siehe Anm. Nr. 47.
245
sehen Herzogs ist es aber am 13. Februar zu einer prinzipiellen Übereinkunft zwischen
den beiden Rivalen gekommen, bei der Anton auf die lothringische Herzogswürde ver-
zichtet hat. Bestandteil der Einigung war auch die Verabredung der Ehe zwischen Renés
Tochter Yolande und Antons Sohn Friedrich. Der Ehevertrag hierzu ist noch im selben
Jahr, am 1. Juli 1433, geschlossen worden153. Die Heirat selbst fand aber erst 1444 statt154.
Elisabeth hatte sicher gehofft, aus der nun etwas entspannten politischen Situation in der
Region hinsichtlich der Rückgewinnung ihrer Burg Nutzen ziehen zu können. Anfang
April muß jedoch bekannt geworden sein, daß Varsberg an den Bischof von Metz über-
geben werden sollte. Aus einem Brief an Johann von Kriechingen vom 7. April geht her-
vor, daß sie die Gemeiner des Großen und des Kleinen Varsberg nach Saarbrücken zu-
sammengerufen hatte. Als Ergebnis ihrer Beratung ist der Entschluß gefaßt worden, daß
die Gemeiner gemeinsam mit einigen Leuten Elisabeths zum Bischof nach Nomeny reiten
sollten, um mit diesem über die Angelegenheit zu reden (Nr. 50). Damit begann nun die
vierte Phase in Elisabeths Bemühungen um Rückerhalt der Burg. Die Aussichten auf Er-
folg schienen recht günstig gewesen zu sein, da sich der Bischof zunächst wohlwollend
und freundlich äußerte. Georg von Rollingen hatte sie bereits am 27. Februar angeschrie-
ben und ihn aufgefordert, als Vermittler tätig zu werden (Nr. 49). Anfang April war er für
sie beim Metzer Bischof und brachte die Verhandlungen mit diesem in Gang155. Danach
scheint Elisabeth jedoch Schwierigkeiten gehabt zu haben, den vom Bischof für ein neues
Treffen vorgegebenen Termin einhalten zu können, und bat deswegen um einen neuen
(Nr. 51 vom 15. April). Bischof Konrad schlug daraufhin den 26. und 27. April vor (Nr.
52). Der Termin wurde von Elisabeth mit Schreiben vom 23. April bestätigt (Nr. 53). Die-
ser Brief an den Bischof enthält ein aufschlußreiches Detail. Nachdem er schon ver-
schlossen und besiegelt worden war, ist er wieder geöffnet und, wie es scheint, nur gering-
fügig überarbeitet worden. Dabei wurden die Worte des grossen vor der Bezeichnung Warß-
berges gestrichen, woraus zu entnehmen ist, daß Elisabeths Ansprüche gegenüber Bischof
Konrad sich nun auf beide Varsberg-Burgen bezogen haben. Der Bischof war also zu die-
sem Zeitpunkt auch in den Besitz des Kleinen Varsberges, den Johann von Kerpen bis-
lang als Lehen von der Grafschaft Saarbrücken besessen hat, gelangt.
Elisabeths Unterhändler sind anscheinend verabredungsgemäß am Morgen des 27. April
in Vic-sur-Seille gewesen. Zu dem Treffen kam es aber nicht, da sie und Bischof Konrad
einander verfehlten. Ob es sich dabei um ein zufälliges Mißverständnis gehandelt hat oder
ob Konrad dieses absichtlich provoziert hat, geht aus der Korrespondenz nicht eindeutig
hervor. Der Bischof behauptete jedenfalls, am besagten Montag noch bis zum Morge-
nimbiß gewartet zu haben und dann erst weggeritten zu sein, während von Elisabeth die
Ansicht vertreten wurde, daß Hans von Rittenhofen damals mit seinen Begleitern bereits
am Sonntag in Vic-sur-Seille eingetroffen wäre. Er habe versucht, noch an diesem Tag ei-
ne Begegnung herbeizuführen, dabei aber die Auskunft erhalten, daß der Bischof nicht
153 Siehe Mohr: Herzogtum lothringer (wie Antn. 10), S. 76.
154 Siehe Schwennicke, Detlef: Europäische Stammtafeln, Neue Folge, Band VI, Marburg 1978, Tafel 130.
155 Siehe Nr. 51 und 57.
246
anwesend sei und auch am nächsten Tag nicht zurück sein würde156. Am 7. Mai sind Eli-
sabeths Leute erneut mit Vertretern des Bischofs zusammengekommen. Ihnen wurde da-
bei ein Zettel übergeben, auf dem die Forderungen verzeichnet waren, die Konrad von
Metz für die Übergabe von Groß Varsberg erhoben hat157. Über Art und Höhe dieser
Forderungen erfahren wir zunächst überhaupt nichts, außer daß sie Elisabeth sehr schwer
erschienen sind158. Daher hat sie sofort an die Gemeiner der Burg geschickt und sie zu ei-
nem Treffen am 22. Mai nach Saarbrücken geladen (Nt- 55 vom 8. Mai) und dieses dem
Bischof mitgeteilt. Konrad von Metz war dieses Mal in seiner Antwort sehr ungehalten
(Nr. 57 vom 10. Mai). Offenbar hatte er ihr eine Frist bis zum 9. Mai gesetzt, innerhalb
derer sich Elisabeth verbindlich äußern sollte, ob sie seine Forderungen zu erfüllen bereit
sei. Da der Termin bereits verstrichen war, hat er ihr vorgeworfen, sie würde die Sache
absichtlich verzögern, was er aber keinesfalls hinnehmen wolle.
2.3.5 Vierte Phase: Wiederaufnahme des Briefwechsels mit Anton von Vaudemont
Dem Vorwurf des Bischofs ist Elisabeth dadurch begegnet, daß sie ihn darauf verwiesen
hat, zunächst das Ergebnis ihrer Beratung mit den Gemeinem abwarten zu müssen, das
am 22. Mai stattfinden sollte (Nr. 58 vom 12 Mai). Zudem hat sie in ihrer Antwort den
Gang ihrer bisherigen Verhandlungen mit ihm rekapituliert, um deutlich zu machen, daß
sie keinerlei Verzögerung derselben beabsichtigt hatte. Zu diesem Zeitpunkt muß Elisa-
beth jedoch bereits eingeschätzt haben, daß sie und die Gemeiner nicht in der Lage sein
würden, Konrads Forderungen zu erfüllen. Daher ist sie erneut an ihren Bruder herange-
treten und hat versucht, ihn dazu zu bewegen, sich für eine Rückgabe von Groß Varsberg
an sie einzusetzen. Aus ihrem Brief an den Bruder vom 15. Juni erfahren wir nun auch,
wie hoch die Forderungen des Metzer Bischofs an sie waren. Sie teilt ihrem Bruder darin
nämlich mit, erfahren zu haben, daß Konrad die Burg für zwölfhundert alte Gulden ge-
kauft habe, wovon fünfhundert an Anton, sechshundert an Wentzlin vom Turme und
einhundert an Pierre de Clermont gegangen seien (Nr. 59). Da der Bischof aber nur soviel
von Elisabeth forderte, wie er selbst für den Erwerb der Burg ausgegeben hatte,159 muß es
sich bei den zwölfhundert Gulden um die Summe handeln, die er nun von ihr verlangte.
Am Ende ihres ausführlichen Briefes äußert sich Elisabeth sehr enttäuscht darüber, daß
ihr Bruder es gewagt hat, die Burg tatsächlich in fremde Hände zu geben, und fordert ihn
auf, dafür zu sorgen, daß sie dieselbe zurückerhält. Antons Antwort ist ebenso knapp wie
hinhaltend. Seine reservierte Haltung kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß in der An-
rede das gewöhnliche treschiere et tresamee auf ein chiere et amee reduziert erscheint. Zur Zeit
sei er damit beschäftigt, die Verlobung seines Sohnes mit der Tochter des Herzogs von
Bar-Lothringen, die am 24. Juni stattfinden soll, vorzubereiten, und könne ihr deshalb
156 Nr. 57 (Bischof Konrad an Elisabeth) und Nr. 58 (Elisabeth an Bischof Konrad).
157 Siehe Nr. 54, 57 und 58.
158 ... vnd dune kt mich so liehe vert^eichnunge vaste smre sin vnd enkan aen bijwesen myner vorgenanten gemeyner vnd auch ett-
licher myme redte vndfrunde, die ichyt^e nit bij mir han, ny ml dar %ugeantwerten. - Nr. 54 vom 8. Mai.
159 Siehe Nr. 68 vom 14. August 1433.
247
hinsichtlich Varsberg-Angelegenheit nichts weiter erwidern. Statt dessen verweist er dar-
auf, daß sie ihre Unterhändler zu der besagten Verlobungsfeier schicken könne. Mit ihnen
würde er sich dann unterhalten. Da er aber nicht mitgeteilt hat, wo diese Feier stattfinden
sollte, war Elisabeth auch nicht in der Lage, Gesandte dorthin zu schicken, wie sie in ihrer
Antwort gegenüber Anton beklagte (Nr. 62 vom 26. Juni). Sogleich bat sie ihn noch ein-
mal, sich wegen Varsberg für sie einzusetzen. Darauf hat Anton seiner Schwester mitge-
teilt, die Burg Varsberg um Ostern herum in die Obhut des Wentzlin von Turme gestellt
zu haben. Dieser habe dieselbe aber gegen seinen Willen an den Bischof von Metz weiter-
gegeben. Dagegen habe er zwar protestiert, bislang jedoch noch nichts erreicht. Wenn die
Burg wieder in seiner Hand sein würde, sei er bereit, ihr mitzuteilen, was er damit vorhabe
(Nr. 63 vom 2. Juli). Da es ganz offensichtlich war, daß Anton die Burg an den Metzer Bi-
schof verkauft hatte, was er seiner Schwester gegenüber einerseits kaum leugnen konnte,
andererseits aber nicht bekennen wollte, hat er sich in der Argumentation gegenüber Eli-
sabeth nun mehr und mehr in Widersprüche verwickelt. Elisabeth fordert ihn nun erneut
und sehr eindringlich auf, für die Rückgabe der Burg zu sorgen. Dabei beklagt sie die
schweren Schäden wie auch die Vorwürfe und Verdächtigungen, die sie hat erleiden müs-
sen, appelliert dabei an seine geschwisterliche Liebe, Treue und Pflicht und setzt ihm
schließlich einen Termin für Restitution und Wiedergutmachung bis zum 22. Juli.
Zugleich erfahren wir aber aus diesem Brief, daß er zwar wegen der Händel zwischen
Elisabeth und Pierre de Clermont einen Schiedstag für den 22. Juli einberufen hat, ihr
dabei aber, wie schon einmal anläßlich der Verlobung seines Sohnes, den Ort nicht
genannt hatte, an dem dieser stattfinden sollte (Nr. 64 vom 8. Juli). In seiner Erwiderung
versucht Anton nun, alle Schuld von sich zu weisen, indem er behauptet, die Burg
Varsberg niemals gewaltsam an sich gebracht, sondern sie vielmehr gekauft zu haben.
Daß er sie verkauft hätte, würde nicht stimmen und wer dies behaupte, würde lügen.
Hinsichtlich ihrer Forderungen nach Wiedergutmachung, bei denen sie sich immer auf
ihre und ihrer Söhne Herren, Verwandte und Freunde berufen hätte, meint er, daß diese
sich selber an ihn wenden sollten. Er wolle ihnen angemessen und zu ihrer Zufriedenheit
antworten (Nr. 65 vom 13. Juli). Elisabeth hielt ihm nun entgegen, daß, selbst wenn er
nicht selber die Besetzung der Burg angeordnet habe, diese doch durch seine Diener und
Helfer geschehen sei, weswegen er dafür durchaus verantwortlich wäre (Nr. 66 vom 20.
Juli). Wegen der Forderungen, die sie gegen ihren Bruder erhoben hatte, betont sie aufs
neue, diese seien berechtigt und kämen zudem gleichermaßen von ihren Herren,
Verwandten und Freunden. Da er aber behauptet habe, Groß-Varsberg nicht verkauft zu
haben, bittet sie ihn erneut, gegenüber dem Bischof von Metz und den anderen
Beteiligten dafür zu sorgen, daß ihr die Burg zurückgegeben werde. Antons Antwort ist
ebenso kurz wie schockierend. Da Elisabeth nicht bereit sei, seinen Argumenten Glauben
zu schenken, fordert er sie auf, ihn in Zukunft nicht mehr mit Briefen zu belästigen, die er
ohnehin nur zerreißen würde (Nr. 67 vom 25. Juli). Resigniert scheint Elisabeth dem
entsprochen zu haben, denn weitere Schreiben zwischen den Geschwistern im Varsberg-
Konflikt sind nicht überliefert.
248
2.3.6 Fünfte Phase: Fortsetzung und Ende der Verhandlungen mit
Bischof Konrad von Metz
Auch nachdem Elisabeth den Briefkontakt mit ihrem Bruder wieder intensiviert hatte, war
es zu weiteren Verhandlungen mit dem Metzer Bischof gekommen. Dazu hatte sie ihn
persönlich in Vic-sur-Seille aufgesucht. Das Ergebnis dieses Treffens fiel wiederum sehr
ungünstig für Elisabeth aus, da der Bischof Konrad nicht von seinen Geldforderungen
abgewichen ist. Zudem hatte er verlangt, daß sie, wie sie sich in ihrem Schreiben vom 25.
Juni an ihn ausdrückt, das Erbe ihrer Kinder t^u leben ... machen sollte. Damit war wohl
gemeint, daß sie nach dem Rückkauf der Burg Groß-Varsberg diese dem Bischof von
Metz zu Lehen auftragen sollte, was sie ausdrücklich ablehnte (Nr. 61). Nachdem nun An-
ton den Kontakt zu ihr aufgekündigt hatte, sah Elisabeth sich genötigt, erneut auf den Bi-
schof von Metz zuzugehen. Ihr Schultheiß Hans von Rittenhofen war am 11. August in
St. Avold mit dem Bischof, der dabei wiederum auf seinen Forderungen beharrt hatte, zu-
sammengetroffen. Mit Schreiben vom 14. August bat Elisabeth ihn nun um eine erneute
Zusammenkunft ebenfalls in St. Avold, zu der sie auch die Gemeiner der Burg laden woll-
te (Nr. 68). Das Treffen Elisabeths mit Konrad von Metz fand am 5. September statt, oh-
ne daß die Gemeiner zugegen waren160. Die Zeit war wohl zu kurz, um diese zusammen
zu bekommen. Am Tag darauf ließ sie einen Brief an Johann zu Rodemachern, den wohl
wichtigsten Gemeiner von Groß-Varsberg, verfassen, indem sie ihn für den 20. Septem-
ber zu einem Treffen mit den anderen nach Saarbrücken geladen hat (Nr. 69). Der Ter-
min ist allerdings zwei Tage später noch einmal verändert und auf den 23. September ver-
legt worden (Nr. 70). Ob ein solches Treffen stattfand, ist nicht überliefert. Johann zu
Rodemachern hat jedenfalls nicht daran teilgenommen und sich mit einer Krankheit ent-
schuldigt (Nr. 71 vom 16. September). Danach weist die Korrespondenz eine Lücke auf,
denn aus dem nächstfolgenden Brief, einem Schreiben des Bischofs an Elisabeth vom 20.
November 1433, ist von weiteren Briefen, die zuvor gewechselt worden sind, die Rede,
die aber nicht erhalten sind. Konrad hatte im Falle einer Übergabe von Groß-Varsberg
Garanüen dafür verlangt, daß sie und ihre Gemeiner von dort aus zukünftig nichts mehr
gegen ihn unternehmen würden. Elisabeth war jedoch nicht bereit oder in der Lage, sol-
che Garanden zu geben, auf denen Bischof Konrad jedoch beharrte (Nr. 72 ). Elisabeth
hatte offenbar um ein Treffen am 8. Dezember in Vic-sur-Seille gebeten und die Gemei-
ner bereits dorthin geladen. Der Bischof muß aber den Ort der Versammlung, auf der es
nach seinem Willen zur endgültigen Klärung der Varsberg-Angelegenheit kommen sollte,
kurzfristig nach Metz verlegt haben161. Da Elisabeth die Gemeiner in der Kürze der Zeit
nicht mehr erreichen konnte, bat sie Konrad um Aufschub und verlangte zugleich einen
Schiedstag vor seinen Edelleuten (Nr.74). Dieser ließ den ursprünglich anberaumten Ter-
min am 8. Dezember verstreichen, ohne zu reagieren, worauf Elisabeth erneut um Ant-
wort bat und wiederum einen Schiedstag forderte (Nr. 75). In diesem Brief ist auch erst-
mals von einem Abriß der Burg die Rede, da Elisabeth darin die Hoffnung äußert, daß
160 Siehe Nr. 69 und 70 an Johann zu Rodemachern.
161 Siehe Nr. 73, 74 und 76.
249
dies nicht geschehe. Hierauf hat Konrad nun geantwortet und dabei betont, daß er die
Burg damals von Wentzlin vom Turme, dem Anton sie überantwortet hatte, erworben
hat, um weiteren Schaden von seinem Stift abzuwenden. Ihrem Wunsch nach Rücküber-
tragung habe er seitdem stets wohlwollend gegenübergestanden. Nun meint er aber, von
ihr hingehalten zu werden, auch dadurch, daß sie einen Schiedstag vor seinen Edelleuten
verlange, den er ablehnt. Er sei jedoch weiterhin bereit, ihr die Burg zu übergeben, wenn
sie seine Forderungen erfüllt und die verlangten Garantien leistet (Nr. 76 vom 10. De-
zember). Am 15. Dezember hat Elisabeth den Bischof noch einmal um einen Aufschub
für ein Treffen gebeten. Ihre Gemeiner hätten nun alle zugesagt, mit ihr zu einer Beratung
zusammen kommen zu wollen, die zu organisieren aber noch etwas Zeit bedürfe. Aller-
dings besteht sie erneut auf einem Schiedstag, dessen Entscheidung sie und die Gemeiner
bereit seien zu folgen( Nr. 78). Hiermit hört der Briefwechsel mit Bischof Konrad von
Metz auf. Eine Reaktion des Bischofs ist nicht bekannt. Elisabeth hat jedoch an ihrem
Anliegen weiter festgehalten und damit begonnen, ein Treffen mit den Gemeinem, das
am 17. Januar 1434 stattfinden sollte, vorzubereiten162. Ob es stattgefunden hat, ist nicht
bekannt. Das ursprüngliche Anliegen, über die Forderungen des Metzer Bischofs zu bera-
ten, war jedenfalls gegenstandslos geworden, da jener bereits vor dem 12. Januar be-
schlossen hatte, Varsberg an den Herzog von Bar-Lothringen zu übergeben. Elisabeth hat
sich an diesem Tag in einem Brief an ihre Cousine, die Herzogin von Bar-Lothringen ge-
wandt und betont, daß Groß-Varsberg ihr ohne eigenes Verschulden entrissen worden
sei. Sie habe in der Folgezeit alles daran gesetzt, weitere Schäden, die von dort ausgehen
könnten, zu verhindern und die Burg wiederzuerlangen. Daher bittet sie die Herzogin, die
Burg nicht abreißen zu lassen, sondern ihr zurückzugeben. Die Antwort der Herzogin
hierzu, die den Abschluß der Varsberg-Korrespondenz bildet, fällt ausgesprochen kurz
aus. Sie könne während der Abwesenheit ihres Gatten deswegen nichts unternehmen.
Wenn dieser wieder zurück sei, solle Elisabeth sich selbst an ihn wenden.
Was in der Folgezeit indes mit den beiden Burgen geschehen ist, ob und inwieweit sie tat-
sächlich abgerissen worden sind, geht aus dem vorliegenden Briefwechsel nicht hervor.
Hierzu können nur tiefergehende Untersuchungen unter Heranziehung weiterer archivali-
scher Quellen Aufklärung bringen.
2.4 Fazit: Die persönliche Rolle Elisabeths
Zum Abschluß dieser Überlegungen zur Varsberg-Korrespondenz der Gräfin Elisabeth
von Nassau-Saarbrücken gilt es nun noch, der bereits zu Anfang aufgeworfenen Frage,
welche persönliche Rolle Elisabeth bei den dargestellten Ereignissen gespielt hat bzw. ob
eine solche überhaupt erkennbar ist, nachzugehen. Es ist dies zugleich die Frage nach den
Spielräumen für politisches Handeln unter den Voraussetzungen weiblicher Regentschaft.
Diese erscheinen von vornherein eingeschränkt, da Elisabeth als Frau eine persönliche
und eigenständige Konfliktbewältigung mit kriegerischen Mitteln kaum möglich war, was
zugleich ihre Position bei Verhandlungen schwächen mußte. Zudem war sie bei der Be-
162 Siehe Nr. 79-81 und 83.
250
wältigung der inneren und äußeren Aufgaben ihrer Herrschaft auf Helfer mit einer ent-
sprechenden verwaltungstechnischen und juristischen Kompetenz angewiesen. Wenn in
den bisherigen Ausführungen davon die Rede war, daß Elisabeth etwas unternommen,
veranlaßt oder geschrieben hat, so muß man sich angesichts der Tatsache, daß bislang kei-
nerlei schriftliche Überlieferung von ihrer eigenen Hand gefunden worden ist, fragen,
welchen Anteil sie selbst an den skizzierten Vorgängen gehabt hat. Von den 84 Briefen
der vorliegenden Korrespondenz sind 50 in ihrem Namen verfaßt worden. Die meisten
dieser Schriftstücke sind Konzepte oder Abschriften. Sie weisen ebenso wie die einbehal-
tenen und überarbeiteten Ausfertigungen der Saarbrücker Kanzlei überwiegend nur zwei
verschiedene Handschriften auf, die auch auf anderen Schreiben beobachtet werden
konnten, die nicht in Elisabeths Namen ergangen sind. Daher ist auszuschließen, daß es
sich bei einer von ihnen um Elisabeths eigene Schriftzüge handelt. Daneben treten noch
drei weitere Handschriften auf, die jeweils nur auf einem Schreiben überliefert sind, und
zwar auf der einzigen deutschsprachigen Abschrift eines Briefes an ihren Bruder Anton
(Nr. 6) sowie auf zwei weiteren an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen163. Durch Ver-
gleich innerhalb des vorliegenden Corpus und auch durch das Heranziehen weiterer Ar-
chivalien ist es bislang nicht möglich gewesen, eine der Handschriften einer konkreten
Person zuzuordnen. Daher ist nicht bekannt, wer die Schreiber der Elisabeth-Briefe gewe-
sen sind - sie selber jedenfalls nicht.
Um Elisabeths Rolle im Varsberg-Konflikt und darüber hinaus als Regentin der Graf-
schaft Nassau-Saarbrücken greifbar zu machen, bleibt daher nur die Möglichkeit, von der
umgekehrten Seite her zu fragen, welchen Anteil die sie umgebenden Personen an den
Vorgängen hatten. In den Briefen ist des öfteren von den frunden oder heymelichen frunden,164
den amptluden, retten vnd frunden (Nr. 41) sowie mannen, retten vnd amptluden, von myner kinde
magen vnd frunden (Nr. 61) oder myner kinde hem, magen, frunde, mannen vnd retden (Nr. 74) die
Rede. So entsteht der Eindruck, daß sie von einer recht großen Anzahl an Beratern und
Helfern umgeben gewesen sein muß. Ob dieser Eindruck den tatsächlichen Verhältnissen
entsprochen hat, ist eher fraglich, denn namentlich treten neben den Gemeinem von
Varsberg nur ihr Amtmann Johann Faust von Diebach, genannt Knebel, der Schultheiß
von Saarbrücken Hans von Rittenhofen sowie ihr „Diener“ Hannemann von Saarbrücken
in Erscheinung165.
Von den dreien wird Johann Faust von Diebach am wenigsten erwähnt, einmal ganz zu
Anfang des Konfliktes, als es darum ging, sich gegenüber der Herzogin von Bar zu recht-
fertigen,166 sowie im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit Johann von Kerpen167.
Den Vertrag mit Johann hat allerdings Hans von Rittenhofen geschlossen, und er hat
163 Nr. 7 und 82.
164 Nr. 51 und 85.
165 Zu dem Elisabeth unterstüt2enden und beratenden Personenkreis vgl. den Aufsatz von Herrmann in
diesem Band S. 87-90 und seinen Exkurs S. 146-154.
166 Siehe Nr. 4, 5, 8,16.
167 Siehe Nr. 9 und 23.
251
auch die weitergehenden Auseinandersetzungen mit diesem geführt. Danach verschwand
er für eine Weile aus dem Blickfeld und tauchte innerhalb der Korrespondenz erst wieder
auf, als die Verhandlungen mit dem Bischof von Metz begonnen hatten. Hans von Rit-
tenhofen war wohl mehr im Nahbereich von Saarbrücken bzw. in den östlicheren Teilen
von Elisabeths Herrschaft tätig, obwohl anzunehmen ist, daß er sie auch auf ihrer Reise
nach Vezelise begleitet hat.
Mit Missionen an weiter entfernt gelegene Orte im Westen dagegen wurde mehrmals
Hannemann von Saarbrücken betraut. Er gehört zu denjenigen, die am 24. Januar 1432 an
Elisabeth von Bar geschrieben und Elisabeths und ihrer Amtleute Unschuld an der Beset-
zung von Varsberg durch Johann von Kerpen bezeugt haben (Nr. 4). Am 26. Januar oder
kurz darauf reiste er mit diesem und zwei weiteren Schreiben nach Nancy zu Elisabeth
von Bar, wo er bis zum 30. Januar eingetroffen sein muß. Von diesem Tage datiert näm-
lich die Antwort Elisabeths von Bar, die Hannemann wahrscheinlich wieder mitgegeben
worden ist (Nr. 8). Die beiden anderen Schreiben, die er nach Nancy gebracht hatte, wa-
ren ein Brief Elisabeths an die Herzogin von Bar, in dem Hannemann als Bote und Über-
bringer weiterer mündlicher Mitteilungen genannt wird (Nr. 7), sowie der Brief Hans’ von
Rittenhofen und Johanns Faust von Diebach, in welchen die beiden ihre Unschuld in der
Varsberg-Angelegenheit erklärten (Nr. 5). Wenige Wochen danach schickte Elisabeth ihn
nach Joinville, damit er mit ihrem Bruder verhandelte. Doch traf er Anton nicht an, son-
dern konnte nur mit seiner Gattin Marie d’Harcourt reden. Das berichtet Elisabeth in ih-
rem Brief vom 19. April 1432 an Anton (Nr. 28). Die Reise Hannemanns muß demzufol-
ge irgendwann zwischen dem 12. Februar und 19. April 1432 stattgefunden haben. Be-
trachtet man die Intervalle zwischen den Briefen, die von Joinville nach Saarbrücken und
umgekehrt gingen, erscheint es möglich, daß die Strecke einschließlich der Rückreise in
etwa einer Woche zu bewältigen war168. Auf keinen Fall ist Hannemann aber von seiner
vorherigen Fahrt nach Nancy direkt nach Joinville weitergereist. Wahrscheinlich ist er
Ende März, als deutlich geworden war, daß in Verhandlungen mit Johann von Kerpen
keine Lösung zu erreichen war, los geschickt worden. Der letzte Brief Elisabeths an Jo-
hann aus dem Jahre 1432 datiert vom 29. März (Nr. 25). Hannemanns Rückkehr ist dann
sicherlich der unmittelbare Anlaß gewesen, die Korrespondenz mit Anton wieder aufzu-
nehmen.
Die dritte Reise unternimmt Hannemann als Begleiter Elisabeths auf der Fahrt zu ihrem
Bruder nach Vezelise im Mai 1432. Nachdem sie vergeblich versucht hatten, mit Anton
zusammen zu kommen, haben sie und ihre Begleiter den Rückweg über Nancy genom-
men, um dort auf Elisabeth von Bar zu treffen. Diese hatte sich aber gerade nach Pont-ä-
Mousson begeben. Elisabeth konnte ihr nicht folgen, da sie in wichtigen Angelegenheiten,
über die aber nichts Konkretes verlautet, an den Rhein gerufen worden war. Sie hat sich
168 Beispielsweise wurde ein Brief Elisabeth aus Saarbrücken vom 15. Juni (Nr. 28) in Joinville am 18. Juni
beantwortet (Nr. 29). Das heißt, er ist zusammen mit dem Boten höchstens drei Tage unterwegs gewe-
sen. Die Antwort auf diesen erfolgt in Saarbrücken am 26. des Monats, so daß diesmal also bis zu acht
Tagen für den Transport benötigt worden sind (Nr. 32). Ein weiterer Brief wurde in Saarbrücken am 8.
Juli 1433 geschrieben (Nr. 36) und nach fünf Tagen, am 13. Juli, in Joinville beantwortet.
252
deshalb von Hannemann getrennt und diesen mit Briefen versehen nach Pont-ä-Mousson
geschickt, was aus einem Schreiben Renés von Anjou an Elisabeth vom 31. Mai 1432 (Nr.
40) und Elisabeths Antwort darauf vom 17. Juni hervorgeht (Nr. 42).
Ein letztes Mal trat Hannemann in der Varsberg-Angelegenheit in einem Brief Elisabeths
an Konrad von Metz vom 12. Mai 1433 zusammen mit Hans von Rittenhofen in Erschei-
nung, als es darum ging, mit dem Bischof und seinen Leuten um die Rückgabe von Vars-
berg zu verhandeln, was bekanndich nicht zu dem erhofften Ergebnis geführt hat (Nr.
58).
An wichtigen Entscheidungen waren Elisabeths Berater stets beteiligt. Ohne sie muß die
Gräfin gelegentlich recht hilflos gewesen sein. Unter anderem sah sie sich genödgt, die
Reise zu ihrem Bruder abzubrechen, weil ihre Begleiter, ohne die sie offenbar nicht hand-
lungsfähig war, zu Beratungen an den Rhein mußten169. Sie selbst ist allerdings nicht dort-
hin gereist, denn als der Brief von René von Anjou sie während dieser Zeit erreichte (Nr.
40), war sie nicht in der Lage, diesen sofort zu erwidern, da ihre Ratgeber sich nicht bei
ihr, sondern bei den Verhandlungen, die zuvor als Grund für den Abbruch der Reise zu
Anton vorgebracht worden waren, aufhielten170. Auch umgekehrt ist es vorgekommen,
daß sich Leute von außerhalb zunächst an die Amdeute gewandt haben. So hat Johann
von Kerpen sein Angebot, den Kleinen Varsberg als Pfand für den Großen Varsberg aus-
zuhändigen, nicht Elisabeth, sondern Hans von Rittenhofen unterbreitet, sowie seine Bit-
te um Aufschub ebenfalls an diesen gerichtet.
Daß Elisabeth aber eine gänzlich passive Rolle gespielt hätte, kann man ebenfalls nicht
sagen. Die Reise nach Vézelise wie auch die zweite Phase der Verhandlungen mit dem
Metzer Bischof, mit dem sie mehrmals selbst zusammengetroffen ist, können ihrer eige-
nen Initiative zugeschrieben werden. Auch der Briefwechsel mit Anton ist ihrerseits sehr
persönlich geführt geworden. Doch fällt auf, daß auch hierbei die Konvention niemals
verlassen worden ist. Da sich ihre Argumente gegenüber dem Bruder zudem recht bald
erschöpft haben, ist diesen Briefen aber auch eine gewisse Eintönigkeit eigen, die sich in
allen anderen Briefen ebenfalls bemerkbar macht. Anscheinend war man stets bemüht,
keinerlei Formfehler zu begehen, um auf diese Weise den Anspruch auf eine oder beide
der Burgen auch für die Zukunft aufrecht zu erhalten und nicht zu gefährden. So konnte
man in günstigeren Zeiten, spätestens wenn Elisabeths Söhne selbst zur Regierung gelangt
sein würden, darauf zurückkommen. Auch noch so eindringliche Forderungen, sei es ge-
genüber Anton, der Herzogin von Bar, dem Bischof von Metz oder den Gemeinem, wur-
den stets unter strikter Beachtung der Form und in vollendeter Höflichkeit vorgetragen.
Selbst die Briefe an Johann von Kerpen sind ausgesprochen sachlich formuliert.
Darauf, daß die Anzahl der Ratgeber und Helfer, die Elisabeth umgeben haben, nicht be-
sonders groß gewesen ist, deuten auch die Terminschwierigkeiten hin, denen sie häufig
ausgesetzt war. Am deutlichsten zeigt sich dies in einem Brief an Bischof Konrad von
169 Siehe Nr. 33, 37 und 39.
170 Siehe Nr. 41.
253
Metz (Nr. 53). Darin teilt sie dem Bischof mit, von den drei Personen, die sie gern zu ihm
gesandt hätte, nur einen, nämlich Hans von Rittenhofen, schicken zu können, da die bei-
den anderen verhindert seien. Weitere Leute, die ihr geeignet erschienen oder denen sie
vertrauen konnte, standen ihr anscheinend nicht zur Verfügung. Aus dem gleichen Grun-
de konnten mitunter auch Briefe nicht sofort umfassend beantwortet werden171.
Die Spielräume, die Elisabeth und ihren Ratgebern zu einer für sie positiven Lösung des
Varsberg-Konfliktes zur Verfügung gestanden haben, müssen äußerst begrenzt gewesen
sein. Am deutlichsten zeigt sich ihr Dilemma in einem der Briefe an ihren Bruder. Darin
appelliert sie an ihn, sich so zu verhalten, wie es einem treuen Bruder gegenüber seiner
treuen Schwester und deren kleinen Kindern, die aller ihrer Freunde, von denen er doch
der nächste sei, bedürfen, gebühre172. Als Witwe war sie sicherlich in der Lage, die Prob-
leme im Inneren ihrer Herrschaft mit Unterstützung der Amtleute zu bewältigen. Nach
außen aber bedurfte sie der Hilfe ihrer Verwandtschaft sowie der eigenen Lehnsherren,
wie sie es bereits in ihrem Witwenbrief an Herzog Karl von Lothringen zum Ausdruck
gebracht hatte (Nr. 1). Der Varsberg-Konflikt als ein Austragungsfeld des lothringischen
Erbfolgekrieges hat sie in Loyalitätskonflikte gebracht, denen sie nur mit einer strikten
Neutralitätspolitik begegnen konnte und wollte. Die einseitige Stellungnahme zugunsten
ihres Bruder, von der man bislang bei der Bewertung des Varsberg-Konfliktes immer aus-
gegangen ist, war für Elisabeth daher weder möglich noch beabsichtigt. Da aber ihre
Verwandten, die ihr bei der Wiedererlangung der Burg Groß-Varsberg hätten helfen kön-
nen, deren Verlust selbst verursacht hatten und im eigenen Interesse an einer für Elisa-
beth positiven Lösung letztlich nicht interessiert waren, ist es zu einer solchen positiven
Lösung auch nicht gekommen.
Edition der Briefe
Jürgen Herold, Michaela Küper, Christine Maillet
UND ANDERE
1429 Juli 6 1
Elisabeth an Karl von Lothringen. Sie teilt ihrem Onkel mit, daß ihr Ehemann (Philipp
I., Graf von Nassau-Saarbrücken) gestorben und sie daraufhin mit ihren Kindern am gest-
rigen Tag nach Saarbrücken gekommen ist. Sie bittet ihren Onkel, ihr Wittum in der Graf-
schaft Saarbrücken und ihre Morgengabe Burg Morley und die zu Saarbrücken gehörende
171 Siehe Nr. 41 (an René von Anjou) und Nr. 54 (an Konrad von Metz).
172 ... que ont besoing de tous leurs amis dont vous este:i le plus prochain. - Nr. 11 vom 8. Februar 1432.
254
Herrschaft Commercy zu schützen, um der Verwandtschaft willen und weil einer ihrer
Söhne einmal Vasall des Herzogs sein wird.
Konzept mit interlinearen Korrekturen. - HHStA Wiesbaden, 130 II, 111.
Hochgeborn(er) fürste, gnedig(er) lieber h(er)re vnd oheym, ich clagen uwer liebe myn
groß (2) vngemach, sweres liden vnd bedrubnisse anligendes bedrubnisse, daz mir myn (3)
lieber h(er)re vnd gemahel selig(er) gedechtenisse von v(er)henckenisse des almechtig(en)
Godes, (4) den is erbarm(en) vnd sin(er) seien ewenglich barmehertzig sin wolle, von do-
des wegen (5) abegegang(en) ist; vnd bin ich bit myn(en) kind(en) gest(er)n alher gheen
Sarbrucke(n) körnen, (6) daselbs vnd in de(m) lande dartzu gehörig ich mynen wiedem(en)
han; so ist daz (7) sloß Mourley(en) mit sin(er) zugehoru(n)ge myne morgengabe vnd ge-
höret die (8) hereschaff von Com(er)cey(en) zu der g(ra)ffeschaff von Sarbrucke(n). Gne-
dig(er) liebe(r) h(er)re vnd (9) oheym, da ruffen ich uwer heb liebe an, als ich dan(n)
meyn(en), daz ich wol zu dunde (10) habe vnd billich sij nast dem ich vnd myne kinder
uwer liebe von sibden vnd (11) auch '<>n des weg(en), daz myn(er) sune eyme uw(er)
man(n) sin wirdet, billich sij, vnd bieden (12) uwer liebe demüdenclich, bit uw(er)n amptl
mir vnd myn(en) kinden gnedig bijstendig, (13) beraden vnd beholffen zu sin, vnd uwer
hantt über vns vnd vns(er) lendichen (14) zu hald(en), vnd vns zu schirm(en) vnd zu
hiiden; vnd bit uw(er)n amptlud(en) zu (15) bestell(en) dun, daz sij vns von uw(er) liebe
weg(en) 'ns desglich(en) auch diihen. Vnd wolle (16) uw(er) hebe sich da inne also
gned(e)clich vnd gunstlich gheen mir vnd myn(en) (17) kind(en) bewisen, als ich uw(er)
liebe des vnd alles gud(en) gentzelich wol (18) gleube(n) vnd getruwen vnd als ich auch
hoffen, daz uw(er) hebe nast d(er) vorgeschr(iben) (19) stet g(er)ne dun solle, ku(n)nen ich
vnd myne kinde daz vmmer v(er)dien(en), daz (20) woll(en) wir willentlich vnd g(er)ne
dun, vnd beg(er)n des uw(er) gnedige fruntliche (21) v(er)schr(iben) antw(er)t bij diesem
boden. Uw(er) liebe gebiede mir alletzit. Gegeb(en) vnd(er) (22) myme inges(igel) vff mit-
woch(en) vor Sant Kfhani Kiliani dage anno d(o)m(ini) m cccc xxviiij.
Dem hochgeborn(en) furst(en), h(er)n Karle, Elisabeth von Lothring(en), wie-
h(er)tzog(en) zu (26) Lothring(en) vnd dewa von (24) Nassauwe vnd von
margg(ra)ffen, myme gnedigen (27) liebe(n) h(er)n Sarbrucken.
vnd ohemen.
verso:
abesehr(ift) a[Konze]pt Schreibens von frauen Elisabethen [gebjorner von Lottringen, wi-
tibe zu Naßau Sarbr(ucken), ahn herrn Carln, herzogen zu Lottringen, a(nn)o 1429. Be-
richtet, daß ihr geliepter herr vnd ehegemaal zu Naßau Sarbr(ucken) zeitlichen tods
verbliechen, vnd bittet ire oh(eim), sich irer vnd derer kinder als näher gesibter annemen
wolle.
(a - a) von jüngerer Hand.
(M. Küper)
255
1431 Januar 21
2
Elisabeth an Johann von Castel. Er war bei ihr gewesen, um sich wegen Varsberg zu be-
raten. Er hatte vor, seinen son und eydem dainne %u setzen. Bezüglich Varsberg sei ein Burgfrie-
den gemacht und gesiegelt. Sie bittet ihn, von denen von Bensdorf, die den burgfrieden hinder
yn haben, eine Abschrift zu besorgen und ihr zu bringen, damit sie sich mit ihren frunden
darüber beraten kann. Was ihr bezüglich des Burgfriedens als Vormund ihres Sohnes ge-
genüber Johann von Castel und seinem son oder eydem zu tun gebührt, das verpflichtet sie
sich zu tun.
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr. II, Nr. 3112, f. 7.
Elisabeth von Lotthr(ingen) etc.
Vnsern fruntlichen grüß zu vor. Lieber getruwer, als du ytze nehste zu Sarbrucken (3) mit
vns geredt haist von Warßbergs wegen, dine(n) son vnd eydem da jnne zu setzen (4) etc.,
da von han wir vns mit vns (er) n frunde(n) vnderredt vnd han v(er) standen, dz ein (5) burg-
friede von Warsbergs wegen gemacht vnd v(er)sigelt sij, der vßwise, wie dz (6) man soliche
insatzonge(n) dun vnd dz sloß auch mit and(er)n Sachen halden vnd vß (7) richten solle
vnd dz die von Benestorff den burgfrieden hinder yn haben. Her (8) vmb so wolies dich
bij die von Benestorff fuegen vnd dir eine abeschrifft da von (9) dun geben vnd mit der zu
vns geen Sarbrucken kom(m)en. So wollen wir vns (10) mit vns(er)n frunden dar kurtz dar
vff bedencken. Vnd wis vns dan(n) von vns(er)s sons vvege'n'1 (11) vnd burgfrieden halb ge-
bürt da jnne zu dün, da wollen wir willig jnne sin, (12) dan(n) was dir, dine(m) sone oder
eydem gedigen solde, da wolden wir vng(er)ne widersin oder (13) dar jn dragen, sonder dar-
zu dun, was wir guds konne(n). Gebe(n) vff sondag nach (14) Fabiani et Sebastiani anno
etc. xxx jux(ta) stilu(m) Meten(sem).
verso:
Abeschr(ift).
Johan(n)e von Castel etc.
(P. Kunkel)
1432 Januar 20, Saarbrücken 3
Elisabeth an Anton von Vaudemont.
Im oberen Teil ist der Brief stark beschädigt. Der Anfang fehlt ganz, wie auch die beiden
oberen Ecken des noch vorhandenen Fragments. Da der übrige Inhalt fast vollständig mit
dem von Elisabeths einzigem deutschsprachigen Brief an ihren Bruder übereinstimmt (Nr.
6), kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, daß auch der Anfang dieses
Briefes jenem entsprochen hat. Danach sind nur etwa die ersten vier Zeilen verloren ge-
gangen, in denen sie ihrem Bruder mitteilt, daß Johann von Kerpen zusammen mit anderen
von seiner Burg Klein-Varsberg aus ihr die Burg Groß-Varsberg, die ein Lehen der Graf-
schaft Saarbrücken ist, d. h. besetzt und sich angeeignet hat. Danach läßt sich aus den
Bruchstücken mit Hilfe des deutschen Briefes folgender Inhalt rekonstruieren:
Die Einnahme von Groß-Varsberg durch Johann von Kerpen geschah, obwohl sie mit die-
sem stets freundschaftlich verbunden gewesen und er ihr Lehnsmann ist. Darauf hat sie ih-
256
re Amtleute und Räte zu Johann und seinen Mitgesellen geschickt, um die Rückgabe der
Burg zu fordern. Diese haben aber geantwortet, daß die Besetzung der Burg in seinem, An-
tons, Auftrag geschehen und gegen Georg von Rollingen gerichtet gewesen sei. Daher solle
sie sich an ihren Bruder wenden, dessen Befehlen sie folgen würden. Ihr Sohn Johann, An-
tons Neffe also, ist aber Lehnsmann des Herzogs von Bar.
Von hier an ist der Text fast vollständig:
Da Johann noch minderjährig ist, hat sie an seiner Stelle die Lehen empfangen und die Ge-
lübde geleistet. Für Unheil an ihrem Lehnsherren, das von der Burg ausgeht, wird daher sie
verantwortlich gemacht. Ihr und ihren Kindern können schwerer Schaden und Erbverlust
entstehen, da man ihr und ihren Amtleuten vorwirft, daß Ganze wissentlich zugelassen zu
haben. Sie bittet Anton, daß er sich all der genannten Dinge annehme und möglichst rasch
die Anweisung treffe, daß ihre Kinder und Leute wieder in die Burg Varsberg eingesetzt
und daß die Burg mit all ihren Gütern, die sie darin besitzt, in ihre Hände zurückgegeben
werden. Sie wird dafür sorgen, daß in dem Krieg zwischen ihm, Anton, und dem Herzog
von Bar keine Kriegshändel und Schädigungen gegen ihn, seine Diener und seine Helfer
von jener Burg ausgehen. Sie wollte ihm auch bereits einige von ihren Amtleuten und Rä-
ten schicken, damit sie mit ihm deutlicher über die Dinge reden. Wegen der Pest, der Krie-
ge und Gefahren im Lande hat sie das aber nicht gut machen können. Statt dessen mag er
dem Inhalt ihres Briefes vertrauen und das Gesagte bedenken. Den Boten hat sie angewie-
sen, an ihrer Stelle über alles mit ihm zu reden, weshalb er diesem Glauben schenken soll.
Sie bittet ihn um eine freundliche Antwort, um sich danach richten zu können.
(3-6-)
Konzept oder Abschrift mit geringfügigen interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr. II, Nr. 3112, f. 10/1 (Rotel). c
[est] a my mes anffans (2) n(ie)n et amour et q(ue) le d(it) Jehan de [-
...-] (3) [-...-] j’ai et ap(ar)ceu j’ai enuoye pl[-](4) [cojmplices requérant
dep(ar) moy mes d(ites) anffans et p(er)soniers q(ue) zoutfes] (5) [-...-] rnes b(ie)ns
qu’e(n) ycelle auoie rendre et remettre en noz main[s] (6) elles req(ue)stes ilz
ont respondu disant quilz estoient vous s(er)ua[ns] (7) [v]ous (et) v(ost)re nom sur
Joerge de Rauille (et) q(ue) se j’en veule fai(r)e este q(ue) je [-...-] (8) q(ue) ve(us)
leur en ordonneriez a faire. Car est il ainsi, t(re)schier et t(re)same fr(er)e, q(ue) aucun
dapmaige ne (9) ay f(ai)te a vous ne a vous s(er)uans (et) aidans jssant de la
d(i)te Warnespe(r)g au conte ne rentrent en jcelle (10) [—] tenem(en)t est a entendre,
q(ue) vous ne le d(it) de Kerppen ne ses complices n’auez cause ne coulour raisonable
d’auoir (11) [-...-] tenir ycelle fourt(er)esse. Et auec ce pouez ass[ez] sauoir, q(ue) Jehan
mon filz v(ost)re nepueulz doit estre hom(m)e de mons(eigneur) (12) [de] Bar (et) q(ue) je
pour ce qu’il est menre d’aige ay repris dep(ar) lui dev(ant) mon d(it) s(eigneur) de Bar
le(ur)s fiedz qu’il doit auoir et tenir de (13) lui (et) l’en ay fait foy et fealtey. Et en fuix tel-
lement a luj temte, q(ue) m(u)lt(e) jnd[i]chne et desrasonnable chose seroit q(ue) au-
cune g[—] (14) ou dapmaige ly f]/ ]t tulssl'nt f(ai)te jssant de noz fourt(er)esses ne rentrent
en jcelles. Et q(ue) se descourrer le pouoye ne me seroit (15) a souffrir. Car my et mes anf-
fans en poltrens auoir (et) obtenir t(re)sgros et griefs dapmaiges et desheritance. Ce (16)
non obstant veult en co(mm)e de jour en jour Ln fuix panr vray jnformey donner et baillier
257
charge a my (et) a mes offïci[ers] (17) disant q(ue) le d(it) de Kerppen (et) ses d(its) compli-
ces soient p(ar) le grey, voulentey (et) consentem(en)t de my (et) de mes dis officiers
po(ur) v[ous] (18) b(ie)n mys et laissie dedens la d(i)te fourt(er)esse. Laquell chose me poy-
se (et) touche a mon deshon(n)eur. Et pour ce, t(re)sch(ie)r et t(re)sam[e] (19) fr(er)e, q(ue)
j’ay leale esp(er)ance, bonne creance, p(ar)faite fiance (et) enti(er)e asseurance a vous,
q(ue) en tous estas volriez le b(oi)n hon(n)eu[r] (20) et p(ro)ffït de my (et) mes anffans (et)
qu’il vous poiseroit et desplairoit q(ue) p(ar) vous s(er)uans (et) aidans aucu(n)e chose fust
f[aite], (21) par quoy my (et) mes dis anffans dehussiens auoir deshon(n)eur (et) obtenir
gros(ses) (et) griefs dopmaiges et desheri[tance]. (22) Et q(ue) la di(t)e p(ri)se de la di(t)e
fourt(er)esse ait este f(ai)te sens v(ost)re sceu, ordon(n)ance et com(m)andement et q(ue)
se aut(re)s ehussien[t] p[—] (23)gaingnie l’eritaige de mes anffans et mon doiraire (et) s’il en
vouloient f(air)e guerre a noz seign(eur)s a qui noz som[mes] hom(m)e (24) (et) noz ainsy
baillier [char]ge a nfostjïe deshon(n)eur (et) desheritance qu’il vous desplairoit . (Et) q(ue)
ad ce volriez résister (et) (25) remedies a v(ost)re p[uis]ance pour no(us) garder n(ost)te
b(oi)n hon(n)eur (et) p(ro)ffit vous p(ri)e t(re)sadmiablement requérant doucem[ent] (26)
(et) le plus g(ra)cieusem(en)t q(ue) je puix sur la foy et amour, q(ue) boin fr(er)es (et)
bon(n)e suer doient auoir ensamble desireuse très (27) adc(er)tes, q(ue) toutes les choses
dess(us) di(t)es et ch[—]e d’icelle vous plaisent bon(n)em(en)t (et) lealment ad a auiseir (et)
q(ue) hastiuem(en)t (28) veulliez ordon(n)er, q(ue) my, mes anffans (et) noz p(er)soniers
soiens jncontin(en)t sens delay remyse remis en n(ost)te di(t)e fourt(er)esse (29) Warnesperg
au Conte (et) q(ue) jcelle n(ost)re fort(er)esse ensemble mes b(ie)ns, qu’en jcelle auoie
ne(us) soient rendus et remis en (30) noz mains, co(mm)e sauez (et) entendez asses q(ue)
raison est (et) fa(i)re le debuez considéré toutes les choses dess(us) di(t)es (et) aut(re)s [—].
(31) Et en ce faisant pour vous faire plaisir ordon(n)eray, q(ue) ceste guerre durant, q(ue)
p(rese)ntem(en)t aues a mon d(it) seign(eur) de Bar, aucu(n)e (32) guerre ne dopmaige ne
seront fait a vous voz s(er)uans aidans ne aux v(ost)rez jssant ne rentrant en jcelle. Et se de
ce (33) faire estiez refusant ou ly deffaut ou delay y auoit moy (et) mes dis anffans auriens
g(ra)nt charge a n(ost)te deshon(n)eur (34) t(re)sgres (et) griefs dopmaiges et desheri-
tance. Laquelle chose ne debuirez vouloir (35) [-...-] [—]oit de laissier l’eritaige de mes anf-
fans (et) mon doiraire en cell(e)e manie(re). Et que (36) se je y pouoye reue[—] [—Jssitey
my constrain deroit. Et ay b(ie)n la fiance a vous qu’il ne vous dehust desplaire et (37)
q(ue) en ce m’aueriez po(ur) excusee. Car en toutes aut(re)s choses q(ue) bon(n)em(en)t
(et) par hon(n)eur polroye vous vouldroye fai(r)e (38) amour (et) plaisir. T(re)schier et
t(re)same fr(er)e, j’ehusse enuoye deu(er) vous aucu(n)s de mes officiers (et) conceill(er)es
pour plus plainem(en)t (39) de ceste mad(er)e p(ar)ler a vous. Maix pour les pestilences
guerrez et perilz q(ue) p(rese)ntem(en)t sont au payx [ne] la bon(n)em(en)t peu fai(r)e (40)
(et) pour ce vous p(ri)e q(ue) ces p(rese)ntes mez l(ett)rez veuilliez prendre a grey (et) con-
sidérer tout(es) les chos(es) dess(us) d(i)tes (et) les gros et (41) griefs dopmaiges (et) deshe-
ritance, q(ue) my et mes anffans en polriens auoir (et) recepuoir et aut(re)s chose q(ue) en
pouroient (42) mouuoir. Et q(ue) en ce vous plaise a fai(r)e si bon(n)em(en)t lealm(en)t (et)
deuem-fenyt dehuem(en)t deu(ers) my (et) mes anffans, com(m)e sauez, (43) q(ue) a raison
app(ar)tient (et) co(mm)e vng boin (et) leal fr(er)e doit (et) est tenus a fai(r)e deu(ers) sa
bonne (et) leale suer (et) ses petis anffans et (44) com(m)e voulont(ier)s (et) de boin cuer
258
boin cuer pour ve(us) fai(r)e voulroye en touts estas a my possibles (et) en ce faisant vous
me f(ait)es (et) (45) demonstrerez foy lealtey (et) amour, q(ue) fr(er)es (et) suers se debuent
demontstrer auec ce q(ue) debuez (et) je le dess(er)uiray (46) enu(ers) vous en toutes les
manie(re)s, q(ue) bon(n)ement polray. Treschier et t(re)same fr(er)e, j’ay ordon(n)ey au
pourteur de ceste d[—] (47) vous dire aucu(n)e chose de part moy touchant ceste mati(er)e.
Sy vous prie de jouster foy ad ce q(ue) pour ceste foix vous (48) en dirait depar my en my
resc(ri)pnant surs sur toutes ces choses v(ost)re boin plaisir auec saucu(n)e chose vous
plait, q(ue) (49) bon(n)em(en)t puisse (et) je l’ascompliray de boin cuer, a l’aide de nfostjre
s(eigneur), qui vous t(re)schier (et) t(re)same fr(er)e ait en sa s(ain)te garde (et) (50) vous
doint bon(n)e vie (et) longue. Esc(ri)pt a Sarrebruche le xxe jour de ja(n)uier l’an
mil iiijc(tn)t (et) xxxj°.
Y(ost)re suer Jsabel de Lorrain(n)e etc.
verso:
■amyn [—] van Wydemo(n)t
van Barsbeges wegen.a^
.a
)
A mon t(re)schier et t(re)same f(re)re ^e[t seigneur Anthoinne]
de Lorrain(n)e, conte de Vaud[emont].b^
(J. Herold)
(a - a) von späterer Hand.
(b - b) Ein Teil der Anschrift ist durch Beschneiden des Bogens verloren gegangen.
1432 Januar 24 4
Philipp von Daun, Johann von Kriechingen, Georg von Rollingen, Johann von Ha-
gen, Johann von Oberstein, Hesse und Gerhard von Esche, Johann von Wolffstein,
Johann von Ennebach, Gerhard Kerne von Siersberg, Philipp von Nassau und
Hannemann von Saarbrücken an Elisabeth von Bar-Lothringen. Elisabeth sowie Jo-
hann Faust von Diebach und Hans von Rittenhofen sind heute vor ihnen erschienen und
haben bij den eyden ihre jeweilige Unschuld an den Vorkommnissen um Burg Varsberg, die
Elisabeth und den anderen Gemeinem durch Johann von Kerpen abgenommen wurde, be-
teuert, Zur Bestätigung der Entschuldigungen haben Philipp von Daun und die anderen
Anwesenden diesen Brief besiegelt.
Abschrift. Sie befindet sich zusammen mit der Abschrift Nr. 5 auf einem Bogen, der rück-
seitig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr. II Nr. 3112, f. 22/la (Rotel).
Der hochgeborne(n) furstynne(n), frauwen Elisabeth, hertzogynne(n) zu Bar vnd zu
Lothringe(n), hertzogynne(n) vnd margg(ra)ffynne, (2) margg(ra)ffynne zu Pontemous und
g(ra)ffyne zu Guise, vnser gnedigen lieben frauwen, enbieden ich, Phillips von (3) Düne,
h(er)re zum Obirnsteyne, Johan h(er)re zu Crichingen, Jorge von Ruldingen, h(er)re zu
259
Siebenborn vnd zu Dage (4) stul, Johan vom Hagen, h(er)re zur Motten, Johan vom O-
birnsteyne, amptma(nn) zu Sant Wendelin, Hesse vnd Gerhard (5) von Esche, Johan von
Wolffestein, johan von Ernnebach, genant Mulenstein, Gerhard Kerne von Sirsberg, (6)
Phillips von Nassauwe vnd Ha(n)neman von Sarbrucken vnser vnderde(n)nige, willige,
schuldige dinste vnd (7) beg(er)n uw(er)n gnaden zu wissen, daz wir vff hude, datu(m) dis
briffs, zu Sarbrucken gehört han vnd da bij (8) geweste sind, daz die wolgeborne frauwe
Elisabeth von Lothringen, g(ra)ffyne witwe zu Nassauwe vnd zu (9) Sarbrucken, gesagt
vnd gebriffen hait, bij den truwen vnd hulden, die sij vns(er)m gnedigen h(er)n von Bar
(10) und von Lothringen getan hait vnd bij yren frauwenlichen eren vnd wirden als Johan
von Kerppen ir vnd (11) and(e)r yre(r) vnd yre gemeynern daz slosse Warsberg abe gelauf-
fen vnd ingenom(m)en hant, das das aen yren (12) wissen, willen vnd verhencknisse ge-
scheen vnd daz is jr auch getruwelich leit sii. So hant Johan Fust (13) von Dieppach genant
Knebel, amptman(n), vnd Hans von Ritenhofen, scholth(esse) zu Sarbrucken da selbs
auch (14) vor vns gesagt vnd begriffen bij den eyden, die sij der obg(enanten) frauwen Eli-
sabeth, g(ra)ffvne(n) zu Nassauwe (15) vnd zu Sarbrucken getan vnd zu Got vnd den heili-
gen gesworn hant, daz die vorges(chribene) geschieht auch (16) aen y yren wissen, willen
vnd verhencknisse getan(n) vnd daz sij yn auch getruwelich leit sij vnd spreche(n) (17) wir
alle vorges(chriben) vff vnser eyde, das ^ *** die vorges(chriben) entschuldongen vor vns
vnd and(er)n getan(n) vnd gescheen (18) sint in masse vorgechriben ist. Des zu vrekunde
han ich, Phillips von Düne, h(er)re zum Obirnsteyne, (19) Johan h(er)re zu Criechingen,
Johan vom Obirnsteyne vnd Hesse von Esche vnser iglicher sin ingesigel (20) der wir
and(er)n vns zu diser zit mit yn gebruchen an disen vffen briff gedruckt, die vor-
ges(chriben) Sachen (21) zu besagen. Geben vff donrestag vor Sant Pauli dage Conu(er)sio
anno d(o)m(ini) m ccc xxxij°.
(Ch. Maillet)
1432 Januar 25 5
Johann Faust von Diebach und Hans von Rittenhofen an Elisabeth von Bar-
Lothringen. Elisabeth von Nassau-Saarbrücken sendet der Herzogin wegen Burg Vars-
berg einen Brief, in dem sie sich für die dortigen Vorkommnisse entschuldigt - diese seien
ohne ihr Wissen und ihren Willen geschehen. Johann Faust von Dieppach und Hans von
Rittenhofen beeiden ihrerseits ihre Unschuld an dieser Sache und bitten Elisabeth von Bar-
Lothringen, schriftlich zu bestätigen, daß sie diesen Versicherungen glaubt.
Abschrift. Sie befindet sich zusammen mit der Abschrift Nr. 4 auf einem Bogen, der rück-
seitig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr II, Nr. 3112, f. 22/1 b (Rotel).
Der hochgebornen furstynne(n), frauwen Elisabeth, hertzogynne(n) zu Bar vnd zu
Lothringe(n) vnd marg (2) g(ra)ffynen, margg(ra)ffynnen zu Pontemousson vnd graffyn-
ne(n) zu Guise, vnser gnedigen heben frauwen, (3) enbieten ich, Johan Fust von Dieppach,
genant Knebel, amptman, vnd Hans von Ritenhofen, scholt(hesse) (4) zu Sarbrucken,
vnser vndertenige, gehorsam vnd willige dinste vnd beg(er)n uw(er)n gnaden zu wissen,
dz (5) die wolgeborne frauwe Elisabeth von Lothringe(n), g(ra)ffyne witwa zu Nassauwe
vnd zu Sarbrucken, (6) vns(er) gnedige, Hebe frauwe, uw(er)n gnaden von den Sachen we-
260
gen daz sloß Warsberg antreffende schribet (7) vnd sich da jnne entschuldiget, daz soliche
geschichte aen yren willen odir wissen gescheen sij jn (8) massen die briefe dauon uß wi-
sent vnd wir zwene obg(enante) auch als wir versteen jn besonderheit (9) jn den Sachen
verdacht werdent da sprechen wir vnd nement is uff die eyede, die wir vns(er)
obg(enanten) (10) gnedigen frauwen von Nassauwe vnd allen and (er) n vns(er)n h(er)n zu
got vnd den heiligen getan vnd (11) gesworn hant vnd als hohe wir daz nemen sollen vnd
mogent, daz soliche geschichte als ytze von (12) Warßberge wegen ergangen sint aen
vns(er)n wissen, willen vnd verhencknisse gescheen vnd vns (13) getruwelich leit sint vnd
bident uwer gnade demudenclich vnd vnderde(n)nenclich, vns jn den Sachen (14) vor
vnschuldig zu haben. Daz wollen wir v(m)mer wo wir können odir mögen geen uw(er)n
gnaden (15) willenclich g(er)ne verdienen vnd beg(er)n dez uwer gnaden gnedige
verschroben) antwert vnd hant des (16) zu vrckunde vnser jclicher sin jngesigel zu ende
dieser schrifft gedruckt, die geben wart uff (17) Sant Pauli dag C(on)v(er)sio anno etc.
xxxj° jux(ta) stilu(m) Metens(em).
(Ch. Maillet)
1432 Januar 26, Saarbrücken 6
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie berichtet ihm, daß Johann von Kerpen, der ihr
als Lehnsmann verpflichtet ist, von seiner Burg Klein-Varsberg aus ihre Burg Groß-
Varsberg eingenommen hat, ohne daß sie ihm einen feindlichen Anlaß dafür gegeben hatte
und obwohl er ihr Lehnsmann ist. Sie hat daraufhin ihre Amtmänner zu Johann und seinen
Gesellen geschickt sowie einen Brief an diesen geschrieben, um ihr Gut und ihr darin be-
findliches Eigentum zurückzufordern. Jene haben ihr geantwortet, sie hätten die Burg um
Antons willen Georg von Rollingen abgenommen. Wegen ihrer Forderungen solle sie sich
doch an ihren Bruder wenden, dessen Bescheid in dieser Sache sie - ihre Gegner - befolgen
würden. Aber weder Anton noch Johann von Kerpen und seine Gesellen haben einen red-
lichen Anspruch auf ihre Burg. Sie bittet ihren Bruder, ihr die Burg zurückzuerstatten, da
sie diese als Lehen für ihren Sohn Johann, einen Gefolgsmann des Herzogs von Bar-
Lothringen, von diesem erhalten hat und ihm dafür verpflichtet ist. Sie kann es daher nicht
hinnehmen, daß ihrem Herrn von der Burg aus Schaden zugefügt wird. Obwohl ihr und ih-
ren Kindern durch die Sache großes Unheil droht, sind sie und ihre Amtleute in den Ver-
dacht geraten, es sei mit ihrer Duldung geschehen. Anton möge die Angelegenheit daher
sorgfältig bedenken, denn sie könne nicht zulassen, daß ihr ihr Witwengut und das Erbe ih-
rer Kinder auf diese Weise genommen werde und damit sowohl ein Schaden für ihr Land
als auch eine Verletzung ihrer Ehre entstünde. Zudem sei sie ihm gegenüber ja auch immer
gehorsam gewesen und ihm sei nie Böses von ihrer Burg aus geschehen, was auch in Zu-
kunft so bleiben solle. Sie hätte gerne ihre Räte persönlich zu ihm geschickt, kann sie aber
wegen Krieg im Land derzeit nicht entbehren. Sie bittet ihn daher, dem Brief wie auch dem
Boten zu glauben und sich als treuer Bruder zu erweisen, indem er ihr helfe.
(3-6-11-)
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 4.
Wolgeborner lieber bruder. Jch enbieden uch mynen früntlichen gras
dinst vn(n)d begerne
261
uch zcu wißen, das Johan (2) von Kerppen vn(n)d ettüe(n) ander(er)n ußer eyme sloße,
genant das Kleyne Warßberg, vn(n)d widdir dar jnn(en), das doch von (3) der grafschaff
von Sarbrucken leheen ruret, mir, mynen kinden vn(n)d vnsern(er) gemeynern(er) vnser
sloß, genant (4) Grafenwarßb(er)g, nahee bij dem vorgeschr(iben) Kleynen Warßb(er)ge
gelegen, abegelaufen vn(n)d an gewonnen hant. Bynnen (5) des das ich vn(n)d myne kinde
nit anders dan gut vn(n)d fruntschaff mit yn wisten zcu dunde haben vn(n)d daz (6) der
eg(ena)nte Johan von Kerppen vns von manschaff wegen verbuntlich ist, vn(n)d als ich
solichir geschiechte gewaere (7) bin worden, han ich myne amptlude vn(n)d rede zcu den
eg(ena)nten von Kerppen vn(n)d sinen middegesellen geschickt vn(n)d (8) das vor-
geschoben) sloß vn(n)d mir myn gut, das ich da jnne hatte, widder (9) zcu vnsern handen
zcu stellen, gütlich vn(n)d fruntlich gefordert. Des glichen ich auch eyne forderungen mit
schriffte (10) an den eg(ena)nt(en) von Kerppen getan han. Vff soliche bede forderungen
sij geantwort hant, sij sin uwere helffere vn(n)d dienere (11) vn(n)d haben vnser vor-
geschoben) sloß von uw(er)n wegen vff Jeorgen von Ruldingen gewonnen. Vn(n)d sij
mir dauon forderu(n)gen (12) noit, so möge ich myne forderunge an uch dun, vn(n)d wes
ir sie dan dar jnne zcu dunde bescheident, des wellent sij (13) gehorsam sin. Wolgeborner
lieber bruder, nuw ist uch, uwern helffern noch den uwer(er)n kein schade gethan noch
zcu (14) gefuget vn(n)d sint auch nit gekrieget worden vß vns(er)me vorgeschr(iben) sloße
Grafenwarsb(er)g noch dar jn, vn(n)d darum(m)b (15) ist wol zcu verstan, das ir noch die
vorgeschr(iben) von Kerppen vn(n)d sine myddegesellen - die is sagen, von uwern(er) we-
gen (16) getan han - keyne reddeliche Sache zcu demselben vns(er)me sloße hant. So mo-
gent ir auch wol wißen, wie Johan, myn (17) son, myns gnedigen h(er)ren von Baer man
sin sal vn(n)d das ich von synen wegen syne leheen vm(m)b mynen obg(ena)nten (18) gne-
digen h(er)ren entphangen vnd yme dauon glebede, truwe vn(n)d huldunge, als sich das
gebürt, gethan han vn(n)d (19) synen gnaden deshalp also verbunden bin, das er gar vnbil-
lich vß vnsern(er) sloßen odir dar jn gekrieget worde, (20) vn(n)d das mir is auch, als serre
ich is gewenden mochte, nit zcu liden stunde. Vnd mochte auch mir vn(n)d mynen (21)
kinden großen verderplichen schaden vn(n)d enterbeniße dauon entstaen, so werden auch
ich vn(n)d myne ampdude, (22) als mir alientag mit warheit vorkom(m)et, swerlich be-
dacht, der vorg(ena)nt(en) von Kerppen vn(n)d sine mydde gesellen sten (23) mit
vns(er)me wißen odir willen uch zcu staden mit vorteil jn das vorgeschr(iben) vnser sloß
körnen. Solichs mich vnd (24) myne amptlude swerlich belastet vn(n)d an vnsern(er) eren
beruret. Wolgeborner lieber bruder, wann(en) ich nuw (25) eynen guden glauben, ganze
getruwen, hoffen vn(n)d zcuversiecht zcu uch han, das ir myn vnd myner kinde (26) ere,
nüze vn(n)d bestes gerne seheen vn(n)d werben woldent, vnd das uch swere vnd nit lieb
were, das wir (27) das wir uw(er)n vn(n)d uwer(n) helffere vn(n)d diener halp an vnsern e-
ren belastet vnd verderplich vnd enterplich (28) werden solten vn(n)d daz auch die vor-
geschr(iben) gesc]1iec]lt;e aen uw(er)n wißen vnd bescheit zcu gangen vn(n)d gesehen sij,
vn(n)d (29) hette yemans and(er)s mynen kinden ir erbe vn(n)d mir mynen wiedemon an-
gewonnen vnd vnser h(er)ren, der man wir (30) sin, daruß kriegen vn(n)d vns also an vnse-
re erbe vn(n)d gelimph beruren wolde, das ir dan mit aller uwer v(er)moge (31) dar widdir
sin vn(n)d vns widder zcu vns(er)me erbe vn(n)d wiedemen helffen vnd vns vns(ere) ere
vnd gelimph bewaren solden, (32) bidten vn(n)d ermanen ich uch bruderlichir liebe vn(n)d
262
truwe, so ich gutlicheste vnd dogentlicheste mag, vnd beg(er)n (33) vnd fordern (er) da
mydde mit ernste fruntlich an uch, alle vorgeschr(iben) Sachen getruwelich vnd brüderlich
zcübedencken (34) vn(n)d forderlich zcubestellen, das mir, mynen kinden vn(n)d vnsern
gemeynern(er) vns(er) vorges(chriben) sloß Grafenwarßb(er)g vn(n)d (35) mir myn gut, das
ich da jnne hatte, vnu(er)zogelich widder zcu vnsern(er) handen jngegeben vn(n)d gestalt
werde, als ir (36) wol verstent, daz billich vn(n)d mogelich ist. So wil ich uch zcu willen
vn(n)d fruntschaff bestellen vn(n)d wol v(er)sorgen, (37) das dießen krieg uß uch, uw(er)n
helffern(er) vn(n)d den uw(er)n keyn schade vß odir jn dem selben sloße gescheen sal
vn(n)d (38) nit daruß gekrieget sollet werden. Dan woe ir des nit forderlich dunt vn(n)d
eynich verzog dar jn gelacht wirdet, (39) das ich mich v(m)mers zcu uch nit versehen, so
mochte mir, mynen kinden vn(n)d vns(er)me lande v(er)derplich schade vn(n)d (40) große
Verluste vn(n)d enterbnisse dauon entstan. Vn(n)d worden auch ich vn(n)d myne amptlu-
de swerlich zcu vns(er)n eren (41) verdacht, das ir doch v(m)mer nit gerne haben soldent,
vn(n)d mochtent wol pruben, das mir nit gebürte, myner kinde (42) erbe vn(n)d mynen
wyedem also zcu laeßen. Vn(n)d worde ich darnach stan, das is wieddir zcu vns(er)n han-
den qweme, daz (43) mich groeße noit darzu dränge. Vn(n)d getruwe uch wol, das ir is dan
auch nit zcu vndanck von mir haben soldent, (44) wan ich nuw fast in allen andern Sachen,
die ich mit eren vnd gelimph vermochte, gerne dede, was uch lieb, (45) willig vn(n)d frunt-
lich were. Wolgeborner lieber bruder, jch hette ettliche myner amptlude vn(n)d rede gerne
(46) zcu uch geschickt, muntlich eigentlicher vß dießen Sachen mit uch zcu redden. Nuw
kan ich sie kriege vn(n)d (47) großer sorgen halp, die vff diese zijt inden landen sint, nit zcu
uch geschicken. Herum(m)b bidden ich uch, dießen mynen (48) brieff indem besten zcu
verstan vn(n)d alle vorgeschr(iben) Sachen vn(n)d die große noit, die mir vnd mynen kin-
den herane (49) licht, gruntlich zcu bedencken vn(n)d uch also gütlich, fru(n)tlich vn(n)d
getruwelich indießen Sachen ghen mich vn(n)d (50) myne kinde zcu bewisen, als ir wol
verstan moget, das billich ist, vn(n)d als ein getruwe bruder ghen siner getruwen (51) suster
gerne dun sal, vn(n)d ich ye mit willen vn(n)d gudem h(er)zen, da ich mit eren vn(n)d ge-
limphe v(er)mochte, mit myme (52) vermögen ghen uch g(er)ne dun wolde. Darane erzeu-
gent vn(n)d bewisent ir mir brüderliche liebe vn(n)d truwe (53) vn(n)d dient, is auch billich,
vn(n)d darzu wil ichs auch in billichen Sachen v(m)mer ewenglich, wo ich mag, getruwe-
lich (54) verschulden vn(n)d verdienen. Dießir bode, brenger uch dis briefs, sol uch die ge-
schichte vn(n)d gelegenheit der Sachen (55) eigentlich sagen, bidden ich uch, yme, was er
uch vff dieß mail dauon sagen wirdet, zcu gleuben vn(n)d mir vff alle (56) dieße Sachen bij
yme uwer fruntliche anttwort zcu schriben, mich darnach zcu richten. Wolgeborner lieber
bruder, (57) vnser h(er)re Got wolle uch lange in gesuntheit vn(n)d freuden bewaren. Ge-
geben zcu Sarbrucken vff samßtag nach Sanct (58) Pauli tage Conv(er)sio jm jare xiiijc
vn(n)d xxxj jarr.
Elisabeth von Loithringen, grafynne wiettwie zcu
Nassauwe vnd zcu Sarbrucken.
verso:
•a
)
Dem wolgebornen h(er)ren Anthon von Loithringen etc.,
263
myme lieben brud(er) etc.
(N. Janich)
7
1432 Januar 26
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Wie Elisabeth von Bar wohl weiß, hat Jo-
hann von Kerpen trotz und entgegen seiner Mannschaftspflicht Elisabeth (von Nassau-
Saarbrücken) die Burg Groß-Varsberg von seiner Burg Klein-Varsberg aus, die er als Lehen
von ihr und ihrem Sohn inne hat, abgenommen und besetzt. Sie und ihre Amtleute seien
aber verdächtigt worden, daß dies alles mit ihrem Wissen und ihrer Zustimmung zugunsten
Antons von Vaudemont geschehen sei. Daher hat sie viele ihrer Leute, die zum größten
Teil auch Leute des Herzogs von Bar sind, aufgeboten. Vor diesen haben sie und ihre Amt-
leute ihre Unschuld erklärt. Darüber ist von einem Teil ihrer Leute ein Schreiben (offen
brieff) angefertigt worden, das sie mitschickt (Nr. 4, 5). Sie beteuert, in dieser Sache keine
Schuld zu haben, und bittet Elisabeth von Bar, dieses anzuerkennen. Auf Rat ihrer Leute
will sie auch an ihren Bruder (Anton) von Vaudemont und erneut an Johann von Kerpen
schreiben und Varsberg zurückverlangen. Sollte das nicht gelingen, will sie sich entspre-
chend den erhaltenen Antworten und dem Rat ihrer Freunde und Vertrauten verhalten.
Gegenüber dem Herzog von Bar beteuert sie, sich freiwillig niemals anders betragen zu ha-
ben, als es ihre Huldigungen und Gelübde verlangen. Sie bittet Elisabeth von Bar, ihr zu
glauben, daß sie in der Sache unschuldig ist und das Geschehene ihr aufrichtig leid tut und
daß sie ihrer Kinder Erbe und ihr eigenes Wittum nicht gern in fremden Händen sieht. Sie
hat ihren diener Hannemann von Saarbrücken mitgeschickt, der mündlich über die Situation
berichten soll, und bittet, ihm zu glauben. Sie erwartet Elisabeths Antwortschreiben.
(7-8-)
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. Die Unterschrift auf der Vorder- und der Ver-
merk auf der Rückseite sind von jeweils verschiedener sowie von anderer Hand als der üb-
rige Text. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/1 (Rotel).
Hochgeborne furstynne, gnedige hebe frauwe vnd mum(m)e. Uw(er)n gnad(e)n jnbieden
ich myn demüdiges gebet (2) vnd waz ich vermag. Als uwer gnade wol mag v(er)nome(n)
han, wie Johan von Kerppen, der mir vnd Johann, (3) myme son(n)e, von man(n)eschaff
wege(n) v(er)bonthch ist, mir, myme vorges(chriben) sonne vnd vns(er)n gemeynern
vns(er) (4) schloß(e), genant G(ra)ffen Warßb(er)g, vß dem Cleyne(n) Warßb(er)ge da bij
glegen, das myn vnd des obeg(enanten) myns (5) sonnes lehen ist, vnd dar jn abegelauffen
vnd jn genom(m)en hait. Jst mir vorkom(m)en, das ich vnd myn (6) amptlude von viel lu-
den verdacht werden, daz solichs mit vns(er)me wissen, willen oder verhen(n)cknisse (7)
myme bruder von Wiedemo(n)t zum besten gescheen solle sin. Dar vmbe ich etwie viel
myn(er) manne (8) vnd gude(n) frunde, die auch dz merteil myns gnedigen h(er)rn von Ba-
re vnd von Lothringen) vnd uw(er) gnaden (9) manne sint, bij mich verbot han gehabt,
vor den selben ich vnd auch my(n)e amptlude vns solich(er) geschiechte (10) entschuldiget
han, jn maße uwer gnade das eyme offen brieffe, den ich uwe(r)n gnade(n) hie myede
schicken (11) vnd von eynßdeils myner vorg(eschriben) man(n)e uw(er)n gnad(e)n
geschrieben ist, wol verneme(n) w(er)det, vnd bied(e)n u[w(er)] (12) gnade otmüdenclich
264
vnd vnderden(n)enclich, mich vnd my(n)e ampdude solicher geschichte vor vnschuldig zu
habe(n), (13) als wir der auch jn recht(er) warheit gentzlich vnschuldig sin vnd die ge-
schieht vns getruwelich leit ist (14) vnd sprechen das vor mich bij den truwe(n) vnd hul-
den, die ich dem egen(anten), myme gnedig(en) h(er)rn, getan(n), vnd bij (15) my(n)e frau-
weliche(n) ere(n) vnd wirde(n). Jch schribe auch ytze nast rade myn(er) vorgerurte(n)
manne myme vorg(eschriben) (16) bruder von Wiedemont vnd auch dem egen(anten) Jo-
han von Kerppen, den ich vor auch mit myne(n) frunde(n) vnd (17) schrieffte(n) erfor-
dert han, vnd ford(er)n von myne(n), myns sons vnd vns(er) gemeyne(ren) wege(n) das
vorges(chriben) vnßer (18) schloß wied(er) zu vns(er)n hande(n), jn maße die brieffe, die
ich yn da von sende(n), dz heffteclich vnd eygentlich (19) vß wisent. Vnd mag mir dz von
yn nit gedi(n)ge(n), so hoffen ich mich nast den antw(or)ten, die mir w(er)dent, (20) vnd
rade myn vnd myn(er) kinde h(er)n, mage, frunde vnd manne vort jn den sach(e)n zu hal-
te (n) vnd zu bewisen, (21) wie mir dan(n) gebürt. Vnd ich sol, wan(n) ich mich ye gar
vng(er)ne gehen myme vorgeschr(iben) gnedig(en) h(er)n von Bar (22) vnd von
Lothringen) vnd uw(er)n gnaden and(er)s gehalte(n) hette oder noch halte(n) od(er) be-
wijsen wolde, dan(n) vffrichdg vnde (23) gliche vnd als mir wol gebürt zu dün, nast dem
ich dem ytzgen(an)t, myme gnedig(en) h(er)n, glubede, wille nuue vn[d] (24) huldu(n)ge ge-
tan(n) han, vnd ich vnd myne kinde sine(n) vnd uw(er)n gnad(e)n gewant sin. Her vmb,
gnedige liebe (25) frauwe vnd mum(m)e, biede(n) ich uw(er) gnade demiite(n)clich als vor,
mych vnd myn ampdude jn dißen sach(e)n (26) vor vnschuldig vnd is dar von zu hab(e)n,
daz die vorgeschr(iben) geschieht vns faste swere vnd getruwelich (27) leyt ist vnd daz ich
myn (er) kinde erbe vnd myne(n) wiedem nit gerne jn fremeden hande(n) weyß. Jch (28)
han auch dißem gegenw(er)tigern Han(n)eman von Sarbruck(en), myme diener, befolhen,
mu(n)tlich etwaz vß dißen (29) Sachen zu rede(n). Bied(e)n ich vwer gnade, yme dez, daz er
uch zu dißer zijt dauon sagen wirdet, zu gleube(n) (30) vnd dz sieh uw(er) gnade sich gheen
mich vnd myme kinde halden vnd bewijse(n) wolle, als ich uw(er)n gnaden (31) wol getru-
we(n), dz wolle(n) wir, wo wir moge(n), willenclich verdiene(n) vnd bege(r)n her vff
uw(er) gnade(n) gnedige (32) v(er)schr(iben) antw(er)t. Dieselbe uw(er) gnade mir allzijt
gebied(e)n dühe. Gegeb(e)n vnd(er) myme jnges(igel) vff sam(m)estag nach (33) S(a)n(ct)
Pauli dage Conu(er)sio anno d(o)m(ini) m cccc xxxj° iux(ta) sdlu(m) Meten(sem).
Elizabeth von Lotth(ringen) etc.
verso:
Myn(er) frauwen von Bar, von Warsberges wege(n).
(M. Küper)
1432 Januar 30 nancy 8
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth. Sie hat Elisabeths Brief (Nr. 7) und auch
zwei offen brieue (Nr. 4, 5), die deren i/ÄrHannemann von Saarbrücken überbracht hat, er-
halten und die mündliche Erklärung Hannemanns bezüglich ihrer Entschuldigung in der
Sache um Groß-Varsberg vernommen. Sie ist bereit zu glauben, daß Elisabeth, Johann
265
Faust von Diebach und Hans von Rittenhofen in der Varsberg-Sache unschuldig sind und
daß sie diese Vorgänge sehr bedauern. (7-8-16-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsspuren vorhanden. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.ll, Nr. 3112, f. 22/2 (Rotel).
Elisabeth, hertzoginne zu Bare vnd zu Lothringen etc. Wolgeborne liebe mume, (2) wir
enbietent uw(er) liebe vns(er)n fruntlichen grus vnd was wir liebes vnd gutes vermögent.
(3) Wir hant uw(er)n brieff, vns yetzent mit Hanneman(n) von Sarbrücken, uw(er)m
dien(er), gesant, (4) vnd auch da mitte zwene offen brieue antreffende uwer entscholdunge
als von des (5) slosses Grauen Warnsperg wegen entpfangen, der jnhalt, vnd was vns uwer
vorg(ena)nt(er) (6) dien(er) auch dar uff mtintlich gesagt hat, wol verstanden vnd lant uwer
liebe wissen, (7) das wir uch vnd Johan Fust von Dieppach vnd Hannes von Ritenhouen,
uwer amptma(nn) (8) vnd scholth(esse) zu Sarbrücken, jn der massen, jn dem selben
uw(er)m vnd den zwein offen (9) brieuen begriffen ist, der Sachen wol vor vnscholdig hal-
dent. Also, wolgeborne liebe (10) müme, das jr und die uw(er)n auch mit der dat der glichs
dun wellent, das es uch (11) leyt sy. Geben zu Nansey uff mittewochen vor vns(er) lieben
frauwen dage pur(i)ficat(i)o(n)is (12) anni etc. xxx p(ri)mi s(e)c(un)d(u)m stilu(m) Tul-
len(sem) dict(um).
verso:
Der wolgebornen Elisabeth von Lothringen,
graui(n)ne zu Nass(au) vnd zu Sarbr(ucken), vns(er) lieben
mumen.
1432 Februar 6
(T. Sadowski)
9
Johann von Kerpen an Elisabeth. Er teilt ihr mit, daß er zwei Briefe im Zusammenhang
mit Varsberg gesehen hat. In dem einen fordere Elisabeth von ihm Groß-Varsberg, in dem
anderen das von ihm dem Bischof von Metz genommene Gut zurück. Er läßt sie wissen,
daß auch Johann Faust von Diebach geschrieben hat, wegen Varsberg mit ihm reden zu
wollen. Er hat ihm geantwortet, daß er zu ihm kommen wolle in der Weise, wie dieser es in
seinem Briefe vorgeschlagen hatte, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und damit
seiner Ehre Genüge zu tun.
(9-10-)
Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/3 (Rotel).
Elisabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe zu Nassauwe vnd zu Sarbrücken. Jch,
Johan here zu Kerppen vnd zu (2) Warßberg, han zwen briefe gesehen, jn dem eyne yr an
mich ford(er)nt Großwarsberg vnd an dem and (er) n yr an mich (3) gesynnent solich gut,
ich genom(m)e(n) han vff den bischoff von Metzen. Wie die zwene briefe dan(n) jnnehal-
dent, da vff (4) beg(er)n ich uch zu wissen, dz mir Johan(n) Fust von Dieppach, genant
266
Knebel, auch dar vmb geschr(iben) hait von des slosses (5) wegen Warsberg mit mir dar vß
zu reden. Da han ich yme widergeschr(iben), dz ich zu yme kom(m)en wil jn der fugen, (6)
der brieff vßwiset. So wan ich bij den vorges(chriben) Johan(n) kom(m)en, so wil ich yme
dan(n) do follenclicher vff dise vorges(chriben) (7) sache(n) antwerte(n), dz ich myn(er) e-
ren gnug getan habe. Geben vnder myme sigel vff mitwoche nehste (8) nach Sant Agathen
dage jn dem jare m cccc xxxj°.
(P. Kunkel)
1432 Februar 7 10
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie beklagt, daß Johann auf ihren Brief, in dem sie
und ihr Sohn die Rückgabe der Burg Groß-Varsberg und der zugehörigen Güter gefordert
hatten, weder geantwortet noch ihr und ihren Gemeinem die Burg zurückgegeben hat.
Auch ihr Angebot, einen Schiedstag einzuberufen, hat er nicht aufgegriffen. Daher fordert
sie ihn ernstlich auf, ihr, ihrem Sohn und den Gemeinem Burg und Gut noch heute auszu-
händigen und den entstandenen Schaden zu ersetzen. Für den Fall, daß er dieser Forderung
nicht nachkommen will, bietet sie ihm erneut an, auf einen Schiedstag zu kommen. Weigert
er sich aber, will sie ihn vor Fürsten, Grafen, Freiherren, Rittern und Edelknechten, Städten
usw. schriftlich verklagen, daß er ihr ohne Fehde und Feindschaft und trotz seiner Mann-
schaftspflicht ihr gegenüber das Gut weggenommen hat. Sie hält ihm vor, den Besitz ihrer
Burg höher zu schätzen als seine eigene Ehre und erwartet seine schriftliche Antwort.
(9-10-12-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 8.
Elisabeth etc.
Johan(n), h(er)re zu Kerpen vnd zu Warsb(er)g. Als wir dir nehste jn vns(er)me uTcn briefe
von vnser (3) vns(er)m, vns(er)s sons vnd vns(er) gemeyn(er) weg(en) geschr(iben) vnd
vns(er) sloß, genant G(ra)ffen (4) Warsb(er)g, vnd vns(er) gut, dz wir da inne hatte(n), Jn-m
wied(er) geford(er)t han, jn maße (5) vns(er) vorges(chriben) brief daz jnheldet, daruff du
vns nit geantw(ertet) vnd vns, vns(er)m (6) sonne vnd vns(er)n gemeynern vns vns(er)
vorg(enantes) sloß vnd vns(er) gut, dz wir da (7) jnne hatte(A’ auch njt wied(er) zu vns(er)n
handen gestalt Eftst vnd auch soliche dage vnd (8) vßdrag, wir dir darumbe geschr(iben)
vnd gebode(n) han, nit vffgenome(n) hast, daz (9) vns nast all(er) gelegenheit jn vns(er)n
ford(er)n briefen gerurt, faste freunde von dir (10) hait vnd beg(er)n vnd ford(er)n ab(er)
von vns(er)n, vns(er)s sons vnd vns(er) gemeyn(er) (11) wege(n) ernstlich an dich, daz du
vns vns (er) vorg(enantes) sloß vnd vns (er) gut, daz wir (12) da jnne hatte(n), noch hudc
sund(er)lich vnd aen v(er)tzog wied(er) zu vns(er)n ste handen stelle(n) vnd (13)
antw(er)ten vnd vns(er)n schaden keren wolies, als wir meyn(en), das du schuldig sist vnd
billich (14) duhes. Wil dich ab(er) beduncke(n), daz du des nit dun solles, so wolle(n) wir
des (15) g(er)ne zu 'nv(ef)tz°gen dagen vnd vßdrage gheen dich kome(n) od(er) schicken, jn
maße wir dir vor (16) gesch(riben) han. Vnd gest du vns de ' , so wolle(n) wir fürsten,
g(ra)ffen, frihen h(er)n, ritt(er)n, (17) knechten, Steden vnd and(er)n all(er)menlich, so
f(er)re wir moge(n), von dir schriben, sagen (18) vnd clage(n) dun, daz du vns vns (er) vor
267
ges(chriben)—sloß es bvnne(n)—des aber du vns wied(er) (19) vns(er)me sonne von
man(n)eschaff wege(n) v(er)buntlieh bist vns vns(er) vorges(chriben) sloß vnd (20) vns(er)
gut, daz wir da jnne hatte(n), vßer vns(er)me lehen vnd wied(er) dar |n aen vede, aen (21) vi-
ge(n)schaff vnd vnbewart din(er) eren vnd bynne(n) des, ^adz du vns von ma(n)neschaff
wege(n) v(er)bu(n)tlich bist, vnd3'1 daz wir solichs von dir (22) nit warten vnd dun, /umal
vnbesorget waren vnd {4 jn guden glaube(n) mit dir (23) dir meynten zu sta(n)n, abegelauf-
fen vnd angewo(n)nen habes vnd auch also zu (24) behalde(n) vnd(er)stees vnd vns da-
rumbe dage, etne(n)[-] vßdrages vnd eren vnd rechts (25) vßgest vnd vns(er) sloße vnd gut
lieb(er) habes da(n)n din ere vnd vort, wie (26) vns da(n)n not ist. Dine v(er)sch(riben)
antw(er)t. Geb(en) vnd(er) vns(er)me jnges(iegel), zu ende an (27) diese schrifft gedrucket,
vff donerstag nach Sant Agathen dage anno d(o)m(ini) (28) d(o)m(ini) m cccc xxxj iux(ta)
stilu(m) Meten(sem).
verso:
Kerpen
(St. Grathoff)
(a - a) am linken Rand ergänzt.
1432 Februar 8 Saarbrücken 11
Elisabeth an Anton von Vaudémont. Bereits vor seinem Waffenstillstand mit dem Her-
zog von Bar, über den sie sich sehr freut, hat sie ihm wegen der Besetzung von Varsberg
geschrieben (Nr. 3 oder 6). Den Brief hat sie damals nach Joinville geschickt und seiner
Gattin übergeben lassen. Dem gegenwärtigen Brief fügt sie eine Kopie dieses Schreibens
bei. Sie bittet ihn, in der Angelegenheit ihr und ihren Kindern gegenüber so zu handeln, wie
es in der besagten Kopie enthalten und wie es einem guten und treuen Bruder gegenüber
seiner guten und treuen Schwester und deren kleinen Kindern gebührt, die aller ihrer
Freunde bedürfen, von denen er ja wohl der nächste ist. Ihren vorherigen und den gegen-
wärtigen Brief mag er mit Wohlgefallen erwidern. Seine Wünsche ist sie bereit zu erfüllen.
(-6-11-15-)
Abschrift mit geringfügiger interlinearer Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr.
3112, f. 10/2 (Rotel), vgl. Abb. 2f.
Treschier et t(re)same fre(re). Je moy recom(m)ande a vous tant co(mm)e je puix, Plaise
vous sauoir, q(ue) j'ay et p(ar) auant les treues (2) q(ue) p(rese)ntem(en)t aues a ma da(nt)e
de Bar, dont je fuix b(ie)n liee et joieuse, vous ay esc(ri)pt pour le fait de la prise de (3)
Warnesperg p(ar) la manie(re) qu’il est contenu en ma l(ett)re a vous envoyée en v(ost)re
chastel de Joinuille (et) bailliee a ma (4) t(re)schie(re) et t(re)samee suer v(ost)re compaigne
(et) esponze. De la quelle ma l(ett)re je vous e(n)uoye vne copie enclose en ces
p(rese)ntes. (5) Et vous prie t(re)schier et t(re)same fre(re) tant admiablement effectueu-
sem(en)t (et) adc(er)te q(ue) je puix qu'il pas plaite de (6) ceste matie(re) a fare enu(ers) my
(et) mes enffans selont le contenus de ma d(i)te l(ett)re, ly quel vous appjarerjait en la
268
d(i)te (7) copie, (et) en ce faisant ferez co(mm)e tenus y estez (et) fai(r)e debuez (et)
co(mm)e vng boin (et) leal fr(er)e doit fai(r)e d[eu(ers)] sa bonne et (8) leale suer (et) ses
petis anffans ses nepueux (et) nyepses menres d‘aage q(ue) ont besoing de tous leurs amis
(9) dont vous estez le plus p(ro)chain. T(re)schier et t(re)samc Et me resc(ri)puez sur ma
d(i)te l(ett)re (et) ceste p(rese)nte v(ost)re boin plaisir (10) auec saucu(n)e chose vous plait
q(ue) bon(n)em(en)t puisse, je fuix preste de l'ascomplir, a l’aide de n(ost)re s(eigneur) qui
t(re)schier et (11) t(re)same fre(re) ait en sa s(ain)te garde (et) vous doint bon(n)e vie (et)
longue (et) accomplissem(en)t de voz boins désirs. Esc(ri)pt a (12) Sarrebruche le viijL jour
de feburier en l'an mil iiij0^1^ (et) xxxj.
Jsabel de Lorraine etc.
verso:
• ■a
9
A mon t(re)schier et t(re)same f(re)re, mons(eigneur)
Anthoin(n)e de Lorrain(n)e etc.
(J. Herold)
1432 Februar 9 12
Johann von Kerpen an Elisabeth. Er bestätigt den Erhalt ihres „offenen“ Briefes, in
dem sie sich darüber beklagt, daß er ihr die Burg Groß-Varsberg „abgelaufen“ hätte (Nr.
10). Sie habe ihn daraufhin zu einer Tagleistung aufgefordert und ihm vorgeworfen, er
schätze den Besitz ihrer Burg und ihres Gutes höher ein als seine Ehre. Er meint aber, kei-
nesfalls unehrenhaft gehandelt zu haben, da er Diener eines Herrn geworden sei, der um
sein rechtliches Erbe Krieg geführt hat. In diesem Zusammenhang hat er dessen Feinde in
ihrer Burg bekämpft. Da er kein Hauptmann (hoft man) ist, kann er ihr die Burg auch nicht
zurückgeben. Er hat seinem Herrn, der in dieser Angelegenheit Hauptmann ist, aber ge-
schrieben, ihr die Burg wieder auszuhändigen. Auf seinen Brief hat er aber noch keine
Antwort erhalten. Sobald er in dieser Angelegenheit etwas hört, will er sie das wissen las-
sen. Sollte sie ihn dann immer noch der Unehrenhaftigkeit beschuldigen, will er innerhalb
von 14 Tagen nach Kriechingen zu einem Tag vor Johann von Kriechingen kommen,
wenn sie ihm diesen Tag acht Tage zuvor ankündigt, und sich den Vorwürfen stellen.
(-10-12-13-)
a) Ausfertigung. Es handelt sich um einen sogenannten „offenen“ Brief, bei dem das Siegel
auf der Vorderseite unterhalb des Textes angebracht wurde und nicht als Verschluß diente.
Vom Siegel sind nur noch braune-grüne Wachsspuren vorhanden. - LA Saarbrücken, Best.
N-Sbr.II,Nr. 3112, f. 6;
b) Dazu eine in der Saarbrücker Kanzlei angefertigte Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-
Sbr.II,Nr. 3112, f. 9/1 (Rotel).
a)
Ellysabet va(n) Lotrynge(n), grefyne(n) witwe zo Nassouwen vnd zo Sarbrucken. Jch, Jo-
han, (2) her(re) zo Kerpen vnd zo Warsp(er)g han eynen uffen bryff gesehen, da in yr myr
schr(ibent) (3) so wie jch uwer sloß Groß Warsp(er)g abe gelauffen haffe. Dar vmb yr myr
269
[—] (4) geschr(iben) habent vnd zo dage geboden habent vnd yr gesehent wal, daß ich (5)
uwer sloß vnd gut lieber habe dan myn er vnd wyllent daß va(n) myr sch(riben), [—] (6) sa-
gen vnd clagen, alß dan uwer bryff in halt. Dar uff begeren jch uch zo wißen, (7) daß jch
haffe(n) an got daß jch ni wyder ere gedan en habe vnd nach node don (8) wolde, dan jch
byn eyß guden her(ren) helffer warden, der gekryget hait vmb (9) syn rychtliche erbe. Vnd
han va(n) synen wegen myne uffe(n) bar fyande in uwerem (10) sloß gesochten vnd mey-
ne(n) wol, daß jch dar vmb mt wyder ere gedan en habe. Vnd (11) vnd jch en byn der ge-
schichte uch nyt in dem syne, dass jch uch uwer sloß befor (12) halden wolle, in der fogen
yr myr dan sch(riben)t, want jch iß uch keyn hoft man en byn. (13) Vnd jch han myme
her(en), der der geschichte eyn hoft man iß, geschr(iben), daß er (14) uch uwer sloß wyder
gebe. En iß myr nach keyn antwert uff werden vnd (15) also balde myr dass antwert war-
den iß, so will jch iß uch fort wißen laßen. Vnd (16) alß ir dan mych myner eren scholdigent,
deß will jch zo eyme dage körnen zo (17) Ballichen (-,Khin&cn var myme neven Johann
her(re) zo Krychingen bynent ver czehen dagen, (18) also ver yr mych den dag icht dage zo
forencz wyßen laßent, uff [wat] dage (19) yr den dag leisten wilt. Vnd will uwer ansprache
verhören vnd uch (20) myt rade myner her(en) vnd frunde dar zo antwerten, daß ir gese-
hen slot, (21) dass jch node weder er don wolde. Vnd wo jr mych über dyt forgeschr(iben)
(22) gebot va(n) myr schr(ibent) ader caldent, deß wolde jch mych ver antwerten also vere
(23) myr dat geborde. Geben vnder myme sygel uff samestag nest na vnßer (24) fruwen dag
lichmyße in dem jar(e) m cccc xxxj.
b)
Elisabeth von Lothringen graffynne(n) witwa zu Nassauwe vnd zu Saarbrücken, jch, (2)
Johan h(er)re zu Kerppen vnd zu Warßb(er)g, han einen vffen briff gesehen, da jnne ir (3)
mir schribent, so wie ich uwer sloß Graffen Warßb(er)g abe gelauffen habe. Darumb (4) yr
mir geschriben habent vnd zu dage geboden habent vnd ir gesehen wol (5) daz ich uwer
sloß vnd gut lieber habe dan myne ere vnd wollent daz von (6) mir schriben, sagen vnd
clagen, als dan uwer briff jnheldet. Dar vff beg(er)n (7) ich uch zu wissen, daz ich hoffen
an got, daz ich nye wider ere getan en habe (8) vnd noch node dun wolde. Dan ich bin
eyns guden h(er)n helffer worden, der da (9) gekriget hatt vmb sin rechtlich erbe vnd han
von sinen wegen myne vffenbar (10) vyande in uw(er)m sloß gesuchten vnd meynen wal
das ich darumb (11) nit wider ere getanen habe. Vnd ich en bin ouch nit jn dem synne, daz
ich (12) uch uwer sloß befor halden wolle jn der fugen, als ir mir dan schribent, wie (13) ich
is auch keyn heufftman nit bin. Vnd ich han myme h(er)n, der dez der geschichte (14) eyn
heufftman ist, geschriben, daz er uch uw(er) sloß wider gebe. Da en ist (15) mir noch keyn
antwert vff worden. Vnd also balde mir daz antwert worden (16) ist, so wil ich is uch vort
wissen lassen. Vnd als ir dan mich myn(er) (17) eren schuldigent, des wil ich zu eyme dage
kom(m)en zu Crichingen vor (18) mynen neuen Johan, h(er)re zu Crichingen, bynnent
vierzehen dagen, also (19) ferre ir mich den dag echt dage zu furencz wissen lassent, vff
wat dage (20) ir den dag leisten willt. Vnd wil da uwer ansprache verhören vnd uch (21) mit
rade myner h(er)n vnd frunde darzu antwerten, daz ir gesehen soll[t], (22) daz ich node wi-
der ere dun wolde. Vnd wo ir mich über dit vorge(schriben) (23) gebot von mir schribent
270
oder clagdent, dez wolde ich mich verantwertjen] (24) also ferre mir daz geburde. Geben
vnder myme jngesigel vff samsdag (25) nest nach vns(er) lieben frouwen dage lichtmysse jn
dem jare dusent (26) iiijc xxxj.
(J. Herold/T. Sadowski)
1432 Februar 10 13
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie hat erfahren, daß Johann von Kerpen mit Kum-
panen in die Stadt St. Nabor eingefallen ist und den Bürger Zienchel und mehrere Kühe
gefangen genommen hat, obwohl Johann Elisabeth durch ein Lehensverhältnis verpflichtet
ist. Dieses verstimmt sie umso mehr, als sie Johann zuvor ein Verzeichnis über ihre Rechte
an St. Nabor und der dazugehörigen Vogtei geschickt hatte. Sie fordert Johann deshalb auf,
den entstandenen Schaden unverzüglich zu begleichen. Sie bietet ihm an, Johann von Ro-
demachern oder Johann von Kriechingen als Vermittler zu ihm zu schicken, nachdem er
auf ihren Brief geantwortet hat.
(-12-13-14-)
Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/2a (Rotel).
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
Johan, vns ist vff hude zu wissen worden, dz du vnd ander dine gesellen, die mit dir (4) zu
Warsberg ligent, ytze nuwelings vor Sante Nabore die stat gerant sient vnd (5) da eine(n)
arme(n) burg(er) genant Zienchel gefange(n) vnd ettliche kuwe da selbs genom(m)e(n) (6)
habent. Solichs vns von dir fromede dunckt vnd vmbillich hait, nast dem du (7) vns vnd
vns(er) g(ra)ffeschafft von Sarbrucken von ma(n)neschafft wegen v(er)buntlich bist (8) vnd
auch nast dem wir dir vor von Sant Nabore vnd der voigdien wegen dar (9) zugehörig vor-
geschoben) vnd v(er)kundet han, dz die vorg(e)n(ante) stat vnd voigdie vnd was (10) dar-
zu gehöret vns vnd vns(er)n kinde(n) mit rechte zu v(er)antw(er)ten vnd zu
v(er)spreche(n) (11) stent vnd du vns widerschriebe, dz wir dir eigentlich v(er)zeichent
schicken wolden, (12) was zu Sant Nabore oder zu der voigdie gehörte, so woldes du vmb
vns(er)n willen (13) yn keynen schaden dun, jn massen din brieff vßwiset. Dar vff wir dir
auch soliche (14) v(er)zeichenu(n)ge gesant hant jn meynonge, dz du vns solichs halden
vnd nit and(er)n soldes. (15) Her vmb so beg(er)n wir vnd ford(er)n mit gantzem ernste an
dich, dz du vns soliche(n) vorg(e)n(anten) (16) burger vnd gut aen schaden vnv(er)tzoglich
ledig zelen wolies, als wir meyne(n), dz du (17) nach gelegenheit, als vorgerurt ist, billich
duhes. Wolde dich aber beduncken, dz du dez (18) nit dun soldes, dz du dan(n) den
vorg(e)n(anten) burger vnd gut eine gerume zijt vßgeben vnd (19) gefristen wolles, so wol-
len wir da bynne(n) vnser frunde g(er)ne zu eyme vnv(er)tzoge(n) dage (20) geen dich schi-
cken vor vns(er)n neue(n) von Rodemach(er)n oder Johan(n) h(er)n zu Criechinge(n), we-
liche(n) (21) du wilt, vnd vor dem nach vns(er) ansprachen vnd din(n)er antwert vnd
verhandelonge(n) (22) da Sachen von dir neme(n), was du vns dar vmb von rechts wegen
dun salt, vnd (23) beg(er)n des dine vnv(er)tzogen verschriben antwert, vns dar nach zu
richten. Geben vff (24) sondag nehste nach Sant Agathen dage anno etc. xxxj jux(ta) sti-
271
lu(m) Metens(em).
Johan(n)e, h(er)r zu Kerppen vnd
zu Warsberg.
(Ch. Maillet)
1432 Februar 11 14
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie bestätigt ihm den Erhalt seines Briefes, in dem er
schildert, daß er der Helfer des Anton von Vaudemont ist und Groß-Varsberg eingenom-
men hat, um dort seine Feinde zu suchen, daß er aber die Burg an Elisabeth zurückzugeben
bereit ist (Nr. 12). Sie verlangt nun von Johann die Rückgabe ihrer Burg. Sollte er damit
nicht einverstanden sein, so fordert sie sein Erscheinen auf einem Schiedstag am Donners-
tag, den 21. Februar, vor Johann von Kriechingen zu Kriechingen, zu dem auch Elisabeth
oder von ihr Bevollmächtigte kommen werden.
(-13-14-18-)
Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/2 (Rotel).
Elisabeth von Lothringe(n), g(ra)ffynne witwa
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
Johan(n), h(er)re zu Kerppen vnd zu Warßb(er)g, als du vns von Warßbergs wegen wieder
geschr(iben) hast, das du eyns (4) h(er)n helffer worden sijst vnd dine vigende jn vns(er)me
slosse gesucht vnd dem h(er)n, der din heubtma(n) sij, geschribe(n) (5) habes, dz er vns
vnser sloß wider gebe, wan du is node also behalden woldes, vnd was dir zu antw(er)t
werde, wolle(s) (6) du vns vort wissen lassen, als din briff das mit and(er)n wortten jnhel-
det, han wir verstande(n). Vnd nast dem du (7) vns vns(er) sloß G(ra)ffen Warßb(er)g vß
vns(er)me lehen vnd wider dar jn vnd bynnen dez, das du vns, vns(er)me sonne (8) vnd
vns(er) g(ra)ffeschafft von Sarbrucken von ma(n)neschaff wege(n) verbuntlich bist vnd
aen vode vnd aen vigenschafft (9) vnd vnbewart diner eren abegelauffen vnd angewonnen
hast, vnd daz du auch jn dyme vorges(chriben) briff schribes, (10) daz du nye wider ere ge-
tan habes vnd nöde wider ere dun woldes vnd dine vigende nit jn vns(er)me slosse ent (11)
halden gewest vnd din heubtma(n) vnd die sinen auch nit dar vß noch dar jn gekriget sint,
meynen wir vnd hoffen, (12) daz alle biderbe lüde auch beduncken solle, das du vns,
vns(er)me sonne vnd vnse(r)n gemeynern vns(er) vorg(enantes) sloß vnd vns (13) vns(er)
gut, das wir da jnne hatte(n), billich vnd mögelich aen vertzog odir jndrag wider zu
vns(er)n handen stellen vnd (14) vns(er)n schaden keren solles, vnd daz dir das von eren
vnd rechts wegen wol gebürte, daz wir auch vnu(er)tzoglich (15) vnd furderlich also zu
dun aber ernstlich an dich ford(er)n. Wil dich aber beduncken, daz du dez nit schuldig o-
dir (16) plichtig sijst, als du dan schribes, daz du vor Johan, h(er)re zu Crichingen, dine(n)
neuen, zudage kom(m)en wolies, wolle(n) (17) wir auch g(er)ne zu dage geen dich
kom(m)en odir vns(er) frunde, die vns(er) jn den Sachen macht haben sollen, zu dage geen
(18) dich schicken vor den eg(enanten) Johan(n), vns(er)n lieben getruwen, jn sin sloß geen
Krichingen vff den nehsten donrestag (19) vor Sant Peters dag Cathedra, schierste
272
kom(m)et, zu dagezit vnd von der vorg(enanten) geschichte wegen nast vnser (20) anspra-
chen, diner antwert verhandelun(n)ge vnd gelegenheit der Sachen vnd dem, als du vns
verbuntlich bist, (21) vnd erkentenisse des eg(enanten) )ohans, h(er)n zu Crichingen, von
dir nemen, waz du vns von eren vnd rechts wege(n) (22) dar vmb schuldig vnd plichtig bist
vnd wirdes zu dun. Vnd wollen den eg(enanten) Johan(n), h(er)n zu Crichingen, (23)
g(er)ne bieden, also duhe auch du, vff dem vorg(enanten) dage zu Crichingen zu sin vnd
sich der Sachen also an zu (24) nemen. Vnd gingestu vns der vorg(enanten) Sachen vß, so
verstünde menlich wol, daz du dinen eren nit genug dun (25) woldes vnd daz du vns (er)
sloß vnd gut lieber hettes dan dine ere, vnd daz wir dem, als wir dir vorges(chriben) (26)
han vnd wes vns vort not were, nachgan musten vnd wolden wol, daz du is darzu nit
kom(m)en liesses. (27) Vnd was dins willen hie von ist, schrib vns bij diesem boden furder-
lich wider, vns darnach zu richten. (28) Gegeben vnd(er) vns(er)me jnges(igel), heran ge-
druckt, vff mandag vor Sant Valentinj dage anno d(o)m(ini) m cccc xxxxj (29) iux(ta) sti-
lu(m) Meten (sem).
verso:
iiij
(Ch. Herrmann)
1432 Februar 13, Joinville 15
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er bestätigt den Erhalt von Elisabeths Briefen
(Nr. 3, 6, 11) mit der Mitteilung über die Einnahme von Groß-Varsberg durch Johann von
Kerpen. Er beantwortet diese nicht, da er ihr gerade seinen Vogt Gerhard (von Pfaffenho-
fen) schickt, damit er in dieser und in seinen anderen Angelegenheiten etwas unternimmt
und mit ihr darüber spricht. Wenn Gerhard ihm dann berichtet hat, will er ihr seine schrift-
liche Antwort zu ihrer Zufriedenheit zukommen lassen.
(-11-15-28-)
Abschrift. Sie befindet sich mit der Abschrift Nr. 28 auf einem Bogen, der rücksei dg nicht
beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/3 (Rotel).
Treschi(er)e et t(re)samee suer. Toute recom(m)andac(i)on p(re)mise. Veuillez sauoir q(ue)
j’ay receu voz l(ett)rez faisant menc(i)on da prise, q(ue) ait (2) fait Jehan de Kerppe de la
maison et place de Warnespe(r)g au Conte. Ausquelles voz l(ett)rez je ne vous fais ne
donne responce, (3) pour ce q(ue) j’enuoie p(rese)nteme(n)t p(ar) delà Guerardt mon bally
pour en faire et de mes aut(re)s affaires (et) en parler a vous et moy ehu (4) la responce de
vous. (Et) ce q(ue) mon d(it) baillj en auera besoingni(er)e a vous, je vous en resc(ri)pray
et randeray responce q(ue) par (5) raison en deuerez estre contente. Ce sceit li benoit fïlz
de dieu, qui vous ait en sa s(ain)te garde. Esc(ri)pt a Joinuille le xiijc jour de (6) feurier.
Anthoin(n)e de Lorrain(n)e etc., v(ost)re fr(er)e.
(J. Herold)
273
1432 Februar 13
16
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Sie bestätigt den Erhalt des Briefes von
Elisabeth von Bar-Lothringen, in dem diese erklärt hat, daß sie Elisabeth und ihre Amtleute
Johann Faust von Diebach und Hans von Rittenhofen für unschuldig an der Auseinander-
setzung um Varsberg hält (Nr. 8). Sie teilt mit, daß sie sowohl Anton von Vaudemont als
auch Johann von Kerpen wiederholt aufgefordert hat, ihr die Burg zurückzugeben oder ei-
nen Schiedstag einzuberufen. Zu einem solchen Schiedstag bittet sie die Herzogin von Bar-
Lothringen, ihre frunde als Unterhändler zu schicken. Sie würde es sehr bedauern, wenn sie
ihr Gut nicht zurück bekäme.
(S-16-17-)
Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/3 (Rotel).
Hochgeborne furstynne, gnedige liebe frauwe vnd mume. Uw(er)n gnade(n) entbiede(n)
ich myn demütiges gebedt vnd was jch (2) guds v(er)mag. Als uwer gnade mir leste von der
geschieht wegen Warsberg antreffende wider hait dun schriben, dz ir (3) mich, Johan(n)
Fusten von Dieppach vnd Hans von Ritenhofen, myne amptlude, jn denselben Sachen
wTol vor vnschuldig (4) habent vnd vff dz leste jn uwer gnade(n) briefe gerurt ist, dz ich
vnd die myne darzu dun sollen, dz vns soliche geschichte (5) leit sij, als uwer gnade(n)
brieff dz vßwiset, beg(er)n ich uw(er)n gnade(n) zu wissen, dz ich von der Sachen wegen
myme bruder (6) von Wiedemont vor ein mal vnd ytzt aber myne botschaff bij yn getan
vnd auch dez von Kerppen darumb heffte(n)ciich (7) bededingt han, also dz ich mich ver-
sehen, dz mir myn vorges(chriben) sloß wider oder dz man darumb zu dage vnd vß (8)
drage kom(m)e(n) werde. Zu soliche(n) dage(n) ich uwer gnade uwer frunde zu schicken,
als ferre die vor sich gan werdent, die (9) Sachen zu verhore(n) vnd myne(n) dag zuleisten,
bijden wil vnd getruwe(n) uw(er)n gnade(n) wol, dz ir is dan(n) auch g(er)ne dun (10) sol-
let. Geschee is aber, dz mir myn vorges(chriben) sloß nit wider werden mochte oder dz
auch die dage nit vor sich gan (11) wurden, dz ich doch nit hoffen, so wil ich nast rade vnd
helffe uwer gnaden an der myner h(er)n mage, ma(n)ne vnd (12) guden fründe darzu dun,
dz ich truwen, dz uwer gnade v(er)stan solle, dz mir soliche geschieht nit lieb ist vnd dz
ich (13) dz myne nit g(er)ne jn fremden hande(n) stände han. Gnedige liebe frauwe, uwer
gnade duhe mir allezijt gebieden. (14) Geben vff mittwochen vor Sant Valentin(us) dage
anno etc. xxxj° iux(ta) stilu(m) Metens(em).
Elizabeth von Lotthr(ingen) etc.
(M. Küper)
1432 Februar 14 Nancy 17
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth. Sie bestätigt den Erhalt ihres Briefes (Nr.
16) mit der Mitteilung, daß sie an Anton von Vaudemont und Johann von Kerpen in der
Varsberg-Angelegenheit um Rückgabe der Burg geschrieben hat, gegebenenfalls aber einen
Rechtstag in dieser Angelegenheit einberufen möchte, zu dem Elisabeth von Bar jemanden
274
entsenden soll. Elisabeth von Bar ist bereit, Vertreter zu dem geplanten Treffen zu schi-
cken und bittet um Benennung eines Ortes und eines möglichst baldigen Termins, damit
sie durch die Angelegenheit nicht noch weiteren Schaden erleidet.
(-16-17-26-)
Ausferügung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsspuren vorhanden. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/4 (Rotel).
Elisabeth hertzoginne zu Bare vnd zu Lothringen etc. Wolgeborne liebe nyfftel, als jr vns
(2) aber geschriben hant von uwers slosses Warnsperg wegen so wie jr vns(er)m neuen u-
wir(n) (3) brüder von Wydemont vor eins vnd yetzent aber uwer botschafft by jn getan
vnd auch den (4) von Kerpen dar vmb betedinget habent, also das jr üch versehent das
üch uwer sloß (5) wid(er) oder das man dar vmb zu tage vnd vsdrage kom(m)en werde, zu
söllichen dagegen (6) jr vns bitten willent vns(er) fründe zu schicken, die Sachen zu
v(er)hören vnd uw(er)n dag helffen (7) leisten etc., alsdan(n) der selbe uw(er) brieff jnheldt,
haben wir wol verstanden und lant üch (8) wissen, das wir der vns(er)n g(er)ne by üch uff
den dag schicken wellent, also das jr vns (9) den dag zu güt(er) zit beuor wo vnd an wel-
lem ende der sin wirt, zu wissen dünt, vnd (10) bittent uwer liebe, das jr das bekürtzen vnd
dün wellent, so jr erste mbgent, wan(n) vns (11) vnd den vns(er)n deglichs schade vß den
vorges(chriben) Warnsperg beschicht vnd wirs die lengde (12) nit geliden möchtent. Ge-
ben zu Nansey uff Sant Valentin(us) dage anno etc. xxx p(ri)mo s(e)c(un)d(u)m stilum
Meten(sem).
verso:
Der wolgebornen frauwe Elisabeth von
Lothr(ingen), graui(n)ne zu Nass(au) vnd zu
Sarbrücken, vns(er) lieben nyfftel.
(A. Zipfel)
1432 Februar 24 18
Vertrag zwischen Johann von Kerpen und Hans von Rittenhofen als Vertreter Eli-
sabeths. Johann von Kerpen verpflichtet sich, die Burg Groß-Varsberg und das Gut, das
Elisabeth darin besitzt, innerhalb von 12 Tagen - vom Datum des Vertrages an gerechnet -
an sie selbst oder von ihr beauftragte Amtleute zurückzugeben. Sobald das geschehen ist,
sollen EÜsabeth und ihre Gemeiner an der Burg Groß-Varsberg ihm schriftlich garantieren,
daß beim Wiederaufflammen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Her-
zog von Bar (René von Anjou) und Anton von Vaudémont, die zur Zeit ruhen, die Burg
Varsberg von den kriegerischen Handlungen ausgenommen und daß auf jegliche Forde-
rungen wegen der Besetzung der Burg gegenüber Anton von Vaudémont und Johann von
275
Kerpen sowie deren Erben und allen, die daran beteiligt waren, verzichtet wird. Außerdem
wird vereinbart, daß zwischen den Gemeinem der beiden Burgen Groß-Varsberg und
Klein-Varsberg ein gemeinsamer Burgfrieden mit einem gemeinsamen Friedensbezirk ab-
geschlossen wird. Sollten sich Gemeiner von Groß-Varsberg dem widersetzen, so soll Eli-
sabeth sie solange nicht wieder in ihre Rechte einsetzen, bis sie dem Beschluß zusümmen
und dies beurkunden. Die darüber ausgestellten Urkunden sollen von den beiden (wider-
streitenden) Parteien zu (je) einem Stoß zusammengelegt und an Johann von Kriechingen
und Hans von Rittenhofen übergeben werden, die über deren Aufbewahrung entscheiden.
Elisabeth soll Johann von Kerpen bis zum nächsten Dienstag (26. Februar) schriftlich wis-
sen lassen, ob sie den Vereinbarungen des Vertrages zustimmt oder nicht. Sdmmt sie zu, so
sollen sich die Vertragspartner den Bestimmungen entsprechend verhalten. Der Vertrag
wird von Johann von Kerpen und von Hans von Rittenhofen besiegelt und ebenso von
Johann von Kriechingen, der bei den Verhandlungen anwesend war.
(-14-18-19-)
Urkundenabschrift mit geringfügiger interlinearer Korrektur. Sie befindet sich zusammen
mit den Briefabschriften Nr. 19 und 20 auf einem Bogen, der rückseitig nicht beschrieben
ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/4 (Rotel).
Vff hude datu(m) diser schrifft ist beredt tuschen dem edeln Johan h(er)n zu Kerppen
vnd zu Warsberg vff eyne vnd Hans von (2) Ritenhofen, scholthessen zu Sarbrucken, von
wege der wolgebornen frauwe(n) Elisabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne(n) zu Nassauwe
vnd (3) zu Sarbrucken widewe, vff die ander syte, dz der vorg(e)n(ante) Johan(n) here zu
Kerppen vnd zu Warsberg dem eg(e)n(anten) Hans scholthesse(n) (4) jn name(n) der o-
beg(e)n(anten) frauwe(n) Elisabeth gleublich zugesagt vnd v(er)sprochen hait, der
vorg(e)n(anten) frauwe(n) Elisabeth oder yren (5) amptluden von yret wegen, den sy es be-
fielet, ir sloß genant G(ra)ffen Warsberg vnd ir gut, dz sy da jnne hait, vngeu(er)lich (6)
bynne(n) zwolff dage nehste nach datu(m) dies(er) briefes schrifft wider zu yre(n) han-
de(n) zustellen vnd jnzugeben auch vngeu(er)lich, (7) also dz die eg(e)n(ante) frauwe Elisa-
beth, wan(n) daz gescheen ist, sich geen yme v(er)schriben vnd die ander gemeyn(en) des-
selben) slosses sich (8) auch v(er)schriben dun sal. Wirt der crieg tusche(n) myme h(er)n
von Baer vnd myme h(er)n von Wiedemont, der ytzont jn frieden stet, (9) wider vffgan, dz
dan(n) daz eg(e)n(ante) sloß G(ra)uen Warsberg denselben crieg eß nit wider myne(n)
h(er)n von Wiedemont noch sine helffer (10) sin vnd dz sy denselben crieg vß dar vß noch
dar jn nit geschediget w(er)d(en) vnd dz sy noch yre erben der geschichte halb, als (11) der
eg(e)n(ante) Johan(n) here zu Kerppen vnd zu Warsberg dz vorg(e)n(ante) sloß G(ra)uen
Warsberg jngenom(m)e(n) hait, num(m)er ansprache noch (12) forderonge an myne(n)
h(er)n von Wiedemont, den obeg(e)n(anten) Johann noch yre erben noch alle die, die der
geschieht zu dun hant, gehabt (13) gehaben noch gedun sollent jn keyne wise. Auch ist be-
redt, dz die eg(e)n(ante) frauwe Elisabeth vnd Johan(n) here zu Kerppen vnd (14) ir ge-
meyner an beden slossen G(ra)uen Warsberg vnd Klein Warsberg als ferre die gemeyner
an dem Kleyne(n) Warsberg dez alle (15) gefolgig sint eine(n) gemeyne(n) burgfrieden, dar-
in die bede vorges(chriben) sloße Warsberg mit eyme redelichen beziercke begriffen, (16)
sien machen vnd dez vff eme redeliche erber masse vberkom(m)en vnd sich dez mit ey-
276
nander v(er)eynigen sollen auch vngeu(er)lich. (17) Vnd woldent die eg(e)n(anten) gemey-
ner an G(ra)uen Warsberg sementlich ader sunderlich sich dez jn vorges(chriben) mas-
se(n) nit v(er)schriben, so (18) sal die obeg(e)n(ante) frauwe Elisabeth die obeg(e)n(anten)
gemeyner, die dez nit dun enwolden, nit wider zu yre(n) deilen dez obeg(e)n(anten) slos-
ses (19) kom(m)e(n) lassen, bis dz sij sich solichs, als vorges(chriben) stet, geen dem
eg(e)n(anten) Johan(n) auch v(er)schriben vnd yme dez yre v(er)sigelte briefe vbergeben
(20) hant. Vnd wan(n)e man die vorges(chriben) briefe nach vorgeschr(iben) masse(n) ma-
chen sal, gewonnet(en) die eg(e)n(anten) p(ar)thien dan(n) eynich(en) stoß (21) da jnne.
Der stosse sollent der edel Johan(n) here zu Criechingen vnd Hans von Ritenhofen
vorg(e)n(ant) beladen sin. Vnd wie die (22) zwene die selbe stösse setzent, dz sollent bede
vorges(chriben) p(ar)thien folgen vnd dabij bliben. Vnd sol die obeg(e)n(ante) frauwe Eli-
sabeth (23) den eg(e)n(anten) Johan(n) h(er)n zu Kerppen hie tuschen dinstag zu nach
nehste kom(m)et verschr(iben) wissen lassen, obe sij des, als vorges(chriben) ist, (24) fol-
gen wolle oder nyt. Vnd schribet sij yme zu, dz sij dez also folgen wolle, so sal man von
beden sijte(n) dem als vorges(chriben) ist (25) nachgan, sonder geu(er)de vnd widerstant.
Zu vrckonde der vorgeschr(iben) Sachen hant die eg(e)n(anten) Johan(n) here zu Kerppen
'nd zu (26) Warsberg vnd Hans von Ritenhofen yre jnges(igel) her an gedruckt vnd vmb dz
ich, Johan(n) here zu Criechinge(n), bij diser (27) beredonge(n) gewest bin, han ich von
beder eg(e)n(anten) Johans vnd Hans beden wege(n) myn jnges(igel) auch heran gedruckt.
Geben (28) vff sondag nach S(anc)te Peters dag ad Kathedra [sic] anno d(o)m(ini)
m cccc xxxj jux(ta) stilu(m) Metens(em).
(J. Herold/P. Kunkel)
1432 Februar 25 19
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie teilt ihm fristgerecht mit, daß sie den verbrieften
Vereinbarungen, die Johann einerseits und Hans von Rittenhofen andererseits durch Ver-
mittlung des Johann von Kriechingen am vorhergehenden Sonntag den 24. Februar über
ihre Burg und ihr Gut Varsberg geschlossen haben (Nr. 18), folgen wolle. Sie fordert ihn
auf, seinerseits nicht säumig zu sein und keinen Vertragsbruch zu begehen.
(-18-19-20-)
Abschrift mit geringfügiger interlinearer Korrektur. Sie befindet sich zusammen mit der
Urkundenabschrift Nr. 18 und und der Briefabschrift Nr. 20 auf einem Bogen, der rücksei-
tig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/5 (Rotel).
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe und zu Sarbrucken.
Johan, als du vff eyne vnd Hans von Ritenhofen, vnser scholthesse vnd liebergetruwer,
von vns(er)n wege(n) vff die ander (4) sijte durch mittelonge vns(er)s lieben getruwen Jo-
hans, h(er)n zu Criechingen, vff gest(er)n, sondag, von G(ra)ffen Warsb(er)gs, wege(n)
vns(er)s (5) slosses vnd vns(er)s guds wege(n), dz wir da jnne hatten, mit eynander vber-
kom(m)en sint, jn masse die briefe darüber gemacht (6) vnd mit dez eg(e)n(anten) Johans,
h(er)n zu Criechinge(n), dyme vnd dez vorges(chribenen) vns(er)s scholthesse(n) jngesi-
277
geln v(er)sigelt dz eigentlich jnnehalde(n)t (7) vnd vßwisent vnd jn de(n)selben briefen
auch begriffen ist, dz wir dich hie tuschen vnd morne dinstage zu nacht v(er)schriben (8)
wissen lassen sollen, obe wir solichen vberkom(m)ens folge(n) wolle(n) oder nit etc., da
wisse, dz wir dez vorges(chribenen) vberkom(m)ens nast lüde (9) der obegerurte(n) briefe
darüber gemacht folgen, dem nachgan vnd dabij bliben wollen. Hernach wisse dich zu
richte(n) vnd (10) habe ernst, dz vff dine sijte keyn sumen noch briste daran geschee. Ge-
geben vnder vns(er)me jnges(igel) vff mondag nehste nach (11) Sant Peters dage ad Ka-
thedern) anno d(o)m(ini) m cccc xxxj jux(ta) stilu(m) Metens(em).
Johan(n)e, h(er)n zu Kerppen vnd zu Warsberg, vnd sal nyma(n)s
disen brieff vffbrechen dan(n) der eg(e)n(ante) Johan(n) selbs.
(M. Bleymehl-Eiler)
1432 MÄRZ 1 20
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie ermahnt ihn, sich gemäß der zwischen ihm und
Hans von Rittenhofen früher getroffenen Übereinkunft (Nr. 18) betreffend Varsberg zu
verhalten und diese Übereinkunft unverzüglich innerhalb der gesetzten Frist zu erfüllen. Sie
fragt, wann sie ihre Amtleute zu ihm schicken soll, um den vereinbarten Dingen nachzuge-
hen und sie auszuführen. Sie ermahnt ihn, nicht zu säumen und ihr den schuldigen Dienst
zu erweisen, und verspricht, sich erkenntlich zeigen zu wollen.
(-19-20-21-)
Abschrift. Sie befindet sich zusammen mit der Urkundenabschrift Nr. 18 und der Briefab-
schrift Nr. 19 auf einem Bogen, der rückseitig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/6 (Rotel).
Elisabeth von Lotthr(ingen) etc.
Johan, als wir dir nehste geschriben han, dz wir des vberkom(m)ens, als du vnd vns(er)
scholthesse von vns(er)n wege(n) antreffende (3) Warsberg vberkomen sint, folgen wollen
nast lüde des briefes dar vber gemacht vnd v(er)sigelt etc., beg(er)n wir vnd bijden (4) dich
mit ernste, dz du dich richte(n) vnd schaffen wolles, dz den Sachen nachgegange(n) vnd
dz die nast lüde dez vorges(chriben) briefes vnd (5) bynne(n) der zijt da jnne beg(ri)ffen
sondern lang(er)n vertzog vßgeracht werden, als du wol v(er)steen macht, dz billich ist
vnd dir nast (6) aller gelegenheit zu dunde gebürt, vnd vff weliche(n) dag bynne(n) der o-
begerurten zijt wir vns(er) amptlude bij dich schicken solle(n), (7) den Sachen nachzu-
gan(n) vnd die vßzurichten, jn massen der eg(e)n(ante) brieff jnneheldet. Laß vns so du
zijtlichste mast wissen, (8) vns darnach zu richten, vnd habe herzu ernst, vff dz kein sumen
heran geschee. Daran dustu vns zu dem, dz du is zu (9) dunde schuldig bist, liebe vnd
dinst, die wir hernach geen dich hoffen zu v(er)schulden. Gegeben vnder vns(er)me
jnges(igel) (10) vff samsdag vor dem sondage Esto michi anno d(o)m(ini) m cccc xxxj
jux(ta) stilu(m) Metens(em).
Johane, h(er)n zu Kerppen vnd zu Warsb(er)g, vnd sal nyma(n)s
disen brieff vffbrechen dan(n) der eg(e)n(ante) Johan selbs.
278
1432 März 4
(M. Bleymehl-Eiler)
21
Elisabeth an Johann von Kerpen. Nachdem Hans von Rittenhofen am Tag zuvor (3.
März) von Johann von Kerpen zurückgekehrt ist, teilt Elisabeth ihm mit, daß sie mit Nach-
druck die Angelegenheit (Varsberg) voranbringen will. Von ihrer Seite hat es bislang keine
Versäumnisse gegeben. Daran will sie auch weiterhin festhalten und fordert ein eben-
solches Verhalten nun auch von ihm. Er soll, wenn ihre Leute sich zu ihm begeben, für de-
ren Sicherheit vor der anderen Partei garantieren. Sollte sich am Fortgang der Dinge etwas
ändern, soll er es über den Boten dieses Briefes mitteilen, damit sie sich einrichten kann.
(-20-21-22-)
Abschrift. Sie befindet sich zusammen mit den Abschriften Nr. 22, 23, 24 auf einem Bo-
gen, der rückseitig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/7
(Rotel), vgl. Abb. 22.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne, widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
Johan, als vnser scholthesse vff gest(er)n, mondag, von dir gescheiden ist von der Sachen
wege(n), du wol weist, lasse(n) wir dich wissen, (4) dz wir den Sachen nü aber nachgan vnd
der folgen wollen. Vnd ist vor an vns kein breste gewest vnd nu aber nit sin sal vnd (5)
beg(er)n mit ernste, dz du is vff dine sijte auch also vorneme(n) vnd zum besten
v(er)sorgen wolies, dz die vns(er)n von der ander p(ar)thien (6) nehste bij dir sicher bij dich
kom(m)en mögen, als du v(er)stan macht, dz dez noit ist. Vnd lege icht anders her jn,
dan(n) den Sachen nach (7) zugan, dz schrib vns mit disem vns(er)me boden, vns dar nach
zu richten. Gegeben vnder vns(er)me jnges(igel) vff dinstag nach dem (8) sondage Esto
michi anno d(o)m(ini) m cccc xxxp(ri)mo jux(ta) stilu(m) Metens(em).
Johan(n)e, h(er)n zu Kerppen vnd zu Warsberg, vnd sal nymans
disen brieff vffbrechen dan(n) er selbs.
(Ch. Maillet)
1432 MÄRZ 4
22
Johann von Kerpen an Hans von Rittenhofen. Er läßt ihn wissen, daß er nach ihrem
Treffen in Varsberg eine Mitteilung bezüglich des Geldes sowie der Bestätigung, die ihm
sein Herr Anton von Vaudemont geben sollte, und auch wegen der Burg Groß-Varsberg
erhalten hat. Er hofft, sich erfolgreich dafür verwenden zu können, daß Elisabeth ihre Burg
zurückerhält, bittet den Schultheiß jedoch um Aufschub bis zum nächsten Samstag (8.
März). Sollte Elisabeth ihre Burg nicht zurückbekommen können, will er ihr seine Burg
Klein-Varsberg am nächsten Sonntag (9. März) übergeben, wie er es schon mit Hans von
Rittenhofen besprochen hat. Dieser soll das aber für sich behalten, zu Elisabeths und Jo-
hanns Nutzen. Er will sich fleißig der Sache so annehmen, daß Elisabeth es ihm danken
wird.
(-21-22-23-)
279
Abschrift. Sie befindet sich zusammen mit den Abschriften Nr. 21, 23, 24 auf einem Bo-
gen, der rückseitig nicht beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/8
(Rotel), vgl. Abb. 22.
adem scholth(esse)a'. Gude frunt, ich beg(er)n uch zu wissen, als ir vnd ich zu Warsberg
von eyn gescheiden bin, als ir wol wissent, da ist mir (2) botschafft kom(m)e(n) von dez
geldes wegen vnd solichen briefen vnd siegeln myne here von Wiedemont mir geben sol-
de vnd auch (3) von des slosses wegen Groß Warsberg, dz ich hoffen ich solle is zu eime
guden wege brengen dz ich meyne(n), dz myn(er) frauwe(n) (4) von Nassauwe yr sloß wi-
der werden solle, vnd her vmb so bijden ich uch fruntlich, dz ir die Sachen vertziehen
wollet, als ir (5) wo! wisset, bis samsdag nehste nach dem datu(m) dis briefes. Vnd abe Sa-
che we(re), dz myn(er)n frauwe(n) von Nassauwe yr sloß nit wider (6) werden en mochte,
so wil ich ir myn sloß Warsberg jn yre handt stellen jn der fügen yr vnd jch von eyn ge-
scheiden sin (7) vff disen nehsten sondag aldefaßnacht nehste nach datu(m) dis briefes zu
morgen jngeben jn vorges(chriben) massen vnd wollet (8) dis also verhalden, dz wirt also
wol mit myn (er) frauwe(n) daran sin als mit mir dan(n) ich wil mich also flißliche(r) dar
jnne (9) arbeiden vnd do jn dun, dz myne frauwe mir is dancken sal. Geben vnder myme
sigel vff dinstag nehste nach paffen (10) faßnacht jn dem jare m cccc xxxij°.
Mime besond(er)n gude(n) frunde Hans von Johan(n), here zu Kerppen vnd
Ritenhofen, scholth(esse) zu Sarbrucken. zu Warsberg.
(St. Grathoff)
(a - a) am linken Rand vor dieser Zeile.
1432 MÄRZ 7 23
Elisabeth an Johann von Kerpen. Er hatte ursprünglich mit Hans von Rittenhofen ver-
abredet, ihre Burg Groß-Varsberg mit Zubehör binnen einer Frist, die inzwischen verstri-
chen ist, an sie zurückzugeben. Johann hatte erneut nach Hans von Rittenhofen geschickt
und sich mit ihm darauf geeinigt, an Stelle ihrer Burg Groß-Varsberg die Burg Klein-
Varsberg an sie zu übertragen, was am vergangenen Mittwoch (5. März) hätte geschehen
sollen; er hatte jedoch brieflich um Aufschub bis kommenden Sonntag (9. März) gebeten
(Nr. 22). Ihr Amtmann Johann Faust von Diebach hatte dem Überbringer des Briefes, dem
Boten Vümpel, mitgeteilt, ihm sei der kommende Sonntag, Montag oder Dienstag (9. bis
11. März) genehm. Johann sollte jedoch rechtzeitig zwei Tage zuvor Tag und Uhrzeit mit-
teil en. Da dies noch nicht geschehen ist, fordert Elisabeth Johann auf, dem Boten, der ih-
ren Brief überbringt, eine schriftliche Antwort zu geben. Er soll ihr einen Tag zwischen
dem kommenden Samstag und Dienstag (8. bis 11. März) nennen, an dem sie ihre Amdeu-
te zwecks Übergabe einer der beiden Burgen schicken kann, und für deren sicheres Geleit
sorgen.
(-22-23-24-)
Abschrift mit geringfügiger interlinearer Korrektur. Sie befindet sich zusammen mit den
280
Abschriften Nr. 21, 22, 24 auf einem Bogen, der rückseitig nicht beschrieben ist. - LA Saar-
brücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/9 (Rotel). Vgl Abb. 22.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne etc.
Johan, als vnser scholthesse von vns(er)n wege(n) mit dir vberkom(m)en ist, dz du vns
vnser sloß G(ra)ffen Warsberg vnd vns(er) gut, dz wir (3) da jnne hatten, bynne(n) eyner
zijt, die nu v(er)gange(n) ist, zu vns(er)n hande(n) stellen vnd wider jn geben solte, jn mas-
se(n) der brieff (4) dar vber gemacht dz jnneheldet vnd wir dir zugeschriben han, solichs
vberkom(m)ens zu folgen; vnd dar nach hastu nach (5) vns(er)me vorgeschr(iben)
scholthessen geschickt vnd yme gesagt, dz du vns vns(er) vorges(chriben) sloß nit wider
zu vns(er)n hande(n) gestehen (6) mochtes vnd dz du vns Klein Warßberg daruor jngeben
woltes vnd dz vff mittwoche nehste v(er)gange(n) getan solde han, (7) dez du nit getan,
sonder vns(er)me eg(enante)n scholth(eißen) vff disen v(er)gange(n) dinstag geschr(iben)
vnd eine lengonge da jnne genom(m)e(n) haist (8) bis vff sondag nehste kom(m)ende; vff
dieselbe dine schrifft Knebel, vnser amptman, vnd der vorg(e)n(ante) vnser scholth(eiß)
mit Vümpel, (9) dime boden, geredt hant, dz er mit dir reden wolte, dz du vns ye der vor-
geschoben) slosse eyns vff disen nehsten sondag, mondag (10) oder dinstag zu vns(er)n
hande(n) stellen vnd jngeben woldes, jn masse(n) man dez vberkom(m)en ist, vnd vff we-
lichen der dage eyne(n) (11) du dz sonder lengonge vnd dz is gewisse we(re) also dun wol-
tes, dz du vns dis furderlich zwene dage beuor wisse(n) lasse(n) soltes, (12) vff dz vns(er)
amptlude nit aber vmb sust rijden dorfften. Vnd wan(n) vns nu noch keyne antwert daruff
worde(n) ist vnd wir (13) der Sachen g(er)ne eine ende hetten, beg(er)n wir mit ernste, dz
du vns bij disem vns(er)me boden v(er)schriben wissen lassen wolies, vff (14) weliche(n)
dag vnd vff weliche zijt des dages affter disen nehste(n) samsdag wir hie tusche(n) vnd
dinstage nehste kom(m)e(n)de vns(er) (15) amptlude vnd ander die vns(er)n zu dir schicken
sollen, der eg(enante)n slosse eyns von vns(er)n wegen von dir jn zuneme(n), jn masse(n)
man (16) dez vbertragen ist, vnd dz du auch dar an sin wolies, dz vns(er) amptlude vnd an-
der die vns(er)n vngeu(er)lich sicher darzu (17) kom(m)e(n) mögen. Vnd wolies herzu dun
vnd dich bewisen hie jnne bewisen, als du v(er)stan macht, wie sich daz gebürt, vnd dz (18)
wir is hernach, zu dem dz du is billich dust, geen dich zu erkenne(n) haben. Geben vff fri-
tag zu morgen vor dem sondage Jnuocauit (19) anno d(o)m(ini) m cccc xxxj° jux(ta) sti-
lu(m) Metens(em).
Johan(n)e, h(er)n zu Kerppen vnd zu Warsberg, vnd sal
nymans disen brieff vffbrechen dan er selbs.
1432 MÄRZ 7
(S. Schmitt)
24
Johann von Kerpen an Elisabeth. In ihrem Brief (Nr. 23) habe sie ihn aufgefordert, ihre
Burg (Groß-Varsberg) zurückzugeben, anderenfalls ihr aber seine Burg (Klein-Varsberg)
auszuhändigen, wie er es mit Hans von Rittenhofen vereinbart habe, und ihr den Tag zu
nennen, an dem das geschehen solle. Darauf antwortet er ihr, daß er den Großen Varsberg
281
nicht zu übergeben vermag. Daher will er ihr seine Burg (Klein-Varsberg) am nächsten
Montag (10. März) gemäß der Übereinkunft mit Hans von Rittenhofen übertragen.
(-23-24-25-)
a) Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur grün-braune Wachsspuren vorhanden. In
der linken oberen Ecke von jüngerer Hand der Vermerk: Warsperg. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 12.
b) Abschrift des selben Briefes durch die Saarbrücker Kanzlei. Sie befindet sich zusammen
mit den Abschriften Nr. 21, 22, 23 auf einem Bogen, der rückseitig nicht beschrieben ist. -
LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 9/10 (Rotel).
a)
Genedige frauwe, alß yr myr geschr(iben) ham, so wie uwer scholtyß myt r uberkome(n)
(3) uberkomen sy, daß jch uch uuer sloß Warsp(er)g vnd uwer gut zu uweren henden (4)
stellen solde ader daß nyt geschehe, so solde ich uch myn sloß Warsp(er)g (5) in uwer hant
stellen, in der fugen der scholtyß vnd ich des eynß (6) werde(n) sy, vnd begerent deß an
mych, daß ich uch wyste(n) laße, uff (7) weß dageß ich uch myn sloß Warsp(er)g in uwer
hant stellen wolle. Dar (8) uff begere(n) jch uch zo wyße(n), daß abe sach were, daß jch
uch uwer sloß (9) Groß Warsp(er)g nyt in uwer hant stellen mochte. So will ich uch myn
(10) sloß Warsp(er)g in uwer hant stelle(n), in der fuge(n) der scholtyß vnd jch (11) va(n)
eyn gescheiden syn, uff dyse(n) nesten mandag nest na datu(m) dyß (12) bryffys. Her na
wyßent uch zo rychte(n). Gebe(n) vnder myme sygel uff (13) frydag nest var dem son-
dag(e) Jnuocauyt j(n) dem jar m cccc xxxjj.
Joha(n), her(e) zo Kerpe(n)
vnd zo Warsp(er)g.
verso:
)
Der wolgebore(n) frauwe(n) Ellyssabet
va(n) Lottrynge(n), g(ra)ffyne(n) wytwa zo
Naßuwe(n) vnd zo Sarbrucken.
b)
Gnedige frauwe, als ir mir geschr(iben) hant, so wie uwer scholth(esse) mit mir vber-
ko(m)me(n) sij, dz ich uch uwer sloß Warßberg (2) vnd uwer gut zu uw(er)n handen stellen
solde, oder dz nit geschee, so solde ich uch myn sloß Warßberg jn uwer handt stellen, (3)
jn der fugen der scholth(esse) vnd ich dez eins worden sin, vnd beg(er)nt dez an mich, dz
ich uch wissen lasse, vff was dages ich uch myn (4) sloß Warßberg jn uwer handt stelle(n)
wolle. Darvff beg(er)n ich uch zu wissen, obe Sache we(re), dz ich uch uwer sloß Groß
Warsberg (5) nit jn uwer handt stellen mochte. So will ich myn sloß Warsberg jn uwer
handt stelle(n), jn der fugen der scholth(esse) vnd (6) ich von ein gescheiden sin vff dise(n)
nehste(n) mondag nehste nach datu(m) dis briefes. Her nach wissent uch zu richte(n).
Gebe(n) vnder (7) myme jngesigel vff fridag nehste vor dem sondage Jnuocauit jn dem jare
282
m cccc xxxij.
Der wolgeborne(n) frauwe(n) Elisabeth von Lothringen), Johan(n), here zu Kerp-
g(ra)ffynne widewe zu Nass(auwe) vnd zu Sarbr(ucken). pen vnd (11) zu
Warsberg.
(J. Herold)
1432 MÄRZ 29 25
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie rekapituliert zunächst die bisherigen Verhandlun-
gen und Vereinbarung mit ihm wegen der Rückgabe der Burg Groß-Varsberg:
Nachdem ihr dieselbe durch Johann abgenommen worden war, hatte sie ihm geschrieben
und ihn bedrängt, die Burg zusammen mit ihrem darin enthaltenen Gut zurückzugeben. Da
er das nicht hatte tun wollen, war sie um einen Schiedstag in dieser Sache bemüht, worauf
er aber nicht eingegangen ist. Daraufhin ist ihr Schultheiß von Saarbrücken (Hans von Rit-
tenhofen) mit ihm zusammen gekommen und hat eine Vereinbarung mit ihm getroffen,
wonach Johann ihr die Burg binnen zwölf Tagen aushändigen sollte. Darüber ist eine Ur-
kunde ausgestellt worden (Nr. 18). Das hat er aber nicht eingehalten und statt dessen mit
ihrem Schultheiß verabredet, seine Burg Klein-Varsberg am vergangenen Aschermittwoch
(5. März) an Elisabeth zu übergeben und solange zu überlassen, bis sie ihre Burg (Groß-
Varsberg) zurück erhalten haben wird. Am Fastnachtsdienstag (4. März) hat er aber erneut
an den Schultheißen geschrieben und um acht Tage Aufschub bis zur Übergabe einer der
beiden Burgen gebeten (Nr. 22). Dem hat sie in ihrem Antwortschreiben stattgegeben und
ihn zugleich aufgefordert, mitzuteilen, wann genau innerhalb der acht Tage er es zu tun ge-
denke (Nr. 23). Darauf hat er geantwortet, am nächst folgenden Montag nach dem Sonntag
Invocavit (10. März) die Angelegenheit erledigen zu wollen (Nr. 24). Als ihre Leute nun am
besagten Montag die Burg übernehmen wollten, ist ihnen das nicht möglich gewesen. Da-
mit hat er zum wiederholten Male gegebene Zusagen nicht gehalten. Deshalb setzt sie ihm
(erneut) eine Frist von acht Tagen (bis 5. April), innerhalb derer er ihr einen Tag benennen
soll, an dem die Übergabe stattfinden wird. Wenn ihre Leute dann zu ihm kommen, soll er
deren Sicherheit vor ihm und den Besatzungen beider Varsberg für Hin- und Rückreise ga-
rantieren. Falls er sich weigern sollte, will sie vor Fürsten, Grafen, Freiherren, Rittern,
Knechten, Städten und Sonstigen gegen ihn Anklage erheben.
(-24-25-47)
Abschrift mit interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
9/11 (Rotel).
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe zu
Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
Johan, here zu Kerppen vnd zu Warsberg, als wir dir '°r ettwie dicke geschriben vnd an
dich gefordert han, dz du vns vnd (4) vns(er)n gemeynern vnser sloß, genannt G(ra)ffen
Warsberg, vnd vns vnser gut, dz wir da jnne hatten, zu vns(er)n hande(n) stellen (5) vnd
wider jngeben woldes, als wir dan(n) meynte(n), dz du billich dedes, nast dem du vns das-
selbe vnser sloß vß vns (er) me lehen (6) vnd wider dar jn aen vede vnd aen vigentschafft
283
vnd vmbewart diner eren geen vns vnd bynne(n) dez, dz du vns von (7) ma(n)neschafft
wegen v(er)buntlich bist, angewonne(n) vnd abegelauffen haist, vnd dir jn solichen
vns(er)n forderonge(n), briefe(n) auch (8) geboden ist, abe dich beduncken wolde, dz du
vns vns(er) vorges(chriben) sioß vnd gut nit wider zu vns(er)n handen stelle(n) vnd jnge-
ben (9) soldes; dz wir dan(n) zu dage geen dich kom(m)e(n) oder schicken wolden, von dir
zu neme(n), wz du vns von eren vnd rechts wege(n) (10) dar vmb dun soldes, dz vns doch
von dir nit gedigen mochte. So ist vns(er) scholthesse zu Sarbrucken nach solicher vns(er)
(11) schriffte bij dir gewest, vnd sint du vnd er von vns(er)n wegen mite>nander vber-
kom(m)en, dz du vns vnser vorgeschr(iben) sloß vnd gut bynne(n) (12) zwolff dagen nach
dem dage, als solich vberkom(m)en geschag, wider zu vns(er)n handen stellen vnd jnge-
ben solte vngeu(er)lich, (13) jn masse dz jn eime vffen v(er)sigelten briefe dar vber gemacht
eigendich begriffen ist. Des enhastu vns auch nit gehalte(n), (14) vnd dar nach hastu
vns(er)n vorges(chriben) scholthesse(n) aber zu dir v(er)bodt vnd bist anderwerbe mit
yme vberkom(m)en, dz du vns das (15) Kleine Warßberg, dz doch vnser lehen ist, vff den
Eschemittwochen nehste v(er)gangen zu vnsern handen stellen vnd jngeben (16) solte bis
vff die zijt, dz wir wider zu vns(er)me vorges(chriben) slosse vnd gute quemen, jn fügen
dz jn dem vorges(chriben) briefe (17) v(er)schriben ist. Solichs du vns(er)me eg(e)n(anten)
scholthesse(n) vff den dinstag an der faßnacht spede mit dime briefe vnd boden (18) wi-
derbüde vnd beg(er)te eine(n) v(er)zug acht dage, da bynne(n) woldes du vns der
eg(e)n(anten) slosse ye eyns jngeben, jn masse(n) man (19) dez vberkom(m)en w(er)e, soli-
chen v(er)zugs dir mit vns(er) schriffte gefolget wart; also dz du vns wider schriebes, vff
welichen (20) dag bynne(n) den echtdagen dz also zugan solde. Dar vff du vns wider
schriebe, dz du den Sachen vff den mondag (21) dar nach, dz wz ne(m)melich vff den
mondag nach dem sondage Jnuocauit nehste vergange(n) nachgan(n) woldes, wie (22) du
vnd vns(er) eg(e)n(anter) scholth(esse) dez vberkom(m)en werent, als man dis alles jn den
briefen, die du vns vnd vns(er)me eg(e)n(anten) (23) scholth(essen) geschriben haist, ey-
gentlicher v(er)stan mag. Vff soliche dine verschribonge gleublich zu sagen vnd schrifft,
(24) wir den ytzeg(e)n(anten) vns(er)n scholthesse(n) vnd ander vnser diener vnd die
vns(er)n vff den vorges(chriben) mondag nach dem sondage (25) jnuocauit vß schicketen,
dz eg(e)n(ante) sloß Kleyn Warsberg von dir jnzuneme(n) vnd zu vns(er)n handen zu stel-
len, jn massen (26) dz beredt, zugesagt vn zugeschriben ist. Dz hait vns vnd yn von
vns(er)n wegen auch nit moge(n) gedigen vnd haist vns (27) soliche vorgeschr(iben)
v(er)schribonge gleublich zu sagen vnd zu schrifft auch nit gehalden. Her vmb so
ford(er)n wir vnd (28) gesynne(n) aber mit ernste an dich, dz du vns soliche vor-
geschrib(e)n verschribonge gleublich zu sage(n) vnd zu schrifft (29) noch huds dages fur-
derlich vnd aen v(er)zug bynne(n) echtdage(n) nehste nach datu(m) dis briefes halden,
dem nachgan vnd (30) gnug dun wolles. Vnd vff welichen dag du daz bynne(n) diser
nehsten acht dage(n) also dun wilt, las vns dry dage (31) zu vor v(er)schriben wissen, so
wellen wir die vns(er)n dar bij schicken, dz also zu neme(n), also dz sij siecher vnd getrost
(32) sien vor dir vnd allen den, die jn den zwein Warßbergen ligent, dar vnd danne(n) bis
wider geen Sarbrucken (33) aen geu(er)de. Vnd gest du vns dez vß, so wellen wir die
vns(er)n--dar bij schicken d fürsten, g(ra)ffen vnd frijhen, (34) ritt(er)n, knechten, steden
vnd anders allermenlich, wem wir mögen, von dir schriben, sagen vnd clagen, dz du vns
284
(35) vns(er) sloß vnd gut vß vns(er)me lehen vnd wider dar jnne vnd bynne(n) dez, dz du
vns von ma(n)neschafft wege(n) ver (36) buntlich bist, aen vede vnd aen vigentschafft vnd
vmbewart diner eren geen vns abegelauffen vnd angewon(n)e(n) (37) haist vnd dz du vns
die vorges(chriben) vberkom(m)en vnd v(er)sigelte briefe, die wir von dir han, vnd
gleublich zu sagen vnd (38) zu schrifft nit gehalden habes vnd noch nit haldes vnd dz dir
vnser sloß %nti gut lieber sij dan(n) dine ere vnd dz du vns (39) eren vnd rechts vßgange(n)
bist vnd vbel bößlich vnd felschlich an vns gefaren habes vnd fares vnd vort dar (40) zu
dun, wie wir dan(n) an rade finden, dz vns noit sij. Gegeben vnder vns(er)me jnges(igel),
heran gedruckt vff samsdag (41) vor dem sondage Letare anno d(o)m(ini) m cccc xxxij°.
verso:
Kerppen.
(N. Janich)
1432 April 15, Nancy 26
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth. Die Empfängerin hat ihr mitgeteilt, daß
Johann von Kerpen in ihre Burg Varsberg eingedrungen sei und daß diese Besetzung ihr
von ganzen Herzen leid täte. Sie hätte sich damit gerechtfertigt, daß die Sache zu ihrem
Leidwesen und ohne das Wissen und die Zustimmung von ihr und ihren Amtleuten ge-
schehen wäre. Darauf habe die Herzogin in ihrer Antwort den großen Schaden beklagt, der
dem Herzog von Bar und dessen Landen und Untertanen von der Burg aus tagtäglich be-
reitet werde, und darum gebeten und gefordert, Elisabeth möge durch ihr Verhalten erken-
nen lassen, daß besagter Johann gegen ihren Willen in die Burg eingedrungen sei, wie sie
behaupte. Doch hat sie trotz aller Aufmerksamkeit nicht bemerkt, daß Elisabeth solche
Vorkehrungen getroffen hätte. Für die Schäden, die ihrem Gatten entstanden sind, verlangt
sie Wiedergutmachung und die Garantie, daß in Zukunft von der besagten Burg aus solche
nicht mehr entstehen. Trotz aller dieser Dinge hat sie bei ihrer Rückkehr vom Herzog von
Burgund, wo sie wegen der Freilassung ihres Gatten verhandelt hatte, von der Klage meh-
rerer Amtleute und Untertanen ihres Gatten erfahren, welche die schweren Schäden betref-
fen, die von Varsberg aus Land und Leuten widerfahren sind. Darüber ist sie sehr verwun-
dert, da Elisabeth ihr doch mitgeteilt hat, dagegen Vorgehen zu wollen. Im Vertrauen dar-
auf haben ihres Gatten Untertanen nicht an Vorsicht gegenüber dieser Burg gedacht. Sie
verlange daher vollständige Wiedergutmachung der Schäden wie auch der dadurch entstan-
denen Folgekosten. Zudem solle Elisabeth dafür Sorge tragen, daß keine neuen Schäden
entstünden, um weitere Forderungen zu vermeiden. Anderenfalls hat die Herzogin nicht
die Absicht, stillschweigend darüber hinweg zu gehen. Über den Boten soll Elisabeth ihr
mitteilen, was sie zu tun gedenkt.
(17-26-27)
Ausfertigung mit geringfügiger Korrektur. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsspu-
ren vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/5 (Rotel).
La duchesse de Bar et de Lorrain(n)e etc. Treschi(er)e (et) tresamee cousine. Nous tenens,
que vous (2) deuez bien auoir en memoire co(m)ment ja pieca apres, que Jehan de Cerpen
285
entra en v(ost)re fort(er)esse (3) de Warnepech. Vous nous esc(ri)puistes par voz l(ett)tres
et feistes dire, que la d(i)te prinse de v(ost)re d(i)te (4) fort(er)esse vous desplaisoit de tout
v(ost)re cuer et vous excusiez, que la chose auoit este f(ai)te (et) aduenue (5) a v(ost)re
desplaisance et sans le sceu et consentement de vous ne de voz offic(ier)s. Mais v(ost)re
entenc(i)on (6) estoit de en ce pourueoir et mettre remede tel, que nous congnoistriens et
app(er)ceuriens, (7) que la chose estoit f(ai)te et aduenue a v(ost)re desplaisir. Surquoy dez
lors vous resc(ri)puismes par (8) noz l(ett)res que de la d(i)te fort(er)esse auoient este fais et
se faisoient au ch(ac)un jour a monseign(eur) (9) et a ses pays et subgez de tresgrans
do(m)mages. En vous priant (et) requérant tresiustamnent (10) que en ces choses voulsis-
siez tant faire, que peuissiens congnoistre et app(er)ceuoir, que a v(ost)re (11) desplaisance
le dit Jehan estoit entrez en v(ost)re d(i)te fort(er)esse, ainsy co(m)e le nous auiez esc(ri)pt.
(12) Et s’ainsy le faisiez nous vous en auriens plus excusee. De la quelle v(ost)re prouision
(13) ne nous so(m)mes aucuneme(n)t app(er)ceue. Aincois auous tousiours attendu et en
esperance, q(ue) (14) a ce vous po(ur)uerriez. Cest as sauoir que les do(m)mages, qui ont
este fais a mons(eigneur), lui (15) serrient restituez et que de la en auant ne lui serrient de
v(ost)re d(i)te fort(er)esse fais aucuns (16) do(m)mages. Mais non obstant toutes ces choses
quant nous so(m)mes p(rese)ntement retournée (17) de deuers n(ost)re treschier et tresame
s(eigneur) et cousin de Bourg(og)nc ou nous auons este pour besoingnier (18) sur le fait de
la deliurance de mons(eigneur). Nous auons sceu par la complainte de plus(ieur)s of-
fic(ier)s (19) (et) subgez de mons(eigneur), que de v(ost)re d(i)te fort(er)esse de Warnepech
ont este et sont au ch(ac)un jour (20) fais et portez pluseurs grans griefs et gros
do(m)mages a mons(eigneur) et a ses terres et pays, (21) ho(m)mes et subgez, dont nous
so(m)mes moult merueilleuse, veu ce que nous auiez escript (22) et fait dire que vous y
mettriez prouision, ce que cuidicn q cuidiens q(ue) deuissiez faire. (23) Car sur ceste confi-
ance et esperance les subgez de mons(eigneur) ne se doubtrient aucuneme(n)t (24) de
v(ost)re d(i)te fort(er)esse. Pour la quelle chose, treschi(er)e (et) tresamee cousine, nous
vous (25) prions et neantmoins vous requérons, que tous les do(m)mages fais et aduenus
de (26) v(ost)re d(i)te fort(er)esse de Warnepech sur mons(eigneur), ses subgez, pais, sei-
gnouries, fiefs (et) gardes, (27) nous vueilliez faire pleine et entière restituc(i)on et restablis-
sement ensemble aussi (28) des frais et coustenges, que a ceste cause mons(eigneur) a souf-
fert, soustenu (et) suppoerte. Et (29) auec ce vueilliez pourvueoir (et) mettre remede au fait
de v(ost)re d(i)te fort(er)esse telement, (30) que d’icy en auant do(m)mages, griefs et
opp(re)ssions nen soient fais nen adueignent (31) a mon dit s(eigneur) ne sur ses diz pays,
terres et seignouries et tant en vueilliez faire (32) que en v(ost)re deffault nous n’ayons cau-
se d’y mettre prouision, co(m)me nous trouurons (33) par conseil, que faire deurons par
raison. Car s’ainsy ne le faitez n(ost)re entenc(i)on (34) n’est pas de laissier passer ceste
chose soubz dissimulac(i)on, que n’y doyons po(ur)ueoir, (35) co(m)me nous trouurons par
conseil. Et sur ces choses nous vueilliez restc(ri)pre (36) par cest porteur v(ost)re volonté et
entenc(i)on. N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa s(ain)te garde. Esc(ri)pt a (37) Nancey le
xvme jour d’auril.
verso:
vj
286
A n(ost)re treschiere et tresamee cousine,
la contesse de Naussoe (et) Sarrebruche.
(J. Herold)
1432 April 19 27
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Ihren Brief, in dem sie sich über die Schä-
den beklagt, die ihrem Gatten, dem Herzog von Bar-Lothringen, seinen Herrschaften, Lan-
den, Lehen und Untertanen von Varsberg aus zugefügt worden sind und wofür sie Wieder-
gutmachung verlangt, hat sie erhalten (Nr. 26). Elisabeth erinnert daran, daß Johann von
Kerpen, der ihr Lehensmann ist, ohne Fehde und Feindschaft von seiner Burg Klein-
Varsberg, die ein saarbrückisches Lehen ist, ihr Groß-Varsberg abgenommen hat. Sie hat
ihn deshalb hart bedrängt und von ihm schließlich die Zusage bekommen, daß er Groß-
Varsberg innerhalb einer bestimmten, bereits abgelaufenen Frist zurückgibt. Sollte es aber
nicht dazu kommen, wollte er ihr seine Burg Klein-Varsberg abtreten, was er ebenfalls
nicht eingehalten hat. Ihr ist dadurch großer Schaden entstanden, für den sie bislang keine
Genugtuung erlangt hat. Daß sie nicht hat verhindern können, daß von Varsberg aus die
Herrschaften, Lande, Lehen und Untertanen des Herzogs von Bar-Lothringen etliche
Schädigungen erfahren mußten, tut ihr aufrichtig leid. Dafür, daß Elisabeth von Bar von ihr
verlangt habe, in diesen Dingen Abhilfe zu schaffen, andernfalls aber selbst eingreifen zu
wollen, äußert sie Verständnis. Nun teilt sie Elisabeth von Bar mit, sich bereits einige Male
an ihren Bruder Anton von Vaudemont gewandt zu haben. Dieser ist aber selten in seinem
Lande gewesen und hat zu der Sache wenig Muße gezeigt. Deshalb hat sie ihm gegenüber
bislang nichts erreichen können. Erst unmittelbar, bevor der letzte Brief Elisabeths von Bar
sie erreichte, hat sie erneut an ihn geschrieben, ihn an seine Pflichten gegenüber dem Her-
zog von Bar-Lothringen und ihr selbst gegenüber ermahnt und die Rückgabe von Groß-
Varsberg verlangt. Sie bittet Elisabeth von Bar, ihren Bemühungen Glauben zu schenken.
In deren und derer Räte Sinne will sie auch weiter gegenüber ihrem Bruder auftreten. Gern
wird sie ihre Leute zu den Leuten der Herzogin nach Forbach oder (Ober)Homburg auf
einen Tag schicken, den Elisabeth von Bar ihr rechtzeitig benennen soll. (-26-27-30-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen sowie nachträglichen Überarbeitungen und Ergän-
zungen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/6 (Rotel).
Min demütiges gebet vnd waz ich v(er)mag uw(er)n gnad(en) alletzit vorgeschr(iben).
Gnedige liebe frauwe vnd müme, (2) als uw(er) gnade mir vtze nehste von Warsberges we-
gen hait dun schriben vnd an mich fordere(n) soliche schad(en), (3) als myme gnedig(en)
h(er)n von Baer vnd von Lothringen), sine(n) h(er)schafften, landen, lehen vnd
vnd (er) saßen (4) vß von de(m) eg(enanten) Warsp(er)ge gescheen, vnd die costen vnd
schad(en), die dauon entstand(en) sin, mog(en) (5) gekert vnd daz desglichen veft da(n)nen
nu(n)me zu geschee(n) bestalt forderent, jn maße daz mit (6) and(er)m jn uw(er) gnaden
brieffe eygentlich begriffen ist etc., han ich v(er)standen vnd hoffen, uw(er) gnade (7) habe
wol v(er)nomen, wie Johan(n) von Kerppen (abynn(en) des, daz era^ mir von Johans, myns
sons, vnd d(er) g(ra)ffeschaff von Sarbr(ucken) weg(en) (8) v{er) von ma(n)neschafft
weg(en) v(er)buntlich ist, vnd mir vß dem Cleyne(n) Warsb(er)ge vnd wied(er) dar jn, (9)
287
daz doch von der g(ra)ffeschaff ^ von Sarbr(ucken) zu lehen ruret, myn vnd myn(en)
gemeyn(er) sloß, gena(n)t (10) G(ra)ffen Warsb(er)g, abe gelauffen vnd vns daz ange-
won(n)en hait aen vede vnd aen vige(n)schaff vnd vnbewart (11) sin(er) eren gheen mich
vnd myme vorges(chriben) sonne. Dar vmb ich yn faste hohe, hart vnd sw(er)lich (12) be-
dedmget vnd an sine ere geschuldiget vnd auch dun werben han,
daz ich daz obeg(enante) sloß (13) G(ra)ffen Warsb(er)g g(er)ne wlder zu myne(n) handen
bracht hette, daz mir doch nach bisher von d(em) eg(enanten) Johan(n) nit (14) hait
mog(en) gedig(en), wie wol ir sich d(cr'i es(enante) Johan sjjt d(er) zijt, daz er in daz eg(enante)
sloß G(ra)ffen Warsb(er)g jn vorges(chriben) maße (15) kom(en) ist, sich v(er)schr(iben)
vnd v(er)buntlich gemacht hait, mir daz obeg(enante) sloß G(ra)ffen Warsb(er)g bynne(n)
(16) eyn(er) zit, die bange v(er)gang(en) ist, vnd obe er des nit gedun mochte, sin sloß, ge-
nagt Cleyne Warsb(er)g, (17) zu myn(en) hand(en) zu stell(en) vnd jn zu geb(en), als die
briefe, dauon gemacht vnd geschr(iben), daz (18) alles vßwisent, daz LI mir auch doch nit
gehald(en) vnd ist hak vnd sich gar faste vnd sw(er)lich (19) gheen mich v(er)kurtzet hait.
Vnd ist ir mir auch eren vnd rechts vsgega(n)gen vnd wider (20) (bmirbl ub(er) solichs alles
myn sloß vnd gut, daz ich da jnne hatte, beuor behald(en) vnd ist dartzu (21) mir vnd
myn(en) kinden m>me obeg(enanten)sonnc vncj den:) vns mit rechte zu v(er)antw(er)ten vnd
zu v(er)sprech(en) (22) stent, groß schade vß d(em) eg(enanten) slosse vnd dar jn gescheen,
dar vmb mlr keyne keru(n)ge noch (23) gelichs hat mog(en) wied(er)faren. so han ich is
auch nit Dar an uw(er) gnade wol v(er)stan(n) (24) mag, sint myme obeg(enanten) gne-
dig(en) h(er)n von Bar vnd von Lothringen), uw(er)n gnad(en), uw(er)n h(er)schafft(en),
landen, (25) lehen od(er) vnd (er) säße (n) eyniche schad(en) von d(em) eg(enanten)
Warsb(er)ge geschee(n) getan(n) vnd zu gefugt (26) od(er) noch dauon gescheen, daz
ich daz nit han mog(en) oder mag geweren, daz mir nit lieb, sond(er) (27) getruwelich leit ist;
vnd getruwen uw(er)n gnad(en) wol, mich deshalb anspr(re)chen vnd forderu(n)gen (28) zu
erlaß(en), als auch W ,n uwe(r) gnad(en) brieffe gemeldet ist, daz uw(er) meynu(n)ge nit sij,
daz die sach(en) (29) also vnder hym hyn zugen durch zu gan(n) lassen, vnd daz ich dartzu
dun wolle, daz (30) uwern gnad(en) nit gebure uw(er) gnade dartzu nit dun muße, wie ir an
rade finden w(er)dent (31) etc. Gnedige liebe frauwe vnd müme müme, beg(er)n ich
uw(er)n gnad(en) zu wiss(en), daz ich etwie (32) manige botschaff zu myme brud(er) von
Wydemo(n)t getan(n) han vnd ab(er) botschaff zu yme han (33) die sache(n) g(er)ne zu
fruntlichem gude(n) ende bracht hette. Nu ist myn eg(enanter) brud(er) nit alletzijt (34)
jnheymisch gewest vnd hait auch vnmuße vorhand(en) gehabt, deshalb ich d(er) Sachen
(35) noch nit zu ende han mog(en) kom(en). Vnd dar vmb han ich ytze kurtze daruor, ee
(36) uw(er) gnad(en) brieff mir kom(en) sij, vnd nu ytze and(er) w(er)be, sijt c/ d(er)selbe
uw(er) gnade(n) brieff (37) mir kom(m)e(n) ist, ab(er) ernstlich botschaff zu yme getan(n)
jn treffelich(er) werbunge myme (38) obeg(enanten) gnedige(n) h(er)n von Bar vnd von
Lothringen) 'nd uw(er)n gnad(en) zu dienste vnd zu willen (39) vnd auch mir vnd myme
eg(enanten) sonne vnd den gemeyn(en) landen zum besten daz (40) eg(enante) sloß
G(ra)ffen Warsb(er)g wyd(er) zu myn(en) su vnd myn(er) gemeyn(er) hande(n) zu bren-
288
gen, abe (41) daz ich auch jn warheit mit truw(en) g(er)ne dun wolde dede, wan(n) ich
mich ye 'Cin den od(er) and(er)n Sachen gar vng(er)ne halt(en) od(er) bewisen wolde, das
dan(n) wie yme -wol....geburtc) gar vng(er)ne (42) vnd myme gelympe wol fuget. Vnd
getruw(en) uw(er)n gnad(en) sond(er) zwiuel gentzelich wol, (43) mir des zu gleub(en) vnd
is daruor zu haben, naste dem ich vnd myne kinde uw(er)n gnad(en) (44) gewant sin.
Desglichen ich gheen myme obeg(cnantcn) obeg(enanten) brud(er) auch billich dun, als
uw(er) gnade (45) vnd uw(er) erber rette daz wol v(er) stent. Wie nu dem allen beduchte
uw(er) gnade, daz ich (46) eyniche hyn zuge od(er) icht, daz vngelich w(er), jn dies(er)
sach(en) vorneme, des ich doch vmmers (47) nit hoffen noch meyn(en) zu dun, so wil ich
myne frunde g(er)ne zu den uw(er)n schicken gheen (48) Hoemb(ur)g od(er) Furpach vff
em(en) nemelichen dag, den uw(er) gnade mir seh-neben- -vnd zu K ' w
vnd (49) redelich(er) zijt beuor zu wissen dut, daz ich myne frunde dartzu g{ ] ordenieren
j i ^11/ \ zu bestellten) vnd zu ordenieren /n-n\ • i 1 alda von 1 •, , \ (d 1
vnd besteH(en) v ' , (50) möge sich dauon den sach(en) v und wie
vnd die vorhant zu nem(en) solle Mcn mogedl zu vnd (er) rede (n), wan(n) lch uw(er) gnade
mich abe Got wil ye nit and(er)s (51) dan(n) vffrichdg vnde gelich finde(n) sal lass(en) sal.
Gnedige liebe frauwe vnd müme, uw(er) (52) gnade duhe mir alletzit gebied(en). Ge-
geben) vff den Heilig(en) Ost(er) Abent anno d(o)m(ini) m cccc xxxij°.
Der hochgeborn(en) furstynn(en), frauw(en) Elisabeth, Elisabeth etc.
h(er)tzogy(n)ne (55) zu Bar vnd zu Lothringen), h'er')tzog>nne vnd
margg(ra)ffynne, margg(ra)ffynne (56) zu g Pontemous vnd
g(ra)ffynne zu Guise, myn(er) gnedig(en) lieb(en) frauw(en)
vnd mümen.
(Ch. Maillet)
(a - a), (c - c) und (d - d) am linken Rand ergänzt,
(b - b) nach links auf den Rand verschoben.
1432 April 19 Saarbrücken 28
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie bittet ihn, wie schon in den früheren Briefen,
dafür zu sorgen, daß ihr die Burg Varsberg, die sich Johann von Kerpen angeeignet und an
Anton übergeben hat, zusammen mit dem dazu gehörigen Gut zurückgegeben wird. In ih-
ren vorangegangenen Briefen sei dies ausführlicher enthalten, weswegen sie deren Ab-
schrift mitschickt (Nr. 3, 6, 11). Auf jene Briefe hat sie bisher keine Antwort bekommen
außer durch seinen Bellis Gerhard (von Pfaffenhofen), der bei ihr war und nach dessen
Rückkehr sie eine zufriedenstellende Antwort habe erhalten sollen. Auf eine solche warte
sie immer noch, obwohl ihres Wissens Gerhard inzwischen zurückgekehrt sei. Sie hat so-
dann ihren Diener Hannemann von Saarbrücken nach Joinville geschickt, damit er an ihrer
Stelle mit Anton über Varsberg spreche. Hannemann hat aber nur dessen Gatdn angetrof-
fen. Daher hat Elisabeth wieder keine Erwiderung von Anton selber erhalten, worauf sie an
289
seinen Vogt Gerhard geschrieben und diesen gebeten hat, nach Metz oder an einen ande-
ren geeigneten Ort zu kommen, damit sie jemanden schicken kann, der mit Gerhard über
Varsberg sprechen sollte. Gerhard habe jedoch geschrieben, daß er in dieser Sache nicht
handeln könnte, da Anton nicht im Lande sei. Wenn er aber zurück wäre, würde er mit ihm
sprechen und gern zu ihr kommen. Wegen anderer Geschäfte sei Anton dazu aber nicht in
der Lage gewesen, so daß Gerhard weder zu ihr gekommen ist, noch sie eine andere Ant-
wort erhalten hat. All diese Dinge sind nachteilig sowohl für ihn als auch für sie und ihre
Kinder. Den Schäden abhelfen zu wollen, würde erneute Verluste für sie bedeuten. Weder
heute noch auf lange Sicht kann Varsberg für ihn nützlich und vorteilhaft sein, denn er
müßte um es zu halten, dafür soviel einsetzen, wie er daraus nicht wiedergewinnen könnte,
so daß die Burg ihm auf Dauer nicht nutzen würde. Welch schwerer Schaden und Verlust
Elisabeth aus der Sache mit Varsberg widerfahren würde, kann er zum Teil aus der Kopie
eines Briefes der Herzogin von Bar entnehmen, den diese ihr neulich geschrieben hat und
die Elisabeth ihm mitschickt (Nr. 26). Sie bittet ihn, daß er ihr die Burg Varsberg mit ihren
Gütern zurückgeben läßt. Falls der Krieg zwischen ihm und dem Herzog von Bar, der zur
Zeit ruht, wieder aufflammen würde, versichert sie, daß ihrerseits von Varsberg aus nichts
gegen ihn geschehen solle, solange dieser Krieg andauere, wie sie schon einmal geschrieben
hat. Diese Sache scheint ihr vorteilhafter und günstiger für ihn zu sein, als der Versuch,
beide Varsberg in dieser Weise zu halten. Denn das sei wohl nicht zu machen, wie er hin-
länglich wissen müßte. Wenn es aber stimme, daß sie und ihre Leute etw'as gegen ihn un-
ternommen hätten, wras sie nicht durften, werde sie solange kein Vertrauen mehr in ihn ha-
ben, bis er sich ihre Argumente anhören werde. Sie fordert ihn zu einem gemeinsamen
Treffen in Vézelise auf. Dort werden sie und ihre Amtleute Argumente, die ihn zufrieden
stellen sollen, vortragen und ihn unterrichten, wie sich Johann von Kerpen verhalten hat
und wras für ein Mensch er ist. Wenn er aber wegen anderer Geschäfte nicht nach Vézelise
kommen kann, bittet sie ihn, daß er unverzüglich und rasch seinen Bellis Gerhard (von
Pfaffenhofen) nach Saarbrücken schickt, damit sie mit ihm über die besagten Angelegen-
heiten sprechen und er Anton dann berichten kann.
(-15-28-29-)
Abschrift. Sie befindet sich mit der Abschrift Nr. 15 auf einem Bogen, der rückseitig nicht
beschrieben ist. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/4 (Rotel).
Treschier et t(re)same fr(er)e. Je moy recom(m)ande a vous tant co(mm)e je puix plus.
Co(mm)e par mes p(re)cedent l(ett)rez vous ay esc(ri)pte priey (2) suppliey et requera sur
l’amour et foy q(ue) fr(er)es et suers debuent auoir assamble qu’il vous plaisist a my rendre
(et) de faire (3) remettre en mes mains ma fourt(er)esse et maison de Warnessperg, ensam-
ble mes b(ie)ns qu’en ycellee auoie, q(ue) Jehan de Kerppen (4) ait guargnie et prise (et)
mis en voz mains, co(mm)e j’ay entendu, ad fin q(ue) je ad cause de ce n’ehusse villain re-
prouche et deshone(ur) (5) et q(ue) my (et) mes anffans ne fuissiens desheritey, co(mm)e
tout ce auec plusseurs aut(re)s choses est plus asplain c(on)tenus en mes (6) d(i)tes
p(re)cedent l(ett)res auous e(n)uoyees, dont je vous enuoye le t(ra)s t(ra)nsc(ri)pt auec ces
p(rese)ntes. Sur lesquelles mez l(ett)res ne m’auez (7) fait aut(r)e responce fort que tant
q(ue) quant Guerart v(ost)re baillj q(ue) lors pour ceste ca(us)e disistes estre hors serait re-
tourne deu(ers) (8) vous (et) vous jnforme du fait, me feriez telle (et) si bonne responce
290
q(ue) par raison en debueroye estre contente. Et (9) sur esperance d’auoir ycelle responce
attendoie de renueier deuer vous tant je fuix jnformee q(ue) le d(it) Guerart estoit (10) re-
tourne p(ar) delay. Et lors e(n)uoya au lieu de Joy(n)uille Han(n)ema(n)n de Sarrebruche
mon s(er)uiteur po(ur) parler et besoignier (11) a vous depar my touchant la d(it)e war-
nesp(er)g sur voyes q(ue) ehussient esstre honorable, p(ro)ffitable (et) co(n)uenable pour
vo(us) (12) et aussi en p(ar)tie pour my (et) mes enffans. Et est ainsi q(ue) pour ce q(ue)
vous n’esties mie pour lors au d(it) lieu de Joynuille, (13) le d(it) Ha(n)neman ne pooit
p(ar)ler a vous (et) en parlât a ma t(re)schi(er)e (et) t(re)samee suer v(ost)re feme (et) es-
ponze. Surquoy je n’ay (14) ehu aucu(n)e responce depar vous. Et pour ce ay de puix
resc(ri)pt au d(it) Guerart priant qu’il se voulcist tirer jusq(ue)s a Mets (15) ou en aucu(n)e
aut(r)e lieu co(n)uenable (et) q(ue) j’enuoyeroie de mes gens (et) amys deu(ers) luj pour
parber parler a luj sur le fait (16) touchant la d(i)te Warnesp(er)g sur voyes co(mm)e
dess(us). La quelle chose le d(ite) Guerardt n’at pour lors peu f(air)e pour ce q(ue) vous
(17) n’esties mie au pays, co(mm)e il le m’esc(ri)pt disant p(ar) ces l(ett)rez; quant vous se-
riez retournez au pays qu’il en parlerait a (18) vous (et) venroit voulentiers deu(ers) my. Ce
que yl pour aut(re)s occupations puet est(re) n’ait peu fai(r)e. Car il n’est mie ancor (19)
venus deu(ers) my (et) ne m’en ay de puix fait aut(re) responce. Toutes lesquelles choses
sont p(re)judiciable (et) contraire de (20) vous, de my (et) de mes anffans (et) en polriens
tant d’ung coustey, co(mm)e d’aut(re) auoir gros et griefs dopmaiges (et) my (21) et mes
anffans desheritance. Pour tousiours maix et a la longue la d(i)te Warnesperg ne vous puet
estre co(n)uenable (22) ne p(ro)ffïtable. Car se vous la debuez tenir yl vous y faulrat
g(ra)ndeme(n)t mettre et frayer, ce q(ue) d’icelle ne polrez (23) reguaignier, et q(ue) a la
longue ne vous puet aidier. Pour quoy t(re)schier et t(re)same fr(er)e vous prie admia-
bleme(n)t et supplie (24) t(re)seffectueusem(en)t (et) adcerte requérant sur l’amour et foy
q(ue) tousiours auous ehu (et) q(ue) ancor par natu(r)e debuons auoir (25) ensamble
d’auiser et considérer com(m)ent q(ue) my (et) mes anffans som(m)es tenues (et) liey a
mons(eigneur) de Bar tant en hom(m)aige com(m)e (26) aut(re)ment et mon deshon(n)eur
auec les gros et griefs dopmaiges ensamble la desheritance q(ue) my et mes enffans en po-
lriens auoir (27) et aptant(re), com(men)t il vous app(ar)rerait en p(ar)tie par la copie d’une
l(ett)re q(ue) ma dame de Bar m’en ait nouellem(en)t esc(ri)pte. La quelle copie (28) je vous
envoyé enclose en ces p(rese)ntes. Et q(ue) ma d(i)te maison et fourt(er)esse de War-
nesp(er)g ensamble mes b(ie)ns q(ue) en ycelle auoie (29) me veuillez fai(r)e rendre et re-
mettre en mes mains. Par my, ce q(ue) se la guerre entre mondseign(eur) de Bar (et) vous,
q(ue) p(rese)ntement (30) est en treue, se referait, ce q(ue) dieu ne veulle, q(ue) la d(i)te
Warnesperg ycelle guerre durant ne puisse estre contre vous, co(mm)e ja (31) esc(ri)pt le
vous ay. Laquelle chose me semblerait estre plus p(ro)ffitable (et) co(n)uenable pour vous
q(ue) d’antrepranre a tenir les deux (32) Warnesp(er)g p(ar) ceste mani(er)e. Car
bon(n)ement fai(r)e ne se puet co(mm)e assez sauoir le pouez. Treschi(er) et t(re)same
fr(er)e, s’ainsi estoit q(ue) my, (33) mes gens (et) officiers fuissiens rappourte deu(ers) vous
d’aucu(n)ement en ceste mati(er)e auoir fait chose q(ue) ne dehussiens (et) q(ue) (34) pour
ce n’ehussiez bon(n)e voulentey deu(ers) my, mes enffans, gens et offic(ier)s. Dont je n’ay
mie fiance a vous jusq(ue)s a tant, q(ue) vous (35) aurez oyr n(ost)re responce (et) excu-
sac(i)on. Sy vous prie et supplie, requera(n)t sur qua(n)t q(ue) fr(er)ez (et) suers se puellent
291
req(ue)rir, qu’il (36) vous plaise de vous jncontinant de tirer au lieu de Vezelise (et) a my
resc(ri)pte au quel jour q(ue) vous y vouliez estre. (Et) je my (37) tiray deu(ers) vous, pou-
rueu toutefuoie q(ue) le jour soit sens malengien si co(n)uenable, q(ue) je y puisse venir a
temps. (Et) jlecq(ues) oyrez (38) la responce (et) excusac(i)on de my (et) de mes gens (et)
officiers tellem(en)t q(ue) par raison en devrierez estre content, en vous (39) jnformer,
com(men)t q(ue) le d(it) Jehan de Kerppe ait fait en ceste mati(er)e et quel hom(m)e qu’il
est. Et lors p(ar)leray et besoingneray a vous (40) au d(it) lieu de Vezelise sur le fait de
rauoir la d(i)te Warnesp(er)g p(ar) voyes (et) manie(re)s, q(ue) vous polront estre honrable
et (41) co(n)uenable, se ainsi est q(ue) deuant ne la me f(ai)tes rendre, co(mm)e j’ay
p(ar)f(ai)te (et) ent(ie)re fiance (et) asseura(nc)e a vous, q(ue) voulent(ier)s (et) (42) de cuer
serez. Et t(re)schier et t(re)same fr(er)e, s’ainsy estoit q(ue) vous po(ur) ca(us)e d’aut(re)s
occupations (et) empeschem(ent)es ne peussiez venir (43) jusques au d(it) lieu de Vezelise
par la mani(er)e dess(us) d(i)te, sy vous prie q(ue) le d(it) Guerart v(ost)re bailly veulliez
jnco(n)tine(n)t (et) hastiuem(en)t (44) enuoyer deu(ers) my au lieu de Sarrebruche pour par-
ler a ly des matie(re)s dess(us) d(i)tes. Lequel le vous scauerat b(ie)n rappourter. (45) Et
vous plaise en toutes ces choses a faire si admiablem(en)t, bon(n)eme(n)t (et) doucem(en)t
enu(ers) my (et) mes josmes enffans menre (46) da aige, q(ue) ont besoing d’ayde (et) de
conffort de vous, q(ue) leur estes ap(re)s my le plus p(ro)chain (et) d’aut(re)s leurs sei-
gneurs para(n)s (47) et amis, co(mm)e j’en ay p(ar)f(ai)te, enti(er)e et sing(u)lere fiance (et)
asseurance a vous. Adfin q(ue) mes dis anffans puissent qua(n)t ilz seront (48) aigie s(er)uir
(et) complaire a vous (et) a voz enffans mes nepueux (et) nyepces. (Et) moy resc(ri)puez
su[r] toutes ces choses (49) v(ost)re boin plaisir auec saucu(n)e choses voulez q(ue) je puis-
se (et) je l’ascompliray d’ung t(re)sboin cuer, a l’aide de [n(ost)re] s(eigneur) q(ui) vous ait
et (50) tie(n)gne en sa s(ain)te garde et vous doint bon(n)e vie (et) longue. Esc(ri)pt a Sar-
rebruche le xix jour d’auril en l’an mil iiijc ' " ' (51) (et) xxxij .
Jsabel de Lorrain(n)e etc.
(J. Herold)
1432 April 23 Vezelise 29
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat alle Briefe von ihr sorgfältig gelesen (Nr. 3,
11, 28). Für das von ihr erbetene Treffen in Vezelise schlägt er den 15. Tag vom gegenwär-
tigen an gerechnet, den 7. Mai also, an jenem Ort vor. Dort wird sie ihn auf jeden Fall an-
treffen. Er will sie sehr gern empfangen und mit ihr und ihren Leuten, so gut er kann, ver-
handeln. Was ihre Frage nach der Sicherheit ihrer Leute betrifft, worüber er sehr verwun-
dert ist, kann er diese auf der Reise garantieren, wenn sie in Elisabeths Begleitung seine
Straßen benutzen.
(-28-29-32-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/5 (Rotel).
292
Treschiere et tresamee suer. Toute recom(m)andac(i)on premise. Veuillez sauoir, que j’ay
bien veu toutes les l(ett)res q(ue) escriptes (2) me auez. Et pour tant que ent(re) ault(re)s
choses me pryez que vo(us) faie sauoir vn jour que seray au lieu de Vezelizes pour (3) vous
y tirer et venir pardeu(er)s moy. Se v(ost)re plaisir est de y venir et est(re), vous m’y
trouuerez sans nulle faulte du (4) jour duy datte de ces p(rese)ntes en xv jours p(ro)chain
ven(ant) qui sera le vijc jour du mois de may en ma d(ite) ville de Vezelize. (5) Et jllec
vo(us) verray moût volentiers et besongneray auec vo(us) et voz gens au mieulz et plus
bonneme(n)t que f(air)e le porray. (6) Et po(ur) ce q(ue) me rescripuez que vos d(ite) gens
soyent seurs, dont je me donne g(ra)nt m(er)ueille, sachies qu’ilz s(er)ont bien seurs (7)
feussent mes auenus p(ro)pres en v(ost)re compaignye. N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa
sainte garde. Esc(ri)pt au d(it) Vezelize le (8) xxiijc jour d’auril mil iiijc^n^ xxxij.
Anthoine de Lorraine etc., v(ost)re frere.
verso:
A ma treschiere et tresamee suer, la contesse
de Nausso et de Sarrebruche.
(J. Herold)
1432 April 25 30
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Nachdem sie kürzlich ihren Varsberg
betreffenden Brief (Nr. 26) beantwortet (Nr. 27) und auch ihrem Bruder Anton von Vau-
demont geschrieben hatte (Nr. 28), ist an diesem Tage von jenem eine Botschaft bei ihr
eingegangen (Nr. 29). Darin hat er ihr vorgeschlagen, einander am 7. Mai in Vezelise zu
treffen, um über Varsberg zu sprechen. Daher bittet Elisabeth die Herzogin, das Treffen
ihrer beiderseitigen Abgesandten wegen Varsberg zu verschieben, um das Ergebnis der
Verhandlung mit ihrem Bruder abzuwarten. Sollten diese Verhandlungen scheitern, schickt
Elisabeth, sofern es gewünscht wird, ihre Unterhändler zu denen von Bar-Lothringen. Au-
ßerdem bittet Elisabeth darum, daß die Herzogin ihre Reise nach Vezelise geheim halten
solle und ihr für Dienstag, den 6. Mai, morgens einen ihrer Räte oder Amtleute als Geleit
von Vic-sur-Seille bis vor Pulligny zu schicken. Elisabeth bittet, die Antwort ihrem Boten
mitzugeben.
(-27-30-31-)
Konzept mit Korrekturen und Ergänzungen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
22/7 (Rotel).
Min pat(er) nost(er) vnd demütiges gebet vnd waz jch v(er)mag uw(er)n gnad(en) alletzit
(2) beuor. Gnedige liebe frauwe vnd mume, als uw(er) gnade mir ytze kurtzelich (3) von
Warsb(er)gs wege(n) hait dun schriben vnd ich uw(er)n gnad(en) daruff wyder (4)
geschr(iben) han, jn maße die briefe daz eygentlich jnnehalde(n), beg(er)n ich uw(er)n (5)
gnad(en) zu wissen, daz ich botschaff bij myme brud(er) von Wydemo(n)t gehabt (6) han
vnd daz mk mir hude botschaff von yme kom(en) ist, daz ich vff (7) den sybenden dag des
meyes ytze nehste kom(en)de zu Veselise bij yme (8) sin sal, von Warsb(er)gs weg(en) mit
293
yme zu de reden, vnd hoffen, dz ls dinin) mit (9) Gods helffe zum besten kom(en) solle. Vnd
h(er)umb bied(en) ich uw(er) gnade, w(er) (10) is daz ir mir hettent woll(en) dun schriben,
myne frunde bij die (11) uw(er)n zu schicke(n), Mc von Warsb(er)gs wege(n) zu
vnd(er)reden, daz uw(er) gnade (12) dz v(er)halde(n) wolle, biß daz ich in vorges(chriben)
maße bij myme eg(enante)n (13) brud(er) gewest bin. Vnd kan(n) ich dan(n) nit gütlich mit
yme (14) ab(e)trage(n), daz mir vnd myne(n) gemeynern vns(er) sloß gütlich (15) wyd(er)
w(er)den möge, so wil ich dan(n), ab(er) uw(er) gnad des beg(er)t, (16) myne frunde g(er)ne
zu den uw(er)n schicken, sich zu vnd(er)reden vnd (17) zu rade zu w(er)den, jn maße ich
uw(er)n gnad(en) ytze nehste geschr(iben) (18) han. Auch, gnedige liebe frauwe vnd mume,
bied(en) ich uwer gnade (19) dinstlich zu bestellen dun (aund dz solich myn hin jn fare(n)
heimelich gehalden werde vnd3' daz ich vff den dinstag, sehßte dag (20) des meyes, zu
morge(n) uw(er) frunde rette odir redelichen ampt(ma)n (21) eyne(n) zu Wich finde, mich
von uwer gnad(en) weg(en) xon dannen biß vor (22) Pulligney(en) hyne zu geleid(en). * Daz
wil ich, wo ich mag, wille(n)tlich (23) vmb uw(er) gnade v(er)diene(n), vnd beg(er)n vff die-
se vorges(chriben) sache(n) (24) uw(er) gnedige v(er)schr(iben) antw(or)t bij diesem botten.
Uw(er) gnade duhe (25) mir alletzit gebied(en). Gegebe(n) vff fridag vor dem sondag (26)
Q(ua)simodo geniti anno etc. xxxij°.
Der hochgeborne(n) furstynnen, frauwe(n) Elisabeth, Elisabeth etc.
h(er)tzogynne zu Bar vnd zu Lothringe(n), h(er)tzogyn(n)e von,
h(er)tzogyn(n)e vnd margg(ra)ffyn(ne), margg(ra)ffynne zu
Pontemous vnd g(ra)ffynn(e) zu Guise, myn (er)
gnedig(en) liebe(n) frauw(en) vnd mümen.
verso:
vij
Min(er) frauwe(n) von Baer etc.
(M. Küper)
(a - a) am linken Rand ergänzt.
* an dieser Stelle stand ein Kreuz als Plazierungszeichen für die Marginalie (a-a), durch Ra-
sur gedlgt.
1432 April 27 Nancy 31
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth. Sie bestätigt den Erhalt des Briefes von
Elisabeth, in dem diese das geplante Treffen mit Anton von Vaudemont wegen Varsberg
mitteilt und um Geleit von Vic-sur-Seille nach Pulligny bittet (Nr. 30). Die Herzogin wird
ihr ein Geleit stellen und bittet darum, mit Elisabeths Bruder bzw. möglichen anderen Ver-
handlungspartnern auszumachen, daß die Überfälle von Varsberg auf lothringisches Ge-
biet, durch die Lothringen stark geschädigt wird, von nun an unterbleiben.
(-30-31-34-)
294
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/8 (Rotel).
Elisabeth, hertzoginne zu Bare vnd zu Lothringen etc. Wolgeborne liebe nyfftel, wir en-
bietent (2) üch vns(er)n früntlichen grus vnd was wir liebes vnd gutes v(er)mögent. Als jr
vns yetzent zu (3) hinderst zwürent geschriben vnd geantwort hant von Warnsperges we-
gen vnd schribent (4) jn uw(er)n lesten brieuen vns yetzent gesant, das jr botschafft dar
vmb by vns(er)m neuen, (5) uw(er)m bruder von Wydemont gehabt hant vnd dar uff sy
üch wid(er) botschafft von yme (6) kom(m)en, das jr uff den sübenden dag des meyes nest
kom(m)ende zu Vezelise by yme sin (7) söllent vß den Sachen zu reden, vnd bittent vns da
by zu bestellen, das jr der vns(er) (8) einen uff den dinstag des sehsten dages des meyes zu
morgen zu Wich vindent, uch (9) vort(e) gein Pulligney zu gleyden etc., haben wir alles
wol verstanden und lant üch (10) wissen, das wir üch zu willen vnd zu liebe g(er)ne bestel-
len wellent, das jr der vns(er) einen (11) jn vorges(ribe)n massen zu Wich vinden söllent,
üch vort von dannen bitz gein Pülligney (12) zu gleyden, vnd bittent uwer liebe, mit
uw(er)m vorges(riben) bruder od(er) and(er)n söllich vß züdragen, (13) das wir nach die
vns(er)n nit me so gröplich vß uw(er)m slosse geschediget werdent. Geben (14) zü Nansey
uff sondag Quasimo(do) ge(n)iti anni etc. xxx s(e)c(un)di.
verso:
Der wolgebornen frauwe Elisabeth von Lothr(ingen),
graui(n)ne zü Nass(au) vnd zü Sarbr(ucken), vns(er) lieben nyfftel.
(M. Küper)
1432 Mai 2 Joinville 32
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er teilt ihr mit, den vereinbarten Tag in Vezelise
nicht halten zu können, da der Herzog von Burgund ihn eilig zu sich gerufen hat in Ange-
legenheiten, die ihn besonders {grandement) angehen. Genaueres soll sie erfahren, wenn sie
einander sprechen. Er schlägt ihr ein Treffen acht Tage später (15. Mai) als zuvor verein-
bart (7. Mai) am gleichen Ort vor und bittet um möglichst rasche Bestätigung. Er will auf
jeden Fall dorthin kommen.
(-29-32-33-)
Ausfertigung. Es handelt sich um einen sogenannten „offenen“ Brief, dessen Siegel nicht
als Verschluß diente, sondern unter dem Text an Stelle der Unterschrift angebracht wurde.
Vom Siegel aus rotem Wachs sind nur Reste erhalten. Zur besseren Befestigung des Siegels
wurden darunter aus dem Papier kleine dreieckige Spitzen angeschnitten und aufgefaltet. -
LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/6 (Rotel).
Anthoine de Lorraine etc. Treschiere (et) t(re)samee suer, la contesse de Naussauue (et) de
Sarrebruche. Vueilles sauoir (2) que au jour et lieu que vous auoye rescript que fussies je ne
295
puis est(re), pour ce que monseigne(ur) de Bourgongne (3) m’a hatisuement mande, que je
me tire vers lui pour aucuns mes afaires qui grandement me touchent, que (4) vous diray
plus adplain q(ua)nt je parleray a vous. Sy vueilles tenir et ent(re)tenir la journee et est(re)
au dit lieu (5) viij jours aprez le jour que vous auoye rescript et que ce me fatez sauoir le
plus brief que f(air)e le porrez. (6) N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa sainte garde. Esc(ri)pt
a Jonuille soubz mon seelry mis le second jour de ce p(rese)nt mois de may. (7) Et ne aura
point defaulte au plaisir dieu, q(ue) je ne soye au d(it) lieu. Esc(ri)pt (comm)e dess(us).
(J. Herold)
1432 Mai 6 Mörchingen 33
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie ist auf dem Wege zu ihm gerade in Mörch-
ingen eingetroffen, wo sie seinen Brief mit der Nachricht, daß er den vereinbarten Termin
(7. Mai) zu ihrem gemeinsamen Treffen nicht halten kann und daher einen neuen, acht Ta-
ge späteren, vorschlägt, zu dem er auf jeden Fall erscheinen wird, erhalten hat (Nr. 32). Ei-
ne Verschiebung des Treffens bringt sie in Schwierigkeiten wegen bereits vereinbarter Zu-
sammenkünfte mit dem Erzbischof von Mainz monseigneur de Mayance und dem Pfalzgrafen
bei Rhein (monseigneur de Bauuiere, Herzog von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein). Trotzdem will
sie acht Tage später, d. h. am 15. des Monats, nach Vezelise kommen. Sie bittet ihn, am ge-
nannten Tag auch wirklich zu erscheinen, damit kein weiterer Schaden entsteht, sie mit ihm
verhandeln und dann rasch an den Rhein zu den anderen reisen kann. Er soll ihr so schnell
wie möglich schreiben, falls er die Verabredung nicht einhalten kann.
(-32-33-36-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen sowie Überarbeitungen über der Zeile. - LA Saar-
brücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/7 (Rotel).
Tresch(ie)er et t(re)same fr(er)e. {—] toutes reco(m)ma(n)dac(i)ons [ ] plaise vous sauoir,
que J’ay a nuit par nuit (2) au lieu d’icy receu voz l(ett)res qu’esc(rî)pt m’auez contena(nt),
que ne poez est(re) au jour et lieu que resc(ri)pt (3} m’auiez et que je vueille tenir et
ent(re)tenir la journee et estre au dit Heu huit jour dep(ar)s (4) led le jour q(ue) m’auiez
resc(ri)pt et que aura n aura point deffault q(ue) au plaisir de dieu ne soyez au dit (5) Heu.
Surquoy vous plaise sauoir que j‘estoye venue jusques au Heu de Moreha(n)ge pour (6) aller
ver vous et la continuerme(n)t de la dite journ(ee) me vient a g(ra)nt preiudice pour
pluis(eur)s aut(re)s (7) journées q(ue) je doit auoir deua(n)t mons(eigneur) de Mayance et
mons(eigneur) de Bauui(er)e a Rencontre mes (8) auenus. Maix ce non obstant je sera au
plaisir de dieu vers vous au Heu de Vezelise huit (9) jours ap(re)s le jour q(ue) que resc(ri)pt
m’aui[e]z pour sera ccsr ass]au xvc jour de ce p(rese)nt mois. Et vous p(ri)e, (10) t(re)sch(ie)r
et t(re)same fr(er)e, que ta(n)t com(m)e je puis, que au dit xv jour de ce p(rese)nt mois
vueilHez (11) est(re) au dit Heu de VeseHse et q(ue) en ce n’at aucun deffault, ad fin q(ue) ie
puisse besoignier (12) a vous et hastiueme(n)t retourn(er) p(ar)desay, pour aller sur le Rin
et aux d(i)tes journées, (13 q(ue) ie doit auoir p(ar)deua(n)t mes dis seig(neur)s la quelle
chose ce q(ue) aucuneme(n)t ne puis laissir. (14) Et vous en plaise a faire com[m]e ma
296
fiance en est en vous enw et se a,nssy faire ne le ^ 51 le moy resc(ri)puez fee (15) le plux
hastiueme(n)t q(ue) poliez. N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa sainte garde. Esc(ri)pt au dit
lieu de (16) Morehange le vje jour de may.
A mon t(re)sch(ie)r et t(re)same fr(er)e, mons(eigneur) V(ost)re suer Jsabel de
Anthoinne (20) de Lorrai(n)ne etc. Lorrai(n)ne etc. v(ost)re suer.
(J. Herold)
1432 Mai 6 Mörchingen 34
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Sie hat von ihrem Bruder die Mitteilung
erhalten, er könne nicht zum vereinbarten Tag, den 7. Mai, in Vezelise sein (Nr. 32). Statt
dessen hat er ihr als neuen Termin den 15. Mai vorgeschlagen. Sie bittet Elisabeth von Bar
deshalb, das ihr zugesagte Geleit von Vic-sur-Seille bis auf die Burg Pulligny auf den 14.
Mai morgens früh zu verschieben und dies geheimzuhalten
(-31 -34-3 5-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
22/9 (Rotel), vgl. Abb. 23.
Min pat(er) nost(er) vnd waz ich eren vnd guds v(er)mag uw(er)n gnad(en) alletzit vor-
ges(chriben). Hochgeborne (2) furstyn(n)e, gnedige liebe frauwe vnd müme, als ich
uw(er)n gnad(en) vor gesch(riben) han, daz ich vff (3) morne mitwoche(n) vij dag des
meyes zu Veselize bij m-me brud(er) sin solte vnd uw(er) gnade gebeden (4) han, mir uw(er)
fru(n)de eine(n) ghen Wich zu schicke(n) mich zu gleide(n) di etc., daz uw(er) gnade mir
(5) auch also hatte dun zu schreiben, des ich uw(er)n gnad(en) sere dancken vnd beg(ehr)n
denselben (6) uw(er)n gnad(en) zu wissen, daz ich biß gheen Morching(en) kome(n) waz,
also zu myme brud(er) zu (7) riden, darselbs mir hint jn d(er) nacht botschaff von myme
brud(er) kome(n) ist, daz er vff (8) morne nit zu Veselis gesin möge vnd daz ich des xv da-
ges dis ma(n)des meyes (9) da bij yme sin solle, daz ich abe Got wil auch also meyne(n) zu
dun, wan(n) ich yr selb myme (10) gnedig(en) h(er)n von Baer vnd von Lothringen) vnd
uw(er)n gnad(en) zu wille(n) vnd mir, myn(en) kind(en) vnd and(er)n (11) zum besten d(er)
sach(en) von Warsberges weg(en) g(er)ne zu kurtzem guden ende que(m)me. H(er)umb
(12) so bied(en) ich uw(er)n gnade dinstlich, mir uw(er) frunde eine(n) gheen Wich zu schi-
cken dun dft vnd (13) daz d(er) des xiiij dages dis ma(n)des zu morg(en) frü da sij, mich
vort biß vff jhene (14) feste Pulligney(en) zu gleid(en), vnd daz dis heymelich belibe, daz
wil ich, wo ich mag, (15) willenclich v(er)diene(n) vnd beg(er)n des uw(er) gnad(en) gnedi-
ge v(er)sch(riben) antw(ert). Dieselbe uw(er) gnad(en) (16) mir alletzijt gebied(en) duhe.
Geb(en) zu Morching(en) des vt} vj dages des meyes (17) anno etc. xxxij.
Abesch(rift), myn(er) frauw(e) von Bar. Elisabeth etc.
(Ch. Maillet)
297
1432 Mai 7 Nancy
35
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth, Sie bestätigt den Erhalt des Briefes (Nr.
34), worin Elisabeth ihr mitteilte, daß das Treffen in Vezeüse mit Anton von Vaudemont
nicht wie geplant am 7. Mai stattfinden konnte, sondern durch ihren Bruder auf den 15.
Mai verschoben wurde. Im selben Brief hatte Elisabeth für Mittwoch den 14. Mai um Ge-
leitschutz von Vic-sur-Seille bis Pulligny gebeten. Sie gewährt das erbetene Geleit, äußert
aber die Besorgnis, daß ihr und ihrem Land dadurch neuer Schaden erwachsen könnte.
Deshalb fordert sie Elisabeth auf, für ein baldiges Ende des Konfliktes zu sorgen. Weiter
gibt sie zu bedenken, daß ihr Gemahl in Kürze zurückkehren wird. Sie befürchtet, daß die
Verzögerung ihm mißfallen und das Verhältnis zwischen ihm und Elisabeth belastet wird.
Daher hält sie eine schnelle Lösung der Angelegenheit für notwendig.
(-34-35-40-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/10 (Rotel).
Elisabeth hertzoginne zu Bare vnd zu Lothringen etc. Wolgeborne liebe nyfftel, wir en-
bietend üch vns(ern) früntlichen grüs vnd (2) was wir liebes vnd gutes v(er)mögent. Als jr
vns aber geschr(iben) hant von dem als uwer meynu(n)ge, was uff hüte, mittewochen, by
vns(er)n (3) neuen, uw(er)m brüder von Wydemont, zu Vezelise zu sine, das üch der selbe
vns(er) neue botschafft getan habe, das er uff die zit nit (4) zu Vezelise gesin möge vnd
habe das vür bass(er) geleit bitz uff den xvrcn dag dis gegenw(er)tige(n) monetes meye vnd
bittent vns (5) aber der vns(er) einen zütz üch gein Wich zu schicken uff den xiiiian dag
des vorges(chriben) monetes früge das wirt nemlich sin (6) von hüte, mittewochen, über
acht dage etc., alsdan(n) uw(er) brieff jnheldt, haben wir wol v(er)standen vnd lant üch
wissen, das wir (7) üch g(er)ne der uns(ern) eine(n) jn vorges(ri)u(en) massen entgege(n)
schicken wellent, üch von danne(n) bitz gein Pulligney zu gleyden, wie (8) wol söllich ver-
ziehen vns, vns(er)n landen vnd den uns(er)n etwas vaste sw(er)e vnd schedelich ist vnd
vns die lengde nit wol (9) zu liden ist. Vnd dar vmb bitten wir üch, der Sachen ein kürtz
vsdrag vnd ende zu machen, uff das wir wissen möge, (10) war nach wir vns richten
söllent. Auch wissent, das vns(er) lieber h(er)re vnd gemahel kürtzlich yetzent zu lande
ko(m)en sol, (11) vnd besorgent, so yme söllichs Vorhand ko(m)met, das es yme nit wol
geualien solle, vnd sölliche jnvelle zu v(er)myden vnd (12) das vns(er) vorges(chriben) He-
ber h(er)re vnd gemahel vnd jr lange vnd allezit jn früntschafft bheben möegent, des wir
sünderHch (13) beg(er)nde sint. Dar vmb dünckt vns eine notdorfft sin das dise Sachen
bekürtzet werdent. Geben zu Nansey uff mittwoch (14) des sübenden dages des
vorg(enanten) moneten meye anni etc. xxx s(e)c(un)di.
verso:
Der wolgebornen frauwe EHsabeth von Lothringen),
graui(n)ne zu Nass(au) vnd zu Sarbr(ucken), vns(er) lieben nyfftel.
298
(M. Bleymehl-Eiler)
1432 Mai 8 Joinville 36
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat ihren Brief erhalten (Nr. 33). Das besagte
Treffen mit ihr würde er wirklich nicht verschoben haben, wenn es nicht so wäre, daß er
Tag für Tag auf den Herzog von Burgund gewartet habe und noch immer warte. Er will
aber am 15. des Monats (Mai) auf jeden Fall in Vezelise sein, so daß ihre Zusammenkunft
in der Weise, wie sie ihm geschrieben hat, stattfindet. Sie soll ihr Kommen, wie auch das
seinige, geheimhalten wegen der Unsicherheiten, die eintreten können, wie sie weiß.
(-33-36-37-)
Ausfertigung. Von den beiden Verschlußsiegeln aus rotem bzw. grünem Wachs sind nur
Reste vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/8 (Rotel).
Treschiere et tresamee suer. J’ay receu voz l(ett)res et en vérité je n’eusse pas
cont(re)mande la journée, que vous auoye rescript, (2) n’eust este que de jour en jour j’ay
attendu et atons ancoires mons(eigneur) de Bourg(og)ne. Et seurement ne aura nulle
faulte, (3) que ne soye au lieu de Vezelize au xvc jour de ce p(rese)nt mois de may. Sy tenez
et ent(re)tenez la journée et est(re) au d(it) lieu ains[i] (4) et com(m)e rescript le m’auez et
sy vueilles tenir en secrept v(ost)re venue et la mienne pour les doubtes, qui se puent (5)
ens(er)ir, com(m)e vous sauez. N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa sainte garde. Esc(ri)pt a
Jo[i]nuille le viijc jour du d(it) mois de may.
Anthoine de Lorraine, v(ost)re frere.
verso:
A ma treschiere et t(re)samee suer,
la contesse de Naussauue (et) de Sarrebruche.
(J. Herold)
1432 Mai 16 Vezelise 37
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Veranlaßt durch seinen Brief (Nr. 36), in dem er
ihr unter anderem mitgeteilt hat, er werde am 15. dieses Monats Mai ganz gewiß in Vezelise
sein und sie solle sich am gleichen Tag ebenfalls einfinden, ist sie dort angekommen. Es
wäre sehr schädlich für sie, zurückfahren zu müssen, ohne ihn gesehen und ohne mit ihm
verhandelt zu haben. Wegen wichtiger Verabredungen mit dem Erzbischof von Mainz
{monseigneur de Mayance) und dem Pfalzgrafen bei Rhein {monseigneur de Bauuiere, siehe Nr. 33),
die sie einhalten muß, kann sie auch nicht lange bleiben. Daher bittet sie ihn eindringlich,
unverzüglich nach Vezelise zu kommen, spätestens bis zum nächsten Montag. Seine Ab-
sichten soll er ihr möglichst rasch mitteilen.
299
(-36-37-38-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen sowie Überarbeitungen am Rande und über der
Zeile. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr. II, Nr. 3112, f. 10/9 (Rotel), vgl. Abb. 24.
Tresch(ie)r et t(re)same frere. Je me recom(m)ande a vous tant com(m)e je puis. Plaisse
vous sauoir, que sur voz l(ett)res (2) a moy dairrie(re)neme(n)t resc(ri)pte contena(n)t
ent(re) aut(res) choses, que au xve jour de ce p(rese)nt mois de may seriez (3) sen nulle
faulte au lieu de Vezelise et q(ue) ie volcisse tenir et ent(re)tenir la journ(ee) et estre au
d(it) xve jour (4) deu(ers) vous au d(it) lieu de Veselize, ^amy ay tiray et y fuix venue31 ma ti-
rev et m- er x fttix venue et jcell j lieu de Veselise cuident, que (5) je vous y dehusse trouuer
com(m)e resc(ri)pt m’auez, pour vous veoir, que est chose que je désir (6) de tout mon
cuer et aussy pour besoingnier auec vous. Et pour ce qu’il me desplaident (7) m(u)lt se je
debuoye retourn(er) sen vous veoir et sen besoingnier auec vous et que pour (8)
c(er)tai(n)nes journées, que je doit auoir p(ar) deua(n)t mons(eigneur) de Mayance et
mons(eigneur) de Bauui(er)e q(ue) (9) g(ra)ndeme(n)t touchent a honneur, bien et proffit de
ma my et de mes anffans, comfmje ja esc(ri)pt (10) le vous ay, ne puis longueme(n)t de-
men(e)r. P(ar)desa vous p(ri)e et supplie t(re)seffeteuseme(n)t (11) treseffecteuseme(n)t et
requier sur l’amour quest et d que at jousdiz estey, est et doit (12) est(re) ent(re) nous, que
jncontine(n)t c’est p(rese)nt veu vuilliez venir au d(it) lieu de Veselise (13) est et y estre de-
dens cest prochaine lundy lundy au plux tart. Adfïn que je vous (14) puisse veoir et besoin-
gnier auec vous, com(m)e dit est et en ce faisa(n)t. T(re)schi(er) et (15) t(re)same frere, me
ferez et demonstrerez sing(u)l(ier) plaisir et amour dont je me (16) tenra m(u)lt est(re) tenir
a bons 'bet ce q(ue) faire vous en plarat me resc(ri)puez hastiueme(n)t p(ar) y auoir mon
aduis.bj N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa sainte garde et vous dont (17) bonne vie et lon-
gue. Esc(ri)pte a Vezelise le xvj jour de may en l’an mil iiijc^en^ (18) (et) xxxij.
A mon t(re)sch(ie)r et t(re)same fr(er)e, V(ost)re suer Jsabel de Lorra(in)ne,
mons(eigneur) (22) Antho[i]nne de contesse etc.
Lorra(in)ne etc.
(J. Herold)
(a - a), (b - b) am linken Rand ergänzt.
1432 Mai 17 Joinville 38
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er teilt ihr mit, an diesem Tag ihren Brief erhalten
zu haben (Nr. 37). Am gestrigen Freitag (16. Mai) ist er, von seinem Herren, dem Herzog
von Burgund, kommend, zu mitternächtlicher Stunde in joinville eingetroffen. Der Auf-
enthalt bei diesem und die Reise hin und zurück haben ihn, seine Leute und die Pferde so
ermüdet, daß er sich außer Stande sieht, am vereinbarten Tag in seiner Grafschaft zu sein.
Es war und ist aber seine Absicht, soweit er es einrichten kann, sich bis zum nächsten
Donnerstag dorthin zu begeben, um sie zu sehen und mit ihr zu verhandeln Der Herzog
300
von Burgund kann ihm aber jederzeit zu sich bestellen, weswegen er bei seiner Abreise von
diesem ersucht worden ist, sich bereit zu halten. Aus diesem Grunde wage er es nicht, ihr
zu garanderen, am kommenden Donnerstag tatsächlich in seiner Grafschaft zu sein. Wenn
sie dennoch ihre Rückreise nicht antreten will, ohne ihn gesprochen zu haben, soll sie bis
zum nächsten Dienstag (20. Mai) nach Morley reisen. Er würde nach Montiers-sur-Saulx
kommen, so daß sie sich treffen und miteinander reden und ihr Anliegen erörtern könnten.
(-37-38-39-)
Ausferdgung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachs spuren vorhanden. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/10 (Rotel).
Treschiere et t(re)samee suer. |’ay receu au jour duy voz l(ett)res. Surquoy vueillez sauoir
que cest jour de venredj passe je arriue (2) a Joinuille a heure de minuit venant de deu(er)s
mon t(re)sredoubte seign(eur) mons(eigneur) de Bourg(og)ne. En la compaignye du quel et
aussy (3) en y alant (et) arrier retournant moy mes gens et ceuaux auons, este et som(m)es
ancoires t(re)s foulez. Parquoy ne porroye (4) est(re) en ma conte au jour que me
resc(ri)puez. Et estoit et est ancoires assez mon jntenc(i)on d’aler en ma d(i)te conte en-
dede(n)s (5) cest joendj p(ro)chain, se f(air)e le puis souu(er)aineme(n)t, po(ur) vous veoir
et besongnier auec vous. Mais mon d(it) s(eigneur) de Bourg(ong)nc (6) qu(an)t partis de lui
m’a en chergie q(ue) me tiengnfe] prest adfin q(ue) quant jl me fera sau(oir) de sa volente
moy drer deu(er)s lui l’eur (7) qui’l soit. Parquoy seureme(n)t ne vo(us) oseroye a t(re)tener
d’est(re) endedens eE-jl cest dit jo(ur) de joendy en ma d(i)te conte. Toutesuoyes (8) adfin
q(ue) nen al’iss(ir) sans p(ar)ler a moy, se voliez vous tirer endedens cest mardj
p(ro)ch(ain) au lieu de Morly. Je me dreroye a Monst(er) sur Saulz (9) po(ur) jllec nous
joindre et parler ensamble. Sy poez sur tort au(oir) v(ost)re aduis, pryant n(ost)re
s(eigneur), qui vous ait en sa s(ain)te garde. (10) Esc(ri)pt a Joinuille cest samedj xvijc jo(ur)
de may.
Anthoine de Lorraine, v(ost)re frere.
verso:
A ma treschiere (et) t(re)samee suer,
la contesse de Naussauue (et) de Sarrebruch.
(J. Herold)
1432 Mai 19 Vézelise 39
Elisabeth an Anton von Vaudémont. Sie hat seinen Brief mit der Nachricht, daß er am
Donnerstag nicht in seiner Grafschaft sein kann und sie nach Morley gehen solle, erhalten
(Nr. 38). Er würde nach Monders-sur-Saulx kommen, wo sie sich treffen könnten. Sie liegt
aber in Streit mit den Herren Robert de Baudricourt, dem Bastard von Vergy, von Vérissey
(Dep. Saône-et-Loire?) und mehreren anderen in den Herzogtümern Bar-Lothringen und
anderswo. Wegen der Zwistigkeiten und Gefahren, die er doch kennt, wagt sie nicht das
Abenteuer dieser Reise, vor allem im Interesse ihrer Leute, auf die sie während der Fahrt
nicht verzichten kann. Auch wegen der notwendigen Zusammenkünfte mit den Erzbischof
301
von Mainz (monseigneur de Mayance) und dem Pfalzgrafen bei Rhein (monseigneur de Bauuiere,
siehe Nr. 38) verbietet sich eine solche Fahrt. Das hat sie aber bereits geschrieben. Sie hat
jedoch den dringenden Wunsch, ihn zu sehen und mit ihm über vielerlei Dinge zu reden,
die sie ihm schriftlich nicht mitteilen kann. Außerdem hat er ihr geschrieben, daß er am 15.
des Monats auf jeden Fall in Vezelise sein würde. Deswegen hat sie sich dorthin begeben.
Daher bittet sie ihn eindringlich und verlangt, daß er bis Donnerstag nach Vezelise kom-
men soll, damit sie ihn sehen und sprechen kann. Er soll sie nicht im Stich lassen, da er
doch weiß, daß es sehr beschämend wäre, wenn sie zurückführe, ohne ihn gesehen zu ha-
ben. Er mag ihr umgehend erwidern, ob sie auf ihn warten soll oder nicht.
(-38-3946-)
Konzept mit überwiegend interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr.
3112, f. 10/11 (Rotel).
Tresch(ie)r et t(re)same frere. Toutes recom(m)a(n)dac(i)ons p(ar) p(re)mises. J’ay receu
voz l(ett)res que resc(ri)pte m’auez, (2) contena(n)t que ne me poez a t(re)tenir d’est(re) de-
dens cest juedy en v(ost)re contey et que dedens dedens demain (3) me vueille tirer a Mor-
ley et q(ue) vous vous tirerez a Monstier sur Saulz, pour jlec nous joindre (4) etc. Sur quoy,
t(re)sch(ie)r et t(re)same frere, vous plaisse sauor sauoir, que je suix en doubte de messire
(5) Robert de Baudrecourt, d(i)te Bastart de Vergey, de Warisey et de plusieurs aut(re)s des
duchies de Bar (6) et de Lorrai(n)ne et d aut(re) part 1 et auec ce
pour les doubtes et perilz sy g(ra)nt, com(m)e le sauez que (7) je ne oseroye penre prendre
l’auenture d’aller p(ar) delay et p(ar) especial d’y men(er) mes gens (8) sen lesquelz ne my
polroye aller, q(ue) ce ne fuist a g(ra)nt blasme et deshonneur, veu que je n’ay aut(re) (9)
ancores oncque estey en ma t(er)re, de p(ar) delà et meysmes ne le polroye bon(n)eme(n)t
f(air)e pour les journées, (10) q(ue) ie doit auoir p(ar) deua(n)t mons(eigneur) de Mayance
et mons(eigneur) de Bauu(er)e com(m)e p(ar) aua(n)t esc(ri)pt le vous ay. (11) Pour quoy,
t(re)sch(ie)r et t(re)same frere, et souuerai(n)neme(n)t pour ce que j’ay t(re)sg(ra)nt désir
de vous veoir (12) et de parler a vous de plui s (erreurs choses que aucunement esc(ri)pte
ne ma(n)der vous polroye (13) et pour ce aussi que ce seroit g(ra)nt honte se je debuoye re-
tourner) et realler en mon pays, sen (14) vous veoir et sen parler a vous. Et que p(ar)
aua(n)t m’auez esc(ri)pt p(ar) voz l(ett)rez, que vouz seriez (15) en au xv jour de cest mois
au lieu de Veselise sen nulle faulte et q(ue) sur ce m’a asseuree (16) et transpourtee icy,
vous supplie t(re)seffecteuseme(n)t et adc(er)te et requier sur qua(n)t que je (17) vous puis
requérir si admiableme(n)t et douceme(n)t com(m)e le puis, que dedens cest judy (18)
vueilliez venir et est(re) au dit lieu de Veselixe, adfin q(ue) ie vous puisse veoir et parl(er)
(19) a vous et q(ue) de ce ne me vueilliez faillir. Car vous sauez assez se ie ralloy ralloye, (20)
sen vous veoir, chacun se mocqueroit de nous et en aueriens g(ra)nt honte et me (21)
sembleroit q(ue) vous n’ehussie mie g(ra)nt voulentey de my veoir. La quelle chose ie ne
tien (22) mie auoir desseruir et me resc(ri)puez sur ce hastiueme(n)t a plain, se je vous doit
ainssi (23) atendre ou non. et T(re)sch(ie)r et t(re)same fr(er)e, si vous plaisse en ces choses
a faire, com(m)e (24) ma p(ar)faite, et entière et sing(u)l(ier)e fiance et asseura(n)ce en est a
vous. Je p(ri)e au (25) benoit filz de dieu, que vous ait en sa sainte garde et vous dont bon-
302
bonne vie et (26) longue. Esc(ri)pte a Vezelise le lundy xixL jour de may.
A mon t(re)sch(ie)r et t(re)same fr(er)e, mons(eigneur) V(ost)re suer Jsabel de Lo-
Anthoinne (30) de Lorrain (n)e etc. rain(n)e etc.
(J. Herold)
1432 Mai 31 Nancy 40
René von Anjou an Elisabeth. Nach seiner Rückkehr hat er erfahren, daß ihm und sei-
nen Landen von ihrer Burg Varsberg aus schwerer Schaden widerfahren ist, für den sie und
ihre Kinder, für die sie die Regentschaft führt, verantwortlich sind. Auch weiterhin wird
von Leuten, die an besagtem Ort ein- und ausgehen, schwerer Schaden an seinen Herr-
schaften und Untertanen verübt. Obwohl sie in seiner Abwesenheit an seine Gattin ge-
schrieben und durch ihre Leute derselben mitgeteilt hatte, dafür Sorge tragen zu wollen,
daß keine weiteren Übergriffe erfolgen, und obwohl sie von seiner Gattin aufgefordert
worden war, in dieser Sache Wiedergutmachung der Schäden zu leisten und für ein Ende
derselben zu sorgen, hat sie nichts dergleichen getan. Daher erleidet er durch die Besatzung
von Varsberg weiterhin unzähliges Übel. Darüber ist er sehr verwundert, denn Elisabeth
hat seiner Gattin geschrieben und ihr sagen lassen, in der Sache Abhilfe schaffen zu wollen.
Außerdem ist sein Neffe, d. h. ihr Sohn, sein Lehnsmann und Vasall, so daß weder sie noch
er billigen Grund haben, so zu handeln. Als er vor kurzem in Pont-ä-Mousson war, hat er
den Beglaubigungsbrief für ihren Diener Hannemann (Hermand) erhalten. Dieser hat ihm
erzählt, daß sie tatsächlich nach Vézelise gereist sei in der Hoffnung, ihren Bruder, den
Grafen von Vaudémont, zu treffen und mit ihm über die besagte Angelegenheit zu reden
und Wiedergutmachung zu erlangen. Daraus sei aber nichts geworden, weil ihr Bruder
nicht gekommen wäre und sie zurückreisen mußte, ohne mit ihm verhandelt zu haben.
Hannemann hat René in Elisabeths Namen die Bitte vorgetragen, einen Tag in (O-
ber) Homburg anzusetzen, wo seine Leute mit ihr oder ihren Leuten Zusammentreffen
könnten, um über die Varsberg-Angelegenheit zu verhandeln. Als Antwort darauf erinnert
er sie an die schweren Schäden, weiche die Leute, die in Varsberg ein- und ausgehen, an
seinen Landen, Herrschaften, Mannen und Untertanen, Lehen und Schutzherrschaften
(gardes) täglich verübt haben und verüben. Weder hat sie die diesbezüglichen Forderungen
erfüllt, noch hat er Wiedergutmachung erfahren. Unter diesen Umständen hat er keinesfalls
die Absicht, einem Tag (Joumee) mit ihr zuzustimmen. Als Vorleistung fordert er, daß dieje-
nigen, die sich als seine Feinde erwiesen haben und sich in ihrer besagten Burg befinden,
aus dieser vertrieben werden, so daß aus jenem Ort keinerlei Schaden mehr entsteht. Alle
eingetretenen Schäden sollen aber nach Ort und Zeit aufgeführt und vollständig beglichen
werden. Sie soll durch den Boten dieses Briefes ihre Absicht und ihren Willen kundtun.
(-35-40-41-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsspuren vorhanden. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.ll, Nr. 3112, f. 22/11 (Rotel).
^mons(eigneur) de Bara^
Treschiere (et) amee cousine. J1 est vray, que aprez n(ost)re retour en noz pays depar deca
auons (3) sceu, que nous absent d’iceulx et estant en dangier, co(m)me bien auez peu
303
sauoir, ont este (4) fais et portez a nous, noz pays et seignouries et a noz subgez plus(eur)s
grans griefs et gros (5) do(m)mages de v(ost)re forteresse de Warnepech, app(er)ten(ant) a
vous et a noz cousins voz enfans, desqueix (6) vous auez le gouuernement. Et encores de
jour en jour nous en sont fais (et) portez grans maulx (7) et do(m)mages a nous et nos
d(i)tes seigneuries et subges par gens estans en la d(i)te place yssans (8) (et) rentrans
d’icelle. Non obstant que pieca nous absent vous esc(ri)puistes par voz l(ett)res et feistes
(9) dire par aucuns de voz gens a n(ost)re treschiere et tresamee compaigne la duchesse,
que au fait (10) d’icelle fort(er)esse pourueoriez telement, que d’icelle ne nous s(er)oient
fais ne a noz subgez, pays (11) (et) seignouries quelxconques maulx ne do(m)mages. Mais
ce non obstant et que en n(ost)re absens (12) ayez este requise par n(ost)re d(i)te compai-
gne la duchesse de mettre en ces choses prouision, (13) tele que d’iceulx do(m)mages ainsy
a nous fais nous fust f(ai)re restituc(i)on (et) restablessement (14) et que plus d’icelle
fort(er)esse ne nous fussent celx do(m)mages fais. Neantmoins n’auez (15) en ce n’use
prouision quelconque, dont nous seyens app(er)ceu. Aincois au ch(ac)un jour nous (16) vi-
ennent jnnum(er)ables maulx et do(m)mages par ceulx estans en la d(i)te place. De la
quelle (17) chose so(m)mes moult merueilleur, veu ce que auez escript et fait dire a n(ost)re
d(i)te compaigne, (18) d’y mettre prouision co(m)me dit est. Veu aussi que n(ost)re dit cou-
sin de Sarrebruche v(ost)re filz (19) est, co(m)me vous sauez, n(ost)re ho(m)me et vassal et
que vous ne lui n’auez de ce faire cause (20) raisonnable. Toutesuoyes jl est vray, que na-
guaires nous estant au Pont auons receu (21) voz l(ett)res conten(ent) creance en la per-
sonne d’un v(ost)re seruiteur no(m)me Hermand, le quel par vertu (22) de sa d(i)te creance
nous a dit en effect, que adfin de parler a v(ost)re frere le conte de Wademont (23) sur
ceste matere et pour mettre prouision au fait de la d(i)te place de Warnepech vous estez
t(ra)nsportee (24) a Vezelise espérant parler a lui. Ce que n’auez peu faire, po(ur) ce q(ue)
v(ost)re dit frere n’y est pas (25) venu et pour ceste cause vous en estez retournée sans y
pooir auoir besoingnie. Mais toutesuoyes (26) se n(ost)re plaisir est accorder vne journée au
lieu de Hombourg et y enuoyer de noz gens vous (27) y serez ou enueyrez dez v(ost)res,
pour besoingnier sur le fait de la d(i)te place de Warnepech et (28) y mettre tous les meil-
leurs remedes, que porrez, ainsi co(m)me le dit Hermand le nous a dit de (29) par vous.
Surquoy pour vous faire responce a ce vous resc(ri)puons q(ue) veu les grans (et) gros (30)
do(m)mages, qui de v(ost)re d(i)te fort(er)esse et par gens yssans et rentrans d’icelle nous
ont este (31) et sont au ch(ac)un jour fais et portez et a noz pays et seignouries (et) sur noz
ho(m)mes (et) subgez, (32) fiefs et gardes. Desqueix jusques icy quelque requeste que
f(ai)te vous en ait este n’auons (33) peu auoir quelque restituc(i)on ne restableme(n)t aucun,
n’est point n(ost)re entenc(i)on (34) d’acorder ne accepter journée pour ceste cause auec
vous ne aut(re)s. Aincois vous (35) requérons, que ceulx qui par fait se demonstrent noz
ennemis, qui sont dedans v(ost)re (36) d(i)te fort(er)esse en soient du tout mis dehors (et)
que tele et si bonne prouision, soit mise (37) a v(ost)re fort(er)esse, que d’icelle ne nous
veignent plus ne soient fais a nous ne (38) noz pays, seignouries, ho(m)mes (et) subgez,
fiefs, arrierfïefs et gardes griefs ne do(m)mages (39) quelxconques. Et pour ce toutes ces
choses considerres nous vous p(ri)ons affectueusem(ent) (40) (et) neantmoings requérons
sur la feaulte, que nois deuez tant pour nous, co(m)me (41) pour nos diz cousins, voz en-
fans que promptement sans delay vueilliez a toutes ces (42) choses mettre tele et si conue-
304
nable prouision (et) remede, que de v(ost)re d(i)te fort(er)esse (43) ne par gens estans en
ycelle ne nous soient plus d’icy en auant fais ne portez (44) quelconques maulx ne
do(m)mages ne a noz pays et seignouries, fiefs, arrierfiefs (45) et gardes ne a noz ho(m)mes
(et) subgez. Et auec ce que tous les do(m)mages quelxco(n)ques, (46) qui d’icelle place
nous ont este fais, desquelx sera f(ai)te declarac(i)on en temps et en lieu, (47) nous soient
realement et de fait rendus, restituez et restablis entièrement. (48) Sy vueilliez en ces choses
telement remedier (et) po(ur)ueoir, co(m)me vous sauez, que (49) a raison app(er)tient (et)
qu’il ne conueigne pas, que en v(ost)re deffault jl nous (50) y conueigne pourueoir, ainsi
co(m)me nous trouurons, que faire se doit de raison. (51) Car bonnement ne porriens ceste
chose dissimuler ne laissier en cest estât. (52) Sy nous resc(ri)puez sur ces chos(es) v(ost)re
entenc(i)on et volonte par cest porteur. N(ost)re s(eigneur) (53) vous ait en sa garde.
Esc(ri)pt en n(ost)re ville de Nancey le dernier jour de may.
verso:
A n(ost)re treschiere et bien amee cousine,
la contesse de Naussoe (et) de Sarrebruche.
(J. Herold)
(a - a) von späterer Hand über den Text gesetzt.
1432 Juni 4 41
Elisabeth an René von Anjou. Sie hat seinen Brief bezüglich Varsberg bekommen (Nr.
40), kann ihn zur Zeit aber nicht angemessen erwidern, da sie ihre Räte und Amdeute, die
soliche brieffe %u dutschem verstentenisse brengen mochten geschäftiich an den Rhein geschickt hat.
Sobald diese zurück sind, wird sie antworten.
(-40-41-42-)
Konzept mit geringfügiger interlinearer Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr.
3112, f. 22/12 (Rotel).
Hochgebo[r]n(er) fürste, gnedig(er) lieber h(er)re. Uw(er)n gnade(n) enbied(en) ich myn
demütiges gebet vnd waz (2) ich v(er)mag. Als uw(er) gnade mir von Warsberges weg(en)
hait dun schriben, den brieff han ich (3) entfang(en) vnd beg(er)n uw(er)n gnad(en) zu
wiss(en), daz ich myne amptlude vnd retde vnd die (4) jhene, die soliche brieffe zu dut-
schem v(er)stentenisse brenge(n) mocht(en), ytze nit bij mir, sond(er) (5) sij an den Ryn zu
ernstlich(en) treffelichen dag(en) geschicket han, dar vmb ich uw(er)n gnad(en) (6) zu
dies(er) zijt nit follenclich vff soliche schrifft geantw(er)ten kan. So balde ab(er) die[ ]
myne (7) amptlude, rette vnd frunde wied(er) bij mich kome(n), wil ich mich mit yn be-
dencke(n) vnd (8) dan(n) uw(er)n gnade also vnd(er) demenclich vnd gelimplich
antw(er)ten, daz ich hoffen, daz (9) uw(er) gnade billich zu dancke haben solle. Gnedig(er)
lieb(er) h(er)re, uw(er) gnade duhe mir alletzijt (10) gebied(en). Gegeb(en) vnd(er) myme
jnges(igel) vff mitwoch(en) vor dem Heilig(en) Phingestdage anno (11) etc. xxxij.
305
Elisabeth etc.
Dem hochgeborne(n) furste(n), h(er)n Reynhart, h(er)tzog(en) zu Bar,
zu Lothring(en), h(er)tzug(en) vnd margg(ra)ffen, margg(ra)ffen
zu Pontemous und g(ra)ffen zu Guise, myme gnedig(en)
lieb (en) h(er)n.
verso:
Bar.
1432 Juni 17 Kirchheim
(N. janich)
42
Elisabeth an René von Anjou. Sie antwortet auf seine Forderungen (Nr. 40) und schil-
dert ausführlich die Affare um Varsberg: Ihr Lehnsmann Johann von Kerpen hat ihre Burg
Groß-Varsberg von der Burg Klein-Varsberg aus, die er als Lehen von ihr und ihrem Soh-
ne besitzt, ohne Fehde und Feindschaft eingenommen. Da ihr die Sache sehr leid tut, ha-
ben sie und ihre Amtleute und etliche ihrer Leute während Renés Abwesenheit an die Her-
zogin von Bar geschrieben und um Entschuldigung ersucht. Diese hat ihnen Entschuldi-
gung gewährt und anerkannt, daß die Sache ohne Elisabeths und ihrer Amtleute Willen und
Wissen geschehen sei. Sie hat dann Johann von Kerpen hart bededinget und ihn dazu ge-
bracht, sich für eine Rückgabe der Burg innerhalb einer festgesetzten Frist, die in der ersten
Fastenwoche zu Ende ging, zu verpflichten. Das hat er nicht gehalten, sondern vorgegeben,
die Leute ihres Bruders Anton von Vaudémont hätten ihm die Burg weggenommen und
wollten sie nicht an Elisabeth zurückgeben, da sie es eines der Gemeiner, nämlich des Ge-
org von Rollingen wiegen, der ihr Feind und Gegner wäre, besetzt hätten. Ihr Bruder und
seine Leute haben ihr die Wiedereinsetzung in ihre Anteile angeboten, wenn sie bereit wäre,
mit diesen gemeinsam einen Burgfrieden zu schwören. Das hat Elisabeth aber abgelehnt.
Statt dessen ist sie mit Johann von Kerpen übereingekommen, daß er ihr seine Burg Klein-
Varsberg bis Montag nach dem Sonntag Invocavit (10. März) übergibt und solange über-
läßt, bis sie ihre Anteile und ihr Gut an Groß-Varsberg wiedererlangt haben würde. Doch
hat er auch das nicht eingehalten. Auch an ihren Bruder Anton von Vaudémont hat sie sich
gewandt und ist selbst bis nach Vézelise gereist, um auf dessen Vorschlag hin sich dort mit
ihm zu treffen und über die Varsberg-Angelegenheit zu sprechen. Obwohl sie dort acht
Tage auf ihn gewartet hat, ist er nicht erschienen, so daß sie unverrichteter Dinge zurück-
kehren mußte. Auf der Rückreise ist sie über Nancy geritten, um René von Anjou und sei-
ne Gattin dort zu treffen. Die waren aber nach Pont-ä-Mousson gezogen. Da sie jedoch
wegen dringender Angelegenheiten Weiterreisen mußte, ist sie nicht selbst nach Pont-ä-
Mousson gekommen, sondern hat nur ihren Diener Hannemann von Saarbrücken ge-
schickt. Dieser sollte sie entschuldigen, über die vergebliche Reise zu ihrem Bruder berich-
ten und einen Schiedstag in (Ober)Homburg oder Forbach vereinbaren. Dorthin wollte sie
ihre Leute schicken, damit sie darüber verhandeln und beraten, wie ihr Sohn sein Erbe und
sie ihr Wittum wiedererlangen könnten. Das gleiche hatte sie schon einmal während Renés
Abwesenheit gegenüber seiner Gattin vorgeschlagen. Da sie alles mögliche unternommen
und sich in der Sache immer aufrichtig verhalten hat, bittet sie René von Anjou, daß er ihre
Unschuld anerkennt, von seinen Forderungen abläßt und ihr schriftlich antwortet.
(-41-42-45-)
306
Abschrift mit einer geringfügigen Ergänzung über der Zeile. - LA Saarbrücken, Best. N-
Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/13 (Rotel).
Myn pater noster vnd was ich eren vnd guds v(er)mag uw(er)n gnaden alletzit vorgeschri-
ben. Gnedig(er) lieber h(er)re, als uw(er) gnade mir ytze (2) neste von Warßbergs utgcn dun
schriben vnd deshalb etwie viel forderonge an mich getan hait, jn massen das jn uwer
gnaden brieffe vnd (3) gesant eigentlich begriffen ist etc., han ich verstanden vnd beg(er)n
uw(er)n gnaden zu wissen, das Johan von Kerppen mit helffe ettwie (4) viel and(er)n mir,
Johan, myme sonne, vnd vnsern gemeynern vns(er) sloß genant G(ra)ffen Warßberg vß
dem Cleynen Warßb(er)g vnd wid(er) (5) dar jn, das myn vnd myns obeg(enanten) sons le-
hen ist, abegelauffen vnd angewonnen hait. Bynnen des, daz der eg(enante) Johan von
Kerppen (6) mir vnd myme vorges(chriben) sonne von man(n)eschafft wegen verbuntlich
ist vnd aen vede vnd aen vigentschaff vnd vnbewart yrer (7) eren, daz mir siether vnd jn
der warheit von gantze(n) myme hertzen getruwelich leit ist, als ich vnd myne amptlude
das myn(er) (8) gnedigen frauwen vnd mumen, der hertzogynne(n), vmbe daz uwer gnade
vff die zit nit jnheymsch was, eigentlich geschriben vnd vur (9) geen yren gnaden vnd sust
vor etwie viel guden luden, die yren gnaden daz auch geschriben hant, vffrichtig vnd er-
beiclich ent= (10) schuldiget han. Als ferre daz yre gnade mir wider geschriben hait, das sii
mich vnd myne amptlude vor vnschuldig habe, daz (11) yre gnade auch billich also vffge-
nomen vnd getan(n) hait, nast dem die geschichte aen myn vnd myn(er) amptlude, die so-
licher Sachen (12) von mynen wegen macht haben mochten, wissen, willen vnd
verhencknisse zu gangen vnd gescheen sint. Vnd vmbe daz uwer (13) gnade, myne
obeg(enante) gnedige frauwe vnd müme, vnd and(er)n desta baß erfaren vnd verstan
mochten, das ich sollchs odir anders, dz (14) uw(er)n gnaden zu vnwillen were odir mir nit
gebürt, gar vngerne getan hette odir dun wolde, han ich den obeg(enante) Johan von
Kerppen (15) faste hefftenclich vnd hart bededinget vnd is darzu bracht, daz er sich mit
versigelten briefen gelubeden vnd spräche v(er)bonden (16) hait, daz eg(enante) sloß
G(ra)ffen Warßberg bynne(n) eyner zit, die benant wart vnd jn der ersten wochen der fas-
ten neste vergangen vß (17) ginge, jn myn vnd myns eg(enanten) sons hande zu stellen; daz
er vns doch nit gehalden, sonder sich da angenom(m)en hait, myns bruder (18) von Wie-
demont lüde hetten yne des slosss entweldiget vnd wolden vns daz nit zu vns(er) handen
stellen lassen, vmbe daz sii is (19) vff Joergen von Ruldingen, der yre vigent vnd and(er)n,
die yre widerparthie vnd gemeyner daran weren, gewonne(n) hetten. Des my(n) (20)
vorg(enanter) bruder vnd die sinen sich auch also vndernom(m)en hant vnd was yre mey-
nu(n)ge, wolden ich vnd myn eg(enanter) sonne vns(er) deyle (21) wiedernemen vnd einen
burgfrieden mit yn sweren, so wolden sij vns vnser deile wider geben. Gnediger lieber
h(er)re, daz han (22) ich nit wollen dun vnd han den eg(enanten) Johan von Kerppen vort
bededinget als ferre daz er jnging vnd sich verbant, daz sich vff (23) richtig vnd kuntlich
finden mag, mir daz obeg(enante) sloß Kleyn Warßb(er)g jn zu geben bynne(n) eyn(er) zit,
die vff mandag nach dem (24) sondage Jnuocauit neste verschienen vßginge vnd mir dz zu
lassen, biß daz er mir vnd myme eg(enanten) sonne daz vorg(enante) slosse G(ra)ffen (25)
Warßb(er)g vnd vns(er) gut, das wir da jnne hatten, zu vns(er)n handen gestelte, jn masse
307
er sich des verschriben vnd Verbünden hatte. (26) Das hait er auch nit gehalden vnd hait
faste vbel vnd beselich an mir, myme sonne vnd den vns(er)n gefaren, daz vffenberlich
(27) wisseliche ist. Jch han auch myme obg(enanten) bruder von dieser geschichte wegen
dick, ernstlich vnd hefftenclich geschriben vnd (28) myne frunde zu yme geschicket vnd
han mich vff daz leste selbs hyn jn biß geen Veselixe gefuget, dar er mich auch (29) zu yme
bescheiden hatte, vmbe vß den Sachen zu reden vnd zu besehen, obe ich daz eg(enante)
sloß G(ra)ffen Warsb(er)g von yme wider (30) zu myne(r), myns sons vnd vns(er) ge-
meyn(er)n handen brengen mochte, daz ich auch bij myne(r) truwen vnd rechter warheit
uw(er)n (31) gnaden, myn(er) eg(enanten) gnedigen frauwe(n) vnd mümen zu wollen mir,
myme sonne vnd dem gemeyne(n) lande zum besten g(er)ne getan (32) hette vnd noch
g(er)ne dun wolde, wan man wol pruben mag, das ich myne(r) widemen vnd myns sons
erbe nit g(er)ne stände han (33) jn solicher lüde hande, als jn dem sloß ligent, vnd dz mir
dz nit gefuglich ist. Gnediger lieber h(er)re, nu machte es sich, daz (34) my(n)
vorg(enanter) bruder nit geen Veselize kom(m)en mochte, wie wol ich sin echt dage beyte.
So torste ich auch nit vnderstan, mit (35) myne(n) frunden vort zu yme zu riden, nast dem
die leuff jn den landen sint, als uw(er) gnade daz baß weiß dan ich; vnd muste (36) also
vngeendet von dannen wider heruß riden, daz mir faste swere vnd leit ist; vnd reit auch an
myme heruß riden geen (37) Nancey vnd meynte, uwer gnade vnd myne eg(enante) gnedi-
ge frauwe vnd mume da zu finden vnd uwer gnade, als ir (38) nuwelingen zu lande
kom(m)en warent, zu sehen vnd vß den vorges(chriben) Sachen zu reden; also waren ir
von dannen geen (39) Pontemous gezogen, dar selbs ich mich auch zu uw(er)n gnaden zu
fugen meynte. Da fugete is sich, daz mir viel ernstlich(e) (40) botschaff zu Nancey qwam
vnd daz ich deshalb ylende wyse zu dutschem lande muste vnd schicke geen Pontemous
(41) zu uw(er)n gnaden Ha(n)neman von Sarbrucken, mynen diener, mit myme glaubs
briefe, mich zu entschuldigen vnd uw(er)n (42) gnaden zu sagen, das ich nit zu myme bru-
der geredt hette, vnd wolde uw(er) gnade von Warßb(er)g wegen icht vorhant nemen, (43)
daz ir dan uwer frunde geen Hoemburg odir Furppach schicken vnd mich des einen ne-
melichen dag wissen lassen (44) woltent. So wolte ich myne frunde zu yn schicken, sich
von den Sachen zu vnderreden vnd zu rade zu werden, wie man (45) die vorhant nemen
mochte, vnd also darzu dun, daz man sehen solte, das ich myne(n) wiedemen vnd myns
sons erbe (46) nit g(er)ne also jn and(er)n handen stände hette. Desglichen ich myn(er)
eg(enanten) gnedigen frauwen vnd mümen bynnen derzit uwers (47) vßwesens auch
geschriben han. Vnd her vmb vnd nast allen vorges(chriben) Sachen vnd and(er)n gele-
genheiden, die zu viel schribens (48) nemen vnd uw(er)n gnaden durch mich odir myne
frunde vorbracht mögen werden, vnd nast dem ich vnd myne kinde (49) uw(er)n gnaden
vnd myn(er) eg(enanten) gnedigen frauwen vnd mumen bewant sin vnd mich geen
uw(er)n gnaden ye nit anders dan (50) vffrichtig vnd gelich weiß gehalden han vnd mich,
abe got wil, auch nit anders zu halden meynen, wie wol villicht uw(er)n (51) gnaden anders
vorbracht mag werden, bieden ich uwer gnade demudenclich vnd vnderde(n)eclich, mich
solicher (52) forderongen, als uw(er) gnade an mich getan hait, zu erlassen vnd mich jn den
Sachen vor vnschuldig zu halden, als (53) uwer gnade das billich vnd wol dun mag vnd sich
also gnedenclich geen mich vnd myne sönne zu bewisen, (54) als wir uw(er)n gnaden ye
getruwen. Daz wollen wir, wo wir mögen, getruwelich verdienen, vnd beg(er)n heruff
308
uw(er) (55) gnaden gnedige verschoben antwert. Die selbe uwer gnade mir alletzit gebieden
duhe. Gegeben zu Kiercheim vff (56) dinstag nach der Heiligen Driualtickeit dage anno
d(o)m(ini) m cccc xxxij°.
Elisabeth von Lothringe(n), g(ra)ffynne witwa
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Dem hochgeborn fürsten, h(er)n Reynhart, hertzogen zu Bar vnd zu Lotthr(ingen)
und margg(ra)ffe, margg(ra)ffe zu Pontemous vnd graffe zu Guise, myme
gnedigen lieben h(er)n.
(R. Schäfer)
14 [32] Juli 28 Varsberg 43
Nicola de Vienne, Hauptmann auf Varsberg, an Elisabeth. Ihren Brief, der über Drit-
te gegangen ist, hätte er beinahe nicht erhalten und bittet daher um Entschuldigung dafür,
daß er ihn bislang nicht beantwortet hat. Es ist wahr, daß einige seiner Gefährten Edelleute
von ihr beraubt haben. Das sei deswegen geschehen, weil ihm einige ihrer Leute für einen
Edelmann 31 Gulden Lösegeld versprochen haben. Das Geld sollte bis zu einem Tag ge-
zahlt werden, der lange vorüber ist. Zu der Zahlung ist es nicht gekommen. Mit dem Geld
hatte er aber fest gerechnet und dafür Lebensmittelvorräte für die Burg Varsberg bereitstel-
len lassen. Da ihm das Geld nun nicht zur Verfügung stand, sind ihm die Vorräte verloren
gegangen, was für ihn einen großen Schaden bedeutet. Daher ist es seine Absicht, gegen
Elisabeths Leute, die an seiner Notsituation schuld sind, vorzugehen, bis er hinreichenden
Ersatz für die verlorenen Vorräte erlangt haben wird, und zwar solange, bis sein Herr, Eli-
sabeths Bruder (Anton von Vaudemont), in dessen Namen er Hauptmann auf Varsberg ist,
es ihm untersagt. Auf diese Weise würden Elisabeth und andere dazu herangezogen, für die
Burg Varsberg zu sorgen, die seinem Herrn, zu dem Elisabeth so befremdlich und hart ist,
gehört. Er empfiehlt sie dem Schutz Gottes, damit sie ihrem Bruder besser helfen werde,
als sie es bisher getan hat.
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. Die Ortsangabe ver-
so ist von anderer Hand. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 19.
Treshault puissant honorée dame. Touttez hu(m)ble reco(m)ma(n)dat(i)on p(re)mise.
V(ost)re g(ra)ice m’ait esc(ri)pt vne l(ett)rez en tierce, la qjuejlle ne failire (2) ne m’(et)tent
point ce vous supplie, q(ue) ne vous en desplaice point de ceu q(ue) fair ycellez ne vous ait
fait responce. Ma t(re)shonoree dame, il (3) est vray, q(ue) alcu(n)s de mez compagnons
ont p(ri)s dez bo(n)ne gens (et) cheual, lez quelz sont a vous etc. A la cause de ceu q(ue)
alcu(n)s de voz bo(n)ne ho(m)me (4) sen ceu q(ue) on lez en requis ont resploigier vng
bo(n)ne ho(m)me pour xxxj flor(in). Liquelz est de guerez (et) de p(ri)se ez maison dez
Wanep(e)rt. (Et) ce d(it) (5) arge(n)t debuoit paiier a vng jour, qui est de longtemps passer.
Pour tant a ycell y argent me assuroie (et) avoie fait apperte ap(re)stez (6) alcu(n)ne
p(ro)uision de viviez pour lez maisons dez warnep(e)rt (et) en deffaul de ceu q(ue) na vous
309
nüUS pehens avoir le d(it) argent, sont estez p(er)duit (7) lez viviez sus moy, dont j’en ais vng
t(re)sg(ra)nt desfault (et) g(ro)s (et) g(ri)ef dapmaigez. Pour quoy, ma t(re)shonoree dame,
moy e(n)te(n)t(i)on en ait, (8) pour yceuz dapmaigez moy en rescoure sus voz bo(n)ne
gens, tellement (et) ju(s)q(ue)s ad ceu q(ue) s(er)ais resco(m)passes dez viviez, q(ue) en
desfault de (9) voz gens ais p(er)duit (et) dez dapmaigez a veut (et) ju(s)q(ue)s ad ceu q(ue)
me s(er)ait deffenduit de mon redobte s(eigneur), mo(n)s(eigneur) v(ost)re frere. (Et) vous
(et) alt(re)s (10) aderez a goberner dez maison dez Wanep(e)rt, que sont a mon redobte
s(eigneur) dess(us) d(i)te, az quez vous estez assez estrai(n)gez (et) ruddez. Li benoist fis
(11) de dieu vous ait en sa s(ain)te garde, qui v[ous] dont bo(n)ne vie (et) longe, mellour
voile(n)t(iers) d’aidier v(ost)re frere, q(ue) n’avez. Esc(ri)pt a Warnep(e)rt le (12) xxviijc jour
de jullet mil cccc (et) xx[x-].
V(ost)re hu(m)ble s(er)uiteur Nicolla
de Vie(n)ne, capp(itain)L dez Warnep(e)rt
pour mon redobt(es) s(eigneur), v(ost)re frere.
verso:
A ma t(re)shault puissant honorie dame, ma dame
la contesse de Na(u)ssewe (et) de Saibruche etc.
(J. Herold)
44
Warsperg.
1432 August 24
Elisabeth an Johann von Kriechingen. Sie bestätigt den Erhalt seines Briefes, aus dem
hervorgeht, daß er nicht wie gewünscht zu ihr kommen wird. Elisabeth erinnert ihn daran,
daß sie nach Rat ihrer Mannen sich damals gegenüber ihrer Cousine Elisabeth von Bar-
Lothringen unschuldig erklärt und gleichzeitig ihrem Bruder Anton von Vaudémont wegen
Varsberg geschrieben hat. Sie war auf seinen und der anderen Freunde Rat hin stets be-
müht, Varsberg wiederzubekommen, und hätte es sich auch etwas kosten lassen, obwohl
sie unschuldig in die Sache hineingeraten ist. Während der Abwesenheit des Herzogs von
Bar-Lothringen (René von Anjou) hat sie an dessen Gattin und nach Renés Rückkehr die-
sem selbst wiederholt geschrieben und um Verhandlungen zur Beilegung des Konfliktes er-
sucht. Auch an ihren Bruder (Anton von Vaudémont) ist sie in dieser Angelegenheit des
öfteren und ernsthaft herangetreten und hat versucht, ihn selbst zu treffen. Somit ist er-
sichtlich, daß sie die Sache ständig verfolgt hat und gerne etwas dagegen tun würde. Nun
hat sie vor, sich mit dem Herzog von Bar-Lothringen persönlich zu treffen und bittet Jo-
hann von Kriechingen, sie dabei zu begleiten. Deswegen soll er am nächsten Samstag (30.
August) zur Tageszeit zu ihr nach Nancy kommen. Johanns von Kriechingen Vorschlag zu
einem Treffen in Püttlingen ist gegenstandslos geworden, da sie ihren Bruder, der sich zur
Zeit auswärts aufhält, nicht erreichen konnte. Daher bleibt zur Zeit keine andere Möglich-
keit, als vor den Herzog von Bar-Lothringen zu treten. Da ihre Burg (der Große) Varsberg
aber von Klein-Varsberg aus, das ein saarbrückisches Lehen ist und zu dessen Gemeinem
Johann von Kriechingen gehört, eingenommen worden ist, müßte es auch in Johanns Inte-
310
resse liegen, in der Sache einen Fortschritt zu erzielen. Daher erwartet sie seine Unterstüt-
zung und bittet um schriftliche Antwort.
(44-50)
Abschrift mit umfangreichen Streichungen und Ergänzungen am Rande und über der Zei-
le. Die drei Vermerke auf der Rückseite (über und unter der Anschrift) sind von jeweils
verschiedenen Händen. Die Schrift der Anschrift stimmt mit der von der Vorderseite über-
ein. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 13, vgl. Abb. 25.
Abesch(rift).
Ant(re)ffen Warßberg.
Elisabeth von Lothringe(n), g(ra)ffynne witwa
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
Vnsern fruntlichen grus beuor. Lieber getruwer, als du vns wider geschriben hast, daz dir
nit gelegen sij, (4) bij vns zu sin, jn massen wir dich gebeden han, vnd da bij rures eine(n)
rat, der vns durch dich vnde (5) ander vns(er) ma(n)ne eyns deils gegeben sij worden etc.,
han wir verstanden vnd hoffen me'nen, dir sij wol jndenckich, (6) daz wir vns zu der zit nast
vns(er) ma(n)ne rade, die bij vns waren, geen vnser gnedigen frauwen vnd (7) mümen von
Bar vnd von Lothringe(n) entschuldiget vnd zu der selben zit auch nast der selben vns(er)
ma(n)ne rade (8) vns(er)me bruder von Widemo(n)t von Warsbergs wegen geschriben han,
so han wir sijte nast dine vnd (9) ander vns(er) frunde radc jn maincherleye wise vnderstan-
den, vns der Warsberge zu genechen, vnd hetten vns (10) daz g(er)ne lassen costen, wie
wol wir vnschuldenclich dar zu kom(m)en. Wir han auch vns(er) eg(enanten) gnedigen (11)
frauwen vnd mumen vnd eynsdeils yren frunden bynne(n) der zit, als vns(er) gnediger
h(er)re von Bar (12) vnd von Lothringe(n) vßlendig waz, vnd darnach, do er zu lande
kom(m)en ist, sinen gnaden sclbs auch geschr(iben) (13) vnd vns erboden, darbij zu
[kommjen odjer vnjser frunde zu schicken, zu rade zu werden, wie man die (14) Sachen
vorhant nemen solde. So han wir han auch uns(er)n eg(enanten) bruder M,t ckr zlt faste treffe -
lieh betedinget vnd yn vnder (15) stande(n) sdbs zu suchen, yr mu(n)dlich zu bededingen
An sollichem allen wol zu v(er)stande ist, daz wir die (16) Sachen nit gelasset han vnd
g(er)ne darzu getan hetten. So wollen wir ytze auch zu vns(er)m eg(enanten) (17) gnedi-
ge(n) h(er)n vß den selben Sachen die dich ctlich(er) massen myde berurent als von dins
deils zu (18) Warsberg wegen vnd auch von and(er)n, Sachen da wir dich g(er)ne bij hetten,
bit sinen gnaden zu reden. (19) Vnd her vmb bieden wir dich fruntlich vnd mit ernste, vff
diesen nesten samesdag zu dage zit (20) zu Nancey bij vns zu sin, dar an dustu vns liebe
vnd dinste, die wir nit vcrgessen, sonder g(er)ne (21) verschulden wollen, dan als du vns mk
Putling(cn) vnd darnach mit Peter, dime boden, enboden (22) hast da die botschafft sagent,
nit zu hau ff so ist vns(er) bruder, als wir v(er)stan, nit jnlendig vnd (23) konne(n) keyne
botschaff bij yn gedun, (aso ist is auch nit faste not, nast dem du vns vor amt Putling(en)
enbod(en) haist, vnd nast gelegenheit beduncket vns, dz wir die sache(n) nit baß vor ge-
neme(n) od(er) bekurtze(n) moge(n)a), vnd meynen, daz wir die Sachen nit baß gekurtzen
311
mögen (24) dan vns bij vns(er)n eg(enanten) gnedigen h(er)n zu fugen vnd n<lst wa« vns,
vns(er)n kinden vnd gemeynern (bunser sloß Warsb(er)gb^ (25) zu Warsberg gescheen oft,
daz ist vns gescheen vß dvme vnd diner gemeyn(er) slosse vnd wider (26) dar jn, daz doch
von vns(er) g(ra)ffeschafft von Sarbrucken zu lehen ruret, (cangewonne(n) vnd is mit
demselbe(n) uw(er)m slosse gheen vns(er)m eg(enanten) gnedige(n) h(er)n gelege(n) vnd
dir vnd dine(n) gemeynern auch not ist, daz etwaz guder wegen jn den sache(n) vorhant
genome(n) worden^. Herumb Getruwen (27) wir dir wol, du solles dich hie jnne bewisen,
als wir vns zu dir versehen, vnd vns zu (28) dieser zit nit lassen, vnd beg(er)n dez dine
verschr(iben) antwert. Geben vnder vns(er)me jngesigel vff (29) Sant Bartholomey dag an-
no etc. xxxij°.
verso:
Johann, h(er)n zu Crichingen, vnserm lieben
getruwen.
Warsperg.
(St. Grathoff)
(a - a), (b — b) am linken, (c - c) am unteren Rand ergänzt.
1432 September 15 45
Elisabeth an René von Anjou. Sie beteuert erneut ihre Unschuld, bedauert, daß das Tref-
fen mit ihm noch nicht stattgefunden hat, und bittet um die Ansetzung eines Termines für
einen Tag in Nancy. Sie bittet, ihr den Termin möglichst frühzeitig mitzuteilen, damit sie
ihre Räte und Amdeute einladen kann. Sie wird dann gerne zu dem Tag kommen, um mit
dem Herzog zu sprechen und sich zu entschuldigen. Sie hofft und vertraut darauf, daß der
Herzog die Wahrheit erkennt und sie gerecht behandelt, zumal sie miteinander verwandt
sind.
(-42-45-82-)
Abschrift mit geringfügiger interlinearer Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr.
3112, f. 22/14 (Rotel).
Hochgeborner fürste, gnedig(er) Heber here, jch beg(er)n uw(er)n gnaden zu wissen, dz
mir vorkom(m)e(n) ist, dz ich vaste swerhch zu vngnaden (2) geen uw(er)n gnaden vor-
bracht sij vnd allen dag vorbracht werde, vnd geschiet mir, myne(n) kinde(n) vnd den
vns(er)n vaste vngnedechch, (3) dz ich ye jn keyne wise hoffen v(er)schuldet han vnd auch
mit wissen oder willen vng(er)ne v(er) schulden wolde, vnd w(er)e lange g(er)ne bij uwer
(4) gnade gewest, mich zu entschuldige(n) vnd mit uw(er)n gnaden von allerhande Sachen
zu reden, als evnßdeils uwer gnade(n) retde, den (5) ich darumb geschr(iben) han gehabt,
wolwissen, dz sich doch bisher von uw(er)n gnade(n) vnd auch myn(en) vnmussen vnd
gescheffnisse wegen (6) nit hait mögen fuegen vnd vmb ich nu noch g(er)ne also bij uwer
gnade were. Bijden ich dieselbe uwer gnaden demutenclich vnd (7) vnderde(n)nenclich,
312
mir widerzuschriben vnd eine(n) dag zu bescheiden dun, dz uwer gnade zu Nancey zufin-
den sij vnd dz (8) ich den also zijtlich zuvor wisse, dz ich myn(en) rette vnd amptlude
eynsdeils bij mich verboden möge. So wil ich mich als dan(n) (9) g(er)ne darselbs zu
uw(er)n gnaden fuegen, mit denselb(e)n uw(er)n gnaden zu reden vnd mich also zu ent-
schuldigen, dz ich hoffen (10) vnd truwen, dz is uwer gnaden billich zudancke von mir ha-
ben solle, wan(n) ich mich ye nit anders dan(n) vffrichdg vnd glich (11) geen uw(er)n gna-
den gehalden oder bewiset weiß han vnd auch node vnd vng(er)ne anders dun wolte,
dan(n) wie mir wol gebürt, (12) dz uwer gnaden abegot wilt die lengede jn der warheit also
erfinden sal, vnd getruwe(n) uw(er)n gnaden ye wol desgüche(n) auch (13) geen mich vnd
myne kinde zu dun, nast dem wir uw(er)n gnaden gewant sin, vnd dz wollen wir jn billi-
che(n) sache(n) mit gude(n) (14) willen, wo wir mögen, g(er)ne v(er)dienen. Gnedig(er) lie-
ber here, uwer gnade duhe mir alletzijt gebieden. Gegeben vff mondag (15) nach dez Hei-
lige^) Cruces dage Exaltac(i)o(nis) anno d(o)m(ini) m cccc xxxij°.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffyne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Dem hochgeborne(n) fürsten, h(er)n Reynhart, hertzoge(n) zu
Baer etc.
(P. Kunkel)
1433 Januar 25 Saarbrücken 46
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie erinnert ihn daran, sich schon oft an ihn ge-
wandt zu haben und sogar selbst nach Vezelise gereist zu sein, und bittet ihn erneut, dafür
zu sorgen, daß man ihre Burg Varsberg mit allem Zubehör an sie zurückgibt. Obwohl die
Besetzung von Varsberg ohne und gegen ihren Willen stattgefunden und sie alles mögliche
dagegen unternommen hat, legen alle in diesem Lande ihr die Sache zur Last. Das hat sie
ihm in ihren vorangegangenen Briefen schon sehr deutlich geschrieben. Jeder Tag, an dem
seine Leute auf Varsberg sind, bringt für ihre Grafschaft großen Schaden auf vielerlei, lang
zu berichtende Art. Unter anderem ist es letztens geschehen, daß sie die Geleitwege ihrer
Grafschaft überfallen und auf ihrer Geleitstraße nahe Saarbrücken zwölf Wagen, 27 Pferde
und etliches an Lebensmitteln und Waren wie auch das Geld der Fuhrleute geraubt haben.
Die Lebensmittel und Waren haben einigen Kaufleuten aus der Umgebung des Herzogs
von Burgund gehört, die weder aus Lothringen noch aus dem Bistum Metz oder aus einem
anderen Land kommen, das mit ihm, Anton, im Kriege ist. Die Fuhrleute hatten die Waren
von jenen Kaufleuten gemietet, um sie irgendwo zu verkaufen. Um zu diesem Zwecke die
Geleitwege ihrer Grafschaft zu benutzen, haben sie für die Waren Geleitsgeld entrichtet.
Elisabeth war deshalb gehalten, diese Leute zu schützen und sicher durch ihre Lande zu
bringen. Nach dem Vorfall hat sie sofort an Pierre de Clermont, Mondert de Laissart und Jo-
hann von Kerpen geschickt und geschrieben und sie aufgefordert, alles unverzüglich zu-
rückzugeben. Das wollten sie aber nicht tun und haben stattdessen die Fuhrleute geschätzt
und das Raubgut als Beute behalten. Solche Vorfälle sind verderblich für ihr Geleit, das ihr
jährlich bis zu tausend Schildgulden einbringt. Daher bittet sie ihn eindringlich und ver-
langt, die Leute und Hauptleute von Varsberg anzuweisen, das geraubte Gut vollständig zu-
rückzugeben, sowie dafür zu sorgen, daß die Verunsicherung der Straßen und die Schäden
313
an Land und Leuten aufhören. Zu ihrer großen Freude hat sie erfahren, daß der Herzog
von Bar und Anton auf dem Wege seien, sich miteinander zu verständigen. Doch würde
verlauten, daß der Herzog von Bar die Absicht habe, allen Schaden, der von Varsberg aus-
gegangen ist, von ihr einzufordern, wofür es keinen Grund gibt. Sie bittet ihn, in allen die-
sen Dingen auf ihre Ehre, ihr Wohl und ihren Vorteil bedacht zu sein. Was er zu tun ge-
denke, solle er dem Boten anvertrauen.
(-39-4648-)
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
10/12 (Rotel).
Treschier (et) tresame fr(er)e. Je me recom(m)ande a vous tante com(m)e je puis. Desi-
reuze sauoir bonne nouuelle de v(ost)re bon estât (2) (et) santey ensemble de celi de ma
treschiere (et) tresamee suer v(ost)re fem(m)e et de voz beaulx anffans mes nepueux (3)
(et) niepces. Et pour ce escript et e(n)uoye p(rese)ntem(en)t deu(ant) vous priant, que de
soiz estas me vueilliez rescripre et (4) ent(re)tai(n)ner par cest pourteur. Car d’en oyer et
sauo[i]r souue(n)t et bien me seroit t(re)sgra(n)t joye et consolac(i)on. Et de (5) ee mon es-
tât et de celi de mes anffans vous plait sauo[i]r nous estiens a la scripcion de ces
p(rese)ntes sain et en (6) bonne prosperitey des corps graice a d[i]eu que le semblable et
meilleur vous vueille tous diz octroier (et) (7) donner a la joie et plaisance de v(ost)re gra-
cieux cuer. Treschier (et) tresame frere, je tien que vous estez assez recors et (8) memoian-
tis, come(n)t que par pluis(ieur)s fois vous ay admiablem(en)t p(ri)ey et doucem(en)t re-
querus tant par mes gens (9) que j’ay ehu enuoye deuer vous, com(m)e par mes l(ett)rez a
vous escripte (et) que my meysme ay este au lieu de Vezelise, (10) com(m)e escript m’auiez,
pour vous p(ri)er, qui vous plaisist a my rendre ma maison et fourt(er)esse de Warnesperg
auec (11) ce que en jcelle auoye le jour quelle fuit prise par vous gens et s(er)uans. La quelle
rendue ne vous at ancor jusquez (12) a cy plen a faire dont my mes anffans noz t(er)res (et)
pays ensamble noz officiers (et) soubgets auons estey et som(m)es (13) ancore de jour a
jour g(ran)dement blasmey et dopmagiez. Et non obstant q(ue) la prise de la d(i)te War-
nesperg ait estey f(ai)te sens (14) mon grey, voulentey (et) consentement et que j’ay fait
tous debuoirs enu(er)s vo(us) de la rauoir (et) q(ue) my et mes officiers en auons (15) fait et
faisons toutes excusac(i)ons, nous en doint tout le monde en cest pays charge, co(mm)e
p(ar) mes p(re)cedent l(ett)res le vous ay (16) plus plainem(en)t esc(ri)pt. Et auec tout ce
m’ont fait (et) font ancor a ch(ac)un jour voz gens estans au d(it) Warnesp(er)g des groB et
(17) griefs dapmaiges en ma contey de Sarrebruche en pluiseurs manie(re)s longues a reci-
ter. Et entre les aut(re)s ont courru (18) sur les haults chami(n)s ou pays passaige (et)
conduit de ma dit contey a lieue (et) deye près de Sarrebruche la voille dez (19) roys darrien
passey (et) ylec ont prys et rues jus douze charretons xxvii ch(evau)x de harnoix (et) plui-
seurs danrees es et (20) m(ar)chandises auec tout ce d‘or et d‘argent, q(ue) les d(its) charre-
tens auoie(n)t (et) furent les d(i)tes danrees (et) m(ar)chandises a pluseurs (21) m(ar)chans
q(ue) sont a mon redoubtess mons(eigneur) le duc de Bourgoigne. Lesquelx lez auoient
louey aus d(is) charretens q(ue) ne sont mie dez (22) pays de Lorrain(n)e, de l’euecschie de
Mets ne d’autre pays estant de guerre a vous, co(mm)e j’ay entendus pour les mener la ou
314
(23) qu’ilz lez vouloient auoir. Et pour ce que les d(its) m(ar)chans (et) cherretens vsent les
haults chami(n)s passaiges (et) conduit de ma d(i)te (24) contey (et) qu’ilz me paient de
leurs danrees (et) m(ar)chandises leur conduit acoustumey, fuix je tenue de les garder, def-
fendre (25) (et) reclamer (et) les conduire (et) mener seurem(en)t (et) sauuem(en)t p(ar) les
t(er)res et payx de ma d(i)te contey. Et est ainsy t(re)schier et (26) t(re)same fr(er)e q(ue)
jncontine(n)t la d(i)te prise f(ai)te, j’ay enuoye et esc(ri)pt deuer messieurs) Pierre de Cle-
remo(n)t, Mondert de Laissart et Jehan de Kerppen (27) priant et requérant, q(ue) les d(its)
charretons, ch(evau)lx, danrees, m(ar)chandises, or et argent (et) tout ce q(ue) ainsy pris
(et) rues jus auoient (28) voulcissient rendre et remettre a deliure f(ra)nchem(en)t et quit-
tem(en)t. La quelle chose il n’ont voulu faire, maix de fait ont rea(n)son(n)ey (29) les d(ites)
charretons et butiney ce que pris ait estey. La quelle chose est a mon g(ra)nt deshon(n)eur,
p(re)iudice (et) dapmaige (et) a la (30) p(er)dic(i)on de mon d(it) conduit, q(ue) me puet va-
loir a ch(ac)un an mil escus. Pourquoy t(re)schier et t(re)same fr(er)e j’enuoye et esc(ri)pt
deu(ers) (31) vous p(ri)ant b(ie)n, admiablem(en)t, effecteusem(en)t (et) adcerte néant-
moins doucem(en)t requérant, sur qua(n)t que fr(er)es (et) suers se puelle(n)t (32) requérir,
qu’il vous plaise a considérer mon g(ra)nt deshonneur, villain(n)e reprouche (et) les gros
griefs (et) jnnumerable dapmaiges (33) dessus (et) p(ar) mes aut(re)s l(ett)res a vous declai-
riez (et) q(ue) vous veuillez ordon(n)er a voz gens (et) cappitaines du d(it) Warnesp(er)g,
q(ue) de toute la (34) d(i)te prise et ransson me faicent plaine (et) end(er)e rendue et resta-
blissem(en)t. (Et) q(ue) doresenaduant se veullent despourter de courre (35) sur mes dis
haults chami(n)s, passaige (et) conduit (et) de faites dapmaiges en mes t(er)res, pays (et)
seignories (et) sur mes ge(n)s, hom(m)es (36) et soubgets. Ausourplux t(re)schier et
t(re)same fr(er)e plaise vous sauoir q(ue) j’ay entendus, q(ue) mons(eigneur) de Bar (et)
vous soies sur voye (37) d’auoir accordt, dont j’ay ehu (et) ay g(ra)nt liesse au cuer p(ri)ant
dieu, q(ue) de sa g(raic)e y veulle mettre telle et sy bonne paix, q(ue) lez (38) p(ar)ties y
ayent b(ie)n (et) honnour. Et quant est au d(it) Warnesperg vous p(ri)e et requier ta(n)t
admiablem(en)t, doucem(en)t (et) exp(re)ssem(en)t, co(mm)e je (39) puix plus, q(ue) veui-
llez ordon(n)eir a vous gens (et) cappitaines, quelle me soit rendue (et) remise en mes
mains ensamble tout ce que (40) en ycelle auoie, q(ua)nt elle fuit prise (et) quelle ne soit
mis ne détenus en autre main (et) que auec ce me veuillez excuser de la (41) prise dicelle.
Car p(ar) raison en doy b(ie)n estre excusee. Et ce non obstant veult on dire q(ue)
mons(eigneur) de Bar ait entenc(i)on de a my (42) demander tous les dapmaiges, q(ue) ont
estey fait de la d(i)te Warnesp(er)g, q(ue) seroit sens cause, co(mm)e dieu le sceit. Tres-
chier et t(re)same (43) frerre, sy vous prie que en toutes ces choses veuillez pourveoir (et)
remedier a mon honneur, b(ie)n (et) p(ro)ffit co(mm)e f(air)e le debuez et (44) tenus y estez
tellem(en)t, q(ue) je puisse app(er)ceuoir, que mon deshonneur, mal et dapmaige vous
desplaise (et) q(ue) je soie tenue du (45) desseruir enu(ers) vo(us). Et ce que vous en plait a
faire moy resc(ri)puez p(ar) le pourteur de ceste auec saucu(n)e chose vous plait (46) q(ue)
bon(n)em(en)t puisse, je le feray t(re)svoulent(ier)s (et) de boin cuer, a l’aide n(ost)re
s(eigneur), qu’il vous ait en sa s(ain)te garde (et) vous doint bonne vie (47) (et) longue.
Esc(ri)pt a Sarrebruche le xxvc jour de ja(n)uier l’an mil iiijc cn c (et) xxxij°.
Jsabel de Lorrain(n)e, v(ost)re suer etc.
315
verso:
A mon t(re)schier (et) t(re)same f(re)re et seign(eur) Anthoi(n)ne
de Lorraine, conte de Vaudemo(n)t etc.
(J. Herold)
1433 Januar 25 47
Elisabeth an Johann von Kerpen. Sie erinnert ihn daran, daß er ihre Burg (Groß-) Vars-
berg in die Hände ihres Bruders (Anton) von Vaudemont gebracht hat, obwohl er der
Grafschaft Saarbrücken gegenüber lehnspflichtig ist. Ihrer Forderung nach Rückgabe ist er,
entgegen seinen Versprechungen, nicht nachgekommen. Deshalb fordert sie Johann nun
nachdrücklich auf, selbst vor ihren Bruder zu treten oder sich schriftlich an diesen zu wen-
den, um von ihm die Rückübertragung der Burg mit all ihrem darin enthaltenen Gut zu er-
reichen und zu verhindern, daß es an jemand anderen übergeben wird. Ansonsten will sie
dieses Unrechts wegen gegen ihn vor allen Fürsten, Grafen, Freiherrren, Rittern, Knechten
und Städten Klage erheben.
(-25-47)
Konzept oder Abschrift. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 15.
Elisabeth von Luthringen etc.
Johan(n), h(er)re zu Kerppen vnd zu Warsb(er)g, als du vns vns(er) sloß Warsb(er)g (3) an-
gewonne(n) vnd is jn vns(er)s bruder von Wydemo(n)t hande gestalt haist, (4) daz du doch
alles nit gedun(n) soldes han, nast dem du vns vnde (5) vns(er) g(ra)ffeschaff bewant vnd
v(er)buntlich bist vnd wir dir dicke (6) vnd viel geschr(iben) vnd mu(n)tlich an vns (er) ge-
genw(er)tickeit vnd sust (7) durch vns(er) frunde an dich dun ford(er)n han, daz du vns
vns(er) (8) vorges(chriben) sloß vnd vns(er) gut, daz da jnne was, wied(er) zu vns(er)n (9)
handen stellen vnd schaffen woldes, des du dich auch v(er)schr(iben) (10) vnd
v(er)bonde(n) haist zu dunde, vnd is doch nit gehalde(n) hast, des (11) wir vns nit zu dir
v(er)sehen hetten, da beg(er)n wir vnd ford(er)n (12) aber an dich, so wir ernstlichste vnd
hefftenclichste mögen, (13) daz du dich bij vns(er)n vorg(eschriben) brud(er) fugen od(er)
dine ernstliche (14) botschaff bij yn dun vnd werben, schaffen vnd bestelle(n) wolies, (15)
daz vns vns(er) vorges(chriben) sloß vnd vns(er) gut, daz wir da (16) jnne hatten, gentze-
lich vnd gar vnd wie is stunt, da (17) du is gewo(n)ne, vnu(er)tzoglich wied(er) zu vns(er)n
handen jngeben (18) vnd gestalt w(er)de vnd daz man is jn keyne and(er) hande (19) kö-
rne^) lasse, vff daz wir vnd vns(er) kinde vnd vns(er) gemeyn(er) dar (20) an nie v(er)lustig
vnd enterbet w(er)den. Vnd dedes du des (21) nit, so wolle(n) wir alle(n) furste(n),
g(r)effen, frihen h(er)n, ritt(er)n, knecht(en), (22) steden vnd all(er)menlich, so f(er)re wir
moge(n), von dir schribe(n), (23) sag(en) vnd clag(en), wie du an vns, vns(er)n kinden vnd
vns(er)n (24) gemeynern gefare(n) haist, jn maße wir dir vor eig(en)tlich(en) geschr(iben)
(25) han vnd is vort vor neme(n), wie wir an rade finden, daz (26) sich zu solich(er) sache(n)
gebürt. Dine v(er)sch(riben) antw(er)t. Gegeben (27) vnd(er) vns(er)me jnges(iegel), heran
gedrucket, vff Sant Pauli dage (28) Conu(er)sio(n)is anno d(o)m(ini) m cccc xxxij iux(ta)
stilu(m) Meten(sem).
316
verso:
(R. Schäfer)
48
1433 Februar 7 Brüssel
Anton von Vaudémont an Elisabeth. Er bestätigt den Erhalt ihres Briefes (Nr. 46) und
bringt seine Verwunderung über dessen Inhalt zum Ausdruck. Darüber, daß von Varsberg
aus reisende Händler auf den Geleitstraßen ihres Landes beraubt wurden, wisse er nicht
Bescheid. Wenn er darüber informiert sei, werde er ihr ausführlicher antworten. Hinsicht-
lich dessen, daß sie gehört hätte, er würde mit dem Herzog von Bar verhandelt haben, teilt
er ihr mit, daß es diesbezüglich noch nichts gibt. Wenn er im Zusammenhang mit der Burg
Varsberg etwas mit ihm auszurichten hätte, würde er tun, was er müßte, obgleich er von
Elisabeth wie auch von seinen anderen nahen Verwandten wenig Hilfe und Beistand zur
Wahrung seines und seiner Kinder Recht erfährt. Er weiß nicht, ob das von ihr selber oder
von ihren Ratgebern herrührt. Er kann nicht glauben, daß es wahr sei, daß seine Schwester
(Margaretha) von Blämont soviel Geld hätte, um dem Herzog von Bar (René von Anjou),
seinem Feind, der ihm großen Schaden zugefügt hat, 6.000 Gulden zu leihen. Sonst weiß er
ihr nichts zu antworten.
(-46-48-59-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsspuren vorhanden. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/13 (Rotel).
Treschiere et amee seur. Toute recom(m)andac(i)on p(re)mise. J’ay receu voz l(ett)res et
b(ie)n veu le contenu en jcelles, (2) dont de ce je suis t(re)smerueillie. Car en tant que me
resc(ri)puez, que ceulx de Warnepar ont prins auoi(ent)s (3) m(ar)chans sur les haultz che-
mins de v(ost)re pais, de ce je ne say la vérité. Et se deueme(n)t en estoye (4) jnforme, vous
en feroye plus plainneme(n)t responce. Et quand d(i)te que d(i)tes, que auez entendu, (5)
que doye auoir traictie auecques le duc de Bar, je n’eu y encors point a auoir. Et se je lui
auoye de (6) la d(ite) maison de Warnnepar, feroye ce que je deueroye, comb(ie)n que de
vous ne d’aut(re)s mes prochains (7) parens je treuue b(ie)n pou d’aide ne de confort pour
soustenir le droit de moy ne de mes enffans, (8) ne say s’il vient de vous ou de ceulx qui
vous conseillie(n)t. Et qu’il soit vray, je n’eusse pas (9) cuidye, que ma seur de Blamont et
la v(ost)re eust eu tant d‘arg(ent), que de prester au d(it) duc de Bar six (10) mille flor(in),
qui est mon a ennemy et me porte do(m)maige, et l’ay sceu par lors que aucu(n)s de (11)
mes gens ont trouuees de ce fais(ant) ment(i)on. Et non obstant tout jl conuendra b(ie)n
que de ceulx et celles (12) qui me doine(n)t est(re) b(ie)n vueilla(n)s et amis et aussi de mes
ennemis je doye est(re) resconfortez. D’aut(r)e chose (13) ne vous say q(ue) resc(ri)pre,
priant n(ost)re s(eigneur), qui vous ait en sa s(ain)te garde. Escript a Brucelles le vij^ jo(ur)
(14) de feurier.
Anthoine de Lorraine etc., v(ost)re fr(er)e .
verso:
317
A ma t(re)schie(re) et amee suer, la contesse
de Naussauue et de Salebrusse.
(J. Herold)
49
1433 Februar 27
Elisabeth an Georg von Rollingen. Da Johann von Kerpen behauptet, die Burg Groß-
Varsberg, zu deren Gemeinem neben anderen auch Georg von Rollingen und Elisabeth
gehören, Georgs wegen erobert zu haben, fordert sie diesen auf, zur Rückgewinnung der
Burg und ihres darin enthaltenen Gutes beizutragen. Sie versichert ihn ihres Vertrauens
und bittet um schriftliche Antwort.
(49-55-79)
Abschrift oder Konzept, mit einer umfangreichen Korrektur (Streichung). - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 14.
Elisabeth etc.
Vns(er)n fruntlich(en)n grus bevor. Besonder gude frunt, als vns(er), (3) din vnd and(er)
vns(er) gemeyn(er)n sloß Groß Warsb(er)g durch Johan(n) (4) von f Kerppen vnd and(er)n
vff dich gewonne(n) ist worde(n), als (5) d(er) eg(enante) Joh(ann) schribet, han wir
v(er) stand (en), daz der krieg tusche(n) (6) vns(er)m gnedig(en) h(er)n von-Bar vnd von
Lothr(ingen) vnd vns(er)m (7) bruder von Wiedemo(n)t gerächt si) bied(en) wir dich
fru(n)tlich (8) vnd beg(er)n vnd ford(er)n mit ernste, daz du dich dar bij fügen (9) vnd helf-
fen vnd schaffen wolles, daz wir wied(er) zu vns(er)m (10) sloße vnd gude, daz wir da jnne
hatten, kome(n) mögen. (11) Vnd wolies dich mit ernste ernste hie jnne bewisen, als (12)
wir dir gleube(n) vnd getruwe(n) vnd du wol v(er)sten (13) macht, daz billich ist. Dine
v(er)schr(iben) antw(er)t. Gegebe(n) vnd(er) (14) vns(er)me jng(esigel) vff fridag vor dem
sondage Jnuocavit (15) anno d(o)m(ini) m cccc xxxij iux(ta) stilu(m) Meten(sem).
verso:
Abeschr(ift).
Dem vesten Jorgen von Rulding(en), h(er)rn zu
Siebenborn vnd zu Dagestul, vnsern
besond(er)n gude(n) frunde.
(aFrau Elisabetz, grävin zur
Nassaue Sarbrücken.
Ein räumung des
gemeinen schloßes
Warsperg b(etreffend)
a(nno) 1432.a^
(Ch. Maillet)
(a - a) von späterer Hand.
318
1433 April 7
50
Elisabeth an Johann von Kriechingen. Sie hatte ihm wegen der beiden Burgen Vars-
berg geschrieben und ihn gebeten, am gestrigen Montag (6. April) zur Nacht nach Saarbrü-
cken zu kommen, um mit ihr und den anderen Gemeinem am heutigen Tage über die An-
gelegenheit zu reden. Da er ihr aber geantwortet habe, zu diesem Zeitpunkt nicht nach
Saarbrücken kommen zu wollen, läßt sie ihn nun wissen, daß etliche der Gemeiner am heu-
tigen Tag bei ihr gewesen sind. Als Ergebnis ihrer Beratung ist der Entschluß gefallen, daß
die Gemeiner zusammen mit einigen ihrer Leute zum Bischof von Metz nach Nomeny rei-
ten und deshalb am nächsten Tag, dem Mittwoch also (8. April), abends in Rollingen sein
sollen, um am Donnerstag in der Frühe weiterzureisen. Sie bittet ihn daher und fordert ihn
auf, ebenfalls zum angegebenen Termin nach Rollingen zu kommen, um (mit den anderen)
zum Bischof von Metz zu reiten und gemeinsam mit diesem über die Sache zu reden. Dem
Ergebnis dieses Treffens entsprechend würde sie dann zu einer erneuten Beratung rufen.
Sie ermahnt ihn zu kommen, da die Angelegenheit ihn selbst auch betrifft.
(44-50)
Abschrift, von zweiter Hand durch Streichungen sowie Ergänzungen am Rande und über
der Zeile überarbeitet. Die Schrift verso entspricht der ersten Hand recto. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 21, vgl. Abb. 26.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe und zu Sarbrucken.
Vnsern trunrl'chcin} grus zu vor. Lieber getruwer, als wir nehste dir nestc vnd den and(er)n
gemeynern zu (4) Warsberg von der beder slosse Warßberg wegen geschr(iben) han, dz
adu vff gest(er)n, ma(n)dag, zu nacht bij vns vnd den and(er)n gemeynern, die wir vff die
zijt auch dar v(er)bodt hetten, sin woldes, vff hude vß den sache(n) zu reden etc.a\ ir vff
hude "e;'ttt'rtn mandag, nach (5) dem palmetage zu Sarbrucken sin woldet, vns da von zu
vnderreden ete.- vnd du vns (6) wider schribe £eschr(lbcn) hast> dz du vff dise zijt nit geen
Sarbrucken kom(m)en mochtes, jn masse(n) din brieff vß (7) wiset, lassen wir dich wissen,
dz der gemeyner einsdeils vff hude bij vns vnd vns(er)n frunde(n) zu (8) Sarbrucken ge-
west sint vnd dz wir vns ettlicher masse vß den Sachen mit yn vnderredt han (9) vnd ge-
schehen sin, dz der gemeyner einsdeils vnd auch ettliche vnser frunde wider bij vnsern
(10) h(er)n von Metze geen Nom(m)eny rijden vnd vff morne, mittwoche, zu nacht zu
Ruldingen sin sollen, (11) bis donrestag fruege vort zu rijden. Da bijden wir dich fruntlich
mit flisse vnd ernsT vnd beg(er)n, dz du (12) vff morne zu nacht bij den selb(en)n vns (er) n
gemeynern vnd fründen zu Ruldingen vnd gestalt sin (13) wolles, gestalt mit yn vort bij
vns(er)n h(er)n von Metze zu rijden, 'bvß d(er) sach(en) mit yme zu reden, vff masse du
dan(n) von vns(er)n gemeynern vnd frunde(n) v(er)stan(n) wirdes vnd wie ir dan(n) zu ra-
de w(er)dent nast notdurfft zu dem her vmbe. Lieber getruw(er), wolles dis nit lassenb),
vnd dz nit lassen als du v(er)stan macht, dz (14) noit ist, vnd ‘luch meyne(n), auch nast dem
die Sachen dich selbs angeen, dz dum billich du hest s1’, da (15) wolles her jn dun vnd dich
bewisen, als wir dir getruwen, vnd wissen macht, wie sichs geheischt. (16) Geben vff
319
dinstag nehste nach dem Palmetage.
verso:
}ohan(n)e, h(er)n zu Criechingen, vns(er)me lieben
getruwen.
(M. Küper)
(a - a) am linken Rand, (b - b) am linken und am unteren Rand ergänzt.
1433 April 15 51
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Sie dankt ihm für seine beiden Beratungen mit
ihren fanden. Seinem Vorschlag, jemanden (erneut) bis zum Abend des nächsten Tages zu
ihm nach Vic-sur-Seille zu schicken, kann sie leider so kurzfristig nicht nachkommen, da
ihre Freunde in anderen Angelegenheiten für sie unterwegs und so bald nicht wieder zu-
rück sind. Daher bittet sie den Bischof, ihr im geheimen acht Tage im voraus einen Termin
zu nennen, damit sie ihre keymelichen fande zu ihm schicken kann, die mit ihm über Groß-
Varsberg verhandeln sollen. Dazu erwartet sie seine schrifdiche Antwort. Zu dem Konflikt
zwischen Philipp von Norroy und ihr, den Georg von Rollingen mit Konrad besprochen
hat, teilt sie ihm mit, einen Frieden vereinbart zu haben, der aber am Sonntag Quasimodo
(19. April) enden wird. Sie fragt deshalb beim Bischof nach der Möglichkeit, in dieser Sache
vor ihm einen Schiedstag ab halten zu können, und bittet auch hierüber um eine schriftliche
Antwort.
(51-52-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. Das Ende des Briefes recto ab mittwoch nehste nach
... bis einschließlich der Unterschrift sowie die Anschrift verso weisen ein anderers
Schriftbild auf. Die Orts- und Jahresangaben verso sind jünger. - LA Saarbrücken, Best. N-
Sbr.II, Nr. 3112, f. 23, vgl. Abb. 27.
Erwirdig(er) lieber h(er)re, als ich myne frunde zu zweyen mal(en) zu uwer liebe geschi-
cket han, mit uch zu (2) reden von der Warßberge wege(n) etc., hant S1) mir myne frunde
wol gesagt, daz yn von uch vnd von uw(er)n (3) wege(n) gütlich vnd frundich geantw(er)t
sij, des ich uw(er) liebe sere dancken, vnd wo ichs v(er)diene(n) mochte, (4) daz wold ich
g(er)ne dun. Auch, lieber h(er)re Jch han auch von myne(n) frunde(n), die ytze zu leste bij
uw(er) liebe (5) gewest sint, v(er)stande(n), da« wolle ich myne frunde zu uch schicken,
von mit uch zu reden, die moge(n) uch noch (6) hie tusche(n) vnd morne zunacht zu Wich
finden. Vnd abe myne frunde da bynne(n) nit zu uch kome(n), so wollet (7) ir doch nit y-
len, da hette ich myne frunde g(er)ne treffelich zu uch geschicket. Nu kan ich is also kurt-
ze nit (8) gedun, wan(n) sij von myne(n) wege(n) vß sint vnd also balde nit wied(er) kö-
rne^) moge(n), vnd biede(n) uch, daz nit zu (9) zu vndancke(n) zu habe(n) vnd mir jn
heymelicheit eine(n) dag echt dage zuuor zu v(er)sch(riben) vnd zu v(er)kundige(n), (10)
daz man uw(er) liebe zu Wich finden möge, so wil ich myn(en) heymeliche(n) frunde etli-
che zu uch schicken, (11) mit uw(er) liebe von myne(n) wege(n) zu reden von des Gros-
320
se(n) Warsb(er)ges wege(n), vnd getruwe(n) uw(er) liebe (12) wol, jr sollet g(er)ne beden-
cken, wie mit mir mit demselben slosse vmbe gange(n) vnd gefaren ist vnd was (13) ernstes
vnd flißes ich alletzit gehabt han, dartzu zu dun vnd mich vnd myne kinde, nast dem wir
(14) uch gewant sin, des genyessen lasse(n) vnd uch gütlich vnd fruntlich ghen vns bewi-
se(n), daz wolle(n) wir (15) mit dem vnd and(er)n vns(er)n slosse(n) vnd v(er)moge(n)
g(er)ne vnd willencüch v(er)diene(n). Vnd beg(er)n h(er) vff (16) uw(er) gütliche
v(er)sch(riben) antw(er)t, mich darnach zu richte(n). vnd—als—von—des—Cleyne(n)
Warsb(er)ges wegen (17) v(er)sehen ich mich, die gemeyn(er)n v(ru)nden dauon Auch,
lieb(er) h(er)re, als Jorge von Ruldinge(n) mit uch geredt (18) hait von der myssel vnd
gespenne wege(n) tusche(n) h(er)n Philips von Noweroy(en) vnd mir etc., dauon (19) sten
wir jn eyme friede(n), d(er) vff sondag Q(ua)simodo vsgan(n) wirdet, vnd sin des an ny-
mands gestalt, (20) vnd we(re) uch zu wille(n), uch dar vmbe zu bekumb(er)n, so wolte ich
uch g(er)ne eins finde(n) daran (21) vnd gutliche(n) dages daran folge(n) vnd dar vmbe
lieb(er) vor uw(er) liebe dedinge(n) dan(n) vor and(er)n, (22) vnd waz uch dauon zu wil-
le(n) ist, beg(er) ich auch v(er)sch(riben) wiedfer) wied(er) zu wisse(n). Uw(er) liebe gebie-
de mir (23) alletzit. Geben vff mittwoche nehste nach dem Heilige(n) Osterdage anno
d(o)m(ini) m cccc xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen) etc.
verso:
Myme h(er)r von Metze.
Metz,
A(nn)o 1433.
(M. Küper)
1433 April 17 Vic-sur-Seille 52
Bischof Konrad von Metz an Elisabeth. Er antwortet auf ihr Schreiben, in dem sie um
Nennung eines Tages bittet, an dem sie ihre frunde wegen Varsberg zu ihm senden kann
(Nr. 51). Wenn sie ihre Gesandten am Abend des Sonntages Quasimodo (26. April) zu ihm
schickt, dann will er sie gerne am Montagmorgen (27. April) anhören. Was ihren Streit (miß-
hei) mit Herrn Philipp von Norroy betrifft, will er sich an diesen wenden und sich gern um
eine Beilegung des Konfliktes bemühen. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird er ihr mit-
teilen.
(-51-52-53-)
Ausfertigung. Vom Verschluß Siegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 27.
Edele liebe frundine. Wir embietent uch vnsern frundüchen grüß (2) vnd habent js gesien,
alß jr vns geschriben habent, uch einen dach laißen zu wise(n)t (3) uwer frunde zu vns ze-
321
schicken alse von Warßperge wegen. Da mogent (4) jr uwer frunde gen Wich schicken vff
sondag zu abend nach Quasimodo, (5) so wollen wir sii des mondages morgen gern verhö-
ren. Alß jr vns (6) ouch geschriben habent von der mißhel wegen, die zuschent uch vnd
h(er)n (7) Philipes von Noweroy sint, wolle(n) wir h(er)n Philipes dar umb beienden (8)
vnd mogent wir yet guttes dar zo gereden, das jr vereyniget werden, dz (9) wollen wir gern
dun vnd uch laißen wißen, was wir en h(er)n Philips (10) fonden habent. Got sie mit uch.
Geben zu Wich vff fridag nach dem (11) Helgen Ost(er)dage.
Conrad, bischoff
zu Metzen.
verso:
Der edeln wolgebornen frowe Elizabeht
von Lutringen, witwe, grafinen zu Naßowen
vnd zu Sarbrucken, vnser lieben frundinen.
(R. Schäfer)
1433 April 23 53
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Dieser hatte ihr geschrieben, sie solle, wenn sie
wegen Varsberg mit ihm reden wolle, ihre frunde auf den kommenden Sonntag (26. April)
zu ihm nach Vic-sur-Seiile schicken (Nr. 52). Er werde sie dann am folgenden Tag anhö-
ren. Elisabeth hätte gerne Lamprecht von Castel, Knebel (Johann Faust von Diebach) und
ihren Schultheißen Hans von Rittenhofen geschickt. Die beiden ersteren sind aber, unter
anderem auch in ihren Angelegenheiten, unterwegs und deshalb verhindert. Daher schickt
sie (nur) ihren Schultheißen und bittet, ihn anzuhören. Der Bischof möge ihm Glauben
schenken und in der Sache weiterhin mit Wohlwollen handeln.
(-52-53-54-)
Ausfertigung mit Korrektur. Bereits verschlossener und versiegelter Brief, der nicht expe-
diert, sondern wieder geöffnet und überarbeitet worden ist. Die Jahresangabe auf der Rück-
seite ist jünger. Das stark beschädigte Verschlußsiegel ist aus braunem Wachs. Von dessen
Umschrift ist noch erkennbar: „de nassau“. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
26, vgl. Abb. 28.
Erwirdiger Heber here, als uwer Hebe mir leste widergeschriben hait, wolle ich myne frun-
de (2) bij uch schicken von des Grossen Warßbergs wegen mit uch zu reden, dz ich sij
dan(n) vff disen (3) nehsten kom(m)enden sondag bij uwer Hebe zu Wich haben wolle, so
woUe uwer Hebe sij vff (4) den mondag darnach g(er)ne verhören, jnmasse(n) uwer brieff
vßwiset. Lieber here, da nu hette (5) ich g(er)ne Lamprecht von Castel vnd Knebeln vnd
disen geenw(er)tigen Hansen, myne(n) scholthessen, (6) zu uwer Hebe geschickt gehabt. So
ist is denselben Lamprechte vnd auch Knebeln ander (7) ernstHcher vnmaissen halb, die sij
einsdeils vnd auch mich angent, ytze also gelegen, dz sij (8) nit zu uwer Hebe hant mögen
kom(m)en. Vnd darumb so schicken ich zu uwer Hebe den vorg(enante)n (9) Hans, my-
ne(n) scholthessen, mit uwer Hebe vß den Sachen zu reden, vnd bijden uwer Hebe, yn (10)
322
gütlich zu verhören vnd yme, was er uwer liebe von myne(n) wegen sagen wirdet, zu (11)
gleuben vnd uch vort also gunstlich vnd frinttliche da jnne zu bewisen vnd darzu zu (12)
dun, als ich mich dez vnd alles guden zu uwer liebe v(er)sehen, dz wil ich, wo ich mag, (13)
jn billichen Sachen geen uwer liebe g(er)ne v(er)dienen. Uwer liebe gebiede mir allezijt.
Geben (14) vff Sante Joergen dag anno etc. xxx iij°.
Elizabeth von L[ot]hr(ingen), g(ra)ffynne
widewe zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Dem erwirdigen jn Gotte vatt(er), h(er)n Conradt, bischoffe zu
Metze, myme liebn h(er)n.
A(nn)o 1433.
(R. Schäfer)
1433 MAI 8 54
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Gestern sind einige ihrer Vertrauten bei ihm in
St. Nabor zur Beratung wegen Varsberg gewesen. Ihnen wurde ein %edel gegeben, der die
Vorstellungen des Bischofs enthielt, wie sie wieder in den Besitz ihrer Burg kommen könn-
te. Die Bedingungen scheinen ihr sehr hart, und da einige ihrer Vertrauten zur Zeit nicht da
sind, kann sie ihm noch nicht darauf antworten. Sie teilt ihm mit, daß sie am Freitag nach
Christi Himmelfahrt (22. Mai) morgens ein Treffen mit den Gemeinem in Saarbrücken
plant. Nach dieser Beratung wird sie ihm ihre Haltung mitteilen. Sie bittet ihn um sein
Wohlwollen.
(.53-54-57-)
Konzept oder Abschrift mit umfangreicher Überarbeitung von anderer Hand. Die Schrift
verso entspricht der ersten Hand recto, die Jahresangabe verso ist jünger. - LA Saarbrü-
cken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 25.
Erwirdig(er) lieber here, myne(r) frunde ettüche sint vff gest(er)n bij uwe(r) üebc frunde(n)
einsdeils zu (2) Sante Nabore gewest vnd hant sich da von Warsbergs wegen mit yn vnder-
redt, vnd (3) hant uwer frunden den myne(n) eyne(n) zedel, wie dan(n) uwer meynonge ist,
dz ieb- ir mlch vnd (4) myne gemeyner wider zu vns(er)me slosse wollet kom(m)en lassen,
gegeben. Denselben zedel (5) vnd uwer meynonge ich v(er) standen han, vnd dunckt mich
soliche v(er)tzeichnu(n)ge vaste (6) hart-vnd swere sin vnd darumb so enkan ieh *** zu di-
ser zijt an also kurtz aen bliwesen myner vorg(enante)n (7) gemeyner vnd auch ettlicher my-
me redte vnd frunde, die ich ytze nit bij mir han, n> wo1 dar (8) zu geantwerten, (aals uw(er)
liebe dz wol v(er)stan maga\ vnd dar vmb so han ich myne(n) vorg(enante)n gemeynern
vnd auch myne(n) frunden (9) ernstliche geschrieben vnd auch myne(n) sl) bescheiden, vff
den nehsten fritag nach vns(er)s H(er)n (10) Uffart dag zu morgen zu Sarbrucken b’’ mir zu
323
sin, sij uwer meynonge zu verhören lassen (11) vnd mlt -n daruß zu reden, als sieh das ge-
burt Vnd wan(n)e wir vns <lls clan^n) da von vnredtvnderrtdt han, (12) wil ich myne botschafft
wider bi] uch dun v ’ vnd uch myne vnd J ■ meynonge wissen las-
sen. (13) Und bijden uwer liebe dinstlich vnd mit flisse, sich geen mir vnd myne(n) kinden,
die (14) vaste jung vnd vnder yre(n) jaren sint, jn den Sachen also fruntlich vnd gunstlich zu
(15) bewisen vnd zu halden. Als ich mich zu uwer(n) liebe versehen vnd uch getruwen, dz
(16) wd wollen ich vnd auch sij, wo wir mögen, willeclich geen uch v(er)dienen. Uwer liebe
gebiede zu (17) mir. Geben vff fritag nach Jnuenc(i)o(nis) S(anc)te Crucis anno etc. xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen) etc.
verso:
Abeschr(ift).
Myme h(er)n von Metze.
A(nno) 1433.
(M. Küper)
(a - a) am linken Rand ergänzt.
1433 Mai 8 55
Elisabeth an Johann zu Rodemachern. Sie teilt ihm oder jemand anderem von seinen
Leuten, der gerade in Bolchen ist, mit, vor einiger Zeit wegen Varsberg geschrieben und
Johann zu einem Treffen mit ihr und den anderen Gemeinem nach Saarbrücken eingeladen
zu haben. Inzwischen hatte sie einige ihrer Leute zu Verhandlungen über Varsberg zum Bi-
schof von Metz wie auch zu ihrem Bruder (Anton) von Vaudemont geschickt. Nun sei es
aber notwendig, daß er und die anderen Gemeiner mit ihr Zusammenkommen, um über
den Fortgang der Dinge zu beraten. Daher lädt sie Johann zu Rodemachern für den Frei-
tagmorgen (22. Mai) nach Saarbrücken ein. Falls er auch diesmal nicht kommen wird, will
sie sich anderweitig, d. h. ohne ihn, weiter bemühen, worüber sie ihn somit in Kenntnis ge-
setzt hat.
Gleichlautende Briefe gingen an Georg von Rollingen, Friedrich von Castel, Dietrich
von Püttlingen und Johann von Wolfstein.
(49-55-56./79./80-)
Konzept oder Abschrift mit Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
18.
Mine(n) fruntlichen grus zuvor. Lieber neue, als ich uch vor ettwie dicke von Warsbergs
(2) wegen geschriben han, geen Sarbrucken bij mich vnd die ander gemeyner zu
kom(m)e(n), vns (3) da von zu vnder reden etc., jn masse(n) myne briefe uch gesant vßwi-
sent, da han ich myner (4) frunde ettliche ytze aber bij myme h(er)n von Metze vnd sine(n)
frunden vnd auch bij myme (5) bruder von Wiedemont vnd sine(n) frunden gehabet vnd
von Warsbergs wege(n) mit yn reden (6) lassen. Vnd nast dem myne vorg(enante)n frunde
gescheiden sint vnd auch ettliche wege, wie man (7) wider zu dem slosse kom(m)en mag,
vorhanden sint, dunckt mich vaste noit sin, dz ir vnd sclbs, (8) die ander gemeyner vnd ich
324
kurtz bij ein kom(m)en, vns von den sachen zu vnderreden (9) vnd zu rade zu werden, wie
nyf-f man die sache(n) vor neme(n) mage. Vnd her vmb bijden (10) ich uch vnd beg(er)n
mit ernste, dz ir nit lassen wollet, jr wollet selbs bij mir vnd den (11) and(er)n gemeynern
vff den fritag zu morgen nehste nach Vnsers H(er)n Vffart dage schierste (12) kom(m)et zu
Sarbrucken sin, vnd nit vffen bliben vmb dz man desta gruntlicher vß den (13) sachen ge-
reden vnd zu rade werden möge, wie man die wege vorzúneme(n) sien, dz man (14) wider
bij dz sloß kom(m)en möge. Vnd wollet ye nit vffen bliben, dan(n) ich is den and(er)n
gemeyn(er) (15) jn derselben massen auch geschrieben) han. Vnd wo ir nit selbs qwement,
vns vffen blibent, als (16) ir vorgetan hant, wurde ich dan(n) mit mvne(n) frunde(n) c-nigL
anderwege vorhandt neme(n), dar (17) wie sich das machen mochte, wider bij myn sloß zu
kom(m)en dar vmb wolde ich uch (18) gftúg erfolget han vnd auch wa{-] von uch vmbede-
dingt sin, da wollet her jn dun, (19) als ir wissen moget, wie sichs geherscht. Geben vff fri-
tag nehste nach dez Heilige(n) Cruces (20) dag Jnuencio anno etc. xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
jt(em) jn derselben massen Joergen von Ruldinge(n) etc., lieber getruwer.
jt(em) Frideriche von Castel, lieber getruwer.
Jt(em) Diederiche von Puttelingen, lieber besonder.
Jt(em) Johan von Wolffestein, lieber getruwer.
<aZedel.a)
verso:
Dem edeln Johan(n), h(er)n zu Rodemach(er)n, zu Crone(n)berg
und zur Nuwe(r)burg, myme lieben neuen, oder wer
von sine(n) wegen zu Bolchen ist.
(Ch. Maillet)
(a - a) Nachtrag am linken Rand neben der vorherigen Zeile.
ohne Datum 56
Johann zu Rodemachern an Elisabeth. Er antwortet auf ihr Schreiben (Nr. 55), daß er
nicht zu einem Treffen wegen Varsberg nach Saarbrücken kommen kann, weil er wegen
seiner und seiner Freunde Schatzung zum Herzog von Bar (um für ihn Lösegeld aufzu-
bringen, damit er aus burgundischer Gefangenschaft freikommt) reiten muß. Er entschul-
digt sich für sein Fernbleiben und versichert ihr, daß er von Bolchen aus zu ihr kommen
würde, um das in seinen Kräften Stehende für sie zu tun. Er schreibt Elisabeth unter dem
Siegel seines neuen Johann von Hondeling (Hondelange, Gde. Messancy, B, südl. Arlon).
(55-56-69-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II,Nr. 3112, f. 5.
325
Minen willigen dinst alletzijt zu vore. Liebe frauwe also uch geliebet heit mir tzü schri-
üe(n), daz ich zu uch zu Sarbruche (2) wulde kom(m)en antreffende Warsperch, als üwer
brieff dan jnhelt, da bageren ich üwer liebden zu wissen, daz (3) mir sulüch groß vnd treff-
lich aen maens jnhant gevallen ist aentreffende myne schetzonge vnd my(ne)re frunde (4)
verlust vnd schetzonge, so daz ich dar vmb tzu myme h(er)rn von von Bar riden muß als
kuntlich ist vnd (5) wal verneme(n) sullent, so daz ich tzü dussen mael nijt zü uch kome(n)
en kann. Vnd bidden vch, mich zü (6) dussen mael vur jntschuldiget zü halden vnd njt zü
vndanck tzü neme(n), dan jch truwen kürtzlich ghen (7) Ballich tzo körnen vnd als dan zo
uch zo körnen vnd jn den saichen tzü doe(n), so waz ich billich vnd mügelich dün (8) sal
vnd endurffent jre neich die gemeyner da aen körnen tzwibel han, jch ensulle altzijt gerne
jn dert Sachen (9) doen, so waz jch billich vnd mügelich dün sal vnd endurffent nymen
thalben keine hinderonge noich gebresten (10} zü duessen mael vmb myne willen nit vür
neme(n). Liebe frauwe gebiede(n)t altzijt zümir. Got spar langezijt (11) gesont. Geben
vnder my(n)s neue(n) Johans Siegel von Hondeling bresten dez myne zü dusser tzijt.
Johan, herre zo
Rodemach(er)n etc.
verso:
aJohann, Herr zu Rodemachers, entschuldiget
sich dz vorgefallenen [—] halbens
wegen dys Schloßes Warspergs [—]
nit zu Sarbrucken erscheinen könne.
Der woil geborner frauwe, der
greuynne(n) zü Nasauwe vnd zü
Sarbrucken, widebe, myme
lieber frauwen.
(S. Sander)
(a - a) von jüngerer Hand.
1433 Mai 10 Vic SUR Seille 57
Bischof Konrad von Metz an Elisabeth. Sie habe ihm geschrieben, daß seine und ihre
Leute in St. Nabor wegen Varsberg verhandelt hätten (Nr. 54). Seine Leute hätten ihren
Leuten einen Zettel übergeben, wie sie seiner Meinung nach wieder zu ihrer Burg kommen
könne. Elisabeth habe aber ohne Beratung mit ihren Gemeinem, Räten und Freunden dar-
auf nicht antworten können und daher mit diesen für den Freitag nach Himmelfahrt (22.
Mai) ein Treffen einberufen. Danach wolle sie ihm ihre Haltung mitteilen. Er teilt ihr mit,
daß er mit Georg und Jakob von Rollingen, die sie zu ihm nach Vic-sur-Seille geschickt hat-
te, redlich verhandelt hat. Sie hat ihn daraufhin schriftlich um ein geheimes Treffen gebe-
ten, für das er ihr den Sonntag nach St. Martin (26. April) als Termin genannt hatte. Er hat
in Vic-sur-Seille an diesem Tag bis zum nächsten Morgen vergeblich auf ihre Unterhändler
gewartet und ist dann weggeritten. Seither hat er nichts mehr von ihr gehört außer über
326
Andruwin von Craincourt, seinen Burggrafen von Nomeny, der ihm in Nancy mitgeteilt
hat, daß ihr Schultheiß von Saarbrücken (Hans von Rittenhofen) mit ihm wegen Varsberg
verhandelt hat und daß Elisabeth die Sache gern zu Ende gebracht hätte. Andruwin sollte
die Meinung des Bischofs in Erfahrung bringen, um sie dem Schultheiß mitzuteilen. Der
Bischof hat Andruwin und Anselm von St. Nabor seinen Standpunkt mitgeteilt und ver-
langt, bis zum vergangenen Samstag (9. Mai) Elisabeths Meinung zu erfahren, was aber
nicht geschehen ist. Konrad von Metz weist darauf hin, daß er bisher sehr geduldig und
Elisabeths Anliegen freundlich gesinnt war. Er ist aber nicht bereit, Verzögerungen in den
Verhandlungen hinzunehmen.
(-54-57-58-)
Ausfertigung. Beim Verschlußsiegel aus rotem Wachs ist das Siegelbild nicht erkennbar. -
LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 28.
Edele vnd wolgeborne liebe frundynne, wir habent gesien, wie ir vns geschribe(n) habent,
das uwer frunde eins (2) deiles bij den vns (er) n zu Sant Nabor gewesen sint vnd habent
sich vnderret alß von Warsp(er)ges weg(en), vnd habent die (3) vnß(er)n den uw(er)n ei-
ne^) zedel gebe(n), wie vnßer meynonge sij, uch vnd uwer gemenyer wider zu dem sloß
laße(n) zu (4) kome(n), vnd uch duncke solich verzeichniße vaste swer sin vnd kundent nit
wol dar zü geantw(er)ten, ane uwer gemeynejr], (5) rete vnd frunde bij wesen vnd habent
sij bescheiden, dar umb by uch zü sin off fritag nach vnse H(er)n Offartz dage, jnne (6)
vnßer meynonge zü sage(n) vnd mit in dar uß zu rede(n). Vnd wann(e) das geschehe, so
wollent ir vns uwer vnd ir meynonge (7) wider laiße(n) wiße(n), alß dann(e) uwer brieff
mit me worte(n) inhelt etc. Dar uff laißent wir uch wiße(n), alß ir lestes üw(er) (8) fründe
eins deiles mit Jorge(n) vnd Jacop von Ruldinge(n) zü uns gein Wich schicketent, von den
sache(n) mit vns zü reden, (9) da gebent wir uw(er)n frunde(n) eine glimpfliche, redeliche
antw(er)t. Dar off so schribent ir vns vnd badent vns mit uw(er)m brieffe, (10) uch eine(n)
and(er)n dag jn der heimlicheit zü bescheide(n), so woltent ir uwer frunde zü vns schi-
cke^), follencliche(n) vnd off (11) ein ende von den sache(n) mit vns zü rede(n). Den dag
beschiedent wir Üch off den sondag nach Sant Marcus dage lest(en) (12) vergange(n) gein
Wich. Off dem selbe(n) dage warent wir zü Wich vnd wartetent uwer frunde bitz nach
dem morge(n) y(m)meß. (13) Vnd alß sij do nit enkament, do rident wir, do wir dann(e) zü
schaffen hattent, vnd enhabent auch sit her keine (14) botschafft von uch noch von in ge-
hört, dann(e) das vns Androwin von Criencürt, vnßer burgg(ra)ue zü Nomeney, lest(en)
(15) zü Nancey sagede, wie das uwer scholteße von Sarbrucke(n) mit yme uß den sache(n)
geret hette vnd das uw(er) meynonge (16) we(re), das ir g(er)ne der sache(n) ein ende het-
tent vnd schiedent von em, das der selbe Anderwin vnßer meynonge erfarn (17) solde vnd
den scholteße(n) die wid(er) laiße(n) wiße(n). Also sagetent wir dem selben Anderwin vnd
Anshelm von Sant Nabor (18) erlich (er) maiße(n) vnßer meynonge, uch oder den uw(er)n
die vor zü bringe(n) vnd vns uwer meynonge dar uff wider zü sagen (19) off disem ver-
gangen) samstage. Dz nit geschiet ist, vnd duchte vns alß es vns noch huteßdages dun-
cket, das wir vns (20) jn den sache(n) fruntliche(n) vnd redeliche(n) begriffen hettent vnd
327
habent noch geschiede(n) sache(n) vnd das ir vnß(er)n gute(n) willen (21) vnd begeronge jn
den sache(n) wol off zü neme(n) hettent. Vnd sit dem male, das uch solichs nit zü wille(n)
ist vnd eine(n) (22) vertzug in den sache(n) nement, so wollent wir auch rat dar uff habe(n),
was vns vorter gebure, jn den sache(n) zü tünde, (23) dann vns soliche vertzüge nit ge-
fuglich sint. Got sij mit uch. Gebe(n) zü Wich off sondag nach Sant Niclas dage
T(ra)nslationis (24) anno etc. xxxiij°.
Conraid, bischoff
zü Metzen.
verso:
Der edeln, wolgeborne(n), vnser liebe(n) frundynne(n),
frauwe Elizabeth von Lothringen), widwe zü
Nassouwe vnd zu Sarbrucken etc.
(S. Sander)
1433 Mai 12 58
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Sie hat sein Schreiben (Nr. 57) hinsichtlich
Varsberg, in dem er ihr mitgeteilt hat, sich ihren Freunden gegenüber in der Sache wohl-
wollend gezeigt zu haben, von ihr aber darin keine Verzögerung hinnehmen zu wollen, er-
halten. Nun hatte sie aber damals Leute zu ihm geschickt, die ihr berichtet haben, eine gün-
stige Aufnahme ihres Anliegens beim Bischof gefunden zu haben. Darauf hatte sie ihn ge-
beten, ihr einen Termin zu nennen, zu dem sie ihre Leute erneut zu ihm nach Vic-sur-Seille
schicken könnte (Nr. 51). Er hatte ihr darauf hin den Sonntag Quasimodo (26. April) als
Anreisetag genannt, damit die Verhandlung am darauf folgenden Montag stattfinden
könne. Darauf hin hatte sie ihren Schultheiß von Saarbrücken nach Vic-sur-Seille geschickt,
der dort sonntags um die Mittagszeit eintraf. Er sollte versuchen, noch an diesem Tage mit
dem Bischof zu reden, anderenfalls aber am Montag. Als der Schultheiß in Vic eintraf, er-
fuhr er, daß der Bischof abwesend sei und auch am Montag nicht zurück sein würde. Des-
halb hat er sich mit Andrmvin von Craincourt wegen Varsberg beraten. Andruwin wollte mit
dem Bischof reden, wie Elisabeth wieder in ihre Rechte eingesetzt werden könne. Ungefähr
zehn Tage später hatte Andruwin Nachricht geschickt, und der Schultheiß und Hannemann
von Saarbrücken ritten zu ihm nach St. Nabor. Andruwin und Anselm von St. Nabor lasen
ihnen einen %edel vor und gaben ihnen eine Abschrift davon für Elisabeth. Die Forderungen
darin erscheinen ihr sehr hart, weshalb sie ihre Gemeiner für den nächsten Freitag (22. Mai)
nach Saarbrücken zur Beratung eingeladen hat (Nr. 55). Früher war es ihr leider nicht mög-
lich, sie zusammen zu bekommen. An allen diesen Dingen kann der Bischof sehen, daß sie
keine Verzögerung beabsichtigt hat. Sie will sofort, nachdem das Treffen am kommenden
Freitag stattgefunden haben wird, wieder jemanden zu Verhandlungen zu ihm schicken und
bittet um sein Wohlwollen.
(-57-58-61-)
Konzept mit interlinearen Korrekturen sowie nachträglichen Streichungen und Ergänzun-
gen über der Zeile und am Rande. Der Vermerk auf der Rückseite kommt von zwei ver-
schiedenen Händen, die nicht mit dem recto übereinstimmen. Die Jahresangabe ist deutlich
328
jünger. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 30.
Erwirdig(er) lieber h(er)re, als uwer liebe mir ytze von Warsberges wegen hait dun schri-
ben, daz jr myne(n) (2) frunden gelimplich dauon geantw(er)t vnd uch auch gütlich dar da
jnne begriffen habent vnd daz (3) ir wol gemeynet hette(n)t, jch solde uwer begerunge vnd
wille(n) wol zu d-a-nek wille(n) vnd g(er)ne vffgenome(n) (4) haben, vnd nu ich des nit
endühe, habe uch vor wol beducht vnd bedunckt uch auch noch, daz ich (5) v(er)tzug in
den Sache(n) vorneme, daz auch doch nit gefuglich sij, vnd daz ir rat haben mussent, (6)
wie ir uch vort in den Sachen halde(n) moget, als uw(er) wie ‘lls uwer brieff daz mit me
wortte(n) eigentlich(en) (7) jnheldet, han ich v(er)stände(n) vnd lassen uw(er) liebe wis-
se (n), daz mir myne frunde zu ydem male, als ich (8) sij /u uch geschicket han, gesagt hant,
daz yn von uch vnd uw(er)n frunde(n) gütlich vnd fruntlich geantw(er)t worde(n) (9) were,
' adas ir uch fruntlich in den sache(n) gheen mich meyntemyt -zu bewise(n)aj sij künden mir
aber nit gesagen, wie uch ir mich vnd myne gcmeyner wid(er) zu vns(er)me (10) sloß
kom(m)en lassen wolte(n)t vnd wolde ich icht mit uch reden lassen, daz ich dan(n)
myn(en) frunde etliche (11) alleyne bij uch schickette, wolte die woltent jr g(er)ne
v(er)horen vnd sij uw(er) meynu(n)ge k:;';cn hören lasset lasscn, (12) vnd uch dan(n) auch güt-
lich -f-f ghen mich bewisen, vnd h(er)umb schreib ich uw(er) liebe vnd bat uch (13) ernst-
lich, mir zu schribe(n), vff welichen dag man uch zu Wich finden mochte, so wolde ich
myn(en) (14) heymeliche(n) frunde etlichen dar zu uch schicke(n), uß den sache(n) mit uch
zu reden etc. Daruff (15) jr mir wieder schriben dadent, daz ich myne frunde vff den son-
dag nach 8t Marcus (^ua)simodo (16) dage nehste v(er)gange(n) zu abende zu Wich haben
wolte, so woltent jr sij vff den mandag (17) darnach zu morgen g(er)ne v(er)hören. Uff so-
liche uw(er) schrifft schickete ich mynen scholtheißen (18) von Sarbr(ucken) vs gheen
Wich, der auch vff den vor(genanten) sondag vmb mitdag dar qwam, myn(er) (19) mey-
nu(n)ge vnd wie k er jn heymelicheit uß den Sachen von mynen wege(n) mit uch reden
solde (20) vnderrichtet vnd waz auch bescheide(n), uch zu biede(n), wie daz jr yn vff den-
selben sondag (21) v(er)horen vnd vßrichten wolde(n)t, wie wol uw(er) brieff daz vff den
ma(n)dag zu morgen darnacfh] (22) zu dunde wiset, vnd obe uch daz nit glege(n) gewest
were, daz ff Lr dan(n) biß vff den ma(n)dag (23) zu morgen beiden vnd dan(n) mit uch re-
den solte. Und als myn vorg(enanter) scholth(eiß) also gheen Wich (24) qwam, erfure er,
daz ir enweg warent vnd des dages noch auch des ma(n)dages darnach nit (25) wied(er) dar
kome(n) wurde(n)t, vnd dar vmb retde er etlich(en) maße(n) mit Andruwin von Crien-
court (26) vß den sache(n), vnd schiede(n) sij zwene, als ich von myme vorg(enanten)
scholth(eiß) v(er)stande(n) han, daz (27) Andruwin vort mit uch vß den sache(n) rede(n)
vnd uw(er) meynu(n)ge, wie jr mich vnd (28) myne gemeyn(er)n wied(er) zu vns(er)me
slosse kome(n) lassen wolte(n)t, erfaren vnd daz mir od(er) myme (29) vorg(enanten)
scholth(eiß) kurtzdich botschaff dauon wied(er) gescheen solte, solicher botschaff (bdie sich
wol -zehen dage v(er)tzogb ich gewartet han. (30) Jch hette and(er) and(er) [sic] werbe zu
uch geschicket gehabt, vnd als nu d(er) eg(enante) Andruwin wol (31) über zehen dage
darnach myme vorg(enanten) scholt(heiß) geschr(iben) hait, zu Sant Nabor(en) zu yme
329
(32) zu ko(m)me(n), da wolte er yn uw(er) meynu(n)ge v(er)stan(n) lassen. Sint d(er) selbe
myn scholth(eiß) vnd Ha(n)neman(n) (33) von Sarbr(ucken) zu £tt Sant Nabor(en) zu yme
gerieden, da hant er vnd Ansei von Sant (34) Nabor(en) S1) yn eine(n) zedel gebe(n) lasse(n)
hören, wie dan(n) uw(er) meyno(n)ge sij, daz ir mich vnd myne (35) gemeyn(er) wied(er) zu
vns(er)me slosse kome(n) lassen wollet, vnd yn des zedels eine abeschr(ift) gegebe(n), (36)
die sij mir auch bracht hant, vnd wie wol der begriff desselben zedels mich swere bedun-
cket (37) vnd jr auch wol v(er) stent, daz ich aen myne gemeyner vnd retde rette nit wol
entlieh (38) dar tzu geantw(er)ten vnd gedun kan(n), han ich von stunt fru(n)dlich mynen
gemevern vnd (39) retten geschr(iben) ernstlich vnd treffelich geschr(iben), vff den fridag
nach Vns(er)s H(er)n Uffart dage, (40) daz ist nemelich von fridage nehste körnet, zu echt
dagen zu Sarbr(ucken) bij mir zu sin, J—f vns (41) mit eynand(er) zu vnd(er)reden, vnd hette
ich sij kurtz(er) körnen bij mich brengen, daz hette ich (42) g(er)ne gedan(n). An dem allen
uw(er) liebe wol v(er)stet, daz ich keynen v(er)tzug jn den Sachen beg(er)n (43) zu suchen
daz ich d g(er)nc eine B 1 1 ende hette, als terre lz
icht gefuglich vnd zu zu bnngen sin mochte, vnd h(er)umb (44) so bied(en) ich uw(er) liebe aber
dinstlich vnd mit ernst, die sache(n) jm besten zu v(er)halde(n), (cwan(n) ich von stunt so
balde ich mich vff d(en) eg(enanten) fridag mit myne(n) gemeynern vnd retten vnd(er)redt
han, myne frunde wied(er) zu uch schicke(n) will, vort mit uch vß d(en) sache(n) zu reden.
Erwirdig(er) lieber h(er)re, da wollet0' vnd uch (45) also gütlich vnd gunsdich gheen mich
vnd myne kinde hlL ’nnL bewisen, wollet als wir uch (46) fru(n)dlich genzelich gleube(n) vnd
getruwe(n), daz jr nast aller gelegenheit g(er)ne dun (47) sollet, daz woll(en)t wir wo wir
/ \ /v • i •ii mit allem vns(er)me v(er)moge(n) vnd guden ✓ \ \
vmm(er) moge(n) mit guden willen v w 6 w & g(er)ne v(er)diene(n)
wille(n) vmm(er) (48) g(er)ne gheen uw(er) liebe v(er)diene(n) vnd beg(er)n des uw(er) liebe
gütlich v(er)schr(iben) antw(er)t. Dieselbe uw(er) (49) liebe mir alletzijt gebiede(n) dühe.
Gegebe(n) vnd(er) myme jnges(igel) vff den zwolfften dag jn dem (50) meye anno
d(o)m(ini) m cccc xxx iij°.
Elisabeth etc.
Dem erwirdig(en) jn Gotte vatt(er), h(er)n Conrad,
bischoff zu Metze, myme liebe(n) h(er)n.
verso:
Myme h(er)n von Metze etc.
A(nn)o 1433.
(M. Kiiper)
(a - c) am linken Rand ergänzt.
1433 Juni 15 Saarbrücken 59
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie erinnert ihn daran, kürzlich ein Abkommen
zwischen Pierre de Cleremont und ihr zustande gebracht zu haben. Dieses Abkommen wird
bis zum nächsten Johannestag gelten. Bis dahin sollte eine Zusammenkunft bei ihm in
330
Joinville stattfinden. In den Briefen zu dem Abkommen steht darüber aber nichts, auch ist
es ihr nicht angezeigt worden. Wenn sie davon gewußt hätte, hätte sie Freunde geschickt,
um die Sachen zu verhandeln. Daher bittet sie ihn, für eine Verlängerung des Abkommens
bis zum St. Remigiustag (1. Oktober) einzutreten und bis dahin einen Schiedstag in seiner
Grafschaft Vaudemont einzuberufen. Nach Joinville kann sie niemanden entsenden wegen
der gegenwärtigen Gefahren und Kriege im Lande. Sie bittet ihn, daß er gegen jene ein-
schreite, die sie schädigen. Was den Umstand betrifft, daß sie erfahren hatte, daß Anton zu
einem Ausgleich mit dem Herzog von Bar bereit gewesen sein soll, mag er die große Belas-
tung, die schändlichen Vorwürfe, die Schande und den schweren Schaden, die sie und ihre
Kinder tagtäglich erfahren, bedenken und dafür sorgen, daß ihr Varsberg zurückgegeben
wird. Darauf hatte er aber geantwortet, keineswegs vor einem Übereinkommen mit dem
Herzog von Bar gestanden zu haben, anderenfalls aber hätte er in der Varsberg-
Angelegenheit das getan, was er müßte. Daß er sich jedoch inzwischen mit dem Herzog
von Bar ins Einvernehmen gesetzt hat, freut sie sehr. Nachdem Anton nach Metz zurück-
gekommen war, hat sie Hans (von Rittenhofen), ihren Schultheiß (preuost) von Saarbrücken,
dorthin geschickt, damit er mit ihm über Varsberg spreche und um die Rückgabe der Burg
bitte. Sie weiß, daß der Schultheiß in diesem Sinne gehandelt, aber keine vernünftige Ant-
wort bekommen hat. Anton aber hat die Burg zu ihrer Verwunderung tatsächlich in fremde
Hände gegeben oder geben lassen. Sie selbst ist inzwischen bei dem Bischof von Metz ge-
wesen, der Varsberg nun in seiner Hand hält. Sie hat den Bischof inständig gebeten, ihr und
ihren Kindern die Burg für eine angemessene Summe zurückzugeben. Er hat ihr aber ge-
antwortet, daß er die Burg für zwölfhundert alte Gulden gekauft hat. Davon seien fünf-
hundert an Anton gegangen, hundert an Pierre de Cleremont und die anderen sechshundert an
Wentzlin vom Turme. Angesichts des Schadens, den sie zu beklagen hat, bittet sie ihren
Bruder, sich für die Rückgabe der Burg einzusetzen und seine Absichten dem Boten mitzu-
teilen.
(-48-59-60-)
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
10/14 (Rotel).
Treschier et t(re)same fr(er)e. Je moy recom(m)ande a vous tant admiablem(en)t co(mm)e
je puix plus. Vous saues asses com(men)t q(ue) darrienem(en)t (2) aues pourp(ar)les (et)
fait vng seurestat entre mess(ire) Pierre de Cleremont (et) moy durant jusques a la St. Je-
han p(ro)chien (3) ven(ant) (et) q(ue) le temp pendent debuiens auoir et tenir vne journ(ee)
p(ar) devant vo(us) au lieu de Jo(i)nu(i)lle. La quelle journ(ee) n’est point (4) comp(ri)nse,
ne denom(m)ee es l(ett)res du d(it) seurestat, ne a moy estee assignée (et) se assigney
m’ehuste estee je y ehusse voulent(ier)s) (5) e(n)uoye de mes amis, pour po(ur)ter suer les
choses. Et pour ce q(ue) la d(i)te journ(ee) n’est pas estee assignée ne tenue, vous prie (6)
b(ie)n adc(er)te, q(ue) le d(it) seurestat veulliez prolongnier (et) mettre aua(n)t jusques au
jour de la St. Remy p(ro)chien ven(ant) (et) le temps pende(n)t (7) a noz p(ar)tiez assigner
vne journ(ee) p(ar) deuant vous en v(ost)re contey de Vaudemont a v(ost)re boin loysir.
(Et) je y e(n)uoieray voulent(ier)s (8) de mes amis pour besoingnier de ceste matti(er)e. Car
bon(n)em(en)t ne poulroye e(n)uoier mes amis au lieu de Jo(i)nu(i)lle pour (9) les perilz (et)
331
guerres, q(ue) sont poiur) le p(rese)nt es t(er)res (et) paix dep(ar) dala. Et vous prie admia-
blement de ly remonstrer qu’il se veulle (10) despourter de pourter dapmaige a moy, a mes
anffans (et) a noz gens, co(mm)e par auant no(us) ait dopmagie. Car je tien q(ua)nt (11)
vous aurez oyr (et) app(ar)ceu la v(er)itey du fait entre le d(it) mess(ire) Pierre et moy q(ue)
vo(us) (et) voz amis debuerez cognoistre q(ue) le d(it) mess(ire) (12) Pierre no(us) ait dap-
magie sans cause (et) sens raison. Aussi t(re)schier (et) t(re)same fr(er)e, je tien q(ue) vous
estez assez recors co(mm)e p(ar) (13) auant p(ar) pluiseurs foix (et) par esp(eci)al vous es-
tant darrien au lieu de Bruchselle, vous ay admiablem(en)t (et) doucem(en)t esc(ri)pt, (14)
priey (et) requis pour ce q(ue) j’auoye entendu q(ue) dehussiez auoir accort a
mons(eigneur) de Bar, qu’il vo(us) plaisist a regarder (et) considerer (15) la g(ra)nt charge
villain reprouche a moy baillie (et) a mon deshonneur (et) les gros et griefs dapmaiges,
q(ue) my et mes enfans (16) en auons ehu (et) soustenus (et) de jour en jour en aurons (et)
q(ue) voulassiez ordon(n)eir (et) tant fai(r)e, q(ue) la d(i)te Warnesp(er)g (et) lez (17) b(ie)ns
q(ue) je y auoye me fuissent rendus (et) remis en mes mains, co(mm)e mes l(ett)res a vous
e(n)uoyez le contienent plus asplain. (18) Et il vous pleust a moy respondre q(ue) vous
n’attendies pas a auoir accort auec mon d(it) s(eigneur) de Bar (et) se vous l’auriez, q(ue)
(19) de la d(i)te maison feriez ce q(ue) vous debueriez. Et sur ce aues ehu accort auec mon
d(it) seign(eur) de Bar, dont j’ay estee (et) fuix (20) b(ie)n liee (et) joieuse. Et vous reuenus
au lieu de Mets j’ay e(n)uoye Hanns mon p(re)uost de Sarrebruche p(ar) deu(ers) vous au
d(it) (21) lieu de Mets, pour a vous parler pour le fait de la d(i)te maison (et) de vous prie
qu’il la vous plaisist a remettre en (22) ma main (et) en lez mains de mes anffans. La quelle
chose mon d(i)t p(re)uost ait ainx fait co(mm)e j’ay entendu. Maix il (23) n‘en pouoit pour
lors auoir responce raisonaible. Et aues la d(i)te maison mise ou fait mettre ens mains
d’estrai(n)giez, (24) dont je me donne m(er)ueille. Et en ay pour ceste cause darriem(en)t
en ma p(ro)pre p(er)sonne estee deu(ers) mons(eigneur) de Mets, qui tient (25) pour le
p(rese)nt la d(i)te maison en ses mains, en ly p(ri)ant (et) requérant si admiablem(en)t, ef-
fecteusem(en)t (et) adc(er)te co(mm)e j’ay peu, qu’il ly (26) plaisist ycelle maison a remettre
(et) laissier reuenir es mes mains (et) les mains de mes anffans pour vne som(m)e raisona-
ble. (27) Lyquel m’ait respondu, qu’il ait achattey la d(i)te maison (et) qu’il l’en com(m)ent
payer (et) remettre suer douze cent viez flor(in) (28) (et) q(ue) vous en debuez auoir cinq-
cent flor(in) mes(sire) Pierre de Cleremont cent (et) mes(sire) Wainczelin de la Tour les
aut(re)s sixcent. (29) La quelle chose est au t(re)sg(ra)nt p(re)iusdce p(re)iudice, groB et
grieffs dapmaiges (et) desheritance de moy (et) de mes enffans, co(mm)e vo(us) (30)
meisme sauoir le pouez. Et pour ce t(re)schier et t(re)same fr(er)e, enuoye (et) esc(ri)pt
p(ar) deu(ers) vous p(ri)ant b(ie)n admiablem(en)t effecteusem(en)t (31) (et) adc(er)te
neantmoins doucement requérant sur qua(n)t, q(ue) fr(er)es et suers se puellent ou doient
requérir, d’auiser et resgarder (32) l’amour, lealtey (et) foy q(ue) no (us) auons tousiours ehu
(et) q(ue) p(ar) nature debuons ancor auoir ensamble (et) de considerer mon g(ra)nt (33)
deshon(n)our, blasme (et) gros (et) griefs dapmaiges, p(er)des (et) desheritance, q(ue) sont
este f(ai)tes a moy (et) mes anffans menre da aige (34) (et) q(ue) ancor de jour en jour
no(us) en auierie(n)t, et d’en ordon(n)er (et) tant faire, q(ue) la dite maison puisse reuenir
(et) estre remise (35) en ma main (et) les mains de mez anffans. La quelle chose nous
des(er)uirons enu(ers) vous (et) voz enffans de tout n(ost)re pouoir. (36) Et on cas q(ue) ce
332
ne feriez (et) q(ue) my (et) mes enffans de la d(i)te maison co(mm)e de l’autre Warnesperg
seriens desheritey auec les d(its) (37) groß et griefs dapmaiges q(ue) my, mez enffans, noz
gens, t(er)res et pays en auons ehu, moy sembleroit, (et) polroit ch(ac)un veoir (38) q(ue) ce
seroit sens cause et raison. Et polriez b(ien) sauoir, q(ue) mes enffans (et) leurs amis ne le
polrient laissier en tel estât. (39) Et se aultre chose q(ue) bonne et leale amour s’en debue-
roit enfuir, il moy desplairoit de tout mon euer. T(re)schier et (40) t(re)same fr(er)e, si vous
prie, q(ue) en toutes ces choses veulliez pourveoir, remedier (et) fai(r)e enu(ers) moy (et)
mes d(its) enffans, co(mm) j’en ay (41) p(ar)f(ai)te, enti(er)e (et) sing(u)lere fiance (et) as-
seurance a vous (et) q(ue) je tien q(ue) voulent(ier)s faire debuez. Et p(ar) toutes les ma-
nie(re)s q(ue) my (et) (42) mes enffans le polrons dess(er)uir le ferons voulent(ier)s (et) de
euer désirant sur ce auoir v(ost)re responce. Ce q(ue) faire vous en (43) plairait p(ar) le
pourteur de ceste auec saucu(n)e chose vous plait q(ue) bonnem(en)t puisse (et) je la feray
voulent(ier)s, a l’ayde n(ost)re s(eigneur) (44) qu’il vous ait en sa s(ain)te garde (et) vous
doint bon(n)e vie (et) longue. Esc(ri)pt a Sarrebruche le xvc jour de jung l’an mil iiij1^1
(45) (et) xxxiij0.
V(ost)re suer Jsabel de Lorrain(n)e
etc.
verso:
A mon t(re)schier (et) t(re)same f(re)re et seign(eur) Anthoin(n)e
de Lorrai(n)e, conte de Vaudemont etc.
(J. Herold)
1433 Juni 18, Joinville 60
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat ihren Brief erhalten und seinen Inhalt, der
von Varsberg und ihrem Konflikt mit Pierre de Clemont handelt, gelesen (Nr. 59). Zur Zeit
kann er sich allerdings nicht damit befassen, da er mit anderen großen und wichtigen Din-
gen beschäftigt ist. So Gott will, wird er am nächsten Johannestag (24. Juni) einen Tag (Jour-
nee) abhalten anläßlich der Verlobung seines Sohnes Friedrich mit der Tochter des Herzogs
von Bar. Sie möge ihre Unterhändler dorthin schicken, um über diese eine umfassendere
Antwort von ihm zu bekommen. Was aber die Sache zwischen ihr und Pierre de Clemont be-
trifft, soll sie wissen, daß derselbe beim Eingang ihres Schreibens nicht bei ihm war. Sobald
er zurück ist, wird er ihm die Sache so vorlegen, wie sie geschrieben hat. Auf dem besagten
Tag kann ihr die Antwort dann vermittelt werden.
(-59-60-62-)
Ausfertigung. Von den beiden Verschlußsiegeln aus rotem bzw. grünem Wachs sind nur
Reste vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/15 (Rotel).
Chiere (et) amee sueur. J’ay receu voz l(ett)res a moy enuoye (et) bien veu le contenu en
ycelle faisant menct(i)on (2) de la maison de Warnesp(er)ge (et) du desdit d’ent(re) vous
(et) mess(ire) Pierre de Clemont etc. Si vuilli(ez) (3) surs cen sauoir, que en tant qui tous-
che le fait de la maison de Warnesp(er)ge pour le p(rese)nt ne (4) vo(us) en puis f(air)e ple-
333
ni(er)e r(espo)nce pour cause dez gros (et) grandz afaires, que fays dauant les mains. (5)
Maix au plaisir de n(ost)re s(eigneur) j’ay [—] a ceste p(ro)uchien S(ain)t Jehan vne
journ(ee) pour les fianssalles de mon (6) aimet fil Ferry (et) de l’aimee fille de mon
t(re)schier s(eigneur) (et) cousin le duc de Bar. A la quelle s> plalt porrez (7) enuoyer de
voz gens pour vo(us) en fa(i)re plus ample response. Sy oult(re) quant est au fait (8)
d’ent(re) vous (et) mess(ire) Pierre de Clemont, vuilli(ez) sauoir, que a la recept(i)on de
voz l(ett)res y n’estoit (9) pas deuie(rs) moy, maix ly retournez deuie(rs) moy que porrays
p(ar)ler a ly voluntier ly remonstre (10) ray la chosse ainsy qu’esc(ri)pt le m’auez. (Et) a la
d(i)te journ(ee) vous remandez de sa r(espo)nce p(ar) celly que (11) m’enuoyiez. Chiere (et)
amee sueur, n(ost)re s(eigneur) soit garde de vous. Esc(ri)pt en ma ville de Jo(i)nu(i)lle le
(12) xviije jour de jung etc.
Vostre frere Anthoine de Lorrai(n)ne etc.,
conte de Vaudemont.
verso:
A ma treschiere (et) amee suer, la
contesse de Nausowe (et) de Sarrebruche.
1433 Juni 25 61
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Nachdem sie bei ihm in Vic-sur-Seille war, hat
sie sich mit ihren Kindern, Vertrauten, Verwandten, Lehensleuten, Räten und Amtleuten
wegen Varsberg beraten. Sie kann seine Forderungen - das Erbe ihrer Kinder t%u leben
machen, große Geldsummen als Entschädigung zu zahlen und von den Gemeinem Schuld-
verschreibungen zu verlangen - nicht erfüllen. Da sie ihre Burg unverschuldet verloren hat
und dem Bischof zudem stets treu verbunden war, bittet sie ihn, von seinen Forderungen
abzulassen und ihr die Burg zurückzugeben.
('-58-61-68-)
Konzept oder Abschrift mit interlinearen Korrekturen und Ergänzungen am Rand. Das
Ende des Briefes recto von uwer liebe gebieden... bis einschließlich der Unterschrift sowie die
Anschrift verso ist in anderer Schrift. Die Jahresangabe verso ist jünger. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 24.
Erwirdig(er) lieber h(er)re, ere vnd gut uwer liebe alletzijt vorgeschr(iben). Als ich (2) neste
zu Wich von uch gescheiden bin von Warsberges wegen etc., da han (3) ich mich mit etH-
chen myn(er) kinde mage(n) vnd frunde(n) vnd auch etlichen (4) yren vnd myne(r)
man(n)en, retten vnd amptluden vff die artickel, die (5) jr von Warsberges wege(n) noch
bisher gheen mich vorgenome(n) hant, (6) bedacht vnd beraden. Vnd finden an yrem rade
nit, daz mir stee, (7) mynen kinden yre erbe tzu lehen zu mache(n), vftd große som(m)en
geldes vß (8) zu geben vnd dartzu v(er)tzick mich zu vnd(er)winden, die gemeyn(er) des (9)
sloßes zu v(er)moge(n), v(er)schribu(n)ge zu dun, jn maße ir daz begert, nast (10) dem vns
vns(er) sloße angewonne(n) 'aund in uw(er) hande kome(n) vnd vns3'1 vns(er) gut dar vß
gefuret, daz sloß (11) swerKch buwefelHg gemacht, vnd mir vnd myne(n) kinden daz zu
334
grossen (12) vnschulden gescheen ist. Vnd getruwe(n) uw(er) liebe wol, jr sollet -bsolichs,
alz vorges(chriben) ist stet, vnd and(er) gelege(n)heit vnd*^ gütlich (13) bedencke(n) daz ir
ere vnd wille(n) vß dem sloße er[wor]ben hant vnd (14) wie die g(ra)ff ich vnd myne kinde
uch vnd uw(er)me stiffte gewant sin (15) vnd uch natzer vnd uw(er)me stiffte nutzer hm
werden moge(n), dan(n) solichs, als (16) ir meynet, daz man uch von des sloßes wege(n) dun
solle, vnd daz wir (czu vnschulde(n)c^ (17) Schadens genug gelieden han, alles gütlich be-
dencken vnd vns (18) gunstlich(en) vnd fruntlich(en) wieder zu vns(er)me sloße vnd erbe
kom(m)en (19) lassen vnd vns daz nit entferren od(er) des entwisen, sollet sond(er) (20) uch
also gütlich da jnne gheen vns bewisen sollet. Daz wir (21) is schuldig sien zu v(er)diene(n),
daz wir auch mit gudem willen vnd (22) nast vns(er)me v(er)mogen jn biilichen Sachen
g(er)ne dun wollen. Uwer liebe (23) gebiede mir allezijt. Geben vff donrestag nehste nach
Sant Joh(an)s Baptiste(n) dage Natiuit(atis) (24) anno etc. xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen) etc.
verso:
Dem erwirdige(n) jn Gotte vatt(er), h(er)n Conradt, bischoffe zu Metze,
myme lieben h(er)n.
A(nn)o 1433.
(M. Küper)
(a - a), (b — b), (c — c) am linken Rand ergänzt.
1433 Juni 26 Saarbrücken 62
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie hat seinen Brief mit der Mitteilung, über Vars-
berg zur Zeit nichts genaues sagen zu können, erhalten (Nr. 60). In diesem Schreiben hatte
er sie außerdem darüber in Kenntnis gesetzt, anläßlich der Verlobung seines Sohnes Fried-
rich mit der Tochter des Herzogs von Bar einen Tag (Joumee) abhalten zu wollen, wohin sie
etliche von ihren Leuten schicken könnte, um eine umfassendere Antwort zu bekommen.
Er hat ihr aber nicht geschrieben, an welchem Tag und an welchem Ort dies sein soll. Da-
her hat sie nicht gewußt, wann und wohin sie jemanden hätte schicken können. Sie bittet
ihn inständig, wie auch schon in den vorangegangenen Briefen, für die Rückgabe von Vars-
berg an sie und ihre Kinder einzutreten. Auch solle er Pierre de Cleremont, der sie ohne hin-
länglichen Grund schwer geschädigt und mit Krieg überzogen hat, davon abhalten, sie
weiterhin zu schädigen oder wenigstens für einen Waffenstillstand bis St. Martin (11. No-
vember) sorgen. Dazu möge er einen Schiedstag in seiner Grafschaft Vaudemont einberu-
fen, wohin sie einige ihrer Leute und Freunde bereitwillig entsenden wird, sofern sie auf ih-
rer Hin- und Rückreise und während ihres Aufenthalts gegenüber Anton, Pierre de Cleremont
und deren beider Leute sicher wären. Über den Boten dieses Briefes kann er alles ausrich-
ten lassen.
(-60-62-63-)
Abschrift mit geringfügigen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
10/16 (Rotel).
335
Treschier et t(re)same fr(er)e. }e moy recom(m)ande a vous tant co(mm)e je puix. J’ay re-
ceu voz l(ett)rez de responce, q(ue) darrien m’auez resc(ri)pte touchant (2) le fait de War-
nesberg. Et co(mm)e vous d(i)tez q(ue) pour le p(rese)nt ne m’en pouez faire plaine res-
ponce (et) que au plaisir de dieu vo(us) aurez (3) a ceste Saint Jehan passey vne journ(ee)
pour les fîansailles de v(ost)re aime filz Ferry (et) de l’aimee fille de mons(eigneur) le duc
de Bar etc. A la quelle (4) journ(ee) enuoyesse deu(ers) vo(us) (et) vo(us) m’en ferez plus
ample responce. (Et) de ce est, que ne m’auez pas esc(ri)pt au quel jour (et) en quel (5) lieu
ycelle journ(ee) se doit tenir (et) pour ce n’a sceu au quel jour et lieu q(ue) je dehusse
e(n)uoyer deu(ers) vous. Et pour ce, t(re)schier et (6) t(re)same freire, vous prie tant ad-
miablement co(mm)e je puix (et) neantmoins vous requier sur qua(n)t q(ue) fr(er)es (et)
suers se doyent (7) ou puellent requérir co(mm)e p(ar) mes aut(re)s l(ett)rez p(ar) auant
vous ay prie et requis, q(ue) vous veuillez tellem(en)t ordon(n)er (et) tante faire, (8) q(ue) la
d(i)te maison de Warnesperg puisse reuenir et estre remise en ma main (et) les mains de
mes anffans. Et que vous veulliez (9) remonstrer a mess(ire) Pierre de Cleremont liquel
no(us) ait dapmagiez (et) no(us) guerroyé sens cause raison(n)able, qu’il se veulle (10) des-
pourter de no(us) plus dapmagier ou au moins, q(ue) vne treue (et) seurestat en soit fait
(et) comprins de cy a la S(ain)t M(ar)tin. Et q(ue) (11) vous no(us) veulliez assigneir vne
journ(ee) p(ar) devant vous en v(ost)re contey de Vaudemont a la quelle e(n)uoyeray vou-
lent(ier)s de mes (12) gens (et) amys p(ar) ainsi qu’il soient b(ie)n seur allant, seiournant (et)
retournant de vous (et) dez v(ost)rez du d(it) mess(ire) Pierre et des (13) siens sans malen-
gien. Treschier et t(re)same freire, si vous prie, q(ue) en toutes ces choses veulliez pour-
veoir (et) remedier et (14) en tant fa(i)re, co(mm)e j’en ay p(ar)f(ai)te fiance (et) entière as-
seurance a vous. Et p(ar) toutes lez manie(re)s, q(ue) my (et) mes enffans le polrons (15)
des(er)uir le ferons voulenders (et) de cuer. Et on cas q(ue) ce ne feriez polriez b(ie)n
sauoir (et) entendre, q(ue) mes anffans ne le (16) poulroyent laissier en tel, co(mm)e p(ar)
mes p(re)cedent l(ett)res le vous ay esc(ri)pt plus aplain. Sy moy resc(ri)puez sur ce
v(ost)re boin (17) plaisir p(ar) le pourteur de ceste auec saucu(n)e chose vous plait q(ue) je
puisse (et) je l’ascompliray d’un t(re)sboin cuer, p(ri)ant n(ost)re s(eigneur), quj (18) vous ait
et tiengne en sa s(ain)te garde (et) vous doint bone vie (et) longue. Esc(ri)pt a Sarrebruche
le xxvje jour de jung en l’an (19) mil iiijcien^ (et) xxxiij0.
V(ost)re suer Jsabel de Lorrain(n)e, contesse vefue
de Nassauwe (et) de Sarrebruche.
verso:
A mon t(re)schier et t(re)same frerre et seigneur
Anthoin(n)e de Lorraine etc.
(J. Herold)
1433 Juli 2, Bar-le-Duc
63
336
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat ihren Brief, der Varsberg betrifft und worin
sie außerdem den Wunsch geäußert hat, er möge ein Treffen mit ihr und Pierre de Clermont
herbeiführen, auf dem sie gewisse Dinge behandeln und darin Recht schaffen könnten, er-
halten (Nr. 62). Hinsichtlich der Burg Varsberg soll sie wissen, daß er gegen Ostern dieses
Haus in die Obhut des Wentzlin vom Turme übertragen hat. Dabei hat Anton diesem das
eidliche Versprechen abgenommen, die Burg für ihn offen zu halten. Auf keinen Fall sollte
Wentzlin sie an jemand anderen veräußern. Er mußte aber erfahren, daß dieser das Haus
gegen sein Versprechen dem Bischof von Metz übergeben hat. Auf Antons sofortige For-
derung nach Rückgabe ist jedoch noch keine Antwort eingegangen. Sobald er das Haus
aber zurück haben wird, will er ihr schreiben, was er zu tun beabsichtigt. Was den
Schiedstag wegen der Händel zwischen ihr und Pierre de Clermont betrifft, hat er mit diesem
gesprochen. Pierre habe große Schwierigkeiten mit dem Termin, der ihm zu spät erscheine,
sei aber mit einem Treffen am Magdalenentag (22. Juli) einverstanden, zu dem er kommen
will. Er, Anton, hat dafür garantiert, daß sie und ihre Leute in der Zwischenzeit nichts
gegen Pierre und seine Leute unternehmen würden. Auch soll von Pierres und seiner Leute
Seite aus keine Belästigung ihrer Leute und Untertanen erfolgen. Außerdem garantiert
Anton, daß den Leuten Elisabeths auf der Hin- und Rückreise und während ihres
Aufenthalts weder von seiner noch von Pierres Seite aus etwas Schädliches widerfahren
wird.
(-62-63-64-)
Ausfertigung. Das Verschlußsiegel aus rotem Wachs ist zur Hälfte abgefallen. - LA Saar-
brücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/17 (Rotel).
Treschi(er)e (et) t(re)samee seur. J’ay receu voz l(ett)res fais(ant) menc(i)on de la mais(on)
de Warnepers et (2) aussi d’une journ(ee) est(re) tenue par deua(n)t moy ent(re) vous et
mess(ire) P(ier)re de Clermo(n)t pour c(er)taines (3) chos(es) et aitendre droit sur jcelles. Et
quant a la d(ite) mais(on) de Warnepar vueill(iez) sauoir, que (4) enuer(s) pasques derr(ier)
pass(ees) je baillay en garde de mess(ire) Wainsselin de la Tour jcelle maison (5) en prenant
de lui sa foy et s(er)em(en)t, que toutes et qua(n)tes foys que vouldroye entrer en (6) jcelle
mais(on) ne au(oit) en mes mains, jl la me renderoit joinem(en)t et plaineme(n)t sans au-
cu(n)eme(n)t (7) la c(om)mett(re) en aultruy main. Et pour ce que j’ay entendu, que
cont(re) ses d(ites) foy et s(er)em(en)t jl a mis (8) la d(ite) mais(on) es mains de l’euesque de
Mets, je l’ay tantost aprez ce requis (et) som(m)e de (9) moy rendre (et) deliurer jcelle
mais(on) ou a mon c(er)tain comandeme(n)t, ainsi que venu y est. De quoy (10) n’ay en-
core) en aucune responce mais moy eue suere r(espo)nse (et) si tost qu’elle s(er)a en mes
(11) mains, je vous en resc(ri)pray tout ce que en vouldray f(air)e. Et quant est a prendre
jo(ur)n(ee) (12) par deua(n)t moy co(mm)e dit est pour congnoist(re) (et) f(air)e droit sur
les debas de vous et du d(it) (13) mess(ire) P(ier)re, j’en ay parle au d(it) mess(ire) P(ier)re,
lequel a grant difficulté pour le t(er)me, que lui (14) semble long, si est accorde lequel jour
est au jour de la Magdaleine proch(ain) ven(ant), au quel (15) jl s(er)a. Mais que y enuoyez
aut(r)e depar vous souffis(ant) soude. Et pour ce vous assigne jcell (16) jour par deua(n)t
moy pendent lequel je me fuis fait fort de vous, voz gens et s(er)uans, (17) que mal ne
dom(m)age ne sera faite ne porte au d(it) mess(ire) P(ier)re ne a ses gens. Et (18) aussi que
337
du coste de mess(ire) P(ier)re ne ses gens ne vous sera fait ne porte ne a voz (19) gens et
sugez v ' w. Et aussi asseure vos d(its) gens, que en ven(ant), seio(ur)nant et re-
tournant de ia d(ite) (20) journ(ee), mal ne dom(m)age ne leur s(er)a fait ne porte par moy
mes gens, par le d(it) (21) mess(ire) P(ier)re et les siens. Treschi(er)e et t(re)samee suer, se
chose voulez que f(air)e puisse (22) resc(ri)ps(es) le moy. Et je le feray de bon coeur. Et
scet le benoit Saint Esp(r)it qui soie g(ar)de (23) de vo(us). Esc(ri)pt a Bar le Duc le ij jour
de juillet.
V(ost)re fr(er)e) Anthoine de Lorra(in)e,
conte de Vaudemo(n)t.
verso:
A ma t(re)schie(r) (et) t(re)samee seur, la contesse
de Naussoe et de Sarrebruche.
0- Herold)
1433 Juli 8 Saarbrücken 64
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie hat sein Schreiben erhalten (Nr. 63), in dem er
auf ihren Varsberg betreffenden Brief (Nr. 62) geantwortet hat, daß er ihr mitteilen werde,
was er zu tun gedenke, sobald er das Haus zurück haben wird. Als Antwort erscheint ihr
das aber zu wenig. Sie hätte wirklich niemals geglaubt, daß seine Diener und Helfer die
Burg ihr und ihren Kinder ohne Grund und Ursache abgewonnen haben. Böswillige Vor-
würfe und schwerer Schaden sind ihr tagtäglich dadurch entstanden. Oft genug hat sie ihn
schriftlich und durch ihre Leute, besonders als er in Brüssel auf dem Tag mit dem Herzog
von Bar war, gebeten, daß er ihr Varsberg zurückgeben lassen soll. Wie sie erfahren mußte,
hat er aber die Burg an andere gegeben und dafür Geld genommen. Sie bittet ihn erneut so
eindringlich, wie sie vermag, für die Rückgabe der Burg mit allem Zubehör zu sorgen und
Genugtuung für Schäden und Gewalttätigkeiten zu leisten bis zum nächsten Magdalenentag
(22. Juli). Das soll er in der Weise tun, daß ihre Kinder und deren Herren, Verwandte und
Freunde zukünftig keine Forderungen mehr an ihn stellen müßten. Was die Sache mit Pierre
de Cleremont betrifft und den dazu vorgesehenen Schiedstag an St. Magdalena (22. Juli), hat
er ihr keinen Ort genannt, wo dies’ stattfinden soll. Wenn er aber vorhat, das Treffen in
Joinville durchzuführen, kann sie wegen der Gefahren und Händel, die sie ihm bereits mit-
geteilt hatte, niemanden dorthin schicken. Falls er aber ein Abkommen zwischen ihr und
Pierre für die Zeit bis St. Remigius (1. Oktober) zu Wege bringen und in dieser Zeit einen
Tag ausrichten möchte, der in seiner Grafschaft Vaudemont oder vor seinem Bellis Ger-
hard (von Pfaffenhofen) in Metz stattfinden könnte in der Art und Weise, wie es ihre frü-
heren Briefe enthalten, wird sie gern jemanden schicken.
(.63-64-65-).
Abschrift mit geringfügiger Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.ll, Nr. 3112, f.
10/18 (Rotel).
Treschier er t(re)same fr(er)e. J’ay receu voz l(ett)rez, que resc(ri)pte m’auez sur mes
338
l(ett)rez, q(ue) darrierem(en)t vo(us) ay esc(ri)pte pour le fait de la maison de (2) Warnes-
perg (et) entendu le contenu d’icelles (et) de ce qu’esc(ri)puez q(ue) sy tost q(ue) rauerez la
d(i)te maison en voz mains, moy ferez sauoir, (3) ce que faire en vouliez etc. Moy semble
que m’en respondes assez petitem(en)t (et) q(ue) ne faite pas enu(ers) moy (et) mes anf-
fans, co(mm)e fai(r)e (4) debueriez (et) tenus y estes (et) en v(er)itey je n’eusse jamaix creu,
veu (et) considerey, q(ue) vous gens, s(er)uans (et) aidans ont pris et guaignie (5) la di(t)e
maison sur moy (et) mes dis enffans sans cause et sens raison, dont j’ay ehu (et) ay tous les
jours g(ra)nt blasme et vilaine (6) reprouche a mon g(ra)nt deshonneur, q(ue) p(ar) nature
vous dehust desplaire. Et que auec ce voz gens q(ue) par voz y ont estey m’ont (7) fait (et)
pourtey gros (et) griefs dapmaiges attendus aussi, q(ue) p(ar) pluiseurs foix tant p(ar) mes
gens co(mm)e mes l(ett)res (et) espalment (8) vous estant a Brucelles journiant auec
mons(eigneur) de Bar, vous ay som(m)e, requis (et) doucem(en)t (et) admiablement priey,
q(ue) la d(i)te (9) maison moy voulassiez remettre en mes mains (et) q(ue) moy
resc(ri)puites, q(ue) en feriez tellem(en)t, q(ue) en debueroye estre contant. (10) Q(ue) la
dehussiez auoir mise en autre mains q(ue) es mienes (et) en prendre argent, co(mm)e j’ay
entendu q(ue) en debuez auoir, co(mm)e p(ar) (11) mes aut(re)s l(ett)rez le vo(us) ay
esc(ri)pt plus asplain. Maix auoye fiance (et) asseurance, q(ue) auiseriez toutes lez choses
dess(us)d(i)tes et (12) aut(re)s q(ue) par mes gens (et) l(ett)res vous ay fait sauoir et que en
feriez v(ost)re debuoir enu(ers) moy (et) mes dis anffans. Et pour ce q(ue) (13) ne l’auez
ainsij fait, vous prie doucem(en)t (et) admiablement, (et) neantmoins de rechieff vous re-
quier si justa(m)me(n)t, co(mm)e je (14) puix, q(ue) la d(i)te maison de Warnesp(er)g moy
veulliez rendre (et) remettre en mes mains auec les meubles, trait (et) aut(re)s b(ie)ns (15)
q(ue) en jcelle auoie. Et que des gros et griefs dapmaiges q(ue)n moy mes d(its) enffans
noz gens terres et paiix en auons ehu (16) et sobstenu auons (et) soustenons ancor de jour
en jour, nous veulliez fai(r)e plaine (et) enti(er)e restituc[i]on (et) amandise (17) des torcons
(et) jniures, q(ue) no(us) en sont estey fait deden le jour de la Magdalaine p(ro)chien
ven(ant). Et tellem(en)t vous en plaise (18) a faire co(mm)e sauez assez, q(ue) a honnour
(et) a raison app(ar)tient (et) que fai(r)e en debuez (et) tenus y estez (et) q(ue) mes dis anf-
fans leurs (19) seigneurs, parans (et) amis n’ayent cause de vous en requérir plus auant. Et
quant au fait de mess(ire) Piere de Cleremo(n)t, (20) dont m’esc(ri)puez a tenir journ(ee)
p(ar) deuant vo(us) a jour de la Magdaleine p(ro)chien ven(ant) etc. Vous ne denom(m)es
pas le lieu ou (21) q(ue) voulez, q(ue) la d(i)te journ(ee) se tiengne. Et se v(ost)re en-
tenc(i)on estoit, quelle se deust tenir a lieu de Jo(i)nu(i)lle, en v(er)itey je n’y (22) poulroye
e(n)uoyer mes gens pour pluiseurs perilz (et) doubtes, co(mm)e p(ar) mes p(re)cedent
l(ett)res le vou[s] ay esc(ri)pt. Maix se v(ost)re plaisir (23) estoit de fai(r)e vne treue (et) seu-
restat entre le d(it) mess(ire) Pierre (et) moy durant jusques a la Saint Remy (et) d’assigneir
(24) vne journ(ee) pendent le d(is) temps p(ar) deuant vous en v(ost)re contey de Vaude-
mont ou (par) deuant Guerart v(ost)re bailly au lieu (25) de Mets, je y e(n)uoyeroye vou-
lent(ier)s de mes gens p(ar) la forme et mani(er)e co(mm)e mes p(re)cedens l(ett)res a vous
e(n)uoyee la co(n)tiene(n)t. (26) Treschi(er) et t(re)same fr(er)e, en toutes ces choses vous
plaice a faire, co(mm)e mon attendue, asseurance (et) p(ar)faite fiance en est en a (27) vous.
En moy resc(ri)puant sur ce v(ost)re boin plaisir auec se chose vous plait, q(ue)
bon(n)ement puisse (et) je la feray d’ung t(re)sboin (28) cuer, p(ri)ant n(ost)re s(eigneur),
339
quj vous ait et tiegne en sa s(ain)te garde (et) vous doint bon(n)e vie (et) longue. Esc(ri)pf
a Sarrebruche le vüje (29) jour de jung l’an mil iiijc'en^ (et) xxxiij0.
Jsabel de Lorraine etc.
verso:
A mon t(re)schier (et) t(re)same f(re)re et seigneur Anthoin(n)e de
Lorraine, conte de Vaudemont.
(J. Herold)
1433 Juli 13 Joinville 65
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat ihren Brief (Nr. 64) bekommen und seinen
Inhalt lange bedacht, um ihr eine angemessene Antwort geben 2u können. Die Wahrheit in
der Sache, in der sie geschrieben habe, ist, daß sowohl er als auch seine Leute die Burg
Varsberg niemals an sich gerissen haben. Vielmehr habe er sie gekauft. Dafür kann er gülti-
ge Briefe vorweisen. Doch sie verkauft oder gar Geld dafür genommen, hat er nicht. Das
Gegenteil sei der Fall. Wer etwas anderes behaupte, würde lügen. Es war nie seine Absicht,
mit besagter Burg etwas gegen sie und ihre Kinder zu unternehmen. So etwas hätte viel-
leicht eintreten können, wenn er im Besitz der Burg gewesen wäre, was leider nicht der Fall
sei. Hinsichtlich der in ihrem Brief enthaltenen Forderungen nach Wiedergutmachung bis
zum nächsten Magdalenentag (22. Juli), die so erfolgen solle, daß ihre Kinder und deren
Herren, Verwandte und Freunde in Zukunft nichts mehr fordern bräuchten, sollen diese
selbst ihre Forderungen vortragen und ihm die aufgetretenen Schäden melden, wie es eh-
renvoll und für ihn nur allzu tröstlich wäre. Denn die Art und Weise ihrer aggressiven
ipoingnans) Schreiben verwundert ihn sehr. Er weiß nicht, wie sie dazu kommt. Was die Sa-
che mit Pierre de Cleremont betrifft, hat er alles, was er konnte, getan, ihn zu einer Tagfahrt zu
bewegen. Dieser hat sich schließlich bereit erklärt, persönlich zu einem Treffen am Tag
nach Magdalena (Donnerstag der folgenden Woche, 23, Juli) vor ihn nach Vezelise zu
kommen, um zu verhandeln und wenn möglich eine Einigung herbeizuführen. Elisabeth
soll jemanden von ihren Leuten schicken. Anton will nach Möglichkeit selbst anwesend
sein. Anderenfalls wird sein Bellis von Vaudemont (Gerhard von Pfaffenhofen) oder ein
anderer seiner Räte dort erscheinen.
(-64-65-66-)
Ausfertigung. Von den beiden Verschlußsiegeln aus rotem bzw. grünem Wachs sind nur
Reste vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 10/19 (Rotel).
Treschi(er)e (et) amee seur. J’ay receu voz l(ett)res et tout au long veu le contenu d’icelle,
pour ausquelles vous (2) f(air)e (et) donner r(espo)nce raisonnable. J1 est vray, que quelque
chose que m‘en aiez resc(ri)pt, moy ne mes gens (3) ne gaigne(ra)nt onquenes la maison de
Warneperch, aincois l’ay achettee, co(m)me par belles l(ett)res puet app(ar)oir, (4) que je
Paye vendue ne en prins argent, le contraire est vérité. Car ceulx qui le vous auroient (5)
dit, ne diraient, se mentiraient et n’euz onques vouleu(r) jusques ad p(rese)nt de f(air)e de
la d(ite) maison (6) cont(re) vous ne mes nepueus voz enfans, fors que ce q(ue) je deuroye,
340
se la d(ite) maison estoit en (7) ma main, ce qui n’est pas, dont il me desplaist. Aincois
p(ar) voyes exquises (et) aut(re)ment a este (et) (8) est hors de ma main. Au regard de ce
q(ue) vos di(t)es l(ett)res contien(e)n(t) requeste de restituc(i)on, f(air)e en dedens (9) le
jour de la Magdelaine p(ro)uch(ain) ven(ant) telem(en)t, que vos d(is) enfens, leurs sei-
gne(ur)s, parens (et) amis n’aient caus[e] (10) de moy en requérir plus aua(n)t. qua(n)t vous,
vos d(is) enfens, ne parens ou amis qu’ilz aient, (11) me vouldront requérir d’aucune chose
ou f(ait)e do(m)maige, le me laissent sauoir deuem(en)t co(m)me a (12) honnour
app(ar)tient etLt je n‘en fuis ne s(er)ay que trop reconforte. Car du feille (et) mani(er)e de
vos (13) esc(ri)ptures poingnans je fuis moult esm(er)ueilie, ne scey, dont ce vous vient. En
oult(re) pour (14) le fait de mess(ire) P(ier)re de Cle(re)mont, j’en ay fait du mieulx q(ue)
j’ay peu, ad fin de le f(air)e venir a journ(er). Toutesuoiefs] (15) jl est comptent d’estre en
p(er)sonne a vne journ(ee) p(ar) deua(n)t moy au lieu de Vezelise le londemain de la Mag-
delai[ne] (16) p(ro)uch(ain) ven(ant), pour jllec journoyer (et) veoir se amiablem(en)t pour-
riez estre d’accort. Si enuoiez a la d(ite) journée (17) gens de v(ost)re conseil chargus de
voz de dem(an)des et pour en besoingnier. Car je y po(ur)ray b(ie)n estre et se je (18) n’y
fuis si y s(er)a mon baillj de Vaudemont (et) aut(re)s gens de mon conseil, au plais(ir) de
n(ost)re s(eigneur), qui vous (19) ait en sa s(ain)te garde. Esc(ri)pt a Joinuille le xüje jour de
juillet a iiijc(en)t (et) xxxiij.
Anthoinne de Lorrainne etc., v(ost)re fr(er)e.
verso:
viij
A ma treschiere (et) amee seur, la
contesse de Nassauwe (et) de Sarrebruche.
(J. Herold)
1433 Juli 20 66
Elisabeth an Anton von Vaudemont. Sie hat an diesem Tag seinen Brief erhalten (Nr.
65), worin er ihr unter anderem mitteilt, daß er oder seine Leute sich niemals die Burg
Varsberg angeeignet hätten, daß er sie vielmehr gekauft habe usw. Dennoch, so meint Eli-
sabeth, rührt es an seiner Ehre, daß Johann von Kerpen und diejenigen, die ihn bei der Be-
setzung der besagten Burg begleitet haben, am Tag, als das geschah, seine Diener und Hel-
fer waren. Als sie daraufhin von jenen die Rückgabe verlangt hatte, haben sie ihr geantwor-
tet, daß sie seine Diener und Helfer wären und das Haus für ihn und in seinem Namen ein-
genommen hätten. Wenn sie irgend etwas verlangen wollte, sollte sie an ihn schreiben. Was
Anton dann unternehmen würde, damit wären sie einverstanden. Wenn Anton, so Elisa-
beth weiter, aber meine bzw. behaupte, daß er besagtes Haus nicht verkauft hätte, es nie-
mals in seinen Händen gehabt hätte, sich über ihre aggressiven (poingnantes) Schreiben und
wie sie überhaupt dazu käme, wundere, hält sie entgegen, keine Forderungen und keine ag-
gressiven Schreiben zu kennen, die grundlos wären. Vielmehr sind ihre Forderungen
durchaus vernünftig und kommen zudem von den Verwandten und Freunden ihrer Kinder
und von den (Lehens-)Leuten (hommes) der Grafschaft Saarbrücken. Daher hat sie keinen
Grund für die Vermutung, daß jemand von ihren Leuten mit den genannten Forderungen
341
nicht einverstanden wäre. Sie sind vielmehr notwendig für ihre Entlastung gegenüber dem
Herzog von Bar und anderen Herren, Ritter und Edelleute, und für die Rückgewinnung ih-
res Wittums sowie des Erbes ihrer Kinder, Was den Verkauf des besagten Hauses betrifft,
hat sie in ihren vorausgegangenen Briefen diejenigen benannt, die ihr das mitgeteilt haben,
wodurch sie diese Behauptung für begründet erachtet. Er habe desweiteren geäußert, daß
er nur das hätte tun wollen, was er müßte, wenn er das Haus in seinen Händen hielte. Sie
und ihre Kinder müßten ihm jedoch keinesfalls entgelten, was er weggegeben hat. Sie bittet
ihn eindringlich, gegenüber dem Bischof von Metz und anderen dafür zu sorgen, daß ihr
die Burg Varsberg, von der er oft genug behauptet habe, sie nicht verkauft zu haben, zu-
sammen mit ihrem darin befindlichen Gut sowie dem Mobiliar zurückgegeben sowie alle
Schäden entgolten werden. Was die Sache mit Pierre de Cleremont betrifft, in der er ihr ein
Treffen am kommenden Donnerstag (23. Juli) vorgeschlagen hat, würde sie gern jemanden
schicken. Die Zeit sei aber zu kurz und außerdem habe er nicht geschrieben, ob ihre Leute
auf der Reise sicher wären. Daher soll er nicht verärgert sein, daß sie wegen der genannten
Gründe gegenwärtig niemanden entsendet. Sie bittet ihn aber, gegenüber Pierre de Cleremont
zu bewirken, daß dieser den Waffenstillstand mit ihr bis 14 Tage nach St. Remigius (15.
Oktober) aufrecht erhält und ihr einen Tag (Joumee) vor ihm, Anton, in der Grafschaft
Vaudemont oder vor seinem Bellis Gerhard (von Pfaffenhofen) in Metz benennt und ihren
Leuten für die Hin- und Rückreise und den Aufenthalt dort die Sicherheit garanüert. Dann
will sie bereitwillig jemanden schicken.
(-65-66-67-)
Abschrift mit geringfügiger Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
10/20 (Rotel).
Treschier et t(re)same fr(er)e. J’ay a jourduj receu voz l(ett)rez de responces q(ue)
resc(ri)pte m’auez contena(n)t ent(re) aut(re)s choses, q(ue) vo(us) ne voz gens (2) n’ayes
onque guargnie la maison de Warnesperg et que ancois l’aues achaptez etc. De ce est il
saulue toutefoix v(ost)re honnour, (3) q(ue) Jehan de Kerppe (et) ceulx de sa co(m)paignie
estant auec luj au gaignier la d(i)te maison, estoient pour le jour qu’il la guai(n)gnerent (4)
vous aidans et s(er)uans. (Et) de fait qu’ilz l’eurent guai(n)gniee (et) je les requeroye de la
moy rendre, moy respondrient, qu’ilz estoient (5) voz s(er)uans (et) aidans (et) qu’il auoient
guaignie la d(i)te maison pour vous (et) en v(ost)re nom. Et se j’en vouloye aucu(n)e chose
dema(n)der, (6) q(ue) je le vous esc(ri)puesse (et) ce q(ue) vous en feriez qu’il en seroie(n)t
conte(n)t. Et de ce que d(i)tes, q(ue) n’ayes pas vendue la d(i)te maison de (7) War-
nesp(er)g (et) q(ue) par veyes exquises et autrem(en)t elle a este (et) est horrs de voz mains
(et) q(ue) vous vo(us) am(er)ueillez dez requestes, q(ue) je (8) vous en ay fait (et) que ne
saues dont telles estc(ri)ptures poingna(n)t(es) moy viene(n)t etc. T(re)schier et t(re)same
fre(re), je ne scay n’une requestez (9) ou esc(ri)pturez poingna(n)t(es) q(ue) j’en aye fait
hors de raison. Ancois sont les requestes q(ue) j’en ay fait asses raison(n)ables (et)
viene(n)t dez (10) parans (et) amis de mes anffans (et) des hom(m)es de la contey de Sarre-
bruches. Et pour cen n‘en aues cause d’en auoir suspec(i)on (11) a aucu(n)s de mes gens
(et) officiers singuleirement ne d’estre malcontant des d(i)tes requestes. Car elles moy sont
de necessitey pour (12) ma descharge enu(ers) mons(eigneur) de Bar, mons(eigneur) de
342
Mets (et) aut(re)s seign(ieur)s, cheuallerie (et) gentilesse, dep(ar)desay (et) pour reauoir
mon doiraire (13) et r[h]eritaige de mes d(is) anffans. Et qu(an)t a auoir vendue la d(i)te
maison, je vous ay esc(ri)pt (et) nom(m)ey en mes aut(re)s l(ett)rez ceulx qu’ilz (14) le
m’ont dyt dit (et) pour ce m‘en debuez auoir (et) tenir po(ur) excusee. En oultre de ce
q(ue) d(i)tes q(ue) n’ehustes onq(ue)s voulentey jusq(ue)s (15) a p(rese)nt de fai(r)e de la
d(i)te maison q(ue) ce q(ue) debueriez se vous l’auez en voz mains etc. T(re)schier (et)
t(re)same fr(er)e, moy (et) mes dis enffans (16) n’auons aucu(n)em(en)t a compareir q(ue)
voz l’auez mese hors de voz mains. Maix vous prie, supplie et requier de rechieff tant (17)
admiablem(en)t (et) doucem(en)t (et) si justament co(mm)e je puix, q(ue) veulliez pou-
rueoir (et) tant f(air)e deuer mon d(it) s(eigneur) de Mets et aut(re)s, q(ue) la (18) d(i)te mai-
son de Warnesp(er)g puis q(ue) di(t)es q(ue) ne Payes pas vendue ensamble mes
p(re)ueances, meubles, trait (et) aut(re)s b(ie)ns que (19) en jcelle auoye, me soient rendus
(et) remises en mes mains (et) les dapmaiges contenus en mes p(re)cedent l(ett)rez resta-
blie (20) et restituez, co(mm)e sauez, q(ue) fai(re) le debuez (et) q(ue) tenus y estes (et) qu’il
app(ar)tient a honnour (et) a raison. Et vous en plaise a fai(r)e, (21) co(mm)e ma fiance (et)
asseurance en est a vous (et) co(mm)e vng boin (et) leal fr(er)e doit fai(r)e enu(ers) sa suer
(et) ses petis anffans menre d’aige, (22) ayens besoing de leurs parens (et) amis (et) qu’il
soient tenus du des(er)uir enu(ers) vous. Et qua(n)t au resgart du fait de (23) me s s (ire)
Pierre de Cleremont, dont m’assignez journ(ee) au jeudj p(ro)chien ven(ant) etc. Vou-
lent(ier)s y e(n)uoiesse, maix le temp est (24) trop brieff (et) aussi ne m’aues pas esc(ri)pt,
q(ue) mes gens, q(ue) y e(n)ueroye, dehussent estre seurs. Et pour ce vous prie, q(ue) (25)
ne vous veulle desplaire, q(ue) je n’y e(n)uoye pour le p(rese)nt, car bon(n)em(en)t ne la
peu ne ne puix fai(r)e pour les causes dess(us) d(i)tez. (26) (Et) se v(ost)re plaisir est de par-
ler au d(it) mess(ire) Pierre, q(ue) la chose demeuresse en treue et seurestait jusques aus
qui(n)zaines (27) de la S(ain)t Remy p(ro)chien ven(ant) (et) de moy assigner vne journ(ee)
p(ar) deuant vous en v(ost)re contey de Vaudemont ou dauant (28) Guerart v(ost)re bailly
au lieu de Mets aus d(i)tes qui(n)zaines (et) q(ue) mes gens q(ue) y e(n)uoieray soient seur
allant, seiournant (29) (et) retournant, voulent(ier)s y e(n)uoieray. Si vous en plaise a fai(r)e,
t(re)schier (et) t(re)same fr(er)e, co(m)me mon attendue en est en (30) vous, en moy
resc(ri)pnant sur ce v(ost)re boin plaisir auec se chose voulez, q(ue) je puisse (et) je
l’ascompliray d’un t(re)sboin (31) cuer, p(ri)ant n(ost)re s(eigneur), qui vous ait et tiengne
en sa s (ai n) te garde (et) vous doint bon(n)e vie (et) longue. Esc(ri)pt le xxc jour de jullet
(32) m cccc xxxiij0.
Jsabel de Lorrain(n)e etc., v(ost)re suer.
verso:
A mon t(re)schier (et) t(re)same f(re)re (et) seign(eur) Anthoin(n)e de
Lorrain(n)e, conte de Vaudemont etc.
1433 JULI 25 VÉZELISE
(J. Herold)
67
343
Anton von Vaudemont an Elisabeth. Er hat ihr Schreiben lange und sorgfältig gelesen
(Nr. 66). Es scheint ihm, daß sie der reinen Wahrheit, mit der er ihre Forderungen beant-
wortet hat, keinen Glauben schenkt. Außerdem hat sie geschrieben, daß sie stets auf den
Rat der Herren, Verwandten und Freunde ihrer Kinder und zu deren Nutzen gehandelt
hätte, daß seine Ehre berührt wäre usw. Da er zur Wahrung seiner Ehre jedoch nicht gegen
sie Vorgehen will, wie er es gegen einen Fremden würde können und müssen, soll sie von
nun an darauf verzichten, ihm zu schreiben. Da sie ihm schließlich nichts weiter zu sagen
hat, wird er als Antwort ihre Schriften zerreißen. Sie soll jedoch die Verwandten und
Freunde ihrer Kinder veranlassen, ihm zu schreiben. Ihnen will er antworten. Denn wenn
die Wahrheit in der Angelegenheit wohl bekannt ist, wird sich erweisen, daß er hinreichen-
den Grund für Forderungen hinsichüich der schweren Schäden hat, die ihm tagtäglich von
ihrer Seite widerfahren. Ihre und ihrer Kinder Gunst hat er bis zum gegenwärtigen Zeit-
punkt stets vermisst. Was die Sache mit Pierre de Clermont betrifft, muss ihr doch klar ge-
worden sein, daß dieser sich als bereitwillig erwiesen habe. Anton ist der Auffassung, sich
nun endlich genug für ihr Recht eingesetzt zu haben. Von nun an will er sich mit der Sache
nicht länger befassen.
(-66-67)
Ausfertigung mit geringfügiger Korrektur. Von den beiden Verschlußsiegeln aus rotem
bzw. grünem Wachs sind nur Reste vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr.
3112, f. 10/21 (Rotel).
Treschi(er)e et amee seur. J’ay b(ie)n veu au long, ce que esc(ri)pt m’auez. Et pour ce que
par (2) voz l(ett)res m’est vray semble que n’ajoustez plaine foy ne ne tenez pas pour chose
véritable la (3) pure vérité, que rescript vous auoye sur les requestes que m’auiez f(ai)tes. Et
aussi que (4) d(i)tes par jcelles, que ce qu‘en auez fait s’est par le (con)seil des seigneurs
pare(n)s et amis (5) de voz enffans et pour le prouffït d’îceulx, la en mon honneur aucu-
nement est charget (6) etc. Moy qu’il ne vueil cont(re) vous, qui estes ma seur, vous y re-
spondre pour mon (7) honneur garder, com(m)e a aut(re) estrange f(air)e le pourroye et
deueroye, je vous prye, que (8) doresenaua(n)t vous vueillez déporter de moy en plus
resc(ri)pre. Et affin que vous ne (9) aut(re)s ne puissez dire, que je faie ceste responce pour
rompre voz esc(ri)ptur(es) ne (10) delayer a venir a l’effect f(ai)tes moy resc(ri)pre par les
d(its) pare(n)s et amis de voz enffans (11) et je leur y responderay tant et si aua(n)t que a
honneur et raison apparte(n)dra. (12) Car quant la vérité des chos(es) s(er)ont bien
congneues on trouuera que j’ay et aueray (13) grant cause de requérir les t(re)sgrans et gros
dom(m)ages, que de jour en jour me (14) ait este et sont fais des places de vos d(is) enffans,
dont en faueur de vous et (15) d’eulx m'estoye tousiours déporté jusques ad p(rese)nt.
Quant au fait de mess(ire) (16) P(ier)re de Clermo(n)t, veu que vous et assez d’aut(re)s por-
riez dire, qu’il s(er)oit hom(m)e de (17) voule(n)te, me semble, que j’auoye assez fait pour
vous de loy auoir [—] (18) de venir a jour et a droit par deuant moy. Et pour ce plus auant
ne me vueil (19) ent(re)mett(re) desoresmais. N(ost)re s(eigneur) vous ait en sa s(ain)te gar-
de. Esc(ri)pt en ma ville de (20) Vezelise le xxve jour de juillet.
Anthoine de Lorrai(n)ne etc., v(ost)re fr(er)e.
344
verso:
x
A ma t(re)schie(re) et amee seur, la contesse
de Nassauwe (et) de Sarrebruche.
Q. Herold)
1433 August 14 68
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Am vergangenen Dienstag (11. August) war ihr
Schultheiß Hans (von Rittenhofen) bei Bischof Konrad in St. Nabor. Beide haben über
Varsberg miteinander geredet. Die Meinung des Bischofs sei, daß er wegen der vielen Schä-
den, die ihm von der Burg aus zugefügt wurden, diese käuflich in seine Hände habe bringen
müssen. Elisabeth und ihren Kindern zu Liebe habe er sie bisher behalten. Für die Rück-
übertragung an Elisabeth verlange er nicht mehr, als er für den Erwerb ausgegeben habe.
Wenn sie die Burg nicht bald auslöset wolle er sie anderweitig veräußern. Elisabeth gibt
dem Bischof aber zu bedenken, daß ihr die Burg ohne eigenes Verschulden verloren gegan-
gen ist und sie auf die Bedingungen, die man ihr bislang für den Rückerwerb genannt hat,
nicht eingehen kann. Daher bittet sie ihn darum, sie wieder in ihre Rechte an der Burg
Varsberg einzusetzen und ihr einen Termin für ein Treffen in St. Nabor so rechtzeitig zu
nennen, daß auch ihre Gemeiner zu diesem Termin kommen können.
(-61-68-72-)
Ausfertigung. Der bereits verschlossene und versiegelte Brief ist wieder geöffnet worden.
Er weist einige Korrekturen am Rande und über der Zeile auf und hat wahrscheinlich als
Vorlage für eine erneute Ausferdgung gedient. Das Verschlußsiegel aus grünem Wachs ist
zur Hälfte abgefallen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.Il, Nr. 3112, f. 32.
Erwirdiger Heber here, als uwer Hebe nach Hanse, myme scholthessen, geschickt hatte vnd
er uff disen v(er)gangen dinstag zu (2) Sante Nabore bij uch gewest ist, hait er mir gesagt,
dz ir von Warßbergs wegen mit yme geredt habent vnd dz vnder and(er)n (3) wortten u-
wer meynonge gewest sij, uch vnd den uw(er)n sij viel Schadens vnd vnwillen vß Warß-
berg vnd wider dar jn gescheen (4) vnd habent is cöstHch zu uw(er)n hande(n) müssen
brengen vnd habent is auch mir vnd myne(n) kinden zu wille(n) bis her also gehalten. (5)
Vnd hettent wol gemeynte(n), jch solde anders darzu getan ban vnd dz sloß vß uw(er)n
handen wider zu den vns(er)n bracht han, darumb ir (6) doch nit me begerten, dan(n) dz ir
vßgeben habent vnd soHent, vnd wolle ich noch vberkom(m)en, so wollet ir uch begrif-
fe^), so ir (7) glimpHchste mogent. Sij mir dz aber nit kurtz zu willen, so sij uch nit glegen,
dz sloß lange als zu halden, sonder mussent ande(re) (8) wege damyde vorhandt neme(n)
etc. Erwirdig(er) Heber here, getruwen ich, ir habent wol erfaren vnd wissent eigentlich,
wie (9) vnschuldencHch ich vnd myne kinde vns(er)s deiles dez slosses entbern, vnd hoffe-
te, ir soldent daz vnd wie dz sloß jn uwer hande (10) kom(m)en ist vnd was eren vnd nut-
zes ir damyde beiaget hant ander gelegenheit vnd wie ich vnd myne kinde uch vnd
uw(er)me (11) stiffte gewant sint gunstlich bedacht vnd vns gutHch vnd glimpHch wider zu
vns(er)me slosse kom(m)en lasse(n) han, daz doch bißher (12) also swerHch vorge-
345
nom(m)en ist, dz ich nit an rade han fonden, dz mir die wege, die mir davon fliegelicht
sint worden, an zu (13) gan oder vßzurichten weren oder freij, als ich uch daz vor eigent-
lich geschr(iben) han. Her vmb beg(er)n vnd bijden ich uwer liebe (14) aber mit flissigem
ernste dinstlich vnd fruntlich, solichs, als vorges(chriben) stet, vnd ander gelegenheit noch
günstüch zu bedencken (15) vnd mich, myne kinde vnd vns(er) gemeyner noch huds dages
gütlich vnd fruntlich mit glimpigen wegen, die vns an(n)emelich (16) vnd vßrichtlich sin
mögen, wider zu vns(er)me slosse zu kom(m)e(n) lassen, vnd vns daz nit zu entwisen wan
wirs xur nit hoffen, v(er)dient oder (17) v(er)schuldt han, (adz wir sin entwiset w(er)den sol-
dena^. Vnd ist uch dz zu willen, so wil ich mich g(er)ne geen Sant Nabore bij uch fuegen,
alda vff soliche wege daruß (18) zu reden lassen, also dz ir mir schriben duhent, vff weli-
che(n) dag ir da sin wollent vnd ich dar kom(m)en sal vnd dz also zijtlich (19) zu vor, dz
ich myne(n) vnd myn(er) kinde gemeynern auch jntzijt geschr(iben) möge, dabij zu sin, als
ir wol v(er) stent, dz billich ist. Erwirdig(er) (20) lieber here, uwer liebe wolle sich jn disen
Sachen also gnedenclich günstüch vnd gütlich geen mich, myne kinde vnd vnser (21) ge-
meyner bewisen, als wir uch gentzlich gleuben vnd getruwen vnd vns auch zu uch
v(er)sehen, dz ir nast aller gelegenheit (22) jn billicheit g(er)ne dun sollet. Wo wir dz
vmmer geen uwer liebe, uw(er)me stiffte vnd den uw(er)n v(er)dienen mögen, da sollet
(23) ir vns willig vnd bereidt zu finden, vnd beg(er)n dez uwer gnedige v(er)schr(iben) ant-
wert. Uwer liebe duhe mir allezyt gebieden. (24) Geben vnder myme jngesigel vff Vns(er)
Lieben Frauwe(n) abent Assu(m)ptio anno d(o)m(ini) m cccc xxxiij0.
Elizabeth vo[n Lothringen], g(ra)ffynne widewe
zu Nassaufwe vnd zu] Sarbrucken.
verso:
Dem erwirdigen jn Gotte vatt(er), h(er)n
Conradt, bischoffe zu Metze, myme lieben heren.
(Ch. Maillet)
(a - a) am linken Rand ergänzt.
1433 September 6 69
Elisabeth an Johann zu Rodemachern und die anderen Gemeiner der Burg Vars-
berg. Sie erinnert daran, ihn gebeten zu haben, der Burg Varsberg und eines diesbezügli-
chen Burgfriedens wegen zusammenzukommen, aber auch um zu beraten, wie der (endgül-
tige) Verlust der Burg verhindert werden kann (Nr. 55). Dazu ist er nicht erschienen, so
daß in der Zwischenzeit zu ihrem großen Schaden die Burg in wieder andere Hände gelangt
ist. Am Tag zuvor (Samstag, 5. September) hatte sie auf den Rat ihrer Freunde hin in St.
Nabor mit dem Bischof von Metz in dieser Sache verhandelt. Nun hält sie es für dringend
notwendig, darüber zusammenzukommen und zu beraten. Darum lädt sie vom gegenwärti-
gen Sonntag an zu Sonntag in vierzehn Tagen (20. September) Johann zu Rodemachern
und die anderen Gemeiner zu einem Treffen nach Saarbrücken ein. Sie ermahnt ihn drin-
gend zu kommen und, falls er Unterlagen zum Burgfrieden besitze, diese mitzubringen. Für
den Fall, daß er nicht erscheinen sollte, läßt sie ihn wissen, unabhängig vom Ausgang der
346
Sache an ihren Rechten an der Burg festhalten zu wollen, sich aber hinsichtlich des Burg-
friedens nicht mehr verpflichtet zu fühlen.
(-56-69-70-)
Konzept von Brief Nr. 70, mit interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-
Sbr.II, Nr. 3112, f. 34, vgl. Abb. 29.
Mine(n) fruntliche(n) grus beuor. Lieber neue, als ich uch vor etwie dicke von (2) vns(er)s
gemeyne(n) sloßes Warsberges wegen geschr(iben), uch gebed(en) vnd burgfr(ieden) (3)
vnd and(er) gelegenheit ermanet han, dar bij zu kome(n), vmb zu rade zu (4) w(er)den, wie
man(n) dartzu dun vnd die sachen vor v(er)handen neme(n) mochte, (5) daz wir vns(er)s
sloßes nit v(er)lustig wurden, dartzu ir doch nye komen (6) sint, vnd v(er)tzuges halb ist
daz sloß von handen zu handen gestalt (7) worden, vnd han ich, myne kinde vnd vns(er)
lande der geschichte (8) halb große(n) sweren schaden geliede(n) vnd vnser deyle des slo-
ßes (9) bisher enborn 'nc daz vns doch alles zu vnschulde(n). geschiet ist (10) Vnd wa(n)n
ich nu ye g(er)ne daran sin, dartzu dun vnd helffen (11) wolde, daz jr, ich, myne kinde vnd
and (er) vns(er) gemeyn(er) wieder (12) zu vns(er)me sloße qwemen, bin ich vff gest(er)n
aber zu Sant (13) Nabor(en) bij myme h(er)n von Metze gewest vnd han nast myn(en)
fru(n)de (14) rade dar vmb a ef mit yme geredt vnd gededingt, so ich beste (15) konde. Vnd
nast dem ich von yme gescheide(n) bln, jst faste not, (16) daz man(n) bij eynander kom(m)e,
vnd vns dauon zu vnd(er)reden (17) vnd zu rade zu w(er)den werden. Vnd h(er)umbe han
ich den and(er)n (18) gemeynern geschr(iben) vnd sij ermanet, von hude sondage zu (19)
vierzehen dag(en), daz ist nemelich vff sondag vor Sant Matheus (20) dage des heilig(en)
ewang(elisten), des morgens zu Sarbr(ucken) zu sijn. Vnd (21) bied(en) uch fruntüch vnd
ermane(n) uch auch, so hohe ich uch (22) burgfriedens gemeyneschafft vnd and(er) halb zu
ermanen han, (23) daz jr vff den vorg(enanten) sondag vor Sant Matheus dage des (24)
morgens auch zu Sarbr(ucken) sin. Vnd hette(n) ir eyniche burgfr(ieden) (25) Warsb(er)g
ant(re)ffende, daz jr die auch mit uch brenge(n) wollet, (26) vff daz man desta baß vß den
sache(n) gereden vnd zu rade (27) gewerden möge. Vnd dedent jr des nit, werde ich dan(n)
daz (28) eg(enante) sloß Warsb(er)g wieder zu mynen vnd myn(er) kinde hande (29) bren-
gen, oder wurde is sich jn eyniche and(er) wege v(er)handeln, (30) dar vmb wolde ich uch
vor all ersucht vnd erfolget baft (31) vnd uch von burgfr(ieden) wegen dauon nit zu
antw(er)ten han, (32) doch mir vnd mynen kinden an iglichem vns (er) recht behalden, (33)
h(er)nach wisset uch zu richten. Gegebe(n) vff sondag vor Vns(er) (34) Liebe(n) Frauwen
dag Natiuitas anno d(o)m(ini) m cccc xxxiij0.
Elisabeth etc.
verso:
Abesch(rift).
Dem edeln Joh(ann), h(er)ren zu Rodemach(er), zu Cron(en)b(ur)g
vnd zur Nuwenburg, myme liebe(n) neuen.
Jt(em) den and(er)n gemeynern vff die selbe maße aen vß
347
gestalt, daz sij mit äu dar bij kome(n) sin.
(Ch. Maillet)
70
1433 September 8
Elisabeth an Johann zu Rodemachern. Sie erinnert daran, ihn gebeten zu haben, wegen
der Burg Varsberg und des dortigen Burgfriedens zusammenzukommen und zu beraten,
wie der (endgültige) Verlust der Burg verhindert werden kann (Nr. 55). Dazu ist er nicht er-
schienen, so daß in der Zwischenzeit zu ihrem großen Schaden die Burg in wieder andere
Hände gelangt ist. Am vergangenen Sonntag (6. September) hatte sie auf den Rat ihrer
Freunde hin in St. Nabor mit dem Bischof von Metz in dieser Sache verhandelt. Nun hält
sie es für dringend notwendig, darüber zusammenzukommen und zu beraten. Darum lädt
sie zu Mittwoch in vierzehn Tagen (23. September) Johann zu Rodemachern und die ande-
ren Gemeiner zu einem Treffen nach Saarbrücken ein. Sie ermahnt ihn dringend zu kom-
men und, falls er Unterlagen zum Burgfrieden besitze, diese mitzubringen. Für den Fall,
daß er nicht erscheinen sollte, läßt sie ihn wissen, unabhängig vom Ausgang der Sache an
ihren Rechten an der Burg festhalten zu wollen, sich aber hinsichtlich des Burgfriedens
nicht mehr verpflichtet zu fühlen.
(-69-70-71)
Ausfertigung vom Briefkonzept Nr. 69. Der bereits verschlossene und versiegelte Brief ist
wieder geöffnet und hinsichtlich der Termine überarbeitet worden. Die Antwort (Nr. 71)
zeigt, daß er in dieser Form als Vorlage für eine erneute Ausfertigung gedient hat. Vom
Verschlußsiegel sind nur braune Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
Nr. 3112, f. 17.
Mine(n) fruntlichen grus beuor. Lieber neue, als ich uch vor ettwie dicke von vnsers (2)
gemeynen slosses Warsbergs wegen geschr(iben), uch gebeden vnd bourgfriede(n) vnd
ander (3) gelegenheit ermanet han, dar bij zu kom(m)e(n), vmb zu rade zu werden, wie
man dar (4) zu dun vnd die sache(n) vorneme(n) mochte, dz wir vns(er)s slosses nit
v(er)lustig wurden, dar (5) zu ir doch nye kom(m)e(n) sint, vnd vertzugs halb ist dz sloß
von handen zu hande(n) gestalt (6) worden, vnd han ich, myne kinde vnd vns(er) lande der
geschichte halb grossen sweren (7) schaden gelieden vnd vns(er) deile des slosses bißher
entborn vnd dz alles zu vnschulden. (8) Vnd wan(n) ich nu ye g(er)ne daran sin, darzu dun
vnd helffen wolde, dz ir, ich, myne kinde (9) vnd vns(er) gemeiner wider zu vns(er)me
slosse qwomen, bin ich vff gest(er)n dlsen Acr)sansdn) sondag aber 2U sant ^q) Nabore bij my-
me h(er)n von Metze gewest vnd han nast myn(er) frunde rade dar vmb aber (11) mit yme
geredt vnd gededingt, so ich beste konde. Vnd nast dem ich von yme gescheide(n) (12) bin,
jst vaste noit, dz man bij eynander kom(m)e, vns da von zu vnderrede(n) vnd zu rade (13)
zu werden. Vnd her vmb han ich den and(er)n gemeinem geschr(iben) vnd sij ermanet,
von (14) hudc sondage morne mittwochen 2u viertzehen dagen, dz ist nemelich vff sondag vor
mittwoche na gant jyj^heus (15) däge dez heiligen ewangliste(n), dez morgens zu Sarbrucken
zu sin. Vnd bijden uch (16) fruntlich vnd ermane(n) uch auch, so hohe ich uch burgfrie-
dens gemeynschafft vnd (17) anders halb zu ermane(n) han, dz ir vff den vorg(enante)n
348
sondag vor mitnvochc na Sant Mathen dage (18) dez morgens auch zu Sarbrucken sin. Vnd
hettent ir eyniche burgfriede(n) Warßberg (19) antreffende, dz ir die mit uch brenge(n)
wollet, vff dz man desta baß vß den Sachen (20) gereden vnd zu rade gewerden möge. Vnd
dedent ir dez nit, wurde ich dan(n) dz (21) eg(e)n(ante) sloß Warßberg zu myne(n) vnd
myn(er) kinde handen brengen, oder wurde is sich (22) jn eynige ander wege verhandeln,
darumb wolde ich uch vor alle ersucht vnd (23) erfolget vnd uch von burgfrieden wegen
«eh da von nit zu antw(er)ten han, doch (24) mir vnd myne(n) kinden an yeclichem vns(er)
recht behalden. Her nach wissent uch zu (25) richten. Gegeben vff sondag vor Vns(er)
Lieben Frauwe(n) dag Natiuitas anno d(o)m(ini) (26) m cccc xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Dem edeln Johan(n)e, h(er)n zu Rodemach(er)n, zu Crone(n)b(er)g
vnd zur Nuwerburg, myme lieben neuen.
(Ch. Maillet)
1433 September 16 71
Johann zu Rodemachern an Elisabeth. Er hat an diesem Tage ihren Brief erhalten (Nr.
70), worin sie ihm geschrieben hat, auf den Rat ihrer Freunde hin den Bischof von Metz in
St. Nabor getroffen und mit ihm über Varsberg gesprochen zu haben. Nach dieser Zu-
sammenkunft habe sie es für notwendig erachtet, ein Treffen der Gemeiner herbeizuführen
und diese für den Morgen des Mittwoch nach St. Matthäus (23. September) nach Saarbrü-
cken geladen. So habe sie auch ihn an seine Verpflichtung gegenüber der Burgfriedensge-
meinschaft gemahnt und ihn aufgefordert, ebenfalls zu erscheinen. Wegen einer Krankheit
liege er aber leider in Montmedy fest und könne nicht reiten. Daher bittet er sie, ihn für
diesmal zu entschuldigen und es nicht als Undankbarkeit aufzufassen, daß er nicht kommen
kann. Wenn sich wieder eine Gelegenheit ergibt, will er ihr gern zu Diensten sein.
(-70-71-77-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 33.
Edel vnd wailgeboren lieue frauwe, ich enbieden uwer liebden myne(n) willige(n) dinst
vnd waz (2) ich gütz v(er)mach beuor. Vnd ham eyne(n) brieff geshien vnd jntphange(n)
zu Mo(m)madj vff datu(m) dijs (3) dese selb(en)n, dar jnne(n) ir mir schribent antreffent
dat slosse Warßperch, wie daz uwer liebde aber zu sent (4) Nabore bij myme her(re)n van
Metze gewest sij vnd habent naist uwer frunde rait daromb aber mit (5) eme gereit vnd ge-
dadinget, so ir beste konde. Vnd naist dem ir von eme gescheiden sijt, so sin vast (6) noit,
daz man bij eynander kome, vns da van zu vnderreden vnd zu raede zu weisen. Vnd he-
romb (7) habent ir den ande(r)n gemeynere(n) geschr(iben) vnd sij ermaint, vff mitwou-
che(n) nest na sent Mathe(us) dage (8) ap(osto)li et ewangeliste dez morgens zu Sarbrucken
349
zu sin vnd bieden vnd erman(en)t mich ouch, (9) so hoe ir mich burchfijdens [sic] gemeyn-
schafft vnd anders halbe zu ermane(n) haint, dat ich vff den (10) vors(chriben) mitwouche
ouch dez morgens zu Sarbrucken sij, wie uwer liebden brieff ir mir geschickt haint (11) daz
vorter begryffen jnnehaldende ist etc. Dar vff gebene uwer liebden zu wisse(n), daz ich
me dan (12) jn vier wouche(n) nye gerijden konde vnd dat vms solicher groser kranckeit
wille ich zu Mo(m)madj (13) gehabt vnd gelenge(n) ham vnd jn bin nochndestagz nyt wail
leidich noch gesunt, dat ich rijde(n) möge, (14) als dat wail wissseliche(n) ist vnd ir wail ver-
neme(n) sult. Heromb so bidden ich uw(er) liebde dienstliche(n) (15) vnd fruntlige(n), mich
zu desem maile vm vntschuldicht zu halden vnd nyt zu vndancke (16) van mir zu neme(n),
dat ich zu deser zijt nyt jn kome(n), want ich sicher nyt wail leidich jn bin, (17) jn foegen
bring(en) steit vnd gebürt ydt sich vp eyn ander maile, wa(n)ne ich rijden mach, jn solicher
(18) oder jn ander foegen zu uwer liebden zu come(n), da willen ich willich zu sin. Wat ich
dan dar (19) jnne oder jn anders gutz gedoin oder geraden kann, dat wille ich gerne doin,
as verre mich dat an (20) lange(n) mach. Dat wijsse der almeichtziche got, der uwer liebede
alzijt jn gesundicheit vnd (21) mit freuiden beware(n) wille vnd gebeit zu mir. Geben zu
Mo(m)madj vnder myme sigel vff (22) mitwouche(n) nest na dez Hilüge(n) Crutz dage E-
xaltatio anno etc. xxxiij.
Joham, h(er)re zu
Rodemacher(n) etc.
verso:
aJohan, Herr zu Rodemachern schreibt weg(en)
deß Schlosses Warsperg.^
Der edeler vnd wolgeborner frauwe(n), frauwe
Elizabetht van Lothringen, graueynne widewe
zu Naussauwe vnd zu Sarbrucke(n) etc., myner
lieber frauwen.
(J. Herold/M. Küper)
(a - a) von jüngerer Hand.
1433 November 20 Vic-sur-Seille 72
Bischof Konrad von Metz an Elisabeth. Auf ihren vorletzten Brief hat er geantwortet,
die Burg Varsberg wieder in ihre Hände geben zu wollen, aber eine schriftliche Garantie
dafür verlangt, daß von der Burg gegen ihn und sein Stift keinerlei Schaden mehr ausgehen
werde. Darauf habe sie in ihrem letzten Brief geantwortet, das ihren Gemeinem gegenüber
nicht durchsetzen zu können, zumal es nicht notwendig sei, da Elisabeth und einige andere
der Gemeiner dem Bischof lehnspflichtig seien. (Beide Briefe sind nicht überliefert.) Er
möchte aber ausschließen, daß von der Burg aus wieder solche schweren Schäden gegen
350
ihn angerichtet werden wie in der Vergangenheit und besteht auf der von ihm geforderten
Versicherung.
(-68-72-73-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II,Nr. 3112, f. 29.
Vnsern fruntlichen grus zuuor. Wolgeborne frundynne, als wir uch (2) vff uw(er)n lesten
brieff geantwurtet haben, wir wollten das sloß Warsperg (3) uch vnd uwe(er)n kinden zu
Hebe vnd zii fruntschaft wider zü uw(er)n hand(en) (4) stellen, jnmassen das darin uwere
brieff jnnehelt, also das wir mit (5) briefen von uch vnd uw(er)n gemeynern v(er)sorget
wurdent, das vns(er)m (6) stifte noch vns(er)m leben khein schade vß dem vorgen(anten)
sloße noch wid(er) (7) daryn geschee, als das dann vns(er) brieff jnnehelt, daruff jr vns (8)
yetzont wider geschriben habent, das jr uch nit v(er)sehent, das jr das (9) dyrch uw(er)e
gemeynere bringen mögent. Vnd v(er)steit auch nit, das es (10) not sie, nachdem das jr vnd
etliche der gemeyne(er) vns bewant sigent. (11) Da mögen jr wol wissen, was grossen ver-
derphchen vncristlichens (12) Schadens vns, vns(er)m stifte vnd and(er)n vsser dem vor-
gen(anten) sloße vnd (13) wider daryn geschieht ist, das wir doch lichtedich genüß in disen
(14) Sachen gegen uch, als vns bedunckt, vergessen vnd vbergeben wollen. (15) Sollten wir
nu darzu wartende sin, das vns(er)m stifte in zü kunftige(n) (16) ziden semlichs aber ge-
scheen vnd wir yetzunt vns(er)n Stift daruune (17) nit v(er)sorgen solden, sonder(n) das
sloß one soliche furwert übergeben, (18) besorgen wir, das vns semlichs zuu(er)wissen kö-
rnen möchte vnd findent (19) nit an rade, das vns semlichs gefüglich sie zu tünde vnd zwi-
felent (20) nit, wann jr vnd uw(er)e gemeyne(r) uch baß bedenkent, jr befundent, (21) das
wir für noch nach nit vntzimlichs beg(er)t hant. Got sij mit (22) uch. Geben zu Wiche des
xxrcn tages nouembr(is) anno etc. xxxiij.
Conrad, bischoff
zu Metze
verso:
^Bischoff zu Metz [—]
des schloss Warsberg. ^
Der wolgebornen, vnsere Heben frundynnen, frouwe(n)
EHsabeth von Luthr(ingen), grafynne wittwe [zu]
Nassauwe vnd zu Sarbrucken etc.
^bda [—] zo g(e)b(e)ns
A(nno) 33.
(J. Herold)
351
(a - a), (a - b) von jüngerer Hand.
ohne Datum
73
Bischof Konrad von Metz an Elisabeth. Fragment.
(-72-73-74-)
Ausfertigung (Fragment). Von dem Text, der wohl fünf Zeilen lang war, ist nur der äußers-
te rechte Rand, vom Verschlußsiegel nur ein roter Wachsrest erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 16/1 (Rotel).
...nde
Conraid, bischoff
zu Metzen.
...uß wir habent hude
...tz dinstag nest kompt
...f laißent wir uch wiße(n)
schicke(n) in d(en) maiße(n)
...stag vor Sant Niclas
verso:
Der edeln vnd wolgeborne(n), vnßer
guten frundvnne(n), frouwe(n) Elizabeth
von Lothringen), g(ra)ffynne(n) wittwe
zu Nassouwe vnd zu Sarbruck(en).
(M. Küper)
1433 Dezember 6 74
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Er hat ihr geschrieben, daß sie ihre Leute am
kommenden Dienstag zu ihm nach Metz schicken solle (Nr. 73). Sie hat aber etliche ihrer
Leute nach Vic-sur-Seille gebeten und kann ihnen nun nicht rechtzeitig schreiben, nach
Metz zu kommen. Die Gemeiner von Varsberg hatte sie versucht, zum heutigen Tag zu ei-
ner Besprechung nach Saarbrücken zusammenzurufen. Einige hat ihre Nachricht in der Ei-
fel, andere in Luxemburg und wieder andere gar nicht erreicht. Denen, die sie informieren
konnte, war aber die Zeit zu kurz, so daß sie nicht haben kommen können. Doch haben sie
Elisabeth wissen lassen, bei rechtzeitiger Benachrichtigung erscheinen zu wollen. Außer-
dem hat sie ihren und ihrer Kinder Herren, Verwandten, Freunden, Mannen und Räten die
Ansichten Bischof Konrads vorgetragen und sie um Rat gebeten. Deren Meinung sei, daß
sie sich bei nächster Gelegenheit zum Bischof begeben solle. Sie und ein Teil ihrer Gemei-
ner sind dem Stift (von Metz) verbunden. Die Burg, die sie verloren haben, hat der Bischof
nach Beilegung des Krieges erhalten. Daher sei es nur billig, daß er ihnen wieder zu ihrer
Burg verhälfe. Sie möchte ihm gern gefällig sein, hält es aber für ungebührlich, von ihr zu
verlangen, die Gemeiner zu einem Burgfrieden mit dem Bischof zu nötigen. Daß sie selbst
die Burgfriedensgemeinschaft verläßt, hält sie für unschicklich. Sie äußert ihr Vertrauen,
daß er ihnen zu ihrem Recht verhilft, und bittet ihn, eine Frist zu gewähren, in welcher sie
352
die Gemeiner zu einer Beratung zusammenrufen kann. Würden sie fernbleiben, müßte sie
entsprechend handeln. Sie bittet um freundliches Entgegenkommen und um seine schriftli-
che Antwort.
(-73-74-75-)
Abschrift mit geringfügigen interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
Nr. 3112, f. 16/2 (Rotel).
Wirdickeit vnd ere uwer liebe vorgeschrieben. Lieber here, als ir mir geschrieben) hant,
myne frunde vff disen dinstag (2) geen Metze zu vch zuschicken etc., lassen ich uch wis-
sen, dz ich ettliche myne frunde geen Wich gebeden vnd bescheiden (3) hatte, den ich nit
jntzijt geschrieben) kan, zu Metze zu sin. Jch hatte auch myn vnd myn(er) kinde gemey-
nern zu Warsberg ernstlich (4) geschrieben) vnd sij hefftenclich ermanet, dz sij hude zu
Sarbrucken bij mir sin solden, vns miteynander zu vnderreden vnd (5) sementlich vns(ere)
frunde zu uch zuschicken, vff dz man entlieh von Warßbergs wegen reden mochte. Vnd
der hant (6) myne boden einsdeils zu Luccemburg fonden jn der Eyffel vnd einsdeils zu
Luccemburg fonden vnd auch einsdeils (7) nit mögen belangen, vnd ist denselben, die man
fonden halt, die zijt also kurtz gewest, dz sie nit hant zu dem dage hant (8) mögen
kom(m)en. Vnd ist yre meynong, dz ich yn eine(n) dag bescheide vnd sij den also zijtlich
zu vor wisse(n) lasse, dz sij steh (9) darzu gerichte(n) mögen, so wolle(n) sij sich dar bij
fuegen. So han ich auch zu ettlichen myn vnd myn(er) kinde h(er)n, magen, (10) frunden,
man(n)en vnd retden geschickt vnd yn gelegenheidt der Sachen vnd uwer meynonge vnd
vorneme(n) dun vor (11) legen vnd sij rads daruff dun bijden. Der meynonge ist, ich habe
mich ferrer, dan ich nast gelegenheit solle, geen uch (12) erboden. Vnd wan(n) ir beden-
cken wollet, wie ich vnd myne kind vnd einsdeils vnser gemeyn(er) uch vnd uw(er)me
stiffte (13) bewant vnd auch wie wir vß vns(er)me slosse vnd ir, nach dem dz der crieg ge-
rächt ist gewest, darin kom(m)e(n) sint, so (14) v(er)stent ir wol, dz ir vns billich zu
vns(er)me slosse kom(m)e(n) lassen vnd vns dz nit entwisen sollent. Vnd hetten wir sin
(15) mit and(er)n zu schaffen, ir soldent vns beraden vnd beholffen sin, dz wir wider zu
vns (er) me erbe qwemen. Lieber here, nü aber (16) ir vnd ich da von zu fruntlicher dedinge
kom(m)en sin vnd ich uch jn billichen v(er)moglichen Sachen g(er)ne zu wille(n) were, (17)
wolde ich ueh jn möglichen uch zu willen ein mitliden han. Jr wissent vnd v(er)stent aber
wol, dz mir nit gefuglich (18) noch gebürlich ist, mich zu vnderneme(n), die gemeyner zu
eyme burgfrieden mit uch zu sweren zu v(er)mogen, js w(er)e (19) dan(n) mit yre(m) wil-
len. Vnd dwile sij sich auch erbiedent, dz ich yn eine(n) dag bescheid vnd sij den zijtlich
wisse(n) laesse, (20) dz sij sich dan(n) darbij fuegen wollen, als vorgerurt ist, so finden ich
nit an rade, dz ich vnd myne kinde vns (21) dar vber mit glimphe vß vns(er)me burgfrieden
von yn gecziehen mögen. Vnd wan(n) ich nu ein gantz getruwe(n) zu uch (22) han, dz uch
nit lieb w(er)e, dz ich jeht dede, dz mir vnerlich vnd vngebürlich w(er)e vnd dz ir ye mich,
myne kinde vnd vns(er) (23) gemeyner vns(er)s slosses nit entwisen, sonder alle vor-
ges(chrieben) vnd ander gelegenheide gütlich bedencken vnd vns gnedenclich (24) wider
darzu kom(m)en laessen sollet, bijden ich uch gütlich vnd fruntlich, von myne(n), myner
kinde vnd vnser gemeyner (25) wegen die sache(n) jn de(m) besten zu verhalden vnd mir
353
eine zijt daran zu gonne(n), dz ich den gemeynern eine(n) dag daran (26) bescheiden vnd
sij den zijtlich beuor wissen lassen möge, vff dz ich yn sollen duhe, vnd dz wir bij eynan-
der kom(m)e, vns (27) von den Sachen besprechen vnd zu uch geschicken mögen, entlieh
da von zu reden. Vnd w(er)e dan(n) breste an yn, so muste (28) ichs darnach vornemen.
Lieber here, wan ir nu ye meynent, dz ir die Sachen vmb myn vnd myme kinde willen (29)
fruntlich vorhabent, so bijden ich uch, mir dis nit zu v(er)sagen, sonder herzuzudun, als
ich uch getruwen, vnd mich (30) alles guden gentzlich zu uch versehen moge(n), ich vnd
myne kinde dz vmb uch v(er)dienen, da wollen wir willig zu (31) sin vnd beg(er)n her vff
uwer gnedige v(er)schrieben antwert. Uwer liebe duhe mir gebieden, Gegebe(n) vff Sant
Niclaus dag (32) dez heiligen bischoffes anno d(o)m(ini) m cccc xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Abeschr(ift).
Myme h(er)n von Metze.
(R.-K. Becker)
1433 Dezember 9 75
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Sie bezieht sich auf ihren Brief vom vergange-
nen Niklaustag (Nr. 74), in dem sie um Aufschub der Verhandlungen über Varsberg gebe-
ten hatte. Auf diesen Brief hat sie keine Antwort erhalten. Deswegen bittet sie den Bischof,
ihr noch heute eine Antwort mit dem erwünschten Aufschub zukommen zu lassen, und
versichert eindringlich, daß sie die Verhandlungen nicht verzögern will. Sollte Konrad mit
diesem Aufschub nicht einverstanden sein, so hofft sie, daß er weder die Burg abreißen laßt
noch sie aus ihr ausweist, sondern ihr einen Schiedstermin vor seinen Edelmannen an sei-
nem Hof anberaumt. Elisabeth hofft, daß Konrad sich an den Schiedsspruch seiner Edel-
mannen hält, da man anders nicht zu einer güdichen Einigung kommen kann. Sie hofft au-
ßerdem, daß ihre Gemeiner ebenso wie sie dem Schiedsspruch folgen. Sollte ihre Burg
trotzdem inzwischen abgerissen oder sie aus ihr ausgewiesen werden, so würde ihr damit
Unrecht geschehen. Sie bittet Konrad, ihrem Anliegen zu entsprechen, und versichert, daß
sie selbst bereit ist, alles zu tun, um sich seiner Hilfe würdig zu erweisen.
(.74.75.76.)
Abschrift mit Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 16/3 (Rotel).
Wirdikeit vnd ehre uwer hebe vorgeschrieben. Lieber here, als ich uch ytze neste jn eyme
briefe vff mandag Sant Xlclas dag neste v(er)gangen (2) gegeben von Warsbergs wegen vnd
wie is mit den gemeynern glegen ist vnd sij sich nu erbiedent, dar bij zu kom(m)en,
geschriebe(n) (3) vnd uch gebeden han, mir eyn(e) zit zu gönnen, das ich yn eine(n) dag
bescheide(n) vnd sij den jn zit wissen lasse(n) möge, bij eyn (4) ander zu kom(m)en, vns zu
besprechen, vnd seme(n)tlich bij uch zu schicken, entlieh vß den Sachen zu reden vnd die
zit die sache(n) (5) in gudem zu verhalden vnd mir dauon uw(er)n willen wider zu schri-
354
ben, als das vnd anders in myme vorg(eschriben) briefe eigendich (6) begriffen ist, dar vff
ist mir keyne antwert worde(n). Vnd herumb so bieden ich uch aber gütlich, mir der zit
noch hudes (7) dages zu gönne(n), den gemeynern eine(n) dag zu bescheiden vnd die Sa-
che^) in dem besten zu verhalde(n), jn masse ich uch (8) jn myme vorgerurten briefe ei-
gentlich geschribe(n) han. So sal an mir nit briste sin, als auch bisher nit gewest ist, (9) ern-
ste vnd flijß zu haben, das die Sachen zu ende kom(m)en; vnd moget mir auch sonder
zwiuel wol gleube(n), das ich (10) der g(er)ne zu ende were vnd das ich is nit vff vertzug
oder lengonge oder andes dan vffrichtig vnd gleublich (11) meynen. Jch muß aber ye die
gemeyn(er) erfolgen vnd erford(er)n, als sich das zu gelich gebürt. Vnd herumb getruwe
ich uch (12) wol, mir des, als vorgeschriben ist, zu dieser zit nit zu versagen. Jst is uch aber
ye nit also zu willen, des ich doch vm(m)ers (13) nit hoffen, sonder meynen, das ir is
g(er)ne dun sollet, so beg(er)n vnd ford(er)n ich mit fruntlichem ernste an uch, das ir vns
(14) vns(er) sloß nit abebrechen vnd vns das auch nit entferren noch des entwisen, sonder
mir von myn vnd myn(er) kinde wege(n) (15) eine(n) dag vor uwer edelman(n)e, vnser ge-
nossen, jn uw(er)n hoff an eine glege(n) stat bescheide(n) vnd vns gescheen lassen (16) vnd
dun wollet, was uwer vorg(eschriben) man(n)e nast vns(er) ansprache(n) vnd uwer antwert
zu rechte erkennent, obe wir (17) anders nit gütlich durch sij uberdragen werde(n) mögen,
vnd hoffen, das vns(er) gemeyn(er), die uwer man(n)e sint, des auch (18) also folge(n) vnd
jn gan sollen. Vnd wurde vns vns(er) sloß her über abegebrochen oder das is vns entferret
oder wir (19) sin entwiset wurden, des wir vns ye nit zu uch versehen, so were wol zu
verstan, das vns vngutlich geschee. (20) Lieber h(er)re, da wollet uch bedencke(n) vnd her-
zu dun, als is sich geheischt, vnd ich «eh mic des vns alles guden zu uch (21) versehen mö-
gen, ich vnd myne kinde das vm(m)er verdienen, das wollen wir siecher g(er)ne dun. Uwer
gnedige v(er)schr(ibene) (22) antwert uwer liebe gebiede mir. Geben vff mitwoche(n) nach
Vns(er) Lieben Frauwen dage Concept(i)o(nis) anno d(o)m(ini) (23) m cccc xxxiij.
Elisabeth von Lothringe(n), g(ra)ffynne witwa
zu Nassauwe vnde zu Sarbrucken.
verso:
Dem erwirdigen jn gotte vatter, h(er)n Conradt,
der byschoff zu Metze, myme lieben h(er)n.
(T. Sadowski)
1433 Dezember 10 Metz 76
Bischof Konrad von Metz an Elisabeth. Er bestätigt den Erhalt ihres Briefes vom Vor-
tag (Nr. 75) und erinnert daran, daß sie ihm seit Ostern mehrere Briefe wegen Varsberg ge-
schrieben hat und daß er bisher sehr entgegenkommend reagierte, um die Angelegenheit zu
einem guten Ende zu bringen. Er war davon ausgegangen, daß am vergangenen Dienstag
(8. Dezember) die Verhandlungen abgeschlossen werden sollten, wie ihr diener Hermann
ihm durch ihre Botschaft mitgeteilt hatte. Da diese Verhandlung nicht stattgefunden hat
und Elisabeth nun um einen Schiedstag vor seinen Edelmannen bittet, bekommt Konrad
den Eindruck, daß er hingehalten werden soll. Er sieht keine Notwendigkeit, sich vor ihr zu
rechtfertigen, da Varsberg ihr bekanntermaßen nicht von ihm, sondern von Anton von
355
Vaudemont und seinen Gefolgsmannen abgenommen wurde. Ihm und seinem Stift ist da-
durch großer Schaden entstanden. Anton hat die Burg Wentzlin vom Turme übergeben,
der sie an Konrad weitergegeben hat. Konrad ist bereit, die Burg an Elisabeth zurückzuge-
ben, wenn sie Ersatz für den ihm und seinem Sdft entstandenen Schaden leistet und versi-
chert, daß sich solche Vorfälle in Zukunft nicht wiederholen.
(-75-76-78)
Ausfertigung. Von den beiden Verschlußsiegeln, das eine aus grün-braunem, das andere aus
rotem Wachs, sind nur Reste vorhanden. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f.
16/4 (Rotel).
Edele vnd wolgeborne frundynne. Wir haben gesin, alß ir vns gest(er)n aber von
Warsp(er)ges wege(n) (2) geschr(iben) habent, wie dan(n) uwer brieff inheldet. Do habent
ir vns sit ost(er)n her mit solichen schriffte(n) uff (3) gehalte(n) vnd wir habent die sa-
che^) off soliche uwer schrifft gutliche(n) verhalde(n), off dz wir meynetent (4) zu eyme
gutliche(n) vnd fruntliche(n) ende mit uch do von zü körnende. Dar zu wir ye gentzli-
che(n) (5) geneyget warent vnd wustent vnd waneten nit and(er)s, dan(n) dz wir der sa-
che^) off disem vergange(n) (6) dinstage ein gantz vnd fruntliche ende mit uch gehabt sol-
té (n)t habe(n) nach solicher schrifft vnd botschafft (7) ir vns lestes mit H(er)ma(n),
üw(er)m diener, vnd ouch sit her getan hatte(n)t. So mercke(n) vnd entpfindent (8) wir y-
etz, dz wir mit schriffte(n) vnd worte(n) bitz her geleidet vnd vmbgetribe(n) worde(n) sint.
Solichs wir vns (9) nit versehe(n) hettent vnd alß ir nú yetz die sache(n) and(er)s vor han-
de(n) nement vnd an vns forderent (10) vnd begerent uch rechtliche dage da von vor vnßer
edelman(n)e zu bescheide(n), alß dan(n) der púnete uw(er)s (11) brieffes inhelt, so
antw(er)te(n) wir uch, dz wir ye nit meynent, dz wir uch von des slosses wege(n) (12) zu
antw(er)te(n) habent, dan(n) es lantkundig ist, dz wir uch dz sloß nit angewonne(n) oder
uch des (13) entweldiget habent vnd dz uwer liplicher bruder vnd die sine dz ingenome(n)
vnd lange zijt gehalde(n) (14) vnd vns vnd vns(er)m(e) stiffte große(n) verderphche(n)
schade(n) dar vß getain habent. Der selbe üw(er) bruder (15) dz eg(e)n(ante) sloß h(er)n
Wentzlin vom Túrne dar nach ingaff, der vns dz furbaißer vber gebe(n) hat, vnd hant vns
(16) des ouch vnd(er)wunde(n) semeliche(n) große(n) schade(n) vns vnd den vns(er)n dar
uß vnd dar in geschehe(n) iste (17) furbaißer zu versehe(en) den selbe(n) uw(er)m bruder
od(er) h(er)n Wentzlin, von den dz sloß an vns kome(n) ist, mogent (18) ir zu spreche(n)
obe ir wollent vnd meynent ouch dz ir in mogelich(en) zu sprechent dan(n) vns vnd for-
derent (19) vnd bege(re)nt an uch, dz ir vns den große(n) verderpliche(n) schade(n), der
vns vnd den vns(er)n also uß dem eg(enanten) (20) sloße vnd wid(er) dar in geschehe(n) ist,
kere(n) wollent vnd so ferre vns soliche keronge von uch beschiet (21) wolle(n) wir dz sloß
g(er)ne wid(er) zu uw(er)n hende(n) stelle(n), also dz wir versorget werde(n), dz vns vnd
vns(er)m(e) (22) stiffte semlich(er) schade vnd onwille in zu kunffdg(er) zijt nit me gesche-
he, alß dz mogeliche(n) ist. Got sij (23) mit uch. Gebe(n) zu Metze off donrestag nach
Vnser Liebe(n) Frowe(n) dage Conceptio des jares xiüjc vnd (24) xxxiij.
Conraid, bischoff
356
zu Metzen.
verso:
Der edeln vnd wolgeborne(n) frouwe(n) Elizabeth
von Lothringen), graffynne(n) wittwe zu Nassouwe(n)
vnd zu Sarbrucke, vnßer gute(n) frundynne(n)
etc.
(A. Zipfel)
1433 Dezember 12 77
Johann zu Rodemachern an Elisabeth. Sie habe ihm geschrieben und ihn wegen Vars-
berg auf ein Treffen nach Saarbrücken gebeten. Wegen anderer dringender Angelegenhei-
ten, weil er seiner fraumn gnade von Beigeren (Elisabeth von Görlitz) dage leisten muß und we-
gen der Burg Kerpen, die er kürzlich gewonnen hat, kann er aber nicht kommen. Daher
bittet er Elisabeth, ihn für diesmal zu entschuldigen. Er bietet aber an, auf seiner Reise
nach Bolchen am kommenden Weihnachtstag (25. Dezember) bei ihr Station zu machen,
um ihr Rat und Antwort zu geben, damit die Sache sich zum Besten fügt.
(-71-77-81-)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 20.
Mine(n) willige (n) dinst altzijt beuore. Edelhe lieue frauwe, als uch geliebt hait, mir zo
schriue(n), das jch zo uwer (2) liebde(n) ghen Sarbrucke kom(m)en antreffen dat sloß
Warsp(er)ch, als uwe(r) liebde(n) brieffe das dan(n) vort me jnnehelt etc. (3) Da beg(er)n
jch uwe(r) liebden zo wissen, das jch zo dusser tzijt so treffliche dage vnd Sachen zo
schaffe(n) han, so ich dan(n) (4) mit myn(er) frauwe(n) gnade von Beyg(e)ren dage leisten
muß der ich nit wieder biede(n) mach vnd so solche grosse treffliche (5) dage vnd Sache
antreffende dat sloß Kerpe(n), dat jch nu kurtzliche(n) gewone(n) han der selber vnmais-
sen vnd sache(n) jch (6) besunder nit vmder gestaeke(n) noch gelengen jn kan zu dusser
tzijt vnd dar vmb so bydde(n) jch uwe(r) liebde (7) mich zu dussem maele vur jntschuldiget
zo halde(n) das jch vp die tzijt vnd dach by uwe(r) liebde(n) nit gesin jn mach, als (8)
uwe(r) liebede(n) brieff mir gesant dan(n) jnnehelt dan(n) vmb uwe(r) liebde(n) wille(n), so
wille(n) jch alle vnmaisse vnd gescheffte (9) zo rucke vnd [—] vnd wille(n) mich nu nae
dusse(n) heillig(en) dage neist kompt über gh(en) Bolche(n) mache(n) vnd wille (10) mich
als dan(n) zu f-J- uwe(r) liebde(n) fugen vmb der selber sache(n) vnd ander sache(n) nit
uwe(r) liebde(n) raidt vnd rede zo habe(n) (11) vmb die sache(n) jn deme beste(n) vur zo
neme(n). Uwer liebde gebiede zo mir die der almechtige Got altzijt jn gesundeheit (12) vnd
mit freude(n) bewa(re)n wille. Geb(e)n vnder myme Siegel vff mytwuche(n) i,amst‘1Lh neist
nae des heillig(en) Vns(er) Lieu(en) Frauwe(n) dage C(on)ceptio jm ja(r)e xiiijc vnd xxxiij.
Johan h(er)re zo
Rodemach(er)n etc.
357
verso:
Der edelher vnd wailgeborner frauwe(n), frauwe
Elizabetht von Lotthringen graueynne wydewe
zo Nassouwe vnd zo Sarbrucke(n) etc., myn(er) lieu(en) frauwe(n).
(J. Herold)
1433 Dezember 15 78
Elisabeth an Bischof Konrad von Metz. Sie hat sein Varsberg betreffendes Antwort-
schreiben (Nr. 76) erhalten. Hinsichtlich seiner Vorwürfe, sie würde ihn hinhalten, und sei-
ner Forderungen, sie möge künftigen Schaden verhindern, betont Elisabeth, daß sie, seit
der Bischof die Burg Varsberg in Besitz hat, sich bemüht, diesen Teil ihres Wittums und
des Erbes ihrer Kinder wiederzubekommen. Da die Burg mittlerweile an René von Anjou
bzw. seine Helfer übergeben wurde, fordert Elisabeth, die sich für den angerichteten Scha-
den nicht verantwortlich fühlt, daß sie nicht aus der Burg gewiesen wird, sondern wieder in
deren Besitz kommt. Sie bittet um Zeit, ein Treffen mit ihren Gemeinem anzusetzen, die
sich mittlerweile alle bereit erklärt haben, an einem solchen Treffen teilzunehmen, um nach
Abschluß der Verhandlungen ihr Anliegen vor dem Bischof vorzutragen. Sollte Konrad
dem nicht zustimmen, so fordert Elisabeth einen Schiedstag an seinem Hof vor seinen
Edelmannen, deren Urteil sie und ihre Gemeiner anerkennen werden. Wenn Konrad ihr
die Schadensersatzforderung nicht erläßt, so will sie vor seinen Edelmannen ihr Recht ein-
fordern und auf seinen guten Willen hoffen, dem sie sich auch in Zukunft würdig erweisen
will.
(-76-78)
Abschrift mit Korrektur. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 16/5 (Rotel).
Wirdickeit vnd ere uwer liebe vorges(chriben). Lieber here, als ir mir ytze von Warßbergs
wegen wid(er) geschr(iben) hait, dz ir vff (2) gehalden vnd vmbgedrieben sient vnd dz ir
mir von dez slosses wegen nit zu antwerten haben sollet vnd schaden (3) gekert ford(er)nt,
als uwer brieff dz vnd anders jnneheldet, han ich v(er) stände(n) vnd zwiueln nit, man solle
an myne(n) briefe(n), (4) schrifften vnd vornemen, obe sichs noit gebueren wirdet, wol
v(er)stan vnd entphin(n)den, dz ich vor vnd ee, dan(n) dz (5) slosß jn uwer hande
kom(m)en sij vff den dag, als ir is dadent jnneme(n), vnd sijt bißher ernstlich geworbe(n)
han, (6) dz mir myn widern vnd myne(n) kinden yr erbe wider werden mochte vnd daz wir
is g(er)ne widergehabt vnd (7) is auch noch g(er)ne widerhetten. Vnd nast dan das sloß vff
myns gnedige(n) h(er)n von Baer vnd von Lotthr(ingen) helffer (8) gewonne(n) ist, jch,
myne kinde vnd vns(er) gemeyner vnu(er)schuldt daruß, jr dar jn kom(m)e(n) vnd auch
nast dem ich, (9) myne kinde vnd einsdeils vns(er) gemeyn(er) uch von uw(er)s stiffts we-
gen bewant sint vnd ander gelegenheidt (10) vnd verhandelonge, meyne(n) ich, dz ir vns
bilHch wider zu vns(er)me slosse kom(m)en laessen vnd vns dez nit (11) entwisen sollet
vnd dz wir uch auch vmb die schaden, die yr fordernt, nit zu dunde haben. Vnd herumb
(12) so beg(er)n vnd bijden ich uch aber gütlich von myn, myn(er) kinde vnd vns(er) ge-
meyner wegen, dz ir vns eyme (13) gerumen zijt, dabynne(n) wir vns zusame(n) gefuegen
358
mögen, gönnen vnd die Sachen die zijt jn gudem (14) verhalden wollet, jn masse ich uch
vorges(chriben) han. So wil ich den gemeynern, die mir nu alle zugeschr(iben) hant, (15) dz
sij doch vor nit getan hatten, dz sij dar bij kom(m)e(n) wollen, wan(n) ich sij eine(n) dag
jntzjjt zu vor wissen lasse, (16) den dag setzen, vns mit eynander zubesprechen vnd bij uch
zu schicken, entlieh vß den Sachen zu reden (17) vngeu(er)lich. Jst uch dz aber nit zu wil-
len, dez wir vns doch nit versehen, so beg(er)n vnd ford(er)n ich aber (18) fruntlich von
myn, myn(er) kinde vnd vnser gemeyn(er) wegen, dz ir vns vns(er)s sloße nit abebreche(n)
vnd-is-atich (19) nit- -jn--ander hande steilen entwIsen Vnd mir VOn myne(n) vnd myme kinde
wegen eine(n) dag vor uw(er) edelmane(n), (20) vns(er) genossen, jn uw(er)n hoff an eins
glegen stadt bescheiden vnd vns gescheen laessen vnd dun wollet, (21) wz dieselben uwer
edelman(n)e nast vns(er) ansprache(n) vnd uwer antwert zu rechte erkenne(n)t, solichs (22)
vns(er) gemeyn(er), die uwer man(n)e sint, auch jnzugan(n) meyne(n)t. Vnd moge(n)t ir
vns dan(n) von der schaden (23) wegen, die yr fordernt, ansprache(n) nit erlaessen, so sal
mir von myn vnd myme kinde wegen mit rechte (24) beuugen an uw(er)n vorgeschr(iben)
edelnman(n)en, vnd getruwe(n) uch wol, dz ir uch hie jnne also gütlich bewisen (25) sollet,
dz wir is zu v(er)dienen haben, dz wir auch alle jn billichen v(er)moglich Sachen g(er)ne
dun wollen. (26) Uu(er) v(er)schrib(e)n antwert. Uwer liebe gebiede mir. Gegeben vff
dinstag nach Sant Luden dage anno d(o)m(ini) (27) m cccc xxxiij0.
Elizabeth von Lotthr(ingen), g(ra)ffynne widewe
zu Nassauwe vnd zu Sarbrucken.
verso:
Dem erwirdigen jn gotte vatter, h(er)n Conradt,
bischoff zu Metze, myme lieben heren.
(D. Hermann)
1433 Dezember 24 79
Elisabeth an Georg von Rollingen. Nach ihrem letzten Treffen mit Georg von Rollin-
gen hat Bischof Konrad von Metz ihr geschrieben, daß er ihr dedinge, dage und ußdrag ab-
schlägt. Daher hat sie Johann von Rodemachern und die anderen Gemeiner eingeladen, am
Sonntag vor St. Fabian und St. Sebastian (17. Januar 1434) abends nach Saarbrücken zu
kommen, um sich am Montagmorgen wegen Varsberg zu beraten. Elisabeth bittet nun
auch Georg von Rollingen, ebenfalls nach Saarbrücken zu kommen und auf keinen Fall
fernzubleiben. Sie erwartet seine schriftliche Antwort.
(-55-79)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. Unter diesem befindet sich das Briefkonzept Nr.
80, auf der Rückseite Nr. 81, beide vom gleichen Tag. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
Nr. 3112, f. 31 recto.
359
Elisabeth etc.
Jorgen von Rulding(en) etc.,
lieber getruw(er).
Vns(er)n fruntliche(n) grus beuor. Lieber getrüwer, als du nehste von Warsberges (5) we-
ge(n) von vns gescheiden bist vnd sijt auch etlicher maßen v(er)nomen (6) haist, wie
vns(er) h(er)re von Metze wied(er) geschr(iben) han etc., laeßen wir dich (7) wisse(n), daz
vns(er) vorg(enanter) h(er)re vns alle dedinge, dage vnd vßdrag (8) abeslet. H(er)umb han
wir vns(er)me neuen von Rodemach(er)n vnd den and(er)n (9) gemeynern geschr(iben), vff
sondag vor Sant Fabiani vnd Seb Sebastiani (10) dag neste ku(m)met des abendes zu
Sarbr(ucken) zu sin, vff den mandag (11) zu morge(n) bij eynand(er) zugan(n), vns zu be-
sprechen vnd zu rade zu (12) w(er)den, wie wir die sache(n) '°rt vorhant nemen moge(n).
daz wir wid(er) (13) zu vns (er) me sloße kome(n) Dauon beg(er)n wir biede(n) vv!r dich vnd
v(er)kunden (14) dir, daz du alß dan(n) auch In vorg(enantem) massc 2U Sarbr(ucken) sin wolles
vnd &k nit vß (15) blibe(n), wolles sond(er) h(er)tzu dun wolles, als wir dir getruwe(n) vnd
(16) du wol v(er)stes, wie sichs geheischt vnd not ist. Dine v(er)schr(iben) antw(er)t. (17)
Gebe(n) vnd(er) vns(er)me jng(esigel) vff den Heilge(n) Crist abent anno etc. xxxiij.
(M. Küper)
1433 Dezember 24 80
Elisabeth an Friedrich von Castel und Dietrich von Püttlingen. Nachdem sie deren
Antwortbriefe wegen Varsberg erhalten hatte, hat sie an den Bischof von Metz geschrieben
und um ein Treffen mit diesem oder einen Schiedstag vor dessen Edelleuten gebeten, was
der Bischof aber abgelehnt hat. Daher lädt sie die beiden, wie auch die anderen Gemeiner,
ein, am Sonntag vor St. Fabian und St. Sebastian (17. Januar 1434) abends nach Saarbrü-
cken zu kommen, um sich am darauf folgenden Montagmorgen wegen Varsberg zu bera-
ten. Sie bittet um schriftliche Antwort.
(55-80)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. Über diesem befindet sich das Briefkonzept Nr.
79, auf der Rückseite Nr. 81, beide vom gleichen Tag. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
Nr. 3112, f. 31 recto.
Elisabeth etc. Friederich von Castel, lieb(er) getruw(er),
Diederich von Putling(en), liebe(r) besond(e)r.
Vns(er)n gr(us) beuor. Lieber getruw(er), als du vns nehste von Warsb(er)ges (21) wied(er)
geschr(iben) haist, lassen wir dich wisse(n), daz wir vns(er)me h(er)n von Metze (22) sit
vmb and(er) dage geschr(iben) vnd yme auch vßdrag vff sine edelman(en) (23) gebode(n)
han, das er vns doch alles abegeslag(en) hait. H(er)umb han wir (24) den and(er)n vns(er)n
gemeynern geschr(iben), bieden dich vnd v(er)kund(en) auch dir, (25) vff den sondag vor
Sant Fabiani vnd Sebastian] dage neste ko(m)met (26) des abendes zu Sarbr(ucken) zu sin,
vff den mandag zu morgen bij eynand(er) (27) zu gan(n), vns zu bespreche(n) vnd zu rade
360
zu werden, wie wir wir die (28) sache(n) vort vorhant neme(n) mog(en). H(er)tzu wolies
dun, als des (29) not ist vnd sich geheischt. Dine v(er)schr(iben) antw(er)t. Gebe(n) vnd(er)
vns(er)me [ingesigel]1'1 (30) vff den Heilig(en) Crist abent anno etc. xxxiij.
am linken Rand:
no(ta).
Diederich von (33) Putling(en) zu (34) v(er) and (er) n, als (35) vm vns vns(er) (36) besond(er)
gude (37) frunt Wilh(elm) (38) von Ourley(en) (39) nehste von (40) Dune(n) vnde (41) Wars-
berges (42) wege(n) wied(er) (43) geschr(iben) hait.
(M. Küper)
1) fehlt im Text.
1433 Dezember 24 81
Elisabeth an Johann zu Rodemachern. Seinen Antwortbrief (Nr. 77) bezüglich Vars-
berg hat sie erhalten. Zwischenzeitig hat sie dem Bischof von Metz geschrieben und um ein
Treffen mit diesem oder einen Schiedstag vor dessen Edelleuten gebeten, was der Bischof
jedoch abgelehnt hat. Daher lädt sie Johann zu Rodemachern, wie auch die anderen Ge-
meiner, ein, am Sonntag vor St. Fabian und St. Sebastian (17. Januar 1434) abends nach
Saarbrücken zu kommen, um sich am darauf folgenden Montagmorgen wegen Varsberg zu
beraten. Er soll unbedingt kommen, auch um den bislang versäumten Empfang seiner Le-
hen nachzuholen. Sie bittet um schriftliche Antwort.
(-77-81-83)
Konzept mit interlinearen Korrekturen. Auf der Vorderseite des Blattes befinden sich die
beiden Briefkonzepte Nr. 79 und 80 vom gleichen Tag. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
Nr. 3112, f. 31 verso.
Mine(n) fruntliche(n) gr(us) beuor. Lieb(er) neue, als jr mir nehste von Warsberges (2) we-
ge(n) wied(er) geschr(iben) hant, jn maße uw(er) br(iefe) ußwiset, han ich v(er)stände[n] (3)
vnd laße(n) uch wisse(n), daz ich sijt myme h(er)n von Metze geschr(iben), vmbe (4)
and(er) dage geworben vnd yme auch erb(ar)n vß drag vff sine edelmajnnen] (5) gebode(n)
han, daz er doch alles abegeslagen hait. H(er) vmb biede(n) ich uch (6) vnd fruntlich vnd
v(er)kunde(n) uch mit ernste, daz jr vff den (7) sondag vor Sant Fabiani vnd Sebastiani da-
ge nehste ko(m)met (8) des abends zu Sarbr(ucken) sin wollet, vff dem mandag zu (9) mor-
ge(n) bij eynand(er) zuga(n)n, vns zu besprechen vnd zu rade zu (10) w(er)den, wie wir die
sache(n) vort vorhant neme(n) moge(n), desgliche(n) (11) ich den and(er)n vns(er'ln gemey-
nern auch geschr(iben) han. Lieber neue, h(er)tzu (12) wollet nu ernst haben vnd nu des
mal ;lbcr nit vßbliben, als (13) ir bißher geda(n)n hant, sond(er) h(er)tzu dun, als ich uch ge-
truwe(n) (14) vnd jr wol v(er)stant, daz bilüch vnd not ist. So mogent jr (15) alsdan(n)
uw(er) lehen auch entphaen, als k lange gedan(n) (16) soldefnjt- han billich gewest were.
Uw(er) fruntlich v(er)schr(ibene) antw(er)t bij diese(m) (17) boden, mich darnach zu rich-
361
te(n). Gegebe(n) vnd(er) myme jng(esigel) vff (18) den Heilige(n) Crist abend anno etc.
xxxiij.
(aRodemach(er)n.a} Elisabeth etc.
Besiech jn dem zedel, abe d(er) dag rechte gesatzt sij, ist des nit so,
setze yn nast lüde des zedels.
Hast du icht me v(er)tzeichent, dauon man(n) ytze schribe(n) sai, dz schicke mir.
[—]te.
bAls den gemeynern von Warsb(er)g geschr(iben) (25) ist, vff sondag vor Fabiani et Se-
basdani (26) anno etc. xxxiij iux(ta) sdlu(m) Meten(sem) zu (27) Sarbr(ucken) zu sin.b)
(M. Küper)
(a - a) am linken Rand ergänzt.
(b - b) steht gegenüber dem übrigen Text auf dem Kopf, daneben von jüngerer Hand: "2
absonderliche conceptschreiben von frauwen Elisabethen, grauin zu Nassau Sarbrucken,
ahne Friederichen von Castell vnd Dieterichen von Putlingen, darinnen inen beden bevole,
wanen wegen Warsperges zu Sarbrücken zu erscheinen a(nn)o 1433".
1434 Januar 12 82
Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen. Sie teilt ihr mit, sie wisse seit dem heutigen
Tag, daß zwischen René von Anjou, Elisabeth von Bar-Lothringen und Bischof Konrad
von Metz beschlossen wurde, daß dieser die Burg Varsberg an Bar-Lothringen übergeben
läßt, damit sie abgerissen oder anderweitig ihr, ihren Kindern und den anderen Gemeinem
vorenthalten wird. Sie beklagt, daß ihre Burg (Groß-) Varsberg Renés von Anjou und sei-
nes Fehdehelfers Georg von Rollingen wegen, der nicht in der Lage war, das zu verhindern,
ohne ihre Schuld und ihr Zutun besetzt worden war. Dem Bischof von Metz, dem sie und
ihre Kinder mannschaftspflichtig sind, hatte sie geschrieben und eine Verhandlung vor sei-
nem Lehnsgericht angeboten, nach dessen Maßgabe sie Wiedergutmachung der Schäden
leisten wollte. Ihre beiden letzten Briefe in dieser Sache an den Bischof fügt sie als Ab-
schrift bei. Da sie und ihre Kinder dem Herzog von Bar-Lothringen durch Mannschaft und
Verwandtschaft verbunden sind und die Burg ihr ohne eigene Schuld verloren gegangen ist,
bittet sie dämm, daß der Herzog sie nicht abreißen oder ihr vorenthalten läßt, sonder dafür
sorgt, daß sie ihr zurückgegeben wird. Unlängst hat Elisabeth der Herzogin wegen der
Schäden, die Wersich von Stauffenberg, Friedrich von Savigny, der Vogt von Epinal und
andere ihr und ihren Leuten zugefügt haben, sowie wegen Pierrefort, Bouconville,
L’Avantgarde und Morley geschrieben.1) Darauf hat sie bisher keine Antwort erhalten. Eine
solche bittet sie, nun dem Boten mitzugeben.
(-45-82-84)
Abschrift mit geringfügigen interlinearen Korrekturen. - LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II,
362
Nr. 3112, f. 22/15 (Rotel).
Hochgeborne furstynne, gnedige liebe frauwe vnd müme. Ere vnd güt vnd waz ich ver-
mag allezijt züüor. (2) Uwern gnade gleibe zu wissen, daz ich hude verstanden hain, daz
von myns gnedigen heren von Baer vnd von (3) Lothringen vnd uwern wegen mit mym
heren von Metze uberdragen sij, daz er Waisb(er)g jn myns eg(ena)nt(en) (4) heren vnd
uwer gnaden hande stellen vnd daz is dan(n) abgebrochen oder sost myr mynen kynden
vnd vns(er)n (5) gemeynern Vorbehalten werden solle. Genedige liebe fraüwe vnd müme,
nast dem nü daz vorgeschriben (6) sloß Waisb(er)g vff mynen eg(ena)nt(en) gnedigen he-
ren vnd Jorgen von Ruldingen - der sin helffer waz vnd is (7) doch nit vorkundet hatte,
daz sloß zu bestellen, als sich daz gebort - gewonnen vnd nit von myn vnd (8) myner kyn-
de wegen vnd aen vnsern wissen, willen vnd zu dün verlorn vnd myr daz getruelich leit (9)
gewest vnd mir noch faste swere vnd nit lieb ist vnd auch nast dem ich vnd myn kynde
mym heren (10) von Metze von sins stifftes wegen zu manneschafft wise verbuntlich sin,
hette ich mich woil vorsehen, (11) er solde sich vnsers als nit vnderzogen hain. So hain ich
yme geschr(iben), gebeden vnd gefordert, daz ir myr (12) dar vmb recht nast ansprachen
vnd antw(er)t vnd erkentenisse siner edelmanne widderfaren lasse, vnd (13) yme geboden
vmb die schaden, die er davon ford(er)t, nast ansprach vnd antw(er)t vnd erkentenesse si-
ner (14) edelen manne zu dem, waz ich von rechts wegen solle, als uwer gnade daz jn ab-
geschr(iben) zweyer myner (15) lesten brieff yme da von geschr(iben), die ich uch her in
geslossen sende, vernome(n) mag. Her vmb vnd auch (16) nast dem ich vnd myn kinde
uwern beden h(er)tzogdoms von Baer vnd von Lothringen von manneschafft (17) vnd u-
wern gnaden von gebürte vnd bludes wegen bewant vnd vnschuldenclich vnder allen
vnsern willen (18) vß vnserme sloße körnen sin, daz sich faste glaublich erfonden hait vnd
mit Goddes hellffe von dag zü dage (19) yebaß vnd gewar erfinden sal, getrue(n) ich gentz-
lich vnd bidden uwer gnade dinstlich vnd begeren (20) vnd fordern mit ernste demu-
te(n)clich, daran zu sin vnd zü bestallen dün, daz sich von myn(em) vorg(ena)nt(en) (21)
gnedigen he(re)n von Baer vnd von Lothringen) vnd uwern gnaden oder die uwern we-
gen vns(er)s vorgesch(ribenen) (22) slosses nit vnderzogen oder vndernomen vnd daz ieh
is vns nit abgebrochen oder vorbehalden werde, (23) sonder gnedeclich dar zu zu raden
vnd zü holffen, das ich, myn kynde vnd vnser gemeyner widder (24) zü vns(er)m slosse
vnd erbe körnen möge, als uwer gnade vnd erbern rede woil vorstan mogent. Daz (25) nast
vorgeschr(iben) Sachen billich ist, daz wollen wir, wo wir mögen, willenclich vordienen.
Auch, gnedige (26) liebe frauwe vnd müme, als ich uwern gnaden nehste von der schade
weg(en), die Wirsich von Stauffe(n)b(er)g, (27) her Frederich von Saui(n)gny(en), der voygt
von Spinal vnd ande(r)n eg(ena)nt(en) gnedig(en) heren vnd uwer gnaden (28) vndersasse
myr, mynen kynden vnd vnsern luden gethan vnd zu gefugt haint - von Pierfort, Buu-
ckenvill (29) Laua(n)garde, Monrley(en) - vnd ander Sachen geschr(iben) han, als myn brif-
fe, uwer gnaden gesant, vßwisent(en), (30) jst myr vff myn lesten brieffe nit geantw(er)t. Da
von bidden ich uwer gnade demütlichen vnd begeren (31) awer mit ernst ottmudeclich,
daz uwer gnade gnedeclich dar zü dün vnd sich geen mich vnd (32) myne(n) kinden, die
mit Goddes helffe jn zukunfftigen zijden myme obg(ena)nt(en) gnedigen heren, uwe(r)n
363
(33) gnaden vnd uwe(r)n landen nutz vnd dinstlich werden mochten, zu bewisen nast dem
vß wlsonge myner (34) forderen brieffe. Daz hoffen wir dancknemelich zü verdienen, dar
zu wir jn billichen Sachen nast (35) vnserm vermögen willig sin wollen, vnd begeren heruff
uwern gnaden gnedige vorschr(iben) antw(er)t (36) bij dissem boden. Die selbe uwer gna-
de, die vnser heregot lange jn freuden bewaren wolle, mir (37) allezijt gebieden duhe. Ge-
ben vff dinstag vor Sant Anthonien dage anno etc. xxx ij° jux(ta) stilu(m) Mete(n)s(em).
An myn gnedige frauwe von Baer etc. Elizabeth von Lothringen), graffynne
witwa zu Nassauwe vnd Sarbrucken.
(A. Zipfel)
1) Brief von 1433 Dezember 21, überliefert in LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 2325, f.
35/36.
1434 Januar 19 83
Johann zu Rodemachern an Elisabeth. Sie hatte ihm geschrieben, daß er am Sonntag
vor St. Fabiani und St. Sebastiani (24. Januar) wegen der Varsberg-Angelegenheit nach
Saarbrücken kommen sollte (Nr. 81). Er teilt ihr nun mit, wegen anderer Dinge an diesem
Tage nicht erscheinen zu können, und bittet, ihn zu entschuldigen. Wenn es ihr gelegen ist,
will er sie aber am Freitag oder Samstag nach scheupfnaichte (20. oder 21. Februar) in Saar-
brücken treffen. Sie soll ihm schreiben, an welchem dieser beiden Tage es ihr recht ist, da-
mit er sich darauf einrichten kann.
(-81-83)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 35.
Minen willig(en) dinst vnd was jch liebes vnd gutz v(er)mach. Edelhe liebe frauwe, als mir
uwe(r) liebede geschr(iben) hait bij (2) mich des neiste(n) sondechs vor Fabiani et Sebasti-
ani nast kom(m)ende zo Sarbrucke(n) zo sin als vns(er) Warspjerjch wille etc. dar vff (3)
gelobe uwe(r) liebden zo wisse(n), das ich nù en sondage nit zo Sarbruck(en) sin
v(er)mach vmb etliche treffliche geschefftze wille(n), (4) die jch vur hande(n) han als
uwe(r) liebde wid(er) verneme(n) soll vnd dar vmb lieue frauwe so bydde(n) ich uch, mlch
vor vntschuldich (5) zo halde(n) zo dusser tzyt vnd wers uwe(r) liebde(n) gelege(n), das jr
bis fridage oder sambstage neist nae scheuffnaichte nast kom(m)ende (6) zo Sarbruck(en)
zo sin, vnd das ich uch da fynden mucht, so wille(n) jch mich dar zo stelle(n), das jch bij
uwe(r) liebde(n) sin (7) wulle, vmb die sache(n) jn dem beste(n) vur zo neme(n). Lieue
frauwe, ain welcher der tzweye(n) dag(en) eynre uch geliebt, zo Sarbruck(en) (8) zo sin, dat
dunt mir wid(er) schriue(n) bij disem boede(n) mich wisse(n) dar nae zo rycht(en). Der
almechtig(e) Got wille uwe(r) liebde (9) altzyt bewa(re)n jn gesunde(n) dag(en) vnd gebiet
zo mir. Geben vnder myme signet vff dinstach neist vur dem xxte'n^ dage (10) jm jar(e) xiiijc
vnd xxxiij s(e)c(un)d(u)m stilu(m) Treuir(ensem).
364
Johan, h(er)re zo
Rodemach(er)n etc.
verso:
Der edelher wailgeborn(en) frauwe(n), frauwe
Elizabetht von Lothringen), g(ra)ffynne(n) wydewe
zu Nassouwe vnd zo Sarbruck(en) etc., myner
lieber frauwen.
(J. Herold/Ch. Maillet)
1434 Januar 20 St. Mihiel 84
Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth. Den Brief Elisabeths, in welchem sie be-
richtet, erfahren zu haben, daß der Bischof von Metz die Burg Varsberg in die Hände Eli-
sabeths von Bar und ihres Gatten gegeben hat, und in dem sie ihr desweiteren von Schäden
erzählt, die Wersich von Stauffenberg, Friedrich von Savigny, der Vogt von Epinal und an-
dere ihrer Untertanen im Zusammenhang mit Pierrefort, Bouconville, L’Avantgarde und
Morley ihr zugefügt haben, hat sie erhalten (Nr. 80). Elisabeths vorhergehenden Brief1) hat-
te sie noch nicht beantworten können, weil er ihr von Nancy aus (nach St. Mihiel) nachge-
schickt worden ist. Friedrich von Savigny und der Vogt von Epinal waren bei Elisabeth
von Bar, und ihnen wurde der vorletzte sowie der letzte Brief Elisabeths, der die Abschrift
(des vorletzten) enthielt, vorgelesen. Friedrich bestreitet, gemeinsam mit Wersich und dem
Vogt von Epinal Elisabeth Schaden zugefügt zu haben. Da Wersich weder ihr Hintersasse
noch aus dem Lande ist, bittet Elisabeth von Bar darum, mit dieser Angelegenheit nicht
behelligt zu werden. Morley soll Elisabeth selbst verwahren. Ohne daß ihr Gatte informiert
sei, kann sie nichts tun, noch dazu Elisabeth wohl wisse, daß (Jean) Bastard von Vergy und
auch die Leute (Antons) von Vaudémont nicht ihre Hintersassen sind. Bezüglich der An-
frage wegen Pierrefort, Bouconville, L’Avantgarde und Varsberg kann Elisabeth von Bar in
Abwesenheit ihres Ehemannes nicht antworten. Daher soll Elisabeth sich nach der Rück-
kehr Renés mit ihrem Anliegen direkt an ihn wenden.
(-82-84)
Ausfertigung. Vom Verschlußsiegel sind nur rote Wachsreste erhalten. - LA Saarbrücken,
Best. N-Sbr.II, Nr. 3112, f. 22/16 (Rotel).
Elisabeth, hertzoginne zu Bare vnd zu Lothringen etc. Wolgeborne, liebe nyfftel, wir en-
bietent üch vns(er)n fruntlichen (2) grüs vnd was wir gutes vermögent. Als jr vns yetzent
geschriben hant, das jr v(er)standen habent, das mit dem (3) erwirdigen jn Gotte, dem
buschoue von Metzen, übertragen sy, das er das sloß Warsp(er)g zu vns(er)s lieben
h(er)ren vnd (4) gemahels vnd vns(er)n handen stellen solle, vnd auch von wegen Wersich
von Stauffenberg, h(er)n Friderichs von Sauigney, (5) des vogtes von Spinal vnd and(er)n
vns(er)n vnd (er) sassen, die üch schaden getan vnd zu gefüget söllent haben vnd als lr in (6)
von der slosse wegen Pierefort, Bocko(n)uille, die Vang(ar)de vnd auch Morley, wie jr vns
dan(n) vor vnd auch yetze(n)t (7) geschriben hant, haben wir alles wol v(er)standen vnd
365
lant üch wissen, als vns uw(er) vürderste brieue vor disem von (8) Nansey alher geschickt
worden sint, haben wir üch nit können antworten. Der vorg(ena)nt(e) h(er)n Friderich
vnd der vogt von (9) Spinal went(en) dan(n) by vns gewest, der wir auch wartende warent,
vnd als die zütz vns kom(m)en sint, haben wir jn de(r) (10) selben uw(er) vürderste(n)
brieue vnd auch uw(er)n leste(n), vns yetzent mit den abschrifften gesant, h(er)n Frideri-
che vorg(ena)nt(en) (11) dun vürlesen vnd die lassen hören, dar uff vns der vorg(ena)nt(e)
h(er)n Friderich geantwort hat, wer üch vürbracht (12) habe, das sie mit dem Wersich uff
uw(er)m schaden gewest sient, der habe sich vergessen vnd tü yn vnrecht. So ist auch (13)
der vorg(ena)nt(e) Wersich nit vns(er) vndersaß noch von vns(er)m lande vnd dar vmb
dünckt vns, das jr vns sölliches (14) schribens billich überhebent vnd erlassent. Vnd als
von Morleis wegen, das mögent jr selbs verwaren noch siner (15) notdürfft, wan(n) wir ane
vns(er)s lieben herren vnd gemahels wissen nit and(er)s dar zu getün könnent, nast dem jr
selbs (16) wissen mögent, das vns der bastard von Vergis vnd auch uw(er)s brüders von
Wydemo(n)t dien(er) vngesessen vnd nit vnder (17) tenelich sint. Vnd auch als jr schribent
von Piereffort, Bocko(n)uille, die Vang(ar)de vnd Warsperges wegen, dar uff können (18)
wir üch auch one vns(er)n h(er)ren vnd gemahel nit geantworten, wan(n) wir als von des-
selben Warsperges wegen nit wissent. (19) Vnd dar vmb, wolgeborne, liebe nyfftel, wan(n)
der vorges(chriben), vns(er) lieber h(er)re vnd gemahel, dan(n) wid(er) zu lande kom(m)et,
daz (20) doch, ob Got wil, kürtzlich sin sol, so mögent jr yme da von schriben vnd das an
jn bringen. So hoffen wir, er solle (21) üch glympflieh dar uff antworten. Geben zu Sant
Michel uff Sant Fabian(us) vnd Sant Sebastianus dage anno etc. (22) xxxiij0 nach gewon-
heit des büstu(m)s von Verdün.
verso:
Der wolgebornen frauwe Elisabethen von Lothringen,
graui(n)ne wittewe zü Nass(auwe) vnd zu Sarbr(ucken), vns(er) lieben nyffteln.
(M. Küper)
1) Brief von 1433 Dezember 21, überliefert in LA Saarbrücken, Best. N-Sbr.II, Nr. 2325, f.
35/36.
366
Übersicht zu den Teilkorrespondenzen
Nr. Datum
1. Der Briefwechsel mit Bar-Lothringen
4 1432.01.24 an Elisabeth von Bar-Lothringen.
5 1432.01.25 an Elisabeth von Bar-Lothringen.
7 1432.01.26 Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen.
8 1432.01.30 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
16 1432.02.13 Elisabeth an Elisabeth von Bar- Lothringen.
17 1432.02.14 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
26 [1432] .04.15 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
27 1432.04.19 Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen.
30 1432.04.25 Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen.
31 1432.04.27 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
34 1432.05.06 Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen.
35 1432.05.07 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
40 [1432].05.31 René von Anjou an Elisabeth.
41 1432.06.04 Elisabeth an René von Anjou.
42 1432.06.17 Elisabeth an René von Anjou.
45 1432.09.15 Elisabeth an René von Anjou.
82 1434.01.12 Elisabeth an Elisabeth von Bar-Lothringen.
84 1434.01.20 Elisabeth von Bar-Lothringen an Elisabeth.
2. Der Briefwechsel mit Anton von Vaudémont
3 1432.01.20 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
6 1432.01.26 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
11 1432.02.08 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
15 [1432].02.12 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
28 1432.04.19 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
29 1432.04.23 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
32 [1432].05.02 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
33 1432.05.06 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
36 [1432].05.08 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
37 1432.05.16 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
38 [1432].05.17 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
39 [1432] .05.19 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
46 1433.01.25 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
48 [1433].02.07 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
59 1433.06.15 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
60 [1433].06.18 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
62 1433.06.26 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
63 [1433].07.02 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
64 1433. [07].08 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
65 1433.07.13 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
66 1433.07.20 Elisabeth an Anton von Vaudémont.
67 [1433].07.25 Anton von Vaudémont an Elisabeth.
3. Der Briefwechsel mit Johann von Kerpen
9 1432.02.06 Johann von Kerpen an Elisabeth.
10 1432.02.07 Elisabeth an Johann von Kerpen.
12 1432.02.09 Johann von Kerpen an Elisabeth.
13 1432.02.10 Elisabeth an Johann von Kerpen.
14 1432.02.11 Elisabeth an Johann von Kerpen.
18 1432.02.24 Vertrag zwischen Johann von Kerpen und Hans von Rittenhofen als Vertre- ter Elisabeths.
19 1432.02.25 Elisabeth an Johann von Kerpen.
20 1432.03.01 Elisabeth an Johann von Kerpen.
21 1432.03.04 Elisabeth an Johann von Kerpen.
22 1432.03.04 Johann von Kerpen an Hans von Rittenhofen.
23 1432.03.07 Elisabeth an Johann von Kerpen.
24 1432.03.07 Johann von Kerpen an Elisabeth.
25 1432.03.29 Elisabeth an Johann von Kerpen.
47 1433.01.25 Elisabeth an Johann von Kerpen.
4. Der Briefwechsel mit Bischof Konrad von Metz
51 1433.04.15 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
52 [1433] .04.17 Bischof Konrad von Metz an Elisabeth.
53 1433.04.23 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
54 1433.05.08 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
57 1433.05.10 Bischof Konrad von Metz an Elisabeth.
58 1433.05.12 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
61 1433.06.25 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
68 1433.08.14 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
72 1433.11.20 Bischof Konrad von Metz an Elisabeth.
73 [ohne Datum] Bischof Konrad von Metz an Elisabeth.
368
74 1433.12.06 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
75 1433.12.09 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
76 1433.12.10 Bischof Konrad von Metz an Elisabeth.
78 1433.12.15 Elisabeth an Bischof Konrad von Metz.
5. Der Briefwechsel mit Johann zu Rodemachern
55 1433.05.08 Elisabeth an Johann zu Rodemachern, auch an Georg von Rollingen, rieh von Castel, Dietrich von Püttlingen und Johann von Wolfstein.
56 ohne Datum Johann zu Rodemachern an Elisabeth.
69 1433.09.06 Elisabeth an Johann zu Rodemachern.
70 1433.09.08 Elisabeth an Johann zu Rodemachern.
71 1433.09.16 Johann zu Rodemachern an Elisabeth.
77 1433.12.12 Johann zu Rodemachern an Elisabeth.
81 1433.12.24 Elisabeth an Johann zu Rodemachern.
83 1434.01.19 Johann zu Rodemachern an Elisabeth.
6. Briefe an die übrigen Gemeiner von Varsberg
2 1431.01.21 Elisabeth an Johann von Castel.
80 1433.12.24 Elisabeth an Friedrich von Castel und Dietrich von Püttlingen.
55 1433.05.08 Elisabeth an Johann zu Rodemachern, auch an Georg von Rollingen, rieh von Castel, Dietrich von Püttlingen und Johann von Wolfstein
49 1433.02.27 Elisabeth an Georg von Rollingen.
79 1433.12.24 Elisabeth an Georg von Rollingen.
44 1432.08.24 Elisabeth an Johann von Kriechingen.
50 [1433].04.07 Elisabeth an Johann von Kriechingen.
7. Sonstige Briefe
1 1429.07.06 Elisabeth an Herzog Karl von Lothringen.
43 14 [32].07.28 Nicola de Vienne, Hauptmann auf Varsberg, an Elisabeth.
369
Abb. 21: Elisabeth an ihren Bruder Anton, 8. Februar 1432, Abschrift mit geringer
Korrektur, franz., eingeheftet in Rotulus, (Varsberg-Korrespondenz Nr. 11),
über dem Text ist die Schnur zu sehen, mit dem die einzelnen Stücke des
Rotulus zusammengeheftet waren, darüber die (nicht eigenhändige) Unter-
schrift des vorhergehenden Briefes.
370
Abb. 22: Teil des Rotels 1 der Varsberg-Korrespondenz: (7) Elisabeth an Johann von
Kerpen, 4.März 1432 (Varsberg-Korrespondenz Nr. 21); (8) Johann von Kerpen
an Hans von Rittenhofen, Schultheiß zu Saarbrücken, 4. März 1432 (ebd. Nr.
22); (9) Anfang des Briefes Elisabeths an Johann von Kerpen, 7.März 1432 (ebd.
Nr. 23).
371
Abb. 23: Elisabeth an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen, 6.Mai 1432, Konzept,
deutsch, eingeheftet in Rotel (Varsberg-Korrespondenz Nr. 34).
Abb. 24: Elisabeth an ihren Bruder Anton, 16.Mai 1432, Konzept mit Korrekturen, franz.,
eingeheftet in Rotel (Varsberg-Korrespondenz Nr. 37).
373
Abb. 25: Elisabeth an Johann von Kriechingen, 24. August 1432, Konzept mit Korrektu-
ren, deutsch, Einzelblatt (Varsberg-Korrespondenz Nr. 44).
374
Abb. 26: Elisabeth an Johann von Kriechingen, 7. April [1433], Konzept mit vielen Kor-
rekturen, deutsch , Einzelblatt (Varsberg-Korrespondenz Nr. 50).
375
Abb. 27: Elisabeth an Bischof Konrad von Metz, 15. April 1433, Konzept mit Streichun-
gen, Datumszeile von anderer Hand, deutsch, Einzelblatt (Varsberg-Korrespon-
denz Nr. 51).
376
Abb. 28: Elisabeth an Bischof Konrad von Metz, 23. April 1433, Ausfertigung, deutsch
(Varsberg-Korrespondenz Nr. 53).
377
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Abb- 29. Elisabeth an Johann von Rodemachern, 6. September 1433, Konzept, deutsch,
Einzelblatt (Varsberg-Korrespondenz Nr. 69).
378
Verzeichnis der Ortsnamen und geographischen Begriffe
(Die Angabe der Entfernung bezieht sich jeweils auf die Luftlinie.)
Avantgarde (Dep. M-et-M, 12 km nördlich von Nancy)
Laua(n)garde, 82 — die \/ang(ar)de, 84.
Bar-le-duc (Dep. Meuse)
a Bar le Duc, 63.
Bar und Lothringen, Herzogtum von
h(er)tgogdoms von Bar vnd von Lothringen, 82 — des duchies de Bar et de Lorrai(n)ne, 39.
Bolchen / Boulay (Dep. Moselle, 25 km westnordwestlich von Metz)
Balhch, 56 - Bolchen, 55 - Bolche(n), 77.
Bouconville (Dep. Meuse, Ct. St. Mihiel, 40 km nordwestlich von Nancy)
Bocko(n)uille, 84 — Buuckenvill,', 82.
Brüssel
a Brucelles, 48, 64 — au Heu de Bruchselle, 59.
Commercy (Dep. Meuse, 45 km westnordwestlich von Nancy)
ComferJceyfen), 1.
Crehange / Kriechingen (Dep. Moselle, 30 km ostsüdöstlich von Metz)
Crichingen, 12a, 12b — Krichingen, 14.
Dhaun (bei Kirn, Rheinland-Pfalz)
von Dune(n).. .wegen, 80
Eifel
£j#4 74.
Epinal (Dep. Vosges)
vogt von Spinal\ 84 — vogtes von spinal, 84 — vogt von Spinal
Forbach (Dep. Moselle, 10 km südwestlich von Saarbrücken)
Furpach, 27 — Furppach, 42.
Hombourg-Haut (Dep. Moselle, 20 km südwestlich von Saarbrücken)
Hoemhurg, 42 — Hoemb(ur)g, 27 — au Heu de Hombourg, 40.
Joinville (Dep. Haute-Marne)
a]o[i]nuille, 36 — a Joinuille, 15, 38, 65 — a Jonuille, 32 — a Heu de]o(i)nu(i)lle, 64 — au dpt) Heu
de Joynuille, 28 — au Heu de Jo(i)nu(i)lle, 59 — au Heu de Joj(n)uille—, 28 — en ma ville de
]o(i)nu(i)lle, 60 — en v(ot)re chastel de Joinuille, 11.
Kirchheim, Kirchheimbolanden (20 km westlich von Worms)
Kiercheim, 42.
379
Kerpen, Burg bei Daun, Rheinland-Pfalz
dat sloß Kerpe(n), 77.
Lothringen, Herzogtum
deypays de horrain(n)e, 46.
Luxembourg
Luxemburg, 74.
Metz (Dep. Moselle)
Met^e, 74, 76.
au dpt) Heu de Mets, 59 — au Heu de Mets, 59, 64, 66 — jusq(ue)s a Mets, 28.
Metz, Bistum
de l’euecschie de Mets, 46 .
Montiers-sur-Saulx (Dep. Meuse, 15 km nordöstlich von Joinville)
a Monst(er) sur Saul^ 38 — a Monstier sur Sauly 39.
Montmedy (Dep. Meuse, 80 km nordwestlich von Metz)
Mo(m)madj, 71.
Morhange / Mörchingen (Dep. Moselle, 40 km südwestlich von Metz)
Morching(en), 34. — au dit Heu de Morehange, 33 - jusques au Heu de Moreha(n)ge, 33 — au Heu
d’icy, 33.
Morley (Dep. Meuse, 20 km nordöstlich von Joinville)
sloß Mourley(en), 1 — Monrley(en), 82 — Morlei, 84 — Morley, 84 - a Morley, 39 — au Heu de
Morly, 38.
Motte (Burg bei Lebach, Krs. Saarlouis)
h(er)re yur Motten, 4.
Nancy (Dep. M-et-M,)
Nancy, 44, 42, 45, 57 — Nansey, 8, 17, 31, 35, 84 — a Nancy, 26 - en n(ot)re ville de Nancy,
40.
Nomeny (Dep. M-et-M, 25 km südlich von Metz)
Nom(m)eny, 50.
Pierrefort (Dep. M-et-M, 25 km nordwestlich von Nancy)
Piereffort, 84 - Pierefort, 84 — Pierfort, 82.
Pont-ä-Mousson (Dep. M-et-M, 25 km südlich von Metz)
Pontemous, 42 — au Pont, 40.
Pulligny (Dep. M-et-M, 15 km südlich von Nancy)
Pulligney, 31, 35 — Pulligny, 31 — Pulligney(en), 30, 34.
Püttlingen (10 km nordwestlich von Saarbrücken)
amt Putling(en), 44.
380
Raville / Rollingen (Dep. Moselle, 22 km westlich von Metz)
Ruldingen, 50.
Rhein
Ryn, 41 — Rin, 33.
Saarbrücken, Ort
Sarbruche, 56 - Sarbrucke, 77 - Sarbr(ucken), 58, 68, 79, 80, 81 — Sarbrucken, 2, 4, 6, 25,
50, 54, 55, 70, 71, 74 — Sarbrucke(n), 1, 83 — Sarbruck(en), 83 — a Sarrebruche, 3, 11, 28, 46,
59, 62, 64 — au lieu de Sarrebruche, 28 — pres de Sarrebruche, 46.
Saarbrücken, Grafschaft
g(ra)ffeschajj von Sarbr(ucken), 27 — g(ra)ffeschaff von Sarbrucke(n), 1 — g(ra)ffeschafft von
Sarbrucken, 13, 14, 44 — graf schaff von Sarbrucken, 6 —de la contey de Sarrebruches, 66 — en ma
contey de Sarrebruche, 46 — de ma d(i)te contey, 46 - de ma dit contey, 46 — p(ar) ¿es t(er)res etpayx
de ma d(i)te contey, 46.
St. Mihiel (Dep. Meuse, 35 km südlich von Verdun)
Sant Michel, 84.
St. Nabor, heute St. Avold (Dep. Moselle, 25 km südwestlich von Saarbrücken)
Sant Nabor, 57 - Sant Nabore, 13, 68, 70 — Sant Nabor(en), 58, 68 - Sante Nabore, 13, 54,
68 — Sent Nabore, 11.
Varsberg, zwei Burgen (Dep. Moselle, 20 km südlich von Saarlouis)
a) Groß-/Grafen-Varsberg (Neu-Varsberg):
G(ra)ffen Warsberg, 18, 23, 25 - G(ra)jfen Warsb(er)g, 10, 27, 42 — G(ra)ffen Warsb(er)gs, 19 —
G (raffen Warßberg, 42 — G(ra)ffen Warßb(er)g, 7, 14, 42 — Grajfen Warsfo(er)g, 12b -
G(ra)uen Warsberg, 18 — G(ra)ue(n) Warsßserg, 18 — Grauen Wamsperg, 8 — Grafemvarsb(er)g,
6 — Grafemvarßb(er)g, 6 — Groß Warsberg, 22, 24 — Groß Warsb(er)g, 49 — Groß Warsp(er)g, 24
— Grossen Warßbergs, 53 — Grosse(n) Warsb(er)ges, 51 - Großwarsp(er)g, 12a — Grosspvarsberg,
9.
de la d(i)te Wamespe(r)g au Conte, 3 - en n(ot)re di(t)e fourt(er)esse Wamesperg au Conte, 3 - de la
maison et place de Wamespe(r)g au Conte, 15 — au dpt) Wamesperg, 46 — de la d(i)te
Wamesp(er)g, 46 — de Wamesperg, 11 — du dpt) Wamesp(er)g, 46 — la dp)te Wamesp(er)g, 59,
28 — la dp)te Wamesperg, 28 — touchant la dpt)e Wamesp(er)g, 28 — Wamepar, 48 —
Wamesberg, 62 — de v(ot)re dp)te fort(er)esse de Wamepech, 26 — de v(ot)re forteresse de Wamepech,
40 — en v(ot)re fort(er)esse de Wamepech, 26 — a la dpte) mais(on) de Wamepar, 63 — de la dpte)
maison de Wamnepar, 48 — la dp)te maison de Wamesp(er)g, 64, 66 — la dp)te maison de
Wamesperg, 62 — la mais(on) de Wamepers, 63 — la maison de Wameperch, 65 — la maison de
Wamesp(er)ge, 60 — la maison de Wamesperg, 64 — la maison de Wamesperg, 66 — ma dp)te
maison et fourt(er)esse de Wamesp(er)g, 28 — ma fourt(er)esse et maison de Wamessperg, 28 — ma
maison et fourt(er)esse de Wamesperg, 46 — de la dp)te place de Wamepech, 40 — a v(ot)re
fort(er)esse, 40 — d’icelle fort(er)esse, 40 — de la dp)te fort(er)esse, 26 — de la dip)e fourt(er)esse, 3 —
de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 26 - de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 26 — de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 26 -
de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 26 — de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 40 — de v(ot)re dp)te fort(er)esse, 40 —
381
dedans v(ot)re d(i)te fortferjesse, 40 — dedens la d(i)te fourt(er)esse, 3 — en v(ot)re d(i)te fort(er)esse, 26
—jcelle n(ot)re fortferjesse, 3 —ycelle fourt(er)esse, 3 — de la d(i)te maison, 66 — de la d(ite) maison,
65 — jcelle maisfon), 63 — jcelle maisfon), 63 — jcelle maison, 63 — la d(i)te maison, 59, 63, 64,
65, 66 — la dite maison, 59 —jcelle maison, 59 — la d(i)teplace, 40.
b) Klein-Varsberg (Alt-Varsberg):
Cleyne Warsbferjg 27 — Clejne(n) Warsbferjg, 27 — Clejne(n) Warsb(er)ges, 51 — Cleynen
Warßb(er)g, 42 — Cleyne(n) Warßbferjge, 7 — Warßberg, 23 — Kleine Warßberg, 25 —
Kleinwarsberg, 18 - Kleyn Warsberg, 25 - Kleyn Warßb(er)g, 42 — Kley ne Warßberg, 6 —
Kleyne(n) Warsberg, 18 - Kleynen Warßb(er)ge, 6.
c) beide Varsberg:
Warßberge, 51 — ymf« Warßbergen, 25.
/&f deux Wamespferjg, 28 -pour leg maisons deg Wamep(e)rt, 43 — de nogjourtferjesses, 3.
d) Varsberg allgemein:
Waisbferjg, 82 — Wamsperg, 17, 31 — Wamsperges, 31 — Warsberg, 5, 9, 13, 16, 18, 20, 22,
44, 74 — Warsb(er)g, 44, 47, 68, 81 — Warsberge, 44 — Warst(er)ge, 27 — Warsberges, 7, 27,
34, 41, 58, 61, 68, 79, 80 — Warsb(er)ges, 80 - Warsberges, 81 — Warsbergs, 2, 44, 54, 55, 70
— Warsb(er)gs, 30 — Warsperch, 56 — Warsp[er]ch, 83 — Warsperg, 72 — Warsp(er)g, 24, 84 —
Warsp(er)ge, 27 — Warsperges, 84 — Warsp(er)ges, 57, 76 — Warßberg, 4, 24, 44, 50, 68, 70 —
Warßbferjg, 42 - Warßbergs, 2, 5, 14, 42, 68, 75, 78 - Warßperch, 71 - Warßp(er)ch, 77 -
Warßpergs, 52 — Warsgberg, 70 — Warsgbergs, 74 — van Barsbeges wegen, 3.
deg maison deg Wanep(e)rt, 43 — deg Wamep(e)rt, 43.
Vaudemont, Grafschaft südlich und südöstlich von Nancy
en vfotjre contey de Vaudemont, 62, 64, 66 — v(ot)re contey de Vaudemont, 59 — en ma d(i)te conte,
38 — en vfotjre contey, 39.
Verdun, Bistum
des bustufmjs von Verdun, 84.
Vezelise (Dep. M-et-M, 25 km südlich von Nancy)
Veselis, 34 — Veselise, 30 — Veselixe, 42 — Veselige, 34 — Vezelise, 31, 35 — a Vezelise, 37, 39,
40 — au d(it) lieu de Veselise, 37 — au d(it) lieu de Veselige, 37 — au dfit) lieu de Veselise, 28 -
au dfit) Ve^elige, 29 — au dit lieu de Veselise, 33 — au dit lieu de Veselixe, 39 — au lieu de
Veselise, 39 — au lieu de Veselise, 28, 33, 36, 37, 46, 65 — au Heu de VegeIßes, 29 — en ma
dfite) ville de Vegelige, 29 — en ma ville de Vegelise, 67 — jcellj lieu de Veselise, 37 — jusques au
dfit) lieu de Vegelise, 28 — au dfit) lieu, 32, 36 — au dit lieu, 32, 33 — au jour et lieu que rescfrijpt
m’auieg, 33.
Vic sur-Seille (Dep. Moselle, 45 km südöstlich von Metz)
Wich, 30, 31, 34, 35, 51, 52, 53, 57, 58, 61, 74 - Wiche, 72.
382
Verzeichnis der Personennamen
Anjou, René von, Herzog von Bar und Lothringen, Markgraf von Pont-ä-Mousson, Graf von
Guise, König von Neapel, Sizilien, Jerusalem, Aragon, Valencia und Mallorca, Graf von
Barcelona, Provence, Forcalquier und Piemont (1409-1480)
Bar; 41 — h(er)n von Baer, 18 - h(er)n von Baer vnd von Lothringen), 27, 34 - h(er)n von Baer vnd von
Lotthr(ingen), 78 — h(er)n von Bar vnd von I j)thr(ingen), 7, 27, 49 — h(er)n von Bar vnd von Lothringen, 4
— h(er)re vnd gemahel., 35, 84 — h(er)re von Bar vnd von Ij)thnnge(ri), 44 — h(er)ren vnd gemahel.’ 84 —
h(er)ren vnd gemahels, 84 - h(er)ren von Baer, 6 - h(er)m von Bare vnd Lothringen), 1 — h(er)m von von
Bar, 56 - he(re)n von Baer vnd von Lothringen), 82 — heren von Baer vnd von Lothringen, 82 — herren vnd
gemahels, 84 — Reynhart, h(er)tyog(en) yu Bar vnd Lothringen), h(er)tyug(en) vnd margg(ra)ffen,
margg(ra)jfen yu Pontemous vndg(ra)ffen yu Guise, 41 - Reynhart, bertypge(n) yu Baer etc., 45 - Reynhart,
hertyogen yu Bar vnd yu Lotthr(ingen), margg(ra)ffe, margg(ra)jfe yu Pontemons vnd graffe yu Guise, 42. —
au d(it) duc de Bar, 48 — le duc de Bar, 48 — mon d(it) s(eigneur) de Bar, 3, 59 - mon dit s(eigneur), 26 —
mondseign(eur) de Bar, 28 - mons(eigneur) [de] Bar, 3 - mons(eigneur) de Bar, 28, 40, 46, 59, 64, 66 -
mons(eigneur), 26 — monseign(eur), 26.
Anjou, Yolande von (fl486), Tochter Renés, heiratet 1444 Friedrich von Vaudémont, den Sohn
Antons
l’aimee fille de mon t(re)schier s(eigneur) (et) cousin le duc de Bar, 60 — l'aimee fille de mons(eigneur) le duc de
Bar, 62.
Bar und Lothringen, Elisabeth (Isabel), Herzogin von, - Markgräfm von Pont-à-Mousson, Gräfin
von Guise etc. (um 1410-1453) - Tochter Karls von Lothringen - heiratet 1420 René von
Anjou, - Cousine Elisabeths
Elisabeth, hertyoginne yu Bare vnd yu Lothringen etc., 8, 31, 35 - Elisabeth hertyoginne yu Bare vnd yu
Lothringen etc., 17, 84 - Elisabeth, h(er)tyogy(n)ne yu Bar vnd yu Lothringen), h(er)tyogynne vnd
margg(ra)jfiynne, margg(ra)jfiynne yu Pontemous vnd g(ra)fjynne yu Guise, 27 — Elisabeth, hertyogynne(n) yu
Bar vnd yu Lothringe(n), hertyogynne(n) vnd margg(ra)jfiynne, marggr(a)ffynne yu Pontemons vnd g(ra)ffynne
yu Guise, 4 - Elisabeth, bertyogynne(n) yu Bar vnd yu Lothringe(n) vnd margg(ra)jfynnen, margg(ra)fjynnen
yu Pontemousson vndgraffynne(n) yu Guise, 5 — fraurn von Baer etc., 82 — myn(er) gnedigen fraurnn vnd
m Urnen, der hertyogynne(n), 42 — vnser gnedigen fraurnn vnd mùmen von Bar vnd von Lothringe(n) , 44 —
fraum(n) von Baer etc., 30 — firauwen von Bar, 7 - fraum(n) von Bar, 34 —furstynnen,framve(n) Elisabeth,
Elisabeth etc., h(er)tyogynne yu Bar vnd yu lothring(en), h(er)tyogy(n)ne vnd margg(ra)ffyn(n)e,
margg(ra)ffynne yu Pontemous vndg(ra)jjynn(en) yu Guise, 30.
la duchesse de Bar et de Lorrain(n)e etc., 26 — ma dame de Bar, 11, 28 — n(ot)re d(i)te compaigne, 40 —
n(ot)re d(i)te compaigne la duchesse, 40 — n(ot)re treschiere et tresamee compaigne la duchesse, 40.
Baudrecourt, Robert von
messire Robert de Baudrecourt, 39.
Bayern, Ludwig III., Herzog von, Pfalzgraf bei Rhein mons(seigneur) de Bauui(er)e 33, 37, 39
Eraum von Beyg(er)en 11 siehe Görlitz, Elisabeth
Bensdorf/Benestroff (Dép. Moselle), (Herren) von -2
Blamont, Margarete von (fl469), heiratet um 1415 Thiebaut de Blämont - Schwester Elisabeths
und Antons von Vaudémont
ma seur de Blamont et la v(ot)re, 48.
383
Boppard, Konrad II. Bayer von, - Bischof von Metz 1416-1459.
bischoff von Metren, 9 — biischoue von Metren, 84 — Conradbischoff %u Met^e, 72, 58 — Conradt, bischoff
%u Met^e, 78 - Conradt, bischoffe %u Met^e, 53, 61, 68 - Conradt, byschoff Met%e, 75 - Conraid,,
bischoff %u Metren, 73, 76 - Conraid bischoff ffj Metren, 57 — Conrad bischoff %u Metren, 52 — Are« «o«
Met^e, 82 - h(er)n von Met^e, 50, 54, 55, 68, 70, 74, 80, 81 — h(er)n von Met^e etc., 58 — h(er)r von
Met%e, 51 — h(er)re von Met^e, 79 — h(er)ren van Met^efn), 71 — l’euesque de Mets, 63 — mon d(it)
s(eigneur) de Mets, 66 - monsfeigneur) de Mets, 59, 66.
Burgund, Philipp III. (der Gute), Herzog von, (f 1467)
mon d(it) s(eigneur) de Bourgfongjne, 38 — mon redoubtess mons(eigneur) le duc de Bourgoigne, 46 — mon
t(re)sredoubte seign(eur) mons(eigneur) de Bourgfogjne, 38 — monsfeigneur) de Bourgfogjne, 36 — monseigne(ur)
de Bourgongne, 32 — n(ot)re treschier et tresame s(eigneur) et cousin de Bourgfog)ne 26.
Castel, Friedrich von
Frideriche von Castel, 55 — Friederich von Castel, 80.
Castel, Johann von, Schwiegervater des Dietrich von Püttlingen
Johan(n)e von Castel etc., 2.
Castel, Lamprecht von
Famprecht von Castel, 53 - Famprechte, 53.
Clermont, Pierre von
mes(sire) Pierre de Cleremont, 59 — mess(ire) Pfierjre de Cle(re)mont, 65 — mess(ire) P(ier)re de Clermo(n)t,
63, 67 - mess(ire) Piere de Cleremo(n)t, 64 - mess(ire) Pierre de Clemont, 60 - mess(ire) Pierre de
Cleremont, 59, 62, 66 — Pierre de Cleremo(n)t, 46 — au d(it) mess(ire) P(ier)re, 63, 66 — du dpt) mess(ire)
Pfierjre, 62, 63 — le dfit) mess(ire) Pfierjre, 63 — le dfitj messfire) Pierre, 59, 64 — messfirej Pfierjre, 63.
Craincourt, Andruwin von
Anderwin, 57 - Androwin von Criencürt, vnßer burggfrajue Nomeney, 57 - Andruwin, 58 — Andruwin
von Criencourt, 58.
Dhaun zu Oberstein, Philipp von, Schwiegervater von Johann von Kriechingen
Phillips von Düne, hferjre \um Obimsteyne, 4 — Phillips von Dune, hferjre ^um Obimsteyne, 4.
Dhaun, Konrad II. Wildgraf von, Erzbischof von Mainz 1419-1434
monsfeigneurj de Mayance, 33, 37, 39.
Epinal, Vogt von
vogt von Spinal, 84 — vogtes von Spinal, 84 - voygt von Spinal, 82.
Ernnebach, Johann von
Johan von Ernnebach, genant Mulenstein, 4.
Esch, Gerhard von
Gerhard von Esche, 4.
Esch, Hesse von, - Sohn des Johann, Edelknecht von Esch, Vasall von Nassau-Saarbrücken
Hesse von Esche, 4.
Faust von Diebach, Johann, genannt Knebel, - Amtmann Elisabeths
384
Johan Fust von Dieppach, 8 — Johan Fust von Dieppach, genant Knebel, amptman, 5 — Johan Fust von
Dieppach, genant Knebelamptman(n), 4 — Joban(n), 9 — Johan(n) Fust von Dieppach, genant Knebel, 9 —
Johan(n) Fasten von Dieppach, 16 — Knebel vnser amptman, 23 — Knebeln, 53.
Görlitz, Elisabeth, Herzogin von (-j-1451), - Königliche Prinzessin von Böhmen und Erbin von
Luxemburg, - heiratet (1) 1409 Antoine, Herzog von Burgund (fl415), - heiratet (2) 1418
Johann, Herzog von Bayern-Straubing
myn(er) fraum(n)gnade von Beyger(en), 77.
Hagen, Johann von, Herr zur Motten (f 1444)
Johan vom Hagen, h(er)re tpir Motten, 4.
Harcourt, Marie d’, Gräfin von Vaudemont (J'1476), - heiratet 1416 Anton von Vaudemont
v(ot)re compaigne (et) espornte, 11 - v(ot)re jem(m)e, 46 - v(ot)referne (et) esponsp, 28.
Hermann, Elisabeths “Diener” (eventuell mit Hannemann von Saarbrücken identisch - siehe auch dort)
H(er)ma(n) uw (er) diener, 76.
Hondelange / Hondelingen, Johann von
vnder my(n)s neue(n) Johans Siegel von Hondeling, 56.
Kern von Siersberg, Gerhard
Gerhard Kerne von Sirsberg, 4.
Kerpen, Johann von, Herr zu Varsberg, (fl462)
Johan, 13, 19, 20, 21, 23, 27 - Johan, here gu Kerppen vnd yu Warsberg, 18, 25 - Johan, here %u Kerppen
vnd pi Wars^berg, 9 - Johan, her(n) %o Kerpen vnd %o Warsp(er)g, 12a - Johan, h(er)n gu Kerppen vnd yii
Warsberg, 18 — Johan, h(er)re yu Kerppen vnd %u Warsfferjg, 12b - Johan von Kerppen, 4, 6, 7, 42 —
Johane, h(er)n gu Kerppen vnd pu Warsb(er)g, 20 —Joh(ann), 49 — Johan(n), 18, 19, 27 — Johan(n), here
%u Kerppen, 18 — Johan(n), here %u Kerppen vnd yu Warsberg, 18, 22, 24 - Joha(nn), her(n) %o Kerpejn)
vnd %o Warsp(er)g, 24 - Johan(n), h(er)n yu Kerppen, 18 — Johan(n), her(re) yu Kerpen vnd %u Warsb(er)g,
10 - Johan(n), h(er)re %u Kerppen vnd %u Warsb(er)g, 47 - Johan(n), h(er)re s?u Kerppen vnd pu
Warßb(er)g, 14 — Johan(n) von Kerppen, 27, 49 — Johan(n)e, h(er)n yu Kerppen vnd yu Warsberg, 19, 21,
23 — Johan(n)e, h(er)r pu Kerppen vnd %u Warsberg, 13 — Kerpen, 10 — Kerppen, 25 — den von Kerpen, 17
— de% von Kerppen, 6, 16.
Jeban de Cerpen, 26 - Jehan de Kerppe, 15, 28, 66 - Jeban de Kerppen, 28, 46 - le d(it) de Kerppen, 3 — /<?
d(it) Jehan de..., 3 - le dit Jehan, 26.
Kriechingen, Johann III., von, - Herr zu Pittingen, zu Dagstuhl und Varsberg - verheiratet mit
Elsa von Dhaun, Tochter von Philipp von Daun zu Oberstein (1403-1435)
Johan, h(er)n %o Krychingen, 12a - Johan, h(er)n %u Criechinge(n), 19 - Johan, h(er)re yu Crichingen, 4,
12b, 14 - Johan, h(er)re cp* Criechingen, 4 — Johan(n), 14 — Johan(n), here yu Criechingen, 18 — Johan(n),
here yu Criechinge(n), 18 - Johan(n), h(er)n %u Crichingen, 14 - Johan(n), h(er)n %u Criechinge(n), 13 -
Johan(n)e, h(er)n %u Criechingen, 50 - Johann(en), h(er)n gu Crichingen, 44 - Johans, h(er)n pu Crichingen,
14 - Johans, h(er)n pu Criechingen, 19.
Laissart, Mondert von
Mondert de Laissart, 46.
Lothringen, Karl, Herzog von, (um 1364-1431) - Onkel Elisabeths
Karle, h(er)tpog(en) pu Lothringen) vnd margg(ra)ffen, 1.
Mayance, monseigneur de (siehe Dhaun, Konrad II. Wildgraf von)
385
Nassau, Junker Philipp von, (wohl Bastard eines Grafen von Nassau-Saarbrücken)
Phillips von Nassauwe, 4.
Nassau-Saarbrücken, Elisabeth (Isabel), Gräfin von (1394/1397-1456), - Tochter Friedrichs von
Lothringen, Graf von Vaudemont, und Margarethes von Joinville, - heiratet 1412 Philipp I.,
Graf von Nassau-Saarbrücken, - verwitwet 1429
Elisabeth, 18 — Elisabeth etc., 10, 27, 34, 41, 49, 58, 68, 79, 80, 81 — Elisabeth, g(ra)jjynne(n) p
Nassaum vnd p Sarbrucken, 4 - Elisabeth von Eoirthringen, grajynne wiettwie pu Nassauwe vnd pu
Sarbrucken, 6 — Elisabeth von Eothringe(n), g(ra)jfynne witwa p Nassaum vnd p Sarbrucken, 5, 14, 44,
42 — Elisabeth von Eothringe(n), g(ra)fjynne witwa p Nassauwe vnde p Sarbrucken, 75 — Elisabeth von
Eothringen, g(ra)jjynne witwe p Nassauwe vnd p Sarbrucken, 4 - Elisabeth von Eothringen, grafjynne(n)
witwa p Nassauwe vnd p Sarbrucken, 12b — Elisabeth von Eothringen graui(n)ne p Nass(au) vnd p
Sarbr(ucken) , 8 — Elisabeth von Eothr(ingen) graui(n)ne p Nass(au) vnd p Sarbrucken, 17 — Elisabeth
von Eothr(ingen), graui(n)ne p Nass(au) vnd cp Sarbr(iicken), 31, 35 — Elisabeth von Eothring(en),
wiedewa von Nassauwe vnd von Sarbrucken, 1 - Elisabeth von Lotthr(ingen) etc., 2, 20 - Elisabeth von
Eotthr(ingen), g(ra)jjynne widewe p Nassauwe vnd cgi Sarbrucken, 9 — Elisabeth von Eotthr(ingen),
g(ra)jfjynne(n) widewe p Nass(au) vnd p Sarbr(ucken), 24b — Elisabeth von Eotthr(ingen), g(ra)jjynne(n)
p Nassauwe vnd cp Sarbrucken, widewe, 18 - Elisabeth von Euthringen etc., 41 — Elisabethen von
Eothringen, graui(n)ne wittewe cp Nass(au) vnd cp Sarbr(ucken), 84 — Elisabethen von Euthringen, grajynne
wittuwe Nassauwe vnd cp Sarbrucken dd, 72 — Elicpbeht van Entringen, witwe, grafinen cp Naßowen vnd
Cp Sarbrucken, 52 — Elisabeth von Eothr(ingen), g(ra)fjynne widewe cp Nassauwe vnd cp Sarbrucken, 53 -
Elicpbeth von Eothringen, g(ra)jfynne widewe cp Nassaufwe vnd cp] S [ar] brücken, 68 — Elisabeth von
Eothr(ingen), g(ra)fjynne(n) wittwe cp Nassouwe vnd cp Sarbruck(en), 73 — Elicpbeth von Eothr(ingenj,
grajjfynne witwa p Nassauwe vnd Sarbrucken, 82 — Elipbeth von Eothr(ingen), grajjynne(n) wittwe p
Nassouwe(n) vnd p Sarbruck(en), 76 - Elipbeth von Eothr(ingen), widewe p Nassouwe vnd p
Sarbrucken etc., 57 — Elipbeth von Eotthr(ingen) etc., 16, 51, 54, 61 — Elipbeth von Eotth(ringen) etc., 7
— Elipbeth von Eotthr(ingen), g(ra)jjynne etc., 23 — Elipbeth von Eotthr(ingen), g(ra)jjynne widewe p
Nassauwe vnd p Sarbrucken, 13, 19, 21, 25, 45, 50, 55, 70, 74, 78 - Elipbetht van Eothringen,
graueynne widewe p Naussauwe vnd p Sarbrucke(n) etc., 71 — Elipbetht von Eotth(ringen), g(ra)ffynne(n)
wydewe p Nassouwe vnd p Sarbruck(en) etc., 83 — Elipbetht von Eotthringe(n), graueynne wydewe p
Nassouwe vnd p Sarbrucke(n), 77 — Ellysabet vo(n) Eotrynge(n), grejfyne(n) witwa p Nassauwen vnd p
Sarbrucken, 12a — Ellyssabet va(n) Eottiy(n)ge(n), g(ra)jjyne(n) nytwa p Naßuwe(n) vnd p Sarbrucken,
24a — frauwen von Nassauwe, 5 — frauwe(n) von Nassauwe, 22 — der greuynne(n) p nasauwe vnd p
sarbrucken, widebe, 56.
Jsabel de Eorra(in)ne contesse etc., 33, 37, 46, 59 - Jsabel de Eorrai(n)ne, 39 - Jsabel de Eorrain(n)e
contesse vefue de Nassauwe (et) de Sarrebruche, 62 — Jsabel de Eorrain(n)e etc., 3, 28, 66 — Jsabel de
Eorraine etc., 11, 64 - la contesse de Nassauwe (et) de Sarrebruche, 65, 67 - la contesse de Nausowe (et) de
Sarrebruche, 60 — la contesse de Naussauue (et) de Sarrebruch, 32, 36, 38 — la contesse de Naussauue et de
Salebrusse, 48 — la contesse de Nausso et de Sarrebruche, 29 — la contesse de Naussoe (et) de Sarrebruche, 26,
40, 63 — ma dame la contesse de Na(u)ssewe (et) de Salbruche etc., 43.
Nassau-Saarbrücken, Johann II., Graf von, (1423-1472) seit 1442 Graf zu Saarbrücken,
Commercy etc. - Sohn Elisabeths
Johan myme sonne, 42 — Johan myn son, 6 — Johann myme son(n)e, 7 — Johans myns sons, 27 — Jehan mon
fif v(ot)re nepueulgj 3 — n(ot)re dit cousin de Sarrebruche v(ot)re fil%g 40.
Nassau-Saarbrücken, Philipp I., Graf von (jT429), heiratet (2) 1412 Elisabeth von Lothringen-
Vaudemont
386
myn lieber h(er)re vnd gemahel, 1.
Norroy, Philipp von
h(er)n Philipes, 52 — hferjn Philips, 52 — Philipes van Noweroy, 52 — Philips von Nomroy(en), 51.
Oberstein, Johann von
Johan vom Obimsteyne, 4 — Johan vom Obimsteyne, amptma(nn) yu Sant Wendelin, 4.
Peter, Bote des Johann von Kriechingen
Peter dyme boden, 44.
Pfaffenhofen, Gerhard von, - Beliis der Grafschaft Vaudemont
Guerardt, 28 — Guerart, 28 — Guerardt mon bally, 15 — Guerart v(ot)re baillj, 28 — Guerart v(ot)re bailly,
28, 64, 66 - mon baillj de Vaudemont\ 65 - mon dpt) baillj, 15.
Püttlingen, Dietrich von
Diederich von Putling(en), 80 - Diederiche von Puttelingen, 55, Rhein, Pfalygraf bei, jv Bayern
Rittenhofen, Hans von, Schultheiß von Saarbrücken
Hannes von Ritenhouen, umr amptma(nn) vnd scholth(eiß) yü Sarbrücken, 8 - Hans, myne(n) scholthessen,
53 — Hans, scholthesse(n), 18 — Hans von Rdtenhojen, 16, 18, 19 — Hans von Rdtenhofen, scholth(ess) yu
Sarbrücken, 4, 5, 22 — Hans von Ritenhofen, scholthessen yu Sarbrücken, 18 — Hanse, туте scholthessen,
68 - Hansen, myne(n) scholthessen, 53 - scholteße von Sarbrucke(n), 57 - den scholteße(n), 57 - der
scholth(ess), 24b — myn scholth(ess), 58 — myn vorg(enanter) scholth(ess), 58 — vns(er) eg(enan)n(ter)
scholth(ess), 25 - umr scholth(ess), 24b - mynen scholtheißen von Sarbr(ucken), 58 - vnser scholthesse, 21,
23 — vns(er) scholthesse, 20 — vns(er) scholthesse ju Sarbrücken, 25 — scholthesse(n), 25 - eg(enante)n
vns(er)m scholthesse(n), 25 — vns(er)me eg(enante)n scholthessen, 25 — umr scholtyß, 24a.
Hanns monp(re)uost de Sarrebruche, 59 — mon d(i)tp(re)uost, 59.
Rodemachern, Johann II., Herr zu, Herr zu Kronenburg und Neuerburg (1410—1439)
Joham, h(er)re yu Rodemacher(n) etc., 71 - Johan, herre jo Rodemach(er)n etc., 56 — Johan, h(er)re jo
Rodemach(er)n etc., 77, 83 — Johan(n), h(er)n yu Rodern ach (er)n, yu Crone(n)berg vnd yur N um (r) bürg, 55
— Joh(ann), h(er)ren yu Rodemach(er) yu Cron(en)b(ur)g vnd yur Numnburg, 68 — Johan(n)e, h(er)n yu
Rodermach(er)n, yu Crone(n)b(er)g vnd yur Numrburg, 70 - vns(er)me neuen von Rodern ach (er) n, 79 -
vns(er)n neue(n) von Rodemach(er)n, 1 — Rodemach(er)n, 81.
Rollingen (JSuldingen), Herren von, auch Herren von Siebenborn, Dagstul und Bensdorf
die von Benestorff, 2.
Rollingen, Jakob von, Herr zu Siebenborn und zu Dagstuhl
Jacop von Ruldinge(n), 57.
Rollingen Georg (Jörgen) von, Herr zu Siebenborn und zu Dagstuhl
Joergen von Raddingen, 42 - Joergen von Raddinge(n), 55 - Jeorgen von Roddingen, 6 — Jorge von Raddinge(n),
51 — Jorge von Roildingen, h(er)re yu Siebenbom vnd yu Hage Stul, 4 —Jorgen von Raddingen, 82 — Jorge(n)
von Raddinge(n), 57 — Jorgen von Rulding(en) etc., 79 — Jorgen von Radding(en), h(er)m yu Siebenbom vnd
ju Hage stul, 49.
Joerge de Raiuille, 3.
Saarbrücken, Hannemann von, Diener (serviteur) Elisabeths, später Amtmann zu Commercy
Han(n)eman von Sarbruck(en), 7 — Ha(n)neman von Sarbrücken, 42 — Ha(n)neman(n) von Sarbr(ucken),
58 — Hanneman(n) von Sarbrücken, 8 — Ha(n)nemann von Sarbrücken, 4.
Ha(n)neman, 28 — Han(n)ema(n)n de Sarrebruche, 28 - Hermand, 40.
387
Savigny, Friedrich (Ferri II.) von, Herr zu Taintrux, Croismare, Lannoy und d’Ormes, Bellis von
Nancy, lothringischer Rat und Gelehrter (fl 456)
Frederich von Saui(n)gny(en), 82 — Friderichs von Sauigney, 84 - h(er)n Friderich, 84 - h(er)n Frideriche,
84.
St. Nabor, Anselm von
Ansei von Sant Nabor(en), 58 —Anshelm von Sant Nabor, 57.
Stauffenberg, Wersich von
Wersieh, 84 — Wersich von Stauffenberg, 84 — Wirsich von Stauffe(n)b(er)g, 82.
Turme, Wentzlin vom / Wainczelin de la Tour, Herr zu Conflans
Wentffin vom Turne, 76.
mes(sire) Wainczelin de la Tour, 59 — mess(ire) Wainsselin de la Tour, 63.
Urley, Wilhelm von
Wilh(elm) von Ourley(en), 80.
Varsberg, Leute und Hauptleute von
gens (et) cappitaines du dpt) Wamesp(er)g, 46.
Vaudemont, Anton, Graf von, Herr zu Joinville, Rumigny, Boves, Florennes etc., Sohn Friedrichs
von Lothringen, Graf von Vaudemont, und Margarethes von Joinville - Bruder Elisabeths
(fl 456)
Anthon von Lothringen etc., 6 - üblicher bruder, 76 — myme brud(er), 34 - bruder von Widemo(n)t, 44 -
bruder von Wiedemont, 7, 16, 42, 55 — bruder von Wiedemo(n)t, 7, 49 — bruder von Wydemont, 31 — yu
myme brud(er) von Wydemo(n)t, 27 — uw(er)m bruder von Wydemont, 35 — bruder von Wydemo(n)t, 47 —
brud(er) von Wydemo(n)t, 30 — bruder von Wydemont, 17 — uw(er)s brüders von Wydemo(n)t, 84 — here von
Wiedemont, 22 — h(er)r von Wiedemont, 18 — van Wydemo(n)t, 3.
Anthoine de Lorra(in)e conte de Laudemo(n)t, 63 — Anthoine de Lorrai(n)ne etc. conte de Vaudemont, 60 —
Anthoine de Lorraine, 36, 38 — Anthoin(n)e de Lorrain(n)e etc., 15, 67 — Anthoine de Lorraine etc., 29,
32, 48 — Anthoinne de Lorrainne etc., 65 — le conte de Wademont, 40 — mons(eigneur) Antbo[i]nne de
Lorra(in)ne etc., 11, 33, 37, 39 - [seigneur Anthoinne] de Lorrain(n)e conte de Vaudlemont], 3 — seign(eur)
Anthoi(n)ne de Lorraine conte de Vaudemont etc., 46, 59, 64, 66 — seigneur Anthoin(n)e de Lorraine etc.,
62 - v(ot)re ditfrere, 40.
Vaudemont, Friedrich (Ferry) von (1417-1470), Sohn Antons von Vaudemont, Neffe Elisabeths,
Feny, 60, 62.
Vergy, Jean Bastard von, Herr zu Richecourt, legit (“fl457)
bastard von Lergis, 84 - bastart de Vergey, 39.
Vienne, Nicola de, - Hauptmann in Varsberg für Anton von Vaudemont
Nicolla de Vie(n)ne capp(itain)e de\ Wamep(e)rt, 43.
Vümpel, Bote von Johann von Kerpen
Vümpel dime boden, 23.
Wolfstein, Johann von
Johan von Wolffestein, 4, 55.
Zienchel, Bürger
minen burg(er) Zienchel, 13.
388
Individuelle Züge in spätmittelalterlichen Briefen am Beispiel der
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
NinaJanich
1. Einleitung
Georg Steinhausen bestreitet in seiner 1889 erschienenen ,Geschichte des deutschen Brie-
fes, die Existenz brieflicher Individualität im Spätmittelalter: „Zu keiner Zeit hat aber die
Form mehr gegolten, ist mehr geheiligt gewesen, als im Mittelalter. Ihr Übergewicht, ihre
ewige Gleichheit und Gesetzlichkeit erstickte jede Individualität und ließ sie nicht auf-
kommen. Namentlich in dem ausgehenden Mittelalter (...) tritt das Formelle und Kon-
ventionelle stark hervor.“1
Trifft dies schon auf die von Steinhausen besonders ins Auge gefaßten Privatbriefe zu, so
ist Einförmigkeit und Formelhaftigkeit in geschäftlichen Briefen wohl noch viel mehr zu
erwarten. Die Existenz und traditionsreiche Vergangenheit von Kanzlei-, Formular- und
Titularbüchern sowie Briefstellern, also Sammlungen von Brief- und Urkundenmustern,
scheint diese These zu bestätigen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts liegen zahlrei-
che lateinischsprachige Briefsteller und Formularbücher und auch schon erste deutsch-
lateinische und rein deutschsprachige Mustersammlungen vor2. Die letzteren können je-
doch erst ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts als verbreitet gelten3.
Im ausgehenden Mittelalter existierte also ein festes Normengerüst zumindest für die ge-
schäftliche Briefkommunikation, das bis in die private Korrespondenz hineinwirkte. Zu
diesen Normen zählten ein streng festgelegter, an der Rhetorik orientierter Briefaufbau,
detaillierte, standesabhängige Anredevorgaben und ein ebenfalls ständisch geregelter
Ehrwörtergebrauch. Die Mustersammlungen ,vorbildlicher’ realer oder fiktiver Briefe be-
inhalteten selbst Anweisungen für einzelne adressaten- und absenderspezifische Formulie-
rungsmuster innerhalb der Narratio eines Briefes, dies umso mehr, wenn es sich um
rechtsverbindliche Termini und Redewendungen handelte: ,,[D]er ohnehin schon konven-
tionelle Brief wird zum einfach ausfüllbaren Formular [,..].“4 Laut Reinhard Nickisch
1 Steinhausen, Georg: Geschichte des deutschen Briefes, /ur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Erster Teil, Dub-
lin/ Zürich 1968 [Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. von 1889], S. 39.
2 Rockinger, Ludwig: Über foimelbücher vom dreizehnten bis zum sechzehnten jahrhundert als rechtsgeschichtliche quel-
len, München 1855, S. 75-79.
3 Zur Geschichte der Formularbücher vgl. den Abriß bei Nickisch, Reinhard M.G.: Die Stilprinzipien in den
deutschen Briefstellern des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit einer Bibliographie ZV Briefschreiblehre (1447-1800), Göt-
tingen 1969 (Palaestra. Untersuchungen aus der deutschen und englischen Philologie und Literaturge-
schichte 254), S. 17-21, und die dort angegebene weiterführende Literatur. Vgl. außerdem Rockinger:
Überformelbücher (wie Anm. 2), S. 98 und Müller, Johannes: Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachli-
chen Unterrichtes bis %ur Mitte des 16. Jahrhunderts, Hildesheim/ New York 1969 (Documenta Linguistica.
Reihe V: Grammatiken des 16. bis 18. Jahrhunderts) [Reprograf. Nachdruck von 1882], S. 361 f.
4 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 104.
389
konnte daher eine „irgendwie eigentümlich geformte sprachliche Äußerung [...] nicht zu-
stande kommen, wurde auch gar nicht erwartet“5.
Ob sich diese These eines prinzipiell fehlenden persönlichen Stils im Spätmittelalter bestä-
tigen läßt, wird im folgenden anhand eines Briefwechsels der Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken überprüft, wobei die Problematik, daß es sich hier um geschäftliche Korres-
pondenz der Saarbrücker Kanzlei und nicht etwa um eigenhändige Privatbriefe der Elisa-
beth handelt, gerade unter diesem Gesichtspunkt nicht aus dem Blick geraten darf.
Materialgrundlage sind 40 deutschsprachige Briefe aus dem Zeitraum 1432-1434, die als
Konzepte oder Abschriften in der Saarbrücker Kanzlei der Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken angefertigt und aufbewahrt wurden und heute im Landesarchiv Saarbrücken
einzusehen sind. In diesem zeitlich eng begrenzten Briefwechsel wird ein Streit um die
Burg Groß-Varsberg ca. 20 km Luftlinie südwestlich von Saarbrücken geführt, so daß die
untersuchten Briefe auch thematisch eng zusammengehören und in ihrer Abfolge einen
guten Überblick über den Streitverlauf geben.6
Nach einer kurzen Rekapitulation der zugrundeliegenden historischen Situation wird sich
ein Abschnitt mit der Frage befassen, inwieweit die Elisabeth-Briefe den zeitgenössischen
Vorgaben und Normen folgen und inwiefern eventuell bereits hier Möglichkeiten der Va-
riation genutzt werden. Darauf folgt eine Untersuchung der Briefe unter dem Aspekt, in-
wieweit Elisabeth als Person in den Briefen sichtbar wird. Ein abschließender Abschnitt,
in dem es auch um die Autorenfrage gehen muß (keiner der Briefe ist eigenhändig), prüft
die Ergebnisse daraufhin, inwieweit man von einem persönlichen Stil bzw. individuellen
Zügen in den vorliegenden Briefen sprechen kann.
2. Der historische Hintergrund und die Briefpartner
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (ca. 1394 bis 1456), Tochter des Grafen Friedrich von
Vaudémont und der Margarethe von Joinville, heiratet 1412 Philipp I. von Nassau-
Saarbrücken und übernimmt nach dessen Tod 1429 die Verwaltung der Grafschaft bis zur
Übernahme der Regierung durch ihre Söhne Philipp II. und Johann III. Ihr Sohn Johann
steht im Dienst des Herzogs von Lothringen. Dies ist 1429 noch ihr Onkel Karl IL, ab
1431 aber dessen Schwiegersohn René/ Reinhart von Anjou. René ist seit 1424 Herzog
5 Nickisch: Stilpnn-^ipien (wie Anm. 3), S. 22.
6 LA Saarbrücken, Best. N-S II (=Depositum LHA Koblenz Abt. 22). Die hier zitierten Transkriptionen,
bei denen Kürzel alle aufgelöst erscheinen, wurden im Rahmen eines Editionsprojektes des Germanis-
tisch-historischen Arbeitskreises an der Universität Mainz unter Leitung von Prof. Dr. Albrecht Greule
und Prof. Dr. Karl-Heinz Spieß erstellt und liegen in dem Beitrag „Varsberg-Korrespondenz“ in diesem
Band S. 254-366, ediert vor. Zum Streitverlauf im Detail vgl. außerdem den Beitrag von Jürgen Herold
in diesem Band S. 231-254. Bei Ausarbeitung dieses Aufsatzes waren die Transkriptionsarbeiten noch im
Gange, so daß die verwendete Materialbasis um einiges kleiner ist als die jetzt gesamt vorliegende Vars-
berg-Korrespondenz. Da insbesondere die französischen Briefe noch nicht einbezogen werden konnten,
sind die Ergebnisse der Untersuchung möglicherweise entsprechend zu erweitern.
390
von Bar und erlangt 1434 die Nachfolge im Herzogtum Anjou und dem Königreich Sizi-
lien.
Der Varsberg-Streit fällt nun genau in die Zeit der Auseinandersetzung zwischen René
von Anjou und Elisabeths Bruder, Anton von Vaudémont, der als Neffe Karls II. gegen-
über René 1431 Ansprüche auf das Herzogtum Lothringen anmeldet, da er die weibliche
Nachfolge über seine Cousine, Isabella/EIisabeth von Lothringen, Tochter Karls II. und
Frau Renés, nicht akzeptiert. Der Streit um das Herzogtum Lothringen entwickelt sich zu
einem Politikum europäischer Dimension7.
Diese Auseinandersetzung ist aus mehreren Gründen für den Varsberg-Streit wichtig. Jo-
hann von Kerpen ist Teilhaber der Burg Klein-Varsberg, die zum Saarbrücker Lehen ge-
hört. Dadurch ist er lehnsabhängig von Elisabeth. Als seinen Herrn nennt er in den Brie-
fen jedoch Anton von Vaudémont. Die benachbarte Ganerbenburg Groß-Varsberg, um
die der Streit hauptsächlich geht und die Johann von Kerpen von Klein-Varsberg aus un-
rechtmäßig und vor allem unangekündigt im Sinne einer regulären Fehde besetzt hält, be-
saß bereits Elisabeths Mann Philipp als lothringisches Lehen. Johann von Kerpen unter-
nimmt nun von Groß-Varsberg aus (wahrscheinlich im Auftrag oder zumindest mit der
Billigung Antons) räuberische Streifzüge in die Umgebung, wobei er besonders den Besit-
zungen Renés von Anjou Schaden zufügt, was diesen wiederum veranlaßt, von Elisabeth
Schadensersatz zu fordern, da sie für diese Burg als einem lothringischen Lehen verant-
wortlich ist.
Der Varsberg-Streit zwischen Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und Johann von Kerpen
ist also ein Kampfschauplatz der Auseinandersetzung zwischen René von Anjou und An-
ton von Vaudémont, aus dem sich Elisabeth eigentlich neutral heraushalten wollte. Das
erklärt, warum auch René und Anton neben Johann von Kerpen als Briefpartner Elisa-
beths auftreten8. Während der burgundischen Haft Renés wendet sich Elisabeth brieflich
an ihre Cousine Isabella von Bar und Lothringen, Renés Frau. Weitere Briefpartner sind
Bischof Konrad von Metz, der als Vermittler und Parteigänger Renés auftritt und einer-
seits Hauptgeschädigter der räuberischen Ausfälle Johanns, andererseits letztendlicher
Nutznießer des Konflikts durch den Erhalt der Burg ist, sowie einige Lehns- und Dienst-
leute der Elisabeth, deren Rolle im Konflikt wohl denen von ,Fehdehelfern ’ gleichkommt,
aber in den Briefen nicht immer ganz deutlich wird (Georg von Rollingen, Johann von
7 Zu Einzelheiten dieses Konflikts vgl. Mohr, Walter: Geschichte des Herzogtum Lothringen, Teil IV: „Das
Herzogtum Lothringen zwischen Frankreich und Deutschland (14.-17. Jahrhundert)“, Trier 1986, S. 73-
80, sowie die Beiträge in diesem Band von Hans-Walter Herrmann, S. 74ff, und Heinz Thomas, S. 165-
168 u. 175ff.
8 An ihren Bruder Anton von Vaudemont ist jedoch nur ein deutscher Brief erhalten, der Rest des Brief-
wechsels mit ihm ist in französischer Sprache gehalten.
391
Rodemachern - in den Briefen im Sinne klassifikatorischer Verwandtschaft9 als Neffe be-
zeichnet —, Johann von Kriechingen, Friedrich von Castel, Dietrich von Püttlingen)10.
Die Briefpartner lassen sich demnach aufgrund der für die mittelalterliche Briefgestaltung
sehr wichtigen Art der Partnerbeziehung drei Gruppen zuordnen: 1) Es besteht ein ir-
gendwie geartetes Untertänigkeitsverhältnis bzw. eine Hierarchie, bei der Elisabeth auf-
grund des Standes oder der Situation die Niedrigergestellte ist (gegenüber René / Rein-
hart, Isabella / Elisabeth, Bischof Konrad von Metz); 2) Elisabeth ist in der Hierarchie die
Höhergestcllte (gegenüber Johann von Kerpen und den Lehns- und Dienstleuten); 3) es
besteht ein mehr oder weniger gleichgestelltes Freundschaftsverhältnis, wobei hier der
Begriff der Verwandtschaft eingeschlossen ist (gegenüber ihrem Bruder Anton von Vau-
démont)11.
Eine weitere für die zugrundeliegende Fragestellung wichtige Anmerkung bezieht sich auf
den Status dieses Streits. Aus den Formulierungen in Elisabeths Briefen wird deutlich, daß
es sich nicht um eine reguläre, also formal korrekt angesagte Fehde handeln kann, auch
wenn die Auseinandersetzung mit Rückgabe- und Schadensersatzforderungen, Ultimatum
und Schiedstagen durchaus einen der regulären Fehde ähnlichen Verlauf nimmt12. So
schreibt Elisabeth beispielsweise an Johann von Kerpen, er habe ihr die Burg, obwohl er
der graffeschafft von Sarhrucken von manneschaff wegen verbuntlich sei, aen vede und aen vigenschafft
und unbewart diner eren abegeiauffen und angewonnen (11. Februar 1432) — Nr. 14. Auch in ei-
nem späteren Brief an ihre Cousine Isabella betont Elisabeth nochmals, daß der Überfall
aen vede und aen vigenschaff geschehen sei und sie Johann daher faste hohe, hart und swerlich bede-
dinget und an sine ere geschuldiget habe (19. April 1432) - Nr. 27.
Eisbet Orth betont die wichtige Rolle der Ehre im Fehdewesen, die durch eine formelle
Fehdeerklärung, einen sogenannten Widersagebrief, „bewahrt“ bleibe13. Zur Unterschei-
dung von Überfall und Fehde erklärt sie: „Ein Überfall ist durch den Akt des Überfalls
konstituiert, eine Fehde durch die Fehdeerklärung, nicht durch die Fehdehandlung. [...]
Die unzähligen Fälle, in denen jemandem Schaden zugefügt wurde und er darüber klagen
9 Zum Unterschied zwischen deskriptiver und klassifikatorischer Verwandtschaft vgl. Jürgen Herold in
diesem Band, S. 213ff.
10 Zum Verlauf des Streits in den Briefen vgl. Janich, Nina: „Höflichkeit und Streit in Briefen. Die Vars-
berg-,Fehde4 der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Brandt, Gisela (Hg.): Historische Soziolinguistik
des Deutschen III. Sprachgebrauch und sprachliche Leistung in sozialen Schichten und sozjofunktionalen Gruppen. Inter-
nationale Fachtagung Rostock / Kiihlungsbom 15.-18.9.1996, Stuttgart 1997 (Stuttgarter Arbeiten zur Germa-
nistik 351), S. 95-110, sowie den Beitrag von Jürgen Herold in diesem Band, S. 231-254 und die Edition
der Briefe S. 254-366. Sie werden im folgenden nach ihrem Datum und ihrer Nummer in der Edition
der Varsberg-Korrespondenz zitiert.
11 Ebert, Helmut: „Bemerkungen zur Syntax frühneuhochdeutscher Bittbriefe“, in: Betten, Anne (Hg.):
Neue Forschungen zur historischen Syntax des Deutschen. Referate der Internationalen Fachkonferenz Eichstätt 1989,
Tübingen 1990 (Reihe Germanistische Linguistik 103), S. 224-238, hier S. 225.
12 Orth, Eisbet: Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter. Fehderecht und Fehdepraxis im 14.
und 15. Jahrhundert, Wiesbaden 1973 (Frankfurter Historische Abhandlungen 6), S. 39, 64f.
13 Vgl. Orth: Die Fehden (wie Anm. 12), S. 80.
392
mußte, dies sei ,unabgesagü, ,unbewahrter Ehren4, also ohne Fehdebrief geschehen, gehö-
ren nicht zum eigentlichen Fehdewesen. Sie werden in den Quellen auch nicht als Fehde
oder Feindschaft bezeichnet. [...] Wo es sich nicht um Fehde handelt, können auch keine
vom Fehderecht gesetzten Grenzen eingehalten oder überschritten werden.“14
Die Formulierungsmuster der Geschäftsbriefe (Urkunden sind keine im Material enthal-
ten) müssen sich demnach nicht unbedingt an den strengen Rechtsformeln des Fehdewe-
sens orientieren, was eine Voraussetzung für die Möglichkeit der vorliegenden Untersu-
chung darstellt.
3. Vorgaben und Normen: ihre Befolgung und Variation
3.1. Briefaufbau
Der mittelalterliche Briefaufbau folgt strengen Gesetzen und orientiert sich noch ganz an
lateinischen Vorbildern bzw. der ihnen zugrundeliegenden ars dictandi, wie sie in lateinisch-
und dann deutschsprachigen Briefstellern, Rhetoriken und Formularbüchern propagiert
wird: Das Dispositionsschema umfaßt in der Regel Salutatio, Exordium, Narratio, Petitio
und Conclusio; je nach Briefsteller oder Formularbuch kann jedoch auch der eine oder
andere Teil fehlen (z. B. das Exordium und/ oder die Petitio)15.
ln den Elisabeth-Briefen zerfällt die Salutatio in der Regel dem Brauch gemäß, wie ihn
beispielsweise Carl Erdmann für das 11. Jahrhundert belegt16, in drei Teile: „Inscriptio
(Empfängerbezeichnung im Dativ), Intitulado (Absenderbezeichnung im Nominativ) und
Grußformel.“17 Die Reihenfolge bzw. Anordnung im Brief kann dabei variieren, bleibt
aber im Rahmen des Üblichen (zu Anrede und Grußformel vgl. 3.2. und 3.3.)18.
14 Orth: Die Fehden (wie Anm. 12), S. 55f.
15 Vgl. Erdmann, Carl: Studien ~^ur Briefliteratur Deutschlands im elften Jahrhundert, Stuttgart 1952 (Schriften des
Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde 1) [Unveränderter Nachdruck von 1938], S. 80 und
Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 103.
16 Vgl. Erdmann: Studien (wie Anm. 15), S. 73.
17 Vgl. Erdmann: Studien (wie Anm. 15), S. 73. Der Urkundenlehre entsprechend ist die Salutado kein
Überbegriff für Inscriptio und Intitulado, sondern die Bezeichnung für die Grußformel, die in früherer
Zeit oft grammatikalisch mit Intitulado und Inscriptio verschmolzen ist (vgl. Meisner, Heinrich Otto:
Aktenkunde. Fin Handbuch für Archivbenut^er mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens, Berlin 1935,
S. 67). Die drei Teile verselbständigen sich im Lauf des 15. Jahrhunderts und treten in den Elisabeth-
Briefen bereits immer unverbunden auf. Aufgrund der früheren Verschmelzung werden jedoch die Fra-
gen der Inscriptio und Intitulatio in den Formelbüchern meist unter dem Stichwort „Salutatio“ behan-
delt, daher wohl die Tendenz, „Salutatio“ als Überbegriff zu benutzen. Vgl. Steinhausen: Geschichte des
deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 41.
18 So steht die vollständige Titulatur des Adressaten mal auf der Rückseite des Briefes, mal unter dem Text;
vgl. auch Meisner (wie Anm. 17), S. 63. Die Absenderbezeichnung findet sich sowohl am Briefkopf als
auch als Unterschrift am Briefende.
393
Das Exordium als Einleitung des Briefs fallt, wenn es hauptsächlich als captatio benevolentiae
aufgetaßt wird19, prinzipiell mit der Salutatio zusammen, da weitere Schmeicheleien am
Briefanfang fehlen. Die Regel ist dagegen eine Einleitung in Form einer mit der Konjunk-
tion als eingeleiteten Rekapitulation des letzten selbst geschriebenen bzw. erhaltenen Brie-
fes oder vorangegangener Ereignisse20. Zusammenfassungen der Briefe, die Elisabeth zu-
vor erhalten hat und auf die sie hiermit antwortet, enden sehr häufig mit einer formelhaf-
ten Wendung der folgenden oder einer ähnlichen Form: des han ich ml verstan21. Nur selten
beginnen die Briefe direkt mit der Narratio und haben dann auch einen dringenden, ein-
dringlichen Ton22.
Es folgt die Narratio, also das Hauptstück des Briefes, in der sowohl bei Forderungsbrie-
fen gegenüber Niedrigergestellten als auch bei Rechtfertigungs- und Bittschreiben an Hö-
hergestellte vor allem der Konfliktverlauf rekapituliert und damit auch die eigene Un-
schuld und eigene Friedensbemühungen belegt werden. Die Grenzen zum Exordium ver-
schwimmen dabei oft. Die Länge der Briefe und die Ausführlichkeit der Narratio variieren
sehr stark: Höhergestellte bekommen häufiger längere Briefe als Niedrigergestellte, bei
letzteren überwiegt in aller Regel der Aufforderungscharakter gegenüber der Notwendig-
keit ausführlicher Rückblicke. Die Narratio geht meist unmittelbar in die Petitio, also zum
Beispiel in die Bitte um einen Schiedstag, um Geleitzusagen, um Erlaß der Schadenser-
satzforderungen oder in die Aufforderung zu einem Beratungstreffen über.
Die Briefe enden in der Regel mit einer Conclusio in Form einer Kurzzusammenfassung
oder einer formelhaften Bitte um Antwort bzw. einer Aufforderung, den Anweisungen
des Briefs Folge zu leisten, und einer abschließenden Segensformel oder formelhaften
Dienstversicherung23. Die Variationen halten sich hier in Grenzen, doch wie beim Ein-
gangswunsch besteht auch beim Schlußsegen die Möglichkeit, ihn zwecks Verdeutlichung
der Hierarchie wegzulassen (vgl. 3.4.). Eine Datumsangabe — meist nach dem Metzer Stil,
der von einem Jahresanfang am 25. März ausgeht — schließt die Briefe ab.
19 Vgl. Erdmann: Studien (wie Anm. 15), S. 81.
20 Vgl. z. B. Als umr gnade mir teste von der geschieht wegen Warsberg antreffende wider hait dun schriben ... (an Cousi-
ne Isabeila, 13. Februar 1432) - Nr. 16; als unser scholthesse uff gestern, mondag von dir gescheiden ist... (an Jo-
hann von Kerpen, 4. März 1432) - Nr. 21; als wir dir neste von der beder slosse Warßberg wegen geschrieben han ...
(an Johann von Kriechingen, 7. April 1433) - Nr. 50; als ich myne frunde %u cgweyen malen %u uwer liebe geschi-
ckt han ... (an Bischof Konrad von Metz, 15. April 1433) - Nr. 51.
21 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 51.
22 Vgl. z. B. einen Brief an Johann von Kerpen vom 10. Februar 1432-Nr. 45, in dem Elisabeth eine unver-
zügliche Schadensersatzleistung aufgrund seiner Ausfälle von der Burg Varsberg von ihm fordert: Johan,
uns ist uff hude wissen worden, d% du und ander dine gesellen, die mit dir %u Warsberg legen t, yt^e nuwelings vor Sante
Nabore die stat gerant sient und da einen armen burger genant Zienchelgefangen und ettliehe kante da selbs genommen ha-
bent. Oder einen Brief an René vom 15. September 1432-Nr. 45, in dem sie ihre Unschuld beteuert:
Hochgebomer fürste, gnediger lieber here,jch begem uwem gnaden %u wissen, d% mir Vorkommen ist, dsg ich vaste swerlich
■gu Ungnaden geen uwem gnaden vorbracht sij und allen dag vorbracht werde.
23 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 51 f.
394
3.2. Anrede
Die Anrede und der damit verbundene Ehrwörtergebrauch sind im ausgehenden Mittelal-
ter streng reglementiert und in einer breiten und traditionsreichen Anredeforschung be-
legt24.
Auffälligere Variationen finden sich am ehesten in den Briefen an Niedrigergestellte. An
Höhergestellte folgt Elisabeth recht genau den vorgegebenen Standesbräuchen und erwei-
tert die Grundformen Gnediger lieber hem (an René, 17. Juni 1432) — Nr. 42 bzw. Gnedige
Hebe frauwe und mume (an Isabella, 19. April 1432) — Nr. 27 bei Bedarf ehrerbietig zu Hochge-
bome furstynne, gnedige liebe fraum und mumme (an Isabella, 26. Januar 1432; entsprechend an
René) - Nr. 7. Sie vergißt in den Briefen an ihre Cousine, die als Fürstin im Rang höher
steht als die Gräfin und der sie zudem von der Situation her unterlegen ist, jedoch trotz
Ehrerbietung nie den mildernden, eine Form der Gleichstellung implizierenden Hinweis
auf die Verwandtschaft [mume).
Für den Bischof als Geistlichen gelten etwas andere Regeln: Er wird anfangs regelmäßig
mit Erwirdiger lieber hem (Nr. 51, 53, 54, 58, 61, 68) angeredet, im sich zuspitzenden Streit-
verlauf dann nur noch mit Eieber hem (Nr. 74, 75, 78). Hier zeigt sich ein Unterschied in
der Haltung oder zumindest der Situation Elisabeths: Je bedrängter sie ist, desto ehrerbie-
tiger schreibt sie gegenüber René und ihrer Cousine als ihrer Lehnsherrschaft. Beim Bi-
schof hat sie dieses Untergebenengefühl wohl nicht in dem Maß, denn ihm gegenüber läßt
die Höflichkeit und die Demutshaltung eindeutig im Verlauf des Streits nach (vgl. 4.3.).
Gegenüber Niedrigergestellten findet sich als Grundform Eieber getruwer an ihre Lehnsleute
gegenüber einer erweiterten Form Besondergude frunt zum Beispiel an Georg von Rollingen,
der zu diesem Zeitpunkt als ,Fehdehelfer’ offensichtlich gerade im Besitz der Burg ist.
Diesen Versionen steht die harsche und nur gegenüber Johann von Kerpen verwendete
Kurzfassung ohne Beiwort gegenüber: johan, ... (Nr. 10, 13, 14, 19-21, 23, 25, 47).
Die Briefpartner werden sehr häufig indirekt mit uwergnaden (bzw. der Bischof mit der für
Geistliche üblichen Anrede uwer lieben), ansonsten mit Ihr/Euch angeredet, während sich
Elisabeth in der Selbstdarstellung auf das bescheidene ich zurückzieht. Die Ihr-Anrede ist
seit dem 14. Jahrhundert allgemein für nicht-vertraulichen Briefverkehr als Höflichkeits-
geste gebräuchlich und gegenüber Höhergestellten eine Verpflichtung, die /'¿’¿-Form war
obligatorisch, wenn der Schreiber von niederem Rang war, wahlweise dagegen möglich,
wenn beide fürstlichen Ranges waren25. Daß Elisabeth von sich selbst in der /¿•¿-Form
spricht, ihre Cousine sie aber in ihren Antworten dennoch mit Ihr tituliert, könnte darauf-
24 Vgl. hierzu neben Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), z. B. Ehrismann, Gustav: „Du-
zen und Ihrzen im Mittelalter“, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1 (1901), S. 117-149; 2 (1902), S.
118-159; 4 (1903), S. 210-248; 5 (1903-04), S. 126-220; Svennung, Anredeformen. Vergleichende Forschungen
%ur indirekten Anrede in der dritten Person und %um Nominativ Jur den Vokativ, Uppsala 1958 (Acta Societaüs
Litterarum Humaniorum Regiae Upsaliensis 42); Metcalf, George J.: Forms of address in German (1500-
1800), St. Louis 1938 (Washington University Studies. New Series: Language and Literature 7).
25 Vgl. Ehrismann: „Duzen und Ihrzen im Mittelalter“ 1903/04 (wie Anm. 24), S. 211; Svennung: Anrede-
formen (wie Anm. 24), S. 106, 387f.
395
hinweisen, daß Elisabeth die ich-Form weniger wegen des bestehenden Hierarchieverhält-
nisses als vielmehr freiwillig als eine Demutsgeste wählt, dazu von Rang und Verwandt-
schaft her also nicht unbedingt verpflichtet ist26. Ähnlich höflich verhält sie sich gegen-
über ihren Verwandten, dem Bruder Anton von Vaudemont und dem nur im klassifikato-
rischen Sinne als Neffen titulierten Johann von Rodemachern (Ihr/ Euch versus ich), wobei
sie hier allerdings auf die indirekte Anrede, einem zusätzlichen Höflichkeitsbeweis, ver-
zichtet. Die Niedrigergestellten redet Elisabeth immer mit du an, spricht von sich selbst
aber im Pluralis majestatis. Sie macht dadurch den Standesunterschied von vornherein
deutlich.
3.3. Gruß- und Segensformeln am Briefanfang
Seit der Antike war es üblich, einem Brief einen Gruß voranzustellen, anfangs verbunden
mit Adressaten- und Absendernamen, im Mittelalter dann zunehmend alleinstehend. Im
14. und dann besonders im 15. Jahrhundert wurde aus dem Gruß häufig eine Dienstversi-
cherung. Die Art und Weise, wie Gruß bzw. Dienstversicherung zu formulieren waren,
ergab sich wie bei der Anrede aus dem Verhältnis zwischen den Briefpartnern27.
Meines Erachtens widerspricht sich die historische Briefforschung allerdings selbst, wenn
sie einerseits den formelhaften Zwang und die festen Vorgaben bei diesen Briefelementen
betont, andererseits aber ein breites Spektrum von Möglichkeiten (aus Briefstellern oder
realen Briefen) zitiert28. Die Bewertung dieser Formeln unter dem Aspekt der
Individualität hängt von der Perspektive ab, unter der man sie betrachtet. Kaum
Möglichkeiten der individuellen Entscheidung gab es sicherlich bei den Rahmenbe-
26 Bloh, Ute von: „Information - Appell - Dokument. Die Briefe in den Heldenepen der Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken“, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 89 (1993), S. 24-49, hier S. 36.
27 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 41 ff.
28 Einerseits wird das Nichtindividuelle wie bei Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S.
40, betont: „Weiter ergibt sich daraus eine vollkommene Gleichförmigkeit der Briefe: sie sind selten oder
niemals individuell.“ Andererseits wird Vielfalt herausgestellt: „Im übrigen herrscht in diesen Grußfor-
meln eine bunte Mannigfaltigkeit. [...] Sogar lokale Vorlieben lassen sich finden. [...] So sucht das deut-
sche Volk für jedes Verhältnis auch in äußerlichen Formeln seinen Ausdruck. Daneben finden sich noch
viele andere Wendungen.“ (Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes, wie Anm. 1, S. 42f.). Vgl. dazu auch
die tatsächlichen Variationen in den von Steinhausen zusammengetragenen Privatbriefen dieser Zeit: z.
B. die Briefe Nr. 51 Willige all unsirs vormogens erbietung andachticlich vor empfangen und Nr. 113 Uwem fürstli-
chen gnaden sigent mine arme, gewillige dienste und demütiges gebett allecftt bereit, die Variationen bei Untergebe-
nemverhältnis aufzeigen; Nr. 531 Mein dinst gegenüber Nr. 532 Meinen frauntlichen, willigen dienst wist allezeit
bevor 2l\s deutliche Graduierungen innerhalb von gleichgestellten Verwandtschaftsverhältnissen (Steinhau-
sen, wie Anm. 1, z. B. S. 28-41, 82-85, 350-365). Vgl. auch Nickisch (wie Anm. 3), der einerseits die
Formelhaftigkeit der Briefteile betont, die nicht zur Narratio zu zahlen sind, „da für sie ein derart enger
und starrer Vorschriftenkodex gilt, daß ihre Abfassung einer auch nur leicht persönlich gefärbten
Sprachgebung entzogen bleiben muß“ (ebd., S. 29), andererseits aber einen Beispielbrief mit einer ausge-
sprochen ausführlichen und vom klassischen Standard abweichenden Grußformel zitiert (ewemgnaden sein
meinegant^ willig vnuerdrossene dienst mit vngespartem fleiß allezeit %yuoran, zitiert nach Nickisch , wie Anm. 3, S.
35).
396
dingungen: Jeder Brief sollte eine Grußformel enthalten und deren Form sich prinzipiell
nach dem hierarchischen Verhältnis der Briefpartner richten. Doch kann nicht —
zumindest unter bestimmten Bedingungen — die tatsächlich nachweisbare Variation in
diesen Formeln mehr sein als nur stilistische und mehr oder weniger unbewußte Ab-
wechslung, kann Variation nicht auch zweckgerichtet eingesetzt worden sein, eben im
Rahmen des Möglichen? In den untersuchten Briefen der Elisabeth sind je nach Situation
so deutliche Schwankungen im Ton und in der Wahl der sprachlichen Mittel zu
verzeichnen, daß nicht einzusehen ist, warum Variationen in den Grußformeln und
anderen schematischen Elementen nicht ein Zeichen von individueller und situationsbe-
zogener, auf jeden Fall aber bewußter Gestaltung sein sollten. Gerade daß sich unter-
schiedliche Ausgestaltungen auch in anderen Briefen des 15. und 16. Jahrhunderts
nachweisen lassen, spricht dafür, daß es einen gewissen Spielraum gab, der bei Bedarf
genutzt werden konnte.
Deutlich macht dies besonders die Grußformel, die sich im einzigen im Korpus enthalte-
nen deutschsprachigen Brief an den Bruder Anton findet (26. Januar 1432) — Nr. 6: Elisa-
beth schreibt nach der Anrede ich enbieden uch mynen fruntlichen dinst, wobei dinst eine nach-
trägliche Verbesserung und damit bewußte sprachliche Gestaltung darstellt: Es ist über
die Zeile geschrieben, darunter findet sich ein wesentlich schwächerer gruß\
Gegenüber René und ihrer Cousine variieren die Grußformeln am Briefanfang wenig und
wohl nur zwecks Abwechslung, sicherlich aber nicht aus einer bestimmten Absicht: Umm
gnaden entbieden ich myn demütiges gebedt und was jch guds vermag (an Isabella, 13. Februar 1432)
— Nr. 16; Min demütiges gebet und iva^ ich vermag umm gnaden alletsqt vorgeschriben (an Isabella,
19. April 1432) — Nr. 27; Min pater noster und demütiges gebet und wag ich vermag umm gnaden ah
letyit bevor (an Isabella, 25. April 1432) — Nr. 30. Am ehesten könnte die Grußformel im
zeitlich letzten der untersuchten Briefe eine leichte Abkühlung andeuten (Ere und gut und
wa^ ich vermag alleyijt yuvor; an Isabella, 12. Januar 1434 — Nr. 82), wenn man das Fehlen
des Gebets als das Fehlen einer deutlicheren Demutsgeste, als sie ere und gut darstellt, wer-
ten will. Stimmig wäre es, da dieser Brief ein letzter Aufschrei Elisabeths nach der ihr bis-
her vorenthaltenen Gerechtigkeit ist, der beispielsweise auch kein Exordium aufweist und
in der Wahl der performativen Verben Dringlichkeit und — soweit statthaft — fast Un-
gehaltensein ausdrückt (vgl. 3.5.)29. Einen ähnlichen Eindruck macht auch der Brief an
René vom 15. September 1432 (Nr. 45), bei dem die Grußformel gänzlich fehlt. Will man
nicht plötzlich einen sehr nachlässigen Kanzleischreiber vermuten, kann eine solche Maß-
nahme gerade wegen der viel beschworenen strengen Reglementierung nur als deutliches
und bewußtes Signal gewertet werden.
Bei den Briefen an Konrad, den Bischof von Metz, ist eine korrekte Interpretation
schwierig, inwieweit verschiedene Strategien Aussagekraft im Sinne eines bewußten Ein-
satzes besitzen. Anfangs wird die Grußformel nämlich immer weggelassen, was zwar vor
allem in auch ansonsten leicht abweisend klingenden Briefen (besonders im Mai 1433, als
29 Andererseits ist die abschließende Dienstversicherung am Briefende gerade bei diesem Brief besonders
ausführlich (vgl. 3.4.).
397
Elisabeth dem Bischof vorwirft, ungerechterweise zu harte Bedingungen an sie zu stellen
— Nr. 54 u. 58) zu konstatieren ist, aber auch bei Briefen in noch entspannter Situation
(April 1433 — Nr. 51 u. 53). Die späteren Briefe weisen dann alle die Grußformel Wirdi-
ckeit und ere umr liebe vorgeschrieben (z. B. am 6. Dezember 1433) ohne weitere Variation auf
(Nr. 74, 75 u. 78).
Gegenüber Niedrigergestellten zeigt sich anstelle lexikalischer Variation vor allem das Mit-
tel des Hinzufügens oder Weglassens als deutliches Zeichen der inneren Einstellung: An
ihre Dienst- und Lehnsleute schreibt Elisabeth in der Regel unsem fruntlichengrus bevor (z. B.
in einem Brief an Johann von Kriechingen vom 24. August 1432 — Nr. 44)30, In den Brie-
fen an Johann von Kerpen, also den eigentlichen Konfliktpartner, fehlen Grußformeln
prinzipiell.
3.4. Segenswünsche und Dienstversicherungen am Briefende
Seit dem 14. jahrhundert findet sich hin und wieder auch am Schluß eine Dienstversiche-
rung, besonders bei Bittbriefen, oft verbunden mit einem Segenswunsch31. In den vorlie-
genden Briefen fehlt sie dementsprechend nur in Briefen an Niedrigergestellte. An Hö-
hergestellte finden sich Variationen wie Gnedige liebe frauwe und mume, umr gnade duhe mir al-
letgit gebieden (an Isabella, 19. April 1432 — Nr. 27) oder Die selbe umr gnade, die unser heregot
lange jn freuden bewaren wolle, mir allegijtgebieden duhe (an Isabella, 12. Januar 1434 — Nr. 82).
Im Brief an den Bruder heißt es: Wolgebomer lieber bruder, unser herre Got wolle uch lange in ge-
suntheit unndfreuden bewaren (26. Januar 1432 — Nr. 6).
Insgesamt kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, daß die Möglichkeit der Varia-
tion in gewissen Grenzen besteht, daß die Gruß- und Segensformeln am Briefanfang und
-Schluß in den Elisabeth-Briefen aber nicht oft und nicht in erster Linie als individueller
Ausdruck einer bestimmten Stimmungslage oder Schreiberintention genutzt werden, son-
dern daß sie weitgehend die klassischen Funktionen übernehmen, die Ilsegret Butt für den
mittelalterlichen Gruß herausgearbeitet hat: Huldigung, ausgestattet mit Zeichen von Er-
gebenheit und Demut, Unterwerfung durch Gehorsams- und Treueversicherung, Ehrer-
bietung und Hochachtung32.
3.5. Wahl und Kombination der performativen Verben und Erweiterung durch
Modalangaben
Da es sich bei den vorliegenden Briefen um Geschäftsbriefe handelt, in denen Elisabeth
aufgrund der Situation bittet, fleht, auffordert oder fordert, kann die sprachliche Kennt-
30 Allerdings könnte auch hier eine Korrektur — will man sie nicht als bloßes Versehen interpretieren - in
einem Konzept an Johann von Kriechingen (7. April 1433 — Nr. 50) auf einen vorhandenen Spielraum
hinweisen: fruntlichen ist in der Formel Unsem fruntlichen grus %u vor nachträglich über die Zeile geschrieben.
31 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 47.
32 Butt, Ilsegret: Studien %u Wesen und Form des Grusses, insbesondere des magischen Grusses, Würzburg 1968
[Diss.j, S. 32, 37ff.
398
lichmachung der jeweiligen Briefintention bzw. der einzelnen im Brief vorkommenden
Sprechakte untersucht werden. Denn auch die Wahl der jeweiligen performativen Verben
und ihre Erweiterung durch bestimmte Modalangaben unterlag im Spätmittelalter gewis-
sen Bräuchen und Richtlinien. So weist Reinhard Nickisch auf die Vorgaben Fabian
Frangks in seiner Teutscher Sprach Art und Eigenschafft von 1531 hin, „das die vnterthanen
flehen/ bitten/ vnd ruffen/ wo die Oberkeyt vnd Herschafft [...] gebieten/ befelhen/
wollen/ begeren [...] vnd zimpt keinem vnderthanen [...] diser wort zubrauchen.“33 Hel-
mut Ebert stellt anhand eines Korpus von 80 frühneuhochdeutschen Bittbriefen (1483-
1603) beim ergänzenden Modalwortgebrauch folgende Tendenzen fest: „Untertänigfich)
bittet man seinen Landesherrn, König oder Kaiser, freundlich den Verwandten, Freund,
Nachbarn, Kollegen. Geistliche/ Theologen gebrauchen vorzugsweise demütig [...]. Be-
dienstete, Stipendiaten bitten ihren Dienstherren bzw. Gönner fleißig, ln kollegialem oder
geschäftlichem Einvernehmen wird ebenfalls fleißig gebeten. Eine Ausweitung im
Gebrauch von untertänigfich) deutet sich an.“34 Zur Außenwirkung von Paarformeln er-
gänzt Ebert: „Tritt ein zusätzliches performatives Verb oder eine charakteristische Adver-
bialbestimmung hinzu, so erscheint das Bitten zu einem (An-)Flehen gesteigert.“, und
konstatiert: „Im Briefstil der Zeit ist es üblich, daß z. B. Regenten begehren, wo andere
bitten.“35
Gerade bei diesen unter Umständen sehr formelhaften Wendungen zeichnet sich in den
Briefen Elisabeths eine gezielte lexikalische Auswahl und eine situationsbezogene Variati-
on ab, deren Intention einer Graduierung der Höflichkeits-, Demuts- oder Autoritätshal-
tung von den Briefpartnern aufgrund der existierenden Normen auch bemerkt worden
sein dürfte36.
Je länger der Streit und je fruchtloser Elisabeths Bemühungen, desto mehr steigert sich ihr
Bitten gegenüber Höhergestellten zu einem Fordern, das auch mal über die üblichen
Standesrücksichten hinausgeht. So finden sich in den Briefen an ihre Cousine Isabella an-
fangs, also 1432, vor allem besonders höfliche und demütige Formulierungen wie und bie-
den uwergnade otmüdenclich und underdennenclich (26. Januar 1432 — Nr. 7; ähnlich auch Briefe
an René vom 17. Juni und 15. September 1432 — Nr. 42 u. 45), während Elisabeth im zeit-
lich letzten, bereits anzitierten Brief an Isabella ihre Bitte durch die Wahl der in ihrer un-
terlegenen Stellung nicht ganz angemessenen Verben begehren und fordern, die eigentlich ty-
pisch sind für Briefe an Niedrigergestellte, zu einer Forderung verstärkt: und bidden uwer
gnade dinstlich und begeren undfordern mit ernste demutenclich/ Da von bidden ich uwer gnade demutli-
chen und begeren awer mit ernst ottmudeclich (12. Januar 1434 — Nr. 82). Auch an Bischof Kon-
rad von Metz variiert sie je nach Dringlichkeit und im Vergleich zu den Briefen an ihre
Lehnsherrschaft mit einer deutlichen, standesabhängigen Differenzierung. Zuerst findet
sich meist einfaches bitten (z. B. am 15. und 23. April 1433 — Nr. 51 u. 53). In einem Brief,
33 Zitiert nach Nickisch: Stilprinppien (wie Anm. 3), S. 27.
34 Ebert: „Bemerkungen“ (wie Anm. 11.), S. 226.
35 Ebert: „Bemerkungen“ (wie Anm. 11.), S. 228 u. 230.
36 Ebert: „Bemerkungen“ (wie Anm. 11.), S. 230.
399
in dem sie die Forderungen des Bischofs zwar bereits vorsichtig zurückweist, aber mit
dem taktisch herauszögernden und abmildernden Hinweis, daß sie diesbezüglich erst Rat
einholen müsse, verstärkt sie ihre Bitte mit höflich-untertänigen Modalangaben: und bijden
uwer liebe dinstlich und mitflisse (8. Mai 1433 — Nr. 54). Erst wandeln sich — während sich der
Konflikt fruchtlos hinzieht — die Modalangaben: so bieden ich uwer liebe aber dinstlich und mit
ernst (12. Mai 1433 - Nr. 58), dann tauchen allmächlich auch intensivere performative
Verben auf: Her umb begem und bijden ich uwer liebe aber mit flissigem ernste dinstlich und fruntlich
(14. August 1433 — Nr. 68). Schließlich wird Elisabeth deutlicher und vermeidet das unter-
tänige bitten oft ganz: so begem und fordern ich mit fruntlichem ernste an uch (9. Dezember 1433;
ähnlich 15. Dezember 1433 — Nr. 75 u. 78).
In dem Brief an den Bruder, zu dem deutschsprachige Vergleichsmöglichkeiten leider feh-
len, versucht sie durch eine recht ambivalente Formulierung, sich einerseits sein Wohlwol-
len zu erhalten und andererseits ihren Standpunkt entschieden deutlich zu machen: bidten
unnd ermanen ich uch bruderlichir liebe unnd truwe, so ich gutlicheste und dogentlicheste mag und begem
und forderen da mydde mit ernste fruntlich an uch (26. Januar 1432 — Nr. 6).
An Niedrigergestellte sind die Verben fordern und begehren allgemein üblich, so daß der
Ausdruck im Sinne einer HöflichkeitsSteigerung am ehesten durch ein zusätzliches bitten
variiert werden kann, das im Gegensatz zum fordern dem Briefpartner noch einen gewissen
Entscheidungsspielraum einräumt. Nuancierungen in der Demonstration von Autorität
gegenüber höflicher Verbindlichkeit ergeben sich zudem durch Wahl und Kombination
der intensivierenden Modalangaben. So finden sich in den Briefen an Johann von Kerpen
aufgrund des Anspruchs, den Elisabeth an ihn hat, die unnachgiebigsten Formulierungen:
da begem wir undfordern aber an dich, so wir emstlichste und hefftenclichste mögen (25. Januar 1433 —
Nr. 47), während Elisabeth an ihre Dienst- und Lehnsleute wohlwollender formulierte
Aufforderungen richtet: bieden wir dich fruntlich und begem und fordern mit ernste (an Georg von
Rollingen, 27. Februar 1433 — Nr. 49), bijden wir dich fruntlich mitflisse und ernst und begem (an
Johann von Kriechingen, 7. April 1433 — Nr. 50). Gegenüber dem niedrigergestellten
„Neffen“ Johann von Rodemachern begründet sie sogar ihr Recht, ihn zu einem Bera-
tungstreffen aufzufordern: Und bieden uch fruntlich und ermanen uch auch, so hohe ich uch bürg-
friedensgemeyneschafft und ander halb ju ermanen han (6. September 1433 — Nr. 69).
In bezug auf die Ausformulierung der entscheidenden Sprechakte der Briefe zeigt sich al-
so Elisabeths Orientierung an den gebräuchlichen Paar- und Dreierformeln, die jedoch
bei aller Formelhaftigkeit einen deutlichen Spielraum lassen, um je nach Briefpartner und
Situation zu nuancieren.
3.6. Korrekturen in Konzepten
Bevor dieser Abschnitt zu Auffälligkeiten in der Verwendung von Formeln und klassi-
schen Textelementen abgeschlossen wird, soll noch auf ein Phänomen hingewiesen wer-
den, das oben bereits kurz angesprochen wurde und das meines Erachtens beweist, daß
die bisher nachgewiesenen Variationen nicht rein zufällig und nur stilistisch bedingte Ab-
wechslung sind: die Korrekturen in den Konzepten. Daß in Konzepte hineinkorrigiert
400
wird, ist nichts Besonderes, nicht umsonst handelt es sich um Konzepte, also erste Ent-
würfe. Mir geht es um ganz bestimmte Korrekturen, nämlich um das nachträgliche Einfü-
gen und Überschreiben von verstärkenden oder mildernden Elementen in Formeln. Sol-
che Korrekturen zeigen, daß der gewisse Spielraum, den die ars dictandi selbst in den sehr
formelhaften Briefelementen offenließ, den Briefautoren bewußt war und genutzt wurde.
So wurde die Korrektur der Grußformel im Brief an den Bruder bereits unter 3.3. ange-
sprochen, bei der grüß durch dinst ersetzt wurde. Auch in den Formulierungen, mit denen
sie auffordert, lassen sich veränderte Gewichtungen feststellen: An Johann von Kriechin-
gen wird das weniger entschiedene hoffen nachträglich ersetzt durch meynen (han wir verstan-
den und meynen, dir sij woljn indenckich, day 24. August 1432 — Nr. 44); in der oben zitier-
ten Passage an denselben vom 7. April 1433 - Nr. 50 (bijden wir dich fruntlich mit flisse und
ernst und begern) ist mit ernst erst nachträglich zur Intensivierung der Aufforderung über die
Zeile geschrieben; an Georg von Rollingen wird ein begern wir gestrichen und abgemildert
durch nachgeschriebenes bieden wir dich (davon bieden wir dich und verkünden dir; 24. Dezember
1433 — Nr. 79). Auch die Streichung von wille und die Ersetzung durch das mehr eine
Selbstverpflichtung als einen Zwang beinhaltende triuwe in einem Brief an ihre Cousine
Isabella könnte eine bewußte Nuancierung und Bearbeitung darstellen: nast dem ich demyty-
genannt, mymegnedigen hem, glubede, triuwe und huldungegetann han (26. Januar 1432 — Nr. 7).
Elisabeth bewegt sich in Briefaufbau und Ausgestaltung der besonders formelhaften
Briefelemente also ganz innerhalb der Vorgaben ihrer Zeit, und doch machen ihre Briefe
keinen eintönigen oder rein formelhaften Eindruck. An der vielfältigen Umsetzung vor-
gegebener Formulierungs- und Strukturmuster und der feinen Nuancierung der Wortwahl
je nach Briefinhalt, Adressat und zugrundeliegender Situation zeigt sich bereits ein indivi-
dueller Zug in den Briefen Elisabeths, und zwar nicht im Sinne von Originalität und Ein-
zigartigkeit, sondern im Sinne von souveränem Umgang mit den vorhandenen Möglich-
keiten37.
4. Selbstdarstellung und Selbstbehauptung: Elisabeth in ihren Briefen
4.1. Frauenrollen
Daß es als Frau und Witwe und zudem als Regentin im ausgehenden Mittelalter nicht
immer leicht war, sich zu behaupten, zeigen schon die (literarisch überhöhten) Klagen der
37 Solche Variationen und ‘kleinen Freiheiten’ werden auch von anderen Autoren als Zeichen einer indivi-
duellen Stilistik im Sinne einer souveränen Briefgestaltung gesehen: „Im Grunde ist er also in der Be-
handlung des Briefbeginns völlig frei, und wenn er der Sitte, mit einer höflichen Captatio benevolentiae
anzufangen, in der Mehrzahl seiner Briefe folgt, so ist das zwar sicherlich bewußte Technik, aber keine
Anerkennung einer zwingenden Regel.“ (so z. B. Erdmann: „Studien“, wie Anm. 15, S. 82, auch S. 85ff,
zu Briefen aus dem 11. Jahrhundert); vgl. auch Klettke-Mengel, Ingeborg: Fürsten und Fürstenbriefe. Zur
Briefkultur im 16. Jahrhundert an geheimen und offiziellen preußisch-braunschweigischen Korrespondenzen, Köln/Berlin
1986, S. 26-29, 35-44, 66, zu Briefen der Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg aus dem 16. Jahrhun-
dert.
401
Christine de Pizan (1365 bis nach 1429) über ihr eigenes Witwenschicksal und ihre Dar-
stellungen herrschender, alleinstehender Frauen38: Witwenschaft bedeute „abrupt - d. h,
mit dem Tod des Ehemannes - die positiv sanktionierte Identität als Ehefrau irreversibel
gegen die ausschließlich negativ definierte Identität der Witwe einzutauschen. Witwe zu
sein heißt nicht nur, den Lebensgefährten, sondern auch jegliche Autonomie verloren zu
haben und damit auf das Wohlwollen der Mitmenschen angewiesen zu sein“. Christine de
Pizan empfiehlt jedoch, „sich den Angriffen der Mitmenschen nicht widerstandslos zu er-
geben, sondern die eigenen Interessen zu verteidigen. Christine befürwortet also Eigenini-
tiative, Zielstrebigkeit, Kampfgeist und selbstbestimmtes Handeln der Witwe “39
Auch Elisabeth — nicht mehr ganz Zeitgenossin, aber ebenfalls literarisch interessiert —
macht in der Varsberg-Fehde die Erfahrung, wie schwierig es ist, die eigenen Interessen
durchzusetzen, gibt aber trotz wiederholter Fehlschläge nicht auf. Wenn die Formulierun-
gen in der Narraüo auch oft Standardformulierungen mit der Tendenz zu festen Rechts-
termini sind, so ergibt sich im Ganzen doch ein Bild von der Person Elisabeths und der
Art und Weise, wie sie sich zu behaupten versucht. Besonders zwei Rollen, die sich zum
Teil abwechseln und ganz bestimmten Briefpartnern Vorbehalten sind, sich zum Teil aber
auch ergänzen, lassen sich in den Briefen nachweisen.
Zum einen steht deutlich die durchaus streitbare und entschiedene Herrscherin im Vor-
dergrund (Hernach wisse dich %u richten und habe ernst, dg uff di ne sijte keyn sumen noch briste daran
geschee; an Johann von Kerpen, 25. Februar 1432 — Nr. 19; Dar umb ichyn [= Johann von
Kerpen] faste hohe, hart und swerlich bededinget und an sine ere geschuldiget und auch hefftenclich dar-
nach dun st an und dun werben han, dag ich dag obegenante sloß [...] gerne wider gu mynen banden
bracht hette\ an Isabella, 19. April 1432 - Nr. 27), die viel in Regierungsgeschäften unter-
wegs ist (Da fugete is sich, dag mir viel ernstliche botschaff gu Nancey qwam und dag ich deshalb y len-
de wyse gu dutschem lande muste\ an René, 17. Juni 1432 - Nr. 42), deshalb oft nur Gesandte
schicken kann (Jch bette ettliche myner amptlude unnd rede gerne gu uch geschickt, muntlich eigentlicher
uß dießen Sachen mit uch gcu redden. Nuw kan ich sie kriege unnd großer sorgen halp, die uff diese gijt
inden landen sint, nit gcu uch geschicken\ an Bruder Anton, 26. Januar 1432 — Nr. 6), die sich
aber um Verhandlungstermine bemüht und die ihre Untergebenen an ihre Pflichten erin-
nert (nast dem du uns und unser graffeschafft von Sarbrucken von manneschafft wegen verbuntlich bist;
an Johann von Kerpen, 10. Februar 1432 — Nr. 13) und zu eiligen Beratungstreffen zu-
sammenruft ([Herumb han wir den andern unsem gemeynem geschriben, bieden dich und verkünden
auch dir, uff den sondag [...] gu Sarbrucken gu sin, uff den mandag gu morgen bij eynander gu gann,
uns gu besprechen und gu rade gu werden, wie wir die Sachen vort vorhant nemen mögen. llertgu wo lies
dun, als des not ist und sich geheischt-, an Friedrich von Castel und Dietrich von Püttlingen, 24.
Dezember 1433 - Nr. 80).
Die häufige Erwähnung ihrer Räte, ihrer Amtleute und Freunde, die sie beraten, hat zwei-
fache Funktion. Einerseits stärken beratende Fachleute im Hintergrund die Autorität ihrer
38 Zühlke, Bärbel: Christine de Pigan in Text und Bild. Zur Selbstdarstellung einer frühhumanistischen Intellektuellen,
Stuttgart/ Weimar 1994, S. 87-89.
39 Zühlke: Christine de Pigan (wie Anm. 38), S. 88.
402
Entscheidungen als Herrscherin, um die sie als Frau und Witwe ständig bemüht sein muß
(Und finden anyrem rade nit, day mir stee, mynen kinden y re erbe tyu leben yu machen, große sommen
geldes uß yu geben und mich yu undemdnden, die gemeyner des sloßes yu vermögen, verschribunge yu dun,
jn maße ir das begert, an Konrad von Metz, 25. Juni 1433 — Nr. 61; So han ich auch yu ettlichen
myn und myner kinde hem, magen, frunden, mannen und retden geschickt undyn gelegenheidt dersachen
und uwer meynonge und vomemen dun vor legen und sij rads daruff dun bijden. Der meynonge ist, ich ha-
be mich ferrer, dan ich nast gelegenheit solle, geen uch erboden\ an Konrad von Metz, 6. Dezember
1433 — Nr. 74); andererseits entwickelt Elisabeth in schwierigen Situationen eine Taktik
der Verzögerung, indem sie darauf verweist, sich erst mit ihren Amtleuten beraten zu
müssen, bevor sie Stellung nimmt (day ich myne amptlude und retde und die jhene, die soliche
[französischen] briejfe yu dutschem verstentenisse brengen mochten, ytye nit bij mir [...] han, dar umb
ich umm gnaden yu dieser yijt nit fo lien dich uff soliche schrifft geantmrten kan. So balde aber myne
amptlude, rette und frunde wieder bij mich körnen, wil ich mich mityn bedencken und dann umm gnade
also under demenclich undgelimplich antwertew, an René, 4. Juni 1432 - Nr. 41;40 und dunckt mich
soliche vertyeichnunge vaste swere sin und enkan aen bijmsen myner vorgenannten gemeyner und auch ett-
licher myme redte und frunde, die ich ytye nit bij mir han, ny ml dar yu geantmrten; an Konrad von
Metz, 8. Mai 1433 — Nr. 54). Verzögerungstakdk (oder eben genaue Kenntnis ihrer Be-
fugnisse) könnte es auch sein, wenn sie gegenüber dem Bischof das Selbstbestimmungs-
recht ihrer Lehnsleute verteidigt: Ir missent und verstent aber ml, day mir nitgefuglich noch gebur-
lich ist, mich yu undememen, die gemeyner yu eyme burgfrieden mit uch yu smren yu vermögen, js were
dann mityrem willen (6. Dezember 1433 — Nr. 74).
Eine zweite Rolle nimmt sie zumindest im Varsberg-Streit ein: die der unschuldig zu
Schaden gekommenen und vom Ehrverlust bedrohten, auf das Wohlwollen ihrer Lehns-
herren angewiesenen Frau, Witwe und Mutter (Jch begem uwem gnaden yu wissen, dy mir Vor-
kommen ist, dy ich faste swerlich yu Ungnaden geen uwem gnaden vorbracht sij und allen dag vorbracht
werde, und geschiet mir, mynen kinden und den unsem vaste ungnedeclich, dy ichye jn keyne wise hoffen
verschuldet han und auch mit wissen oder willen ungeme verschulden wolde, und were lange gerne bi uwer
gnade gewest, mich yu entschuldigen; an René, 15. September 1432 — Nr. 45), die vor allem be-
müht ist, ihren Kindern ihr Erbe zu erhalten (besonders in den Briefen an ihre Cousine
Isabella: day ich myner kinde erbe und mynen wiedem nit gerne in fremeden handen weyß\ 26. Januar
1432 (Nr. 7); geen mich und mynen kinden, die mit Goddes helffe jn yukunfftigen yijden myme obge-
nanten gnedigen heren, uwem gnaden und uwem landen nuty und dinstlich werden mochten; 12. Januar
1434 (Nr. 82); aber auch an Bischof Konrad von Metz: geen mir und mynen kinden, die vaste
jung und underyren jaren sing 8. Mai 1433 (Nr. 54) und eine Lösung für den Konflikt zu fin-
den (So sal an mir nit briste sin, als auch bisher nit gewest ist, ernste und flijß yu haben, das die Sachen
yu ende kommen; und moget mir auch sonder ywivel wolgleuben, das ich der gerne yu ende were und das
ich is nit uff vertyug oder lengonge oder an des dan uffrichtig und gleublich meynen\ an Konrad von
Metz, 9. Dezember 1433 - Nr. 75; und [ich] ywiveln nit, man solle an mynen briefen, schrifften und
vomemen [...] wol vers tan und entphinden, dy ich vor und ee [...] und sijt bißher ernstlich geworben han,
40 Zur Deutung dieser Bemerkung vgl. auch Kapitel 5, S. 407-409.
403
da% mir myn widern und mynen kindenyr erbe wider werden mochte und da^ wir is gerne widergehabt
und is auch noch gerne widerhetten\ an Konrad von Metz, 15. Dezember 1433 (Nr. 78).
Tritt sie in der ersten Rolle entschieden und durchaus selbstbewußt auf, so zeigt sich ihre
Unnachgiebigkeit in der zweiten Rolle, in der sie fleht, beteuert, an verwandtschaftliche
Bindungen appelliert (darane erzeuge nt unnd bewisent ir mir brüderliche liebe unnd truwe; als ein ge-
truwe braderghen sinergetruwen sustergerne dun sah, an Bruder Anton, 26. Januar 1432 (Nr. 6);
nast dem ich und myn kinde [...] uwem gnaden von gebürte und bludes wegen bewant, an Isabella, 12.
Januar 1434 — Nr. 82) und um Einsehen und Gnade bittet, nur indirekt durch ihr Behar-
ren und ihr Nichtnachgeben gegenüber den an sie gestellten Forderungen.
4.2. Strategien der Selbstnennung
Daß Elisabeths Briefe trotz ihres geschäftlichen Charakters individuelle Züge aufweisen,
zeigt sich ganz an den wechselnden Strategien der Selbstnennung, die je nach Situation
und Briefpartner variieren. Gemeint ist das Phänomen, daß Elisabeth sich mal allein als
Handelnde nennt, mal in spezifischer Weise weitere Personen oder Personengruppen an-
führt, mit denen sie im Handeln oder in der Betroffenheit eine Gemeinschaft bildet. Je
nach genannter Personengruppe eröffnet sich dadurch auch eine ganz bestimmte Argu-
mentationsrichtung und -strategie. Es läßt sich dabei einerseits die Tendenz ablesen, ge-
genüber bestimmten Adressaten bestimmte Formen prinzipiell zu bevorzugen, anderer-
seits kann die Wahl situationsabhängig variieren.
So finden sich oben angeführte Hinweise auf ihre noch kleinen, unmündigen Kinder, für
die und deren Erbe sie kämpfen muß, bevorzugt in den Briefen an ihre Cousine, die als
einzige weibliche Briefpartnerin auf diese Weise eventuell erfolgreicher ansprechbar ist als
die männlichen Kontrahenten. Doch auch in einem frühen Brief an Bischof Konrad von
Metz, in dem Elisabeth noch sehr demütig und in der Rolle der ratbedürftigen Frau
schreibt, findet sich ein solcher Verweis. In den Briefen an René von Anjou nennt sich
Elisabeth je nach Situation und entsprechendem Briefinhalt entweder zusammen mit ih-
rem Sohn als Geschädigte oder zusammen mit ihren amptluden als Handelnde und recht-
lich Betroffene, was in beiden Fällen als eine Form autoritativer Unterstützung interpre-
tiert werden kann. Besonders als Niedrigergestellte scheint sie ihre unterlegene Position
als Frau und Witwe durch zusätzliche Autoritäten wie den Erbfolger und die zuverlässi-
gen (männlichen) Berater stärken zu müssen.
In den Briefen, in denen sie die hierarchisch Höhergestellte ist, hat sie solche Unterstüt-
zung kaum nötig. An ihre Dienst- und Lehnsleute schreibt sie in der Regel als selbstbe-
wußte Regentin, die aber auf den Rat ihrer frunde angewiesen sei, wodurch sie ihren Brief-
partnern eine wichtige, beratend-notwendige und (zumindest hinsichtlich der Konnotati-
on von frunde) freiwillige Helferrolle zuweist. Johann von Kerpen gegenüber tritt sie sehr
viel stärker in der Rolle als allein handelnde, autoritäre Herrscherin auf, oft unterstützt
durch den Verweis auf seine lehnsrechtliche Bindung an ihre Grafschaft bzw. ihr Wit-
wengut. Andere Personen {myne frunde, myne amptlude, myn scholthesse) treten weniger als
notwendige Berater denn als von ihr geschickte Bevollmächtigte auf. Nur in fordernden
404
Briefen in zugespitzter Situation bedient Elisabeth sich des Druckmittels, andere Instan-
zen zu nennen, bei denen sie ihn verklagen werde (Undgest du uns des uß, so wollen wirfürsten,
graffen, frihen hem, rittem, knechten, sieden und andern allermenlich, so ferre wir mögen, von dir schri-
ben, sagen und clagen dun\ 7. Februar 1432 — Nr. 10).
Gegenüber ihrem Bruder Anton von Vaudemont verweisen die Selbstnennungen in erster
Linie auf eine erbschaftsrechtliche Argumentation, die durch die gegenseitige Verwandt-
schaft bedingt sein kann, nämlich daß sie nur zum Schutz ihres Witwengutes, des Erbes
ihrer Kinder und ihres Landes handele (so mochte mir, mynen kinden unnd unserme lande ver-
derplich schade unnd große Verluste unnd enterbnisse davon entstan; das mir nit gebürte, myner kinde erbe
unnd mynen nyedem also gcu laeßen\ 26. Januar 1432 — Nr. 6).
4.3. Exemplarische)r Briefvergleich
Abschließend werden drei Briefe an Bischof Konrad von Metz in Auszügen ausführlicher
zitiert, um einen Briefvergleich im zeitlichen Verlauf zu ermöglichen. So kann im An-
schluß an die systematische Darstellung von Einzelergebnissen ein Eindruck vermittelt
werden, wie sich der Ton und die Handlungsstrategie Elisabeths aufgrund der für sie ne-
gativen Entwicklung der Situation verändert41.
Der erste im Korpus enthaltene Brief an Konrad von Metz vom 15. April 1433 (Nr. 51)
zeigt Elisabeth noch in fast ,verschwörerischer’ Gemeinschaft mit dem Bischof, dessen
Wohlwollen sie erbittet und auf dessen Hilfe sie hofft:
[...] Als ich myne frunde gu gweyen malen gu uwer liebegeschicket han, mit uch gu reden
von der Warßberge wegen etc., hant sij mir wo (gesagt, dagjn von uch und von uwem wegen
gütlich und fruntlicb geantwert sij, des ich uwer liebe sere daneben, und wo ichs verdienen
mochte, dag wold ich gerne dun. Ich han auch von mynen frunden, dieytge gu leste bij uwer
liebe gewest sint, verstanden, wolle ich myne frunde gu uch schicken, mit uch gu reden, die
mögen uch noch hie tuschen und mome gunacht gu Wich finden. Und abe myne frunde da
bynnen nit gu uch körnen, so wollet ir doch nity len, da bette ich myne frunde gerne treffe lieh
gu uch geschicket. Nu kan ich is also kuriere nit gedun, wann sij von mynen wegen uß sint
und also balde nit wieder körnen mögen, und bieden uch, dag nit gu gu undancken gu ha-
ben und mir in heymelicheit einen dag echt dage guvor gu verschriben und gu verkündigen,
dag man uwer liebe gu Wich finden möge, so wil ich mynen heymelichen frunde etliche gu
uch schicken, mit uwer liebe von mynen wegen gu reden von des Grossen Warsberges wegen,
und getruwen uwer liebe wol, jr sollet gerne bedencken, wie mit mir mit demselben slosse
umbe gangen und gefaren ist und was ernstes und flißes ich alletgit gehabt han, dartgu gu
dun und mich und myne kinde, nast dem wir uch gewant sin, des gemessen lassen und uch
gütlich und fruntlicb genh uns bewisen, dag wollen wir mit dem und andern unsem slossen
und vermögen gerne und willen dich verdienen .[...]
41 Weitere Hinweise zu situationsbedingten Veränderungen im Zeitverlauf, dort bezogen auf die Briefe an
Johann von Kerpen und Isabella von Lothringen, hnden sich bei Janich: „Höflichkeit“ (wie Anm. 10).
405
Auch die folgenden Briefe zeugen von hoffnungsvoller und freundlicher Haltung. Selbst
am 8. Mai 1433 (Nr. 54), als Elisabeth die Bedingungen des Bischofs, der inzwischen im
Besitz der Burg ist, für eine Rückgabe der Burg erhalten hat und schon anmerkt, daß ihr
diese faste srnre erscheinen, zieht sie sich höflich auf notwendige Beratungen mit ihren Rä-
ten zurück und verharrt ganz in der Rolle der bittenden und bemühten Mutter42. Ein Um-
schwung setzt ein, als Elisabeth ihre Vorbehalte durch Beratungen mit Freunden und Rä-
ten bestätigt sieht. Im Brief vom 25. Juni 1433 (Nr. 61) weist sie die Bedingungen des Bi-
schofs klar und begründet mit ausführlichem Verweis auf die Meinung zahlreicher Berater
zurück, besteht auf ihrer Unschuld mit dem leicht vorwurfsvollen Hinweis, wie sehr sie
bereits geschädigt worden sei (es klingt fast so, als sei die Burg erst in den beklagenswert
baufälligen Zustand geraten, seit der Bischof sie besitze), und formuliert die Bitte um
Rückgabe der Burg wenig demütig in Form einer berechtigten Erwartung, die der Bischof
nicht mehr gnädig erfülle möge, sondern freundlich erfüllen solle.
[...] Als ich neste yu Wich von uch gescheiden bin von Warsberges wegen etc., da han ich
mich mit etlichen myner kinde, magen undfrunden und auch etlichenyren und myner man-
nen, retten und amptluden uff die artickel, die jr von Warsberges wegen noch bisher gheen
mich vorgenomen hant, bedacht und beraden. Und finden an yrem rade nit, day mir stee,
mynen kindenyre erbe tyu leben %u machen, große sommen geldes uß syu geben und mich yu
underwinden, die gemeyner des sloßes yu vermögen, verschribunge yu dun, jn maße ir das
begert, nast dem uns unser sloße angewonnen und in uwer han de körnen und uns unser gut
dar uß gefuret, da^ sloß swerlich buwefellig gemacht, und mir und mynen kinden da^ yu
grossen Unschulden gescheen ist. Und getruwen uwer liebe wol, jr sollet solichs, afi vor-
geschriben stet, und ander gelegenheit und da^ ir ere und willen uß dem sloße erworben hant
und wie ich und myne kinde uch und uwerme stijfte gewant sin und uch und uwerme stijfte
nutzer werden mögen, dann solichs, als ir meynet, da^ man uch von des sloßes wegen dun
solle, und da% wir -yu Unschulden Schadens genug gelieden han, alles gütlich bedencken und
uns gunstlichen und fruntlichen wieder yu unserme sloße und erbe kommen lassen und uns
da% nit entferren oder des entwisen, sonder uch also gütlich da inne gheen uns bewisen sollet.
Day wir is schuldig sien yu verdienen, da-y wir auch mit gudem willen und unserme vermö-
gen in billichen Sachen gerne dun wollen. [...]
In Elisabeths Brief vom 6. Dezember 1433 (Nr. 74) bittet sie den Bischof zwar um einen
Schiedstag mit genügend langer Frist, ihre Lehnsleute zusammenzurufen, aber der Ton
klingt ganz anders als demütig flehend und bittend. Ganz im Gegenteil scheinen sich die
Rollen fast umgekehrt zu haben, denn Elisabeth weist nicht nur zum wiederholten Male
die Bedingungen Konrads zurück, sondern betont auch, daß sie ihm (!) nun genug entge-
gengekommen sei, trotzdem aber bei ihren Dienst- und Lehnsleuten ein gutes Wort für
ihn bezüglich eines Burgfriedens einlegen wolle. Fast klingt es nun so, als täte sie ihm ei-
nen Gefallen (trotz seiner unpassenden Forderungen), anstatt auf sein Entgegenkommen
angewiesen zu sein, das sie inzwischen sowieso nur noch als recht und billig voraussetzt.
42
Auf ausführlichere Zitierung an dieser Stelle verzichte ich, da die meisten der aussagekräftigen Passagen
dieses Briefes bereits an früheren Stellen angeführt wurden (vgl. 3.5. und mehrfach unter 4.1.).
406
Der Ton ist dabei durchaus höflich und verbindlich, aber man scheint eine gewisse He-
rablassung herauszuhören, als sei Elisabeth im Bewußtsein ihrer Unschuld an den Vorfäl-
len nun mit ihrer Geduld am Ende und lasse sich nicht mehr in die Rolle der unterwürfi-
gen Bittstellerin drängen.
[...] So han ich auch gu ettliehen myn und myner kinde hem, magen, frunden, mannen
und retden geschickt undyn gelegenheidt der Sachen und uwer meynonge und vomemen dun
vor legen und sij rads daruff dun hijden. Der meynonge ist, ich habe mich ferner, dan ich
nast gelegen heit solle, geen uch erboden. Und wann ir bedencken wollet, wie ich und myne
kind und einsdeils unser gemeyner uch und uwerme stiffte bewant und auch wie wir uß un-
serme slosse und ir, nach dem dg der crieg gerächt ist gewest, darin kommen sint, so verstent
ir wol, dag ir uns billich gu unserme slosse kommen lassen und uns dg nit entwisen sollent.
Und betten wir sin mit andern gu schaffen, ir soldent uns beraden und beholffen sin, dg wir
wider gu unserme erbe qwemen. Ueber here, nü aber ir und ich da von gu fruntlicher de-
dinge kommen sin und ich uch jn billichen vermoglichen sacken gerne gu willen were, wolde
ich jn moglicheit uch gu willen ein mitliden han. Jr wissent und verstent aber wol, dg mir
nit gefuglich noch geburlich ist, mich gu undememen, die gemeyner gu eyme burgfrieden mit
uch gu sweren gu vermögen, js were dann mityrem willen. Und dwile sij sich auch erbie-
dent, dg ichyn einen dag bescheid und sij den gijtlich wissen laesse, dg sij sich dann darbij
fuegen wollen, als vorgerurt ist, so finden ich nit an rade, dg ich und myne kinde uns dar
über mitglimphe uß unserme burgfrieden von yn geegiehen mögen. [...]
Diese drei Auszüge aus Beispielbriefen zeigen, daß auch gegenüber demselben Adressaten
Ton und sprachliche Formulierungen zumindest innerhalb der Narratio sehr unterschied-
lich und vielfältig sein können. Selbst Steinhausen relativiert sein Diktum von der „Un-
freiheit, Unbeweglichkeit und Gleichförmigkeit“ der Briefe des 14. und 15. Jahrhunderts
in bezug auf die Narratio43, indem er zugibt, daß „der naive Briefschreiber gerade wegen
seiner Naivität in gewissen Fällen Besseres“ leiste: „Wenn er schildert und ganz bei der
Sache ist, wenn er sich beklagt und aus verletztem Gemüt heraus spricht, wenn er sich
verteidigt und sich beleidigt fühlt, findet er einen einfachen und natürlichen Ausdruck sei-
ner Gedanken.“44 So scheint auch der Streit um die Burg Varsberg, der Elisabeth sehr am
Herzen liegt, weil es um Ehre und Besitz und nicht zuletzt um die Abweisung hoher
Schadensersatzforderungen geht, den in Alltagsgeschäften vielleicht eintönigen Kanzleistil
aufzubrechen und individuelle Elemente zu begünstigen.
5. Fazit: ,Individualität’ in spätmittelalterlichen Briefen
Wenn sprachbezogen von ,Individualität’ oder ,individuellen Zügen’ die Rede ist, kann
sich dies entsprechend der Stilistik als sogenannter Individualstil äußern. Einen solchen
könnte man zum Beispiel bei auffälliger Kontinuität bestimmter makrostilistischer Ele-
43 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 56-61.
44 Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes (wie Anm. 1), S. 61.
407
mente45 konstatieren, also bei (durchaus textsortenabhängigen) „individuelle [n] Konstan-
ten des Sprachgebrauchs“46. Bei den hier vorliegenden Briefen ist aufgrund des Inhalts
und der Funktion allerdings ein bestimmter Funktionalstil dominant, ebenso — bedingt
durch die spätmittelalterlichen Schreibgrundsätze und Kanzleinormen - ein ganz charak-
teristischer Epochen- oder Zeitstil47. Es handelt sich um einen geschäftlichen Briefwechsel
im späten Mittelalter, bei dem zudem durch seine Ähnlichkeit mit dem hochgradig nor-
mierten Fehdebriefwechsel kaum Spielraum für einen Individualstil bleibt, wie wir ihn
heute verstehen würden. Das macht die Beurteilung der Briefe aus heutiger Sicht hinsicht-
lich ihrer Individualität schwierig, da bei der Frage nach individuellen Zügen ebenso wie
beispielsweise nach dem Grad der Höflichkeit48 nachträglich Maßstäbe angelegt werden,
die voraussetzen, daß erstens den Schreibenden diesbezügliche Möglichkeiten überhaupt
offenstanden und daß zweitens genügend Kenntnisse über die entsprechenden Normen
der Zeit vorhanden sind. Hinzu kommt in diesem Fall die Autorenfrage, denn keiner der
Briefe ist eigenhändig von Elisabeth geschrieben.
An individuellen Zügen können in den Elisabeth-Briefen jedoch wie gezeigt auf der Aus-
drucksebene folgende festgestellt werden: 1) bewußte Auslassung erwarteter Elemente,
die den Brief im Ton verschärfen (z. B. Segensformeln); 2) Abwandlung von Formeln, de-
ren Ab Wandlungsfähigkeit erkannt und zur feinen Nuancierung des Ausdrucks genutzt
wird, was unter anderem an den nachträglichen Korrekturen ablesbar ist; 3) gezielte Aus-
wahl und Kombination von performativen Verben und zugehörigen Modalangaben.
Auf der Inhaltsseite scheint mir ein weiteres, deutliches Zeichen von Individualität zu
sein, daß Elisabeth unterschiedliche Haltungen und Rollen einnimmt, um ihr Ziel zu er-
reichen und ihre Interessen zu wahren. Sie variiert, um damit je nach Situation in feiner
Abstufung demütig oder selbstbewußt zu bitten, leise oder ausdrücklich zu drohen oder
höflich, aber bestimmt zu insistieren, was besonders in verschiedenen Briefen an densel-
ben Adressaten deutlich wird. Dabei ist Elisabeth nicht in erster Linie durch ihre eigene
Sprachkompetenz eingeengt und begrenzt, sondern durch Standesunterschiede, gesell-
schaftliche Normen und solche des Kanzleiverkehrs sowie durch die Art und Entwick-
lung der Konfliktsituation.
Die differenzierte Rollenwahl scheint mir auch ein Indiz zu sein, daß Elisabeth einen
deutlichen Einfluß auf die Abfassung der Briefe hatte, daß diese also nicht das alleinige
Produkt des oder der betreffenden Kanzleibeamten sind. Denn die Art der Selbstdarstel-
lung und Selbstbehauptung, wie sie in den Briefen bis in einzelne Formulierungen hinein
deutlich wird, stimmt mit Elisabeths versöhnlich-diplomatischem Regierungsstil überein,
der sich in dem Bemühen um gütliche Schiedsverfahren von dem offensiv-kriegerischen
45 Sowinski, Bernhard: Stilistik. Stiltheorien und Stilanalysen, Stuttgart 1991 (Sammlung Metzler. Realien zur
Literatur 263). S. 77.
46 Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, 2., völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart 1993, S. 739.
47 Sowinski: Stilistik (wie Anm. 45), S. 77.
48 Janich: „Höflichkeit“ (wie Anm. 10), S. 108f
408
Vorgehen ihres verstorbenen Mannes abhebt49. Trotz notwendiger und wichtiger Berater
war sie selbst als Regentin aktiv, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, warum sie
zwar selbst zu Verhandlungen mit Lehnsherren oder Dienstleuten aufbrechen, aber das
Abfassen so prekärer Briefe wie der vorliegenden ganz einem Kanzleischreiber überlassen
sollte. Ich stimme daher auch nicht mit Jürgen Herold (in diesem Band) überein, daß sich
die Einflußnahme Elisabeths nur ex negativo aus der Kenntnis ihrer beratenden Umge-
bung erschließen lasse. Die Meinung von Karl-Heinz Spieß, Elisabeth sei des Deutschen
nicht genügend mächtig gewesen, um Briefe dieser Art (oder deutsche Übertragungen
französischer chansons de geste) schreiben zu können, teile ich ebenfalls nicht.50 Spieß be-
zieht sich dabei auf eine Passage aus einem Brief an René vom 4. Juni 1432 (Nr. 41): Als
umr gnade mir von Warsberges wegen hait dun schriben, den brieff han ich entgangen und begem uwem
gnaden gu wissen, dag ich mjne amptlude und redte und die jhene, die soliche brieffe gu dutschem versten-
tenisse brengen mochten, ytge nit bij mir, sonder sij an den Ryn gu ernstlichen treffe liehen dagen geschicket
han, dar umb ich uwem gnaden gu dieser gi/t nit follenclich uff soliche schrifft geantwerten kan. Solche
Äußerungen, sie müsse erst auf ihre Räte warten bzw. diese zusammenrufen, tauchen häu-
fig in den Briefen Elisabeths auf, oft in für sie unangenehmen Situationen, wenn sie sich
Forderungen von Höhergestellten gegenüber sieht. Sie sind daher meines Erachtens ein
deutliches Zeichen von Verzögerungstaktik, gepaart durchaus mit dem Bestreben, sich
durch die Meinung ihrer Berater Rückendeckung zu verschaffen. Daß die Anmerkung
sich in diesem Fall auf die Kenntnis der deutschen Sprache bezieht — der einzige Fall im
vorliegenden Korpus —, macht den erbetenen Aufschub nur umso unangreifbarer und
könnte sich zudem vielleicht auf eine Unsicherheit bezüglich feststehender Rechtstermini
beziehen. Sollte die genaue Wahl der Formulierungen auch auf einen kenntnisreichen und
vertrauenswürdigen Kanzleischreiber Elisabeths zurückgehen, so widerspricht dies doch
nicht dem (in Grenzen) originellen und durchdachten Eindruck, den die Briefe machen,
und der These, Elisabeth müsse im Interesse ihrer eigenen Regierungstätigkeit auf den Stil
der Abfassung Einfluß gehabt haben.
Aus oben Gesagtem und Gezeigtem ergibt sich, daß Individualität’ in spätmittelalterli-
chen Briefen nicht die sprachliche Einmaligkeit und Einzigartigkeit, der unverwechselbare
Individualstil sein kann - dafür sind Epochen- und Funktionalstil zu dominant -, sondern
ein Ausdruck der Fähigkeit zur Variation und Erweiterung vorhandener Muster des
betreffenden Funktional- und Epochenstils und eine differenzierte Art von Selbstdarstel-
lung und Selbstbehauptung zum Zwecke erfolgreichen Kommunizierens im Sinne von In-
teressenwahrung und -durchsetzung.
Vergleiche mit anderen, situativ ähnlichen Bedingungen unterworfenen (geschäftlichen)
Briefwechseln derselben Zeit könnten helfen, den vorhandenen Spielraum weiter auszulo-
49 Siehe dazu den Beitrag von Hans-Walter Herrmann in diesem Band, S. 82-85.
50 Spieß, Karl-Heinz: „Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“, in: Kasten, Ingrid/ Pa-
ravicini, Werner/ Pérennec, René (Hgg.): Kultureller Austausch und Uteraturgeschichte im Mittelalter, Sigmarin-
gen 1998 (Beihefte der Francia 43), S. 81-96, S. 95.
409
ten und die hier aufgestellte und belegte These, individuelle Züge in spätmittelalterlichen
Briefen seien das Resultat einer Fähigkeit zur situationsspezischen Variation, zu stützen.
410
Entgrenzte Gesänge:
Späte französische Heldenepik als Inspirationsquelle für Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken
Wolf-Dieter Lange
1. Altfranzösische Anfänge und die Entstehung der Chansons de geste
Seit den siebziger Jahren des 8. Jahrhunderts holte Karl der Große bedeutende zeitgenös-
sische Gelehrte an seinen Hof, um die Bildung zunächst einmal der Geistlichkeit zu ver-
bessern. Seine Epistola de litteris colendis (784/785 oder zwischen 794 und 797) an den
Abt Baugulf in Fulda weist in diesem Sinne nachdrücklich auf die Bedeutung von in-
dividueller Kultur und weltlicher Gelehrsamkeit hin, die besonders aus den Schriften rö-
mischer Autoren zu gewinnen sind1. Um Zugang zu ihnen zu finden, müssen jedoch zu-
nächst die Lateinkenntnisse verbessert werden, denn um sie steht es bekanntlich in Karls
Reich schon längst nicht mehr gut: Die romanische Volkssprache, die sich seit der Erobe-
rung Galliens durch Caesar in jahrhundertelangen Prozessen aus der gesprochenen Vari-
ante der Sprache Roms herausschälte, bestimmt in ihrer Eigenschaft als tägliches Kom-
munikationsmedium zunehmend den Rahmen des Verständnisses. Grammatisch nicht fi-
xiert und schriftlos, setzt sie gleichwohl zum Sturm auf die Zitadelle des Lateinischen an,
um sie schließlich zu schleifen. Die ersten Schritte dazu sind behutsam: 813 räumt das
Konzil von Tours ein, daß schon viele Gläubige lateinische Predigten nicht mehr verste-
hen, die Geistlichen sollen ihre Textauslegungen daher von nun an in der romanischen
(und deutschen*) Volkssprache vornehmen: „[...] in rusticam Romanam linguam aut theotis-
cam, quo facilius cunctipossint intellegere, quae dicuntur [.,.]“2; und als sich die Enkel Karls des
Großen, Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle, am 14. Februar 842 in Straßburg er-
neut ihrer gegenseitigen Bündnistreue versichern, spricht Ludwig zum Heer Karls in einer
der romanischen Volkssprache angenäherten Kanzleisprache, darauf legt das westfränki-
sche Heer seinen Eid in derselben Sprachform ab: Dies ist die Geburtsstunde des Franzö-
sischen, denn die ‘Straßburger’ Eide gelten als das älteste Dokument in französischer
Sprache3.
Im Jahr 878 werden die Reliquien der heiligen Eulalia aus Merida ins Reich der Westfran-
ken überführt. Auf diesem Ereignis und auf einer literarischen Tradition, die bis zu der
Hymnensammlung ,Peristephanon‘ des Prudentius (348 - um 405) zurückreicht, fußt das
kleine Preislied über das Martyrium der Spanierin, mit dem die Geschichte der französi-
1 Abgedruckt zum Beispiel in Stackeiberg, Jürgen von (Hg.): Humanistische Prosatexte aus Mittelalter und Re-
naissance, Tübingen 1957, S. 1 ff.
2 Hier zitiert nach Eggers, Hans: Deutsche Sprachgeschichte, Bd. 1: Das Althochdeutsche, Reinbek b. Ham-
burg 1963, S. 42.
3 Vgl. dazu etwa Wolf, Heinz Jürgen: Französische Sprachgeschichte, Heidelberg 1979, S. 55 f. Der Text findet
sich auch in Henry, Albert (Hg.): Chrestomathie de la littérature en ancien français, Bd. 1: Textes, Bern 21960, S.
1 f.
411
sehen Literatur beginnt: die um 880 irgendwo zwischen Lüttich und Aachen entstandene
,Sequence de Sainte Eulalie*. Sie entwirft auf engstem Raum in Anlehnung an die Struktur
einer Heiligenlegende Leben, Leiden, Tod und Wunderwirkung Eulalias, die ihrem Glau-
ben trotz heidnischer Drohungen treu geblieben war und deswegen enthauptet wurde:
Zum Lohn schwebt sie daraufhin „in figure de colomb [...] a ciel**4.
Dieser 1837 von Hoffmann von Fallersleben in der Bibliothek von Valenciennes wieder-
entdeckte Text markiert deutlich zwei wesentliche Faktoren bei der Herausbildung einer
nationalsprachlichen Literatur in Frankreich. Erstens ist er sprachlich noch stark vom La-
teinischen geprägt und zweitens ist sein Inhalt geistlicher Natur. Die Kirche in ihrem
Selbstverständnis als eigentliche Wahrerin der Schriftlichkeit gibt also den formalen und
inhaltlichen Rahmen der literarischen Rede vor. Dieser Zustand wird sich in den folgen-
den zwei Jahrhunderten nur geringfügig ändern. Erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts entsteht mit der auf mittellateinischen Vorlagen beruhenden ,Vie de Saint Alexis*
ein Werk, das sich aufgrund bewußter rhetorischer Konzeption und Schlüssigkeit der
Handlungsabläufe deutlich von den voraufgegangenen volkssprachlichen Texten abhebt
und damit zugleich den formalen Zwängen der Liturgie entzieht. Die spröde Intensität
der Darstellung bestimmt die weitreichende Wirkungsgeschichte des Textes im romani-
schen und im deutschsprachigen Bereich, auch über die literarische Rezeption hinaus, wie
Valdesius zeigt, jener reiche Lyoneser Bürger, den die exemplarische Entsagung des Heili-
gen im Jahr 1174 zur Aufgabe seiner weltlichen Habe inspiriert und ihn damit zum Be-
gründer der Waldenserbewegung werden ließ5.
Das Selbstbewußtsein der Volkssprache, das sich hier manifestiert, drückt sich noch un-
gleich eindrucksvoller in einem neuen Genre aus: den Chanson de geste, mit einfacher
musikalischer Begleitung vorgetragene Lieder von Kriegstaten (lat. gesta), zunächst um
Gestalten aus der westfränkisch-französischen Geschichte, bald vielfach verzweigtes Er-
zählwerk um historisch dokumentierte oder fiktive Aristokraten mit ihren Größen und
Schwächen, die sich für einen Souverän einsetzen oder sich gegen ihn empören, die, das
christliche Himmelreich vor Augen, den Heiden im heiligen Land die Hölle auf Erden be-
reiten, aber sich auch im Kampf gegeneinander nicht gerade zimperlich verhalten: eine
Gattung, die ebenso aus dem Bedürfnis der Eeudalgesellschaft nach heroischen Identifika-
tionsfiguren entsteht, wie aus jener Kreuzzugsmentalität, die die augustinische Vorstellung
vom gerechten Krieg* theoretisch rechtfertigte; ein Genre, das nach den Worten des Mu-
siktheoretikers Johannes de Grocheo (um 1300) vorbildliche Verhaltensweisen demonst-
rieren und eigene durch die Darstellung fremder Leiden erträglicher machen, aber auch
nach getaner Arbeit entspannen und unterhalten soll, um dadurch den Bestand des Ge-
meinwesens zu sichern6.
4 Vgl. zum Text Henry (wie Anm. 3), S. 3.
5 Dazu Zink, Michel in: Poirion, Daniel (Hg.): Précis de littérature française du moyen âge, Paris 1983, S. 41 f.
6 Dazu Poirion, Daniel: „Chansons de geste ou épopée? Remarques sur la définition d’un genre“, in: Tra-
vaux de Linguistique et de Uttérature 9 (1971), S. 7-20; siehe außerdem Fladt, Eüinore: Die Musikauffassung des
Johannes de Grocheo im Kontext der hochmittelalterlichen Aristoteles-Rezeption, München/Salzburg 1987; Hau-
412
Über die Entstehung dieser Gattung hat man vom Beginn des 19. bis in die fünfziger Jah-
re des 20. Jahrhunderts höchst kontrovers diskutiert. Während die einen entschieden den
Vorrang der mündlichen vor der schriftlichen Überlieferung betonten, setzten die anderen
ebenso entschlossen auf die Überlegenheit der schriftlichen vor der mündlichen Traditi-
on. Kleinere Preislieder auf aktuelle historische Ereignisse seien über Jahrhunderte hin
anonym in stets anderen Fassungen weitergegeben worden, bevor sie zu den uns bekann-
ten Chansons de geste verschmolzen, sagten die ,Traditionalisten*, während die ,Indivi-
dualisten* den hochgebildeten und genialen Einzelautor postulierten, der den neuen nati-
onalen Stoffen in einer „minute sacrée“ (Joseph Bédier) zeitlose poetische Form gab7.
Eine Klerikernotiz aus dem nordspanischen Kloster San Millân de la Cogolla, die ,Nota
emilianense*, machte 1953 allen Spekulationen ein Ende. Der dreißig Jahre vor dem ersten
uns bekannten Gattungsbeispiel, der ,Chanson de Roland*, entstandene Text hielt nämlich
alle wesentlichen Inhalte dieses Heldenliedes in holprigem, volkssprachlich infiziertem La-
tein fest. Der Schreiber, der sich vielleicht bei seiner nicht gerade spannenden Kopistentä-
tigkeit langweilte, hat damit den Beleg gegeben, daß bereits vor dem ,Roland d’ Oxford*
die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod Rolands - offensichtlich grenzüberschrei-
tend - weitererzählt wurden, ohne daß man diese mündlich tradierten Fassungen schrift-
lich fixierte8.
Nun war dies gewiß ein Stoff, der bei seinem öffentlichen Vortrag durch die Spielleute
mit größter Aufmerksamkeit rechnen konnte: Roland, der Neffe Karls des Großen, wird
als Führer der Nachhut des fränkischen Heeres von seinem Stiefvater Ganelon an die
Heiden verraten und fällt, begleitet von einem Naturszenario, das an den Kreuzestod
Christi erinnert, in Roncevaux. Karl der Große aber stellt die göttlich bestimmte Ordnung
wieder her. Er besiegt den als Antichristen gezeichneten Heidenkönig Baligant und läßt
den Verräter Ganelon in Aachen grausam hinrichten. Am Ende des Epos erhält er durch
den Erzengel Gabriel den Auftrag, in einen neuen Krieg gegen die Heiden zu ziehen. Der
Text, der mit eindringlicher Schlichtheit den Gegensatz zwischen gut und böse inszeniert,
befriedigt mit Dialogen, Kampfschilderungen und malerischen Ortsevokationen Unterhal-
tungsbedürfnis und Neugier der Zuhörer, mit Traum- und Visionsberichten, mit Gebeten
und ethischen Handlungsanweisungen deren Suche nach Erbauung und spiritueller Un-
terweisung.
Im Verlauf des 12. jahrhunderts werden die Darstellungen bestimmter Heldengestalten
biographisch abgerundet und ausgeweitet. Hatten die Epen zunächst ein einzelnes oder
brichs, Wolfgang: „‘Labor sanctorum’ und ‘labor heroum’. Zur konsolatorischen Funktion von Legende
und Heldenlied“, in: Baufeld, Christa (Hg.): Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren für die Entste-
hung deutscher Uteratur des Mittelalters und derfrühen Neuheit, Göppingen 1994, S. 27-49 (hier S. 41 ff.).
7 Vgl. dazu allgemein Kloocke, Kurt: Joseph Bédiers Theorie über den Ursprung der Chansons de geste und die daran
anschließende Diskussion \wischen 1908 und 1968, Göppingen 1972; das Zitat findet sich im dritten Band von
Bédiers Legendes ¿piques, Bd. 3, Paris 31929, S. 448.
8 Vgl. Alonso, Dámaso: „La primitiva épica francesa a la luz de una ‘Nota emilianense’“, in: Revista de Filo-
logía Española 37 (1953) S. 1-94.
413
mehrere besondere Ereignisse um einen herausragenden Kämpfer zum Thema, so begann
sich das Publikum nun offenbar für den gesamten Lebensablauf eines Helden, von der
Kindheit bis ins hohe Alter, zu interessieren. Die schriftliche Fixierung bestimmter Epen-
zvklen, die in dieser Zeit einsetzt, scheint das neue Informationsbedürfnis widerzuspie-
geln9. Bertrand de Bar-sur-Aube hat diese Entwicklung um 1180 mit den immer wieder zi-
tierten Versen aus seinem ,Girart de Vienne4 festgehalten:
N’ot que trois gestes en France lagamie,
Du roi de France est la plus seignorie
et de richesse et de chevalerie.
Et l’autre apres, bien est drois que je die
C. 'est de Doon a la barbe florie,
Cel de Maiance qui tant ot baronie [...]
Fa tierce geste, qui molt fist a proisier;
Fu de Garin de Monglaive le fier.
(„Es gibt in unserem schönen Frankreich nur drei ‘Gesten’, / vom französischen König
handelt die bedeutendste,/ von Reichtum und Ritterschaft./ Und die zweite danach, das
will ich euch genau sagen,/ handelt von Doon mit dem dichten Bart, / dem von Mainz,
der ein so guter Ritter war [...]/ Die dritte Geste, die sehr zu loben ist,/ handelt vom
stolzen Ritter Garin de Monglaive.“10)
Die Einteilung bezieht sich auf die ,Geste de Charlemagne4, die ,Geste de Doon de May-
ence‘ und die ,Geste de Garin de Monglane4 oder die ,Geste de Guillaume d’Orange4. Die
neuere Forschung hat das Spektrum dieser Zyklenbildung noch um die Kreuzzugsepik
sowie die Lothringer- und Nanteuil-Geste erweitert11.
2. Die grenzüberschreitende Wirkung der Chansons de geste: Italien als Beispiel
Seit dem 13. Jahrhundert hört man sich in Oberitalien Episoden aus der altfranzösischen
Heldenepik in einer frankoitalienischen Mischsprache an. Hat man dabei zunächst noch
die aristokratische Ideologie der französischen Modelle respektiert, so führt die Erstar-
kung des städtischen Bürgertums von etwa 1260 an zu einer Umwandlung der Vorlagen:
Karl der Große wird aus seiner alten, alles beherrschenden mythischen Position ver-
drängt, und sein Paladin Roland, der tragische Held von Roncevaux, den die Portale von
San Zeno und Santa Maria Matricolare in Verona bereits in den dreißiger Jahren des 12.
Jahrhunderts abbilden, gewinnt als Kämpfer und Liebender ein literarisches Profil, das das
9 Vgl. dazu Besamusca, Bart / Gerritsen, Willem P. / Hogetoorn, Corry / Lie, Orlanda S.H. (Hgg.): Cycli-
fication. The Development of Narrative Cycles in the Chanson de geste and the Arthurian Romances, Amsterdam - Ox-
ford / New York / Tokio 1994.
10 In Auszügen zitiert nach Hausmann, Frank-Rutger: Französisches Mittelalter, Stuttgart/Weimar 1996, S.53
f.
11 Vgl. die entsprechenden Artikel in Hasenohr, Geneviève / Zink, Michel (Hgg.): Dictionnaire des lettres
françaises - Fe moyen âge, 2., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Paris 1992.
414
des Kaisers weit überragt. Dabei kommt ihm zugute, daß man sich nun nicht mehr mit
den herkömmlichen Berichten von Schlachten und Einzelkämpfen aus den Chansons de
geste zufrieden gibt, sondern die Handlungsmuster der Umarbeitungen mit den phantasti-
schen und wunderbaren Geschicken anreichert, die die Ritter der arthurischen Tafelrunde
im höfischen Roman erleiden müssen. Dadurch spielen Frauen eine immer bedeutendere
Rolle im Geflecht des Erzählten, und die Liebe wird zum zentralen Thema aller geschil-
derten Verwicklungen. Wie begeistert man diesen neuen Produkten der Spielmannszunft
lauschte, zeigt eine Anordnung des Stadtrates von Bologna aus dem Jahr 1288, die den
Spielleuten untersagte, auf öffentlichen Plätzen aufzutreten, da sie den Verkehr behinder-
ten12.
Die im 14. Jahrhundert entstandene anonyme .Entree dEspagne\ die wie eine Einleitung
zum ,Rolandslied4 wirkt, läßt diese neuen Entwicklungen bereits gut erkennen: Während
Karl der Große gegen die Mauren kämpft, verläßt Roland eigenmächtig dessen Heer und
erobert die Stadt Noble, hinter deren Namen sich vielleicht Pamplona verbirgt. Bei seiner
Rückkehr gibt Karl ihm eine Ohrfeige, woraufhin Roland ihn erneut verläßt, um im Ori-
ent eine Reihe wunderbarer Abenteuer zu bestehen. Am Schluß der Geschichte - Ende
gut alles gut - nimmt Karl ihn versöhnt wieder auf. Schon aus dieser kargen Inhaltsangabe
wird deutlich, wie sich die Elemente von heldischem und höfischem Epos miteinander
verbinden. Wie stark jedoch diese Verknüpfung ist, mag eine Einzelszene zeigen: Unter
dem Namen Liones ist Roland auf heidnischem Gebiet angelangt. Hier wagt er es als ein-
ziger gegen einen Wüterich anzutreten, der die Tochter des Perserkönigs töten will. Als er
dabei ist, Teile seiner Rüstung anzulegen, kommt die junge Frau, die er verteidigen will:
Angle resanble qi desande de nue.
Vis oit bien feit e gardeüre agüe,
Im char oit blanche come nif desendue,
Color vermoil come graine vendue,
Boche petite, danteüre menue,
Oil oit riant, qant, ert plus ireschue;
Sa blonde crine ne vos ai manteüe;
So% äeln’a home, tant ait chiere barbue,
Ne la querist avoir en si bra% nue.
Rolant lagarde, trestot le sang li mue;
Non la voudroit le ber avoir veüe [.. .]13
(„Sie gleicht einem Engel, der aus den Wolken herabstieg,/ ihr Gesicht ist schön geschnit-
ten, ihr Blick klar,/ ihre Haut weiß wie frisch gefallener Schnee, / rot wie Scharlachstoff,/
ihr Mund ist klein, die Zähne zierlich,/ im Zorn blitzen ihre Augen;/ noch gar nicht habe
12 Vgl. zu diesem Themenkreis Krauss, Henning: Epica feudale e pubblico borghese. Per la storia poetica di Carlo-
magno in Italia, Padua 1980 und dessen früheren Aufsatz „Ritter und Bürger - Feudalheer und Volksheer.
Zum Problem des feigen Lombarden in der altfranzösischen und frankoitalienischen Epik“, in: Zeitschrift
für romanische Philologie 87 (1971), S. 209-222; zur Ikonographie Rolands Lejeune, Rita / Sdennon, Jacques:
Die Rolandssage in der mittelalterlichen Kunst, 2 Bde., Brüssel 1966.
13 Thomas, Antoine (Hg.): L’entrée d’Espagne, chanson de geste franco-italienne., 2 Bde., Paris S.A.T.F. 1913, hier:
Bd. 2, w. 12553-12563.
415
ich euch von ihren blonden Haaren erzählt!/ Auf der ganzen Welt gibt es keinen Mann,
wie bärtig er auch immer sei,/ der nicht wünschte, sie nackt im Arm zu halten./ Roland
sieht sie, sein Blut gerät in Wallung;/ lieber hätte der Recke sie nicht gesehen [...]“)
So aber gerät er bei der Erinnerung an seine ferne Verlobte Aida heftig ins Schwitzen und
verliebt sich nach natürlich siegreich bestandenem Kampf endgültig in das schöne und
sinnliche Heidenmädchen.
Eine Reihe weiterer Texte nehmen die hier erkennbaren Handlungsstränge auf - Konflikte
zwischen Herrschern und Vasallen, Abenteuersuche und besonders die Verliebtheit des
Helden. Selbst Karl der Große bleibt von ihr nicht verschont, wie wir aus dem ‘Innamo-
ramento di Carlo Magno’ von 1481 wissen, ein Buch übrigens, nach dem eine begeisterte
Rö/^£7/z^-Verschlingerin, die siebzehnjährige Isabella d’Este, dringend suchen ließ14.
Derweilen findet Roland - Orlando die Autoren, die seine literarische Weltkarriere vorbe-
reiten: Luigi Pulci und den Grafen Matteo Maria Boiardo - aber dies ist ein anderes The-
ma.
3. Chanson de geste im 14. und 15. Jahrhundert: Vorbemerkungen
Je nach dem Blickpunkt des einzelnen Interpreten schwankt die Zahl der späten Chan-
sons de geste zwischen dreiundzwanzig15 und fünfundzwanzig oder gar siebenundzwan-
zig16. Gliedern läßt sich dieses Corpus zum einen in solche Epen, die die Vorgeschichte
(Enfances) bereits vorhandener Texte erzählen oder die in ihnen berichteten Handlungen
und Ereignisse fortführen, in solche, die Bearbeitungen (Remaniements) älterer Chansons
de geste darstellen oder verschiedene epische Erzählungen Zusammentragen und mitein-
ander verknüpfen. Am interessantesten ist jedoch zweifellos die Gruppe von Texten, die
genuine Originalwerke sind und die im übrigen etwa ein Drittel des Gesamtcorpus aus-
machen.
14 Vgl. dazu auch Hartung, Stefan: „Komplexes Spiel mit epischer Tradition und die Abwertung der Karls-
figur im Innamoramento di Carlo Magno (1481). Eine Widerlegung der Fusionstheorie der Boiardo-
Forschung“, in: Komanische Forschungen 103 (1991), S. 172-210. - Zur Rezeption der Chansons de geste s.
allgemein Limentani, Alberto / Meneghetti, Maria Luisa / Brusegan, Rosanna / Milone, Luigi / Peron,
Gianfelice / Zambon, Francesco (Hgg.): Essor et fortune de la chanson de geste dans l'Europe et l’Orient latin, 2
Bde., Modena 1984.
15 Kibler, S. William: „Bibliography of Fourteenth and Fifteenth Century French Epies“, in: Olifant 11
(1986), S. 23-50.
16 Vgl. Suard, François: „L’épopée française tardive (XIVe - XVe siècle)“, in: Etudes de philologie romane et
d’histoire littéraire, offertes à Jules Horrent à l’occasion de son soixantième anniversaire, éditées par Jean
Marie d’Heur et Nicolette Cherubini, Lüttich 1980, S. 449-460 [25] und ders.: „La tradition épique aux
XIVe et XVe siècles“, in: Revue de Sciences humaines 183 (1981), S. 95-107 und Grundriß der romanischen Litera-
turen des Mittelalters (GRLMA), Bd. 8,1: La littérature française aux XIVe et XVe siècles, hg. v. Daniel Poirion,
Heidelberg 1988, S. 161-177 [27]. Der Unterschied ergibt sich aus dem Umstand, daß Suard auch Reim-
chroniken, die mit dem Textverfahren der Chansons de geste arbeiten, in seine Zählung einbezieht.
Kibler und Suard berücksichtigen eventuelle Specimina aus der franko-italienischen Epik nicht.
416
Etliche unserer Texte kennzeichnet dabei ein Phänomen, das man unterschiedlich zu be-
gründen versucht hat: ihr teilweise einschüchternder Umfang. Wie aber soll man sich die
Rezeption einer Textmenge von 20-35000 Versen vorstellen, wenn man Jean Rychners17 18
Überlegung folgt, daß in einer einzelnen Séance eines Spielmanns zwischen 1000 bis 2000
Verse zum Vortrag kamen? Zunächst einmal ist festzuhalten, daß sich diese Eigentüm-
lichkeit nicht allein auf die Gattung der Chansons de geste beschränkt, sondern auch das
Genre der Mysterienspiele kennzeichnet. Dahinter verbirgt sich vielleicht der Wunsch, al-
les so genau wie möglich zu beschreiben, die Komplexität von Welt und imaginierter
Wirklichkeit mit einem Höchstmaß an Genauigkeit zu erfassen. Die ursprüngliche Ein-
stimmigkeit der alten Texte ist einer polyphonen Struktur gewichen, die ihre Konsequen-
zen einfordert, die zugleich jedoch auch Ursprung aller jener Möglichkeiten des Romans
ist, die bis in die Moderne verwirklicht wurden.
Im konkreten Beispiel der späten Chansons de geste ergeben sich die Umfange so unter
anderem aus den Kindheitsgeschichten eines epischen Helden, der verschleppt und aus-
gesetzt wird, zeitweilig gegen die Ideale seines Glaubens oder seines Standes leben muß,
als junger Mann fremden Fürsten dient und deren Tochter oder sogar Frau erobert, bevor
ihm nun Prüfungen - Verrat, Naturgewalten, Schicksalsschläge - erneuten Leiden ausset-
zen. Schließlich trifft er wieder mit den Seinen zusammen und kann sich nun für alle erlit-
tene Schmach, alles erlittene Unrecht rächen. François Suard, auf den ich mich hier stütze,
hat die Folgen solcher Handlungsschemata am Beispiel des ,Tristan de Nanteuil4 (entstan-
den um 1350) überzeugend erläutert:
„Au début de Tristan de Nanteuil, Gui et sa femme Aiglentine se sont embar-
qués pour porter secours à Aye d’Avignon, mère de Gui: bientôt les deux
époux sont séparés et Aiglentine se trouve elle-même dépossédée de Tristan,
l’enfant qu’elle a mis au monde [...]. La question posée initialement par le ré-
cit - comment Gui, Aiglentine et Aye seront-ils réunis - en a donc engendré
deux autres: comment les deux époux se retrouveront-ils, quand Tristan re-
verra-t-il ses parents? Mais bientôt Gui devient l’ami de la belle Honorée et lui
donne «un beau filz», Doon [...]. À peine la chanson est-elle commencée, que
le groupe des protagonistes - Aye, Gui, Aiglentine - se trouve multiplié par
deux, avec l’entrée en scène de Tristan, Honorée et Doon. Des possibilités
indéfinies s’offrent donc aux auteurs pour introduire de nouveaux personna-
ges et diversifier leurs relations réciproques: on comprend que 23000 v.
n’aient pas semblé excessifs au poète du Tristan.“,8
Wir werden sehen, daß sich im ,Lion de Bourges4 ganz Ähnliches findet.
In diesen gewaltigen Handlungsiabyrinthen gewinnen die Helden bis dahin unbekannte
Züge. Statt asketischer Kämpfer für Glauben und Gerechtigkeit betreten nun zeugungs-
starke Jungmänner die epische Bühne, deren amoureuse Eroberungen ihnen zwischen
17 La chanson de geste. Essai sur l’art épique des jongleurs, Genf Î 955, S. 48-54.
18 Suard, F.: Etudes... Jules Elorrent (wie Anm. 16), S. 451.
417
zehn19 (,Hugues Capef) und dreißig (,Baudouin de Sebourc1, erste Hälfte 14. Jahrhundert)
natürliche Kinder bescheren können, die ihre Erzeuger im Ernstfall auch tatkräftig unter-
stützen und verteidigen.
Schon Paulin Paris zitierte in seiner Darstellung des ,Hugues Capef20 dessen nostalgische
Evokation seiner Affären mit „Katerine et Agniez et Riqueus“, den Schönen aus Mau-
beuge, Mons und anderswo, und die gelehrte Rechtfertigung seiner Vielweiberei mit Ovid:
,,[...]se raconte Ovid, qui moult fu scienceus/, Que ly ons doit avoir dez amiez plu-
seurs.“21
Eine weitere Veränderung gegenüber der früheren Epik betrifft die Rolle des Wunderba-
ren, das nun konstitutives, alles durchdringendes Handlungselement wird. So treffen die
Helden auf Protagonisten des merveilleux celtique, werden nach Avalon entrückt oder haben
mächtige Zauberer als Freund oder Gegner, und das christliche Wunder kann sich im
Wiederanfügen einst abgetrennter Hände oder Arme manifestieren.
Zeittypisch für das späte Mittelalter ist der moralisch-didaktische Grundton der Texte, der
sich auch an der Vielzahl eingeschobener Sprichwörter oder sprichwortartiger Sentenzen
zeigt, die zumeist natürlich volkstümlicher Herkunft sind; gattungsspezifisch dagegen
bleiben die Hinweise auf die Authentizität des Erzählten, die bereits Jean Bodel als
Merkmal der Heldenepik gegenüber der mattere de Bretagne hervorhob. Daß dieser Wahr-
heitsanspruch sich gerade auch in der Vermischung von historischen mit aktuellen Ereig-
nissen zeigen konnte, werden wir noch sehen. Zunächst möchte ich jedoch noch einmal
19 Zumindest helfen ihm zehn in Paris; es könnten also auch mehr gewesen sein.
20 Paris, Paulin: Histoire littéraire de la France, Bd. 26: Quatorzième siècle, Paris 1873, S. 125-149, hier: S. 127.
21 Vgl. Laborderie, Noëlle (Hg.): Hugues Capet. Chanson de geste du XI H- siècleParis 1997 (CFMA 122), S. 85,
w. 228-229. - Die Stelle bezieht sich auf die Remedia amoris, w, 441-442: „fHjortor et ut pariter binas
habeatis arnicas/ (fortior est, plures si quis habere potest)“ (vgl. Ovid: Amores, Medicamina faciei femineae,
Ars Amatoria, Kemedia amoris, hg. v. E. J. Kenney, Oxford 1961, S. 222).- Vgl. auch noch die Rolle von
„Nature“ im ,Tristan de Nanteuif, s. Sinclair, Keith V.: „Nature in Late French Epic: Topos or Super-
numerary?“, in: Olifant 6 (1978), S. 99-106 (hier S. 99 f.): „She (d.i. „Nature“) is first mentioned when the
hero, aged sixteen, finds the maiden Blanchandine in a forest, abandoned by her Saracen guard. Tristan
had never before kept company with a girl, maiden or woman, or, as the poet blundy puts it: Ains notjeu
avecfemme, sy l'aloit désirant (v. 4379). Now that one comes into sight, alone and unattended:
Tristan lui vint devant et sy lui escnoit:
«Pucelle, vous n’yrésplus avant orendroit.»
A deux bras l’aherdi et puis sy la baisoit;
Nature lui apprent et sy le semonnoit
D ’amer la damoiselle; doucement l’acoloit,
Et elle crye hault et Mahon reclamoit.
(w. 4455-60)
What at first is blind lust and brute force becomes tempered by Nature and transformed into tenderness.
The spark thus kindled is fanned into affection and love, as the couple begin an idyll in the wilds, where
their alimentary needs are met continually by an enterprising hind.“
418
auf die Frage nach der Rezeption unserer Texte zurückkommen22. Man kann davon aus-
gehen, daß ihre Umfänge nicht allzu weit von denjenigen entfernt sind, die nach den
schlichten epischen Anfängen die Epenzyklen erreichen - und gewiß wäre niemand darauf
gekommen, sich alle Chansons der ,Geste de Charlemagne', der ,Geste de Doon de May-
ence' oder der ,Geste de Guillaume d’Orange' auf einmal anzuhören. Andererseits dürfte
den Verfassern späterer Originalepen gerade das Beispiel der Epenzyklen bei der Abfas-
sung ihrer eigenen Werke vor Augen gestanden haben. Sie haben nur das Problem der
Handlungs- und Episodenverknüpfung geschickter lösen können, da sie in einem Zug
durchformulierten. Dabei waren ihre Fassungen in gebundener Sprache gewiß ebenso wie
die Prosaversionen der alten Texte zum Teil auch für Leser bestimmt: „L’homme qui fait
silence, l’homme qui lit, arrive après la période où l’on chantait", schreibt Georges Doutre-
pont in seinen ,Mises en prose des épopées et des romans chevaleresques du XIVe au
XVIe siècle“23. Da andererseits die gereimten oder assonierenden Texte nicht jenen Wahr-
heitsanspruch erfüllten, den man zumindest seit dem 13. Jahrhundert mit der Prosa einge-
löst sah - daher bildeten sich im 15. Jahrhundert neben den ,Arts de seconde rhétorique'
wie Deschamps’, ,Art de dictier et de fere chansons' (1392) auch zunehmend Arts de
première rhétorique' aus -, muß man neben der Aufnahme der späten Chansons de geste
durch Lektüre wohl auch weiterhin an diejenige durch den mündlichen Vortrag oder
durch einfaches Vorlesen für ein kleineres oder größeres Publikum denken. Aus dem Jahr
1372 stammt ein Hinweis auf eine solche öffentliche Rezitationsform: Blinde würden sich
beim Vorsingen von Chansons de geste als Begleitinstrument der cymphonia bedienen24. Da
darüber hinaus manche Handschriften der späten Chansons de geste wie Mitschriften
wirken, sprechen auch sie für eine mündliche Weitergabe der Texte in den von Rychner
vermuteten Dosen: eine Erwägung, die die Mündlichkeitsforschung bis in die unmittelba-
re Gegenwart bestätigt.
4. Elisabeths Vorlagen
Vier Texte hat Elisabeth von Nassau-Saarbrücken ins Deutsche übersetzt. Sie waren
wahrscheinlich in jener Handschrift zusammengefaßt, die ihre Mutter, Marguerite von
Vaudémont und Joinville, 1405 „in welsche Sprache“ schreiben ließ25. Daß es sich dabei
nicht um Pro sa-Vorlagen, sondern um solche in gebundener Sprache handelte, haben in
den letzten Jahrzehnten die Arbeiten von Hermann Tiemann und Ulrich Mölk noch ein-
22 Zum folgenden Cook, Robert F.: „Unity and Esthetics of the late Chansons de geste“, in: Olifant 11
(1986), S. 103-114.
23 Brüssel 1939, S. 382.
24 Vgl. Gröber, Gustav: Geschichte der nnttelfranpisischen Uteratur, Bd. 1: Vers- und Prosadichtung des 14. Jahrhun-
derts, Drama des 14. und 15. Jahrhunderts, zweite Auflage, bearbeitet von Stefan Hofer, Berlin/Leipzig
1933, S. 96; außerdem Cook (wie Anm. 22), S. 112. - Jean de Grouchy teilte diese Vorstellung im übrigen
nicht. In seiner Musiktheorie gehörte der cantus gestualis zur nicht von Instrumenten begleiteten Vokal-
musik.
25 Vgl. Loher und Maller. Ritterroman, erneuert von Simrock, Karl, Stuttgart 1868, S. 290.
419
mal nachdrücklich bestätigt26. Um die allgemeinen Aussagen zu den späten Chansons de
geste zu konkretisieren, gehe ich im folgenden auf diese vier Epen - bzw. die von ihnen
erhaltenen Fragmente - in der Reihenfolge ihres genealogischen Zusammenhangs ein:
,Macaire ou la Reine Sebile4 (bei Elisabeth jSibile4), ,Lohier et Malart4 (bei Elisabeth ,Loher
und Maller4), ,Hugues Capet4 (Elisabeths ,Huge Scheppel4) und ,Lion de Bourges4 (Elisa-
beths ,Herpin4 oder das ,Lewen buch von Burges in Berrye4).
,Macaire ou la Reine Sebile'27 28 erzählt die Geschichte der zu Unrecht des Ehebruchs mit ei-
nem Zwergen beschuldigten Gattin Sibylle Kaiser Karls des Großen, die aufgrund dieses
Vorwurfs schwanger vom Hof verbannt und erst nach vielen Peripetien rehabilitiert wird:
Der Mönch Alberich von Trois-Fontaines hat sie stichwortartig in seiner ,Chronica4 (erste
Hälfte 13. Jahrhundert) festgehalten. Er erwähnt den bösen Zwerg, Aubry von Mondidier,
der die Verstoßene begleiten soll und von dem Verräter Macaire ermordet wird, den
Hund Aubrys, der den Mörder in einem Zweikampf besiegt und besonders den rusticus
asinarius Varocher, dessen alle Standesgrenzen sprengende Haltung die Königin letztlich
rettet. Er berichtet von der Geburt Ludwigs, des Sohns Karls des Großen, und schließ-
lich, nach der Belagerung Karls auf seiner Burg Hautefeuille durch den Kaiser von Grie-
chenland, den Vater Sibylles, von der Versöhnung der Eheleute und der Bestrafung aller
Verräter „de genere GanaJonis“2S.
Der möglicherweise zwischen 1150 und 1170 entstandene Text ist nur fragmentarisch in
weitgestreuten Handschriften des 13. Jahrhunderts in seiner altfranzösischen Version
überliefert. Für die Beliebtheit des Stoffes zeugen jedoch nicht nur literarische Anspielun-
gen in französischen Texten des 14. Jahrhunderts oder seine Wiederaufnahme in den ita-
lienischen ‘Storie Nerbonesi’ von Andrea da Barberino (1410) neben einem franko-
italienischen ‘Macaire’, sondern vor allem eine „mittelfranzösische Sibillenprosa“29 aus
dem 15. Jahrhundert und der altspanische ‘Cuento del enperador Carlos Maynes de Rro-
ma e de la buena enperatiz Sevilla su muger’, der wohl noch ins 14. Jahrhundert gehört,
mit J. Ignacio Chicoy-Dabän vielleicht auf einen verlorenen 4Cantar de la Reyna Sebilla’
zurückzuführen ist30 und demgemäß nicht unmittelbar von einer altfranzösischen Vorlage
abstammt. Die literarische Fortune dieses cuento blieb im übrigen noch bis in die zweite
Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten. Sie hat ihren Grund sicher in der geschickten Mi-
schung von rührseligen und spannenden Momenten, von trivialer Ereigniskumulierung
und entspannender Komik. Schon Alberich von Trois-Fontaines hatte am Ende seiner
26 Vgl. Tiemann, Hermann (Hg.): Der Roman von der Königin S¿bitte in drei Prosafassungen des 14. und 15. Jahrhun-
derts,, Hamburg 1977, S. 20; Mölk, Ulrich: „Lohier et Malart. Fragment eines verschollenen französischen
Heldenepos“, in: Nachrichten der Göttinger Akademie der Wissenschaften 5 (1988), S. 133-164 (hier S. 137).
27 In GRLMA (wie Anm. 16), Bd. 3, 2,2: Lejeune, Rita / Wathelet, Jeanne -Willem / Krauss, Henning
(Hgg.) : Les épopées romanes, Heidelberg 1985, S. 70 f, Dok. 228: La reine Sebile et Macaire.
28 Details und Inhaltsangaben nach Tiemann (wie Anm. 26), S. 9-11.
29 Ders. (wie Anm. 28), S. 21.
30 Chicoy-Dabân, J. Ignacio: „Un cantar de gesta castillan aujourd’hui perdu sur le thème de la reine Sebile“,
in: Charlemagne et l’épopée romane. Actes du 7e Congrès International de la Société Rencesvals, Paris 1978,
hier Bd. 1,S. 251-259.
420
Nacherzählung darauf hingewiesen, daß die geschilderten Ereignisse die Zuhörer „et ad ri-
sum moveant... vel etiam ad lacrimas“31.
Die Vorlage zu Elisabeths ‘Loher’ blieb über Jahrhunderte hin vollkommen unbekannt.
Im Herbst 1987 jedoch fand Hartmut Hoffmann im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wies-
baden ein Pergamentblatt, das 160 Verse des verlorenen Werkes enthielt. Ulrich Mölk hat
dieses Fragment mit aller philologischen Sorgfalt 1988 ediert und seine Niederschrift auf
das 15. Jahrhundert datiert. Mölks historische Überlegungen lassen es dabei als möglich
erscheinen, daß das Bruchstück aus dem Manuskript stammt, das Marguerite von Vaudé-
mont und Joinville 1405 zusammenstellen ließ32. Im Rahmen der vier hier näher betrach-
teten Epen hat ‘Lohier et Malart’ die wohl komplizierteste Handlungsstruktur, ein Um-
stand, der mit darauf zurückzuführen ist, daß in diesem Text die Handlungselemente aus
drei verschiedenen Chanson-de-geste-Traditionen miteinander verbunden sind. Der erste
Teil erinnert stark an ‘Floovant’ (Ende 12. Jahrhundert): Ein Königssohn wird verbannt,
im Exil kämpft er für einen anderen König, findet eine Frau und kehrt in sein Reich zu-
rück, um sich mit dem König wieder zu versöhnen. Signifikante Variante in unserem spä-
ten Text: Während Floovant verbannt wird, weil er einen Adeligen beleidigte - er hat ihm
den Bart abgeschnitten -, muß Lohier ein siebenjähriges Exil antreten, „weil er zahlreiche
Barone durch Liebesaffären mit deren Frauen und Töchtern beleidigt hat.“33 Im Zentrum
des zweiten Teils, den das gefundene Bruchstück mit dem ersten verbindet34, steht der
Erbstreit zwischen Karls Söhnen Ludwig und Lothar (Looys und Lohier), der wahrschein-
lich einmal Thema einer selbständigen, aber verlorenen Chanson de geste war, auf die der
Verfasser ,,eine[r] besondere[n] Redaktion der MortAjmeri de Narbonne“ (13. Jahrhundert)35 36
anspielt, wenn er von alten Epen spricht:
De Charlemaine lo fort roi coroné
Qui a ses fildona ses herite%
A Loojs et a Ijjhier l'ain^né:
Lohiers en est en Alemaigne ale^
Ft Fooys est en France reméFb.
Der dritte Teil schließlich liefert eine neue Version des ehrwürdigen Empörerepos um
den Heidenfürsten Gormont und den Renegaten Isembart, dessen fragmentarische Fas-
sung um 1130 niedergeschrieben sein dürfte, von dessen Inhalt jedoch schon der Mönch
Hariulf in seinem ‘Chronicon centulense’ von 1088 Nachricht gibt. Dabei beschränkt er
sich auf nur wenige Hinweise zu den geschilderten, historisch um 880/81 anzusiedelnden
31 Tiemann (wie Anm. 26), S. 10. Vgl. den Neudruck in diesem Band S. 431-457.
32 •Vgl. Mölk (wie Anm. 26), S. 146-147.
33 Mölk (wie Anm. 26), S. 138-140, hier S. 138.
34 Mölk (wie Anm. 26), S. 149-150.
35 Mölk (wie Anm. 26), S. 142.
36 Zitiert nach Mölk (wie Anm. 26), S. 142.
421
Ereignissen, da alles ja auch patriensium memoria quotidie recolitur et cantatur87. In ‘Lohier et
Malart’ stellt sich das Ganze etwas anders dar, doch die Grundkonstellation des Konflik-
tes bleibt erhalten und wird von Elisabeth auch unmittelbar und zügig auf den Punkt ge-
bracht, wenn wir Simrocks Fassung von ‘Loher und Maller’ folgen wollen37 38.
‘Hugues Capet’, der dritte unserer Texte, führt an das Ende eines fiktiven 10. Jahrhun-
derts, als die Kapetinger die Königsmacht in Frankreich übernahmen. Aber dieses Hel-
denlied ist voller Anspielungen und Hinweise auf konkrete historische Ereignisse, auf
bürgerliche Lebensweisen und Weltanschauungen, so daß Robert Bossuat seine Entste-
hung mit überzeugenden Argumenten auf die Zeit kurz nach 1358 datieren konnte39 40. Zum
Inhalt: Hugues ist der Sohn eines Ritters, des Sire de Beaugency, eines engen Ratgebers
des Königs, und einer reichen Metzgertochter. Es könnte sein, daß die anticapetingische
Polemik nach Art der so beliebten volksetymologischen Wortspiele Capet zu altfrz. chapler
‘zerhacken’ gestellt hat und die Metzgertochter gewissermaßen etymologisch in die Ge-
schichte kam. Auf jeden Fall spielt schon Dante auf die Legende an:
Io fui radice de la mala pianta
che la terra cristiana tutta aduggia,
r 7
/•**J
Chiamato fui di là Ugo Ciappetta;
di me son nati i Filippi e i Luigi
per cui novellamente e Francia retta.
Figliuolfu’ io d’un beccaio di PangFK
Auch Elisabeths Namensform Schapler ist aus diesem Sprachspiel zu erklären. Aber zurück
zu Hugues: Als sein Vater stirbt, ist er sechzehn Jahre alt und durch ein üppiges Erbe un-
abhängig. Er bringt es jedoch in sieben Jahren durch und flieht vor seinen Gläubigern
nach Paris zu seinem Onkel Simon, dem reichen Metzger. Der gibt ihm zweihundert Flo-
rin, da er einsieht, daß sein Neffe mit seinen höfisch-ritterlichen Ambitionen seinem Be-
trieb eher schaden als nutzen würde und sieht ihn nicht ohne Erleichterung ziehen. Hu-
gues wendet sich in den Hennegau (Hainaut) und beginnt hier mit jener fruchtbaren Tä-
tigkeit, von der wir eingangs sprachen: „Mais, ayant mis à mal la fille d’un chevalier“,
schreibt Paulin Paris, „il n’échappe aux ressentiments de la famille qu’en perçant d’un
coup d’épée le père de celle qu’il avait séduite. Après ce bel exploit, il passe de Hainaut en
37 Zitiert nach Becker, Philipp August: Zur romanischen Literaturgeschichte. Ausgewählte Studien und Aufsätze,
München 1967, S. 259.
38 Vgl. Simrock, K.: (wie Anm. 25), S. 226-227.
39 Bossuat, Robert: „La chanson de Hugues Capet“, in: Romania 71 (1950), S. 450-481. Zur Datierung auch
N. Laborderie: Hugues Capet (zit. wie Anm. 21), S. 9-11.
40 La divina commedia di Dante Alighieri, hg. v. Thomaso Di Salvo, Bologna 1987, S. 352-353 (Purgatorio, XX,
w. 43-44, 49-52).
422
Brabant“41 - wer hörte da nicht Leporellos Kommentar: „Due imprese leggiadre: Sforzar
la figlia, ed ammazzar il padre.“?42
Doch, auch wenn Hugues seinen Lebensstil zunächst noch nicht ändert, seine irdischen
Aventuren lassen ihn reifen, er stellt sich in die Dienste der Königinwitwe Blanchefleur,
bewahrt diese mit Kühnheit, Kraft und List vor vielerlei Ungemach und wird durch die
Heirat mit ihrer und des vergifteten Ludwig Tochter Marie zum neuen König von Frank-
reich. Nach neun Jahren der Herrschaft, auch sie mit Kämpfen, Verrat und Sieg über die
Feinde angefüllt, übernimmt Hugues’ und Maries Sohn Robert für vierunddreißig Jahre
den königlichen Thron. - Der mit komischen Episoden angereicherte Text enthält dabei
Hinweise auf das salische Gesetz, dessen Ausschluß der weiblichen Thronfolge einer der
Anlässe für den Ausbruch des Hundertjährigen Krieges war43, auf die englische Geiselhaft
des französischen Königs44 Jean le Bon (1356) und den Aufstand Etienne Marcels45. Sei-
ne Betonung der Rolle des Geldes ist gewiß Ausdruck der wirtschaftlichen - und damit
auch politischen - Bedeutung des Bürgertums, ein Thema, mit dem sich die Chansons de
geste etwa seit der Mitte des 13. Jahrhunderts - z.B. in ‘Hervis de Metz’ aus der ‘Geste des
Lorrains’ - auseinandersetzen. Im ‘Hugues Capet’ unterstützen die Bürger entschieden den
legitimen Herrscher gegen Thronansprüche aus Burgund oder der Champagne. Zugleich
aber evoziert das Epos eine Zeit, die glücklicher, heroischer ist als die seiner Nieder-
schrift, der Augenblick, in dem die französische Aristokratie noch unter dem Schock der
Niederlagen von Crecy (1346) und Poitiers (1356) steht, und es macht aus Hugues - nicht
zuletzt aufgrund seines kühnen Schwurs über dem gebratenen Pfau, der auf Jacques’ de
Longuyon vielgelesene ‘Voeux du paon’ (1312) anspielt - einen neuen Alexander. Die sich
topisch als historisch wahr ausgebende Fiktion, die auch eine grundständige Harmonie
zwischen Adel und Bürgertum entwirft46, dient also der ideologischen Wiederherstellung
eines Nationalstolzes, der vom ganzen Volk gemeinsam empfunden werden soll.
41 Paris (wie Anm. 20), S. 127.
42 Don Giovanni, 1. Akt, Szene 2. - Auch Hans Sachs läßt sich übrigens diese Szene gleich zu Beginn seiner
von einem Volksbuch inspirierten Comedia...von Hugo Schapler; dem streitbaren beiden in Tranckreych (1556)
nicht entgehen (vgl. Hans Sachs: Werke, Bd. 13, hg. v. A. v. Keller und E. Goetze, Tübingen 1880, S. 1-
51).
43 Vgl. w. 4607-4612 (zit. Ausgabe wie Anm. 21, S. 233) und Blumenfeld-Kosinski, Renate: „Rewriting Hi-
story in the Chanson de Hugues CapeG, in: Olifant 15 (1990), S. 33-46 (hier: S. 42); zur Bedeutung der ‘loi
salique’ vgl. Scheidgen, Helmut: Die französische Thronfolge (987-1500): Der Ausschluß der Trauen und das sali-
sche Gesetz, Diss. Bonn 1976.
44 Graf Johann II. von Saarbrücken-Commercy, der Großvater von Elisabeths Gatten Philipp, gehörte zu
den 16 Anführern, die mit dem König in der Schlacht von Poitiers gefangen genommen, aber gegen Lö-
segeld freigelassen wurden, während der König nach England gebracht wurde. An den Verhandlungen
um seine Freilassung war der Saarbrücker Graf, u. a. als nach London entsandter Unterhändler aktiv be-
teiligt. (Ruppersberg, Albert: Geschichte der Grafschaft Saarbrücken, Bd. 1, 2. Aufl. Saarbrücken 1908, S.
159f.)
45 Zu ihm Cazelles, Raymond: Étienne Marcel, champion de l’unité française, Paris 1984,
46 Vgl. Gier, Albert: „Hugues Capet, le poème de l’harmonie sociale“, in: Essor et fortune de la Chanson de geste,
(wie Anm. 14), hier Bd. 1, S. 69-75.
423
Genealogisch am Ende von Elisabeths Chanson-de-geste-Quartett steht ‘Lion de Bour-
ges’47. Der um 1350 entstandene Text ist mit seinen 34298 Versen ein Musterbeispiel sei-
ner Gattung. Sein Umfang ergibt sich auch aus dem Verfahren, das wir oben im Zusam-
menhang mit Tristan de Nanteuil’ erwähnten:
„Aiis, wife of the exiled Herpin de Bourges, is kidnapped in the forest and their son is aban-
doned, to be raised by a lioness. Alis, disguised as a man, becomes seneschal of Toledo; Her-
pin (among many other things) saves Rome from the pagans, but winds up in Toledo himself,
as a prisoner. Lion falls in love with Florandne and has twin sons. This is only the first third of
the poem.“48
Der Redaktor des ‘Lion’ steht auf den Riesenschultern seiner anonymen und nicht ano-
nymen Vorgänger, Verfasser und Redaktoren von höfischen Romanen und Heldenlie-
dern. Er kennt die Stilgebärde der Rhapsoden, weiß um Wunderbares und Folkloristi-
sches. Die Herausgeber des ‘Lion’ meinen sogar, daß alles, was in ihm erzählt wird, aus
anderen Texten stammt und haben ein eindrucksvolles Quelleninventar zusammenge-
stellt, das von ‘Girart de Roussillon’ bis zu Philippes de Remi Inzest- und Rettungsge-
schichte ‘La manekine’ (um 1228)49 reicht, von ‘Doon de Mayence’ bis zu ‘Haveloc le Da-
nois’. Grundsätzlich gehört dieses Epos zur Empörergeste und steht der Geste de Nanteuil
nah. Sein Thema ist die Restituierung des erbrechtlichen Anspruches auf Bourges, der
gleich zu Beginn der Handlung verlorengeht, als Karl der Große Herpin de Bourges, den
Vater Lions, aufgrund einer Verleumdung durch Cloriant, einen Onkel Ganelons, ver-
bannt. Dieser Verlust löst eine zweisträngige Handlung aus:
dans la première partie du poème, Lion retrouve ses parents et sonne le cor qui est le
symbole de son accession à l’héritage; dans la seconde partie, ses fils essaient de revendiquer
leur propre héritage et ne réussissent, finalement, qu’avec l’aide de leur père.“50
Da es die Möglichkeiten dieses Beitrages bei weitem sprengen würde, den Inhalt des Tex-
tes auch nur näherungsweise zu referieren, verweise ich hier auf die Aufstellung der
Haupt- und Nebenthemen des ‘Lion de Bourges’, die die Herausgeber in Anlehnung an
Jean Rychner zusammengetragen haben51.
Aus dieser Zusammenstellung wird die Vielfalt der HandlungsVerknüpfungen im ‘Lion de
Bourges’ deutlich, die ein Leser allerdings schon gut begreifen kann, wenn er nur jeweils
die ersten Halb verse der Texte liest, so sehr sei die chanson de geste „gonflé [e] de formu-
47 Vgl. Kibler, William / Picherit, Jean-Louis G. / Fenster, Thelma S. (Hgg.): Lion de Bourses. Poeme ¿pique du
XIV’ si'ecle., 2 Bde., Genf 1980 (TLF 285).
48 Cook (wie Anm. 22), S. 108-109.
49 Vgl. zur Datierung Sargent-Baur, Barbara N.: „Dating the romances of Philippe de Remi: Between an
improbable source and a dubious adaptation“, in: Romance Philology 50,3 (1997), S. 257-275. Die Verfasse-
rin bereitet eine Neuausgabe von ,La manekine4 vor.
50 Lion de Bourges, (zit. wie Anm. 47), S. Iviii.
51 Ebd,: S. Iix-Ixi.
424
les“, wie die Herausgeber resigniert und ihres Textes offenbar etwas überdrüssig feststel-
len52
5. Ritterromane - und kein Ende in Sicht
„En effet, les romans en vers de cette époque ne sont que des compilations, des remanie-
ments de poèmes antérieurs, et lorsque parfois tels d’entre eux sont imaginés, s’offrent à titre
de nouveautés, ce n’est que du vieux neuf. L’on doit bien en convenir: tout ce que nous décou-
vrons de talent dans les premiers récits de geste, fait défaut à ces retouches, à ces suites du
XIVe siècle. Si elles sont dignes encore de l’attention des érudits, ce n’est d’ordinaire que pour
les thèmes et les survivances littéraires du passé qu’elles contiennent.“53
Von dieser harschen Verurteilung der späten Epik, die man ähnlich auch bei Gustav Grö-
ber oder - gemildert - bei Stefan Hofer finden kann, hat die neuere Forschung, wie wir sa-
hen, trotz mancher Herausgeberseufzer weitgehend Abstand genommen. So kann man
diese Texte als Riesenreservoir von ins Konkrete gewandten Bewußtseinsströmen à la
Proust oder Joyce, à la Lobo Antunes oder Joäo Ubaldo Ribeiro wahrnehmen, in denen
innere Entwicklungen durch die lakonische Beschreibung äußerer Handlungen dargestellt
werden und nicht durch die mäandrierenden Flußläufe einer sublimen Syntax, deren In-
halte von ständiger Verflüchtigung bedroht sind. Abenteuergeschichten, nicht für die
happy few, sondern für die Masse der Unglücklichen zu Zeiten schwarzer und anderer
gewaltsamer Tode, Evasionsorte und Stützpunkte des Gemeinwesens, voller Trost und
Belehrung, vergnüglich, amüsant und selbst im Gegenentwurf exemplarisch - das bleiben
die Chansons de geste auch in ihrer Verwandlung als Ritterromane, in ihrer Larvierung als
Galanterieware oder Evokationsform einer exotistischen couleur locale, als Teil der Bibli-
othèque Bleue oder der Bibliothèque des Romans. Eine schier unübersehbare Menge von Auto-
ren beschwört noch im 19. Jahrhundert Rolands Kühnheit und Mut54, selbst Rimbaud er-
wähnt Turoldus in seinem Voyant-Brief vom 15. Mai 1871 und Rodrigo Díaz de Bivar, der
Cid Campeador, kann zum Freiheitshelden der Revolution von Santo Domingo werden.
Im historischen Roman leben die mittelalterlichen Helden mit allen Formen moderner
Gebrochenheit ebenso fort wie im Opernlibretto oder den unterschiedlichen visuellen
Medien unserer Zeit - und selbst wenn ein Ritter nicht existiert, können ihn Vision und
poetisches Ingenium imaginativ und verführerisch entwerfen, wie Italo Calvino eindring-
lich demonstriert:
„ Primo Orlando che si mette alla destra di suo zio l’imperatore, poi Rinaldo di Montalbano,
Astolfo, Angiolino di Baiona, Riccardo di Normandia et tutti gli altri.
All’estremo della tavolata s’andava a sedere Agilulfo, sempre nella sua armatura da combatti-
mento senza macchia. Che cosa ci veniva a fare, a tavola, lui che non aveva né mai avrebbe
avuto appetito, né uno stomaco da riempire, né una bocea cui awicinare la forchetta, né un
52 Ebd.: S. Ivii.
53 Doutrepont, Georges: ha littérature française à la cour des Ducs de Bourgogne. Philippe le Hardi - Jean sans Peur -
Philippe le Bon - Charles le Téméraire, Paris 1909, S. 3.
54 Vgl. dazu Redman, Harry jr.: The Koland hegend in Nineteenth-Century Trench LTterature, Kentucky 1991.
425
palato da innaffiare di vino di Borgogna? Eppure non manca mai a questi banchetti che si
prolungano per ore - lui che saprebbe impiegarle ben meglio, quelle ore, in operazioni attinen-
ti al servizio. Invece: ha diritto lui come tutti gli altri a un posto alla tavola imperiale, e lo oc-
cupa; e adempie al ceremoniale del banchetto con la stessa cura meticolosa che esplica in ogni
altro ceremoniale della giornata.
Le portate sono le solite dell’esercito: tacchino farcito, oca allo spiedo, brasato di bue, maiahni
di latte, anguille, orate. I valletti non han fatto a tempo a porgere i vassoi che i paladini ci si
buttano addosso, arraffano con le mani, sbranano, si sbrodolano le corazze, schizzano salsa
dappertutto. C’è piti confusione che in battaglia: zuppiere che si rovesciano, polli arrosto che
volano, e i valletti a strappar via i piatti di portata prima che un ingordo li vuoti nella sua sco-
della.
All’angolo della tavola dov’è Agilulfo invece tutto procede pulito, calmo e ordinato, ma ci
vuole piti assistenza di servitori per lui che non mangia, che per tutto il resto della tavola.“55
Die Entgrenzung der Gesänge zur spätmittelalterlich-frühinascimentalen Feier des Indivi-
duums führt so über die glühenden Stanzen Ariosts zu dessen fiktionaler Aufhebung und
zu einem weiteren, postmodernen Sieg der Imagination über die Historie.
55 Calvino, Italo: II cavaliere inesistente, Turin "1983, S. 73-74.
426
,Lohier et Malart« -,Loher und Matj.fr«;
Vorschläge zu einer Edition des Epos
Ute von Bloh, Kurt Gärtner und Michael Heintze1
Das Epos von ,Loher und Maller4 ist bis heute nicht ediert2. Es gehört zu einer Gruppe
von Prosaübersetzungen, die Elisabeth von Nassau-Saarbrücken zugeschrieben werden
(,Historie von Herzog Herpin4, ,Huge Scheppel4,,Königin Sibille4,). Dem ,Loher und Mal-
ler4 liegt eine Chanson de geste aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts3 (,Lohier et
Malart4) zugrunde. Davon ist ein - von Ulrich Mölk 1988 erstmals publiziertes - Frag-
ment erhalten, das 160 Verse umfaßt. Sie befinden sich auf einem Pergamentblatt, das im
Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden unter der Signatur Abt. 1105, Nr. 40 aufbewahrt
wird.
Die deutschen Prosaübersetzungen sind in fünf Handschriften aus dem 15. Jahrhundert
überliefert4:
a) Langfassungen: Handschriften mit Bildern oder Bildbeischriften
H Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 in scrinio, bisherige Da-
tierung zwischen 1470 und 1472, vgl. den neuen Datierungsansatz 1455-56 von
Herrmann in diesem Band S. 120f.
K Köln, Historisches Archiv, Cod. W 337, Bl. lr-149r, um I4865
1 Der Plan, eine Edition des ,Loher und Maller' anhand einer kleineren Textstelle zu versuchen, außerdem
eine Übersetzung des französischen Fragments zu präsenderen, das die Vorlage dafür gebildet hat, ist
das Ergebnis der Gespräche am Rande der Tagung in Saarbrücken. Das vorliegende Resultat beruht auf
einer Gemeinschaftsarbeit: Michael Heintze hat die Übersetzung des französischen Fragments angefer-
tigt, Ute von Bloh hat die kommentierte Transkription der ,Loher‘-Handschrift in Hamburg unter
Einschluß der Varianten in den Handschriften in Heidelberg, Köln, Krivoklät und Wien vorgelegt, die
wiederum Kurt Gärtner unter editionstechnischen Aspekten überarbeitet und mit etlichen Anregungen
versehen hat, die sämtlich umgesetzt wurden. Ulrich Mölk danken wir für die Erlaubnis zum Wiederab-
druck des von ihm publizierten französischen Fragments. (Vgl. Ulrich Mölk, „Lohier et Malart. Frag-
ment eines verschollenen französischen Heldenepos“, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göt-
tingen. I. Philologisch-Historische Klasse 5, Göttingen 1988, S. 135-164; in veränderter, französischer Gestalt
unter dem Titel „Lohier et Malart. Fragment d’une chanson de geste disparue“, in: Romania 110 (1989), S.
466-492 erschienen.
2 Die bei Steinhoff im Verfasserlexikon angekündigte Edition von Roloff ist noch nicht erschienen. Vgl.
Hans Hugo Steinhoff, „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Ver-
fasserlexikon 22 (1980), Sp. 482-488, hier Sp. 484.
3 Vgl. Mölk (wie Anm. 1), S. 138 bzw. S. 468.
4 Zur Überlieferung des ,Loher' in Handschriften und Drucken vgl. Ute von Bloh, Loher und Maller. Über-
tragen aus dem Französischen von Llisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek
Cod. 11 und 11a in scrinio (Codices illuminati medii aevi 35), München 1995.
427
b) Kurzfassungen
Hb Heidelberg, Universitätsbibliothek, Heid. Hs 1012 (olim Ashburnham Place,
Cod. 486), Bl. 24r-248r, 14635 6
P Krivoklät (Pürglitz), Burgbibliothek Ia3, 1482
W Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2816, 1493.
K ist eine Abschrift von H. Die Zusammengehörigkeit der beiden Textzeugen erweisen
folgende Besonderheiten: Beide stimmen im Textbestand nahezu vollständig überein; die
— nicht bebilderte — Kölner Handschrift überliefert als einzige auch die Bildüberschriften
der (bebilderten) Hamburger Handschrift; die Vorreden von H und K weichen von denen
der übrigen Handschriften in Heidelberg, Krivoklät und Wien ab; beide Handschriften
enthalten Textabschnitte, die in den anderen fehlen; und schließlich teilt die Handschrift
in Köln auch Detailvarianten mit der in Hamburg, die sich in Hb, P und W nicht finden,
aber beweisen, daß H die Vorlage für K war. Diese erste Gruppe mit den Textzeugen H
und K läßt sich wegen der gemeinsamen Plusstellen gegenüber den übrigen Handschrif-
ten vereinfacht als Gruppe der Langfassungen bezeichnen.
In die Gruppe der Kurzfassungen gehören die Handschriften in Heidelberg, Krivoklät
und Wien. Ihr charakteristisches Kennzeichen ist vor allem das Fehlen größerer Textteile
gegenüber den Langfassungen. Außerdem weisen die Kurzfassungen kleinere gleichlau-
tende sekundäre Ergänzungen auf, ferner Textpassagen, die von den Langfassungen ab-
weichen. Gleichwohl handelt es sich bei Hb, P und W um verschiedene Fassungen, denn
die einzelnen der gegenüber den ,Langfassungen‘ ergänzten Textabschnitte enthält nicht
jede Kurzfassung, und ihre Abweichungen von HK differieren. Hb stellt die kürzeste Fas-
sung dar (sie fällt als Vorlage für P und W also aus), auch in W gibt es Auslassungen ge-
genüber P und Hb (W kommt also ebenfalls nicht als Vorlage für Hb oder P in Frage),
ebenso verhält es sich mit P (Hb und P bilden aber aufgrund bestimmter Gemeinsamkei-
ten eine genealogische Gruppe). W hat im Textbestand Gemeinsamkeiten mit HK gegen-
über Hb und P und stimmt auch im Wortlaut öfter zu HK, wo Hb und P abweichen. Die
Handschriften der Gruppe der Kurzfassungen sind also weder voneinander noch direkt
von den ,Langfassungen£? abhängig.
Zur Prosaübersetzung
Der Vergleich mit dem französischen Fragment erweist eine recht freie Übertragung der
Vorlage in deutsche Prosa. Bei den Eingriffen handelt es sich überwiegend um Kürzun-
gen: Vorwegnahmen der Handlung werden gegenüber der Vorlage reduziert, Wiederho-
5 Vgl. die Wasserzeichenuntersuchung von Mölk (wie Anm. 1), S. 158.
6 Für diese Handschrift ist eine neue Sigle eingeführt.
Den Nachweis für die Überlieferungsverhältnisse enthält die Habilitationsschrift von Ute von Bloh, Aus-
gerenkte Ordnung. Vier Prosaepen aus dem Umkreis der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken:,Herzog Herpin \
,Loher und Maller\ ,Huge Scheppel1, Königin Sibille\ die voraussichtlich 2001 in den ,Müchner Texten und
Untersuchungen4 erscheinen wird.
428
lungen werden vermieden (etwa die Geburt des Sohnes), Dialoge und Aufzählungen (etwa
der Belagerer) konzentriert. Die Beschreibung von Zeremonien ist entweder gerafft oder
es wird ganz darauf verzichtet (so auf die Abschiedszeremonie zu Beginn).
Außerdem löst sich die Übersetzung verschiedentlich ganz von der Vorlage. Geht man in
der französischen Fassung davon aus, daß mit der militärischen Hilfe des französischen
Königs nicht zu rechnen sei (V. 107), so werden in der deutschen Prosa lediglich Zweifel
formuliert (Bl. 49v); und sind in der französischen Fassung (V. 109) dreißig Verräter in der
Umgebung Ludwigs genannt, so legt sich die Prosaübersetzung (Bl. 49v) auf keine Zahl
fest. Der Name Marfune / Marphone wird überdies in je anderer Weise erklärt: Die franzö-
sische Fassung nimmt die Erwähnung der Geburt eines Sohnes zum Anlaß dafür, die
grausame Rache zu antizipieren, die der Sohn übt, um den Verrat am Vater sowie die hin-
terhältige Kastration zu vergelten (V. 17-27). Die Prosaübersetzung verweist demgegen-
über allenfalls auf das bedenkliche Schicksal Marphones, indem der Name als Bezeich-
nung für Unglück ausgewiesen ist (Bl. 49v). Auch die förmliche Begrüßung folgt wohl un-
terschiedlichen Konventionen, wenn der Bote in der französischen Fassung in seinen Se-
genswunsch lediglich den Kaiser einschließt (V. 74), während in der Prosaübersetzung
neben dem Kaiser auch das Gefolge (Kitterschafft, Bl. 49v) Erwähnung findet.
Auch kleinere Ergänzungen lassen sich feststellen, z.B. wenn in der deutschen Prosa erin-
nernd hinzugesetzt ist, daß Ludwig seine Hilfe verweigerte, als Loher sich bei den Lom-
barden in Gefangenschaft befand (Bl. 49v). Ob die erläuternden Informationen zu Ymera,
dem Unseligen, sowie dessen anfeuernde Worte ebenfalls Ergänzungen darstellen, ist
schwer zu sagen. Möglicherweise folgte dieser Passus in der französischen Fassung nach
dem Quellennachweis. Dann aber wäre das eine Umordnung, und eine solche könnte
auch an anderer Stelle vorgenommen worden sein (wenn es sich nicht gleichfalls um eine
Kürzung handelt und die französische Fassung den Sachverhalt an gegebener Stelle noch
einmal wiederholt), denn von der Umbenennung des Flusses (V. 47-49) ist in der Hand-
schrift in Hamburg erst sehr viel später (Bl. 74r) anläßlich des Krieges zwischen Loher
und Ludwig die Rede: das wasser wart dar nach genant mam [...] Der nam wart Im von Marphone.
Editorische Vorbemerkungen
Das französische Fragment ist der deutschen Prosa nach H synoptisch gegenübergestellt.
Unter dem französischen Text steht die Übersetzung ins Neuhochdeutsche; unter dem
frühneuhochdeutschen Prosatext nach H steht der Apparat mit den Varianten der übrigen
Textzeugen.
Die dem französischen Fragment entsprechende Textpartie befindet sich in den deut-
schen Handschriften auf den folgenden Blättern:
H Bl. 49r-51r
K Bl. 57r - 58v
Hb BL 101r-103r
P Bl. 53r - 54v
W Bl. 68v - 69v (nach Bl. 69 ist ein Blatt herausgerissen, so daß am Ende eine Lücke
429
entstanden ist).
Die Varianten zum Textabdruck nach H werden in Form von Fußnoten mitgeteilt, wobei
rein graphische und in der Regel auch morphologische Varianten in K, Hb, P und W
nicht berücksichtigt sind. Im Fußnotenapparat sind aufgrund der Gruppenzusammenge-
hörigkeit zunächst jeweils die Varianten in K angeführt, dann die in den Kurzfassungen
Hb, P und W. Varianten, die sich auf mehr als eine Wortform des Textes beziehen, sind
mit ihrer Entsprechung im Text dadurch verbunden, daß in nicht eindeutigen Fällen der
Anfang der Entsprechung durch einen öffnenden Winkelhaken gekennzeichnet ist, das
Ende durch die Fußnotenziffer; die Fußnotenziffer ist durch einen Asterisken markiert,
wenn zwischen ihr und dem Winkelhaken noch weitere Fußnotenziffern stehen, die auf
Einzellesarten des Apparats verweisen. Erweiterungen der Textzeugen gegen H sind in
den Anmerkungen mit „eingefügt [Sigle]“ markiert.
Da mit Mikrofilmen gearbeitet wurde, könnten diakritische Zeichen übersehen worden
sein. Kürzel sind stillschweigend aufgelöst; mehrzeilige Lombarden zu Abschnittbeginn
sind durch Fettdruck hervorgehoben. Worttrennungen sind nicht ausgewiesen. Das j ist in
Handschrift H uneinheitlich teils mit Trema, teils ohne Trema, teils mit einem Punkt oder
mit einem Strich über dem Buchstaben geschrieben. Da die Superskripte über dem y keine
Funktion zu haben scheinen, sind sie im Abdruck der Transkription vorerst weggelassen.
ist als Ligatur geschrieben und wird mit ß wiedergegeben. Unsicherheiten bestehen bei
der Groß- und Kleinschreibung von d, h und /; LLoher/LUeber usw. wird stets als Lo-
her/Lieber usw. wiedergegeben. Schräggestellte Doppelpunkte über Vokalen erscheinen als
Umlautzeichen.
Der Text nach H mit den Varianten der übrigen Überlieferung kann als Modell für eine
künftige Ausgabe dienen, nur müßten dann die Frage der Normalisierung und der Inter-
punktion sowie die Frage der Berücksichtigung der graphischen Besonderheiten geklärt
werden. Schließlich wäre die Form des Anmerkungsapparats eventuell zu ersetzen durch
einen Apparat mit Zeilenreferenzen.
430
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Abb. 30: ,Lohier et Malart’ - Teil des Fragments des französischen Textes, HHStA Wies-
baden Abt.1105 Nr. 40, Verse 81-160 der folgenden Edition.
431
1. ,Tohier et MalartDer Text des französischen Fragments und dessen Übersetzung
1 Dedens Constandnoble la joie renforça,1
Les hosts se départirent, Galien demanda2
Congié au ber Malart, que son corps engendra.3
Malart au departir doulcement le baisa4
5 Pour le sien frere Ogier, car durement Tama.5
Le bastart de Connibres illec se maria6 *
Et se prist Sinagloire, que Lohier li donna."
Dont puisedi la belle la vie li sauva8
A la mortelle guerre, que si long temps dura9
10 Pour le vassal Malart, que roys Lohier tua10
Par grant male adventure, dont moult li anoia.11
S’en fut France destruite a un jour qui passa.12
Galien et Ogier la guerre en demena.13
Li cafard de Connibres loyalment leur aida,14
15 Car par dedens Connibres Loays en mena15
*Zur Etymologie dieses in der Mittelalterlichen französischen IJ teratur kein zweites Mal belegten Wortes vgl. die
ergänzenden Ausführungen von Ulrich Mölk: „Le Cafard de Connibres ou Comment expliquer un hapax de Cohier
et Malart\ in: Salvatore Luongo (Hrsg.): L'epopée romane au moyen âge et aux temps modernes. Actes du XIVe Internatio-
na/ de la Soàété Rencescals, Naples, 24.30juillet 1997, Bd. 1, 2001, S. 473-480.
1 In Konstantinopel nahm die Freude zu,
die Heere trennten sich, Gaben verabschiedete sich
von dem trefflichen Malart, den er gezeugt hatte.
Malart küßte ihn beim Abschied zärtlich
5 um seines Bruders Ogier willen, denn er Lebte ihn sehr.
Der Bastard von Coimbra vermählte sich dort
und nahm Sinagloire, die Lohier ihm gab, zur Frau.
Dafür rettete ihm dereinst die Schöne das Leben
in dem todbringenden Krieg, der sich so lange hinzog
10 wegen des tapferen Malart, den König Lohier tötete
durch großes Mißgeschick, worüber er sich sehr grämte.
Infolgedessen wurde Frankreich zerstört an einem Tag, der vorüberging.
Gaben unternahm mit Ogier deswegen den Kriegszug.
Der Bastard von Coimbra stand ihnen getreubch zur Seite,
15 denn er verbrachte Ludwig nach Coimbra
432
2. ,Loher und Malart Der deutsche Prosatext nach H mit den Varianten K, Hb, P und W
//49rh!/ ... sye lebten alle in grossen früden
[//’. 2-47 des französischen Fragments sind ohne Entsprechung im deutschen Prosatext, die Synopse wird daher erst
mit v. 48 fortgesetzt]
433
Et prist Lohier aux mains, qu‘en sa prison ferma.16
Mais Marfunés li ber, que Lohier engenra,17
<Par> si grant <venge>ment que Jhesu li donna18
<
>19
20 Et ses trois fils aussi; li bastars adfina.20
Et se prist Monsisain; Galien il trouva21
Et Ogier le sien fis, qu‘ a force cex questa.22
Et mist tout a exil que riens n‘i espargna.23
<
> près de la24
> temps qu‘il y a.25
25 <
>fist<
<Par li> vint France en pais; puis y repostua26
<Loays> le sien oncle, que on emprisonna.2^
<Oirés bone> chançon, qui taire se vouldra;28
<Oncques> nuis hons vivans de meilleur ne chanta.29
30 Seigneurs, or faites pais pour Dieu omnipotent,30
Si escoutés histoire dont li vers sont moult gent!31
und ergriff Lohier, den er in seinem Gefängnis einsperrte.
Aber der treffliche Marfune, den Lohier zeugte,
[besiegte] durch so grausame Rache, die Jesus ihm zuteil werden ließ,
< >
20 und auch seine drei Söhne; der Bastard starb.
Und er nahm Monsisain ein; er fand Galien
und seinen Sohn Ogier, denn er verfolgte sie unerbittlich.
Und er verheerte alles, so daß er nichts verschonte.
< >
Durch ihn erlangte Frankreich den Frieden wieder; dann setzte er dort
seinen Onkel Ludwig, den man gefangen genommen hatte, wieder als König ein.
Ihr werdet ein gutes Lied hören, wenn ihr euch nur still verhalten wollt;
niemals hat irgendein Mensch auf Erden ein besseres vorgesungen.
30 Ihr Herren, nun gebt Ruhe, bei Gott dem Allmächtigen,
und hört eine Geschichte, deren Verse sehr wohlklingend sind!
25 <
>.
434
[Kein entsprechender Text in der deutschen Prosafassung|
-'-M
)
435
Lohier fut o sa femme apres Pacordement,32
Un fil y engenra que moult ot hardement.33
Marfunés ot a nom, si vous dirai comment:34
35 Car si grant vint sur terre, se Pistoire ne ment,35
Que se il eust eü deux ans; par forcement36
Ouverte en fut la mere, s£en morut a to<urment>.37
Par cestui Marfuné morrurent tant de gent38
C‘on ne le vous pourrait r<ecor>der poi<s>sa<mment>.39 40
40 Pour ce c'on fist son pere coper v<il>lain<ement> /*°
Ce de quoi uns hons v<aul>t et fait engenrement,41
Prist contre Loays un si fier vengement,42
Lui et les trayteurs, qui le conseillement43
En donnèrent au roy, ou doulce France apent,44
45 Que par devant Laingres, ou Bourgogne s’estent,45
Y ot telle bataille et tel tournoiement46
Que la doulce riviere, c‘on clamoit autrement,47
Lohier weilte nach der Eheschließung bei seiner Frau,
einen Sohn zeugte er mit ihr, der viel Kühnheit besaß.
Er bekam den Namen Marfune, und ich werde euch sagen, aus welchem Grund:
35 denn so groß kam er zur Welt, wenn die Geschichte nicht lügt,
als wenn er zwei Jahre alt gewesen wäre; gewaltsam
wurde deshalb die Mutter aufgeschnitten, und sie starb daran qualvoll.
Durch diesen Marfune starben so viele Menschen,
daß man es euch nicht vollständig berichten könnte.
40 Weil man seinem Vater niederträchtigerweise das abschneiden ließ,
was den Mann ausmacht und wodurch er zeugungsfähig ist,
nahm er an Ludwig eine dermaßen furchtbare Rache,
an ihm und den Verrätern, die dem König,
dem das holde Frankreich untertan ist, den entsprechenden Rat gaben,
45 daß es vor Langres, wo sich Burgund erstreckt,
eine solche Schlacht und ein solches Treffen gab,
daß der stille Fluß, der zuvor anders hieß,
436
[Kein entsprechender Text in der deutschen Prosafassungj
437
Fut appellee Marne par Marfuné le gent,48
Que Tyaue fist sanglante par mortoire de gent.49
50 A ma droite matière ferai repairement.50
Or vous traiés en ça trestout communalment!51
Car ci endroit s‘enfïert le fait de hardement,52
Ainsi que vous oirés s'il vous vient a talent.53
Apres le mariage que Lohier establi54
55 De la noble pucelle et du bastard chéri,55
Les os se dessevrerent et chascun s‘en parti.56
Galien s‘en leva, Malart le conduisi.57
< > cil oi58 *
< >59
60 C‘on saluast sa mere au gent <cors> eschevi.60
Adont s‘en dessevra, ainsi <qu‘avé>s oy,61
Et li rois Anceys et si doi fil aussi,62
Marne genannt wurde nach dem edlen Marfune,
der das Wasser blutig färbte vom Niedermetzeln der Menschen.
50 Zu meinem eigentlichen Gegenstand werde ich zurückkehren.
Nun begebt euch alle zusammen hier herüber!
Denn genau an dieser Stelle gewinnt das kühne Handeln an Verwegenheit,
so wie ihr hören werdet, wenn ihr es begehrt.
Nach der Heirat, die Lohier stiftete
55 zwischen dem edlen Fräulein und dem geliebten Bastard,
gingen die Heere auseinander, und ein jedes zog von dannen.
Gaben brach auf, Malart geleitete ihn.
< >
< >
60 daß man seine anmutige, wohlgestalte Mutter grüße.
Dann schied er von ihm, so wie ihr gehört habt,
und ebenso König Anseys und seine beiden Söhne,
438
vnd machten eyn ee mit Synoglar vnd1 dem bastart von kartagie Der da künig Ansys Sune was /
künig Gaben vnd sin sune Otger vnd künig Ansy mit den andern2 herren namen urloub von Lo-
hern vnd Maliern3 vnd zogen widder in ir lant4
Hie wart Loher zü konige gecronet zü constantenobel vnd eyn bode käme von dem babst
der bracht yme eynen brieff dar In er5 yme bott vmb helff die heyden hetten yne belegen6
1 vnd mit Hb.
2 andern fehlt K.
3 vnd Maliern fehlt W.
4 land haim W.
5 er ist interlinear korrigiert.
6 Bildüberschrift in H (mit Bild) und K, fehlt HbPW.
439
Et Lohier demoura ens ou point que je di.* 65 * * * 69
Cils de Constantinoble li furent < >,70
65 Couronnèrent Lohier < >71
Et l‘ont fait empereur < >,72
Car vieux fut rois Oursaire qui ly donna l'o<tri>.73
Lohier Ten mercia et moult Ten conjoi.74
Sormarinde la belle fut ensainte de li.75
70 Si con il tenoit court, a ce que dire oi,76 *
Li vint un messagier, qui devant li s‘offri"~
Et dist: „Cils Damedieux, qui tout a establi78
Et qui pour nous morut au jour du venredi,79
Il sault Tempereur Lohier, que je voi ci!“80
75 „Messagier“, dist li roys, „Dieux soit guide de ti!“81
„Messagier“, dist li rois, „Jhesu te beneye!82
Dont viens ne de quel terre ne de quelle partie?“83
und Lohier blieb an dem Ort, den ich angebe.
Die Leute von Konstantinopel waren ihm < >,
65 sie krönten Lohier < >
und haben ihn zum Kaiser gemacht < >,
denn alt war König Oursaire, der ihm seine Macht übertrug.
Lohier dankte ihm dafür und war sehr freundlich zu ihm.
Die schöne Sormarinde wurde von ihm schwanger.
70 Während er Hof hielt, nach dem, was ich sagen hörte,
kam zu ihm ein Bote, der sich vor ihm hinwarf,
und sprach: „Jener Herrgott, der alles erschaffen hat
und der für uns starb am Karfreitag,
schütze den Kaiser Lohier, den ich hier erblicke!“
75 „Bote“, sprach der König, „Gott möge dich führen!“
„Bote“, sprach der König, „Jesus segne dich!
Woher kommst du, aus welchem Land und aus welcher Gegend?“
440
Dye burger zu7 constantinopel vnd das gantz lant in grecke8 die koren9 Lohern zu10 künig Dann
künig orscher was ein alter man //49va// vnd en11 mocht nit me regieren [Zormerin wart rzu
stunt12 eins kindes swanger / Das must man von ir schniden Dann da es von der müter käme Da
was es als groß Als ein13 zwey Ieryg kint /] (auf Zormerin ff. wird im fr%, Text v. 33-37 verwiesen).
Vnd wart genant Marphone nach welscher sprach / Das betutet rzü dutsche14 Als15 wee Als16 du17
geborn bist Als Loher zu keyser erwellt18 was vnd in der selben hochzyt saß19 So20 kam eyn bot
vor yn knyende / Got21 der vmb vnsern willen die martel hat gelitten Der welle den keyser vnd
syn Ritterschafft hüte vnd allewege behüten
Got danck dir lieber botte22 Sage23 was bringst du mir24 sprach Loher
7 von W.
8 zu gresse Hb.
9 erwelten W.
10 zu eynem Hb.
” en fehlt HbW.
12 in kurcz darnach W.
13 eyn ander HbPW.
14 zu dutsche fehlt W.
15 Als vil W.
16 das HbW.
17 du fehlt W.
18 zu eynem kayser gekorn Hb.
19 was vnd saß W.
20 do Hb.
21 Eingefügt K: dem alle ding vffennberig ist vnd.
22 sprach loher ergänzt W.
23 sage mir HbP, Sag an W.
24 mir mär W.
441
Ce dist li messagiers: „Drois est que je le die.102
je suis a vous tramis, pour voir le vous afie,103
80 Con au plus preux du monde, tant con li ciels tournie. //104
C‘est de par Tappostolle de Romme la garnie.105
Li pape Boniface par moi vous mande et prie:106
Secourre le venés! Car mestier a d£aie.107
En Romme l‘ont assis paien que Dieu maudie.108
85 Quatorze roi y sont, extrait d‘une lignie,109
Dont il est bien raisons que les noms vous en die:110
Soudan de Babilloine, Acquilant de Perde,111
Li rois de Moriane a toute sa mainnie,112
Qui sont tout aussi noir comme est la pois bouüe,113
90 Et si est Maudians qui tient Jaianderie,114
Trente mille jaians a en sa compaignie,115
Si sont cil de Mombranc et cil d‘Esclavonnie,116
Cils d‘Inde la Majour q'uns amiraux maistrie;117
Es sprach der Bote: „Recht und billig ist, daß ich es sage.
Ich bin zu Euch gesandt, fürwahr versichere ich es Euch,
80 als zu dem Tapfersten der Welt, so weit sich der Himmel wölbt,
und zwar im Namen des Papstes des prächtigen Rom.
Papst Bonifaz ersucht und bittet Euch durch mich:
kommt ihm Beistand zu leisten! Denn er hat Unterstützung nötig.
In Rom haben ihn belagert die Heiden, die Gott verfluche.
85 Vierzehn Könige sind dort, entsprossen aus einer Sippe,
von denen es angebracht ist, daß ich Euch ihre Namen nenne:
Soudan von Babilonien, Acquilant von Persien,
der König von Moriane mit seiner ganzen Gefolgschaft,
die ganz genauso schwarz sind wie siedendes Pech,
90 und ebenso ist dort Maudians, der über das Reich der Riesen herrscht,
dreißigtausend Riesen hat er in seiner Begleitung,
ebenso sind dort jene von Mombranc und jene von Esclavonnie,
jene von Groß-Indien, die ein Emir anführt;
442
rEr sprach herre25 ich bin uch26 gesant vor den fromsten herren Der yetz lebt Bonifacius vnser
geistelicher vatter Der enbutet uch mit mir Das ir yme zu helffe wellen körnen
vierczehen heydische kunige hant Rome belegen27 Der Soldan von Babilanien vnd der künig von
der more lant / des volck alles also swartz ist / r Es gelicht28 den hellyschen tüffelen Sy29 hant
wol30 dryssig tusent gewappenter der Swartzen tufel sint also vil Sye nement rdas lant alles31 vor32
25 Herre sprach er K, Herr W.
26 zu uch KHbPW.
27 vmb legen Hb.
28 sy glichen Hb.
29 So W.
30 wol fehlt K.
31 dye lant alle Hb.
32 vor ein W.
443
D‘oultre la Rouge Mer y sont cil dYVorie.126
95 Tant y a de paiens, pour voir le vous affie,127
Qu‘ils ont enclose Romme a chascune partie.128
Il n‘est riens demouré en toute Rommenie.129
Or vous mande li pape que vous ne laissiés mie130
De li venir aidier a faire croserie.131
100 II donne plain pardon a tous ceuls et otrie132
Qui a Romme venront, la fort cité garnie,133
Pour li a conforter vers la gent de Perde.“134
„Amis,“ ce dist Lohier, „or ne moi celez mie:135
Pourquoy n‘a Tappostolle donc sa lettre envoie136
105 A Loeys mon frere qui les François maistrie?“137
„Sire“, dist li messaige, „que voulés que jeen die?138
On a esté en France, mais on ne l‘avra mie.139
Li rovs croit trahiteurs par qui France est honnie.140
Tels trente traiteurs y a de sa maisnie141
von jenseits des Roten Meeres sind dort die von Yvorie.
95 So viele der Heiden gibt es dort, fürwahr versichere ich es Euch,
daß sie Rom von allen Seiten umzingelt haben.
Nichts ist erhalten geblieben in der ganzen Gegend rings um Rom.
Nun ersucht Euch der Papst, daß Ihr nicht unterlassen mögt,
ihm dabei zu Hilfe zu kommen, einen Kreuzzug zu unternehmen.
100 Er erteilt und gewährt vollständigen Ablaß allen jenen,
die nach Rom kommen werden, der mächtigen festen Stadt,
um ihm Entsatz zu bringen gegen das Perservolk."
„Freund“, sprach Lohier, „nun verhehlt mir nicht:
warum hat denn der Papst seinen Brief nicht geschickt
105 zu meinem Bruder Ludwig, der die Franken regiert?“
„Herr“, sprach der Bote, „was wollt Ihr, daß ich darüber sage?
Man ist in Frankreich gewesen, doch man wird es nicht zum Verbündeten haben.
Der König glaubt Verrätern, durch die Frankreich entehrt wird.
Dreißig derartige Verräter gibt es aus seiner Gefolgschaft,
444
vnd verderbent gantz Romerey
Darvmb bittet uch vnser geystlicher vatter yn33 in der grossen not nit zu lassen Dan es triffet die
gantz cristenheit an Were ouch der cristenheit zu helffe Dar34 komet Der verdient als vil grosses
aplas Das die gnade vnsegelich35 ist Die der Babst dar zu gibt
Lieber botte sprach Loher Hat der Babst nit ouch geschickt nach36 mym brüder in franckrich Der
vermag ouch vil volcks
Herre sprach der bot Ich gleuben das man ouch zu yme geschickt habe Aber ich kan üch nit vor
war gesagen ob er ouch37 kome oder nit //49yb// dann man sprichet gemeinlich Er lasse sich die
verretry38 verleyten39 vnd gleube40 was sy41 sagen
33 yn fehlt W.
34 Dar fehlt Hb.
35 vnd-1 sprechlich Hb.
36 zu HbPW.
37 ouch fehlt Hb.
38 verretter KHbPW.
39 laitten W.
40 geleube yn HbPW.
41 sy im W.
445
110 Qui le feront encor anoi et villonnie.151
Nuis ne croit mais conseil ne li tourt a folie,“152
„Amis“, ce dist H roys, „oiés que je dirai!153
De ci vous partirés quant congié vous donrai,154
Si moi dirés au pape, qui tant a le cuer vrai,155
115 Qu‘assés hastivement bel secours li menrai.“156
„Sire“, ce dist Malart, „avecques vous yrai.157
Sachiés que voulenders les paiens occirai!158
Ne a mort ne a vie jamais ne vous faurai.159
Gaiette ma moillier o la vostre lairai."160
120 „Certes“, ce dist Lohier, „bon gré vous en savrai./161
Benoitte soit li heure qu‘o moi vous admenai162
Du royaume de France; par vous ai ce que j‘ai,163
Mes lettres et mes briefs partout envoierai,164
110 die ihm noch Verdruß und Schmach bereiten werden.
Niemand glaubt mehr einem Rat, der sich ihm nicht als Torheit erweist. “
„Freund“, sprach der König, „hört, was ich sagen werde!
Von hier werdet Ihr fortziehen, sobald ich Euch Urlaub gebe,
und Ihr werdet dem Papst, der ein so ehrliches Herz hat, von mir ausrichten,
115 daß recht unverzüglich ich ihm kräftigen Beistand zuführen werde."
„Herr“, sprach Malart, „ich werde mit Euch gehen.
Wißt, daß ich gerne die Heiden erschlagen werde!
Weder im Tod noch im Leben werde ich Euch jemals im Sdch lassen.
Meine Frau Gaiette werde ich bei der Euren zurücklassen.“
120 „Gewiß“, sprach Lohier, „werde ich Euch dafür warmen Dank wissen.
Gesegnet sei die Stunde, zu der ich Euch mit mir nahm
aus dem Königreich Frankreich; durch Euch habe ich, was ich besitze.
Meine Briefe und meine Sendschreiben werde ich überall hinschicken,
446
BOtte sprach Loher sage dem Babst widder42 ich welle kürclichen komen ym mit myner macht zu
helffen
Herre sprach Maller So wil ich mit uch Dann mich gelanget widder die heyden zu stryten / ich wil
ouch von uch nit scheyden Der tot scheyde mich dann von uch Des danck uch got43 sprach Lo-
her Gebenediget sye die stunde Das44 ich uch zu45 gesellen r han gewunnen46 Herre sprach Maller
Scheydichen myn husfrow sol by uwer husfrowen bliben
Loher tet zu stunt brieff machen als wyt syn lant was zu schicken noch allen den die harnesch
42 widder fehlt Hb.
43 got fehlt Hb.
44 do IV.
45 zu eynem Hb.
46 hain genomen Hb, gewunnen hon P.
447
Chevaliers, escuiers, tout partout manderai.170
125 Regardés de mon frere quel chose j‘en ferai!171
De l‘eschance mon pere je croi bastart serai.172
Mais se puis délivrer 1‘appostolle au cuer vrai,173
De Loeys mon frere a li moi plainderai.174
Coument il m‘a failli, tout ly recorderai175
130 Et par le sien conseil du tout ouvrer vouldrai,176
Car moi déshériter trop envis soufferai.177
Or nel puis amender si que je m‘en tairai,178
Et quant il sera poins, mon povoir monsterai. “179
Li bers Lohier de France fist ses briefs seeller180
135 Ou royaume de Grece pour ses gens assambler.181
Ne sai c‘on vous voulsist la chançon demener.182
En pou de temps a fait tout son peuple armer.183
Ritter, Knappen, alles werde ich überall aufbieten.
125 Seht, was ich hinsichtlich meines Bruders tun werde!
Bezüglich des Erbes meines Vaters werde ich, glaube ich, als Bastard behandelt
werden.
Aber wenn ich den Papst mit dem ehrlichen Herzen befreien kann,
werde ich bei ihm über meinen Bruder Ludwig Klage führen.
Wie er mich im Stich gelassen, alles werde ich ihm berichten,
130 und gemäß seinem Rat werde ich ganz und gar Vorgehen wollen,
denn nur äußerst widerwillig werde ich zulassen, mich zu enterben.
Für den Augenblick kann ich es nicht ändern, so daß ich davon
schweigen werde,
und wenn es soweit ist, werde ich meine Macht zeigen.“
Der treffliche Lohier von Frankreich ließ seine Sendschreiben siegeln,
135 um seine Truppen im Königreich Griechenland zu sammeln.
Ich weiß nicht, wozu man euch das Lied in die Länge ziehen wollte.
In kurzer Zeit hat er sein gesamtes Kriegsvolk zu den Waffen gerufen.
448
getragen möchten
Maller sprach Loher Ich wil dem babste von ludwigen47 mym brüder clagen Das er mit mir nit wil
teylen Vnd mir ouch in myn noten nit48 zu helffe wolte körnen Da mich die falschen Lombarden
^gefangen hatten49 / kann50 mir dann51 der Babst nit gehelffen Das mir glichs von ym geschehe /
So wil ich mit dem swert rvnder stene yme52 myn vetterliche erbe an53 zu gewynnen//50V/
Hye käme Loher54 sin folck vnd er saß mit yn zü schiff vnd füren zü Rome zü55
LOhern käme syn hauffenung in kurtzer zyt gein Constandnopel
47 ludwigen fehlt W.
48 nye Hb.
49 hatten gefangen Hb.
50 dan K (Abschreibfehler).
51 dann fehlt W.
52 im vnderston W.
53 ab W.
54 Loher vnd K.
55 Bildüberschrift in H (mit Bild) und K, fehlt HbPW.
449
Quant de Constantinoble se vot li rois sevrer,193
Il ala sa moillier baisier et acoler.194
140 Au départir convint les deux amans plourer;195
Plus ne verront l‘un Tautre: bien s‘en peullent vanter.196
Et Malart print congié a Gaiette au vis cler.197
Ainsi sont départis, si s‘esquipent en mer.198
Ils d<eploi>ent les voles et pensent <de sig>ler.199
145 Vent orent a souhait qui les flst arriver200
Es plains de Rommenie et sur terre monter.201
Et en ce propre tamps, dont vous m‘oez conter,202
Fut Loeys de France, o lui maint bacheler,203
Venus pour aidier Romme des paiens délivrer.204
150 D‘autre part fut logié et o lui sont si per,205
Lombars et Sezillois avoit fait assambler,206 * So
Als der König aus Konstantinopel aufbrechen wollte,
ging er seine Frau zu küssen und zu umarmen.
140 Beim Abschied mußten die beiden Liebenden weinen;
sie werden einander nicht mehr Wiedersehen: sie mögen es sich noch so
sehr geloben.
Und Malart verabschiedete sich von Gaiette mit dem hellen Antlitz.
So sind sie fortgezogen, und sie schiffen sich ein.
Sie setzen Segel und schicken sich an, in See zu stechen.
145 Sie bekamen günstigen Wind, der sie zu den Ebenen
der Umgebung von Rom trieb und sie an Land brachte.
Und zu eben dieser Zeit, von der ihr mich erzählen hört,
war Ludwig von Frankreich und mit ihm mancher junge Ritter
gekommen, um zu helfen, Rom von den Heiden zu befreien.
150 Auf der anderen Seite hatte er sein Lager aufgeschlagen, und mit
ihm sind seine Pairs,
Lombarden und Sizilianer hatte er aufbieten lassen,
450
da name Loher vrlaub von syner husfrowen / die sere heyß weynte Ir eyns gesach das ander Dar
nach ouch nümmer meer /
Maller nam ouch vrlaub von rScheydychen syner husfrouwen56 / dye ouch sere heyß weynte /
Loher vnd syn geselschafft die rsassen alle57 zu schyffe vnd gewunen guten58 wint / So59 furen sy
bis In RÖmery 60 / Vnd Ritten vorbas by 61 Rome / //50v//
Hie kam Loher by rome vnd sach das sich die cristen das was konnig Ludewig sin brüder
gestalt hatten mit den heiden zü striden vnd Loher wappent sich ouch mit syme folcke
vnd kamen den heiden vff den rücke62
//50 va// rDA Loher by 63Rome käme / Da sach er64 rwie die heyden sich65 darvmb gelegert
hatten Vnd sach66 ouch wye die cristen sych gestalt hatten gein In67 zü strytten / Vnd68 des gli-
chen die heyden ouch geyn In / Die selben cristen die da zu strit gestalt waren / Das was künig
Ludwig69 von franckrich / Der da Lohers bruder was / Da reit Loher by70 syn gesellen rvnd sagte
In wie er die heyden Haet gesehen71 sich zu strytte stellen /
56 seiner hausfrawen Scheidichen W.
57 gingen auch Hb.
58 guten fehlt P.
59 Do Hb, Sy W.
60 Römern P.
« gen W.
62 Bildüberschrift in H (mit Bild) und K, fehlt HbPW. In WP Text?usat^ in P als Rubrik: Do kam loher vnnd ludwig vor Rom
zü samen in der haiden streit Babst bonifacius ward sy darnach mit ainander richten / das weret nit lang,
63 genlT
64 Do sach lohier Hb.
65 wie sich die heiden K]V.
66 gesaich Hb.
67 wider sy W.
68 Vnd fehlt K.
69 Ludwig^// K (Abschreibfehler) W.
70 zü W.
71 gesehen hette Hb.
451
François et Bourguignons qui sont fier que seingler.222
Maint prince avoit o lui, ou bien se pot fier.223
Les trahiteurs avoit laissié France garder.224
Franzosen und Burgunder, die so wild wie Eber sind.
Manchen Fürsten hatte er bei sich, auf den er sich wohl verlassen konnte.
Den Verrätern hatte er Frankreich zu behüten überlassen.
452
Da sprach72 Lohers gesellen73 eyner Herre74 ich horte ruffen montgoye Das ist der franzosen ge-
rüffe75 / So meyne ich sprach Loher es sy myn bruder //50vbf / mit den franzosen / vnd ouch
die von burgundien / Herre sprach Emmerich der selb knecht / Ich sage76 das die cristen wol
drissig stryte gemacht hatten / Vnd die heyden hüben yetz an zu stryten / Maller lieber geselle
sprach Loher was ratent ir nu77 das ich tun solle / Maller sprach78 / Lieber Herre was solte ich
anders raten / Dann79 das ir üwer lüte sich80 heyssent wappen / Mann ich vergünne den franczo-
sen/ das sy81 das geruchte82 hüte sollen gewynnen / Da tete Loher vff trompten / Vnd syn lute
sich alle wappen / rDie franzosen hüben an zu striten mit den heyden83 / //51ra//
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
sprachen W.
vnd sagte ... gesellen fehlt K (Augensprung).
Herre fehlt W.
geschray W.
saich HhPW.
nu fehlt W.
sprach fehlt K (Ahschreibfehler).
wan Hb.
sich fehlt W.
Dan ich verkündigen üch. das die franczoßen Hb.
den sige W.
Die franzosen ... heyden fehlt Hb.
453
155 Son mareschal ot fait du chetif Aymer;237
Frere fut sa moillier Blancheflour au vis der.238
155 Zu seinem Marschall hatte er Aymer den Elenden gemacht;
er war der Bruder seiner Frau Blancheflour mit dem hellen Anüitz.
454
Ymera der vnselige künig Ludwigs Swager / Er84 was der kunigynne rechter brüder / Darvmb
hatte In künig Ludwig synen obersten marschalck gemacht / Er was ouch gar85 eyn schone86 küne
Ritter / Der selbe ymera der vnselig traff eynen heydenschen Amtman das er Ime das heubt abe
hyewe / Also erslug er ouch den zweyten87 / vnd den drytten / Ir lieben frunde sprach ymera las-
sent vns hüte zu tage cristus vnsers herren tod rechen / Vnd lassen vns williclichen sterben dann88
er hat ouch89 vmb vnsern willen den tot williclich gelitten / Ich hoffen wer hüte zu tage vmb sy-
nen willen werde erslagen Der far von stunt uff zu hymel vnd bedorff in kein fegfure kommen
Nyeman gedenck an wip oder90 kinde / Noch ouch91 an gold oder92 silber Das er da heymen hatte
gelassen
84 der K.
85 gar fehlt K.
86 schone fehlt W.
87 andern W.
88 wan Hb.
89 ouch fehlt Hb.
90 oder an Hb.
91 ouch fehlt K.
92 ader an Hb.
455
Or convient Sarrasins contre deux lés jouster;248
Ils avront fort afaire s‘il puent eschaper,249
Car tout la fleur du mont les vient advironner.250
160 La madere tesmoigne, ou cils livres fut pris251
Nun müssen die Sarazenen sich gegen zwei Seiten zur Wehr setzen;
sie werden hart zu kämpfen haben, um entkommen zu können,
denn die Blüte der Welt kommt sie vollständig einzuschließen.
160 Die Quelle, die diesem Buch zugrunde liegt, bezeugt
456
Dann yeder man gedencken sol an das Iungeste gerichte / Da vns got vnser herre syn heiligen
funff wunden wil zeygen dagegen93 er vns94 golt noch Silber noch keynerley güts95 wil an gese-
hen96 / Dann allein vnser gute werck / Ich heysse ymera der vnselige / doch han ich guts genüg
/des genüget mir ouch wol / rDarvmb han ich genüg97 / Darumb ir lieben gesellen lassent vns
frischlich vff die heyden slagen / Da mit slug ymera frischlich dar vff / die andern cristen enfelten
ouch nit / Vns saget die hystorien / die franzosen weren nidder gelegen / Enhette Loher vnd
Maller getan ...
93 do Hb.
94 vnßer Hb.
95 nach güts ist werck durchgestrichen.
96 sehen K.
97 Darvmb... genüg fehlt K.
457
„IR HERREN MACHENT FRIDEN“
Gewaltdarstellung und Konfliktebewältigungsstrategien
in den Saarbrücker Chanson de Geste-Bearbeitungen
Bernd Bastert
Seit Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurden die Elisabeth von Nas-
sau-Saarbrücken zugeschriebenen Chanson de geste-Bearbeitungen ‘Herpin’, ‘SibiHe’,
‘Loher und Maller’ und ‘Huge Scheppel’1 meist unter dem Deutungsmuster des Übergangs
bzw. der Überschneidung interpretiert. Als Überschneidungsphänomen gilt dabei z.B. die
Tatsache, daß ein genuin französischer Stoff von einer in Frankreich geborenen, durch
französische Sprache und Literatur geprägten Fürstin, die durch ihre Heirat mit dem Gra-
fen von Nassau-Saarbrücken später nach Deutschland gelangte, einem deutschsprachigen
Publikum vermittelt wurde. Verschiedendich hingewiesen wurde auch auf die ambivalente
Form dieser Übersetzungen: ursprünglich mündlich tradierte bzw. Oralität suggerierende
Reimvorlagen wurden in die moderne Prosaform umgesetzt, wobei die alten, einen münd-
lichen Vortrag anzeigenden Formeln, wie z.B. die Eingangssentenz, größtenteils jedoch
beibehalten wurden. Am nachhaldgsten hat auf die Interpreten der Saarbrücker Prosahis-
torien aber zweifellos die Vorstellung des Epochenumschwungs vom Mittelalter zur Neu-
zeit gewirkt, der in den Texten auf unterschiedliche Art nachzuweisen versucht wurde. Als
symptomadsch für den ‘Herpin’, ‘Sibille’, ‘Loher und Maller’ und ‘Huge Scheppel’
manchmal zugesprochenen unentschiedenen Aggregatszustand zwischen ausgehendem
Mittelalter und beginnender Neuzeit kann vielleicht schon das Faktum bezeichnet wer-
den, daß sie in älteren Arbeiten eher als literarischer Ausfluß politischer und kultureller
Entwicklungen verstanden werden, die ins Mittelalter zurückweisen, während in jüngeren
1 Zitiert wird nach folgenden Handschriften, Drucken und (Mikrofiche-) Editionen: Historie von Herzog
Herpin. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Farbmikrofiche-
Edition. Literarhistorische Einführung und Beschreibung der Handschrift von Ute von Bloh. München
1990 (Codices illuminati medii aevi 17); Huge Scheppel/Königin Sibille. Übertragen aus dem Französischen
von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12 in scrinio.
Farbmikrofiche-Edition. Einführung zum Text und Beschreibung der Handschrift von Jan-Dirk Müller.
München 1993 (Codices illuminati medii aevi 26); vgl. auch Der Roman von der Königin Sibille in drei Prosafas-
sungen des 14. und 15. Jahrhunderts. Mit Benutzung der nachgelassenen Materialien von Fritz Burg heraus-
gegeben von Hermann Tiemann. Hamburg 1977 (Veröffentlichungen aus der Staats- und Universitäts-
bibliothek Hamburg 10), S. 117-173; Hoher und Maller. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth
von Nassau-Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 und 11a in scrinio.
Farbmikrofiche-Edition. Literar- und kunsthistorische Einführung und kodikologische Beschreibung
von Ute von Bloh. München 1995 (Codices illuminati medii aevi 35); für einige Passagen wurde die Pra-
ger Handschrift des Hoher und Maller (Närodni Muzeum, Cod. I.a.3) herangezogen (ich danke Ute von
Bloh für die Erlaubnis, eine Mikroverfilmung dieser Hs. einsehen zu dürfen); Der Huge Scheppel derBlisa-
beth von Nassau-Saarbrücken. Nach der Handschrift der Hamburger Stadtbibliothek mit einer Einleitung
von Hermann Urtel. Hamburg 1905 (Veröffentlichungen aus der Hamburger Stadtbibliothek 1); für ei-
nige Passagen herangezogen ist der Erstdruck von 1500 in folgender Ausgabe: Rornane des 15. und 16.
Jahrhunderts. Nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten hrsg. von Jan-Dirk Müller, Frank-
furt/M. 1990 (Bibliothek der frühen Neuzeit 1), S. 179-339.
459
Untersuchungen häufig die Moderne als Folie dient, vor der die Texte interpretiert wer-
den. In der Deutungsgeschichte spiegelt sich demnach ebenfalls etwas von dem Janusköp-
figen, das in vielerlei Hinsicht als signifikantes Kennzeichen der im 15. Jahrhundert aus
dem Französischen ins Deutsche übersetzten Prosahistorien gilt. Im folgenden Beitrag
sollen die jeweils stark historisch argumentierenden Forschungsparadigmen mit einigen
neueren Ergebnissen der Geschichtswissenschaft konfrontiert und auf die daraus resultie-
renden interpretatorischen Konsequenzen für die Elisabeth zugeschriebenen Texte be-
fragt werden.
Im ausgehenden Mittelalter entstandene Texte, und somit auch ‘Herpin’, ‘Sibille’, ‘Loher
und Maller’ sowie ‘Huge Scheppel’, verstand man lange beinahe selbstverständlich als
Produkte einer politischen und gesellschaftlichen Endzeit, was automatisch ein Präjudiz
für ihren künstlerischen Wert bedeutete. Auch Wolfgang Liepe, der in der Zwischen-
kriegszeit Entscheidendes für die Analyse der Elisabeth zugeschriebenen Prosaerzählun-
gen leistete, interpretierte sie aus jenem Blickwinkel. Besonders deutlich wird dies etwa an
seinem Urteil über die den deutschen Bearbeitungen als Quelle dienenden, wohl noch aus
dem 14. Jahrhundert stammenden französischen Chansons de geste, die Liepe als „spät-
dekadente [...] Ependichtungen“, als Ausfluß einer „Zeit politischer Auflösung und kultu-
rellen Niedergangs des Adels“ charakterisierte2. Ein Urteil, das er — trotz aller Hochach-
tung vor Elisabeths Oeuvre — ebenfalls auf die im Umkreis des Saarbrücker Hofs entstan-
denen Chanson de geste—Adaptationen übertrug, und das nicht unwesentlich Liepes lange
Zeit maßgebliches Bild von Elisabeths übersetzerischer und künstlerischer Leistung be-
stimmte — zumal der von ihm verfolgte, die Epigonalität spätmittelalterlicher Werke beto-
nende Forschungsansatz scheinbar durch historische Untersuchungen gestützt wurde.
Hatte doch Johan Huizinga in seiner wirkungsmächtigen geistesgeschichtlichen Studie
über den ‘Herbst des Mittelalters’ die prunkvolle burgundische Hofkultur des ausgehen-
den Mittelalters als Produkt der nostalgischen Sehnsucht nach einer unwiderruflich ver-
gangenen Zeit beschrieben, in der dem Feudaladel noch sehr viel größere Möglichkeiten
selbständigen militärischen, ökonomischen und politischen Handelns zugekommen seien.
Nach dem Verlust dieser Möglichkeiten habe „die ritterliche Fiktion als Korrektiv für die
Unbegreiflichkeiten [der] eigenen Zeit“3 gedient. Das von dem niederländischen Gelehr-
ten am Beispiel des burgundischen Hofes entwickelte Modell eines eskapistischen Bezugs
auf die ritterlich—höfische Kultur des hohen Mittelalters wurde - in Deutschland oft unter
dem Stichwort „Ritterromantik“ oder „Ritterrenaissance“ — auf die kulturellen, insbeson-
dere literarischen Bestrebungen weiterer Territorialhöfe angewandt. Zu einigen dieser Hö-
fe unterhielt der im Überschneidungsgebiet französischer, burgundischer und deutscher
Interessensphären angesiedelte Hof der Grafen von Nassau-Saarbrücken im 14. und 15.
2 Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und A.nfänge des Prosaromans in Deutschland,
Halle 1920, S. 13.
3 Huizinga, Johan: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in
Frankreich und in den Niederlanden, hrsg. v. Kurt Köster, Stuttgart 1975, S. 87.
460
Jahrhundert diplomatische und/oder dynastische Verbindungen4. Die Auffassung von rit-
terromantischen Kultur- und Literaturbestrebungen im „Herbst des Mittelalters“ auch auf
den Hof der Grafen von Nassau-Saarbrücken zu transponieren, scheint also nahezuliegen,
und ist für die Elisabeth zugeschriebenen Werke zuletzt noch von W. Haubrichs erwogen
worden, der die Saarbrücker Prosahistorien in einer Linie mit „der aufkommenden Ritter-
renaissance Frankreichs und Burgunds“5 sieht. Daß die These eines in den Saarbrücker
Prosahistorien nachweisbaren ritterromantischen Impetus in der Forschung gleichwohl
nicht stärker favorisiert wird, dürfte auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sein.
Zum einen ist es kaum möglich, die teilweise gezielt auf die eigene Vergangenheit gerich-
teten, kulturellen Aktivitäten etwa des Innsbrucker, des Münchner, des Heidelberger und
Rottenburger Hofs oder die entsprechenden Bestrebungen der Herzoge von Lothringen,
Savoyen, Orléans, von Burgund und natürlich die des französischen Königshofs sämdich
unter der Rubrik „Ritterromantik“ oder „Ritterrenaissance“ zu subsumieren. Eingehende-
re Spezialuntersuchungen sind im Hinblick auf die kulturellen und literarischen Ambitio-
nen der genannten Höfe zu divergierenden Ergebnissen gekommen, wobei die Spannbrei-
te von nur schwer nachweisbaren literarischen Aktivitäten - etwa im Fall Sigmunds und
Eleonores von Tirol — bis zu Versuchen reicht, traditionelle Adelsliteratur für aktuelle po-
litische Interessen einzusetzen — wie z.B. im Fall Herzog Philipps des Guten von Burgund
oder Kaiser Maximilians und seines Ruhmeswerks6. Eine weite Teile Europas umfassende,
4 Zu den politischen und dynastischen Beziehungen der Grafen von Nassau-Saarbrücken vgl. Ruppers-
berg, Albert: Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken. I. Teil. Von den ältesten Zeiten bis gur Einführung
der Reformation, Saarbrücken 1899; Hoppstädter, Kurt/Herrmann, Hans-Walter (Hgg.): Geschichtliche Lan-
deskunde des Saarlandes, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der französischen Re-
volution, Saarbrücken 1977 (Mitteilungen des historischen Vereins für die Saargegend N.F. 4), jetzt auch
den Beitrag von Hans-Walter Herrmann in diesem Band S. 49-124.
5 Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik
in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: DU 43 (1991), S. 4-19,
hier S. 18.
6 Zum Innsbrucker Hof vgl. Hahn, Reinhard: ‘Von französischer jungen in teütsch’. Das literarische Leben am
Innsbrucker Hof des späteren 15. Jahrhunderts und der Prosaroman Pontus und Sidonia (A)’, Frankfurt/M. u.a.
1990 (Mikrokosmos 27); zur literarischen Situation am Hof Maximilians vgl. Müller, Jan-Dirk: Gedechtnus.
Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., München 1982 (Forschungen zur Geschichte der Älteren
Deutschen Literatur 2); zum Münchner Hof vgl. Bastert, Bernd: Der Münchner Hof und Fuetrers ‘Buch der
Abenteuer’. Literarische Kontinuität im Spätmittelalter, Frankfurt/M. u.a. 1993 (Mikrokosmos 33); zu Heidel-
berg vgl. Backes, Martina: Das literarische Leben am kurpfälf sehen Hof gu Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein
Beitrag gur Gönnerforschung des Spätmittelalters , Tübingen 1992 (Hermea N.F. 28); zu Rottenburg vgl. Krus-
ka, Renate: Mechthild von der Pfalg im Spannungsfeld von Geschichte und Literatur, Frankfurt/M. u.a. 1989
(Europ. Hochschulschriften, Reihe I, 1111). Zur am französischen Königshof gegen Ende des 14. Jahr-
hundert rezipierten Literatur vgl. Delisle, Léopold: Recherches sur la librairie de Charles V, Roi de France,
1337-1380. 2 Bde. (Paris 1907), Reprint Amsterdam 1967. Zur Literatur am Hof Philipps des Guten von
Burgund und generell am Burgunderhof vgl. Doutrepont, Georges (Hg.): Inventaire de la Librairie’ de Phi-
lippe le Bon (1420), Bruxelles 1906; ders.: La Littérature Française à la cour des Ducs de Bourgogne. Philippe Le
Hardi - Jean Sans Peur - Philippe Ix Bon - Charles Le Téméraire, Paris 1909; Winter, Patrick M.: La Bibliothèque
De Philippe Le Hardi Duc De Borgogne (1364-1404). Etude sur les manuscripts a peintures d’une collection princière a
l’époque du ‘style gothique international’, Paris 1985. Vgl. auch Lacaze, Yvon: „Le Rôle des Traditions dans la
Genèse d’un Sentiment National au XVe Siècle. La Bourgogne de Philippe le Bon“, in: BEC 129 (1971),
461
am burgundischen Vorbild ausgerichtete Kultur und Literatur der Ritterrenaissance dürfte
demnach in der zuweilen unterstellten Einheitlichkeit kaum existiert haben7. Im Fall der
Saarbrücker Chanson de geste-Bearbeitungen kommt ein weiteres Moment hinzu. Das
Modell der romantischen Ritternostalgie operiert stark mit Bezügen auf höfisches Zere-
monialhandeln, auf vorbildliches, vollkommenes, mit einem Wort: ritterliches Verhalten,
das sich in der Realität in Festen, Turnieren, Schaugeprängen usw. manifestiere, wie dies
Huizinga so eindrucksvoll für den burgundischen Hof gezeichnet hatte. In der Literatur
findet die Vorstellung vom affirmativen Charakter der höfischen Kultur ihre Entspre-
chung noch am besten im Typus des Artusromans mit seinem — wenigstens partiell gülti-
gen — gemeinschaftsstiftenden Ideal der Tafelrunde und der allgemeinen Festesfreude.
Von daher ist es wenig erstaunlich, wenn das Deutungsmuster der Ritterrenaissance be-
sonders häufig auf Texte appliziert wurde, die unmittelbar auf das Vorbild des Artusro-
mans rekurrieren, wie etwa Füetrers ‘Buch der Abenteuer’, oder doch zumindest indirekt
auf die Ideologie der hochmittelalterlichen Muster Bezug nehmen, wie die unter der Ägide
Maximilians, des „letzten Ritters“, verfaßten Werke ‘Theuerdank’ und ‘Weißkunig’. Die
Saarbrücker Prosawerke fügen sich dagegen dem Ideal höfisch vorbildlichen Handelns
nur sehr punktuell. Zwar begegnen dort ebenfalls Feste und Turniere; noch weit seltener
als in den Artusromanen verlaufen sie allerdings konfliktfrei oder besitzen, im Unter-
schied etwa zur Eingangsszene des ‘Erec’ oder ‘Iwein’, einen integrativen, verschiedene
Adelsgruppierungen umspannenden oder gar miteinander versöhnenden Charakter. Fest-
lichkeiten enden statt dessen nicht selten im Streit — wie z.B. im ‘Herpin’, wo aus einem
als Heiratsbörse einberufenen Turnier eine erbitterte Feindschaft erwächst, die alsbald in
Kämpfe mündet, in denen der Unterlegene am Ende getötet wird. In den Saarbrücker Be-
arbeitungen französischer Heldenepik ist der für jenes Genre häufig konstitutive brutale,
grausame, tödliche Ernstkampf stets eine naheliegende Alternative. So dürften wahr-
scheinlich auch Inhalt und Thematik der Texte mit dafür verantwortlich sein, daß die
Theorie einer nostalgischen Apotheose der glorreichen eigenen Vergangenheit die Inter-
pretationsgeschichte der Elisabeth zugeschriebenen Werke nicht deutlicher bestimmt.
Statt mit Blickrichtung auf die Vergangenheit werden die unter ihrem Namen firmieren-
den Prosawerke neuerdings umgekehrt eher als Texte verstanden, in denen sich auf die
Neuzeit verweisende Entwicklungen niederschlügen. Den entscheidenden forschungsge-
schichtlichen Paradigmenwechsel haben, etwa gleichzeitig, doch unabhängig voneinander,
Jan—Dirk Müller und Dieter Seitz mit Studien über ‘Huge Scheppel’ bzw. ‘Hug Schapler’
eingeleitet. Beide verstehen den kämpfestüchtigen, Gewalt, ja Grausamkeit teilweise skru-
pellos einsetzenden Protagonisten der Erzählung als Verkörperung feudaler Wunschvor-
S. 303-385. Zu der im 15./16. Jahrhundert in West- und Südeuropa entstandenen und rezipierten ‘ritter-
lichen’ Literatur vgl. ebenfalls die Sammelbände von Jones-Davies, M. T. (Hg.): Le Roman de Chevalerie au
temps de la Renaissance, Paris 1987; Hempfer, Klaus W. (Hg.): Ritterepik in der Renaissance, Stuttgart 1989
(Text und Kontext 6); Angio, Sydney (Hg.): Chivalry in the Renaissance, Woodbridge 1990.
7 Auf eine umfassende Auseinandersetzung mit den Forschungen zur sogenannten Ritterrenaissance muß
an dieser Stelle verzichtet werden; vgl. dazu Bastert (wie Anm. 6), S. 7-39, und vor allem den instruktiven
Beitrag von Klaus Graf in diesem Band S. 517-532.
462
Stellungen. Denn Huge könne noch unbelastet von Zwängen agieren, wie sie den Adel in
der realgeschichtlichen Situation des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neu-
zeit immer stärker einschränken würden. Die Einengung adliger Möglichkeiten zur Ge-
waltausübung, insbesondere die Möglichkeit zur Fehdeführung, wird dabei primär auf po-
litische Gründe, auf die sukzessive Durchsetzung des fürstlichen bzw. staatlichen Ge-
waltmonopols, zurückgeführt8. Zudem hätten gleichfalls sich wandelnde zivilisatorische
Standards dafür gesorgt, daß ungehemmte Gewaltausübung und Affektentladung, wenn
nicht unmöglich gemacht, so doch mehr und mehr geächtet worden seien9. Kaum subli-
mierte Gewalt und ungezügelte Triebauslebung, die sich, was viele Interpreten lange Zeit
irritiert hatte, über weite Passagen des ‘Huge Scheppel’ und der übrigen Saarbrücker Pro-
sahistorien erstrecken, ließen sich durch einen solchen Deutungsansatz sehr viel besser
verstehen. Mußte die Schilderung dieser Affekte doch nun nicht länger als im 15. Jahr-
hundert bereits anachronistische Rudimente einer archaischen Vorzeit gedeutet werden,
sondern verwies jetzt indirekt auf den erfolgreichen Abschluß des Territorialisierungspro-
zesses sowie auf zivilisatorische Standards, hinter denen bereits die Moderne am Horizont
sichtbar wurde. Seither gelten implizit auf die anbrechende Neuzeit verweisende Gewalt
und ungezügelte Triebhaftigkeit, bzw. die vermeintliche Schilderung von deren Überwin-
dung, nicht selten als das eigentliche Faszinosum der Texte10.
8 Müller, Jan-Dirk: „Held und Gemeinschaftserfahrung. Aspekte der Gattungstransformadon im frühen
deutschen Prosaroman am Beispiel des ‘Hug Schapler’“, in: Daphnis 9 (1980), S. 393-426; Seitz, Dieter:
„Der Held als feudales Wunschbild. Zur historischen Bewertung des Typus Hug Schapler“, in: Horst
Wenzel (Hg.): Typus und Individualität im Mittelalter, München 1983 (Forschungen zur Geschichte der Älte-
ren Deutschen Literatur 4), S. 123-139.
9 Vgl. in diesem Sinne Müllers Nachwort zum Erstdruck des Hug Schapler (wie Anm. 1), S. 1110-1116
bzw. sein Vorwort zur Mikrofiche-Edition des Huge Scheppel (wie Anm. 1), S. 28f.
10 Vgl. etwa Sauder, Gerhard: „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und ihre Prosaromane“, in: Saarländische
Lebensbilder. Bd. 1, Saarbrücken 1982, S. 31-56 und insbesondere Burchert, Bernhard: Die Anfänge des Pro-
saromans in Deutschland. Die Prosaergählungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken, Frankfurt/M. u.a. 1987 (Eu-
rop. Hochschulschriften, Reihe I, 962); ders.: „Auf dem Weg zum Roman. Anmerkungen zu der Gat-
tungskontroverse um den ‘Hug Schapler’“, in: ZfdPh 107 (1988), S. 400-410; gestützt auf die Zivilisati-
onstheorie von Norbert Elias glaubt Burchert einen fortschreitenden Prozeß gelingender Affekt- und
Triebbeherrschung von ‘Herpin’ über ‘Sibille’, ‘Loher und Maller’ bis zu ‘Huge Scheppel’ zu erkennen,
den er als Erziehungsprogramm für Elisabeths Sohn Johann versteht. Abgesehen von groben Verzeich-
nungen der historischen Hintergründe und der selektiven Textdeutung krankt seine Interpretation an der
nicht hinterfragten Übernahme ungesicherter Prämissen. So ist z.B. weder die als Grundlage von Bur-
cherts Theorie dienende genaue Produktionsfolge der einzelnen Bearbeitungen zu erweisen, noch die
Autorschaft Elisabeths über jeden Zweifel erhaben. Ähnlich problematisch ist auch der Ansatz von S.
Morrison, die ihre Auffassung einer durch Frauen bewirkten Pazifizierung Huges in letzter Konsequenz
aus der Autorschaft Elisabeths ableitet; vgl. Morrison, Susan Signe: „Women Writers and Women Ru-
lers: Rhetorical and Political Empowerment in the Fifteenth Century“, in: Women in German Yearbook 9
(1993), S. 25-48. Zur Problematik der Autorenschaft Elisabeths vgl. Spiess, Karl-Heinz: „Zum Gebrauch
von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“, in: I. Kasten / W. Paravicini / R. Perennec. (Hgg.): Kulturel-
ler Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter, Sigmaringen 1998 (Beihefte der Francia 43), S. 85-101,
hier S. 98ff.
463
Obwohl dieses neue, auf die Moderne zielende Deutungsmuster im Vergleich zu Interpre-
tationen, die die Saarbrücker Chanson de geste-Bearbeitungen als rückwärts gewandte
Utopien auffassen, aus entgegengesetzter Richtung argumentiert, partizipiert es dennoch,
mehr oder weniger deutlich, gleichfalls am bekannten Denkmodell einer wachsenden Kri-
senanfälligkeit des Adels im ausgehenden Mittelalter. In einer zentralen Passage über den
Adel im 15. Jahrhundert heißt es bei Jan—Dirk Müller beispielsweise: Mit dem Vordringen
der Geldwirtschaft einerseits, dem Aufstieg der fürstlichen Territorialmacht andererseits,
verändern sich beschleunigt seit der Jahrhundertmitte soziale Stellung, Funktion und Rol-
lenbild besonders des niederen Adels. Der Typus, den Hug vertritt, ist auf dem Rückzug.
Kriegerische Tüchtigkeit begründet je länger je weniger Anspruch auf eine soziale Füh-
rungsrolle, die Fehde gerät unter die Kontrolle der werdenden staatlichen Institutionen.
Um seinen Status zu wahren, muß sich der Adel in deren Machtapparaturen eingliedern11.
Neuere historische Studien betonen hingegen mit Nachdruck, daß von einer allgemeinen
Krise des Adels im Spätmittelalter schwerlich gesprochen werden kann — weder in öko-
nomischer noch in politischer und auch nicht in militärischer Hinsicht12. Denn die un-
zweifelhaft stattgehabten Veränderungen des 14.-16. Jahrhunderts wirkten sich für unter-
schiedliche Adelgruppierungen in verschiedenen Regionen und Epochen sehr ungleich
aus. Während einige Geschlechter in der Tat ihren ökonomischen und damit gleichzeitig
politischen Einfluß verloren, gelang anderen, von dieser Konstellation gerade profitie-
rend, der wirtschaftliche und soziale Aufsdeg. Und hinsichtlich des militärischen Stellen-
werts des spätmittelalterlichen Rittertums vertritt ein Spezialist wie Roger Sablonier die
Auffassung: „Gegenüber traditionellen Vorstellungen ist deutlich festzuhalten, daß von
einer Eliminierung oder Entfunküonalisierung des ritterlich bewaffneten Kriegers adliger
Herkunft nicht gesprochen werden kann, bis gegen 1500 hin auf gar keinen Fall.“13 Wie
die Ansicht von der — zuweilen wohl etwas zu generalisierend gebrauchten — „Krise des
Spätmittelalters“ wird von Seiten der Geschichtswissenschaft in letzter Zeit ebenfalls die
Vorstellung einer rasch voranschreitenden Konsolidierung des Territorialstaats problema-
tisiert; eines Gebildes also, das auf dem Weg vom Personenverbandsstaat zum institutio-
nalisierten Flächenstaat zugleich die Möglichkeiten kriegerischer und sonstiger Gewalt-
ausübung für den alten Schwertadel drastisch beschnitten hätte, indem sich seit dem 15.
Jahrhundert immer stärker das fürstliche, respektive staatliche Gewaltmonopol durchge-
11 Müller: „Held und Gemeinschaftserfahrung“ (wie Anm. 8), S. 414. Auf den militärischen Funktionsver-
lust und ökonomische Schwierigkeiten des spätmittelalterlichen Adels stützen z.B. auch Seitz (wie Anm.
8), S. 131-133 und Sauder (wie Anm. 10), S. 32, ihre Argumentation.
12 Vgl. etwa Meuthen, Erich: „Gab es ein spätes Mittelalter?“, in: J. Kunisch (Hg.): Spätreif. Studien pi den
Problemen eines historischen Epochenbegriffs, Berlin 1990 (Historische Forschungen 42), S. 91-135; Schubert,
Ernst: Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter, Darmstadt 1992; Schuster,
Peter: „Die Krise des Spätmittelalers. Zur Evidenz eines sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Paradi-
mas in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts“, in: HZ 269 (1999), S. 19-55 mit jeweils weiter-
führender Literatur.
13 Sablonier, Roger: „Rittertum, Adel und Kriegswesen im Spätmittelalter“, in: Josef Fleckenstein (Hg.):
Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Beiträge ps einer vergleichenden Formen- und Verhaltensgeschichte des Rittertums,
Göttingen 1985, S. 532-567, hier S. 541 f.
464
setzt habe. So konstatiert z.B. Ernst Schubert in einem neueren Forschungsresümee: „Das
spätmittelalterliche Fürstentum ist selbst bei großzügigster begrifflicher Auslegung noch
kein Staat. Weder gibt es einen Untertanenverband noch ein Staatsgebiet, geschweige
denn Souveränität.“ Im Hinblick auf bestimmte Interpretationsmuster für die Elisabeth
zugeschriebenen Prosahistorien scheint Schuberts Feststellung, daß die Auffassung von
der fürstlichen Machtausübung als Kristallisationspunkt späterer Staatsgewalt fragwürdig
sei, besonders wichtig. Denn die Wege, die schließlich zur Ausbildung des modernen
Staates führten, wurden nach Schubert „im 15. Jahrhundert nur zögernd eingeschlagen,
ohne das Ziel in erreichbarer Nähe zu sehen.“14 Durch Druck von fürstlicher oder staatli-
cher Seite mag demnach zwar der politische, ökonomische oder militärische Handlungs-
spielraum in Einzelfällen tangiert worden sein. Ob allerdings eine noch in der Zukunft
liegende Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols als primärer, kompensatorisch zu
verstehender Rezeptionshintergrund der körperliche Gewalt und Triebauslebung teilweise
stark betonenden Saarbrücker Prosahistorien aufgefaßt werden kann, darf bezweifelt wer-
den.
Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch, daß gerade die Themen-
telder Kampf/Gewalt sowie Liebe/Sexualität einen integrativen Bestandteil des Typus
Chanson de geste bilden — der zweite Bereich zwar nicht im bekannten, aber eher gat-
tungsuntypischen ‘Rolandslied’, dafür aber in so berühmten Werken wie Prise ‘d’Orange’,
‘Voyage de Charlemagne’, ‘Chanson d’Aspremonf, ‘Chanson des Saisnes’ und anderen.
Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert riß die Rezeption dieser und ähnlicher Helden-
epen im französischsprachigen Raum nie ganz ab15. Zumindest das — möglicherweise
durch Elisabeth vermittelte — Interesse des Primärpublikums an „sex and crime“-
Thematik ist am traditionell stark nach Westen orientierten Saarbrücker Hof demnach
wohl eher auf das Interesse an der Rezeption einer in Frankreich und Burgund gerade
während des 14. und 15. Jahrhunderts beliebten, in ihren narrativen Potentialen in der
(deutschen) Forschung zuweilen unterschätzten, französischen Gattung zurückzuführen,
als auf zeitspezifische, in der heraufziehenden Moderne gründende Befindlichkeiten des
Publikums. Vor einer zu einseitigen Auslegung bzw. zu starker interpretatorischer Ge-
wichtung einiger durch Gewalt und unkontrollierte Affekte gekennzeichneten Passagen
der Saarbrücker Prosahistorien sollte zudem warnen, daß in sämtlichen Texten ebenfalls
Szenen begegnen, in denen unkontrollierter Gewaltbereitschaft und mangelnder Affekt-
beherrschung durch besondere Techniken des Konfliktmanagements gerade entgegen
gewirkt wird oder scheinbar spontane Gewalt sich in Wirklichkeit als Ergebnis eines be-
stimmten Regeln gehorchenden Konfliktverhaltens erweist. In der bisherigen Forschung
14 Schubert, Emst: Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, München 1996 (Enzyklopädie
deutscher Geschichte 35), S. 81 f.
15 Zur Rezeption der Chanson de geste zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert vgl. Duggan, Joseph J.: „Die
zwei »Epochen« der Chansons de geste“, in: Hans Ulrich Gumbrecht u.a. (Hgg.): Fpochenschmllen und
Fpochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie, Frankfurt/M. 1985, S. 389-408. Allgemein zum
literarischen Genre vgl. die instruktive Einführung von Suard, François: La chanson de geste, Paris 1993,
der auch die Typologie und die Rezeptionsgeschichte der Gattung behandelt.
465
sind diese Szenen noch kaum in den Blick geraten, geschweige denn interpretatorisch
fruchtbar gemacht worden16. In der Geschichtswissenschaft wurden die unterschiedlichen
Regulative mittelalterlicher Streit- und Konfliktfälle hingegen eingehender studiert, wobei
sich aus den verschiedenen Quellengattungen unterschiedliche Möglichkeiten der Beile-
gung von Konflikten herauskristallisiert haben17. Besonders intensiv beschäftigte sich in
letzter Zeit G. Althoff mit diesem Themenfeld. Seine Ergebnisse lassen sich folgender-
maßen zusammenfassen: „Im Unterschied zum populären Bild vom Mittelalter als einer
Zeit der hemmungslosen und unkontrollierten Gewaltanwendung verdient hervorgeho-
ben zu werden, daß den Waffenträgern des Mittelalters eine Fülle von Verhaltensnormen
zur Verfügung standen, die auf Eindämmung der Gewaltanwendung zielten.“ 18 Wie ein
darauf konzentrierter Textdurchgang durch ‘Herpin’, ‘Sibille’, ‘Loher und Maller’ und
‘Huge Scheppel’ verdeutlichen soll, begegnen auch dort literarisch überformte Nieder-
schläge eines auf Gewaltvermeidung orientierten Konfliktmanagements. Die einen Teil
der Forschung gegenwärtig dominierende These einer spontanen, ungezügelten Gewalt-
bereitschaft und mangelnden Affektbeherrschung, die in den Elisabeth zugeschriebenen
Texten aufscheine, wird daher noch einmal zu diskutieren und eventuell zu modifizieren
sein.
1. ‘Herpin’
Die weitverzweigte, verschachtelte Handlung des ‘Herpin’ ist zu kompliziert, um sie hier
in allen Einzelheiten analysieren oder auch nur referieren zu können. Über weite Teile
wird der die Schicksale Herzog Herpins, seines Sohnes Lewe und dessen Söhnen Oly-
baum (eigentlich Herpin) und Wilhelm erzählende Generationenroman jedoch von zwei
Grundkonflikten strukturiert, die, trotz aller Unterbrechungen und Abschweifungen, das
Erzählgeschehen generieren. Es handelt sich dabei einmal um den die Handlung auslö-
senden Konflikt zwischen König Karl und dem von ihm in die Verbannung geschickten
Herzog Herpin, und zum zweiten um die an einem Turnier sich entzündende Feindschaft
zwischen Herpins Sohn Lewe und dem Herzog von Calaber (oder Calabre), der die in die-
sem Turnier als Preis ausgesetzte Florentyna, Erbtochter des Königs von Cecilien (Sizilien),
wider Erwarten nicht erringen kann. Statt dessen wird sie Lewe als dem besten Kämpfer
zugesprochen. Als der Herzog von Calaber Florentyna daraufhin entführen läßt, bricht ein
offener Streit aus, der mit List und militärischen Aktionen zwischen den beiden Parteien
ausgetragen wird. Nachdem der Konflikt so weit eskaliert ist, daß Lewe das Land des
Herzogs von Calaber mit Fehde überzieht und dessen Hauptstadt belagert, sucht dieser die
Entscheidung nicht im Kampf, sondern wählt eine andere Möglichkeit: Der Herzog be-
müht sich um einen Vermittler und somit um eine friedliche Beilegung des Konflikts.
16 Ein neuer Ansatz ist hier von der Habilitationsschrift Ute von Blohs zu erwarten.
17 Vgl. etwa Reuter, Timothy: „Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand: Gewalt und Frieden in der
Politik der Salierzeit“, in: Stefan Weinfurter (Hg.): Die Salier und das 'Reich, Bd. 3, Sigmaringen 1991, S.
297-325. Wichtig vor allem auch die Aufsatzsammlung von Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelal-
ter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darm Stadt 1997, dort weitere Literatur.
18 Althoff (wie Anm. 17), S. 297.
466
Über seinen Verwandten Gadifer wendet er sich an den idealtypischen Vermittler, der
auch in anderen Saarbrücker Prosahistorien immer wieder diese wichtige Rolle ausfüllen
wird: den Papst19. Dieser schickt einen Legaten zu Lewe, der daraufhin die Belagerung ab-
bricht, nach Rom eilt und so seine generelle Bereitschaft zu einer durch Vermittlung zu
erreichenden gütlichen Konfliktbeilegung demonstriert. Der Papst lehnt allerdings in die-
sem Fall die ihm angetragene Mittlerrolle ab, da er den Herzog von Calabre für schuldig
hält und nit liep hat, wie es im Text heißt20. Infolgedessen verweist er den Fall an ein Ge-
richt, vor dem beide Parteien sich verantworten sollen. Doch ohne dessen Urteil über-
haupt abzuwarten, ergreift der Herzog von Calabre von sich aus die Initiative und erklärt
sich zur Demütigung (oder deditio, wie der terminus technicus lautet) bereit.
Ich ml mich gein uch demütigen vnd han ich uch erzürnet das ml ich bessern In meynung
ich ml umr man werden vnd das hertyogenthüm von Calaber von uch ffi leben entpfahen
vnd uch da mit getruwlich schweren wan uch not bestat vnd uch x tusent gewappent yü li-
hen vnd dy uch lin biß vff uwer ab verkünden vnd das volfüren in mynen costen. Duch wil
ich uch schicken gon Montlosen hundert tusent guldin ob ir anders mit mir Jriden halten
wöllent. Da Eewe vemam des hertyogen fürgeding Er sprach solches sol ich nit verachten
noch uß slahen sunder alles das so Ir wyder mich volbracht habent wil ich uch veryihen Do
vmbfing der hertyog lewen vnd schwür Im In dem als er das leben enpfing. Also wäret der
frid vnd sün y-wuschen In beiden beslossen vnd gemacht (130r)
Vergleicht man die in dieser Passage des ‘Herpin’ geschilderten Schritte zur Konfliktlö-
sung mit Deeskalationsstrategien, wie sie aus historischen Quellen abstrahiert werden
können, fallen verwandte Beschreibungsmuster auf. So z.B. die Ablehnung einer gerichtli-
chen Entscheidung, der offenkundig die durch ritualisierte Verhaltensweisen geprägte
Demütigung oder deditio vorgezogen wird, oder die scheinbar spontan gewährte Verzei-
hung Lewes, die den Gepflogenheiten ritueller Unterwerfungen zufolge zuvor jedoch aus-
gehandelt worden sein dürfte. Wichtiger als die schlichte Konstatierung solcher literari-
scher Reflexe mittelalterlichen Konfliktverhaltens in den Elisabeth zugeschriebenen Tex-
ten ist jedoch die Tatsache, daß diese Muster von entscheidender Bedeutung für das Ver-
ständnis des jeweiligen Handlungsgeschehens sind. Im ‘Herpin’ etwa ist die beschriebene
deditio des Herzogs, durch die er Lewes Verzeihung erlangt, eine der Schlüsselstellen des
Werks, denn es zeigt sich sehr schnell, daß frid vnd sün vom calabresischen Herzog von
Anfang an nicht ernst gemeint, sondern lediglich als taktisches Mittel eingesetzt waren,
um einer für ihn ausweglosen Situation zu entkommen. Die daraus entstehenden Folgen
besitzen weitreichende Konsequenzen für den weiteren Fortgang der Erzählung.
Zunächst jedoch zum zweiten noch ungelösten Konfliktfall, dem Dissens zwischen Kai-
ser Karl und Herpin bzw. dessen Sohn Lewe. Hier greifen die Mechanismen des mittelal-
19 Zur Funktion des Papstes als Schiedsrichter vgl. auch Maleczek, Werner: „Das Frieden stiftende Papst-
tum im 12. und 13. Jahrhundert“, in: Johannes Fried (Hg.): Träger und Instrumentarien des Friedens im Hohen
und Späten Mittelalter Sigmaringen 1996 (Vorträge und Forschungen 43), S. 249-332.
20 der hertyog hat als vil gethan das ich in nit liep han. Dann vff myne ere were ich ein kunig das ich das solt rechen vnd het
ich den hertyogen in myn henden ich dete in verbrennen dar für möchte im nicht gehelffen (130r).
467
terlichen Konfliktmanagements weitaus besser. Der sich den wiederholt geäußerten Frie-
densbemühungen Lewes und seiner Verwandten zuerst hartnäckig widersetzende Karl
wird schließlich — durch einen Boten Gottes — zum überraschenden Sinneswandel bewegt,
so daß eyn ganttye sün (215r) zustande kommt. Sie wird mit einem gemeinsamen Versöh-
nungmahl21 22 begangen. Auch im Verlauf dieses Streitfalls zeigen sich Motiwerwandtschaf-
ten mit historiographischen mittelalterlichen Quellen. So wird beispielsweise der für Aus-
senstehende oft kaum nachvollziehbare Erfolg vertraulicher Verhandlungen zwischen
konfliktführenden Parteien in historiographischen Texten häufig mit dem Hinweis auf das
Wirken des Heiligen Geistes verschleiert, der für scheinbar überraschende Einigungen
verantwordich sei. Ganz ähnlich wird Kaiser Karl im ‘Herpin’ durch einen Boten Gottes
zum plötzlichen Einlenken bewegt.
Zu den ungeschriebenen Konventionen mittelalterlicher Kommunikation in Frieden und
Fehde scheint als besonders wichtiger Bestandteil gehört zu haben, „daß man Konflikte
gütlich nur einmal beendete. Es bestand mit anderen Worten die strikte Erwartungshal-
tung, daß damit der Konflikt in der Tat aus der Welt geschafft sei. Wurde er dennoch er-
neuert, erübrigte sich damit jede Hoffnung auf Versöhnung (spes reconciliationis), jedes Be-
rufen auf das Recht der Unterwerfung (Jus deditionis).££22 Die Wiederaufnahme des, wie er-
wähnt, einmal bereits gütlich beigelegten Streits durch den Herzog von Calabre, der nicht
nur Lewes Frau zum zweitenmal entführt, sondern überdies seinen Schwiegervater getötet
hatte, würde demzufolge eine erneute gütliche Einigung ausschließen. Und wirklich bringt
diesmal der im Kampf gegen Lewe von neuem unterlegene Herzog von Calaber keine ge-
waltfreie Lösung zustande. Als er Lewes illegitimem Sohn, der ihn im Kampf besiegt und
schwer verwundet hat, ein entsprechendes Angebot macht, lehnt der ab mit dem aus-
drücklichen Hinweis auf die beim ersten Mal nicht eingehaltene Sühne. Statt dessen
schleift er den Herzog auf demonstrativ entehrende Weise, mit den Füßen an den
Schwanz eines Pferdes gebunden, zu seinem Vater Lewe, der ihn unverzüglich enthaupten
läßt23. Ein Vergleich mit typischen Mustern mittelalterlicher Konfliktaustragung zeigt, daß
zumindest in diesem Fall die dargestellte Gewalt nur scheinbar affektiv und ungezügelt ist.
In Wirklichkeit geht der brutalen Tötung des Gegners eine eskalierende Reihung von
Schritten voraus, die den Tod des Herzogs von Calabre als folgerichtige Konsequenz eines
von ihm selbst verschuldeten Fehlverhaltens nach sich ziehen und zugleich die Handlung
des ‘Herpin’ strukturieren. Daß bei Einhaltung der entsprechenden Regeln theoretisch ein
21 Vgl. zum Mahl im Zusammenhang mit Friedensschlüssen generell Althoff, Gerd: „Der frieden-, bünd-
nis- und gemeinschaftsstiftende Charakter des Mahles im frühen Mittelalter“, in: Irmgard Bitsch u.a.
(Hgg): Essen und Trinken in Mittelalter und Neuheit, Sigmaringen 1987, S. 13-25.
22 Adthoff (wie Anm. 17), S. 15.
23 249v: Da sprach der hertyog yii Gerharte lieber geselle ich bitte dich das du mich leben lassest vnd mich fürest da ich sicher
sy. So ml ich dir also vil gütes geben das du vnd alle dine freund da von gebessert werden [...] Er [Gerhart] sprach val-
scher hertyog Ich bin clarisen son diner swester vnd lewe ist myn vatter vnd du bist eyn valscher man du were mit lewen ge-
sund myn vatter solich siinung hastu nit gehalten. Solich verreterey soltu fürbas niemer mergetriben. Da mit stunt Gerhart
yu fuß ab vnd bant den hertyogen mit sinen füssen dem pferd an sinen swanty vnd sloufft in yu lewen vnd sprach Datier
ich bring uch den verreter den hertyogen von Calabre das ir in vrteilent nach uwem willen. [250r] Do ließ lewe von stunt
sin houbt ab howen.
468
anderer, weniger gewalttätiger Verlauf denkbar gewesen wäre, demonstriert der zweite
Zentralkonflikt des Werks, in dem der Streit zwischen Karl und Herpin bzw. Lewe über
verschiedene Deeskalationsstufen hinweg erfolgreich beigelegt wird.
2. ‘Sibille’
In der dem bekannten literarischen Schema der zu Unrecht verstoßenen Ehefrau folgen-
den ‘Sibille’ stehen kriegerische Auseinandersetzungen zwar nicht im Mittelpunkt, trotz-
dem enthält auch diese Erzählung einen brisanten politischen Konflikt insofern, als die
Ehe König Karls mit und seine (vorübergehende) Trennung von der byzantinischen Kai-
sertochter Sibille natürlich Ereignisse von eminenter politischer Tragweite darstellen.
Auch hier können demzufolge literarisch überformte Reflexe mittelalterlicher Konflikt-
strategien vermutet werden. In der Tat greifen schon zu Anfang der Spannungen, als der
zornige Karl nach vermeintlich begangenem Ehebruch seine Frau verbrennen lassen will,
die typischen Muster der gütlichen Beilegung eines Dissenses. Denn kurz bevor die Köni-
gin auf den Scheiterhaufen geworfen werden soll, gelingt es den durch die Tränen Sibilles
bewegten Räten Karls, eine andere Lösung auszuhandeln und die Todesstrafe in Verban-
nung umzuwandeln — wobei sie ihren königlichen Status, symbolisiert durch herrschafdi-
che Kleidung (... vnd heyssent sye cleyder andünyr besten die syeyrgen hat, 61v), schließlich sogar
behalten darf. Wie man sich in der literarischen Fikdon das Zustandekommen eines sol-
chen Kompromisses vorstellte, läßt übrigens jene Passage erahnen, in der die gegen die
Königin intrigierenden Widersacher dem als Liebhaber Sibilles verdächdgten Zwerg versi-
chern, ihn mit golde vnd Silber selbst dann retten zu können, wenn er auf seiner ihn selbst
wie die Königin gleichermaßen belastenden Falschaussage bestehe (61v).
Nach Jahren in der Verbannung und nachdem mittlerweile der in der Fremde geborene
Sohn Ludwig erwachsen geworden ist, wird von diesem die Aussöhnung sorgfäldg vorbe-
reitet, indem er die bewährten Rituale zur Streitschlichtung in Gang setzt. Ludwig nimmt
mit den einst schon beim Sühneverfahren seiner Mutter als Mittler erfolgreichen Königs-
beratern Nymo von Beyern und Otgar von Dannemarck Kontakt auf, überdies bringt er den
Papst als möglichen Vermittler ins Spiel. Den Mediatoren gelingt die erhoffte Aussöh-
nung, die als geradezu klassische deditio geschildert wird, wenn der Papst vorschlägt, das
sich die manne alle sollen vß dun bis vffyre hembde Also wollen wir dem körnige entghein gern so müste
er gar ein hart hert^ han er neme sin husfrouwe widder (75v). Nachdem Karl die sich auf solche
Weise öffentlich Demütigenden erblickt und ihn auch seine zwölf Räte noch kniefällig um
Gnade bitten, antwortet er seinerseits mit den entsprechenden hochsymbolischen Gesten:
Der konnig bedacht sich enwenig vnd weynet— das gehört zum typischen Versöhnungritual - tritt
dann auf die vor ihm kniende Königin zu, hub sie widder vff vnd slug den manttel vmb sye vnd
kusete vnd halsete sie dicke vnd viel [...]. Konnig Karl ginge yü syme sone Ludewig vnd helsete vnd kuste
yne auch. (76r). Auch diese Erzählung setzt also Konfliktrituale des Mittelalters literarisch
sinnvoll um.
469
3. Loher und Maller’
Dem ‘Herpin’ vergleichbar, ist auch ‘Loher und Maller’ ein so verwickeltes Werk, daß hier
nicht sämtliche Narradonsstränge auf die genannten Tendenzen hin untersucht werden
können24. In den Blick genommen wird deshalb lediglich der Zentralkonflikt aus dem
mitderen Teil des aus drei Teilerzählungen kompilierten Werks25. Diese Partie ist be-
stimmt durch die Auseinandersetzung zwischen Loher und Ludwig, den beiden Söhnen
Karls des Großen, von denen der eine, Loher, in die Verbannung gehen muß, gleichwohl
aber auf den byzantinischen Kaiserthron gelangt, während Ludwig seinem Vater als fran-
zösischer König nachfolgt und römischer Kaiser wird. Daraus resultierende Erbstreitig-
keiten soll, nachdem beiderseits die generelle Absicht zur Übereinkunft geäußert wurde,
der Papst regeln. Der römische Bischof spricht Ludwig das französische Königtum und
Loher das römische Kaisertum zu, die Versöhnung wird durch den Friedenskuß besiegelt,
doch aufgrund der ungeklärten Nachfolgeregelung bleiben Differenzen zwischen den
Brüdern. Nicht zuletzt deshalb gelingt es schließlich Ludwigs Vertrauten, Lohers alten
Feinden, die einst für seine Verbannung gesorgt hatten, den französischen König zu über-
reden, das ungeklärte Nachfolgeproblem auf drastische Weise zu regeln: Sie wollen Loher
kastrieren lassen und so dessen Erbenlosigkeit garantieren. Der verräterische Anschlag ge-
lingt und sorgt selbstverständlich für die Hinfälligkeit der ursprünglich geschlossenen
Übereinkunft. Mit ausdrücklichem Dispens des Papstes nimmt Loher deshalb den Kampf
gegen seinen Bruder auf, der allerdings nicht nur mit militärischen Mitteln geführt, son-
dern stets von Verhandlungen über eine eventuelle friedliche Lösung begleitet wird. Sie
scheitert jedoch zunächst an den verräterischen Ratgebern, die als die eigentlichen Schul-
digen für den Anschlag auf Loher präsentiert werden. Eine erneute Versöhnung mit ihnen
ist somit ausgeschlossen, ein diesbezügliches Angebot zur Unterwerfung, zur deditio, lehnt
Loher ab. Erst nachdem sie gefangen bzw. getötet sind, wird der Weg zur Versöhnung
frei. Und nun wird auch klar, warum im Text so großer Wert darauf gelegt wird, Ludwig
als wehrloses Opfer der falschen Ratgeber darzustellen: nur so kann erneut eine gütliche
Sühne mit ihm vereinbart werden, obwohl die erste Aussöhnung nicht eingehalten wurde.
Diese zweite gütliche Einigung zwischen den Brüdern ist wiederum nach dem bekannten
Muster einer klassischen, zwischen beiden Parteien zuvor ausgehandelten, deditio model-
liert. Nach seiner Gefangennahme erklärt Ludwig sich mit den Worten Lieber bruder nym-
ment ir myn kunickrich Lnd lassent üch yu künig krönen leb ml myns kunigreichs nümmer nüst me be-
gem. (81 r) zum Thronverzicht bereit. Loher nimmt das Angebot jedoch nicht an, da er
24 Ergiebig im Sinne des gewählten Ansatzes wäre etwa die Auseinandersetzung zwischen Loher und Galie,
dem Vater Maliers. Hier wird das Mißlingen der ritualisierten Konventionen des Konfliktmanagements
vorgeführt, da der affektiv handelnde Galie alle entsprechenden Spielregeln verletzt.
25 Zu Aufbau und Komposition ähnlich voluminöser, spätmittelalterlicher französischer Chansons de geste
vgl. Cook, Robert F.: „Unity and Esthetics of the Late Chansons de geste“, in: Olifant 11 (1986), S. 103-
114. Zu den Bearbeitungstendenzen des deutschen Texts im Vergleich zu der (nur fragmentarisch erhal-
tenen) Französischen Vorlage vgl. Buschinger, Danielle: „Le roman en prose en Allemagne à la Fin du
Moyen Age — ses relations avec la France“, in: I. Kasten / W. Paravicini / R. Pérennec wie (Anm. 10), S.
155-174, hier S. 164-173.
470
sich erst mit seinen herren und seiner Ritterschaft beraten müsse (81r). Das Ergebnis dieser
Beratung wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aus dem weiteren Verlauf der Erzählung
erhellt jedoch der Hergang der Verhandlungen, an denen offenbar beide Seiten beteiligt
gewesen sein müssen. In einem ersten demonstrativen Akt vergibt Loher seinem Bruder
öffentlich, indem er ihn küßt, und diese Wiedergewährung seiner Huld durch prophylakti-
sche Zurückweisung möglicher Einwände demonstriert: Wer myr meer von myme bruder saget
der betrübet myr myn hert^e Dann ich hoffen nit das er myr die bosheit getan habe. (82r). Dann folgt
das Ritual der öffentlichen Zerknirschung, symbolisiert durch Ludwigs Tränen und die
ebenso festliegende Geste der Bereitschaft zur vollständigen Unterwerfung. Mit fast den
gleichen Worten, mit denen er zuvor einen Thronverzicht avisiert hatte, bietet Ludwig
nun erneut, diesmal allerdings vor repräsentativer Öffentlichkeit, seine Abdankung an:
Lieber bruder myn künigrich sol din syn. Ich beger nummer nust dar Inn gu han. (82v). Damit gibt er
Loher die Gelegenheit, in einer gleichfalls ritualisierten und dennoch genau kalkulierten
Geste seine milte zu erweisen, indem er das Angebot, scheinbar spontan, großmütig zu-
rückweist: Bruder sprach Uoher des enwil ich nit. Ir sollent üwer künigrich behalten als ir es bis her ge-
habt han (82v)26.
Die erneuerte Sühne zwischen Ludwig und Loher stellt aber lediglich den Status quo ante,
also den durch den ersten Friedensschluß bereits einmal erreichten Zustand, wieder her.
Noch immer ungelöst ist demnach das Problem der Nachfolgeregelung, an dem der erste
Ausgleich ja gescheitert war. Der Punkt bedarf nun um so dringender einer Reguüerung,
als sich mittlerweile herausgestellt hat, daß Loher bereits einen Sohn besaß, seine Ent-
mannung ihren Zweck also verfehlte. Die hierdurch notwendig gewordene Vereinbarung
wird jetzt allerdings nicht wieder nach dem schon einmal gescheiterten Muster einer auf
öffentlichkeitswirksamen, repräsentativen Ritualen basierenden Konfliktbeilegung vorge-
stellt, sondern als normativer, gleichsam verfassungsrechtlicher Vertrag beschrieben. Zwar
tritt erneut der Papst als Mittler in Aktion, der Ausgleich geschieht nun jedoch - gerade
im Hinblick darauf, daß Ludwig eine Sühnevereinbarung einmal bereits verletzt hatte27 —
in Form eines schriftlich fixierten und schon allein deshalb Dauer und allgemeine Aner-
kennung implizierenden Vertrages: Ordenung will ich nun hye machen dieymmer vnd allwege soll
rnren, mit diesen Worten umreißt der Papst die Zielrichtung seines Vorgehens (Prag,
107v). Und so wird dann die Bestätigung der päpstlichen Entscheidung über ein deut-
sches Wahlkaisertum und die Ablehnung des Erbkaisertums als ein wichtige Regeln der
Diplomatik beachtendes, von allen relevanten Parteien besiegeltes Vertragswerk beschrie-
26 Mit der Versöhnung zwischen Loher und Ludwig wird gleichzeitig eine öffentliche Sühne zwischen
Ludwig und Isenbart, der auf Seiten Lohers gekämpft hatte, geschlossen: Da viele Ysenbart vff knye vor kü-
nig Ludwig vnd sprach, llieber vetter Ich bitten uch han ich uchye erzürnet das ir myr das vercyhent. da verzech Im künig
Lludwig vor allen den die da waren (82v). Den geläufigen Usancen mittelalterlicher Friedensschlüsse nach zu
urteilen, dürfte in der einmal gewährten, dann aber von Isenbart mißachteten Verzeihung eine der Ursa-
chen für die spätere Unmöglichkeit eines Friedensschlusses zwischen Ludwig und Isenbart hegen.
27 Die folgende Passage fehlt in der Hamburger Handschrift wegen Blattverlusts. Sie wird hier nach der
Prager Handschrift ergänzt: dem bäbste gedaucht die verrätery die Ludwig an simme bruder begangen hant Alß ir vor
gehört hond. Vnd hatte das bedaucht mit sinen wysen raten V'nd vand an Inn vnnd an Im selber söllich vbel sträffen
vnd versorgen das des nimmer not geschehe wann ersere für sichtig was (Prag, 107v).
471
ben, das zudem an sicherer Stelle hinterlegt wird: Da wurden die brieffgeschribenn vnd besigelte.
Der grose sigel von jrangkrich was da, gar aygenlich des riches sigel vnd das von rome och da by. Des bab-
stes bürlin [— Bulle] käme och daran. Da% Raichen vnd sigel von Constantinoppel Der tütsehen fürsten
Raichen waren suberlich. Die Senatoren hatten irs sigels nit vergessen. Die Cärdinäl vnd legaten iegklicher
das sin dar an gehangen. In Santpetters tresore ward die besigelte charte in ain Silberin büsse gethan.
(Prag, 109r)
Aus den im ‘Loher’ begegnenden unterschiedlichen Arten von politisch relevanten Ab-
kommen eine Entwicklung — etwa im Sinne von älterer Mündlichkeit zu moderner
Schriftlichkeit - abzuleiten, würde verkennen, daß schon seit dem frühen Mittelalter beide
Möglichkeiten politischen Handelns nebeneinander existierten, wobei häufig jedoch nur
die zweite, die schriftlich fixierte und somit bis in unsere Tage überlieferte, in den Blick
der Forschung geriet.
4. ‘Fluge Scheppel’
Der ‘Huge Scheppel’ bietet für eine Untersuchung literarisch umgesetzter Handlungsmus-
ter ritualisierter Kommunikation in Frieden und Fehde nur relativ wenige Beispiele. Mög-
licherweise ist dies mit ein Grund dafür, daß jener, für die am Saarbrücker Hof rezipierten
Prosawerke nicht ganz unbedeutende Aspekt bislang kaum beachtet wurde, ist in der For-
schung doch der ‘Huge Scheppel’, aufgrund der Editionslage, überproportional häufig be-
handelt worden. Auch dort sind jedoch Szenen nach dem entsprechenden Muster gestal-
tet. So funkdoniert offenbar die Verständigung zwischen Graf Friedrich und Herzog As-
selin auf der einen Seite, Huge Scheppel und der Königin auf der anderen, nach dem Mo-
dell ritueller Unterwerfung und Aussöhnung — obschon die entsprechenden Gesten und
Akdonen hier nur knapp skizziert werden (vgl. 42r und 42v/ ‘Hug Schapler’—Druck S.
295f.). Da Friedrich und Asselin die Versöhnung, oder holdunge/huldung wie sie in diesem
Text genannt wird, aber hintertreiben, ist der Ausgang des demzufolge erneut aufleben-
den Konflikts vorgezeichnet. Insofern kann es nur als konsequent gelten, wenn Graf
Dampmartin nach dem endgültigen Sieg über Friedrich und Asselin, unter Verweis auf
den vorherigen Verrat,28 die Todesstrafe fordert. Huge stimmt dem zu, wobei er noch
einmal explizit an die durch Fridrich und Asselin zuvor begangene Verletzung der Sühne
erinnert: Der küng sprach So weiß ich nit mer herin gu reden sie sint ouch vorhyn an mir trüwloß wor-
den das bringet innen eyn boesen glouben Thünd innen von stunden an yre hSbter ab houwen. (‘Hug
Schapler’—Druck, S. 33629). Es dürfte nach dem bislang Gesagten einleuchten, daß die auf
den ersten Blick vielleicht zügellos und affektiv anmutende Gewalttätigkeit Huges in die-
ser Szene keineswegs so zu verstehen ist, vielmehr auf überkommene Konventionen zu-
rückgeht.
28 So dürften wohl seine Worte: Jnnen ist fürbas nit mer yü getrumn noch yu glauben zu verstehen sein, ‘Hug
Schapler’-Druck, S. 335. Die Lücken der Handschrift sind an dieser Stelle (unzureichend) nach dem
Erstdruck von 1500 ergänzt, vgl. 56v: ihnnen ist nicht mehr %u glauben.
29 Ygl. 56v: Der könig sprach so miß ich nichts mehr daryu yu reden sie sind vorhin trewloß an mir worden dy bringet ihn-
nen ein bösen glauben: Laßen Ihnnen von stund an ihre heübter abhawen.
All
Manche der in historiographi sehen Quellen wie auch in den Elisabeth zugeschriebenen
Texten aufscheinenden Rituale und Techniken zur Konfliktvermeidung bzw. -eindäm-
mung waren offenkundig auch noch zur Zeit der (Primär-)Rezeption der Saarbrücker
Prosahistorien bekannt und in Gebrauch. So haben sich zwar alle im 15. Jahrhundert
herrschenden Saarbrücker Regenten, unter ihnen ebenfalls Elisabeth, in unterschiedlicher
Intensität an militärischen Auseinandersetzungen beteiligt, nur selten sind die Kämpfe je-
doch durch erfolgreiche militärische Operationen entschieden worden, sehr viel häufiger
wurden sie, wie seit Jahrhunderten üblich, früher oder später durch Vermittler beigelegt.
Graf Philipp I., Elisabeths Mann, beendete beispielsweise Streitigkeiten und Kämpfe ge-
gen Metz im Jahr 1404, den sog. Vierherrenkrieg im Jahr 1409, Zwisdgkeiten mit Heinrich
Eckbrecht von Dürckheim im Jahr 1406, mit Graf Friedrich von Saarwerden zehn Jahre
später, mehrfach auch Auseinandersetzungen mit Pfalzgraf Stephan von Zweibrücken
durch Vergleiche bzw. Sühneverträge. Elisabeths Sohn Johann III. regelte Zwistigkeiten
mit Pfalzgraf Stephan von Zweibrücken 1452/53, mit Pfalzgraf Ludwig von Zweibrü-
cken-Veldenz im Jahr 1471 und ein Jahr später ebenfalls mit Graf Friedrich von Zweibrü-
cken-Bitsch durch Sühneverhandlungen30. Zuweilen läßt sich ein Graf von Nassau-
Saarbrücken bei Fehden zwischen anderen Parteien auch als Mediator nachweisen — wie
z.B. im Jahr 1399, als Philipp I. in einem Konflikt zwischen dem Erzbischof von Mainz
und dem Landgraf von Thüringen schlichtete —31 was wohl voraussetzen dürfte, daß er in
dieser wichtigen und angesehenen Funktion die Regeln politischer Kommunikation in
Krisensituationen, die sich sicherlich graduell, aber nicht unbedingt prinzipiell von den
überkommenen Ritualen unterschieden, beherrschte. Daß selbst ein verwaltungs- und
machttechnisch hochentwickelter Staat wie Burgund im 15. Jahrhundert nicht auf traditi-
onelle Rituale wie die deditio verzichtete, demonstriert eindrucksvoll die Unterwerfung der
Stadt Gent am 30.7.1453. Damals zogen v. a. 25 Amtsträger der Stadt, nur mit Unterwä-
sche bekleidet, Herzog Philipp dem Guten entgegen und baten ihn kniefällig um Gnade
die ihnen der Herzog auch (scheinbar) großzügig gewährte — nachdem ihm allerdings die
Genter zuvor einen erheblichen politischen Einfluß auf das Stadtregiment zugesichert
hatten32. Ein Indiz für ein noch intaktes Verständnis der in den Texten begegnenden un-
geschriebenen Normen kann vielleicht auch in dem Faktum gesehen werden, daß keiner
der in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts entstandenen Erstdrucke von
‘Herpin), ‘Loher und Maller’ oder ‘Hug Schapler’ (die ‘Sibille’ wurde nie gedruckt) den
strukturell wichtigen und in den Handschriften immer wieder betonten, auf die Usancen
eines ritualisierten Konfliktverhaltens rekurrierenden Kausalnexus zwischen der Todes-
strafe für die Feinde des Protagonisten und der Mißachtung einer zuvor geschlossenen
Sühne tilgt33.
30 Vgl. Ruppersberg (wie Anm. 4), S. 188ff.
31 Vgl. Ruppersberg (wie Anm. 4), S. 186.
32 Vgl zu diesem ganzen Komplex Arnade, Peter: Realms of Ritual. Rurgundian Ceremony and Civic Life in Late
Medieval Ghent, Ithaca, NY 1996.
33 Die Drucke des späteren 16. und die des 17. Jahrhunderts wären auf eventuelle Übernahmen oder Un-
terdrückungen dieses wichtigen narrativen Motivs noch zu untersuchen.
473
Als archaische Relikte einer unwiederbringlich verlorenen Epoche und damit als eine Art
rückwärtsgewandter Utopie dürfte den Rezipienten der Saarbrücker Chanson de geste-
Bearbeitungen demnach die in den Texten dargestellten Konfliktstrategien nicht unbe-
dingt erschienen sein34. Denn wenn die ‘Spielregeln mittelalterlicher Politik’, wie G. Alt-
hoff diese Rituale und Konfliktstrategien plakadv bezeichnet hat, im 15. und frühen 16.
Jahrhundert noch verstanden wurden — und einiges spricht, wie gesehen, dafür — beziehen
die in ‘HerpinJ ‘Sibille’, ‘Loher und Maller’ und ‘Eluge Scheppel’ dargestellten gewalttäti-
gen Fehden und Kämpfe ihr Faszinationspotential nicht ausschließlich, und vielleicht
nicht einmal in erster Linie, aus den sich abzeichnenden Änderungen in der Akzeptanz
individueller Aggressionen — müssen also nicht unbedingt mit Blickrichtung auf die Mo-
derne erklärt werden. Der in den Prosahistorien geschilderte Verlauf der unerbittlichen
militärischen Auseinandersetzungen könnte möglicherweise auch als literarisches Durch-
spielen tradierter Normen verstanden worden sein. Dabei kann deren Gelingen ebenso
vorgeführt werden, z.B. im Fall der gütlichen Konfliktbeilegung zwischen Herpin/Lewe
und Karl, zwischen Sibille/Ludwig und Karl sowie zwischen Loher/Marphone und Lud-
wig, wie das spektakuläre Scheitern, so etwa am Beispiel des jeweils bis zum Tod des
Kontrahenten ausgetragenen Zwistes zwischen dem Herzog von Calabre und Lewe, zwi-
schen Maliers Vater Galie und Loher bzw. Marphone sowie zwischen Graf Friderich und
Herzog Asselin auf der einen Seite und Huge Scheppel auf der anderen. Auch ein solches
Verständnis entbehrt nicht einer gewissen Gewaltfaszination, die sich dann allerdings aus
der literarisch übersteigerten, unterhaltsamen Schilderung weithin bekannter Konventio-
nen eines jahrhundertealten Regulativs speist. So ist es vielleicht zu verstehen, wenn in
‘Loher und Maller’ die heimtückischen Ratgeber Ludwigs, die den französischen König
dazu veranlaßten, die mit seinem Bruder ausgehandelte Sühne zu mißachten, die Folgen
für ihren Vertrauensbruch nicht allein durch die Verweigerung eines neuerlichen friedli-
chen Ausgleichs zu tragen haben, sondern überdies durch eine in ihrer hypertrophen
Drastik beinahe schon wieder komisch wirkende Bestrafung büßen müssen. Die wichtige
Spielregeln mittelalterlicher Politik verletzenden Akteure werden zur Strafe in einem gro-
ßen Kessel mit Öl gesotten, wobei die Hitze zuerst bewußt niedrig gehalten wird, so daß
die schelck kryschen. Erst yu vesper wird die Temperatur dann soweit erhöht, daß sie eyn
ende nehmen (83r). * S.
34 Auch andere Faktoren in Produktion wie Rezeption der Elisabeth zugeschriebenen Werke deuten darauf
hin, daß Bezüge zwischen Gegenwart und literarisch überformter Vergangenheit offenbar recht unprob-
lematisch hergestellt werden konnten. Zu nennen sind etwa die, wohl aus aktualisierenden Interessen
eingeschalteten, Inserte von Personen- und Ortsnamen aus der unmittelbaren Umgebung des Saarbrü-
cker Grafenhauses, vgl. dazu Fiepe (wie Anm. 2), S. 17, die Benutzung von Wappen seinerzeit existie-
render Adelsgeschlechter für einzelne Illustrationen der von Elisabeths Sohn Johann in Auftrag gegebe-
nen Prachthandschriften, vgl. dazu Müller, Jan-Dirk: „Späte Chanson de geste-Rezeption und Landesge-
schichte. Zu den Übersetzungen der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Wolfram-Studien XI (1989),
S. 206-226, und schließlich die Verwendung der Chanson de geste-Bearbeitungen als quasi-genealogische
Schriften, durch die Verwandtschaft zum französischen Königsgeschlecht reklamiert werden sollte; vgl.
zu eventuellen Saarbrücker Interessen Haubrichs (wie Anm. 5); zu entsprechenden Behauptungen durch
Johannes Nuhn, den Geschichtsschreiber der Landgrafen von Niederhessen vgl. Müller: Späte Chanson
de geste-Rezeption, S. 208f. und Johanek, Peter: „Johannes Nuhn“, in: 2WL Bd. VI, Sp. 1240-1247.
474
Die weitgehend unproblematischen, spielerisch-unterhaltsamen Momente scheinen insge-
samt die Saarbrücker Texte stärker zu dominieren als auf Schwierigkeiten welcher Art
auch immer reagierende eskapistische Tendenzen - seien sie nun durch einen angeblich
zunehmenden Funktionsverlust des ehemals mächtigen Adels oder durch drückende zivi-
lisatorische Zwänge ausgelöst. Daß dieses augenscheinlich große narrative Potential der
Texte häufig übersehen oder gar geleugnet wurde, erst neuerdings stärker in den Vorder-
grund rückt35, dürfte im wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen sein. Zum einen
hat die anfangs bereits angesprochene, früher allgemein geläufige Vorstellung des ausge-
henden Mittelalters als einer Zeit krisenhafter Verwerfungen und eines generellen Nieder-
gangs dazu beigetragen, zugleich die zeitgenössischen literarischen Produkte a priori als
Dekadenzphänomen zu sehen und deren erzählerische Qualitäten auszublenden. Darüber
hinaus dürfte, zweitens, die Gattung, zu der die Elisabeth zugeschriebenen Prosatexte ih-
ren Ursprung nach gehören, einen gewichtigen Anteil daran besitzen, daß deren erzähleri-
sche Qualitäten lange eher als marginal betrachtet wurden. Gilt doch die französische
Heldenepik zumeist als archaisches, in eine frühe Phase der Feudalität zurückweisendes
Genre, dessen narratives Potential, ausgehend vom vermeintlichen Prototyp ‘Rolandslied’,
im allgemeinen als eher bescheiden eingeschätzt wird — wohl zu Unrecht, wie an anderer
Stelle gezeigt werden soll. Hier kann nur angedeutet werden, daß die Wirkungs- und Re-
zeptiongeschichte der Chanson de geste ungleich erfolgreicher war, als z.B. die des im
Bewußtsein der (germanistischen) Forschung sehr viel stärker präsenten und höher ge-
schätzten Artusromans. Während die arthurische Stofftradition die Hürde des Buchdrucks
in Frankreich wie in Deutschland aber nur mit Mühe überwand, fanden Chanson de ges-
te-Bearbeitungen noch weit bis ins 18. Jahrhundert hinein ihr Publikum — in Deutschland
in Form der sogenannten Volksbücher, in speziellen französischsprachigen Refugien in
Gestalt der Bibliothèque bleue sogar bis ins 20. Jahrhundert36. In der Stoffwahl wie in der
Ausschöpfung des seit dem 12./13. Jahrhundert bereits angelegten, im Laufe der Gat-
tungsentwicklung immer weiter entwickelten erzählerischen Potentials der Chanson de
geste erweist sich demnach vielleicht sogar am deutlichsten der zu Beginn erwähnte, zwi-
schen Mittelalter und Neuzeit changierende Übergangs Charakter von ‘Herpin’, ‘Sibille’,
‘Loher und Maller’ und ‘Huge Scheppel’.
35 Zu den komisierenden Effekten übertriebener Grausamkeit in den Elisabeth zugeschriebenen Prosatex-
ten vgl. Haug, Walter: „Huge Scheppel - Der sexbesessene Metzger auf dem Lilienthron. Mit einem klei-
nen Organon einer alternativen Ästhetik für das spätere Mittelalter“, in: Wolfram-Studien XI (1989), S.
185-205 sowie die Einleitung durch Ute von Bloh in: Historie von Herzog Herpin (Anm. 1). Speziell zur Re-
zeptionsgeschichte der Elisabeth zugeschriebenen Texte vgl. Konczak, Ralf: Studien %ur Druckgeschichte
zweier Romane Elisabeths von Nassau-Saarbrücken. „Hoher und Maller“ und „Herpin Frankfurt a. M. u. a. 1991
(Europ. Hochschulschriften, Reihe I, Bd. 1273); Bichel, Peter: Hug-Schapler-Überlieferung und Stilwandel. Ein
Beitrag c(um Erühneuhochdeutschen Prosaroman und 7yur lexikalischen Paarform, Bern u. a. 1999 (Züricher Germa-
nistische Studien 53).
36 Vgl. die Zusammenstellung des Materials zur deutschen Druckgeschichte bei Gotzkowsky, Bodo:
‘ Volksbücher’: Prosaromane, Renaissancenovellen, Vers dich tungen und Schwankbücher. Bibliographie der deutschen Dru-
cke. Teil I: Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts, Baden-Baden 1991. Zu entsprechenden französischen Dru-
cken vgl. Cooper, Richard: ,,‘Nostre histoire renouvelée’: the Réception of tbe Romances of Chivalry in
Renaissance France“, in: S. Anglo (Hg.): Chivalry in the Renaissance, Woodbridge 1990, S. 175-238.
475
476
Die ‘Königin Sibille’ der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und das
Problem des Bösen im postarthurischen Roman.
Walter Haug
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken ist mit etwa 40 Jahren bei der Lebenserwartung ihrer
Zeit schon eine recht reife Dame, als sie vor 1437 anfängt, Literatur zu machen, d.h. fran-
zösische Versepen in deutsche Prosa umzusetzen1. Man möchte meinen, sie hätte Dringli-
cheres zu tun gehabt, denn ihr Mann ist 1429 gestorben und hat sie mit zwei unmündigen
Söhnen allein gelassen. Er war, wie damals in seinen Kreisen üblich, in vielfache Fehden
verwickelt gewesen, und das hätte bedrohlich werden können. Doch Elisabeth gelingt es
mit Geschick, aus ihnen herauszukommen und das Erbe für ihre Kinder zu sichern2. Das
dürfte nicht wenig Mühe gekostet haben in den politischen Ränkespielen der Region, im
Grenzgebiet französischer und deutscher Herrschaftsbereiche und in der Endphase des
Hundertjährigen Krieges, sowie angesichts all der übrigen Schrecken, die die Zeit bereit-
hielt. Wozu also macht eine adelige Witwe in einer solchen Situation Literatur?
Man kann auf diese Frage selbstverständlich eine allgemeine Antwort geben und sagen,
volkssprachliche Literatur an Adelshöfen sei spätestens seit dem hohen Mittelalter eine
Prestigeangelegenheit gewesen. Man feierte sich selbst durch die Pflege der Künste. Bur-
gund, der Hof Philipps des Guten, war im frühen 15. Jahrhundert ein eindrucksvolles
Vorbild in nächster Nähe. Im übrigen war Elisabeth am Hofe ihrer Eltern, Friedrichs von
Lothringen und Margarethes von Vaudémont-Joinville, in einem ausgesprochen literari-
schen Klima aufgewachsen. Über ihre Mutter vor allem dürfte sie mit der französischen
Literaturtradition vertraut geworden sein. Im Nachwort ihres ‘Loher und Maller’ heißt es,
daß die Mutter die französische Vorlage habe abschreiben lassen, die sie, Elisabeth, dann
ins Deutsche übersetzte. Der Bruder Antoine hat mit Gedichten zum regen literarischen
Leben am Hof des Herzogs Charles von Orléans beigetragen. Auch König René d’Anjou,
seit 1431 Herzog von Lothringen und mit Elisabeths Cousine verheiratet, war literarisch
tätig; er hat u.a. einen allegorischen Roman, den ‘Livre du euer d’amours espris’, geschrie-
ben3. Man darf also wohl annehmen, daß Elisabeth diese familiär vertraute literarische
Kultur in den deutschen Sprachraum übertragen wollte, vielleicht insbesondere für ihre
Söhne. Jedenfalls hat ihr Sohn Johann dann illustrierte Prachtausgaben ihres Romanwerks
1 Zu den Lebensdaten und -umständen vgl. Steinhoff, Hans Hugo: „Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“,
in: Verfasserlexikon 2 (1980) Sp. 482-488, hier: Sp. 482. 1437 ist das Entstehungsdatum des Loher und
Maller’; er ist ihr drittes Werk. Der Beginn der Übersetzertätigkeit dürfte also etwas früher anzusetzen
sein. Vgl. auch den Beitrag von Hans-Walter Herrmann in diesem Band S. 120f.
2 Siehe ‘Huge Scheppel’ / ‘Königin Sibille’. Übertragen aus dem Französischen von Flisabeth von Vassau-Saarbrücken,
Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12. in scrinio. Farbmicrofiche-Edition. Einführung
zum Text und Beschreibung der Handschrift von Jan-Dirk Müller (Codices illuminati medii aevi 26),
München 1993, S. 19f.; Wolfgang Haubrichs: „Die Kraft von franckrichs wappen. Königsgeschichte und
genealogische Motdvik in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in:
Deutschunterricht (1991/4) S. 4-19, hier: S. 5.
3 Haubrichs (wie Anm. 2), S. 5.
477
veranstaltet, von denen uns Teile in den Codices von Hamburg und Wolfenbüttel erhalten
sind4.
Man könnte also sagen, Prestige durch Literaturpflege, das sei eine ausreichende Begrün-
dung für Elisabeths Ubersetzertätigkeit. Aber weshalb zieht sie ausgerechnet Chansons de
geste, also französische Heldensagen heran? Bestand hierfür von der Thematik her ein be-
sonderes Interesse? Ja, hat Elisabeth damit spezifische Absichten verfolgt? Man hat diese
Frage in unterschiedlichen Richtungen zu beantworten versucht. Gerhild Scholz-Williams
wollte Elisabeths ‘Huge Scheppel’ eine antiburgundische Tendenz unterstellen5. Das
konnte nicht überzeugen, denn die Haltung des Saarbrücker Hofes gegenüber dem mäch-
tigen Nachbarn Burgund war nicht konstant, sondern wechselte je nach den tagespoliti-
schen Gegebenheiten6. Bernhard Burchert meint in Elisabeths Oeuvre eine zivilisatorisch-
disziplinierende Zielsetzung ausmachen zu können,7 aber auch dieser Ansatz trägt nur be-
dingt. Es gibt allzuviele Elemente, die sich damit nicht verrechnen lassen8. Hingegen
scheinen zumindest auf der ersten Rezeptionsstufe politische Anbindungen deutlich zu
werden. Jan-Dirk Müller hat mit großem Scharfsinn das herausgeholt, was hier herauszu-
holen war: Bezüge zur Gegenwart über die Illustrationen der Prachtausgaben vor allem9.
Aber war das auch das Interesse, das primär hinter Elisabeths Arbeit gestanden hat?
Wolfgang Haubrichs schließlich hat an eine genealogische Ansippung gedacht und dafür
Querverbindungen zum französischen Königtum plausibel zu machen versucht10. Es ge-
lingt ihm, einen solchen Anspruch des Saarbrücker Hauses auf Verwandtschaft mit der
französischen Dynastie auch tatsächlich nachzuweisen. LTnd da alle vier Romane Elisa-
beths in die karlische Gründungsgeschichte des französischen Königtums führen, könn-
ten sie durchaus in einem solchen Zusammenhang gesehen werden, wenngleich man sich
fragen muß, ob die eher zweifelhafte Rolle, die der Ahnherr der Dynastie, Karl der Große,
in diesen Epen spielt, eine solche Anbindung wirklich empfehlen konnte11. Doch wird
4 Zum Bücherbesitz der Familie: Freiherr Schenk zu Schweinsberg, Eberhard: „Margarete von Rodema-
chern, eine deutsche Bücherfreundin in Lothringen“, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte, Bei-
heft 23 (1941), S. 117-152.
5 Scholz Williams, Gerhild: „How to Make Friends: Burgundian Poliücs in Two Early Modern Prose
Texts (‘Hug Schapler‘ and ‘Girart de Roussillon“), in: The Sixteenth Century Journal 20 (1989) S. 277-292.
6 Müller, Jan-Dirk: „Späte Chanson de geste-Rezepdon und Landesgeschichte. Zu den Übersetzungen der
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Wolfram-Studien XI (1989), S. 206-226, hier: S. 210ff.
Burchert, Bernhard: Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaerfihlungen Elisabeths von Nassau-
Saarbrücken, Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1987.
8 Historie von Herzog Herpin. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, Heidelberg,
Universitätsbibliothek, Cod.Pal.Germ.152. Farbmikrofiche-Edition. Literarhistorische Einführung und Be-
schreibung von Ute von Bloh (Codices illuminad medii aevi 17) München 1990, S. 21 ff.
9 Müller (wie Anm.6).
10 Haubrichs (wie Anm.2).
11 Haubrichs (wie Anm.2), S.18, hat das Problem nicht übersehen; er hilft sich mit der Vorstellung einer
Rezeption gegen den Geist des Epos im Sinne einer Leiderfahrung, die läutert. Ich zögere, dieser These
zu folgen.
478
man ein Bestreben, sich in memoriale Zusammenhänge einzubinden, nicht in Abrede stel-
len wollen. Jedenfalls kristallisiert sich als Ergebnis all dieser Überlegungen vom gesell-
schaftspolitischen Interesse her heraus, daß Elisabeths Werk der üblichen Funktion von
Hofliteratur verpflichtet gewesen sein dürfte. In Stichworten: herrscherliche Selbstdarstel-
lung, historisch-dynastische Anbindung, Anleitung zu ständisch vorbildlicher Lebensform,
literarische Überhöhung der eigenen Welt durch eine heroische Vergangenheit12.
Doch so zutreffend all dies im Prinzip sein mag, es fragt sich doch, ob man sich damit zu-
friedengeben muß. Sollte man nicht darüber hinaus auch hier das versuchen, was ja die
vornehmste Aufgabe des Literaturhistorikers ist, nämlich ein bestimmtes Oeuvre wirklich
zu interpretieren, d.h. es zu interpretieren nach der literarischen Leistung, nach der Art
und Weise, in der eine spezifische Thematik behandelt wird, nach der Bewältigung der in
dieser Thematik angelegten Probleme?
Aber greift eine solche Frage hier überhaupt? Jedenfalls kam man bisher, soweit ich sehe,
nie auf den Gedanken, sie zu stellen. Denn man sah in dem Chanson de geste-Typus, den
Elisabeth aufgegriffen hat, eine dekadente Spätform: grob, grell und niveaulos. Was sollte
es da zu interpretieren geben? Und Elisabeths Leistung beschränkte sich dabei nach all-
gemeiner Ansicht auf eine einigermaßen ordentliche Umsetzung ins Deutsche, und selbst
dies mochte man ihr nicht ohne Vorbehalte zugestehen. Wolfgang Liepe hat in seiner
grundlegenden Monographie von 1920, auf die man sich weithin noch immer beruft, das
geltende Bild geprägt13. Er hat, soweit dies möglich war, herausgearbeitet, wie sie mit ihren
Quellen umgegangen ist, wo und weshalb sie eingegriffen hat: es handelt sich vor allem
um Kürzungen und um Milderungen von Drastischem. Aber schon hierbei bewegt man
sich auf unsicherem Boden. Denn wir haben die direkten französischen Vorlagen nicht,
nach denen Elisabeth gearbeitet hat — mit einer Ausnahme vielleicht: ein vor zehn Jahren
überraschend aufgefundenes Bruchstück des ‘Lohier et Malart’ könnte zu jener Abschrift
gehört haben, die die Mutter herstellen ließ14. Aber das sind nur 160 Verse. Wenn es aber
nicht möglich ist, die Übersetzung genau mit der Vorlage zu vergleichen, können wir auch
Elisabeths Leistung nicht zureichend beurteilen.
Darf man aber wenigstens an ihrer literarhistorischen Bedeutung festhalten? Verdankt
man ihr nicht die epochale Leistung, den frühneuhochdeutschen Prosaroman begründet
zu haben? Selbst dies hat man inzwischen in Zweifel gezogen, jedenfalls was das Pro-
gammatische des Unternehmens betrifft. Wollte Elisabeth mit ihren Prosabearbeitungen
wirklich einen innovativen Schritt tun? Möglicherweise war sie einfach nicht fähig, Verse
zu schreiben.
12 Die Stichworte umreißen Jan-Dirk Müllers Position (wie Anm.2), S. 21.
13 Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland,
Halle 1920.
14 Molk, Ulrich: „Lohier et Malart. Fragment eines verschollenen französischen Heldenepos“, in: Nachrich-
ten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. I. Philologisch-historische Klasse (1988), S. 135-164, vgl. jetzt
auch in diesem Band S. 427-457.
479
Was also bleibt? Ein vermutlich eher mäßiges schriftstellerisches Talent und die Vermitt-
lung eines Stoffkomplexes, der von keinem sonderlich guten Geschmack zeugt. Ein dürf-
tiger Abglanz am Rande des sehr viel niveauvolleren französischen Literaturbetriebs15.
Angesichts dieses gängigen Bildes scheint es nicht sehr erfolgversprechend zu sein, Elisa-
beths Oeuvre auf ein denkbares Konzept hin zu befragen. Ihr Werk scheint uninterpre-
tierbar. Wenn ich trotzdem den Mut dazu habe, dann nur, weil ich der Überzeugung bin,
daß auch das im üblichen Sinn literarisch Uninterpretierbare ein offenes Deutungspoten-
tial besitzt, das im Gesamtzusammenhang einer Literatursituation unter bestimmten histo-
rischen Bedingungen aktualisiert werden konnte und das vor diesem Hintergrund auch
vom heutigen Interpreten aufgeschlossen werden kann.
Ich beginne mit Überlegungen zur Wahl, die Elisabeth getroffen oder auch nicht getrof-
fen hat. Da sie, wie gesagt, über das Elternhaus mit der französischen literarischen Tradi-
tion gut vertraut gewesen sein dürfte, wird sie von den unterschiedlichen zu ihrer Zeit
gängigen literarischen Typen Kenntnis gehabt haben. Es gab, was die Großerzählung be-
trifft, zwei prominente narrative Formen: zum einen den höfischen Roman, vor allem die
arthurische Literatur, und zum andern eben die Chanson de geste.
Der höfische Roman besaß zwar seit den Chrétien-Bearbeitungen Hartmanns von Aue
und Wolframs von Eschenbach und seit Gottfrieds von Straßburg ‘Tristan’-Version sowie
ihrer Nachfolger eine eigene deutsche Tradition. Aber es gab eine Vielzahl französischer
Romane neben und nach Chrétien de Troyes, die nie ins Deutsche übernommen worden
sind und die wohl in Hinblick auf ständische Repräsentation eine Bearbeitung gelohnt
hätten. Dabei ist daran zu erinnern, daß der Artusroman noch im 14./15. Jahrhundert ei-
ne bedeutsame Rolle im Rahmen des adeligen Selbstverständnisses spielte. Dieser Roman
hat bekanntlich die Ritterschaft als Tafelrunde des Königs Artus zu einer idealen Gemein-
schaft stilisiert, wobei deren Protagonisten auszuziehen und gegen eine Welt anzutreten
hatten, die durch die Gegenkräfte, durch Gewalt, Brutalität, Willkür, Ordnungslosigkeit,
gekennzeichnet war - ein Entwurf von Idealität, der aber nach der Intention der Autoren
nicht in der Weise verstanden werden durfte, daß er unmittelbar als vorbildliches und
nachahmenswertes Muster gelten sollte, sondern der darauf zielte, das Bewußtsein dafür
zu wecken, daß die ideale gesellschaftliche Balance im Durchgang durch das, was ihr ent-
gegenstand, immer neu zu aktualisieren war, was auch bedeutete, daß man bereit sein
mußte, die dabei auftretenden Aporien anzunehmen16. Schon vom 13. Jahrhundert an hat
der Adel diesen Roman jedoch gegen seinen ursprünglichen Sinn ideologisch vereinnahmt
und nivelliert, indem er ihn nicht nur als Musterbuch für höfisches Verhalten heranzog,
sondern die literarische Fiktion in die Wirklichkeit zu übersetzen suchte17. Es entstand ei-
15 So der Tenor von Haubrichs’ Charakterisierung (wie Anm.2), S. 7.
16 Siehe zu diesem ästhetischen Konzept Haug, Walter: „Lesen oder Lieben? Erzählen in der Erzählung:
vom ‘Erec’ bis zum ‘Titurel’“, in: Walter Haug: Brechungen auf dem Weg gur Individualität. Kleine Schriften gur
Uteratur des Mittelalters, Tübingen 1995, S. 153-167.
17 Die Literatur zu den nachstehenden Zeugnissen und weitere Materialien aus diesem Zusammenhang bei
Haug, Walter: „Von der Idealität des arthurischen Festes zur apokalyptischen Orgie in Wittenwilers
480
ne Fest- und Turnierkultur, die sich geradezu epidemisch über das ganze westliche Euro-
pa ausbreitete. Dabei übte man sich in ritterlichen Zweikämpfen in prunkvollem Rahmen,
ja, man stellte Romanszenen nach, man gründete Ritterorden mit festen Statuten, die so
etwas wie eine arthurische Idealität zu verwirklichen trachteten. So rief z.B. der Marschall
Boucicaut am Ende des 14. Jahrhunderts einen Orden de la Dame blanche a l’éscu vert
ins Leben, dessen Mitglieder sich verpflichten mußten, Frauen, Witwen und Jungfrauen
zu Hilfe zu eilen, wenn diese sich in Bedrängnis an sie wandten. Und dieser selbe Bouci-
caut hat auch ein Turnier veranstaltet, zu dem er den ganzen Adel Englands, Spaniens
und Deutschlands in die Nähe von Calais einlud. Und man hat das ernst genommen, es
kamen z.B. der Halbbruder Richards II. und der spätere Heinrich IV. von England. Und
all dies mitten im Hundertjährigen Krieg mit seinen ungeheuerlichen Brutalitäten und
Verwüstungen, einem Krieg, der alle ritterliche Idealität fragwürdig machte, einem Krieg
überdies, in dem sich die Fernwaffen durchzusetzen begannen, denen gegenüber der
hochmittelalterliche Panzerreiter seine strategische Bedeutung verlieren mußte. Die Eng-
länder verdankten ihre Siegesserie zu Beginn dem Einsatz ihrer Bogenschützen. Mit dem
arthurischen Roman und den an ihn angelehnten Kampfspielen wurde gegen den fakti-
schen Zerfall des Rittertums eine utopische Vision nostalgisch festgehalten. — Übrigens
wurde auch Elisabeths Sohn Johann Mitglied eines solchen Ordens, des Croissant-
Ordens, den der schon genannte König René d’Anjou gegründet hat.
Aber Elisabeth hat sich nicht für den arthurischen Typus entschieden, sondern für die
zweite Gattung, die Chanson de geste. Es gab sie in drei Hauptformen: als Kreuzzugs-
epos, als Empörerepos und als Verräterepos. Der erste Typus behandelte in Anknüpfung
an geschichtliche Fakten — so vage sie auch sein mochten - Heidenkämpfe in Spanien,
Südfrankreich oder im Heiligen Land; der bekannteste Fall: die 'Chanson de Roland’.
Beim Empörerepos steht ein Vasall im Mittelpunkt, der sich, vom König provoziert, ge-
gen diesen auflehnt und einen Konflikt entfacht, in dem Recht und Unrecht gleicherweise
auf beide Parteien verteilt sind, was prekäre, ja ins Tragische gehende Situationen herauf-
beschwört. Dieser Typus ist im 12. Jahrhundert entstanden, als das Verhältnis von König
und Adel in Frankreich politisch brisant war, wobei der Konflikt dann faktisch zugunsten
der Zentralgewalt, zugunsten Philipp Augusts entschieden wurde. So wollte man denn in
den Empörerepen geradezu eine literarische Korrektur der historischen Entwicklung se-
hen18. Dieser Typus wurde dann in Burgund im 14./15. Jahrhundert wiederbelebt — am
bedeutendsten ist Wauquelins ‘Girart de Roussillon’ - , denn das Thema hatte durch die
Spannung zwischen dem aufstrebenden Burgund und dem französischen König eine neue
Aktualität gewonnen. Man konnte sich mit den Empörerfiguren, denen Unrecht getan
wurde, identifizieren. Und eine solche Üterarische Rückendeckung dürfte nicht unwill-
‘Ring’“ , in: Haug, Brechungen (wie Anm.16), S. 312-331, hier: S. 320ff. Siehe inzwischen: Selzer, Stehan:
Artushöfe im Ostseeraum. Bitterlich-höfische Kultur in den Städten des Preußenlandes im 14. und 15. Jahrhundert,
Frankfurt a. M, u. a. 1996 und Neumeyer, Martina: Vom Kriegshandwerk %um ritterlichen Theater. Das Turnier
im mittelalterlichen Frankreich, Bonn 1998, insbes. S. 343ff.
18 Buschinger, Danielle: „Rezeption der Chanson de geste im Spätmittelalter“, in: Wolfram-Studien XI (1989),
S. 86-106, hier: S. 91.
481
kommen gewesen sein, denn Burgund stand ja im Hundertjährigen Krieg bis 1435 auf der
Seite Englands.
Auch diese Gruppe von Chanson de geste-Dichtungen greift Elisabeth nicht auf, sondern
sie übersetzt vier Gesten des dritten Typs, vier Verräterepen, die, wie gesagt, in karlischer
Zeit und kurz danach spielen: neben denjenigen, die oben schon genannt worden sind —
‘Loher und Maller’ und ‘Huge Scheppel’ -, den ‘Herpin’ und ‘Die Königin Sibille’. Das ist
eine auffällige Wahl, wobei freilich nicht völlig zu sichern ist, wer gewählt hat, d.h. wem
die Zusammenstellung dieses Korpus zu verdanken ist. Hat Elisabeth es schon als ge-
schlossenen Komplex in französischer Sprache vorgefunden, oder hat sie selbst, vielleicht
im Einvernehmen mit ihrer Mutter, die Auswahl getroffen?19 Man geht seit Liepe davon
aus, daß die Mutter alle vier Romane für Elisabeth hat abschreiben lassen. Zwar spricht
das Nachwort des ‘Loher’ nur davon, daß dieser eine Text über die Mutter vermittelt
wTorden sei. Aber Liepe möchte doch annehmen, daß der Hinweis für das ganze Korpus
gelte20. Er will dies dadurch plausibel machen, daß er die innere Verflechtung der vier Stü-
cke durch Vor- und Rückverweise schon auf der französischen Vorstufe anzusetzen ver-
sucht; doch die Argumentation ist eher schwach. Im übrigen gibt es in den überkomme-
nen französischen Manuskripten und den anderssprachigen Ausläufern keinerlei Indizien
für eine Zyklusbildung. Man hat es durchwegs mit Einzelüberlieferungen zu tun. Es ist al-
so nicht auszuschließen, daß erst Mutter und Tochter diese vier Epen zusammengestellt
haben, ja auch nicht, daß die Mutter nur ein Epos vermittelt und Elisabeth die andern drei
sich selbständig besorgt hat. Aber wie immer dem sei, man muß in jedem Fall eine be-
wußte Entscheidung für diese Zusammenstellung voraussetzen, denn ein kulturell interes-
sierter Hof mit guten französischen Verbindungen, sei das nun Vezelise, der Hof der El-
tern, oder Saarbrücken, dürfte nicht nur die gängige Literatur überblickt, sondern auch die
Möglichkeit besessen haben, sich das zu verschaffen, was man im Hinblick auf eine deut-
sche Adaptation für geeignet, für themadsch interessant hielt. Und der Eindruck einer
gewissermaßen programmatischen Wahl verstärkt sich, wenn man bedenkt, daß die vier
Romane Elisabeths Varianten derselben Thematik darstellen: Verrat, Verleumdung, Ver-
treibung und Rückkehr der Unschuldigen, teils nach einer langen Zeit des Exils, Rehabili-
tierung, Bestrafung der Übeltäter. Das bevorzugte Mittel, mit dem die Schurken die
Handlung in Bewegung setzen, ist die Intrige. Und es geht dabei, ganz anders als in den
Empörerepen, nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um einen Konflikt zwischen
Herrscher und Vasall, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen einer Verräterclique
und ihren unschuldigen Opfern.
Eine solche Thematik ist gewiß in einer ständischen Gesellschaft von überzeitlichem Inte-
resse, doch ihre besondere Aktualität in den feudalen Ränkespielen des 15. Jahrhunderts
liegt auf der Hand. Die entscheidende Frage freilich ist, wie in den Epen bzw. Romanen
mit dem Thema umgegangen wird. Wenn es für Elisabeth eine spezifische Faszination
gehabt haben sollte, dann müßte sie in der Art und Weise liegen, mit der die hier aufge-
19 Bloh (wie Anm.8) diskutiert die Frage des Zyklus S. lOf.
20 Liepe (wie Anm.13), S. 99ff.
482
worfene Problematik entwickelt und gelöst wird. Eine Antwort auf diese Frage kann nur
über eine konkrete interpretierende Analyse gegeben werden. Ich möchte dies an jenem
Werk versuchen, von dem )an-Dirk Müller sagte, daß es, was mögliche historische An-
knüpfungen betreffe, völlig unergiebig sei, und das er deshalb aus seinen Überlegungen
ausschließt:21 ich denke an ‘Die Königin Sibille’22.
Der Roman von der Königin Sibille beginnt mit einem Hoffest zu Pfingsten in Paris, als,
wie es heißt, die Nachtigallen sangen und alles grünte. König Karl hat seine ganze Ritter-
schaft dazu eingeladen. Das klingt, so klischeehaft das ist, wie ein typisch arthurischer
Auftakt. Aber es folgt nicht der zu erwartende Vorstoß in eine den Hof provozierende
Gegenwelt, sondern das Fest ist der Auftakt für eine Brautwerbung. Karl braucht eine
Frau, und so schickt er seine besten Ritter nach Konstantinopel; sie sollen für ihn um die
Tochter des byzantinischen Kaisers werben. Der Leser stellt sich also auf ein riskantes
Unternehmen etwa nach dem Vorbild des ‘König Rother’ ein, aber nocheinmal wird die
Gattungserwartung enttäuscht: die Werbung verläuft völlig ungefährlich und problemlos.
Der Kaiser ist hocherfeut und schickt seine Tochter Sibille mit der Gesandtschaft nach
Frankreich. Und nach dem zeremoniellen Empfang durch Karl kann dann in Paris das
Fest erst recht beginnen. Die Brautwerbung mündet also nocheinmal in die Inszenierung
höfischer Idealität.
Erst nachdem diese Idealität so plakativ herausgestellt worden ist, beginnt die eigentliche
Handlung. Es erscheint am Hof ein abgrundhäßlicher Zwerg. Er ist schwarz, als ob er
zehn Jahre im Rauchfang gehangen hätte; er hat die Nase eines Affen, Haare wie Schwei-
neborsten; Ohren, Arme — alles ist behaart; er hat tiefliegende Rattenaugen, gelbe Schwei-
nezähne, einen Höcker hinten und vorn, Sichelbeine und breite Füße. Aber er begrüßt die
Hofgesellschaft formvoll, und der König heißt ihn erfreut willkommen und nimmt ihn in
sein Hofgesinde auf. Alles ist irritiert, und einer sagt zum andern: „Das ist kein Mensch,
das ist der Teufel.“ Und das Unglück läßt denn auch nicht lange auf sich warten. Der
Zwerg verliebt sich in die Königin. Er dringt, als der König einmal auf der Jagd ist, ins
königliche Schlafgemach. Er ist von Sibilles Schönheit so eingenommen, daß er bereit wä-
re, dafür zu sterben, wenn er sie küssen könnte. Aber bevor es dazu kommt, wacht sie
auf, und als er ihr sein Ansinnen eröffnet, packt sie die Wut, sie schlägt ihm die Faust ins
Gesicht, so daß drei Zähne daran glauben müssen. Nun sinnt er auf Rache. Er verbirgt
sich heimlich im Schlafgemach des Königspaares, und als Karl um Mitternacht aufsteht
und zur Messe geht, legt er sich vorsichtig, ohne sie aufzuwecken, zur Königin. Der Kö-
nig, als er den Zwerg neben seiner Frau im Bett findet, holt seine Ritterschaft herbei und
zeigt ihnen die angebliche Treulosigkeit seiner Frau. Der Zwerg fällt dem König zu Füßen
und erklärt, daß die Königin ihm befohlen habe, zu ihr zu kommen, und daß er sich nicht
getraut habe, sich zu widersetzen. Die Königin beteuert ihre Unschuld, aber der König
glaubt dem Augenschein und bittet seine Ritterschaft um ihr Urteil. Nun gab es am Hof
21 Müller (wie Anm.6), S. 209.
22 Der Roman von der Königin Sibille in drei Prosafassungen des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Hermann Tiemann,
Hamburg 1977. Zur Mikrofiche-Ausgabe siehe Anm. 2.
483
eine Verräterclique. Die raten, Sibille als Ehebrecherin zu verbrennen. Es wird ein großes
Feuer gemacht, die Königin und der Zwerg werden hingeführt. Die Königin geht ohne
Kopfbedeckung, ihre Haare fallen ihr wie Goldfaden über den Rücken, sie ist barfuß, ihr
Hals weißer als Milch. Und neben dieser wunderbaren Schönheit steht der Zwerg wie ein
Teufel neben einem Engel. Sibille fleht um Erbarmen, sie trage ein Kind, der König möge
sie verschonen, bis es geboren sei, sie habe die Untat nicht getan. Man zieht sie aus bis
aufs Hemd, bindet ihr Hände und Füße, während das ganze Volk weint und jammert. Da
entschließen sich einige von den zwölf Pairs, sich für die Königin zu verwenden; sie bit-
ten, sie, weil sie schwanger sei, nicht zu töten, sondern nur aus dem Land zu weisen. Der
König weiß in seinem Schmerz nicht, was er tun soll. Er will den Zwerg nochmals verhö-
ren. Aber da versprechen die Verräter dem Zwerg, daß sie ihn mit Gold und Silber auslö-
sen würden, wenn er gegen die Königin aussage. Das tut er denn auch, worauf ihn der
König ins Feuer werfen läßt. Die Königin aber soll noch an diesem Tag das Land verlas-
sen. In ihrer Hilflosigkeit bittet sie, daß einer der Ritter, Abrye von Mondidire, sie außer
Landes begleite. Der König gewährt dies, und unter allgemeinem Wehklagen ziehen sie
davon: die Königin, Abrye und dessen getreuer Hund. Aber einer aus der Verräterclique,
Markair, folgt ihnen insgeheim, und als sie rasten, holt er sie ein und tötet Abrye, während
die Königin in den Wald fliehen kann.
Am Hof wundert man sich, daß Abrye nicht zurückkommt, und noch mehr, als an seiner
Stelle sein Hund erscheint und sich auf Markair stürzt. Das seltsame Verhalten des Tieres
erregt Verdacht, man folgt ihm hinaus in den Wald und findet den Leichnam Abryes.
Markair bestreitet den Mord. Da wird auf Anraten von Herzog Nymo von Bayern ein ge-
richtlicher Zweikampf zwischen Markair und dem Hund anberaumt. Unter Protest der
Verräterclique muß Markair, mit einem Stock als Waffe, gegen den Hund antreten. Es
kommt zu einem hochdramatischen Duell, in dem der Hund schließlich den Verräter
überwältigt, und dies, obschon seine Verwandten und Freunde einzugreifen versuchen.
Übel zerbissen, gesteht Markair schließlich die Mordtat und wird hingerichtet. — Das
Hundsduell hat übrigens eine lange Literaturgeschichte. Es stammt aus Plutarch, und es
sollte schließlich sogar zum Anlaß werden für Goethes Entlassung als Weimarer
Theaterdirektor23.
Mit der Vertreibung der Königin wird klar, mit welchem spezifischen Erzähltypus man es
zu tun hat: es ist der Typus der unschuldig verfolgten Frau, wie er in vielen Varianten im
Mittelalter verbreitet war und weit in die Neuzeit hinein nachwirkte. Es geht darum, daß
eine Frau durch eine Intrige aus ihrer rechtmäßigen Position verstoßen wird, in vielerlei
Gefahren gerät und sie auf oft wunderbare Weise überlebt. Indessen wird ihre Unschuld
23 Am 12. April 1817 wurde in Weimar gegen Goethes Willen ein Theaterstück mit folgendem Titel aufge-
führt: Der Hund des Aubri de Mont-Didier oder. Der Wald bei Bondy. Historisch-romantisches Drama in drei Abthei-
lungen aus dem Französischen übersetzt von Castelli, Musik von Ritter von Seyfried. Empört darüber, daß ein Hund
in einem Stück die Hauptrolle spielte - man behalf sich mit einem dressierten Pudel - , hat Goethe am
folgenden Tag um seine Entlassung nachgesucht. Siehe den Theaterzettel in: Gesang und Rede, sinniges Be-
wegen. Goethe als Theaterleiter. Fine Ausstellung des Goethe-Museums Düsseldorf\ 1973, Kat.-Nr. 416. [Den Hin-
weis auf diesen Katalog verdanke ich der Freundlichkeit Gerhard Sauders, Saarbrücken.]
484
aufgedeckt, und sie kehrt, häufig auf sehr langen Umwegen, wieder zurück oder wird von
ihrem Mann heimgeholt. Es sind meist herzzerreißende Geschichten, in denen viel gelit-
ten und geweint wird.
Am nächsten verwandt mit der ‘Sibille’ ist die Kurzerzählung ‘Die Königin von Frank-
reich’, verfaßt von einem nordostschweizer Dichter namens Schondoch, wohl gegen
140024. Dieses Maere deckt sich bis zum gottesgerichtlichen Zweikampf mit dem Hund in
den Hauptzügen mit Elisabeths Roman. Die Unterschiede in Erzählweise und -Stil freilich
sind beträchtlich. Der Zwerg handelt bei Schondoch nicht selbständig, sondern er wird
der Königin schlafend von einem Marschall ins Bett gelegt, der die Liebe der Königin zu
gewinnen suchte, aber von ihr abgewiesen worden ist; er ist also nur das Werkzeug in der
Intrige eines Höflings. Dadurch erscheint der Motivations- und Handlungszusammen-
hang sehr viel schlüssiger, und dies um so mehr, als der König prompt reagiert. Als er den
Zwerg im Bett der Königin findet, packt er ihn und zerschmettert ihn an der Wand, ohne
daß er zu Wort kommen könnte. Und der König beschließt sogleich, seine Frau verbren-
nen zu lassen. Nur durch den Einspruch eines Getreuen, des Herzogs Liutpold von Ös-
terreich, wird das Schlimmste abgewendet; die Königin wird nur vom Hof verbannt.
Das ist novellistisch glatter, die erzählerischen Härten des Romans: das unverbundene
Nebeneinander der Aktionen des Zwergs und der Verräterclique, der König in seinem
schwer verständlichen Schwanken zwischen den Parteien, sind vermieden. Um so mehr
verdient es Beachtung, daß die Chanson und Elisabeth all dies haben stehen lassen. Worin
liegt der erzählerische Gewinn des Nebeneinanders von Zwerg und Verräterclique?
Im Zwerg erscheint das Böse geradezu in Person: alle sagen, das müsse der Teufel selbst
sein. Nur der König ist merkwürdig blind, und er erscheint dann im weiteren völlig hilflos.
Er bittet seine Vasallen um Rat, und nun sieht er sich zwischen den Ratschlägen der Ver-
räter und der Getreuen, zwischen Böse und Gut, ohne daß er fähig wäre, die Wahrheit zu
erkennen. Ich denke, man muß das vor der Folie der quasi-arthurischen Szenerie sehen,
mit der die Erzählung beginnt und die bei Schondoch fehlt, aber durch die spanische und
die mittelfranzösische Version für Elisabeths Vorlage gesichert ist. Man darf wohl sagen:
Karl repräsentiert die Idealität des Hofes; er kann unter dieser Prämisse das Böse gar nicht
sehen, dem er mit dem Zwerg, der sich so höfisch gibt, Zugang gestattet hat und mit dem
die Verräter dann zusammenspielen. Anders als bei der Provokation im Artusroman, die
von außen kommt und unter Umständen auch auf einen hilflosen König treffen kann, auf
die man aber aktiv zu antworten weiß, wird hier das Böse in die ideale höfische Welt
selbst aufgenommen, es nistet sich gleichsam in sie ein, ohne daß der König es zu erken-
nen vermöchte. Zudem zeigt es sich auch nicht offen in seiner wahren Gestalt wie in der
Aventürenwelt des Artusromans, sondern es verstellt sich in der Intrige. Man täuscht, und
man läßt sich täuschen. Was in der ‘Königin Sibille’ offensichtlich interessiert, ist also
nicht wie bei Schondoch die novellistisch geschickte Intrige, sondern die Ohnmacht der
höfisch-idealen Welt gegenüber dem Bösen.
24 Fischer, Hanns: Studien %ur Märendichtung, Tübingen 21983, S. 168f., 515f.; Arnold, Udo: „Schondoch“, in:
Verfasserlexikon 8 (1992), Sp. 820ff.
485
Dies dürfte es verständlich machen, weshalb in der Exposition mit dem Pfingstfest der ar-
thurische Typus evoziert wird. Mit diesem Typus stand, wie gesagt, ein Erzählmodell zur
Verfügung, mit dem man das Negative, das Böse zu bewältigen vermochte. Dabei war
dieses Negative topographisch zugeordnet, es gehörte zum außerhöfischen Bereich, stieß
von da aus vor, und es war somit zweifelsfrei identifizierbar. In der ‘Sibille’ hingegen er-
hält es Zugang zur höfischen Welt, ohne daß der König es bemerken würde, und unter-
miniert damit in gefährlicherer Weise ihre Idealität. Die Exposition signalisiert damit im-
plizit, daß die Situation sich im Vergleich zum arthurischen Modell grundlegend verändert
hat.
Nun gibt es auch in der ‘Sibille’ eine gegenhöfische Sphäre: es ist die Welt, in die die Kö-
nigin hinausgetrieben wird. Zwar folgt ihr das Böse vom Hof aus in der Gestalt des Verrä-
ters Markair, aber Sibille kann ihm entkommen und tritt nun in eine Wirklichkeit eigener
Art ein: sie ist bald geographisch klar zu orten, bald wiederum fiktiv und dabei eine Mi-
schung von Gut und Böse, also alles andere als jener rein fiktive Bereich des prononciert
Negativen, wie der Artusroman ihn als Gegenwelt entwirft. Es ist dies selbstverständlich
die typische quasi-realistische Welt der Chanson de geste.
Als die Königin am Morgen früh aus dem Wald kommt, begegnet sie einem grobschläch-
tigen Bauern, der Holz heimfährt: Warakir — eine bizarr-häßliche Figur. Er hat zwei un-
gleiche Augen, ein weißes und ein schwarzes, nur an einem Fuß trägt er einen Schuh. Wa-
rakir meint zunächst, daß es sich um ein Flittchen handle, das sich nachts mit Burschen
herumgetrieben habe. Aber als er sieht, wie schön Sibille ist, denkt er, daß jemand von
solcher Schönheit nicht schlecht sein könne. Und als sie ihm sagt, was ihr geschehen ist
und sie ihn um Hilfe bittet, läßt er seinen Esel heimlaufen und kümmert sich nicht mehr
um sein Weib und seine Kinder, vielmehr will er alles daran setzen, die Königin zu ihrem
Vater nach Konstantinopel zu bringen.
So brechen sie zusammen auf, die schwangere Frau und der wüste Bauer. Sie kommen
nach Langres, ein Wirt gibt ihnen Essen und Unterkunft. Am nächsten Tag läßt die Köni-
gin ihr Maultier und ihre Kleider verkaufen, so daß sie sich Wegzehrung beschaffen kön-
nen. Sie erreichen Köln und ziehen dann weiter nach Ungarn. In der ungarischen Haupt-
stadt nimmt ein wohlhabender Bürger sie auf. Die Königin kommt dort nieder. Sie bringt
einen Knaben zur Welt, der ein kreuzförmiges rotes Mal an der Schulter hat. Als man ihn
zur Taufe trägt, reitet gerade der König von Ungarn vorbei; er erkundigt sich nach dem
Kind. Warakir sagt, daß es getauft werden solle, aber noch keinen Paten habe. Da erklärt
sich der König bereit, es aus der Taufe zu heben; er gibt ihm seinen Namen, Ludwig, und
als er das rote Kreuzzeichen an der Schulter sieht, sagt er voraus, daß es einmal König
würde. Wenn der Junge herangewachsen sei, solle man ihn an den Hof bringen. Man
bleibt in der Stadt, bis Ludwig zehn Jahre alt ist, dann folgt man dieser Aufforderung. Der
König nimmt ihn auf und läßt ihn durch einen Priester unterrichten.
Schließlich machen sich Sibille, Ludwig und Warakir wieder auf den Weg. Sie kommen in
einen Wald, in dem zwölf Mörder hausen, die die Drei überfallen. Aber Warakir schwingt
seinen Kolben und Ludwig sein Schwert. Sie erschlagen sechs von ihnen, fünf fliehen
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verwundet, während einer namens Grymmener vor Ludwig auf die Knie fällt und um
Gnade bittet. Er sagt, sie könnten ihn gewiß gut brauchen, denn er sei ein Meisterdieb.
Ludwig nimmt seine Dienste an, und Grymmener führt sie zu einem Einsiedler. Es ist der
Bruder des Kaisers von Konstantinopel. Er empfängt sie freundlich und teilt das bißchen
Brot, das er hat, mit ihnen. Sibille erzählt ihrem Onkel ihre Geschichte. Dann bietet sich
Grymmener an, in die nahe Stadt zu gehen und etwas zum Essen zu organisieren. Er ver-
schafft sich, als Krüppel aufgemacht, mit geschwärztem Gesicht und an Krücken gehend,
Eintritt in das Haus des reichsten Mannes, wo er mit einem Zauber alle in tiefen Schlaf
versenkt, so daß er sich mit kostbaren Gerätschaften, Kleidern und Geld davonmachen
kann. Er verbirgt alles draußen in einem Felsloch. Dann geht er, wieder in seiner norma-
len Gestalt, in die Stadt zurück und kauft ein, wobei zur Sprache kommt, daß der reiche
Mann die Leute ausgeraubt habe, so daß man sich allgemein befriedigt zeigt über das, was
ihm geschehen ist. Einem alten Bauern nimmt Warakir dann den Esel ab und bringt Raub
und Kauf hinaus zur Einsiedlerklause, wo die vier zusammen mit dem Meisterdieb sich
gütlich tun. Darauf reist man gemeinsam weiter, seltsamerweise über Rom, wo der Papst,
nachdem er sich alles hat erzählen lassen, ein Schiff bereitstellt und selbst mit nach Kon-
stantinopel fährt.
Sibille geht auf ihrem Weg von Frankreich nach dem Osten durch eine zwar, wie gesagt,
geographisch einigermaßen konkrete, aber — bis auf die punktuellen Berührungen mit dem
ungarischen und dem byzantinischen Hof — unhöfische Welt. Ihr Helfer ist ein Bauer, ei-
ne groteske Figur in seiner Häßlichkeit und mit seinen Augen von unterschiedlicher Farbe
und dem einen Schuh. Aber er stellt sich bedingungslos in den Dienst der Königin, ja er
gibt alles preis, Auskommen und Familie, um sie nach Konstantinopel zu ihrem Vater zu
bringen. Unterwegs werden sie meist gut aufgenommen, man hilft den Flüchdgen selbst-
los, ja der König von Ungarn bemüht sich persönlich um das unbekannte Kind mit dem
wunderbaren Mal auf der Schulter. Es gibt zwar auch in dieser Welt das Böse und die
Täuschung. Aber beides ist unproblematisch. Das Böse ist banal: die Mörder im Wald sa-
gen offen, daß sie Warakir und Ludwig totschlagen und die Königin vergewaltigen wollen.
Der Meisterdieb betrügt, aber er betrügt einen bösen Reichen, so daß selbst der fromme
Einsiedleronkel sich nach kurzem Bedenken das Diebsessen schmecken läßt.
Was bedeutet diese Problemlosigkeit, die so offensichtlich kontrastiv zum Karlshof ange-
legt ist, in Hinblick auf Gut und Böse? Selbstverständlich nicht eine irgendwie natürliche,
unverdorbene Welt, die dem Ho Heben mit seinen Intrigen und Täuschungen entgegen-
gehalten würde, oder gar ein Bekenntnis zu einer niedrigeren sozialen Schicht mit einem
höheren ethischen Standard. Warakir ist kein realistisch gezeichneter Bauer, er ist eine
Kunstfigur ohne ständische Implikationen. Als einschuhiger Helfer hat er eine lange und
sehr merkwürdige Ahnengalerie. Das Motiv der Einschuhigkeit taucht von der Antike bis
zur Gegenwart in einer kaum überschaubaren Fülle von Belegen und in unterschiedlichen
Motivationszusammenhängen auf25. Der älteste bekannte Monosandalos ist Jason, der Ar-
25 Ich entnehme die nachstehenden, ausgewählten Materialien zu diesem Motiv der reichhaltigen, grundle-
genden Studie von Vajda, Läszlö: „Der Monosandalos-Formenkreis“, in: Baessler-Archiv. Beiträge %ur Völ-
kerkundeNF 37 (1989), S. 131-170.
487
gonautenführer, der nach Pindars 4. ‘Pythischer Ode’ einschahig in der Stadt des Pelias
auftaucht. Pelias hatte Jasons Vater vom Thron gestoßen. Das Kind aber konnte seinen
Nachstellungen entzogen werden und im Verborgenen heranwachsen. Ein Orakel hatte
Pelias vor dem einschuhigen Rächer gewarnt. Dann Vergils Dido: sie tritt mit einem
Schuh vor den Altar, um die Götter als Zeugen anzurufen, bevor sie sich den Tod gibt.
Ferner scheint bei den Einweihungsritualen der Mysterienkulte die Einschuhigkeit eine
Rolle gespielt zu haben. In der pompejanischen Villa Item ist im Mysterienraum die
Hochzeit von Dionysos und Ariadne dargestellt, beide tragen nur einen Schuh. Dazu
kommen Statuetten von Mysteriennovizen, die einschuhig sind.
In all diesen Fällen dürfte die Einschuhigkeit einen Übergang markieren, insbesondere
den Übergang in den Tod oder durch den Tod hindurch; sie ist Zeichen für einen Weg,
den man unter normalen Bedingungen — mit zwei Schuhen — nicht gehen kann, Zeichen
für einen Weg über eine Grenze, die die gewohnte Erfahrung grundsätzlich zurückläßt.
Unter einem komplementären Aspekt erscheint das Motiv, wenn Asklepios, der göttliche
Arzt, mit nur einer Sandale dargestellt wird. Auch Hermes als Heiler trägt nur einen
Schuh, ebenso sein später Nachfahre, der gallische Mercurius. Also auch Helfer und Hei*
ler können als Begleiter in einem Übergang einschuhig sein. Es gibt astrologische Querbe-
ziehungen, Beziehungen zu Saturn, der als Verkrüppelter, Lahmer, Einbeiniger oder Ein-
schuhiger darstellt wird, sowie zu den in seinem Zeichen Geborenen, denen nach der
Temperamententypologie nachgesagt wird, daß sie finster, melancholisch, einsiedlerisch,
verworfen, aber auch ingeniös und ausgepicht seien. Und schließlich gibt es im 16. Jahr-
hundert bei Urs Graf, Niklaus Manuel u.a. einschuhige lästerliche Landsknechte, Teufels-
söldner und anderes heruntergekommenes Volk. Das Motiv scheint immer weiter abge-
sunken und in seiner Bedeutung diffus geworden zu sein.
Welcher Aspekt dazu geführt hat, Warakir als Einschuhigen vorzustellen, wird schwerlich
zu ergründen sein. Möglicherweise sind mehrere Traditionsstränge zusammengeflossen,
jedenfalls aber dürfte das Motiv bei den Lesern oder Hörern komplexe Assoziationen
wachgerufen haben: die Einschuhigkeit Warakirs kann ihn konkret als Helfer und Retter
kennzeichnen, ihn aber zugleich auch zu einer Symbolfigur für einen Übergangsprozeß
machen. Doch ist es genausogut möglich, in dem Motiv nur eine Betonung der wilden
Niedrigkeit und des damit verbundenen Bizarren oder Exzentrischen zu sehen. Ein mehr-
schichtiges Verständnis anzunehmen, dürfte der Position der Figur und ihrer Rolle am
ehesten gerecht werden. Auch die Augen unterschiedlicher Farbe kann man sowohl als
Auszeichnung — so bei Alexander dem Großen — wie auch als groteske Verirrung der Na-
tur verstehen.
Es geht jedenfalls, und das hat das eigentümliche Motiv wohl angezogen, um einen Ab-
stieg in eine hofferne, nicht gesellschaftlich geprägte Welt, in der man nichts ist, außer
dem, was man selbst darstellt, um einen Weg über eine Grenze, an der man alles Zwie-
spältige zurückläßt, so daß jenseits von ihr das Gute und das Böse sich gewissermaßen
elementar und unverstellt geben. Man könnte geradezu sagen, es handle sich um die Ma-
nifestation einer Moral jenseits von Gut und Böse im formalen Sinn. Denn formale Kate-
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gorien haben offensichtlich keine Bedeutung mehr. Sibille lügt unterwegs ohne weiteres
allen vor, daß Warakir ihr Mann sei, und er spielt ebenso bedenkenlos mit. Selbst ein guter
Dieb ist kein Widerspruch, Das Erscheinungsbild spiegelt keine Ordnung mehr. Warakir
kann als abstruse Figur das Gute ebenso verkörpern wie Sibille in ihrer unvergleichlichen
Schönheit. Das Wissen um die Wahrheit und um das Recht-Tun liegt quer zu jener Op-
position von arthurischer Idealität und Gegenwelt, die versagt, wenn das Böse sich ihr
nicht zuordnet. Die Wahrheit stellt sich gewissermaßen intuitiv über alles Scheinhafte
hinweg ein. Man geht auf ein Einfachstes, Selbstverständliches zurück, das, dem Un-
gebrochen-Vitalen verschwistert, keiner weiteren Begründung mehr bedarf. Das führt
gleichzeitig zu Konstrasten, die grotesk-komisch wirken. Man kann Spaß machen, man
kann lachen, weil man sich gegenüber den Widersprüchen an der Oberfläche stets eine
letzte Sicherheit bewahrt. Das Lachen ist hier Ausdruck einer Positivität, die quer zu aller
vorgeprägten Ordnung steht und sich unreflektiert des wirklich Guten und des wirklich
Bösen gewiß ist.
Es kann kaum überraschen, wenn man feststellt, daß all dies bei Schondoch fehlt. In sei-
nem Maere findet die Königin nach der Ermordung ihres Begleiters Zuflucht bei einem
Köhler. Sie fertigt dort Stickereien an, die dieser dann in der Stadt verkauft. Inzwischen
hat der König von dem vom Hund besiegten Mörder die ganze Wahrheit erfahren und
sucht reumütig nach der verstoßenen Frau. Schließlich findet er sie über die Stickereien,
die der Köhler in der Stadt verkauft und die der König als die Arbeit seiner Frau erkennt.
Also eine ebenso harmlose wie rührende Geschichte, ohne jene grundsätzliche Problema-
tik, die das Verhältnis von Gut und Böse in der ‘Sibille’ kennzeichnet.
Wie endet die Geschichte? Der byzantinische Kaiser ruft seine Ritterschaft zusammen,
und mit einem großen Heer, in Begleitung immer noch des Papstes, fährt man übers Meer
und fällt in Frankreich ein. Emmerich von Nerbon stellt sich Ludwig entgegen, aber als er
erfahrt, wer er ist, anerkennt er ihn als seinen Herrn. Man zieht weiter nach Troyes, das
Ludwig die Tore öffnet. Dann wird eine köstliche Episode eingeschoben: Warakir erin-
nert sich seiner Frau und seiner Kinder, und er erbittet sich Urlaub, um sie aufzusuchen.
Als Laienbruder verkleidet, erscheint er zu Hause, wo er seine Familie in größter Armut
vorfindet. Man erkennt den Fremden nicht; aber sein Esel, den er seinerzeit allein nach
Hause geschickt hat, beginnt freudig zu wiehern. Warakir gibt Geld, damit man Fleisch,
Brot und Wein beschaffen kann. Nachdem man sich gütlich getan hat, meint er, daß seine
Frau ihn nun auch in ihr Bett lassen könnte. Da wird sie wütend und will ihn hinauswer-
fen, worauf er lachend seine Identität enthüllt. Dabei kann er die Bemerkung nicht unter-
drücken, daß der Esel ihn wohl erkannt habe, sie aber nicht. Dann macht er sich mutwillig
auf den Weg nach Paris. Dort mischt er sich in ein Gespräch ein zwischen König Karl,
Nymo von Bayern und dem Verräter Maucion. Nymo rät dem König, angesichts der
Übermacht der Feinde seine Frau wieder zurückzunehmen, Maucion spricht dagegen und
behauptet, Sibille habe es doch mit allen getrieben. Warakir schimpft ihn einen Lügner.
Dann berichtet er vom Heer des Kaisers, das er vor Troyes gesehen habe, und von Lud-
wigs Schwur, daß er alle Verräter hängen lassen werde. Maucion vermutet in Warakir ei-
nen Spion und rät, ihm die Augen auszustechen und ihn an den Galgen zu hängen. Aber
489
Karl will wissen, was Warakir für Fähigkeiten besitzt, und der gibt sich als Pferdespezialist
aus. Nun hat der König ein prachtvolles, aber wildes Roß; er übergibt es Warakir, damit er
es bändige. Der aber reitet auf ihm davon, um es Ludwig zu bringen. Karl und seine Ritter
verfolgen den Flüchtigen und geraten dabei so nahe an das byzantinische Heer, daß einige
von ihnen gefangen werden, während die übrigen sich mit dem König in eine nahe Burg
retten können. Unter den Gefangenen sind zwei von der Verräterclique, die denn auch
stracks gehängt werden. Die andern werden zurückgeschickt mit der Bitte an Nymo von
Bayern und Otger von Dänemark, daß sie Karl raten sollten, seine Frau wieder aufzu-
nehmen. Aber dann machen die Franzosen einen überraschenden Ausfall, und es gelingt
Otger, Warakir zu fangen. Er schleppt ihn am Bart in die Burg. Er soll gehängt werden.
Er hat schon den Strick um den Hals, da erscheint Nymo, und als Warakir ihm erzählt,
was er für die Königin getan hat, schneidet er ihm den Strick durch. Ludwig indessen ist
verzweifelt über die Gefangennahme seines Pflegevaters. Da meldet sich Grymmener und
erklärt sich bereit, Warakir aus der feindlichen Burg herauszuholen. Er läßt den Turm-
wächter, der ihn erschießen will, in Schlaf fallen, und zehn Gewappnete am Tor ebenfalls,
und schließlich die ganze Besatzung. Dann befreit er den Gefangenen. Große Freude
über die Rettung Warakirs im byzantinischen Lager. Indessen reitet Otger nach Paris und
in die Normandie, um Verstärkung zu holen. Und es kommt dann auch zu einem verlust-
reichen Treffen zwischen den beiden Heeren. Doch da greift der Papst ein: er schlägt vor,
alle sollten im bloßen Hemd König Karl entgegentreten, die Frauen mit entblößten Brüs-
ten — was Elisabeth freilich schamvoll streicht. Je zwei und zwei schreiten sie voran, der
Papst und seine Kardinäle an der Spitze. Karl ist fassungslos. Und nun fallen auch noch
seine zwölf Pairs auf die Knie und flehen ihn an, seine Frau wieder aufzunehmen. Sie er-
scheint vor ihm, wirft sich vor ihm nieder und beteuert nochmals ihre Unschuld. Da hebt
sie der König auf und nimmt sie in seine Arme. Auch Vater und Sohn umarmen sich.
Dann bittet Ludwig für Warakir, und es wird ihm verziehen. Die restlichen Verräter
kommen, soweit sie nicht rechtzeitig fliehen, an den Galgen. Es folgt noch ein knapper
Ausblick auf die nächste Generation, wobei zugleich der sich anschließende Roman ange-
kündigt wird.
Dieser Schluß mit der großen Demutsgeste vor König Karl ist bemerkenswert. Anders als
in den Empörerepen lädt der, dem Unrecht getan wurde, keine Schuld auf sich. Die Lö-
sung erfolgt ohne Gewalt. Zudem kommt sie auch nicht dadurch zustande, daß die
Wahrheit aufgedeckt würde, denn derjenige, der sie gestehen könnte, der Zwerg, ist tot.
Es bleibt nur die Möglichkeit, daß die Wahrheit sich einfach einstellt. Deshalb die immer
neuen, immer dringlicheren Bitten von vielen Seiten an den König, er möge seine Frau
wieder aufnehmen. Und man kann dafür nichts Vorbringen als die nicht weiter begründ-
bare Überzeugung von ihrer Unschuld. Darin liegt das Entscheidende: jene Selbstver-
ständlichkeit von Gut und Böse, die im nichtgesellschaftlichen Raum des Exils sich mani-
festiert hat, trägt auch die Rückkehr und die Lösung.
Und stärker noch als der Mittelteil ist der Schluß von schwankhaften Elementen durch-
setzt. Warakir und Grymmener, die beiden Figuren aus der Gegenwelt, haben ihre großen
Nummern. Die Gewißheit des Wahren und Guten schafft einen Freiraum für Burlesken,
490
die über alle Stränge schlagen. Man kann dabei bis zum Äußersten gehen: Warakir über-
zieht seinen Mutwillen, und schließlich hat er unter dem Galgen schon den Strick um den
Hals. Der Unernst feiert seine Triumphe in dem Maße, in dem der große Ernst der Wahr-
heit im Vertrauen auf sich selbst zum Sieg gelangt. Das Böse hat gegenüber der durch das
Lachen immer wieder von aller Verfestigung frei gehaltenen Moral keine Chancen.
Man kann also geradezu sagen, daß sich aus dem Roman von der Königin Sibille eine nar-
rative Philosophie des Bösen und seiner Bewältigung herauslesen lasse, eine Philosophie,
die zwar unausgesprochen, aber doch über deutliche Signale kontrastiv zur arthurischen
Bewältigung des Negativen angesetzt ist. Und es könnte sehr wohl eine solche Lektüre
gewesen sein, die die ‘Sibille’ für Elisabeth und ihre Zeitgenossen aktuell machte. Es wird
ein Konzept faßbar, das sich von der Einsicht nährt, daß das arthurische Modell vom
Umgang mit dem Negativen fragwürdig ist. Es scheint nicht mehr akzeptabel, daß eine
gesellschaftliche Form als utopischer Entwurf das ihm Widersprechende aufhebt, und
zwar in der Weise, daß man auf das Böse zugeht, diese Begegnung durchsteht und das
Bewußtsein dieses Durchgangs in die fragile Idealität der höfischen Harmonie hinein-
nimmt. Man sucht nun angesichts einer - trotz der mächtigen nostalgischen arthurischen
Tradition — problematisch gewordenen Gesellschaftsidee einen andern, nichtgesellschaft-
lichen Grund für die Moral, einen Grund, der von einer möglichen Zersetzung der ästhe-
tisch-ethischen Utopie nicht tangiert wird; man sucht — und dies auch im Gegensatz zum
Empörerepos, das in die Schuldverstrickung hineinführt - die moralische Unmittelbarkeit.
Sie ist als solche elementar, fraglos und einfach. Man erfährt sie nur, wenn man alles For-
male ablegt. Warakir in seiner Wüstheit ist die Verkörperung dieser Position. Als Ein-
schuhiger steht er an der Grenze zum Anderssein, er steht für den Übergang zwischen
Leben und Tod und neuem Leben.
Ich kann selbstverständlich nicht nachweisen, daß Elisabeth ‘Die Königin Sibille’ so gele-
sen hat, wie ich sie lese, und schon gar nicht wage ich es, den Gedanken zu äußern, daß
sie beim Übersetzen ihre Vorlage im Sinne eines solchen Verständnisses gestaltet haben
könnte, wenngleich das Holzschnittartige ihrer Bearbeitung die Grundlinien, die das Kon-
zept bestimmen, sehr deutlich heraustreten läßt und die Prosa gegenüber der Versform
eine größere affektive Nähe schafft, was einem Verständnis im Sinne meiner Deutung
entgegenkommt. Ich kann nur zeigen, daß man den Sibillenroman nicht als ein dekaden-
tes, grobes, sinnflaches Spätzeitprodukt auffassen muß, daß dieser Stoff vielmehr nach ei-
ner inneren Logik organisiert ist, die ihn einer literarischen Interpretation zugänglich
macht. Es spricht nichts dagegen, daß eine solche Interpretation zumindest als implizites
Verständnis auch im 15. Jahrhundert möglich war, und ich halte es für nicht unwahr-
scheinlich, daß es dies war, was das Interesse an dieser so ernsthaften und so lachhaften
Geschichte weckte und wachhielt.
Es wäre nun als nächstes zu prüfen, ob den drei andern Romanen Elisabeths, die ja die-
selbe Thematik behandeln, auch dasselbe Konzept vom Umgang mit dem Bösen zugrun-
de liegt. Ich kann eine der obigen Analyse entsprechend einläßliche Interpretation dieser
Romane an dieser Stelle nicht leisten, aber es sei wenigstens abschließend angedeutet, wie
491
das Ergebnis aussehen würde. Schon ein flüchtiger Blick auf den Ablauf der Handlung in
den drei andern Stücken zeigt, daß die ‘Sibille’ eine Sonderstellung einnimmt:
Im ‘Herpin’ findet sich zwar der typische Ansatz: der Held wird mit seiner Frau verbannt.
Er hat vor den Augen Karls einen Verleumder erschlagen. Aber der Roman erzählt dann
in einem hochkomplexen, mehrstufigen Handlungsgang mit immer neuen Intrigen und
Verrätereien an immer neuen Höfen die Rückeroberung des Erbes durch Lewe, den
Sohn. Und die Handlung geht danach weiter in die nächste Generation hinein, ja bis zur
übernächsten, da die Söhne Lewes umkommen und gerächt werden müssen.
Im ‘Loher und Maller’ ist es Loher, der Sohn Karls und Sibilles, der verbannt wird. Dies,
weil Neider ihm seinen Erfolg bei den Frauen mißgönnen und gegen ihn intrigieren. Sein
Freund Maller folgt ihm ins Exil. Ein gewisser Ott, mit dem er allzu bedenkenlos die
Identität tauscht, verrät ihn. Der Übeltäter wird aber entlarvt, und Loher heiratet die
Tochter des byzantinischen Kaisers, die Ott sich unter dem falschen Namen zu erschlei-
chen suchte. Damit verbunden sind Heidenkämpfe. Schließlich kommt es zu einer neuen
Intrige der bösen Räte: Loher wird nach Paris gelockt und entmannt, im Einverständnis
mit dem treulosen Bruder Ludwig. Die Folge ist ein Rachekrieg. Aus Versehen tötet Lo-
her seinen Freund Maller.
Der ‘Huge Scheppel’ knüpft an den Loher-Roman an. Ludwig hinterläßt nur eine Toch-
ter, Marie. Huge, als Metzgersproß ein unglaublicher Frauenheld und wilder Kämpfer,
tritt gegen die Höflinge an, die Ludwig vergiftet haben und die sich nun über Marie des
Reichs zu bemächtigen suchen. Mit einer Reihe blutiger Krafttaten und unterstützt von
seinen europaweit gezeugten Bastardsöhnen, geht Huge gegen die Feinde der Krone vor
und heiratet die Erbprinzessin dann selbst. Aber es kommt zu einem Überfall durch die
Verräter, sie bringen Marie in ihre Gewalt, während Huge entwischt. Er kann dann aber
bei der seiner Frau aufgezwungenen Hochzeit im letzten Augenblick eingreifen und die
Übeltäter erschlagen.
Man hat es also auch bei diesen drei Chansons ihren Grundrissen nach mit einem Gegen-
über zwischen einem von Verrätern durchsetzten Hof oder häufig auch mehreren und ei-
nem nichthöfischen Bereich zu tun, in den die Helden sich hinausgestoßen sehen oder
dem sie aufgrund ihrer außerhöfischen Geburt vorläufig angehören. Doch jene elementa-
ren Erfahrungen, die in diesem Bereich in der ‘Sibille’ thematisiert werden und bei denen
sich das Verhältnis von Gut und Böse neu, d.h. jenseits der höfischen Ordnung und ihrer
Zweideutigkeiten, in problemloser, ja geradezu wilder Selbstverständlichkeit darstellt, das
findet sich in den anderen Romanen höchstens in Ansätzen. Insbesondere wird man in
der Handlungswirrnis des ‘Herpin’ vergeblich nach jener klaren Opposition der Bereiche
suchen, wie sie für die ‘Sibille’ charakteristisch ist. Auch die Komik, die als Regulativ ge-
genüber dem großen Anspruch der neuen Einstellung zu Gut und Böse fungiert und da-
mit als signifikantes Signal für das Konzept gelten kann, fehlt im ‘Herpin’ und im ‘Loher’
weitgehend. Nur im ‘Huge Scheppel’ ist dieser Aspekt da, und damit deutet sich auch hier
492
etwas von jener neuen Moral an, die in der ‘Sibille’ faßbar wird26 Aber die Lösung der
Verwicklungen erfolgt immer über Bravourtaten, über massive Gewalt. Die ‘Sibille’ dage-
gen, obschon sie vom selben Ansatz ausgeht, bietet eine neue Antwort auf das Problem
des Bösen. Und so wirken denn die drei andern Romane wie eine Folie, vor der sich diese
neue Antwort um so deutlicher abheben kann. Sie bricht den Ablauf des immer neuen
Hin und Hers zwischen Verrat und Trug und Erniedrigung und mehr oder weniger mör-
derischer Rehabilitierung auf und führt eine andere, man möchte sagen weibliche Mög-
lichkeit einer Lösung vor. Das liegt nicht nur daran, daß eine Frau als Heldin fungiert,
vielmehr stehen auch die Männer, die ja die Handlung tragen, nicht auf demselben Boden
wie Fierpin, Lewe, Loher oder Huge, auch wenn sie, wenn es nötig und gerechtfertigt ist,
durchaus zuschlagen können. Die ‘Sibille’ setzt sich mit ihrem spezifischen Konzept der-
maßen auffällig von den drei andern Stücken ab, daß man denken möchte, Elisabeth habe
sich für diese Chanson de geste-Tetralogie um dieses Kontrastes willen interessiert. Und
man könnte sich sehr wohl vorstellen, daß ihre auf Gewalt verzichtende Politik nach dem
Tod ihres Mannes nicht ohne Beziehung dazu ist. Jedenfalls aber denke ich, und das hoffe
ich plausibel gemacht zu haben, daß Elisabeth, ob sie nun ihr Korpus vorgefunden oder
ob sie es selbst zusammengestellt hat, mit ihrer Wahl Position bezogen hat im Spektrum
der zu ihrer Zeit gängigen narrativen Gattungen. Sie hat nicht nur einen Typus gewählt,
der — anders als der Artusroman — das Böse nicht utopisch überwindet, sondern es in ei-
ner neuen, harten Weise angeht, und sie hat innerhalb dieses Typus mit der ‘Sibille’ für das
damit aufgebrochene Problem ihrem deutschen Lesepublikum eine überraschende Lö-
sung angeboten. Man kann sich schwer vorstellen, daß sie nicht gesehen haben sollte,
welches Deutungspotential in ihrer Tetralogie steckte. In dem Maße aber, in dem man das
voraussetzen darf, in dem Maße hat Elisabeth Anspruch auf einen sehr viel prominente-
ren Platz in unserer Literaturgeschichte, als man ihn ihr bislang zugestehen mochte.
26
Vgl. Haug, Walter: „Huge Scheppel - der sexbesessene Metzger auf dem Lilienthron. Mit einem kleinen
Organon einer alternativen Ästhetik für das spätere Mittelalter“, in: Haug, Brechungen (wie Anm.16), S.
373-389.
493
494
Gefährliche Maskeraden
Das Spiel mit der Status- und Geschlechtsidentität (,Herzog Herpin’,
,Königin Sibille’, ,Loher und Maller’, ,Huge Scheppel’)
Ute von Bloh
Vertauschungen und Verkleidungen sind konstitutiv für das Erzählen in manchen der
Epen, die Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau-Saarbrücken zugeschrieben wer-
den: vor allem für den ‘Herzog Herpin’, auch für den ‘Loher und Maller’, weniger für den
‘Huge Scheppel’ und die ‘Königin Sibille’. Die Beschäftigung mit diesen Texten gibt aller-
dings Probleme auf, denn wohl wurden einige der Epen bereits im 16. Jahrhundert mehr-
fach gedruckt, doch neu ediert sind nur der ‘Huge Scheppel’ und die ‘Königin Sibille’.1
Sowohl einige Drucke als auch Handschriften liegen außerdem in verschiedenen Fassun-
gen2 vor. Die - vergleichsweise spärliche - Forschungsliteratur hat sich daher eher mit
einzelnen Epen, bevorzugt in den Drucken des 16. Jahrhunderts beschäftigt. In die nach-
folgenden Überlegungen zum Spiel mit der Status- und Geschlechteridentität sollen dage-
gen sämtliche Epen einbezogen werden.
In Anbetracht der ÜberlieferungsSituation ist allerdings zunächst zu klären, welche Texte
den Überlegungen zugrundezulegen sind. Würde man die edierten Handschriften des
‘Huge’ und der ‘Sibille’ mit den Drucken des ‘Herpin’ und des ‘Loher’ kombinieren, hieße
das, die unterschiedlichen Bearbeitungen unstatthaft zu vereinheitlichen, die zudem auf je
andere historische Bedingungen der Textkonstitution wie auch -rezeption reagieren. Eine
Festlegung auf bestimmte handschriftliche Fassungen ist ebenso problematisch, denn
vom ‘Herpin’ sind drei,3 nicht voneinander abhängige Fassungen überliefert, während
1 Tiemann, Hermann: Der Roman von der Königin Sibille in drei Prosafassungen des 14. und 15. Jahrhunderts (Ver*
öffentlichungen aus der Staats- und Universitätsbibliothek 10), Hamburg 1977. Im 16. Jahrhundert wur-
de die ‘Königin Sibille’ als einziger Text nicht gedruckt. Der ‘Huge’ ist ediert von Urtel, Hermann (Hg.):
Der Huge Scheppel der Gräfin Hlisabeth von Nassau-Saarbrücken nach der Handschrift der Hamburger Stadtbibliothek
(Veröffentlichungen aus der Hamburger Stadtbibliothek, 1) Hamburg 1905.
2 Mit Joachim Bumke spreche ich von Fassungen, „wenn ein Epos in mehreren Versionen vorliegt, die in
solchem Ausmaß wörtlich übereinstimmen, daß man von ein und demselben Werk sprechen kann, die
sich jedoch im Textbestand und / oder in der Textfolge und / oder in den Textformulierungen so stark
unterscheiden, daß die Unterschiede nicht zufällig enstanden sein können, vielmehr in ihnen ein unter-
schiedlicher Formulierungs- und Gestaltungswille sichtbar wird”. Vgl. Bumke, Joachim: „Der unfeste
Text. Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhun-
dert”, in: Müller, jan-Dirk (Hg.): >Aufführung< und >Schrift< (Germanistische Symposien. Berichtsbände
XVII) Stuttgart / Weimar 1996, S. 118-129, hier S. 124.
3 ‘Herzog Herpin’: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Mgf 464; Heidelberg,
Universitätsbibliothek, Cpg 152; Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf 46 Novissimi 2°.
Zur Überlieferung von Bloh, Ute von: Historie von Herzog Herpin. Übertragen aus dem Französischen von
Hlisabeth von Nassau-Saarbrücken. Heidelberg Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 152 (Codices iüuminati
medii aevi 17), München 1990; dort auch Hinweise auf weiterführende Literatur.
495
vom ‘Huge’ und der ‘Sibille’ nur je ein einziges handschriftliches Exemplar existiert.4 Der
‘Loher’ liegt in fünf Manuskripten vor, wobei es sich bei einer Handschrift, der aus Köln,
um eine Abschrift des Codex in Hamburg handelt. Die drei übrigen Fassungen in Heidel-
berg, Wien und Prag sind — wie die ‘Herpin’-Handschriften — voneinander unabhängig.5
Um mit einem vertretbaren Corpus argumentieren zu können, ist es deshalb naheliegend,
nach den Codices zu zitieren, die für einen der Söhne Elisabeths, Johann III., entstanden
sind. Basis für die folgenden Überlegungen bilden also die Handschriften in Hamburg
(‘Loher und Maller’, ‘Königin Sibille’, ‘Huge Scheppel’) und Wolfenbüttel (‘Herzog Her-
pin’), von denen anzunehmen ist, daß sie ungefähr zur gleichen Zeit angefertigt wurden.6
Kennzeichnend für jeden der Texte ist, daß überwiegend Störungen der vorausgesetzten
Ordnung verhandelt werden. Entsprechend häufig wird in den Texten von Vertauschun-
gen und Verkleidungen erzählt, denn die Maskeraden7 pervertieren zum einen selbst die
Ordnung und sie setzen das Auszugrenzende zum anderen bisweilen geradezu in Szene.8
4 ‘Huge Scheppel’ und ‘Königin Sibille’: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12 in scrinio.
Zur Überlieferung vgl. Müller, Jan-Dirk: Huge Scheppel!Königin Sibille. Übertragen aus dem Französischen von
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12 in scrinio (Codices illu-
minati medii aevi 26), München 1993.
5 ‘Loher und Maller’: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 in scrinio; Heidelberg, Univer-
sitätsbibliothek, Heid. Hs 1012 (olim Ashburnham Place, Cod. 486); Köln, Historisches Archiv, Cod. W
337; Prag, Närodni Muzeum, Cod. I. a. 3. (olim Krivolät); Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Cod. Vind. Pal. 2816. Publiziert ist allein die Handschrift in Hamburg; vgl. von Bloh, Ute von: Hoher und
Maller. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg Staats- und Univer-
sitätsbibliothek Cod. 11 und 11a in scrinio (Codices illuminati medii aevi 35), München 1995. - Den Nachweis
dafür, daß es sich bei den Handschriften in Heidelberg, Prag und Wien um voneinander unabhängige
Fassungen handelt, muß ich hier schuldig bleiben. Er wird in meiner noch ungedruckten Habilitations-
schrift (Ausgerenkte Ordnung. Hier Prosaepen aus dem Umkreis der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken:
‘Hergog Herpin’, ‘Hoher und Maller’, ‘Königin Sibille', ‘Huge Scheppel) geführt. In der gemeinsamen Arbeit von
Ute von Bloh, Kurt Gärtner und Michael Heinze, die in den vorliegenden Band (vgl. S. 427-457) aufge-
nommen ist, finden sich dafür allerdings Anhaltspunkte. Vgl. vorläufig die noch immer wichtigste
Untersuchung von Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des
Prosaromans in DeutschlandHalle a.S. 1920.
6 Alle drei Handschriften weisen mehr oder weniger umfangreiche Textlücken auf. Der fehlende Text des
‘Huge’ wird nach dem Erstdruck ergänzt werden, der des ‘Loher’ nach der Abschrift in Köln. Im Fall
des ‘Herpin’ soll die Berliner Handschrift die Lücken schließen, da diese den Textbestand vollständiger
als die Handschrift in Heidelberg wiedergibt.
Der Begriff der Maskerade meint hier sämtliche Fälle maskierter Identität, wobei es sich bisweilen nur
um Verkleidungen handelt, die allein dazu dienen, die Identität zu verbergen. Es wird sich zeigen, daß
das spielerische Moment nicht immer vorhanden ist. An Konzepte der ‘Weiblichkeit als Maskerade’
schließt der Begriff insofern an, als geschlechtliche Identität als konstruierte verstanden wird. Zur Dis-
kussion um den Begriff der Maskerade vgl. Weissberg, Liliane: ’’Gedanken zur »Weiblichkeit«. Eine Ein-
führung”, in: Weissberg, Liliane (Hg.): Weiblichkeit als Maskerade, Frankfurt a.M. 1994, S. 7-33.
8 Der vorliegende Beitrag enthält einige Ergebnisse meiner Habilitationsschrift, die dort genauer entwi-
ckelt sind. Das Thema der Verkleidungen gerät in der umfangreicheren Arbeit allerdings nur am Rande
ins Blickfeld.
496
Im ‘Huge’ geht es um den insofern gefährdeten französischen Thron, als keine männli-
chen Erben vorhanden sind; die ‘Sibille’ handelt von der zu Unrecht vertriebenen Köni-
gin, für die es Gerechtigkeit wiederherzustellen gilt. Im ‘Loher’ wird vorgeführt, wie es
dazu kam, daß die Kaiserwürde nicht mehr wie die Königswürde erblich ist; erzählt wird
jedoch unentwegt von der Hintergehbarkeit von Recht und Verpflichtungen, wobei die
Serien auch dann nicht abbrechen, wenn die Ausgangssituation unterdessen einer Lösung
zugeführt wurde. Ähnlich charakterisieren ununterbrochene Serien von Verlusten an An-
sprüchen und Besitz den ‘Herpin’, die in der Rückeroberung der ererbten Herrschaft ih-
ren Abschluß hätten finden können. Wie im ‘Loher’ sind im ‘Herpin’ die unzähligen Ein-
bußen auf mehrere Generationen verteilt. Die Wiederholung vergleichbarer Szenenmuster
verweist zugleich auf unterschiedliche Schwerpunktbildungen, wobei es stets Bindungen
sind, die als eminent konfliktträchtig ausgegeben sind: ganz gleich, ob es sich um ver-
wandtschaftliche, vasallitische oder Liebesbeziehungen handelt, sie präsentieren sich ent-
weder als instabil oder als bedrohlich. Auslöser für die vielen Geschichten sind jeweils
Regelbrüche, und als Störfaktoren erweisen sich vor allem das sexuelle Begehren, außer-
dem Machtinteressen und Gewalt.
Thematisiert ist damit zuallererst das Regellose und Unerhörte, und mit den zahllosen
skandalösen Ereignissen korrespondieren die Maskeraden: Die Akteure agieren unter fal-
schen Namen, oft auch unter statusfremden Gewändern; Frauen ziehen bevorzugt in
Männerkleidern durch die Epenwelten und sogar als doppelgängerischer Stellvertreter
wird jemand ausstaffiert. Der Namenstausch ist dabei vor allem dem ‘Loher’ Vorbehalten,
während in den übrigen Epen Verkleidungen das Geschehen dominieren. Mit den
Verkleidungs- und Vertauschungsgeschichten nun werden zugleich — buchstäblich stell-
vertretend — die Störfaktoren einzelner Bereiche verhandelt, auf die die Epen, und zwar in
unterschiedlicher Gewichtung, den Blick lenken: im ‘Herpin’ und in der ‘Sibille’ im Be-
reich der liebe, im ‘Huge’ und im ‘Loher’ vor allem im Bereich der Gruppen- und Gemein-
schaftsbindungen. Im folgenden ist herauszuarbeiten, wie die Maskeraden für das Erzähl-
te funktionalisiert sind, was sich mit dem Identitätswechsel jeweils geltend macht, was er
konnotiert, auch, wie Identität überhaupt gestiftet wird, und nicht zuletzt, mit welchen
Überzeugungen des historischen Kontextes sich die Entwürfe eigentlich auseinanderset-
zen.
Die Prosaisierungen nehmen auf Wertvorstellungen, die als jederzeit gültig ausgegeben
sind, selbst immer wieder Bezug, so etwa, wenn im ‘Herpin’ die verschämte Zurückhal-
tung Galliens, Ölbaum ihre liebe zu gestehen, mit den Worten kommentiert wird: ‘Als noch
hudestagesjegliche lungffraum sich schammen soll*.9 Doch geben die Epen die historischen Ver-
haltens- und Handlungsmuster nicht direkt, sondern gedeutet, und damit oft verzerrt,
9 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 128r. - Hier wie im folgenden verweise ich auf die in Anm. 1 bis 3 vollständig
genannten Handschriften in abgekürzter Form. Kürzungen sind in den Textzitaten stillschweigend auf-
gelöst. Die schräggestellten Punkte über Vokalen sind als Umlautzeichen wiedergegeben, und er-
scheint, weil es sich um eine Ligatur handelt, als ß; außerdem ist dasj als Trema geschrieben, sofern sich
ein Zeichen darüber befindet. Beim Arbeiten mit Mikrofilmen werden sich allerdings Ungenauigkeiten
kaum vermeiden lassen.
497
überboten oder sogar negiert wieder. Insofern die Entwürfe aber die selbstverständlichen
ethischen, sozialen und rechtlichen Konvenüonen alltäglichen Handelns voraussetzen,
haben sich die Regeln des Handelns wie auch seine Grenzen in die Texte eingetragen, e-
benso wie sich Spuren davon eingelagert haben, die historische Identitäts- und Geschlech-
terkonzepte betreffen. Und weil in mittelalterlichen Texten die den Männern untergeord-
nete Andersheit der Frauen beharrlich festgeschrieben wird,10 verbinden sich mit Frauen
und Männern auch unterschiedliche Maskeraden sowie Kontexte, in die sie integriert
sind.11
1. Männer: Bedrohung von Status und Macht
In einem ersten Schritt soll nun von Vertauschungen und Verkleidungen die Rede sein,
die für Männer entworfen sind. Den weiteren Rahmen für alle diese Geschichten bilden —
anders als im Fall der Frauen - Herrschaftskonflikte. Ist der Tausch von Identität Aus-
druck und Teil von Regel- und Rechtsverletzungen, dann wird die Verkleidung dazu ge-
nutzt, eine Unrechtshandlung durchzusetzen. Das ist zu unterscheiden von der Vertau-
schung von Identität, die Schutz und Möglichkeit bietet, einem bestehenden Unrecht bei-
zukommen. In solchen Fällen ist die Maskerade Bestandteil der Restituierung eines
Rechtszustandes, nicht also seiner Zerstörung. In den Epen liegen außerdem unterschied-
liche Entwürfe der Identitätskonstitution vor, wenn die Demaskierung zum einen über
repräsentative und konventionaüsierte Zeichen erfolgt, zum anderen aber auch über Indi-
zien, die davon unabhängig sind. Besonders an den Geschichten im ‘Herpin’ wird sich ein
unverkennbar spielerisches Moment zeigen lassen, das auf Erwartungsdurchbrechung zielt
und die Macht äußerer Zeichen irritiert.
Doch zunächst zum ‘Loher’, wo sich die Vertauschung der Identität mit unrechtmäßigen
Machtansprüchen verbindet, die sich auf eine Störung der vorausgesetzten Ordnung rich-
tet. Identitätsstiftung erfolgt in diesem Epos vorrangig über äußere Merkmale. Hand-
lungsgenerierend ist im ersten Teil ein Namenstausch, zu dem Otte, der Sohn König
Dansyers, seinen Verwandten Loher überredet, der auf die Initiative der Räte Frankreichs
hin für sieben Jahre aus seinem Land vertrieben wurde. Otte sichert ihm Beistand zu,
nimmt allerdings das Angebot Lohers, im Kampf gegen die Heiden alles mit Otte teilen
zu wollen, nur unter bestimmten Bedingungen an:
Ich tun es gerne vnd wil ouch myn Ritterschafft mit ne men ¡Als fern ir myr wolle nt sweren Das ir
mir dis lar uwem namen gebent / vnd ir dar gehen mynen namen habent / Das sollent ir vnd alle
üwergesellen / mir vff dem heiligen altar Sweren / [das sich uwer keiner diß lar vß niemer anders
10 Das gilt auch für die wissenschaftliche Literatur des Mittelalters, die von einem „Ein-Geschlecht-
Modell” ausgeht; vergleiche Laqueur, Thomas: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von
der Antike bis Freud. Aus dem Englischen von H. Jochen Bußmann, Frankfurt a.M. / New York 1992,
hier besonders S. 79.
11 Ohne die Implikationen der Oppositionsbildungen fortschreiben zu wollen, muß ich im folgenden von
Männer- und Frauenrollen reden, denn diese Polarisierung bildet eine der Grundannahmen in den zu
untersuchenden Texten.
498
an wolle [nemen das will ich gerne tun sprach [loher vnd swure esyme auch mit allen sinen] gesel-
len12
Die gegenseitige Verpflichtung besteht also u.a. im Tausch der Namen, was für ein Jahr
verabredet wird. Mit dem Namenstausch verbindet sich zugleich ein Statuswechsel,13 den
Otte mißbraucht, wenn er recht bald schon sämtliche Privilegien für sich in Anspruch
nimmt, die Lohers Status als Sohn des Kaisers mit sich bringen. Er mißachtet seine Hilfe-
verpflichtung den frunden und magen gegenüber, denn während er sich am Hof des Königs
aufhält, leben Loher und das Gefolge in einer Herberge in großer ‘Armut’.14
Mit der Vertauschungsgeschichte ist also ein Treuebruch unter Freunden und Verwandten
in Verbindung gebracht, und der Namenstausch steht hier am Beginn einer langen Reihe
von Verstößen, zumal gegen verwandtschaftliche Pflichten. Die Serie widerrechtlicher
Handlungen endet schließlich mit der Hinrichtung Ottes. Der Identitätstausch irritiert
mithin die Basis feudaladliger Machtausübung, denn er führt die Instabilität der zentralen
Hilfe- und Treueverpflichtung vor. Indem das Kampfverhalten Ottes zu dem Lohers (und
auch Maliers) in Beziehung gesetzt ist, treten zudem zwei unterschiedliche Männlichkeits-
konstruktionen miteinander in Konkurrenz, wobei Ottes Feigheit und Schwäche im
Kampf unmißverständlich in Opposition zum vorbildlichen Loher gesetzt ist. Die Vertau-
schungs- und Verkleidungsgeschichte ist somit auch dahingehend funktionalisiert, Vor-
stellungen vom rechten Verhalten eines Adligen abzustützen.
Der Verlauf der Erzählung weist außerdem Elemente auf, die vielen Geschichten eignen,
die einen Identitätstausch thematisieren. Zunächst einmal sind die Maskeraden selbst ge-
radezu der konkretisierte Ausdruck einer Ordnungsverletzung (Wechsel der Identität), die
dazu weitere stets präsent halten (widerrechtliche Herrschaftsansprüche). Ist der Identi-
tätstausch wie hier zugleich Element eines Treuebruchs, dann sind Maskeraden mit Ord-
nungsverletzungen nicht nur unauflösbar verbunden, sondern sie erfahren dadurch auch
eine Verdoppelung. Und da in den Epen überwiegend von Ordnungsverstößen die Rede
ist, die oft erst spät, aber doch regelmäßig eine Korrektur erfahren, werden die an den
Maskeraden Beteiligten außerdem — und damit auch die ordnungsgefährdenden Störun-
gen — gewöhnlich auf die eine oder andere Weise zum Verschwinden gebracht.
Wie im Fall des Namenstausches enden sie deswegen zuweilen mit dem Tod, so auch für
den Stellvertreter König Gormons.15 Ein prophetischer Traum warnt den heidnischen
König während eines Heereslagers vor einem Anschlag auf sein Leben, weshalb er nach
einem Stellvertreter forscht: 'Dar vmb bette ich gerne eynen Kitter Der mynen namen an sich neme
12 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 2V und Köln, Bl. 3r; die Handschrift in Hamburg weist an dieser Stelle Textverlus-
te auf, die nach der Handschrift in Köln ausgeglichen und in eckige Klammern gesetzt sind.
13 Loher ist der rechtmäßige Nachfolger des französischen Königs, der auch die Kaiserwürde innehat, und
der nun nicht als Herr, sondern Dienstmann Ottes agiert.
14 Das verbindet sich neben der unstandesgemäßen Existenz mit Mittellosigkeit im heutigen Verständnis.
15 Gormon ist zunächst Dienstherr, später der Schwiegervater Isenbarts, dessen Geschichte im dritten Teil
des ‘Loher’ erzählt wird.
499
vnd myn wappen Jurte vnd ouch rede vnd antwert von mynen wegen gebe wiste ichyeman der das tun wolte
/ Ich wolteym groß gut geben‘.lb Einer aus dem Gefolge des Königs mit dem Namen Durffier
übernimmt diese Aufgabe. Wahrnehmen kann er sie nur für kurze Zeit, denn im Heeres-
lager hält sich der ‘böse Reinhart von Hennegau’ auf, der sich eingeschlichen hat, um Kö-
nig Gormon zu ermorden und so die Gunst des französischen Königs Ludwig zurückzu-
erlangen. Unter dem Vorwand, „heymlichT'> mit ihm sprechen zu müssen, lockt er den ver-
meintlichen König an einen stillen Ort und ersdcht ihn,16 17 womit — verschoben allerdings
auf den Stellvertreter — der herrscherliche Traum seine Erfüllung findet.
Eingelassen ist auch diese Geschichte in einen politischen Kontext, denn was das Han-
deln des heidnischen Königs anleitet, ist das Begehren nach Macht.18 König Gormon ist
als Prototyp eines Unrechtsherrschers entworfen, worauf auch seine Angriffskriege ver-
weisen, die in den Texten stets negativ konnotiert sind. Er verkörpert die Verkehrung
dessen, was Recht ist, so daß am doppelgängerischen Stellvertreter des Königs entspre-
chend eine Verdoppelung auch des Unrechts vorgeführt ist. Und da Ordnung und Frie-
den in den Epen mit zumeist ‘tödlicher’ Sicherheit restituiert werden, wird zunächst der
Doppelgänger beseitigt, wobei durch seinen Mörder das Unrecht einmal mehr markiert
wird, denn der ‘böse Reinhart’ ist von Grund auf schlecht. Bald darauf werden dann auch
die heidnischen Heere bei dem Versuch besiegt, Frankreich zu erobern und die christli-
chen Länder zu bekehren - eine erneute Verdrehung, nun des Kreuzzugsgedankens. Da-
bei kommt auch König Gormon um, wodurch — der Epenlogik nach - Ordnung wie-
derhergestellt ist.
Am Stellvertreter des Königs, der als eine Art Doppelgänger agiert, zeigt sich außerdem,
was der Namenstausch offensichtlich voraussetzt: Identität wird nicht über Ähnlichkeit
hergestellt, sondern über eine Summe von Zeichen: über den Namen, der hier zuerst ge-
nannt ist, über das Wappenkleid, das wie der Name die Zugehörigkeit zu einem bestimm-
ten Geschlecht anzeigt, und schließlich über die Sprache als Komponente sozialen Han-
delns. Wenn sich damit der Begriff des Doppelgängers auch weit von heutigen Vorstel-
lungen entfernt, weil sich Identität nicht vom Gesicht ‘ablesen’ läßt, so fungiert der Ritter
gleichwohl als solcher, denn für das Gefolge im Heereslager und für den ‘bösen Reinhart’
vertritt er den König nicht nur, sondern er ist der König.19 Ebenso wie beim Namens-
tausch ist das vorgängige Sein für die anderen nicht vorhanden.
16 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 134r.
17 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 134v.
18 Machtansprüche dominieren auch den Entschluß, die Tochter mit Isenbart zu verheiraten. Bedingung
ist: igetrumt ir mich fiiren in das lant Jufranckrich / Das ich das künignch vertiligen mochte So ml ich üch Ju sy-
cherhyt myn tochter pi eelichem nyhe gehen' (‘Loher’, Hamburg Bl. 125r). Eheschließungen sind auch sonst ein
wichtiger Faktor bei Expansionsbestrebungen, aber als ehebegründend fungiert das Argument der
Machtvergrößerung in diesen Epen nur in negativ konnotierten Fällen.
19 Entsprechend gelingt auch der Plan des ‘bösen Reinhart’, wenn ihm später König Ludwig seine Gunst
schenkt.
500
In den bisher genannten Beispielen bedrohte der Tausch von Identität die Status- und
Herrschaftsansprüche eines anderen. In anderen Geschichten ermöglicht der Identitäts-
wechsel die Restituierung der vorausgesetzten Ordnung. Dazu zählen die vielen Verklei-
dungen, die den Status repräsentativer Zeichen und von Kleidung als Garanten der sozia-
len und geschlechtlichen Identität ausspielen. Das für eine Verkleidung der Männer be-
vorzugte Gewand ist das eines Pilgers, das geradezu dazu prädisponiert, unerkannt an ei-
nen zumeist fernen Ort zu gelangen, denn Pilger zählen in mittelalterlichen Texten zu
denjenigen Bevölkerungsgruppen, die als außerordentlich mobil und gewissermaßen als
unantastbar beschrieben sind. Wo immer sich die Protagonisten aufhalten, sie treffen auf
Pilger, die häufig als Übermittler von Nachrichten aus fremden Ländern fungieren — und
eben als Kleiderlieferanten.20 Die Requisiten allerdings, die zu einer derartigen Maskerade
gehören, sind nur selten einmal thematisiert; sie verstehen sich gewöhnlich von selbst,
weshalb es von Warakir in der ‘Sibille’ lediglich heißt: er stalt sich jn einspylgerins uyse.21 Klei-
der sind in der Mehrzahl der mittelalterlichen Epen identitätsstiftend, und daher schlüpfen
die Akteure mühelos — und alle anderen überzeugend täuschend — in eine andere Identi-
tät, weshalb selbst Warakirs Ehefrau ihren Ehemann nicht erkennt.
Nur im ‘Herpin’ ist die Verkleidung Lewes zum Anlaß für eine aufwendige Inszenierung
genommen, was mit der Diskussion von literarischen Erzählstereotypen sowie Identitäts-
entwürfen in Zusammenhang steht, die zumal in diesem Text geführt wird. Der Mecha-
nismus des Gelingens von Verkleidungen aufgrund gesellschaftlich konventionalisierter
Zeichen funktioniert hier verschiedentlich nicht; stattdessen gilt das vorrangige Interesse
dem Mißlingen der Maskeraden, der Enttäuschung der Erwartung, die sich in mittelalterli-
chen Texten auf das Funktionieren von Verkleidungen richtet. Auf diese Weise läßt der
Text seine Leser/Hörer nicht zuletzt wissen, daß die Identitätskonstitution durch äußere
Zeichen dem Bereich literarischer Fiktion angehört.
Die Verkleidung Lewes als Pilger ist dafür ein Beispiel: Ein Pilger überbringt Lewe einen
Brief seiner entführten Braut Florentyne, die sich in einem Kloster versteckt hält. Um zu
ihr gelangen zu können, will Lewe mit dem Pilger das Gewand tauschen, was dieser ab-
lehnt, denn damit, so der Pilger, Perdien ich myn hrot Ich bewere die lüde ich sy yum heyligen grave
gewest Ich mach die alden wibe dick schryen Mit myne süssen Worten Da mit gebent sy mir %u essen vnd
drincken gnüg22 Der Pilger ist also ein Betrüger, der sich für 30 Gulden aber doch zum
Tausch der Kleider überreden läßt.23 Dem folgt zunächst eine Unterweisung in die fremde
Rolle, die hier nicht allein schon durch den Kleidertausch gewährleistet, daß Lewe sich
20 Als Pilger sind entsprechend auch Warakir und Huge unterwegs, die einzigen Akteure übrigens, die in
der ‘Sibille’ und im ‘Huge’ ihre Kleidung mit einer anderen vertauschen.
21 ‘Sibille’, S. 157 (wie Anm. 1). Von Huge heißt es (wie Anm. 1, Bl. 50r) immerhin, daß er sich beim Ein-
siedler Kleider aussucht, die besonders zerrissen sind. Er tauscht seine eigenen mit denen des Einsiedlers
und zieht sie über seine Rüstung. Später dann ist noch zu erfahren, daß er einen Hut trägt, der der
Grund dafür ist, daß der Graf ihn nicht erkennt (Bl. 51r). Zum Erkennen am Gesicht s.u.
22 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 49r.
23 Es ist möglich, daß die 30 Gulden auf die 30 Silberlinge anspielen.
501
wie die falschen pilgerin2A erfolgreich durchschlagen kann: Vom Heiligen Grab soll er erzäh-
len, so der Pilger, und außerdem gibt er ihm den Rat: ‘nement den stab in ümr hant vnd lassent
dye lende sere fjttem vnd redent vnmechticlicl) 25, also mit schwacher Stimme.
Bevor Lewe sich auf den Weg macht, wird außerdem die Überzeugungskraft der Ver-
wandlung ausgeforscht, so daß die Inszenierung einer Maskerade ihre Fortsetzung in
mehreren Proben findet. Nachdem Lewe sich verkleidet und das Gesicht geschwärzt hat,
hat zunächst Gerna über die Glaubwürdigkeit der Verkleidung zu entscheiden, und der
erkennt seinen Freund nicht. Die ‘Generalprobe’ erfolgt dann vor Lewes zukünftigem
Schwiegervater. Den Anweisungen gemäß bringt Lewe ihn zunächst zum Weinen und bit-
tet ihn erfolgreich um Almosen. Schließlich werden auch die Grenzen der übernommenen
Rolle ausgereizt, wenn er den König vor dessen Gefolge verhöhnt {lewe begonde des konnigs
spotten2Ö), was Irritation im Gefolge und einen gewalttätigen Zornesausbruch des Königs
auslöst24 25 26 27.
Gleichwohl ist die aufwendige Inszenierung der Verkleidung Lewes letztlich zum Schei-
tern verurteilt. Im entscheidenden Moment nämlich erkennt die Verräterin Weckolder
den als Pilger verkleideten Lewe tatsächlich ebenso an seinem ischone[n\ antlit^e’28 wie kurz
darauf auch Florentyne. Indiz für die Endarvung ist also die Ähnlichkeit mit einer Person.
Im ‘Loher’ dagegen, wo der gleichnamige Protagonist einem Pilger den Bart abkauft, der
so falsch ist wie der Pilger selbst, fehlt das den literarischen Diskurs reflektierende Ele-
ment. Identitätsstiftung wie auch die Identifikation erfolgt hier allein über repräsentative
und konventionalisierte Zeichen, in der ‘Sibille’ ebenso. Im ‘Loher’ ist es entsprechend ein
Ring, an dem Zormeryn den angeblichen Pilger erkennt.29 Identität konstituiert sich damit
— wie auch im Fall des Stellvertreters — über äußere Merkmale. Im ‘Herpin’ und in der ‘Si-
bille’ sind die Verkleidungsgeschichten außerdem ins Komische hinübergespielt, was im
‘Herpin’ mit einer literarischen Reflexion des verbreiteten Stereotyps vom falschen Pilger
korrespondiert.30
Besprochen werden die Verkleidungen jedoch hier wie dort im Kontext von Rechtsbrü-
chen, die die Ausübung rechtmäßiger Herrschaft stören: Loher ist nach der Heirat mit
24 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 49r.
25 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, BL 49r.
26 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 49v.
2 Dessen Stockschlägen entkommt Lewe nur, weil er sich zu erkennen gibt.
28 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 5CK
29 Vor dem Zweikampf: ‘Loher, Hamburg, Bl. 42r.
30 Zur Verbreitung in der mittelalterlichen französischen Literatur vergleiche Kibler, William W.: „The fa-
ke-pilgrim in Lion de Bourges“, in: Romance notes 11 (1969) S. 407-413. Die Ausführlichkeit wie auch die
Auseinandersetzung mit dem Motiv im ‘Lion de Bourges’, der Quelle des ‘Herzog Herpin’ , konstatiert
Kibler als einzigartig („This passage of over five hundred lines in the Lion de Bourges is unusual both in its
development and in its portrayal of the role of the palmer. [...] The lessons which the fake-pilgrim gives
Lion in his special art are unique in Old French literature”; Zitat S. 412).
502
Zormeryn ebenso Anwärter auf den Königsthron wie Lewe, der sich die Hand der Kö-
nigstochter Florentyne in einem Turnier erobert hat. Mit der Entführung der Frauen ste-
hen also wieder rechdich-politische Ansprüche auf dem Spiel. Die Verkleidungen, die
zugleich eine Entfremdung von den angestammten ständischen Rollen signalisieren,
schaffen dabei dem defizitären Ordnungszustand ein Gedächtnis. Das gilt auch für Huge,
der das ausgesucht abgetragene Pilgergewand sogar über seine Rüstung zieht, wobei auch
die Kampfbekleidung markiert, daß es einen Rechtszustand erst noch herzustellen gilt.
Darauf wird die Aufmerksamkeit somit in doppelter Weise gelenkt. Und wie auch im Fall
Huges geht die Restitution von Ordnung gewöhnlich mit der Beendigung einer Maskera-
de einher. Weil aber die rechtlich-politischen Ansprüche in allen Epen immer wieder aufs
Neue gefährdet sind, wechseln die Akteure unentwegt ihre Kleider — oder auch Rüstun-
gen.
Als Möglichkeit, in fremder Rüstung einen Kampf zu entscheiden, fungiert der Tausch
vor allem im ‘Loher’. Hier legt etwa Marphone Rüstung und Wappen seines getöteten
Feindes und Verwandten Otger an, um mit dessen Banner unerkannt eine Stadt einneh-
men zu können.31 Auch von den Rüstungen heidnischer Feinde wird in diesem Text
Gebrauch gemacht.32 Das konvergiert mit der bereits erwähnten Bedeutung äußerer Zei-
chen, über die Identität hergestellt wird. Und dazu gehören auch Rüstungen, die sowohl
die Herkunft als auch die Zugehörigkeit zu einem Herrschaftsverband erkennbar ma-
chen33.
Im ‘Herpin’ dagegen ist ein Rüstungstausch wieder zum Anlaß für die Dramatisierung ei-
ner Verkleidung genommen. Dabei ist die Übernahme einer anderen Identität erneut als
problematisch vorgeführt und die Sicherheit gesellschaftlich konventionalisierter Zeichen
irritiert: Nimmt der Bastard, Lewes unehelich geborener Sohn, Rüstung und Schild Isacars
an sich, um so seine eigenen Verwandten aus dem Gefängnis befreien zu können, so ge-
langt er zwar ungehindert in die Stadt, verrät sich aber dem Kammerknecht Isacars ge-
genüber sofort durch sein den äußeren Zeichen nicht angemessenes Verhalten. Die Mas-
kerade mißlingt fast; nur ein Zufall vermag eine Katastrophe zu verhindern34.
Der eigentliche Befreiungsakt kulminiert schließlich in einem Spaß, der wieder Distanz
gegenüber herkömmlichen Erzählmustern — z.B. im ‘Loher’ — anzeigt. Der Bastard gibt
sich als ein Heiliger aus. Nachdem er in den Kerker gelangt ist, heißt es von ihm, daß er
31 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 99r und v.
32 Zumeist, um unerkannt ins feindliche Heer zu gelangen, wo eigene Verbündete gefangengehalten wer-
den. So verkleidet sich Maller als heidnischer Ritter, um im gegnerischen Heer nach Loher zu forschen.
Seine Suche hat Erfolg, nicht zuletzt deswegen, weil er die Sprache der Heiden spricht und sich mit ihren
kulturellen Gewohnheiten auskennt (‘Loher’, Hamburg, Bl. 13rff.). Isenbart übernimmt nur das Banner
eines getöteten heidnischen Königs, um eine Stadt einnehmen zu können (ebd., Köln, Bl. 123r).
33 Im Sinne dieser Logik werden die Feinde dann ihrer Identität durch die Entkleidung schmählich be-
raubt. - Auch Loher entkleidet einen toten Heiden, um in dessen Rüstung zu kämpfen ‘Loher’, Ham-
burg, Bl. 16r).
34 Der Kammerknecht ist dem Bastard verbunden, da er zwei Jahre in dessen Haus gedient hat.
503
zur Kenntnis nimmt, wie die Gefangenen wegen des Lichtes erschrecken; er sagt darauf-
hin: ‘nit erschreckent Ich bin sant lienhart der üch von umm banden ml losen’35. Keiner der Gefan-
genen hält ihn für den Heiligen Lienhard, von dem man im Mittelalter weiß, daß er erfolg-
reich die Freilassung der Gefangenen König Chlodwigs betrieben hat und seine Gebete
die Ketten von Gefangenen zerspringen ließ.36 Alle durchschauen das Spiel mit der Identi-
tät und umarmen den Bastard freudig. Verbreitete literarische Erzählmuster sind zumal im
‘Herpin’ immer wieder herbeizidert, nicht zuletzt, um den fikdonalen Status solcher Ver-
kleidungsgeschichten zu entlarven, in denen das Gelingen allein von gesellschaftlich kon-
vendonalisierten Zeichen abhängt. Der Held im ‘Herpin’ ist demnach nicht bloß „eine
anonymisierte heraldische Größe“ wie im ‘Loher’ oder in der ‘Sibille’, wo das Erkennen
dem gilt, ‘was sie [diese heraldische Größe] repräsendert’,37 sondern er bleibt auch unter
den geborgten Zeichen eine besondere, unverwechselbare Person, wenn die Ähnlichkeit
als zusätzliches Indiz hinzutritt.
Die Verkleidungen im ‘Loher’ funktionieren demgegenüber unproblematischer. Ganz
gleich, ob Marphone sich mit einem Käsekorb ausgerüstet als Bauer verkleidet auf den
Markt begibt, wo er einen Streit anzettelt, oder ob Maller und Zormeryn als Spielleute un-
terwegs sind, um Loher unerkannt im Gefängnis aufsuchen zu können, die Summe äuße-
rer Zeichen — hier ein Namenswechsel, ein Korb mit Käse, schäbige Kleider und eine
Leier — gewährleistet das Gelingen eines Identitätstausches solange, bis andere Zeichen
die Akteure als verkleidete entlarven: Ein Ring ist es, der Oriande die wahre Identität ver-
rät, und Synoglar erkennt Marphone an seiner Antwort auf ihre Frage nach seiner Her-
kunft: da vemame sye an syner rede wol das es Marphone was38. Wie beim doppelgängerischen
Stellvertreter König Gormons ist so erneut die sozial codierte Sprache als beweiskräftig
für die Identität einer Person angeführt. In die Identitätskonstruktion ist neben dem Kör-
per als Träger von Identitätsmerkmalen so auch im ‘Loher’ ein Moment einbezogen, das
der Person nicht ablesbar ist — dem ‘Herpin’ vergleichbar, wo es auf das angemessene
Verhalten ankommt.39 Beides aber beruht ebenso auf Zuschreibungen wie die äußeren
35 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 161r.
36 Dies ist der einzige Fall eines Rüstungstausches im ‘Herpin’, Ich habe bereits unter einer anderen Frage-
stellung auf diese Stelle hingewiesen. Vgl. dazu Bloh, Ute von: „Über Wunder, das Staunen und Erschre-
cken und über die Grenzen des Wirklichkeitsentwurfs im Herzog Herpin”, in: Wolfgang Harms und C.
Stephen Jaeger, (Hgg.): Fremdes wahmehmen - fremdes Wahmehmen, Stuttgart/Leipzig 1997, S. 221-238, hier
S. 237.
37 So auch in hochmittelalterlichen Heldenepen. Zitiert nach Müller, Jan-Dirk: „Woran erkennt man einan-
der im Heldenepos? Beobachtungen an Wolframs ‘Willehalm’, dem ‘Nibelungenlied’, dem ‘Wormser
Rosengarten A’ und dem ‘Eckenlied’”, in: Gertrud Blaschnitz u.a. (Hgg.): Symbole des Alltags. Alltag der
Symbole. Festschrift für Harry Kühnei gum 65. Geburtstag, Graz 1992, S. 87-111, hier S. 91, 93.
38 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 104r.
39 Wenn im ‘Eckenlied’ das Wappen Dietrichs als Beweis für seine Identität nicht ausreicht, sondern siche-
res Indiz erst seine Stärke ist, dann könnte der Unterschied darin liegen, daß man Dietrich nicht als un-
verwechselbare Person, sondern „als Repräsentanten überlegener Gewalt” erkennt. Diese Stelle nennt
Jan Dirk Müller (wie Anm. 37), hier S. 106.
504
Zeichen, die direkt am Körper angebracht sind. Nicht eine individuelle Person rückt da-
mit ins Blickfeld, sondern der symbolisch aufgeladene Körper.
Mit einem Identitätswechsel verbindet sich außerdem wieder ein neuer Name, denn Mar-
phone agiert als Bauer unter dem Namen Narredore, während sich Zormeryn und Maller
als Spielleute verkleidet Maria und Dietrich nennen.40 Status- und auch Ge-
schlechtsidentität definieren sich folglich über Kleider, Symbole, Ähnlichkeit, Namen,
aber auch über Verhaltensformen und die Sprache. Wohl bleibt im Erzählen das echte
‘darunter’ für die Protagonisten wie den Hörer/Leser gegenwärtig, doch in der überwie-
genden Anzahl der Geschichten funktionieren die Verkleidungen, solange allein die äuße-
ren Zeichen stimmen. Sind sie geborgt, so verweist das in jedem der Texte auf einen defi-
zitären Ordnungszustand.
2. Bedrohte Frauen - Frauen als Bedrohung
Die Verkleidungen, die den Frauen ‘auf den Leib geschrieben’ sind,41 sind für das Erzäh-
len nicht anders funktionalisiert. Auch ihre Maskeraden erfolgen im Kontext von Regel-
brüchen, so, wenn im ‘Herpin’ eine alte Frau mit den Kleidern einer Pilgerin ausstaffiert
wird. Schon ihre Beschreibung als Aide prüde, die nye gudes gedachte,42 nimmt den nachfol-
genden, ausführlich als abscheulich und hinterlistig erzählten Betrug vorweg. Die alte Frau
agiert also gemäß den für sie entworfenen Erwartungen, wobei die Verkleidung zugleich
Metapher für das Auszugrenzende ist. Vertauscht ist — wie im Fall Ottes oder des doppel-
gängerischen Stellvertreters — nur der soziale Status, doch ist das bei den Frauen die Aus-
nahme, denn neben der nur beiläufig erwähnten Verkleidung Scheidichens als Bettlerin im
‘Loher’43 ist dies die einzige Verkleidung, mit denen Frauen nicht männliche, sondern
weibliche Rollen übernehmen.
Frauen agieren nämlich zumeist in Männerkleidern und Männerrollen, so daß sich mit
dem Tausch von Identität nicht mehr nur ein Statuswechsel, sondern auch ein Wechsel
des Geschlechts verbindet. Weswegen Frauen nahezu ausnahmslos in männlichen Ge-
40 Verbinden sich in diesen Texten Namen mit den Verkleidungen, die als männliche oder weibliche gelten,
dann sind Namen zugleich ein Element der Attributionsleistungen, über die sich Geschlechts-
zugehörigkeit herstellt. Der Name schützt so ebenfalls vor der Möglichkeit des Verkennens. Name und
Identität sind in diesen Epen fest miteinander verbunden, gleichwohl scheinen die Namen gegenüber
anderen Zeichen vergleichsweise bedeutungslos, denn zumal die neuen Namen Zormeryns und Maliers
finden überhaupt nur einmal Erwähnung, — name, nam ist überdies sowohl in der Bedeutung von ‘Name’
als auch ‘Geschlecht’ oder ‘Person’ gebräuchlich, weshalb Merge im ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 31r er-
klärt: Jch bin kejn man ich bjn eynfroumn nam’’ (zu dieser Verkleidung s.u.).
41 Die Opposition männlich / weiblich beruht auf Zuschreibungen, die ein Effekt kultureller und sozialer
Prozesse sind. Davon ausgehend lautet der Titel des Buches von Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrie-
ben (wie Anm. 10), auf den hier Bezug genommen ist.
42 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 79v. Weshalb sie sich entsprechend willig von der Verräterin Weckolder für
Geld zur Entführung der Säuglinge Florentynes überreden läßt.
43 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 44r.
505
wändern unterwegs sind, das erläutert sich in der Tatsache, daß Frauen außerhalb des be-
friedeten Bezirks des Hofes als gefährdet gelten, vor allem aber zu Übergriffen auffor-
dern.44 Deswegen legen Florentyne und Merge im ‘Herpin’ mannes cleyder an, bevor sie sich
aus der Gefangenschaft Clarysses davonstehlen,45 ebenso wie Frölich, die zu ihrer eigenen
Sicherheit das Land verlassen muß,46 und auch im ‘Loher’ schneiden sich einige gefangene
Frauen Tr cleyder abe kurt^e als die gesellen', bevor sie fliehen.47 So, wie sich hier mit den Ver-
kleidungen ein gefährliches Potential an Verführungskraft verbindet, das es durch die
Übernahme einer Männerrolle zu bannen gilt, so verknüpfen sich auch im weiteren mit
den Verkleidungsgeschichten Besonderheiten, die als spezifisch weiblich entworfen sind.
Anders nämlich als im Fall der geschlechtsidentischen Maskeraden der Männer, bleibt un-
ter den Verkleidungen der Frauen zumeist ihre Weiblichkeit präsent. Sie agieren als nur
unvollkommene Männer und dazu in einer Doppelrolle.
Außerdem unterscheiden sich die Kontexte, in die ihre Maskeraden eingebettet sind. Do-
minieren im Fall der Männer Gewaltbereitschaft und das falsche Begehren nach Macht
das Geschehen, so ist es nun das sexuelle Begehren. Verkleidet sich Merge im ‘Herpin’ als
Schildknecht, um zu Lewe in die Herberge zu gelangen, dann fordert sie ihn entsprechend
zu einem heimlichen Treffen in Florentynes Kammer auf. Nachdem sie als Schildknecht
mühelos zu Lewe gelangt ist, gibt sie sich ihm außerdem als Frau zu erkennen,48 was in der
französischen Version (‘Lion de Bourges’) zu einer Liebesbeziehung führt.49 Nicht so in
der deutschen Prosa, aber als Mann u n d als Frau handelt Merge unter der Verkleidung
hier wie dort gleichermaßen: Die Nachricht überbringt sie als Schildknecht, dessen Klei-
der die verführerische Sinnlichkeit der Frau jedoch nicht auslöschen können. Und Frauen
sind überdies für Maskeraden geradezu prädisponiert. Weiblichkeit nämlich ist stereotyp
analog zur besonderen Befähigung zur Verstellung und zu Intrigen gedacht. Dem ist die
44 Dafür gibt es in diesen Epen etliche Anhaltspunkte, ebenso im ‘Ritter vom Thurn’, wo zur Vergewalti-
gung Dinas angeführt ist, daß diese sie zu einem Gutteil selbst verschuldet habe, denn „die geringste
Entfernung aus dem Schutz der ,familia’ kann [...] fatale Konsequenzen nach sich ziehen” (dennn es ist sich
halb feylgebotten). Zitiert nach Bennewitz-Behr, Ingrid: ,,‘Darumb eine fraw jrem mann nit kan zu viel ge-
horsam seyn’. Zur Konstituierung von Weiblichkeitsidealen im ‘Ritter vom Thurn’ des Marquart von
Stein”, in: Peter K. Stein u.a. (Hgg.): Festschrift für Ingo Reiffenstein (GAG 478), Göppingen 1988, S. 545-
564, hier S. 556.
45 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 51v. In diesen Kleidern erreichen sie unbeschadet ein Frauenkloster, wo sie
der Äbtissin mitteilen: ,mr sint nit menned (ebd. Bl. 55r).
46 man bracht der konigin mannes claider, allerdings nur in den Handschriften in Berlin (S. 718) und Heidelberg
(Bl. 306r), außerdem im ‘Lion de Bourges- (William W. Kibler / Jean-Louis G. Picherit / Thelma S.
Fenster (Hgg.): Lion de Bourges. Poème épique du XIVe siècle, tome I, II, Genève 1980, hier S. 985).
4 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 39v. Auch Merge, die Vertraute Graciens, ist als Ritter verkleidet, wenn sie beide
mit den befreiten Gefangenen fliehen (‘Herpin’, Wolfenbüttel Bl. 149r).
48 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 31r: ,Ich bin keÿn man ich byn eÿn frournn nam.
49 Vgl. die Ausgabe von Kibler / Picherit / Fenster (wie Anm. 46), hier S. 186.
506
an anderer Stelle formulierte Einsicht verpflichtet: es lebet kejn man der sich vor jrouwen lyste
konde gehüden / keyn man sol an froumn swerren glouben ml er vonyne vnbedrogen bliben.50 51 52
Der Part der zugleich als tugendhaft und aufopfernd-treu beschriebenen Herzogin, die
sich unter Männerkleidern im ‘Herpin5 verbirgt, oszilliert ebenfalls zwischen männlichen
und weiblichen Verhaltens- und Denkmustern. Erneut wird mit dieser Geschichte ein lite-
rarisches Stereotyp in einer weitgreifenden Dramatisierung ausspekuliert, wobei — den
Verkleidungen der Frauen entsprechend — nicht die Herrschaftsordnung, sondern die Ge-
schlechterordnung vorübergehend aufs Spiel gesetzt ist. Die Herzogin ist die Gemahlin
Herzog Herpins, der sie, nachdem beide aus Frankreich verbannt worden sind, allein im
Wald zurückläßt, um für die Schwangere eine Hebamme zu suchen. Dort wird sie von
drei Räubern (cmorde?) überfallen, die sie wegen ihrer Schönheit teuer verkaufen, zuvor
aber vergewaltigen wollen. Wieder ist also das weibliche Verführungspotential aufgerufen,
das die Frauen bedroht, doch bevor die Situation sich zuspitzt, schlagen sich die Räuber
im Streit um das Recht des Vortritts gegenseitig tot, woraufhin die Herzogin einen der
Toten entkleidet, sich dessen Gewand anzieht, eines der Schwerter umgürtet und so an
den Hof von Toledo gelangt, wo sie unter dem neuen Namen Besem als Küchenjunge ar-
beitet und mehrere Zweikämpfe auszufechten hat.
Die Männer- und Frauenrollen schließen einander wieder nicht aus, sondern sie sind er-
neut übereinanderkopiert, so daß die Herzogin erfolgreich in einer Doppelrolle agiert.
Präsentgehalten ist zunächst, daß derartige Kämpfe nicht den Aufgaben einer Frau zuzu-
rechnen sind, wenn die Herzogin vor Beginn des ersten Kampfes klagt: ‘Es enist nit frawen
arbait Dorein ich mich ergeben han>s‘[. Vor dem zweiten Kampf konstatiert sie dann die mit ih-
rer Männerrolle sich verbindenden Betätigungen als erlernbar: ‘Ich han noch ny gelemet Die
arbeit Die ich Itgundt thunn muße Herre hymellischer vater In mannes weiße bin ich lutgund so lannge
ganngen / Diß widerstant mir Ich han es nie gelemet / Aber was mann dick treibet das lernt manni2.
Die Doppelbesetzung ist — vielleicht ironisch — als eine konstruierte reflektiert, aber
gleichzeitig ist die defizitäre Disposition einer Frau festgehalten, auch wenn die Herzogin
dann regelgerecht und tapfer wie ein Mann kämpfen wird. An eine unüberwindliche
Grenze kommt die Herzogin erst in dem Moment, wo ihre Verkleidung das Problem
weiblicher Sexualität heraufbeschwört, die zumal im ‘Herpin5 als Störfaktor entworfen ist,
der immer wieder aufwendig unter Kontrolle gebracht werden muß.
Exemplifiziert ist dies u.a. an Florie, der Tochter des Königs, deren sexuelles Begehren
sich auf den unstandesgemäßen, vermeintlichen Mann richtet: Nachdem sie den zum
50 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 63v Der Kommentar ist in der Handschrift mit einer Zeigehand markiert. -
Im ‘Loher’ verkleidet sich Synoglar im Auftrag Zormeryns als Bote, um einen gefälschten Brief zu über-
bringen, der die Befreiung Lohers bewirken soll.
51 ‘Herpin’, Berlin, S. 55 (die Handschrift in Berlin zählt nach Seiten; die Handschrift in Wolfenbüttel hat
Blattverluste).
52 ‘Herpin’, Berlin, S. 64.
507
Zweikampf gerüsteten Küchenjungen gesehen hat, findet sie nummer keyn {gen,53 fast tot ist
sie54 und sprachlos, als der Küchenjunge vor ihr steht.55 56 Etliche Stereotypen aus der Min-
nepathologie des literarischen Diskurses sind mithin aufgerufen, und die heftig bedrängte
Herzogin kontert mit einer ganzen Reihe ebenso konventioneller Floskeln - die zu schüt-
zende ere, die Notwendigkeit einer Geheimhaltung, die Angst vor Gerede —, um sich den
Avancen Flories zu erwehren. Alles ist verkehrt, auch die traditionelle Verteilung der Rol-
len ist verdreht, denn in der Minnedichtung schützt sich gewöhnlich nicht der Mann, son-
dern die Frau mit dergleichen Argumenten. Im Bild des Falschen übernimmt den aktiven
Part außerdem eine Frau, und die hat sich vorgenommen: ‘wann er her wieder kompt So wil ich
yne leren wie er freude solplegen Also die bulen plegen yu dun 55 Eine etwaige Weigerung soll der
Küchenjunge mit dem Leben bezahlen, etwTas, was den herkömmlichen Minnediskurs
ebenfalls überschießt.57 58 59
Immer wieder zwingt Florie die als Küchenjunge verkleidete Herzogin zu sich in die
Kammer, und dann schieben sich in einem Selbstgespräch der Herzogin erneut die ent-
worfenen Männer- und Frauenrollen ineinander, wenn sie zur Minnekrankheit Flories
festhält: £die liebe hat die Iongfrouwe betrogen / Sy hat an mir nit recht an ge haben / Aber were ich ein
man ich kerne ir balde %ü heiße’A Außerdem denkt sie: i bette ich willenyren willen %u dun [...] Ich
wolde ir gerne ir gedencke erfüllen Aber myn Up kan nit pu bringen Des sy begeret A Wie ein Mann
überlegt die Herzogin demnach, daß sie den Wunsch haben könnte, dem Begehren Flo-
ries nachzukommen, was aber im Bewußtsein dessen geschieht, daß sie eine Frau ist, die
das Verlangen Flories nicht zu befriedigen vermag. Schließlich droht die Situation zu eska-
lieren, wobei die Hörer oder Leser zwar um die Verkleidung wissen, aber zumindest im
Irrealis wird ihnen so von einer homoerotischen Beziehung erzählt. Ausspekuliert ist da-
mit das in mittelalterlicher Dichtung seltene Thema einer homoerotischen Nähe unter
Frauen, das nur im Bild des Falschen und der Verschleierung besprechbar ist. Und die
wird den Mechanismen des Erzählens gemäß verhindert, weil es sich der epischen Ord-
nung nach um eine Überschreitung handelt, — dies allerdings erst, nachdem der Küchen-
junge sich vollständig entkleidet hat, so daß Florie die Vergeblichkeit ihres Verlangens
einsehen muß.60 Was Florie überzeugt, wird im Text nicht mitgeteilt, ist aber dem dieser
Szene zugeordneten Bild abzulesen (Abb. 31).
53 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. llr.
54 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. llr.
55 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. llv.
56 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 12r.
57 Florie agiert als Opfer ihres Begehrens (dye clagete sich lemerlich das sye die liebe meysteri), die den Küchenjun-
gen köpfen lassen will, sofern er ihre liebe nicht erwidere: So wil ichyme das heubt dun abe hauwen Ich muß vff
stunt bulschafft mityme dryben (‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 1 lr).
58 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 11v.
59 ‘Herpin’, Wolfenbüttel, Bl. 12r.
60 Mit dem Ergebnis allerdings, daß nun ihr Vater die schöne Herzogin heiraten will.
508
Vollständig entblößt präsentiert sich die Herzogin dem Blick des Betrachters. Von der
Brisanz der Liebesgeschichte ist im Bild nichts zu erkennen: Das sinnliche Begehren ist
geradezu unsichtbar gemacht, denn Florie hat die Augen niedergeschlagen und die Zofe,
die bereits die Kleider bringt, betrachtet die Herzogin von hinten. Es ist also der Betrach-
ter, der voyeuristisch den Platz Flories einnimmt.61 Nachdem die Herzogin die Männer-
kleider abgelegt hat, die ihre Identität geschaffen haben, ist der Blick nun auf die andere
Identität gelenkt, die sich ebenfalls über äußere Indizien herstellt. Zur Anschauung ge-
bracht sind die weiblichen Geschlechtsmerkmale,62 die am Körper der Herzogin ausge-
stellt sind, den anderen identitätsstiftenden Attributen wie den Kleidern, Wappen oder
Käsekörben vergleichbar.63 Der Körper ist auch in diesem Moment die Fläche für sozio-
kulturelle Projektionen, für diejenigen Zeichen also, anhand derer sich Status, Sexus und
Genus konstituieren. Nicht das biologische Geschlecht steht dabei zur Diskussion, son-
dern Weiblichkeit als gesellschaftliches Konstrukt, die gestaltet und ausgefüllt wird, wobei
zugleich zwei Weiblichkeitsvorstellungen gegeneinander ausgespielt werden, das der be-
ständig begehrlichen und das der bedingungslos treuen Frau, die ihre ere — mit oder ohne
Männerkleider — zu schützen weiß.64 Im Bild des Falschen ist so das, was als weibliche Se-
xualität entworfen ist, distanziert, und das gleichgeschlechtliche Begehren, die Übersteige-
rung der als unberechenbar entworfenen weiblichen Sexualität, wird in der Folge durch
die Vermeidung in ‘epischer’ Gerechtigkeit diszipliniert.
61 Nacktheit war „zu allen Zeiten und an allen Orten immer sozial reglementiert, niemals von paradiesi-
scher Naivität betimmt“; wenn „Vasari berichtet, ein nackter Sebastian von Fra Bartolomeo habe aus ei-
ner Kirche entfernt werden müssen, weil Frauen sich in der Beichte lasziver Gedanken angeklagt hät-
ten“, dann sind selbst bestimmte christliche Darstellungen davon nicht auszunehmen. Vgl. Hoffmann,
Detlef: „Der nackte Mensch. Zur aktuellen Diskussion über ein altes Thema“, in: Ders. (Hg.): Der nackte
Mensch. Zur aktuellen Diskussion über ein altes Thema, Marburg 1989, S. 7-30, Zitate S. 15f. und 22.
62 Im Unterschied zu den männlichen Genitalien (Christus) seien die weiblichen eher selten in Bildern zu
sehen, so Roper, Lyndal: „‘Wille’ und ‘Ehre’: Sexualität, Sprache und Macht in Augsburger Kriminalpro-
zessen“, in: Heide Wunder und Christina Vanja (Hgg.): Wandel der Geschlechterbe^iehungen t(U Beginn der Neu-
heit (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 913) Frankfurt a.M. 1991, S. 180-197, hier S. 185. Spätmittel-
alterliche Beispiele für die Verknüpfung von Nacktheit und Erotik in Bildern finden sich dagegen bei
Hammer-Tugendhat, Daniela: „Jan van Eyck - Autonomisierung des Aktbildes und Geschlechterdiffe-
renz“, in: Hoffmann (wie Anm. 61), S. 80-101, bes. Abb. 3, 7.
63 Sexus- und Genusidentität erweisen sich demnach gleichermaßen als Produkt sozialer und kultureller
Konstruktion, denn auch die „Geschlechtszugehörigkeit [... ist] wesentlich Effekt interaktiver Leistungen
[...], durch die kulturelle Bedeutungen in Geschlechtsattributionen zugeschrieben und in Geschlechtsdarstellun-
gen gezeigt werden“; zitiert nach Hirschauer, Stefan: „Die interaktive Konstruktion von Geschlechtszu-
gehörigkeit“, in: Zeitschrift für Soziologie 18 (1989), S. 100-118, hier S. 102.
64 Der Schutz ihrer ere macht den Kampf ihrer Auffassung nach unerläßlich, und das kommentiert wieder-
um der Erzähler als vorbildlich: Türware sie hat wäre Das sie ir eren behalten wolt ( Herpin’, Berlin, S. 64).
509
Abb.31: Die bisher als Küchenjunge verkleidete Herzogin präsentiert sich entblößt der
Florier ,Herpin’-Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod.
Guelf. 46 Novissimi 2° fol. 12 verso; vgl. Darstellungen in ,Herpin’-Hand-
schriften in Berlin und Heidelberg S. 511 und 512, Abb. 32 und 33.
510
Abb. 32: Dieselbe Szene in der ‘Herpin’-Handschrift Heidelberg UB Cod.Pal. germ. 152
fol. 189 verso, vgl. Abbildung 31 und 33.
511
Abb. 33: Szene in der JHerpin’-Handschrift Berlin Preuß. Kulturbesitz Ms. germ. Fol. 464.
3. Maskeraden: Metaphern für das Widerständige
Maskeraden erweisen sich mithin als Strategien und Verfahren, die an der Regulierung
von Überzeugungen beteiligt sind. Ganz gleich, ob sie das Auszugrenzende explizit zur
Schau stellen wie im Fall des doppelgängerischen Stellvertreters oder der Pilgerin oder ob
sie es bloßstellen wie im letzten Beispiel, immer werden die mit ihnen verbundenen Über-
schreitungen zugleich verhandelt und am Ende verworfen. Und wohl werden Konkurrenz
und Konfliktträchtigkeit verschiedener Typen von ‘Männlichkeit’65 und ‘Weiblichkeit’66
ausagiert, doch nur, um die Gesellschaftsordnung und Geschlechterhierarchie festzu-
schreiben. Nicht einmal die als Mann sich in verschiedenen Zweikämpfen erfolgreich be-
währende Herzogin vermag die geltenden Überzeugungen zu irritieren, wenn sich an ihr
im jeweils passenden Augenblick Fertigkeiten bestätigen, die zum Ausweis rühmenswerter
65 Otte (der Feigling), Loher (nur aus Vernunftgründen gewaltbereit), Maller (der heldenepische Haude-
gen), Ludwig (der schwache König, der sich der Gemahlin unterordnet) usw.
66 Auch Weiblichkeitsbilder werden regelrecht durchdekliniert: Florie (die Begehrliche), die Herzogin (die
treue Gemahlin), Weckolder, die Pilgerin (die Intrigantinnen und Betrügerinnen), die Gemahlin Ludwigs
(die Machtgierige) usw.
512
Männlichkeit gehören, sowie Tugenden, die mit vorbildlicher Weiblichkeit verbunden
sind.
Das Oszillieren zwischen männlichen und weiblichen Identifikationsstereotypen unter-
scheidet sich allerdings von dem, was über Männer erzählt wird, denn Männer in Frauen-
kleidern gibt es in diesen Epen nicht. Für das 16./17. Jahrhundert hat Stephen Greenblatt
diese Tatsache damit begründet, daß „ein Übergang vom Männlichen zum Weiblichen
ideologisch als ein Abstieg vom Höheren zum Niederen festgeschrieben war und damit
als unnatürlich und sozial entwürdigend galt“.67 Auch in diesen Texten sind die sich mit
jeder Verkleidung verbindenden Statusminderungen für den Mann nur innerhalb der Ge-
sellschaftsordnung hinnehmbar, nicht aber innerhalb der Geschlechterordnung. Staffiert
sich in anderen mittelalterlichen Dichtungen ein Mann mit Frauenkleidern aus, dann wird
er entsprechend oft zum Objekt von Aggressionen oder er bezahlt dafür mit seinem Le-
ben68: Der Körper wird so zum Träger der Erinnerung an den veranstalteten Widersinn.
Die Verkleidungen haben insofern auch an der Hierarchisierung der Geschlechter und der
Konstruktion von Geschlechterbestimmungen teil, die selbst unter den Maskeraden nicht
verschoben, sondern nur befestigt werden. Wechseln in den hier untersuchten Epen
Männer ihre Identität, dann ordnen sich die Maskeraden dem konfliktträchtigen Gefüge
von Recht und Macht zu, an dem Frauen keinen Anteil haben. Die Aufspaltung der Frau-
en in eine männliche und weibliche Identität ist insofern geradezu unerläßliche Bedingung
dafür, handlungsfähig zu sein. Und selbst noch in der Verkleidung beschwören sie hier
wie in anderen mittelalterlichen Texten vornehmlich das Problem der Sexualität herauf.
Zumal die weibliche Sexualität sich als „eine leere Kategorie“ präsentiert, die es immer
wieder neu zu konstruieren gilt, nicht zuletzt, weil sie sich als ebenso bedrohlich wie un-
berechenbar erweist.69 Im Bild der als Mann verkleideten Frau ist so auch die abzuwen-
dende Macht angezeigt, über die sie verfügt: über den Mann und — wie im ‘Herpin’ — auch
über die Frau.
Die Gefahren weiblicher Sexualität sind besonders an Florie exemplifiziert, wenn ihr Be-
gehren sich von den Geschlechterbestimmungen unabhängig zu machen droht. In Oppo-
sition dazu ist die verkleidete Herzogin entworfen, die ihrem Gemahl derart ergeben ist,
daß sie, nachdem sie die Heirat Flories mit Herpin verhindert hat, der begehrlichen Florie
vorschlägt, sich den Ehemann mit ihr zu teilen: i liebe lungffrouwe sprach die hert^ogyn Ist is uch
willen wir wollen bede gnuch han byt eyme man Das ir begert des bin ich müde wordenHerausge-
67 Greenblatt, Stephen: Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance. Aus dem Ameri-
kanischen von Robin Cackett, Frankfurt a.M. 1993, Zitat S. 122.
08 So in Mären, etwa im ‘Schreiber’’ (in: Niewöhner, Heinrich: Neues Gesamtabenteuer [...], Bd. 1, Berlin 1937,
S. 109-112), wo der Mann in Frauenkleidern wie im ‘Koch’, im ‘Knecht im Garten’ u.a.m. verprügelt
wird. Der ‘Schüler zu Paris’ verliert sein Leben (Fassung A bei von der Friedrich Heinrich Hagen: Ge-
samtabenteuer. Hundert altdeutsche Erzählungen, Bd. 1, Nachdruck Darmstadt 1961, S. 281-311).
69 Vgl. etwa die Mären, vgl. etwa ‘Beringer’ bei Thomas Cramer (Hg.): Maeren-Dichtung (Spätmittelalterliche
Texte 1), München 1979, Bd. 1, S. 71-81 oder das ‘Nonnenturnier’’ bei Hanns Fischer (Hg.): Die deutsche
Märendichtung des 15. Jahrhunderts (MTU 12) München 1966, S. 31-47).
513
stellt ist damit die vorbildliche liebe der Herzogin, aber die Durchsetzung dieses Lösungs-
vorschlags wird ebenfalls verhindert, denn Florie weist das Angebot beschämt zurück.70
Der unberechenbaren sexuellen Begierde ist damit Asexualität als nachahmenswert ge-
genübergestellt, doch verbleibt dies im Status einer Forderung. Ausspekuliert sind im
‘Herpin’ tatsächlich die bedrohlichen Fälle, die es unter Kontrolle zu bringen gilt. Gemäß
den Polarisierungen ist jedoch vornehmlich die weibliche Sexualität anvisiert, denn die
Texte sind aus einer dominant männlichen Perspektive konzipiert, aus der heraus sich die
Problematisierung männlicher Sexualität erübrigt.71
Die Texte erschaffen damit nicht nur den Unterschied der Geschlechter, sondern sie stüt-
zen wirkmächtig auch Vorstellungen davon ab, was gelten soll. Sie sind — mit Judith But-
ler gesprochen — eine Form autoritativen Sprechens, einbezogen in ein Geflecht aus Au-
torisierung und Bestrafung, die im ständig sich wiederholenden Handeln gesellschaftliche
Grenzen hervorbringen und disziplinieren.72 73 Über die stabilisierende Einübung hinaus,
erweist sich dabei an den vier Epen, daß ldendtätskonzepte nicht nur als historische, son-
dern auch als in stetem Wandel befindliche zu betrachten sind. Zur Herstellung von Iden-
tität über repräsentative äußere Zeichen tritt im ‘Herpin’ gegenüber dem ‘Loher’ und der
‘Sibille’ die Unverwechselbarkeit einer Person aufgrund von Ähnlichkeit hinzu. Die ‘He-
raldik’ der vornehmen Körper, die traditionell auch auf adlige Abkunft und geburtsspezi-
fische Qualitäten schließen läßt, verschiebt sich also auf weitere Indizien, und damit steht
die Aussage im ‘Herpin’ in Zusammenhang, daß das küne hertge [Lewes] noch der cleydunge nit
gu erkennen ist, dann es istjn dem HbeA Das Äußere eines Adligen bietet demnach im Unter-
schied zu zahllosen anderen mittelalterlichen Geschichten kein sicheres Indiz für die Ein-
schätzung einer Person. Die als genuin männlich entworfene Tapferkeit, über die ein Ad-
liger gemeinhin verfügt und die sein Körper signalisiert, hat sich hier im Kampf erst noch
zu bewähren. Die Beweiskraft konventionalisierter Zeichen, die direkt am Körper ange-
bracht sind, ist damit zwar nicht grundsätzlich verworfen, aber es tun sich doch feine Ris-
se auf hinsichtlich der ‘Lesbarkeit’ von Identität und der Macht allgemeingültiger, reprä-
sentativer Zeichen.74
70 Da fflory die hert^ogyn horte da slug sy ir heuht nieder vnd sprach liebe ffrouwe nit en nement is vor übel das ich myn hertye
en wenich gein uch geuffent han / Dann myn lyp en kommet niemer me byyne Aber ich will mich gerne beraden bytyme
dan ich glouben an got vnd an sin liebe müder der vmb vnsem willen an dem crut^egestorben ist (‘Herpin’, Wolfenbüt-
tel Bl. 98A
71 Es ist „immer die Sexualität der Frau, die konstituiert wird“, und zwar deshalb, „weil »man« der Mann
ist“; zidert nach Laqueur (wie Anm. 10), S. 36.
_2 Buder, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Aus dem Amerikanischen von Ka-
rin Wördemann, Berlin 1995, u.a. S. 297.
73 So eine der Hofdamen zu Florentyne, die den armselig gekleideten Lewe im Turnier wahrnimmt (‘Herpin’,
Wolfenbüttel, Bl. 29v).
74 Mit einem fortschreitenden Prozeß hin zu einem Identitätsverständnis im heutigen Sinn lassen sich die
Beobachtungen nicht verrechnen. Ingrid Hahn bringt unter einer anderen Fragestellung eine ganze Reihe
von Beispielen dafür bei, in denen die mittelalterliche Zeichentheorie und „das Geheimnis der Einheit
der Person, [...] Sein und Erscheinen, Zeichen und Sachverhalt“ auf hohem Niveau reflektiert wird. Vgl.
514
Die Gesellschaftsordnung und die Geschlechterbestimmungen allerdings sind von diesen
Differenzierungen nicht berührt. Die unentwegte Wiederholung eines Konfliktpotentials
im Bild der Maskerade, verbunden mit Umwertungen im Detail, kennzeichnet vor allem
einen Prozeß, der beständig neue Irritationen und Instabilitäten hervorbringt. Die sich
wiederholenden Dramatisierungen richten sich dabei zumal auf das Begehren nach Macht
und das sexuelle Begehren. Hier liegt in den vier Epen das gefährliche Potential, das es
immer wieder aufs Neue zu regulieren und restringieren gilt, aber das darf auch vergnüg-
lich zu lesen oder zu hören sein.
Ingrid Hahn: „Zur Theorie der Personerkenntnis in der deutschen Literatur des 12. bis 14. Jahrhunderts,
in: PBB 99 (1977), S. 395-444; Zitat S. 418.
515
Ritterromantik?
Renaissance und Kontinuität des Rittertums im Spiegel des
LITERARISCHEN LEBENS IM 15. JAHRHUNDERT
Klaus Graf
Als Hintergrund der Übersetzungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken wird in der For-
schungsliteratur unseres Jahrhunderts wiederholt eine kulturelle Bewegung namhaft ge-
macht, die man mit den Begriffen ,Ritterrenaissance1 2 3 4 oder „Ritterromantik“ belegt. So
spricht beispielsweise Wolfgang Haubrichs von der „aufkommenden Ritterrenaissance
Frankreichs und Burgunds [...], wo man Motive aus ,Perceval‘ in prunkvolle, als Palast-
schmuck gedachte Teppiche webte“.1 Einen Versuch, die Werke Elisabeths in einen grös-
seren europäischen Zusammenhang einzuordnen, hat Josef Strelka in seiner ungedruckt
gebliebenen Wiener Dissertation von 1950 unternommen: „Feudalromantische Strömun-
gen in der Renaissancedichtung und ihre Entwicklung“.2
Bei näherer Betrachtung stellt man fest, daß in der deutschsprachigen Forschung ein sehr
weiter und ein sehr enger Begriff der „Ritterrenaissance“ mehr oder minder unverbunden
koexistieren. Während etwa Strelka alle Dichtungen mit Ritter-Thematik ausnahmslos rit-
terromantisch nennt, haben sich die unmittelbar einschlägigen jüngeren Arbeiten auf eine
kleine Gruppe von Texten konzentriert, und so hat denn auch Bernd Bastert in seiner
1993 erschienenen Dissertation in einem Forschungsüberblick zur Ritterrenaissance ledig-
lich die Sekundärliteratur zu dem bayerischen Literaten Ulrich Fuetrer Revue passieren
lassen.3 Neben Fuetrer hat Christelrose Rischer in einer 1973 veröffentlichten Monogra-
phie, in deren Titel das Stichwort „Ritterrenaissance“ sofort die Aufmerksamkeit des Le-
sers auf sich zieht, den bayerischen Adeligen Jakob Püterich von Reichertshausen mit sei-
nem 1462 datierten „Ehrenbrief4 ergänzend herangezogen.4 Nachdem bereits 1963 Heinz
Nicolai in einem Aufsatz die „Mörin“ des schwäbischen Ritters Hermann von Sachsen-
heim mit Püterich in Verbindung gebracht hatte5 und Kaiser Maximilian I., breiteren
1 Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von frankrichs wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik
in den Prosahistorien der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht 43 (1991) H. 4, S.
4-19, hier S. 18. Zur Sache vgl. Anm. 70
2 Strelka, Josef: Feudalromantische Strömungen in der Renaissancedichtung und ihre Entwicklung, Diss. masch. Wien
1950, S. 124-126.
3 Bastert, Bernd: Der Münchner Hof und Fuetrers 'Buch der Abenteuer’. Literarische Kontinuität im Spätmittelalter,
Frankfurt a. M. u.a. 1993, S. 7-23.
4 Rischer, Christelrose: Literarische Rezeption und kulturelles Selbstverständnis in der deutschen Literatur der „Kitter-
renaissance“ des 15. Jahrhunderts. Untersuchungen %u Ulrich Fuetrers „Buch der Abenteuer” und dem ,,Lhrenbrief' des
Jakob Püterich von Reichertshausen, Stuttgart u.a. 1973.
5 Nicolai, Heinz: „Romantisierende und parodistische Tendenz in der ritterlichen Dichtung des ausgehen-
den Mittelalters. Ein geschmacksgeschichtliches Problem. Zur Mörin des Hermann von Sachsenheim“,
in: Festgabe für Ulrich Pretzel %um 65. Geburtstag, hrsg. von Simon, Werner / Bachofer, W olfgang / Ditt-
mann, Wolfgang, Berlin 1963, S. 260-266. Dagegen hatte kurz zuvor Dietrich Huschenbett, Hermann von
Sachsenheim. Lin Beitrag %ur Literaturgeschichte des 15. Jahrhunderts, Berlin 1962, S. 92 Sachsenheim von Püte-
517
Kreisen immer noch mit dem Schulbuch-Etikett „der letzte Ritter“ geläufig, mit seinem
1982 von Jan-Dirk Müller grundlegend behandelten Gedechtnus-Projekt* 6 seit langem das
Interesse der Germanistik genießt, wundert es nicht, wenn Peter Strohschneider 1986 in
einem Buch mit dem programmatischen Titel „Ritterromantische Versepik im ausgehen-
den Mittelalter“ Interpretationen zu drei Texten vereint hat: zur „Mörin“ Sachsenheims,
zum „Persibein“ Fuetrers und zum „Teuerdank“ Maximilians.7 Der engere Begriff Ritter-
renaissance der jüngeren deutschen Altgermanistik läßt sich also einigermaßen genau mit
vier Autorennamen umschreiben: Fuetrer, Püterich, Sachsenheim und Maximilian.
Versucht man sich dagegen dem umfassenderen Begriff zu nähern, gilt es forschungsge-
schichtlich ein wenig weiter auszuholen. Bereits 1911 erschien von dem dänischen Ge-
lehrten Valdemar Vedel in deutscher Übersetzung ein Bändchen „Ritterromantik“, zwei-
ter Teil eines Werks über „Mittelalterliche Kulturideale“.8 Thema ist freilich nicht das
Spätmittelalter, sondern die als „romantisch“ eingeschätzte ritterliche Kultur des 12. und
13. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland. Beherrschend aber ist der Einfluß des
niederländischen Kulturhistorikers Johan Eluizinga geworden, der in seinem 1924 erstmals
erschienenen „Herbst des Mittelalters“ ein ungemein beeindruckendes Bild von der ritter-
lich-höfischen Kultur des späten Mittelalters in Frankreich und Burgund entworfen hat.
Es geht ihm um die Erschönung des aristokratischen Lebens mit den Formen des Ideals,
das Kunstlicht der ritterlichen Romantik über dem Leben“.9 Huizinga hebt auf die extre-
me Spannung zwischen Realität und Ideal ab: „Die Wirklichkeit ist heftig, hart und grau-
sam; man führt sie auf den schönen Traum des Ritterideals zurück und errichtet darauf
das Lebensspiel. Man spielt in der Maske des Lancelot, es ist ein ungeheurer Selbstbetrug,
dessen schmerzende Unwahrheit nur dadurch ertragen werden kann, daß leiser Spott die
eigene Lüge verleugnet“.10
rieh abgesetzt und gefordert, man müsse vorsichtig mit dem Begriff „rückschauende Ritterromantik“
umgehen.
6 Müller, Jan-Dirk: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian /., München 1982.
Strohschneider, Peter: Kitterromantische Versepik im ausgehenden Mittelalter. Studien pc einer funktionsgeschichtli-
chen Textinterpretation der „Mörin“ Hermanns von Sachsenheim sowie %P Ulrich Fuetrers „Persibein “ und Maximilians
I. „Teuerdank“, Frankfurt a, M./Bern/New York 1986.
8 Vedel, Valdemar: Kitterromantik. Mittelalterliche Kulturideale II, Leipzig 1911. — Ein weiterer Traditionsstrang
läßt sich zurückverfolgen, wenn man die kunsthistorische Forschung über die höfische Kunst Italiens
und Frankreichs um die Jahrhundertwende in den Blick nimmt. Für die zweite Hälfte des 13. Jahrhun-
derts spricht Werner Weisbach: Francesco Peselini und die Komantik der Renaissance, Berlin 1901, S. 12 von
der französischen „Ritterromantik“. Ebd., S. 105: Das Ritter- und Turnierwesen wurde „mit einem ro-
mantischen Schimmer umkleidet, während es doch kein unmittelbarer Ausdruck der Zeit mehr war“.
Vgl. auch Schlosser, Julius: „Die Werkstatt der Embriachi in Venedig“, in: Jahrbuch der kunsthistorischen
Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 20 (1899), S. 220-282, hier S. 274: Ferrara als Hauptort der neuer-
blühten romantischen Ritterdichtung.
9 Huizinga, Johan: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in
Frankreich und in den Niederlanden, hrsg. von Kurt Köster, 11. Aufl., Stuttgart 1975, S. 47.
10 Ebd., S. 103.
518
Huizingas Romantik-Begriff ist der Geistesgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts ent-
lehnt. Er projiziert die Sehnsucht der Romantiker nach einer verehrungswürdigen Ver-
gangenheit ins späte Mittelalter zurück, das Huizinga mit großem erzählerischen Geschick
als Epoche des Verfalls und der Dekadenz schildert. Wie sehr Huizinga das Spätmittelal-
ter abwertet, mag ein weiteres Zitat zeigen: „Der ritterliche Gedanke des fünfzehnten
Jahrhunderts schwelgt in einer Romandk, die durch und durch hohl und verschlissen
ist“.”
Unverkennbar inspiriert haben Huizingas Ausführungen den Soziologen Norbert Elias,
der in seinem Buch über die „Höfische Gesellschaft“ auch auf die sogenannte „höfische
Romantik“ zu sprechen kommt. Für diesen von Germanisten mitunter etwas über Ge-
bühr hochgeschätzten Autor zeigt die Ritterromantik „das stolze mittelalterliche Krieger-
tum im Abendrot der Sehnsucht nach dem freieren selbstherrlicheren Ritterleben, das im
Zuge der wachsenden Zentralisierung der Staaten und damit auch der Heeresorganisation
schon im Untergehen ist“.11 12 Elias vermißt eine „Zentraltheorie“ romantischer Strömun-
gen und zaubert sie flugs aus dem Hut: „Konstitutiv für den romantischen Charakter
menschlicher Haltungen [...] ist gewöhnlich das Dilemma gehobener Schichten, die zwar
an ihren Ketten rütteln, die sie aber nicht abschütteln können, ohne zugleich die gesamte
gesellschaftliche Ordnung, die ihnen ihre gehobene, ihre privilegierte Position sichert [...],
aufs Spiel zu setzen“.13
Nur wenn man das Rittertum im 15. Jahrhundert als eine zutiefst anachronistische und
überlebte Erscheinung betrachtet, ist die Gleichsetzung aller literarischen Texte, die man
mit dem Ritterideal in Verbindung bringen kann, und überhaupt der ritterlichen Kultur
und ihrer Rituale mit „Ritterromantik“ plausibel. Das Ritterideal wird nicht als gegenwär-
tiges, sondern als vergangenes, unzeitgemäß gewordenes Wertesystem angesehen, auf das
man mit nostalgischer Sehnsucht zurückblickt. Insofern wäre es nur folgerichtig, alle
Adelsliteratur des 15. Jahrhunderts — also Literatur von Adeligen oder für Adelige ge-
schrieben — der „Ritterromantik“ oder „Ritterrenaissance“ zuzuweisen. Damit aber würde
der Begriff wertlos.
Das Handbuch-Klischee von der spätmittelalterlichen „Adelskrise“ (einschließlich des so-
genannten „Raubrittertums“) ist durch die Studien der neueren historischen Adelsfor-
schung eindeutig widerlegt worden. Gewiß hat es den verarmten Niederadeligen gegeben,
11 Ebd., S. 370. Zur Kritik aus der Sicht der neueren Burgund-Forschung vgl. Keen, Maurice: „Huizinga,
Kilgour and the Decline of Chivalry“, in: Medievalia et Humanística 8 (1977), S. 1-20.
12 Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen %ur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie,
Frankfurt a. M. 1983, S. 322 im Abschnitt: „Zur Soziogenese der aristokratischen Romantik im Zuge der
Verhofung“ (S. 320-393).
13 Ebd., S. 332. Zur Elias-Kritik vgl. jüngst Schwerhoff, Gerd: „Zivilisationsprozeß und Geschichtswissen-
schaft. Nobert Elias Forschungsparadigma in historischer Sicht“, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), S.
561-605.
519
der seinen Lebensunterhalt mit Fehden bestritt, doch darf dieser keinesfalls als der typi-
sche Repräsentant seines Standes gelten.14
Ebensowenig wie das Anachronismus-Verdikt ist Huizingas Eskapismus-These hilfreich,
die in der Ritterromantik vornehmlich die Flucht aus der grausamen Realität erkennen
will. Es handelt sich um einen Einwand von irritierender Beliebigkeit,15 der in letzter In-
stanz gegen jegliche Art sowohl fiktionaler Literatur als auch zeremonieller Formen erho-
ben werden kann. Literatur und Ritual kompensieren nicht nur, und mittelalterliche Lite-
ratur ist, das hat nicht zuletzt Ursula Peters klargemacht, nicht angemessen zu verstehen,
wenn man in ihr hauptsächlich ein Krisenphänomen erkennen will.
Ist es nicht irreführend, von einer Renaissance oder einer Wiederentdeckung des Ritter-
tums im 15. jahrhundert auszugehen? Wenn man etwa an die von Werner Paravicini in
seiner Monographie über die Preußenreisen ans Licht gebrachten Zeugnisse für die ritter-
lich-höfische Kultur des 14. Jahrhunderts denkt,16 kann man keinesfalls von einem Dar-
niederliegen des Rittertums sprechen. Und wenn man auf „nostalgisch“ anmutende Äuße-
rungen1" achtet, so lassen sich bereits im 13. Jahrhundert Klagen über den Verfall des Rit-
tertums vernehmen. Der Topos von der guten alten Zeit (laudatio temporis acti)18 hat be-
kanntermaßen eine ehrwürdige Tradition. „Romancing the Past“< überschreibt Gabrielle
14 Es genügt ein Hinweis auf den Sammelband: „Raubritter“ oder „Rechtschaffene vom Adel“? Aspekte von Politik,
Friede und Recht im späten Mittelalter, hrsg. von Andermann, Kurt, Sigmaringen 1997 und die dortige Einlei-
tung des Herausgebers sowie auf Basterts ausführliche Darlegungen, denen ich mehr verpflichtet bin als
meine Fußnoten zum Ausdruck bringen mögen: Bastert: Hof (wie Anm. 3), S. 24-39 und Derselbe: ,,‘Rit-
terrenaissance’ oder Indikator des Frühabsolutismus? Zur Relevanz der Artus- und Gralepik an der
Wende zur Neuzeit am Beispiel von Fuetrers Buch der Abenteuer,“ in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein
Gesellschaft 9 (1996/97), S. 471-488.
15 Vgl. Peters, Ursula: „Mittelalterliche Literatur — ein Krisenphänomen? Überlegungen zu einem funkti-
onsgeschichtlichen Deutungsmuster“, in: Entzauberung der Welt. Deutsche IJteratur 1200-1500, hrsg. von
Poag, James F. / Fox, Th. C., Tübingen 1989, S. 175-196, hier S. 183.
16 Paravicini, Werner: Die Preußenreisen des europäischen Adels, Bd. 1-2, Sigmaringen 1989-1995.
17 Der Begriff Nostalgie ist nicht weniger problemadsch als der Begriff Romantik. Trotzdem lesenswert:
Graus, Frantisek: „Goldenes Zeitalter, Zeitschelte und Lob der guten alten Zeit. Zu nostalgischen Strö-
mungen im Spätmittelalter“, in: Idee, Gestalt, Geschichte. Festschrift Klaus von See. Studien yur europäischen Kul-
turtradition, hrsg. von Weber, Gerd Wolfgang, Odense 1988, S. 187-222. Für die Renaissance gebraucht
den Begriff z.B.: Friedman, Jerome, The Most Ancient Testimonj. Sixteenth-Century Christian-Hebraica in the
Age of Renaissance Nostalgia, Athens 1983. Albrecht Classen hat mir freundlicherweise bereits vor der
Drucklegung zur Verfügung gestellt: Revitalisierung des Rittertums: Nostalgie als literarische Strategie in
den Volksbüchern.
18 Vgl. nur Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Uteratur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Bd. 1, München
1986, S. 26-29. Die ältere Arbeit von Behrendt, Martin, Zeitklage und laudatio temporis acti in der mittelhoch-
deutschen Lyrik, Berlin 1935 ist nahezu unbrauchbar. — Zu beachten ist natürlich auch die innerliterarische
Wahrnehmung von Gattungsgeschichte, etwa in jenem späten Minnesang, der sich mit der eigenen Gat-
tung als einer Gattung der Vergangenheit auseinandersetzt; so Obermaier, Sabine: I 'on Nachtigallen und
Handwerkern. Dichtung über Dichtung in Minnesang und Sangspruchdichtung, Tübingen 1995, S. 148.
520
M. Spiegel ihre Monographie über die volkssprachliche Prosahistoriographie im Frank-
reich des 13. Jahrhunderts.19
Man mag es bedenklich finden, wenn Elisabeth Lienert in einer Arbeit über den ,Troja-
nerkrieg4 Konrads von Würzburg, also über ein Werk aus dem späten 13. Jahrhundert, die
„Schilderung höfischer Lebensformen [...] wesentlich als Form retrospektiver, gleichsam
,ritterromantischer4 Kunstübung [...] begreifen44 will.20 Man mag darauf insistieren, daß
bei der Beschäftigung mit historisierenden Phänomenen eine Historisierung des For-
schungsgegenstands selbst, also eine Berücksichtigung des historischen Wandels, mehr als
angebracht ist. Aber im Grunde sind die in Germanistik wie Kunstwissenschaft21 gelegent-
lich anzutreffenden beiläufigen Etikettierungen von Texten oder Bildern als „ritterroman-
dsch“ oder „archaisierend44 ebenso unschädlich wie unerheblich.
Spricht somit nicht alles für die Position Basterts, der nicht die angeblich verfehlte Ge-
genwartsnähe Fuetrers in den Mittelpunkt stellt, sondern die literarische Kontinuität? Er
faßt seinen Standpunkt so zusammen: „Nicht als rückwärtsgewandte Utopie einer nostal-
gisch die große Vergangenheit beschwörenden ,Ritterrenaissance4, aber ebenso wenig als
Indikator einer sich zum absolutisdschen Staatswesen neuzeitlicher Prägung transformie-
renden Gesellschaftsformation sollte Fuetrers BdA [Buch der Abenteuer] [...] vorrangig
verstanden werden, sondern in erster Linie als Beispiel für die auch im späten 15. und
frühen 16. Jahrhundert noch ungebrochene Kontinuität eines jahrhundertealten litera-
risch-kulturellen Wissens44.22 Kann auf das fragwürdige Edkett „Ritterromantik44 oder
„Ritterrenaissance44 nicht ganz verzichtet werden?
Das Etikett ist in der Tat entbehrlich - keinesfalls jedoch die ihm zugrundeliegende Fra-
gestellung oder, vorsichtiger formuliert, die noch am ehesten präzisierbare Fragestellung!
Gerade Fuetrer bietet mit seiner fast perfekten Imitation des klassischen Mittelhochdeut-
schen, also einer längst vergangenen Sprachstufe, einen irritierenden Befund, auf dessen
Deutung sich Basiert kaum eingelassen hat.23 Ungeübte Leser des 15. Jahrhunderts dürf-
19 Spiegel, Gabrielle M.: Romancing the Fast. The Rise of Vemacular Prose Historiography in Thirteenth-Century Tran-
ce, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1993.
20 Lienert, Elisabeth: „Der trojanische Krieg in Basel. Interesse an Geschichte und Autonomie des Erzäh-
lens bei Konrad von Würzburg“, in: Uterarische Interessenbildung im Mittelalter, hrsg. von Heinzle, Joachim,
Stuttgart-Weimar 1993, S. 266-279, hier S. 271.
21 Ich greife Dachs, Monika: „Zur Illustration des höfischen Romans in Italien“, in: Wiener Jahrbuch für
Kunstgeschichte 42 (1989), S. 133-154, hier S. 150 heraus: „In den märchenhaften Werken Gentiles da
Fabriano, Pisanellos und der Brüder Limburg lebte die romantische Ritterdarstellung noch ein letztes
Mal auf*.
22 Bastert: „Ritterrenaissance“ (wie Anm. 14), S. 488.
23 Bastert: Hof (wie Anm. 3), S. 158. Ausführlicher: Rischer: Uterarische Rezeption, S. 46-54, die auf den
„Denkmalscharakter“ der Sprache abhebt (S. 54). Noch nicht erforscht ist, seit wann es im Deutschen
sprachliche Archaismen gibt. Nur aus der Sicht der modernen Sprachwissenschaft erörtert das Thema
Thea Schippan: Funktionale Betrachtung von Archaismen (wie Anm. 4), in: Chronologische, areale und situa-
tive Varietäten des Deutschen in der Sprachhistoriographie. Testschrift für Rudolf Große, hrsg. von Lerchner, Gott-
hard / Schröder, Marianne /Fix, Ulla, Frankfurt a. M. u.a. 1995, S. 397-402. Besondere Vorsicht ist bei
521
ten an dieser Art „Arkansprache“ wohl gescheitert sein. Einen „bewußten Archaismus“
Fuetrers kann die Forschung auch an anderen altertümlichen Details Festmachen, etwa
dem Wiederauftreten des sogenannten ,buhurt‘, einer ritterlichen Gruppenbegegnung.24
Püterich, der sich explizit als Liebhaber der alten und Verächter der neuen Bücher aus-
gibt, hat sich ebenfalls formal an Altem orientiert, indem er seinen „Ehrenbrief4 in den
damals bereits anachronistischen Titurel-Strophen verfaßte. Bezeichnenderweise zitiert
Püterich aus dem Jüngeren Tituref — entgegen üblichem mittelalterlichem Usus — nicht
frei, sondern mit relativ genauer Wiedergabe des Wortlauts.25 Daß er zu den Grabstätten
Wolframs und Johannes von Montevilla gleichsam pilgerte, antizipiert die Praxis der rei-
senden Historiker der Maximilianszeit, die nicht ritterliche Abenteuer suchten, sondern in
Kirchen und Klöstern auf der Jagd nach Altertümern waren.
Was also hat es mit den archaisierenden, historisierenden, romantischen oder retrospekti-
ven Phänomenen des 15. Jahrhunderts auf sich?26 Gemeinsam ist ihnen ein Rückgriff auf
eine entfernte Vergangenheit, von der Gegenwart durch historische Distanz getrennt: ein
„revival“ also, kein bloßes Weiterleben einer nicht mehr zeitgemäßen Erscheinung („sur-
vival“). Kurt Nyholm und Wolfgang Harms haben Fuetrer in die Nähe des Frühhuma-
nismus gerückt.27 Ihr Hinweis auf das humanistische ad-fontes-Prinzip ist in der Tat nicht
ganz verfehlt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte man sich in reformierten
Benediktinerklöstern intensiv mit der historischen und literarischen Überlieferung längst
vergangener Zeiten auseinander. Für diese Bestrebungen, von der bisherigen Forschung
mit dem irreführenden Etikett „Klosterhumanismus“ versehen, habe ich den Begriff
der Befunderhebung freilich geboten. So glaube ich beispielsweise nicht an den archaischen Anstrich1
der Verse Sebastian Brants auf den Tod Eberhards im Bart von Württemberg, den Sack, Vera, Sebastian
Brant als politischer Publizist. Zwei Plugblatt-Satiren aus den Polgejahren des sogenannten Rjsformreichstags von 1495,
Freiburg 1997, S. 90f. annehmen will. Zu sehr diktiert der Beweiszweck das Ergebnis. Denn daß diese
bislang ernstgenommenen Verse satirisch gemeint seien, wie sie beweisen will, glaube ich nicht.
24 VgJ. Jackson, Henry William: „Lance and Shield in the buhurt“, in: German Narrative Literatur of the Twelfih
and Thirteentb Centuries. Studiespresented to Roy Wisbey, hrsg. von Honemann, Volker u.a., Tübingen 1994, S.
39-54, hier S. 48: Im späten Mittelalter wurde buhurdieren „a stylistic archaism“.
25 Vgl. Krüger, Rüdiger: Studien %ur Rezeption des sogenannten ‘Jüngeren Piturei’, Stuttgart 1986, S. 150-157, Zitat
S. 156. In dieser Arbeit (S. 171-175) ist auch der ‘Spruch von den Tafelrundern’ — vgl. Henkel, Nikolaus,
in: VPrfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 9 (1995), Sp. 188-190 - sowie ein Eigennamenverzeichnis um 1470 be-
handelt, Texte, die dem Umkreis Fuetrers und Püterichs am Münchner Hof zugeordnet werden.
26 Zum folgenden vgl. Graf, Klaus: „Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum 16.
Jahrhundert. Kritische Überlegungen aus der Perspektive des Historikers“, in: Mundus in imagine. Bilder-
sprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner, hrsg. von Andrea Löther u.a., München
1996, S. 389-420.
T Nyholm, Kurt: „Das höfische Epos im Zeitalter des Humanismus“, in: Neuphilologische Mitteilungen 66
(1965), S. 297-313; Harms, Wolfgang: „Anagnorisis-Szenen des mittelalterlichen Romans und Ulrich Fü-
etrers ‘Buch der Abenteuer’“, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur95 (1966), S. 301-318,
hier S. 316: „Teil der Bemühungen des deutschen Frühhumanismus“. Neuerdings wiederaufgenommen
von Hahn, Reinhard: ‘Von französischer jungen in teütsch’. Das literarische Leben am Innsbrucker Hof des späteren
15. Jahrhunderts und der Prosaroman Pontus und Sidonia (Af, Frankfurt a. M. u.a. 1990, S. 56.
522
„monastischer Historismus“ zur Diskussion gestellt.28 So gut wie unbekannt ist beispiels-
weise, daß man im Kloster Melk, Ausgangspunkt der bekannten Melker Reform, im 15.
Jahrhundert textkritische Ausgaben der Benediktsregel erstellt hat.29
Sinnvoll erscheint mir aber auch eine Blick über die Fachgrenzen hinweg in die Kunstge-
schichte.30 Gegenstand der kunsthistorischen Forschung zu retrospektiven Tendenzen
sind historisierende Denkmäler und solche Kunstwerke, deren Erscheinungsbild ältere,
einer früheren Stilstufe angehörige Formen erkennen läßt. Am Ausgang des Mittelalters
wurden in manchen Codices romanische Minuskeln nachgeahmt, in Inschriften adaptierte
man alte Formen, Baumeister verwendeten hochmittelalterliche Elemente in ihren — sak-
ralen wie profanen — Werken, und auf Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts begegnen
nicht selten romanische Architekturen. Man spricht in diesem Zusammenhang sogar von
einer Romanik-Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert. Ungleich prominenter ist freilich
die im 16. Jahrhundert einsetzende sogenannte „Nachgotik“, ein nicht zuletzt in gegenre-
formatorischen Kontexten beliebter historisierender Baustil, der an gotischen Formen
festhielt, obwohl längst die Renaissance angesagt war. Bewußt knüpften Schreiber, Künst-
ler oder Auftraggeber in diesen Fällen an alte Traditionen an, indem sie sich „anachronis-
tischer“ Stilmittel bedienten. Ungewöhnlich sind beispielsweise die Bilder der Berner ,Par-
zival‘-Handschrift von 1467, die eine ältere Vorlage voraussetzen und — anders als die
zeittypischen illustrierten Parzivalhandschriften der Lauber—Werkstatt — altertümliche De-
tails beibehalten.31
Für die adelige Kultur ist ein Hinweis auf historisierende Elemente im adeligen Burgen-
und Schloßbau wichtig. Es gab sogar, glaubt man einem einschlägigen Aufsatztitel, so et-
was wie „Burgenromantik im 16. Jahrhundert“.32 Das augenfälligste Beispiel ist das 1577
datierte Fuggerschloß in Niederalfingen bei Aalen, das eine staufische Ritterburg mit Bu-
ckelquadern und Bergfried imitiert.33 Mittels architektonischer Formen sollte eine adelige
Tradition begründet werden. Neben der Nachahmung alter Formen steht die pietätvolle
Bewahrung des Alten, gleichsam eine Denkmalpflege. Aristokratische Tradition im Medi-
um der Architektur erweist sich somit als Verschränkung von survival und revival. Die
28 Graf, Klaus: „Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts“, in: Literarisches
Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hrsg. von Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübin-
gen 1995, S. 100-159, hier S. 138-146.
29 Ellegast, Burkhard: „Die Anfänge einer Textkritik zur Regel des heiligen Benedikt in den Kreisen der
Melker Reform“, in: Stift Melk. Geschichte und Gegenwart 3 (1983), S. 8-91.
30 Vgl. ausführlich Graf: „Retrospektive Tendenzen“ (wie Anm. 26), und die Weiterführung der dort vor-
gelegten Auswahlbibliographie im internet: http://www.uni-koblenz.de/~graf/.
31 Vgl. Ott, H., Norbert, Saurma-Jeltsch, Lieselotte E. und Curschmann, Michael, in: Wolfram-Studien 12
(1992), bes. S. 121, 150, 170f.
32 Schmid, Alfred A.: „Burgenromantik im 16. Jahrhundert“, in: Schlösser, Gärten, Berlin. Festschrift für Martin
Sperlich, Tübingen 1980, S. 25-34. Vgl. auch Brage Bei der Wieden: „Die Idee der Burg. Zu den Voraus-
setzungen des Schloßbaus in der Weserrenaissance“, in: Der Adel in der Stadt des Mittelalters und der Frühen
Neuheit, Marburg 1996, S. 59-74, hier S. 65f.
33 Abbildung bei Graf: „Retrospektive Tendenzen“, (wie Anm. 26), S. 420.
523
angestrebte Kontinuität ist das Produkt von Denkmalpflege und Retrospektive, also von
bewußtem Bewahren und gezieltem Zurückgreifen.
Die Diskussion über die Ritterrenaissance am Beispiel des klassischen Kanons der vier
Autoren Fuetrer, Püterich, Sachsenheim und Maximilian ist wohl ein wenig festgefahren.
Es geht nun aber nicht darum, den engen durch den weiten — meines Erachtens un-
brauchbaren — Begriff der Ritterrenaissance zu ersetzen, sondern um eine präzisierte Fra-
gestellung, mit der auch andere Gattungen, Texte und Uberlieferungszeugnisse zu kon-
frontieren wären, nämlich: Wie geht man im 15. Jahrhundert mit ,alten4 Texten und Bü-
chern und der aus ihrem Alter resultierenden „historischen Distanz“ um? Einen ersten
Versuch, sich dieser Problematik zu stellen, lieferte Peter Strohschneider in seinem Bei-
trag zu dem 1988 erschienenen LiLi-Heft zum Thema Ritterrenaissance. Dieser Aufsatz
mit dem Untertitel „Von der Aktualität des Vergangenen in höfischer Versepik des aus-
gehenden Mittelalters“ hat zwar einerseits das den Texten ablesbare sogenannte Distanz-
bewußtsein ausdrücklich wahrgenommen und thematisiert, doch bleibt er andererseits
Huizingas verhängnisvoller Eskapismus-These verhaftet, wenn er formuliert, Maximilians
Teuerdank habe die „Kluft zwischen tradiertem Ritterideal und den Bedingungen banaler
Alltagswelt nach 1500 konsequent ignoriert“.34
In den Texten der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken stellt die Distanz der dargestellten
Epenwelt zur eigenen Gegenwart kein Problem dar, das dem Leser signalisiert werden
mußte. Die Autorin gab ihre Vorlagen getreu und ohne Distanzierung wieder. Was Wolf-
gang Liepe etwas umständlich die „mangelnde Beschlagenheit der Übersetzerin auf dem
über ihre Vorlagen hinausreichenden Gebiet der Personen - und Namentradition der
chanson de geste“ genannt hat,35 36 wird von ihr selbst nicht reflektiert. Als dagegen 1514 die
,Histori von hertzog Herpin4 in Straßburg zum Druck gebracht wurde, artikulierte die
dem Druck beigegebene Vorrede den Zeitenabstand zur erzählten Epoche explizit: Das
Geschehen habe sich vor langer ^eit zugetragen, damalige Sitten und Gewohnheiten seien
ietgundt der %eit seltsam guh deren, man habe mit Aberglauben und schwarzer Kunst viele
Dinge zuwege gebracht, die seidher abgangen seindN Das Alter des Textes ist nunmehr zur
Alterität, es ist problematisch geworden. Die geschilderten Zustände werden als „seltsam“
und fremdartig empfunden. War diese Vorrede nun eher eine entschuldigende Warnung
oder eine Werbung, die sich auf eine verbreitete Faszination an Altertümlichem und an
Antiquitäten berufen konnte? Ausführlicher wird dann 1537 die Vorrede des ,Hug
Schapler4-Drucks den Gegensatz zwischen der fremd gewordenen Epenwelt und der ei-
34 Strohschneider, Peter: „‘Lebt Artus noch zuo Karydol, so stünd es in der weite baß? Von der Aktualität
des Vergangenen in höfischer Versepik des ausgehenden Mittelalters“, in: UU 18 (1988), H. 70, S. 70-
94, hier S. 87.
35 Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland,
Halle a. S. 1920, S. 228.
36 Text bei Konczak, Ralf: Studien per Druckgeschichte zweier Romane Elisabeths von Nassau-Saarbrücken. „Eoher
und Maller“ und „Eierpin“, Frankfurt a. M. u.a. 1991, S. 173.
524
genen Gegenwart und zwischen dem alten, schmucklosen und dem modernen Sprachstil
ansprechen.37
Die ausdrückliche Thematisierung der historischen Distanz ist im Bereich der Prosahisto-
rien-Drucke keinesfalls singulär.38 Es fehlt allerdings, soweit ich sehe, an einer Darstellung,
die solche und ähnliche literarische Erscheinungen vergleichend in den Blick nimmt und
mit anderen retrospektiven Phänomenen in Beziehung setzt.39 Ich muß mich auf einige
Andeutungen beschränken. Neben dem schon genannten Bereich der Textkritik, der Su-
che nach dem authentischen alten Text, wäre etwa das Herausgebertum zu nennen, das
sich als vermittelnde Instanz zwischen dem ursprünglichen Autor und dem Leser etab-
liert.40 Unter diesem Gesichtspunkt noch nicht untersucht wurde beispielsweise die hand-
37 Romane des 15. und 16. Jahrhunderts. Nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten, hrsg. von Müller, Jan-
Dirk, Frankfurt am Main 1990, S. 345-347. Zur Bearbeitung von 1537 vgl. Müller, Jan-Dirk: „Held und
Gemeinschaftserfahrung. Aspekte der Gattungstransformation im frühen deutschen Prosaroman am
Beispiel des ‘Hug Schapler’“, in: Daphnis 9 (1980), S. 393-426.
38 Zur historischen Distanzierung im „Wigalois“-Druck vgl. Müller, Jan-Dirk: „Funktionswandel ritterli-
cher Epik am Ausgang des Mittelalters“, in: Gesellschaftliche Sinnangebote mittelalterlicher Literatur, hrsg. von
Kaiser, Gert, München 1980, S. 11-59, hier S. 30.
39 Für die Zeit um 1500 ist aber auf die wichtigen Beiträge von Jan-Dirk Müller zum Fremdwerden der
Texte und der erzählerischen Bewältigung der eingetretenen historischen Distanz mit allem Nachdruck
hinzuweisen. Am ausführlichsten ist das Thema behandelt bei Müller, Jan-Dirk: „‘Alt’ und ‘neu’ in der
Epochenerfahrung um 1500“. Ansätze zur kulturgeschichtlichen Periodisierung in frühneuhochdeut-
schen Texten, in: Traditionswandel und Traditionsverhalten, hrsg. von Haug, Walter / Wachinger, Burghart,
Tübingen 1991, S. 121-144 (S. 124f. wird die Distanzerfahrung exemplarisch an der Neubearbeitung des
,Hug Schapler‘ von 1537 demonstriert). Zu einem sich ansatzweise in der Heldenepik artikulierenden
„Bewußtsein historischer Distanz“ zur dargestellten Heldenzeit vgl. Derselbe: „Wandel von Geschichts-
erfahrung in spätmittelalterlicher Heldenepik“, in: Geschichtsbewußtsein in der deutschen Literatur des Mittelal-
ters, hrsg. von Gerhardt, Christoph / Palmer, Nigel F. / Wachinger, Burghart, Tübingen 1985, S. 72-87;
Derselbe: Bei heldes Zeiten. Anmerkungen zum Beginn des ‘Nibelungenliedes’ k, in: Verstehen durch Ver-
nunft. Testschrift für Werner Hoffmann, hrsg. von Krause, Burkhardt, Wien 1997, S. 271-278. - Wenigstens
erwähnt seien die teilweise anregenden, methodisch aber nicht unproblematischen Studien zur Mittelal-
ter-Rezeption in Mittelalter (!) und Renaissance: Borchardt, Frank L.: „Medievalism in Renaissance
Germany“, in: Creative Encounter. Festschrift for Herman Salinger, hrsg. von Leland R. Phelbs, Chapel
Hill 1978, S. 73-85; Scholz-Williams, Gerhild: „Vergegenwärtigung der Vergangenheit: Das Mittelalter im
15. Jahrhundert“, in: Das Weiterleben des Mittelalters in der deutschen Literatur, hrsg. von Poag, James F.
/Derselben, Königsstein 1983, S. 13-24; Dieselbe: „Historiam narrare: Geschichte und Mittelalterrezep-
tion im spätmittelalterlichen Deutschland“, in: Mittelalter-Rezeption. Ein Symposium, hrsg. von Wap-
newski, Peter, Stuttgart 1986, S. 32-35.
40 Zur editorischen Tätigkeit der Humanisten vgl. die Hinweise bei Mertens, Dieter: „Früher Buchdruck
und Historiographie. Zur Rezeption historischen Literatur im Bürgertum des deutschen Spätmittelalters
beim Übergang vom Schreiben zum Drucken“, in: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters
und der frühen Neuzeit, hrsg. von Bernd Moeller/Hans Patze/Karl Stackmann, Göttingen 1983, S. 83-111,
hier S. 1 lOf. Exemplarisch kann Cuspinians Betonung der sprachlichen Distanz in seiner Ausgabe Ottos
von Freising von 1515 zitiert werden (ebd., S. 110): habent enim singula saecula suum loquendi morem. — Für
handschriftliche Werke des 15. Jahrhunderts will ich nur zwei Hinweise geben: Felix Hemmerlis Bemü-
hungen um das Werk des Zürcher Chorherrn Konrad von Mure aus dem 13. Jahrhundert, vgl. Klein-
schmidt, Erich: „Konrad von Mure“, in: Vefasserlexikon 2. Aufl. 5 (1985), Sp. 236-244 und die „Ausga-
ben“ älterer Schwesternbücher durch den reformgesinnten Dominikaner Johannes Meyer 1454, vgl.
525
schriftliche „Klassikerausgabe“, die Augustin von Hammerstetten am Ende des 15, Jahr-
hunderts als Neujahrsgabe dem sächsischen Kurfürsten und seinem Bruder überreichte.
Der Gothaer Codex Chart. B 271 enthält Texte des Teichners, Konrads von Würzburg
und Suchenwirts. Die in Form eines älteren Handschriftenbestandteils eingefügten Werke
Suchenwirts kommentiert Hammerstetten: Ich hab die ding nit corrigirt von dem Peter Süchen-
wirdt, Lass beleihen in ihrem werdtV Also ein programmatischer Verzicht auf Modernisierung.
Dergleichen gehört, wie ich meine, zur Vorgeschichte des im Humanismus entstehenden
Interesses an älterer deutscher Literatur und Sprache, etwa am Althochdeutschen.41 42
Einzuordnen sind diese Bestrebungen in eine Bewegung, die im 16. Jahrhundert in den
Antiquarianismus, die intensive humanistische Beschäftigung mit Altertümern,43 münden
wird. Eine Geschichte der Altertumsforschung im Mittelalter ist freilich noch nicht ge-
schrieben. Verantwortlich dafür ist sicher auch eine holzschnittartige Betrachtungsweise,
die dem Mittelalter Sinn für Anachronismen und historische Veränderungen gänzlich ab-
sprechen will.44 Der eingängige Kontrast zwischen distanzlosem Mittelalter und distanz-
bewußter Neuzeit ist freilich ein Pauschalurteil, das nur davon abhält, genauer hinzuse-
hen. Um nur einen einzigen Hinweis zu geben: Die Bedeutungsgeschichte des Wortes
„altfränkisch“ demonstriert, daß bereits im 14. und 15, Jahrhundert sehr wohl ein allge-
meines Bedürfnis bestanden hat, zwischen Veraltetem und Modernem zu differenzieren.
Mit der Entstehung der Altertumsforschung hängt das Aufkommen von Sammlungen eng
zusammen.45 In unserem Zusammenhang sind dabei die bibliophilen Neigungen der Aris-
tokratie im 15. Jahrhundert am wichtigsten.46 Wie groß der Einfluß der französisch-
burgundischen Buchkultur mit ihren Prachthandschriften auf die deutsche Adelswelt ge-
wesen ist, läßt sich derzeit kaum abschließend abschätzen. Überhaupt ist die Frage nach
den spätmittelalterlichen deutschen Adelsbibliotheken aufgrund großer Überlieferungs-
Meyer, Ruth: Das ‘St. Katharinentater Schmstembuch’. Untersuchung - Edition - Kommentar, Tübingen 1995, S.
44, 66-72.
41 Busse, Erich: Augustin von Hammersteten. Ein Beitrag %ur Geschichte der deutschen Eiteratur im Ausgange des Mit-
telatters, Diss. Marburg 1902, S. 15. - Die bislang der Germanistik bekannten Daten zur Biographie
Hammerstettens, zeitweise württembergischer Kanzler, vgl. zuletzt Blank, Walter, in: Literaturtexikon,
hrsg. von Killy, Walter 4 (1989), S. 500£, werde ich an anderer Stelle ergänzen. Der Forschung ist z.B.
der schon 1849 im Archiv für Schweizer Geschichte (Bd. 6, S. 160-162) abgedruckte Brief Hammerstettens an
den kaiserlichen Prokuratur Johannes Ver vom Jahr 1481 entgangen.
42 Vgl. z.B. jüngst Mouline-Frankhänel, Claudine: „Althochdeutsch in der älteren Grammatiktheorie des
Deutschen“, in: Grammatica Ianua Artium. Festschrift für Rolf Bergmann, hrsg. von Glaser, Elvira / Schlaefer,
Michael, Heidelberg 1997, S. 301-325.
43 Vgl. dazu die opulent illustrierte Monographie von Schnapp, Alain: The Discovery of the Fast, New York
1997 (ursprünglich Paris 1993).
44 Vgl. ausführlicher Graf: „Retrospektive Tendenzen“ (wie Anm. 26), S. 406-409.
45 Vgl. etwa Klaus Graf: „Fürstliche Erinnerungskultur. Eine Skizze zum neuen Modell des Gedenkens in
Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert“, in: Les princes et l’histoire du XIVe au XVIIle siede, hrsg. von
Grell Chantel / Paravicini Werner / Voss Jürgen, Bonn 1998, S. 1-11, hier S. 3.
46 Zu den Rahmenbedingungen vgl. Brandis, Tilo: „Die Handschrift zwischen Mittelalter und Neuzeit.
Versuch einer Typologie“, in: Gutenberg-Jahrbuch 1997, S. 27-57 (auch separat).
526
Verluste sehr schwer zu beantworten. Karl-Heinz Spiess hat in einem Aufsatz „Zum
Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“ zu Recht vor übertriebenen Vor-
stellungen gewarnt,47 doch stellt sich die Frage, ob seine Position nicht zu sehr in das an-
dere Extrem verfällt. Bei den drei illustrierten Prachthandschriften in Hamburg und Wol-
fenbüttel, die Elisabeths Sohn Johann III. hat anfertigen lassen,48 ist davon auszugehen,
daß sie als repräsentatives Statussymbol, vielleicht auch als Familien-Andenken an die lite-
rarische Leistung Elisabeths, gegolten haben. Zugleich findet sich aber auch eine Hand-
schrift von ,Loher und Malier* unter den Büchern der ab 1470 von Junggraf Kuno von
Manderscheid ausgebauten Blankenheimer Bibliothek, die auf ältere „Versepik“ geradezu
spezialisiert war.49 Kunos literarische Sammlungstätigkeit dürfte angeregt worden sein von
dem Literaturliebhaber Wirich von Daun zu Oberstein (gestorben 1501), der gute Kon-
takte zu den Höfen des Pfalzgrafen Friedrich des Siegreichen in Heidelberg und der be-
kannten Literaturmäzenin Erzherzogin Mechthild in Rottenburg besaß.50 Von den fürstli-
chen und hochadeligen Höfen, in denen Literatur und kostbare Handschriften hauptsäch-
lich ein exklusives Standeskennzeichen sein mochten, führten also Verbindungen zu den
ganz wenigen bibliophilen Adeligen, die bereits vor der breiteren Rezeption des Huma-
nismus im Adel hochgebildete Literaturliebhaber und Büchersammler waren. Außer Püte-
rich und dem Manderscheider könnte man Johann Werner von Zimmern nennen, für den
der Schreiber Gabriel Sattler mittelhochdeutsche Texte abschreiben mußte, wobei, wie
Johan A. Asher in einem Aufsatz mit dem hübschen Titel „Der übele Gerhart“ dargelegt
hat, die auffälligen Textentstellungen anscheinend auf eine „gleichgültige und leicht spöt-
tische Einstellung zu den Texten, die er kopierte“51 zurückgehen. Sattler konnte, wenn
Ashers Interpretation zutrifft, die Begeisterung seines Auftraggebers für dieses alte Zeug
offensichtlich nicht nachvollziehen.
In solchen Kreisen nahm man nicht nur keinen Anstoß an der historischen Distanz zur
Welt der alten Texte — man liebte sie gerade wegen ihrer Altertümlichkeit und Dunkelheit,
47 Spiess, Karl-Heinz: „Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel“, in: Kultureller Austausch
und Literaturgeschichte im Mittelalter, hrsg. von Kasten, Ingrid / Paravicini, Werner / Pérenec, René, Sigma-
ringen 1998, S. 85-101.
48 Zu den Hamburger Handschriften vgl. die Farbmikrofiche-Editionen von Huge Scheppel /Königin Si-
bille, München 1993 mit Einführung von Jan-Dirk Müller und Loher und Maller, ebd. 1995 mit Einfüh-
rung von Ute von Bloh. Vgl. auch Müller, Jan-Dirk: „Späte Chanson de geste-Rezeption und Landesge-
schichte. Zu den Übersetzungen der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Wolfram Studien 11 (1989),
S. 206-226.
49 Vgl. Beckers, Hartmut: „Literarische Interessenbildung bei einem rheinischen Grafengeschlecht um
1470/80: Die Blankenheimer Schloßbibliothek“, in: literarische Interessenbildung, S. 5-20.
5(1 Vgl. ebd., S. 16; Backes, Martina: „Das literarische Leben am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg im 15.
Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gönnerforschung des Spätmittelalters“, Tübingen 1992, S. 166f. Zu seiner
Biographie vgl. zuletzt Flick, Thorsten: „Wirich IV. von Daun-Oberstein“, in: Heimat und Museum. Fest-
schrift für Alfred Peth, Idar-Oberstein 1996, S. 155-180.
51 Asher, John A.: „Der übele Gêrhart. Einige Bemerkungen zu den von Gabriel Sattler geschriebenen
Handschriften“, in: Festschrift für Hans Eggers, hrsg. von Backes, Herbert, Tübingen 1972, S. 416-427, hier
S. 421.
527
über die man sich genußvoll den Kopf zerbrechen konnte. Im repräsentativ ausgestatteten
Straßburger Parzival-Druck von 1477 wurde der mittelhochdeutsche Text nicht moderni-
siert. Er bewahre, meint Thomas Cramer, „die Würde des Alters auch auf Kosten der
Verständlichkeit [...]. Mehr noch: die Altertümlichkeit der Sprache unterstreicht den Cha-
rakter als Kultbuch, und die schwere Zugänglichkeit erhöht die quasi-mythologische Au-
ra, die dem Auserwählten Vorbehalten ist“.52 Die alten Epen waren etwas für Kenner ge-
worden. Aber von der leüt wegen die sbllicher gereymter buchen nicht genad haben, auch etlich die die
kunst der rejmen nit aigentlich versteen kündent hab jch V'ngenannt dise Hystorj in die form gebracht, so
begründet der Prosauflöser des Tristanromans, erschienen 1484 in Augsburg, sein Werk.53
Die neuere Forschung neigt, wie ich meine, etwas zu sehr dazu, die Instrumentalisierung
von Literatur und historischen Traditionen zu machtpolitischen Zwecken durch die Fürs-
ten und den Adel im 15. und 16. Jahrhundert hervorzuheben. Es bekommt Literatur sel-
ten gut, wenn sie an der kurzen Leine der Legitimation gehalten wird. Kaiser Maximilian
I., der beispielsweise mit seinem ,Ambraser Heldenbuch‘ eine erlesene Sammlung alter
volkssprachlicher Texte54 zusammenstellen ließ, mutierte auf diese Weise in der jüngsten
Forschung vom rückwärtsgewandten Sonderling auf dem Thron zum kraftvollen Moder-
nisieren55
Gewiß war das Altertümersammeln in fürstlichen Kreisen im 16. Jahrhundert eine Art
„Mode“, doch darf man deshalb die Ernsthaftigkeit des Bemühens einfach in Frage stel-
len? Für das 15. Jahrhundert erscheint es mir sinnvoll, unvoreingenommen und ohne plat-
ten Verweis auf die vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten des sogenannten Territorialisie-
rungsprozesses auf die verstreuten Zeugnisse der zunehmenden Faszination und des Er-
griffenseins von alten Gegenständen, Büchern und Texten zu achten.
Auf dem Feld der ritterlichen Kultur ist das Wappenbuch des Konstanzer Patriziers Kon-
rad Grünenberg aus den 1480er jahren ein besonders lehrreiches Beispiel. Es ist ein noch
kaum gewürdigtes Dokument ritterlicher Erinnerungskultur, das, wie ich meine, sehr wohl
mit den Bestrebungen Fuetrers und Püterichs am Münchner Hof verglichen werden kann.
Die 1483 datierte Vorrede weist dem Terminus gedechtnus eine Schlüsselrolle zu. Um die
Verdienste des Adels, die sich vor allem in seinen kirchlichen Stiftungen ausdrücken, im
lichten Schein der gedechtnus zu behalten, so Grünenberg, habe er aus alten Turnierblättern,
52 Cramer, Thomas: Geschichte der deutschen Literatur im späten Mittelalter, München 1990, S. 90. Von der „Fas-
zination des Dunklen, Strengen und Esoterischen“ spricht Glier, Ingeborg: Art es amandi. Untersuchungen
yu Geschichte, Überlieferung und Typologie der deutschen Minnereden, München 1971, S. 262.
53 Tristan und Isolde (Augsburg bei Antonius Sorg, 1484). Mit einem Nachwort von Helga Elsner, Hildes-
heim/Zürich/New York 1989, letzte Seite des Faksimiles. Vgl. auch Liepe, Elisabeth (wie Anm. 35), S.
55f.
54 Vgl. z.B. Glier, Artes (wie Anm. 52), S. 391.
55 Auch die bemühten Versuche, Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, ihren Gatten und ihren Sohn als be-
sonders „modern“ zu erweisen haben nur wenig zum wirklichen Verständnis ihrer Zeit beigetragen, vgl.
etwa Burchert, Bernhard, Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaeryählungen Elisabeths von Nas-
sau-Saarbrücken, Frankfurt a. M./Bern/New York 1987.
528
Büchern und Kirchengemälden die Wappen des lebenden wie des ausgestorbenen Adels
aufgezeichnet. Grünenbergs Wappenbuch kann als historisch-antiquarisches Werk über
adelige Stiftungen aufgefaßt werden, das die tugendreichen adeligen Werke vor dem Ver-
gessen bewahren möchte. Es geht ihm also - unter Beschränkung auf das für das adelige
Selbstverständnis freilich zentrale Wappenwesen - um ritterliche Altertümer. Besonders
bemerkenswert sind seine Kopien von zehn Minnesängerwappen aus der wohl in Kon-
stanz etwa zur selben Zeit wie die Manesse-Handschrift entstandenen Weingartener Lie-
derhandschrift, die er einem alten Buch entommen haben will, dessen Alter er auf 400
Jahre schätzt56. Daneben war Grünenberg — darin Püterich vergleichbar — aber auch an
noch vorhandenen gegenständlichen Lebenszeugnissen der Dichter interessiert: etwa an
Neidharts Grab in Wien.57
Es fällt nicht schwer, die Verbindungslinien von Grünenbergs Wappenbuch zum Tur-
nierwesen seiner Zeit auszuziehen. 1479 war es ja zur Wiederbelebung des Turnierwesens
in Gestalt der bis 1487 abgehaltenen ritterschaftüchen Turniere der vier Lande gekom-
men.58 Etwa zur gleichen Zeit entstand eine historiographische Fiktion, eine Chronik über
die angebliche Entstehung des Turnierwesens im 10. Jahrhundert. Sie ist erstmals 1494 in
der Handschrift eines Persevanten (Unterherolds) Jörg Rügen greifbar.59 Der hier beob-
achtbare Konnex zwischen ritterlichem Ritual und historischer Traditionsbildung verweist
auf die zunehmende Bedeutung historischer Argumente und historischer Forschungen für
die Adelswelt des 15. Jahrhunderts.60
56 Text der Vorrede: Des Conrad Grünenberg Kitters und Burgers %u Costem£ Wappenbuch, hrsg. von Stillfried-
Alcantära, Rudolf / Hildebrandt, Adolf Matthias: Görlitz 1875, S. III-IV. Vgl. Stelzer, Winfried, Grü-
nenberg, Konrad, in: Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 3 (1981), Sp. 288-290, hier Sp. 289; Irtenkauf, Wolf-
gang, „Die Handschrift HB XIII 1 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart”, in: Die Weingart-
ner Uederhandschrift. Textband, Stuttgart 1969, S. 7-28, hier S. 8-10; Graf, Klaus, „Feindbild und Vorbild.
Bemerkungen zur städtischen Wahrnehmung des Adels”, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 141
(1993), S.121-154, hier S. 152.
57 Über die Gräber der alten Meister, die frühesten Belege für die Grabstätten der mittelhochdeutschen
Dichter, hat Hannes Kästner (Freiburg) im Rahmen des Kolloquiums des Freiburger Mittelalterzentrums
„Europäische Renaissancen” am 31.1.1998 gesprochen. Druck: „Die Gräber der alten Meister. Über die
Entstehung der ersten literarischen Gedenkstätten in Deutschland,“ in: „Ze hove und an der strafen. “ Die
deutsche Literatur des Mittelalters und ihr „Sif im Leben“. Festschrift für \,rolker Schupp, Keck, Anna, Nolte,
Theodor, (Hgg.), Stuttgart / Leipzig 1999, S. 237-253.
58 Vgl. Ranft Andreas: „Die Turniere der vier Lande: Genossenschaftlicher Hof und Selbstbehauptung des
niederen Adels“, in: Zeitschriftfür die Geschichte des Oberrheins 142 (1994), S. 83-102.
59 Ausgabe von Heide Stamm, Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb (cgm 961). Edition und Untersu-
chung. Mit einem Anhang: Die Turnierchronik des Jörg Rügen (Textabdruck) (Stuttgarter Arbeiten zur
Germanistik 166), Stuttgart 1986, S. 235-292. Zu Rügen vgl. Klaus Graf: „Geschichtsschreibung und
Landesdiskurs im Umkreis Graf Eberhards im Bart von Württemberg (1459-1496)”, in: Blätter für deutsche
Fandesgeschichte 129 (1993), S. 165-193, hier S. 185.
60 Einen Hinweis verdienen an dieser Stelle die das Konzept „Ritterromantik“ ablehnenden Interpretatio-
nen Horst Wenzels zu den „restaurativen Tendenzen“ (S. 293) im Adel, die er am Beispiel der Schriften
Georgs von Ehingen, Ludwigs von Eyb (Wilwolt von Schaumburg) und Maximilians durchführt: Wen-
zel, Horst: Höf sehe Geschichte. Literarische Tradition und Gegenwartsdeutung in den volkssprachigen Chroniken des
529
Johannes Nuhn, Geschichtsschreiber der Landgrafen von Hessen, verwendete im frühen
16. Jahrhundert Elisabeths ,Huge ScheppeP als Quelle für die Geschichte der Karolinger-
dynastie, an die er die Landgrafen von Hessen ansippen wollte61. Das Thema des genealo-
gischen und nationalen „Herkommens“62 aber wird bereits mit Elisabeths Übertragungen
selbst angeschlagen, wie Wolfgang Haubrichs dargelegt hat. Übersetzt wird, so Haubrichs,
„ein Zyklus, der das französische Königshaus der Kapetinger aus dem Geschlechte Karls
des Großen ableitete und legitimierte“.63 Auch wenn ich ihm nicht folgen möchte, wenn
er den Epenzyklus als „Akt der Ansippung an den französischen Spitzenahn“64 vergleich-
bar mit der Herleitung des Hauses Lusignan von der Fee Melusine auffassen möchte, so
erscheint mir neben der nicht zu gering zu veranschlagenden stofflichen Faszination der
Vorlagen der Charakter der chanson de geste als geglaubte nationale Geschichtsüberliefe-
rung Frankreichs entscheidend. Durch den Bezug auf Karl den Großen war das in den
von Elisabeth übersetzten Werken enthaltene dynastische und nationale Herkommen mit
dem genealogischen Herkommen der zahlreichen sich ebenfalls von Karl dem Großen
ableitenden deutschen Fürsten— und Hochadelsfamilien gleichsam kompatibel. Zugleich
stellte Karl der Große die Brücke dar zur deutschsprachigen volkssprachigen Epik und Li-
teratur, und er vermochte als identitätsstiftende Gründerfigur65 die nationalen Herkom-
men Deutschlands und Frankreichs zusammenzuführen.
hohen und späten Mittelalters, Bern/Frankfurt a. M./Las Vegas 1980, S. 254-345. Aufgegriffen hat diese
Perspektive seine Schülerin Stamm (wie vorige Anmerkung). Wie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts eine historiographische Fiktion aus dem Kreis des nichtfürstlichen Adels Schwabens, die als Tho-
mas Lirers „Schwäbische Chronik“ bekannte Prosahistorie, mit der traditionellen Idealität des Rittertums
umgeht, habe ich gezeigt in: Graf, Klaus: Exemplarische Geschichten. Thomas IJrers „Schwäbische Chronik “ und
die „Gmünder Kaiserchronik “, München 1987.
61 Senckenberg, Heinrich Christian: Selecta iuris et historiarum [...] tomus III, Frankfurt am Main 1735, S. 318
(‘Chronica und altes Herkommen’); ebd. tomus 11/, 1739, S. 414 (‘Hessische Chronik’); vgl. Johanek, Pe-
ter, Nuhn, Johannes in: Verpasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 6 (1987), Sp. 1240-1247, hier Sp. 1244; Müller,
„Späte chanson de geste-Rezeption“ (wie Anm. 48), S. 208f.
62 Zur Eignung des Begriffspaars „Herkommen“ und „Exemplum“, die Eigenarten spätmittelalterlicher
Territorialchronistik zu erfassen, vgl. Johanek, Peter: „Geschichtsschreibung und Geschichtsüberliefe-
rung in Augsburg am Ausgang des Mittelalters“, in: literarisches Leben, S. 160-182, hier S. 173: „Chroni-
ken dieser Art legen die genealogische Linie der jeweiligen fürstlichen Dynastie dar und legitimieren da-
durch ihre Herrschaft. Diese Legitimierung wird verstärkt durch die Klarlegung des Ursprungs des Ge-
schlechts, eben des ‘Herkommens’ und durch die Einbettung in die Universalgeschichte. Die Verzeich-
nung der Gesta, der Taten der Fürsten, bietet Exempel als Vorbild oder zur Abschreckung“. Näheres
zum Begriffspaar und zum Herkommenbegriff bei Graf, Klaus: „Genealogisches Herkommen bei Kon-
rad von Würzburg und im ‘Friedrich von Schwaben’“, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 5
(1988/1989), S. 285-295; Derselbe: „Heroisches Herkommen. Überlegungen zum Begriff der „histori-
schen Überlieferung“ am Beispiel heroischer Traditionen“, in: Das Bild der Welt in der Volkserfihlung, hrsg.
von Petzoldt, Leander / Schneider, Ingo / Streng, Petra, Frankfurt a.M. usw. 1993, S. 45-64; Derselbe:
„Geschichtsschreibung und Landesdiskurs“ (wie Anm. 59), S. 166.
63 Haubrichs: „Kraft“ (wie Anm. 1), S. 14.
64 Ebd., S. 17.
65 Vgl. nur: Karl der Große als vielberufener Vofahr. Sein Bild in der Kunst der Dürsten, Kirchen und Städte, hrsg. von
Saurma-Jeltsch, Lieselotte E., Sigmaringen 1994.
530
Die Indienststellung der epischen Überlieferung für die nationale Traditionsbildung läßt
sich in Burgund gut beobachten.66 Bekanntestes Beispiel ist der 1447 für Herzog Philipp
den Guten fertiggestellte ,Girart de Roussillon', das sogenannte burgundische National-
epos, erhalten in einer Handschrift, die als eines der Meisterwerke flämischer Buchmalerei
gilt.67 Ein vergleichbares Beispiel historischer Rückbesinnung am burgundischen Hof ist
die nach 1455 entstandene Prachthandschrift der „Chroniques de Jérusalem“,68 eine Ge-
schichte der Kreuzzüge, die mit den Kreuzzugsplänen des Burgunderherzogs69 in Verbin-
dung steht.
Damit aber sind wir zu dem anfänglichen Hinweis auf die Bildteppiche mit Perceval-
Motiven, die als Beleg für die französische und burgundische Ritterrenaissance angeführt
wurden,70 zurückgekehrt. Löst man sich von dem Begriff, der, wie ich zu zeigen versucht
habe, in seiner weiten Fassung in die Irre führt, so bleibt als wichtige Einsicht die Beob-
achtung, daß historisch-literarische Traditionsbildung, die Suche nach dem Herkommen, im
Laufe des 15. Jahrhunderts im Rahmen der ritterlich-höfischen Kultur immer mehr an
Bedeutung gewann. Elisabeth steht, wenn man ihre Texte als „Herkommen“ verstehen
will, allerdings eher am Anfang dieser Entwicklung.
Verstärkt hat sich aber auch die Wechselwirkung zwischen der Literatur und der politisch-
kulturellen Praxis. Allerdings war man in Deutschland im 15. Jahrhundert doch recht weit
entfernt von einer solchen Durchdringung der aristokratischen Kultur mit fikdonaler Lite-
ratur, wie sie in Frankreich und Burgund üblich war.71 Um nur ein Beispiel zu nennen: In
der Festkultur der deutschen Höfe sind historisierende Elemente, etwa das Auftreten lite-
rarischer Gestalten oder historisch kostümierter Teilnehmer, vor der Zeit Maximilians,
wenn ich recht sehe, nicht anzutreffen.
66 Vgl. Lacaze, Yvon: „Le rôle des traditions dans la genèse d’un sentiment national au XVe siècle. La
Bourgogne de Philippe Le Bon“, in: bibliothèque de l’École des chartes 129 (1971), S. 303-385.
(r Thoss, Dagmar: Das Epos des Burgunderreiches Girart de Bous sillon, Granz 1989. Vgl. auch Scholz-Williams,
Gerhild: „Girart de Roussillion: Epos und Historie im Dienste Burgunds“, in: ULä 18 (1988), H. 70, S.
54-69.
68 Vgl. Thoss, Dagmar: Flämische Buchmalerei. HandschriftenschäQe aus dem Burgunderreich, Graz 1987, S. 34-37
Nr. 4.
69 Vgl. Müller, Heribert: Kreu^pugspläne und Kreu^pugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttin-
gen 1993.
7(1 Die neuere kunsthistorische Forschung zur burgundischen Kunst hat sich von dem Konzept „Ritterro-
mantik“ jedoch entschieden distanziert, vgl. Franke, Birgit: „Ritter und Heroen der ,burgundischen Anti-
ke1. Franko-flämische Tapisserie des 15. Jahrhunderts“, in: Stadel-]ahrbuch NF 16 (1997), S. 113-146, hier
S. 113. Abgelehnt wird das Konzept „Romantik“ bzw. „Nostalgie“ als Erklärung der geistigen Kultur
Burgunds ebenfalls von Vanderjagt, Johan, Arie: Qui sa vertu anoblist. The Concepts of noblesse and chosepubhc-
que in Burgundian Political Thought, Diss. Groningen 1981, S. 25 und öfter.
71 Vgl. Keen, Maurice: Das Rittertum, Reinbek 1991, S. 311, 329f. Zur burgundischen Festkultur vgl. Franke,
Birgit, „Feste, Turniere und städtische Einzüge“, in: Kunst der burgundischen Niederlande. Fine Einführung,
hrsg. von Franke, Birgit / Welzel, Barbara, Berlin 1997, S. 65-84.
531
Es ist hoffentlich deutlich geworden, daß Kontinuität und Renaissance des Rittertums im
15. Jahrhunderts, survival und revival, in ihrer Verschränkung gesehen werden müssen.
Weder war die damalige ritterlich-höfische Welt eine wirklichkeitsfremde, nostalgische
Veranstaltung noch darf darauf verzichtet werden, absichtsvolle Rückgriffe in die eigene
Vergangenheit - ob man sie nun Ritterrenaissance, retrospektive Tendenzen oder histo-
risch-literarische Traditionsbildung nennt — als wichtigen Bestandteil der aristokratischen
Kultur jener Zeit hervorzuheben. Diese Rückgriffe erfolgten bestimmt nicht interesselos,
doch wird man dem Eigengewicht der Tradition und dem Fasziniertsein von den alten
Texten nicht gerecht, wenn man sie allein unter der verkürzenden Perspektive adeliger
Legitimadonsbedürfnisse abhandelt.
532
Die ‘Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’. Eine poetische Übersetzung
Elisabeths aus dem Französischen?
Wolfgang Haubrichs
Die Tochter der Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau und zu Saarbrücken, geb.
1426, die nach ihrer Großmutter Margarethe genannt wurde, und 1441 Gerhard, Herrn zu
Rodemachern (Rodemack) in Lothringen, zu Cronenburg und Neuenburg heiratete, war —
wie ihre Mutter — eine, wenn auch rezeptive, so doch wohl wirksame Gestalt der spätmit-
telalterlichen Literatur- und Kulturgeschichte, die bisher freilich allzu wenig Aufmerksam-
keit gefunden hat. Nur Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg hat ihr 1941 einen be-
deutsamen Aufsatz unter dem Titel „Eine deutsche Bücherfreundin in Lothringen“ ge-
widmet, der freilich ohne rechte Nachfolge in eigentlich erforderlichen Detailuntersu-
chungen geblieben ist1. Schenk zu Schweinsberg hat nachgewiesen, daß die 1490 verstor-
bene und in der Karmeliterkirche zu Mainz beigesetzte Margarethe von Rodemachern ü-
ber eine recht ansehnliche Bibliothek verfügte, die einen guten Einblick in die Kultur ei-
nes kleinen Adelshauses des 15. Jahrhunderts zu geben vermag. Ihre Büchersammlung
umfaßte — teilweise aus dem Erbe ihrer Mutter Elisabeth — u.a.
1) Ein Andachtsbuch (Gotha Chart. B. 237 I) mit Texten und Predigten aus dem Kreis
der deutschen Mystik2;
2) einen mit persönlichen Notizen weitergeführten Sammelband von 1429 mit Exem-
peln, Gebeten, einer Tierfabel, einer Spruchsammlung und der Erbauungsschrift
des sog. ‘Spiegelbuchs’3 (Gotha Chart. B 237 II)4;
3) das Gebetbuch ihrer 1456 verstorbenen Mutter (= Hamburg SB theol. 2061)5;
1 Schenk zu Schweinsberg, Eberhard Freiherr: „Margarete von Rodemachern, eine deutsche Bücherfreun-
din in Lothringen“, in: Hermann Blumenthal (Hg.): Aus der Geschichte der Tandesbibliothek %u Weimar und ih-
rer Sammlungen. Festschrift %ur Feier ihres 250jährigen Bestehens ..., Jena 1941 (— Zeitschrift des Vereins für
thüringische Geschichte und Altertumskunde, N.F., Beiheft 23), S. 117-152.
2 Beschreibung bei Schenk zu Schweinsberg (wie Anm, 1), S. 117. 121 f. Dieses Andachtsbuch, das nach
seiner Ansicht für Elisabeth im Jahre 1429 zusammengestellt wurde, enthält ca. 46 Stücke.
3 Bolte, Johannes, „Das Spiegelbuch“, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften^hi 1.-
hist. Kl. 1932, S. 130-171, 729-732 hier S. 132; Clark, J.M.: „The ‘Spiegelbuch’“, in Modem Language Review
28 (1933), S. 87-92, 488-489. Vgl. Palmer, Nigel F.: „Spiegelbuch“, in: Vß.\ Bd. IX (1993), Sp. 134-138.
Die Gothaer Handschrift gehört zu einer rheinfränkischen Gruppe (Trier Stadtbibi. 852/1311 Mitte 15.
Jh., Darmstadt LB 345), die nach Clark sprachlich eng mit PTM (b) verwandt ist, was nähere Untersu-
chung verdiente. Die Darmstädter und die Trierer Handschrift Ti sind ediert (S. 185ff.) bei Rieger, M.:
„Das Spiegelbuch“, in: Germania 16 (1871), S. 167-211. Vgl. auch Bushey, Betty C.: Die deutschen und die
niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier bis 1600, Wiesbaden 1996, S. 137f. (zu Trier 852/1311),
S. 85 (zu Trier 817/24, verschollen).
4 Beschreibung bei Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 119. 122-127. Die persönlichen Notizen be-
zeugen, wie das Weimarer Gebetbuch (Anm. 6) auch die nekrologische ,Memoria‘ einer Adelsfamilie.
5 Urtel, Hermann: Der Huge Scheppel\ Hamburg 1905, S. 5; Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 120.
Vgl. Münzel, Robert: Philologica Hamburgensia. Für die Mitglieder der 48. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner, ausgestellt von der Stadtbibliothek zu Hamburg, Hamburg 1905, S. 20, Nr. 92; Krüger, Nilüfer: Die
533
4) das für sie persönlich gefertigte Weimarer Gebetbuch (Weimar Q 59) mit vorge-
bundener Bilderkassette (um 1460), das auch die Witwenregel ihrer Mutter und die
Memoria der Häuser Nassau, Rodemachern und verwandter Geschlechter enthält
(übrigens weitergeführt bis zum Tode der Tochter Margarethe, Gräfin zu Wittgen-
stein und Berleburg, im Jahre 1509)* 6.
In einem Bücherausleihverzeichnis des Gothaer Bandes, das Margarethe selbst schrieb,
tauchen weitere 20 Bücher auf, von denen sich einige dem Inhalt nach identifizieren las-
sen (und übrigens — wie bereits Schenk zu Schweinsberg feststellte — Parallelen zu gewis-
sen über Uffenbach wie die Elisabeth-Handschriften nach Hamburg gekommenen Codi-
ces aufweisen)7:
5) ein Geschlechter- oder Wappenbuch8;
6) der weiter mit den reymen, auf den ich später ausführlicher zurückkommen werde;
7) das ‘Buch der Tafeln von dem christlichen Glauben und Leben’ des Dietrich von
Delft (c. 1403/17) für Herzog Albrecht von Bayern-Holland und dessen Sohn Jo-
hann, hier mit dem Incipit der Vorrede (fol. lv): Das Buch das heisset dy daffel von dem
theologischen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Bd. 4: Nachträge, Stuttgart 1998, S.
143. Die Handschrift enthält auf Fol. 4r das Wappen Margarethes von Rodemachern und auf Fol lr eine
etwas spätere Notiz über den Besitz ihrer Mutter an diesem Buch: Der hochgebom Fürsstin / Erarnn Frawen
Isabfel?] gaebome hergpgin von / luttringen (?) Framn / yu Nassau vnd Sarbrucken / ist diß buchlein gewest / [...]
6 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 136ff. Vgl. in diesem Band den Beitrag von Hans-Walter Stork.
Eine Faksimile-Teiledition der vorgebundenen, wohl „auf einen besonderen Wunsch der Bestellerin“ ge-
fertigten Bilderkassette findet sich in: Kratzsch, K. (Hg.): Das Gebetbuch der Margarethe von Kodemachem. Ei-
ne Bildfolge aus der Pergamenthandschnft O 59 in der Zentralbibliothek der deutschen Klassik yu Weimar, Berlin, 2.
Aufl. 1978. Dazu vgl. Klein, Adolf: „Das Wendelinusbild der Margarethe von Rodemachern“, in: Hei-
matbuch des Eandkreises St. Wendel 15 (1973/74), S. 18-21; Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von frankrichs
wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothrin-
gen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht 43, H. 4 (1991), S. 15ff.; ferner Hans-Walter Stork,
in diesem Band, S. 592-602f.
Das Ausleihverzeichms findet sich am Ende von Gotha I (Anm. 2) auf dem leergebliebenen Blatt 118.
Vgl. Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 127ff., der auf das Jahr 1466 datiert. Es umfaßt nach ihm:
(1) Item han ich myne(m) broder ein boche gefeint) . (2) Item han ich fied ein boche geleint gelurnn (?) . (3) Item so han
ich boche vo(n) den gesiechte erph(ilipp?) myme capellan von bolchen geleint. (4) Item so han ich derfrawe vo(n) berpperch
den mller mit den reymen geleint. (5) Item so han ich der fraive von perperg ein boche gelent der anfang von dem bock der
tafelen der cristenheit un hebt an der gotheit. (6) Ite(m) so han ich myne(n) broderjohan d(ay) boche gelenten d(a)y von
den vier und yu-incyig alden sprechtet das jare EX17 . (7) Ite(m) so ha(n) ich winrich von puttlinge d(a)s hoch gelenten
vo(n) den IIII un ywencyig alden . (8) Ite(m) so han ich sant katrine leben vo(n) sineß yu sant angnet gelasse(n) un d(a)y
sie es de(n) gram(n) susteren hinder den prediger lennen solden vo(n) myne(n) wegen . (9) lte(m) so han ich mynerfrawe von
berpperch sustre gelenten der heiligen junffer leben sant angnete . (10) Item so han ich den süstteren in de(m) großen koffent
yu mentye 11 bocherlein nyder lenthe schrift geben.
8 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 129. Das Verzeichnis bezeichnet es als boche vo(n) den gesiechte.
Ob es mit dem Uffenbach‘schen Wappenbuch in Hamburg, entstanden am Oberrhein um 1400, iden-
tisch sein könnte? Auch andere Handschriften aus dem Besitz des Hauses Saarbrücken kamen über den
Büchersammler Zacharias Conrad von Uffenbach (1683-1734) nach Hamburg. Vgl. Brandis, Tilo: Die
Codices in scrinio der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Hamburg 1972, S. 42f.; Paravicini, Werner
(Hg.): Das Uffenbachsche Wappenbuch. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 90b in scrinio. Farbmik-
rofiche-Edition, München 1990.
534
Cristen glauben und leben ... und ist gedichtet... von einem prediger genant broder dederich von
delff (= Berleburg, RT 2/2, vormals Litr. A. 170, um 1460)9;
8) das ‘Buch von den 24 Alten’ des in Basel wirkenden Franziskaners Otto von Passau
(um 1383), im Elsaß früh verbreitet, einer christlichen Lebenslehre auf der Grund-
lage von Sentenzen weltlicher und kirchlicher Autoritäten (= Hamburg in scrinio 9
?)10;
9) eine Vita der hl. Katharina von Siena11;
10) ein Leben der hl. Agnes12;
9 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 132f. Auf Bl. 258v findet sich das Wappen der Margarethe von
Rodemachern. Der Berleburger Band enthält auch die ,Practica4 des Aristoteles, den ,Sachsenspiegel4 und
einige Kapitel über das Lehnsrecht. "Eine wiederholt eingestempelte Schildpunze mit 3 Kleeblatt-
Kreuzen erinnert so stark an den Schildbelag des Saarbrückener Wappens, daß ich ihn als Zeichen eines
dortigen Buchbinders nehme". Vgl. ferner Hans-Walter Stork in diesem Band, S. 602f. Auch Wirich VI.
von Daun-Oberstein, der in engen Beziehungen zum literarischen Kreis um die Pfalzgräfin Mechthild
von Rottenburg stand, von Püterich von Reichartshausen 1462 in seinem ,Ehrenbrief erwähnt wird und
als Vermitder mittelniederländischer und altfranzösischer Literatur an den Heidelberger Hof gelten darf,
besaß auch ein um 1475 geschriebenes ,Boich vain dem kristen gelaufe ind leven4, eine westmoselfränki-
sche Bearbeitung des Werks des Dietrich von Delft (Cod. Darmstadt 2667). Vgl. Beckers, Hartmut:
„<Der püecher haubet, die von der Tafelrunde wunder sagen>. Wirich vom Stein und die Verbreitung
des Prosa-Lancelot im 15. Jh.44, in: Wolfram-Studien 9 (1986), S. 17-45.
10 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 134. Vgl. Schmidt, Wieland: Die vierundepvansfg Alten Ottos von
Passau (= Palaestra 212), 1938, Neudruck 1967, S. 72ff, 194ff; Schnyder, André: „Otto von Passau44, in:
Die deutsche Uteratur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. VII (1987), Sp. 229-234; Ott, Norbert H.: Katalog
der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, Bd. 1, München 1991, S. 126ff., 164ff., 209f.
Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 9 in scrinio enthält den Text. Vgl. Münzel (wie Anm.
5), S. 22 Nr. 97. Die Hs. stammt zwar wie die Elisabeth-Hss. aus dem Besitz Uffenbachs, jedoch erhielt
sie dieser aus dem Besitz seines Kölner Freundes J.G. Meuschen. Im Elsaß zwischen 1410 und 1420 ge-
schrieben, muß sie freilich um 1443/45 in südrheinfränkischem Gebiet gewesen sein, wo sie zur Vorla-
ge von Cod. Trier Stadtbibi. 1119/1330 aus Kloster Eberhardsklausen wurde. Vgl. Hoffmann, Walter:
„Einige Anmerkungen zur wiederaufgefundenen Otto von Passau-Handschrift aus Trier“, in: Klaus J.
Mattheier u.a. (Hgg.): Vielfalt des Deutschen. Festschrift für Werner Besch, Frankfurt a.M. 1993, S. 225-240; Bu-
shey (wie Anm. 3), S. 168f.; Hans-Walter Stork, in diesem Band, S. 601.
11 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 134. Vgl. zu den deutschen Übersetzungen der Vita der Katha-
rina von Siena, vornehmlich im Dominikanerinnenmilieu verbreitet, Williams-Krapp, Werner: „Raimund
von Capua“, in: Die deutsche Uteratur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. VII (1989), Sp. 982-986. Dort
findet sich auch der Hinweis auf eine frühe moselfrk. Übersetzung (vor 1415), die in Trier (Bibi, des
Priesterseminars, cod. 95) aufbewahrt ist. Die Handschrift der Margarethe war dem Augustinerinnen-
kloster St. Agnes zu Trier überlassen worden, wo eine Tochter Margarethes lebte. Von dort sollte es de(n)
gram(n) susteren hinder den prediger („den [nach der 3. Regel des hl. Franziskus lebenden] grauen Schwestern
hinter den Dominikanern“) weitergegeben werden. Vgl. zu beiden Konventen Lager, j. Ch.: Die Kirchen
und klösterlichen Genossenschaften Triers vor der Säkularisation, Trier [1920], S. 125ff; 155f. Ein Zentrum der
Verehrung der Katharina von Siena war offensichtlich auch Metz und sein Stadtadel. Vgl. die Zusam-
menstellung der Zeugnisse bei Haubrichs, Wolfgang: „Das Bibliotheksverzeichnis eines Metzer Patriziers
aus dem 16. Jh. als Zeugnis doppelter Kulturkompetenz44, in: Roland Marti (Hg.): Gren^kultur-Mischkultur,
Saarbrücken 2000, S. 49-92, hier S. 74 Anm. 96.
12 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 134. In Frage kommen die antike Märtyrerin Agnes (21. Janu-
ar), Agnes von Assisi (f 1253), die jüngere Schwester der hl. Clara, und die Franziskanerin Agnes von
Böhmen (f 1281), Tochter König Ottokars I. Vgl. Werner Williams-Krapp und Kurt Ruh in: Vfl2. (wie
535
11) ein Arzneibuch* 13.
Auf Grund von Schriftverwandtschaft und Einbandtechnik erwägt Schenk zu Schweins-
berg noch die Zugehörigkeit weiterer Bände der Bibliothek des Hauses Sayn-Wittgenstein,
in das Margarethes gleichnamige Tochter heiratete14, so
12) einer deutschen Fassung des ,Speculum humanae salvationis£ (Berleburg A 167)15
und
13) eines Passionale (ebd. angebunden)16.
Die Heidelberger Handschrift des ‘Loher und Maller’ (Heidelberg UB 1012)17 gibt durch
ihr wertvolles Kolophon (vgl. Abb. 49 in diesem Band) zu erkennen, daß sie eine von
dem Trierer Dominikaner Johannes von Worms 1463 geschriebene Abschrift
Antn. 10), Bd. I (1978), Sp. 82 - 84. Da jedoch ohne erläuternden Zusatz von der heiligen junffer leben sant
angnete die Rede ist und Margarethes Tochter im Trierer Augustinerinnenkloster, das der Märtyrerin ge-
weiht ist, lebte, spricht vieles dafür, daß die antike Heilige gemeint ist. Unter zahlreichen deutschen Pro-
sa-Agneslegenden ist auch eine mittelfränkische Vita aus dem Trierer Raum (Prag, Neustädter Gymnasi-
albibl. Nr. 645), nach der gemeinsamen Anrufung am Schluß an die heilge junffer und bruit Christi Agneten
und an den heiligen buschojfMaximinus wohl aus St. Maximin; dazu vgl. Strohschneider, Josef: Eine mittel-
fränkische Agnes-Legende, Progr. Prag 1891, S. 16-51; ferner Ders.: Mittelfränkische Prosalegenden II - IV,
Progr. Prag 1892-1893. Schon die Mutter Elisabeths, Margarethe von Vaudemont, hatte 1410 am Hofe
von Vezeüse ein Agnesmirakel, Lejeu de madame Sainte Agnes, aufführen lassen. Vgl. Liepe (wie Anm. 17),
S. 8.
13 Der Eintrag steht „von anderer Hand“ (oder späterer Hand?) auf der vorletzten Seite von Gotha I: Eyn
gedechtnuß daß ich myner dochter im kloster sant Angneten han ein boich geliehen von kußtlichen kreudem und was-
ser(n) gu machen. Anni LXXX. Da es sich um eine memorierende Notiz (gedechtnuß) handelt, besteht der
von Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 128 Anm. 9 angemerkte Widerspruch zu der Tatsache,
daß Margarethes Tochter 1480 bereits verstorben war, nicht.
14 Margarethe, die Tochter (f 1504), hatte Eberhard von Sayn und Wittgenstein (1469-1494) geheiratet. Zur
älteren Genealogie des Hauses Sayn-Wittgenstein vgl. Gensicke, Hellmuth: Landesgeschichte des Westerwal-
des, Wiesbaden 1958 (— Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau XIII), S. 149ff.,
262ff.; Mötsch, Johannes: „Genealogie der Grafen von Sponheim“, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesge-
schichte 13 (1987), S. 96ff.; Möller, Walther: Stamm-Tafeln westdeutscher Adelsgeschlechter im Mittelalter, N.F. 1.
Teil, Darmstadt 1950, S. 4f.; Freytag von Loringhoven, Frank Baron: Europäische Stammtafeln, Bd. IV,
Marburg 1957, Tafel 4 u. 5; Genealogisches Handbuch derfürstlichen Häuser, Fürstliche Häuser, Bd. 7 (= Bd. 33
der Gesamtreihe), Limburg 1964, S. 334ff.
15 Vgl. Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 135, der Berleburg A 167 „nach dem Schriftcharakter und
der Nachbarschaft mit den zwei anderen Bänden aus dem Besitz der Margarete von Rodemachern auf
den gleichen Besitz zurückführt“, zumal „auch der einfache Einband in Schafleder über Buchenbrettern
... dem des Weller [Anm. 24] ebenso wie dem des Gebetbuches der Mutter [Anm. 5]“ ähnele. Er macht
auch auf eine parallele Handschrift der Landesbibliothek Darmstadt Nr. 2278 aufmerksam. Vgl. dazu
Stork, Hans-Walter / Wachinger, Burkhard: „Speculum humanae salvationis“, in: Vfl2 (wie Anm. 10),
Bd. IX (1993), Sp. 52 - 65, hier Sp. 66f.; Broszinski, Hartmut / Heinzle, Joachim: „Kasseler Bruchstück
der anonymen deutschen Versbearbeitung des ,Speculum humanae salvationis4 “, in: Zeitschrift für Deut-
sches Altertum 112 (1983), S. 54 - 64, hier S. 56.
16 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 135, vermutet die gleiche Hand "wie die des Vermerks über
den Vorbesitz der Elisabeth in dem Hamburger Gebetbuch" (Anm. 5).
536
14) eines von Johann von Binsfeld (Eifel ?) 1457 geschriebenen und von Margarethe in
Auftrag gegebenen Exemplars ist, das selbst wiederum Kopie
15) einer noch zu Lebzeiten ihrer Mutter für sie 1449 geschriebenen ‘Loher und Mal-
ler’-Handschrift ist17 18.
Die Bibliothek der Margarethe von Rodemachern umfaßte also gut 28 Bücher, wahr-
scheinlich aber noch einiges mehr. Auch der ,literarische Kreis‘, der sich durch ihr Aus-
leihverzeichnis in nuce um sie auftut, ist interessant: ihr Bruder Johann III. von Saarbrü-
cken19; das Agneskloster der Augustinerinnen zu Trier, in dem ihre Tochter (f 1480) lebte;
der benachbarte Herr Winrich I. (1446) oder II. (1461- vor 1488) zu Püttlingen (Puttelan-
ge) bei Diedenhofen/Thionville, dessen Bruder oder Onkel Johann interessanterweise un-
ter Elisabeth (1428-1430) Rat am Saarbrücker Hof war; die mit Margarethe verwandte
Herrin von Berburg in Nordluxemburg (2x) — wenn, woran nicht zu zweifeln ist, die Iden-
tifizierung von berrperch, perperg richtig ist - und deren Schwester20; ihr Kaplan Philipp von
Bolchen, aus einem Ort, der durch ihre Schwiegermutter Irmgard von Bolchen (f 1433)
17 Hierzu vgl. von Bloh, Ute (Hg.): \j)her und Maller. Überfragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibi., Cod. 11 und 11a in scrinio, Farbmikrofiche-Edition, Mün-
chen 1995, S. 7 - 46, hier S. 11 mit S. 29 Anm. 16. Vgl. ferner Liepe, Wolfgang: Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland, Halle a. S. 1920, S. 158 ff.; demnächst
Bloh, Ute von: Ausgerenkte Ordnung. Vier Prosaepen aus dem Umkreis der Gräfin Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken, München ca. 2001 (= MTU 120) [im Druck],
18 Vgl. von Bloh 1995 (wie Anm. 17), S. 12f.; dazu ferner von Bloh 2001 (wie Anm. 17), Abschnitt 1. Die
Residenz des Geschlechts Rodemachern ist im Kolophon noch mit der alten Namensform Rotenbache
angegeben. Diese Namenform steht auch auf Margarethes Grabstein in der Karmeliterkirche zu Mainz
(falsch gedeutet bei Schenk zu Schweinsberg, wie Anm. 1, S. 152).
19 Vgl. zu ihm Liepe (wie Anm. 17), passim; Deussen, Heinz H.: „Johann II., Graf von Nassau-
Saarbrücken, Herr zu Heinsberg“, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 8 (1958), S. 104-108; Hans-
Walter Herrmann: in diesem Band, S. 120ff.
20 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 129, nennt die Entleiherin nur „Herrin von Berburg aus einem
lothringischen Hause“. Doch sichern die Namenformen a. 1192 kop. ± 1222 frz. Reifere, a. 1192 frz. Ber-
pere, 13. Jh. Berperch die Identität mit Berburg (Lux., Gde. Montenach). Vgl. Förstemann, Ernst: Altdeut-
sches Namenbuch, Bd. II, 3. Aufl., Nachdruck Hildesheim 1983, Sp. 405; Gysseling, Maurits: Toponymisch
Woordenboek van Belgie, Nederland, Luxemburg, Noord-Frankrijk en West-Deutschland voor 1226, Tongern 1960,
S. 122. Eindeutig falsch ist die Identifizierung mit Berleburg bei Bodemann, Ulrike (Hg.): Guillaume de
Deguileville, Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Hamburg, Staats- und
Universitätsbibliothek, Cod. germ. 18, München 1998, S. 11. Man muß auch festhalten, daß unter den Aus-
leihern nur 'Nachbarn' Vorkommen: der Bruder Johann in Saarbrücken, der Kaplan von Bolchen, Win-
rich von Püttlingen/Puttelange, ein gewisser fied (Vitus?), Trierer und Mainzer Konvente. Dazu kommt,
was die Identität sichert, daß Margaretes Mann Gerhard mit den Inhabern der Herrschaft Berburg ver-
wandt war. Diese war durch Winnemars III. von Gymnich und Berburg Erbtochter Irmgard an Johann
von Bolchen (1381-1413), einen Großonkel Gerhards, gefallen. Mit der Herrin von Berburg dürfte die
Gattin seines Sohnes Johann (1426-67/68), Margarethe, Tochter Johanns von Elter zu Stirpenich, ge-
meint sein. In Frage kommen aber auch die Erbtöchter Guda/Bonne (f 1516), seit 1465 mit Claude von
der Neuerburg verheiratet, und Elisabeth (f 1486), seit 1466 verheiratet mit Heinrich Vogt von Hu-
nolstein. Vgl. Möller (wie Anm. 14), S. 45ff. und Tafeln LX u. XXXIII. Für den Hinweis auf diese ge-
nealogische Beziehung danke ich Hans-Walter Herrmann (Saarbrücken). Zu Wirich I. oder (eher) Wirich
II. von Püttlingen vgl. Möller (wie Anm. 14), Bd. I, Darmstadt 1922, S. 152f. mit Tafel LV.
537
an Rodemachern gefallen war; die ‘grauen Schwestern’ hinter dem Dominikanerkloster zu
Trier, von dem wir eben schon hörten21; der große koffent %u mentae , der von ihr ein Wap-
penkissen und elf bocherlein erhielt, den Schenk zu Schweinsberg mit dem Beghinenkloster
zu Mainz identifiziert, für den man aber auch den Konvent der Karmeliter, an den sie sich
nach dem Tode ihres Gemahls (1458) attachierte und wo sie sich begraben ließ22, erwägen
könnte23.
Der jram von berpperch hatte Margarethe 2 Bücher geliehen, darunter das des Dietrich von
Delft, aber auch den weder mit den reymen. Mittelhochdeutsch weller heißt „Pilger, Wallfah-
rer“, mit den reymen bezieht sich sicher auf eine Versfassung. Schon Schenk zu Schweins-
berg identifizierte mit der Berleburger Versübersetzung des Erbauungsbuches eines fran-
zösischen Zisterziensers, der sog. ‘Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’24. Der Anfang der
Berleburger Handschrift des 15. Jahrhunderts (Berleburg RT 2/4, vormals Litr. A Nr.
1292) aus der Bibliothek der Grafen zu Sayn-Wittgenstein ist zwar verloren, doch zeigt
sich in Bildern der illustrierten Handschrift auch die Beischrift der weiter,, die sich leicht als
Reflex des Titels deuten läßt25, zumal die abhängige Darmstädter Prosaauflösung die ana-
loge, gleichbedeutende Überschrift Pyllgerym trägt (Abb.34)26, In der Praefatio (durch
21 Es ist festzuhaken, daß Trierer Schreiber und Dominikaner eine in der Heidelberger Handschrift vorlie-
gende Kurzfassung des 'Loher' z.T. im Aufträge Margarethes abschrieben und verbreiteten.
22 Vgl. Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 127f. 152; Kautzsch, Rudolf: Kunstdenkmäler der Stadt
Main% und des Kreises Main^ Bd. 11,1, Darmstadt 1919, S. 254ff.
23 Margarethe pflegte auch Beziehungen zu Pfarrkirchen in Trier. So erhalten die wohl in Trier zu lokalisie-
renden Kirchen St. Quintin, St. Hilarius (unßpare •gu sant heilre) und St. Christoph, desgleichen ihr Beicht-
vater den unßer liebe froumn brüder (Liebfrauen in Trier?) und die Schwestern in dem großen koffent zu
Mainz Wappenkissen (rodemachere un nassaum un sarbrücke wapen\ vgl. das Wappen Margarethes im Gebet-
buch ihrer Mutter Hamburg SB theol. 2061, Fol. 4r), die - sicherlich auch zu Memorialzwecken - wäh-
rend des Meßamts benutzt werden sollten. Es existierten ferner Beziehungen zu einer St. Michaelsbru-
derschaft im lothringischen Volkringen / Volkrange. Im Bruderschaftsbuch Trier Stadtbibi. 1601/422
aus dem 15. Jh. sind Joncker Gerhart here •gu rodemacheren %u Cronenburch vnd %u der numrburch ... vnd sin huyß-
froum Jonrfroum margarete van naßoum ... verzeichnet. In die Gebetshilfe der Bruderschaft sind auch die
Eltern und die Kinder des Paares eingeschlossen. Sie haben für die Kirche einen Malter Korn gestiftet.
Für freundliche Auskünfte danke ich Reiner Nolden (Stadtarchiv Trier).
24 Bömer, Aloys (Hg.): Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. Aus der Perleburger Handschrift, Berlin 1915 (=
Deutsche Texte des Mittelalters 25). Die französische Vorlage ist ediert bei Stürzinger, J.J. (Hg.): He pèle-
rinage de vie humaine de Guillaume de Déguileville, 3 Bde., London / Roxburghe Club 1893-97.
25 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 129ff.
26 Es handelt sich um Darmstadt, Hessische Landesbibliothek Cod. 201 (illustriert) rheinfränkischer Her-
kunft (um 1460): Abb. 34-39. Eng zusammen hängt mit dieser Fassung eine ebenfalls aus dem Besitz Uf-
fenbachs stammende weitere Handschrift: Hamburg Staats- und Universitätsbibi. Cod. germ. 18 (illust-
riert). Vgl. Bömer (wie Anm. 24), S. XV-XIX; Meijboom, Adrian (Hg.): Die Pilgerfahrt des träumenden
Mönchs, herausgegeben nach der Kölner Handschrift, Bonn/Leipzig 1926 (= Rheinische Beiträge und
Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 10), S. 12*ff.; Schenk zu Schweinsberg (wie
Anm. 1), S. 131; Honemann, Volker: „Pilgerfahrt des träumenden Mönchs“, in: Hfl.2, Bd. VII (1989),
Sp. 683-687, hier Sp. 685; Staub, Kurt Hans / Saenger, Thomas: Deutsche und niederländische Handschriften
mit Ausnahme der Gebetbuchhandschriften, Wiesbaden 1991, Nr. 9, S. 27ff. Eine Ausgabe der Prosafassung
der Pilgerfahrt’ (PTM) wird in Saarbrücken vorbereitet.
538
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Abb. 34: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 201 (Pilgerschaft des
träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. 2r (Beginn)
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Abb. 35: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 20l (Pilgerschaft des
träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. 2v (Fortsetzung mit
Abbildung des träumenden Mönchs, Bildtitel auf Abb. 34 unten).
540
Blattverlust in den anderen Handschriften nur in Darmstadt erhalten) werden auch die
Adressaten der Übersetzung als melier oder mellerynnen angesprochen. Vor einem Abeceda-
rium, das aus Mariengebeten besteht, heißt es: Wie der melier biedet uns lieben framen ...
Auch besitzgeschichtliche Erwägungen führten Schenk zu Schweinsberg zu dieser recht
wahrscheinlichen Identifizierung: Margarethe von Rodemacherns gleichnamige Tochter
hatte Eberhard Graf von Sayn und Wittgenstein geheiratet und nachweislich sind Bücher
und anderes aus dem Besitz der älteren Margarethe im Erbgang in die Sayn-
Wittgensteinsche Bibliothek gelangt27.
Wegen einer von ihm bemerkten Verwandtschaft des Schriftcharakters der Berleburger
Handschrift mit dem wohl auf Elisabeth in der Anlage zurückzuführenden Gothaer An-
dachtsbuch dachte Schenk zu Schweinsberg auch bereits an Herkunft der ‘Pilgerfahrt’ aus
dem Kreise Elisabeths, konkret an eine Identifizierung mit der weit ausgreifenden Kor-
rekturhand in der Berleburger Handschrift. Diese These oder etwa noch weitergehende
Andeutungen und Überlegungen, ob etwa Elisabeth überhaupt die Übersetzerin der 'Pil-
gerfahrt' sein könnte, oder die abhängigen Prosafassungen aus dem Kreise Elisabeths oder
ihres Sohnes Johann stammen könnten, haben bisher keine eingehendere Untersuchung,
weder der Schrift nach, noch hinsichtlich Sprache, Stil und Übersetzungstechnik gefun-
den28.
Die Berleburger ‘Pilgerfahrt’ ist eine poetische Übersetzung der ersten Fassung der ‘Pèle-
rinage de vie humaine’ des Zisterziensers Guillaume de Digulleville29. Der aus dem Coten-
tin stammende Guillaume trat um 1316 in die Abtei Châlis im Dép. Oise ein, wo er alle
seine Werke schrieb, die ‘Pèlerinage de vie humaine’ um 1330/31, deren zweite Redaktion
um 1355; ferner den das französische Königtum verherrlichenden ‘Roman de la Fleur de
lys’ (den ‘Lilienroman’ also) 1338, die Fortsetzungen seiner religiösen Erbauungsbücher
‘Pèlerinage de l’âme’ zwischen 1355 und 1358, die ,Pèlerinage de Jésus-Christ‘ 1358.
27 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 132ff.; Brandis (wie Anm. 8), S. 46ff. mit Überlegungen dazu,
daß wohl die Elisabeth-Handschriften und ihr Gebetbuch (Anm. 5) ebenfalls über die Familie von Ro-
demachern nach Straßburg und weiter gelangten.
28 Die These Schenks zu Schweinsberg hat gewissermaßen eine immer wiederkehrende, das Defizit der
Nachprüfung beklagende Handbuch-Rezeption erfahren: Steinhoff, Hans-Hugo: „Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken“, in: Hfl.2, Bd. II (1980), Sp. 482-488, hier Sp. 483; Honemann (wie Anm. 26), Sp. 685;
Rupprich, Hans: Die deutsche Hiteratur vom späten Mittelalter bis ^um Barock, Teil 1, München 1970 (= Ge-
schichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart IV,1), S. 92.
29 Vgl. Meijboom (wie Anm. 26), S. 2*ff.; Bossuat, Robert: Manuel bibliographique de la littérature française du
moyen âge, Melun 1951, S. 466-468 [Lit.]; Faral, Edmond: Guillaume de Digulleville, Paris 1952; neu in: His-
toire littéraire de la France, Bd. 39, Paris 1962, S. 1-132; Henry, Avril (Hg.): The Pilgrimage of the lyfe of the
Manhode. Translated anonymously into prose from the First Recension of Guillaume de Deguileville's Poem ,Fe Pèlerinage
de la vie humaine1, 2 Bde., London/New York/Toronto 1985-88 (= Early English Text Society Original
Sériés 288/291); Camille, Michael: The illustrated Manuscripts of Guillaume de Deguileville's Pèlerinage 1330-
1436; Diss. Cambridge 1985; Clasby, Eugene (Übers.): The Pilgrimage of Human Lfe, New York/London
1992; Grente, Georges-François / Bossuat, Robert / Pichard, Louis / Renaud de Laye, Guy, revue et
mise à jour par Hasenohr, Geneviève / Zink, Michel (Hgg.): Dictionnaire des lettres Françaises: Le Moyen
Age, Paris 1994, S. 614-617.
541
Die ‘Pilgerfahrt des menschlichen Lebens’ ist eine in die Form einer Traumallegorie ge-
kleidete Summe katechedschen Wissens, die sich als religiöse Antwort auf den beliebten
allegorischen ‘Roman de la Rose’, einen Liebesroman, versteht. Der Inhalt läßt sich (ange-
lehnt an die Beschreibung von Volker Honemann) wie folgt wiedergeben30:
« Im Traum sieht Wilhelm sich als Pilger, dem das himmlische Jerusalem erscheint. Bevor
er dorthin aufbricht, stattet ihn Frau ,Gnade‘ mit dem Gürtel des Glaubens und dem Stab
der Hoffnung aus. Von der heiligen Kirche erhält er die Sakramente, über deren Sinn und
Bedeutung er ausführliche Diskussionen auslöst, wobei etwa Frau ,Natur‘ den Aristoteles
herbeiruft, damit er mit Frau ,Weisheit4 über das Wunder der Eucharisde debattiere. Die
aus den vier Kardinaltugenden bestehende Ritterrüstung, mit der Frau ,Gnade4 den weiter
gegen die Gefahren des Weges wappnen will, ist diesem zu schwer, und er legt sie wieder
ab. Frau ,Gedächtnis4 trägt im weiteren die Rüstung hinter dem Pilger her. Dieser wird
alsbald von dem rohen Gesellen mit Namen ,Grobes Verständnis4 bedrängt; erst Frau
,Vernunft4 (in der Versübersetzung ,Rechtes Verständnis4 genannt) gelingt es, in hitzigem
Streitgespräch den Gegner zu überwinden. Sie lehrt den Pilger, indem sie ihn für kurze
Zeit entseelt, daß sein Körper schwach und sein eigentlicher Feind ist. Am Scheideweg,
an dem ,Arbeit4 und ,Müßiggang4 sitzen, entscheidet sich der Pilger für den falschen Weg,
worauf er nacheinander von den sieben Todsünden in Gestalt häßlicher, grausiger, alter
Weiber, überfallen und mit dem Tode bedroht wird. Auf entsprechende Fragen des Pil-
gers stellen sich die Laster in ausführlicher Rede vor. Vereint rauben sie ihm schließlich
den Pilgerstab. Gottes Gnade rettet ihn und rät, zur Jungfrau Maria zu beten, worauf ein
umfangreiches Gebet, ein Abecedarium, eingeschoben wird. Frau ,Gnade4 führt den Pil-
ger dann zu einem Felsen, aus dem Tränen der Reue in ein Becken fallen, in dem der Pil-
ger zur Stärkung baden soll. Nachdem er das Bad zu schnell verlassen hat, kommt er an
das wilde Meer der Welt, in dem Männer und Frauen, teils kopfüber, treiben und
schwimmen. Satan sitzt in der Gestalt eines Ungeheuers am Ufer und fischt die Sünder
mit einem Netz heraus. Dem Pilger stellt sich alsbald Frau ,Ketzerei4 in den Weg, die er
aber vertreiben kann. Eine Jungfrau namens ‘Jugend’ trägt ihn dann im Flug über das ge-
fährliche Meer, doch werden sie auf halbem Wege von Frau ,Plage4 angehalten, die dem
Püger Briefe von Adonai und Satan vorliest und ihn ins Meer stürzt. In höchster Not eilt
Frau ,Gnade4 herbei und zeigt dem Pilger den direkten Weg zum himmlischen Jerusalem.
Er wird zum Schiff ,Religion4 geleitet, auf dessen Deck Burgen stehen. Das Kreuz Christi
ist der Mastbaum. Im Schiff herrschen die Tugenden, die von den Orden repräsentiert
werden. Sie heißen den Pilger willkommen. Bald aber treten ,Alter4 und ,Krankheit4 an ihn
heran und bereiten ihn auf den Tod vor. Als dieser mit der Sense die Seele des Pilgers
vom Leib trennt, hört der träumende Mönch, erwachend, die Glocken der Kirche seines
Klosters zur Matutin läuten und beschließt, seinen Traum zur Warnung für andere aufzu-
schreiben. »
Dem Werk von doch immerhin 13 540 Versen war ein stürmischer Erfolg beschieden;
fast 100 Handschriften, zahlreiche Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts, Prosafassungen
30 Honemann (wie Anm. 26), Sp. 683f.
542
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Abb. 36: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 201 (Pilgerschaft des
träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. lOv (Predigt der ,Ver-
nunft’ an Offizial und Bischof).
543
und Übersetzungen ins Englische (darunter Chaucer als Autor), Spanische, Niederländi-
sche und Deutsche bezeugen diesen Erfolg. Hinter den Neufassungen und Übersetzun-
gen vor allem des 14. Jahrhunderts stehen mehrfach Adelsfamilien, auch Handschriften
finden sich in Adelsbibliotheken. So rührt etwa — aus dem weiteren Kreis um Elisabeth —
die Heidelberger französische Handschrift (Cpl 1969) der ,Pèlerinagec aus der Bibliothek
Margarethes von Savoyen31.
Im deutschen Sprachraum gab es zwei verschiedene Übersetzungen, die Kölner Vers-
übersetzung von etwa 1430 des ehemaligen Sekretärs des Herzogs Louis d’Orléans, Peter
von Merode, des späteren Stiftsherrn zu Köln und Domherrn zu Lüttich, und die anony-
me Berleburger Versübersetzung (b) der ,Pilgerfahrt des träumenden Mönchs£, von jetzt
ab PTM (b) genannt.
Die Berleburger Handschrift ist - wie viele Handschriften der ,Pèlerinage' und auch die
beiden abhängigen Prosaauflösungen — illustriert. Der umfangreiche, über 100 Miniaturen
umfassende Bilderzyklus verdiente sicherlich eine eigene kunsthistorische Untersuchung.
Die viele Gebrauchsspuren aufweisende Handschrift umfaßte ursprünglich 429 Blätter,
von denen jedoch einige, vor allem Anfang und Schluß, abhanden gekommen sind. Durch
den ganzen Band zieht sich, die ursprüngliche Fassung ändernd, eine Korrekturhand, de-
ren Identität mit der Texthand zwar behauptet, aber eigentlich erst noch zu beweisen wä-
re32.
Diese Versübersetzung wurde 1915 von Aloys Börner in den 'Deutschen Texten des Mit-
telalters’ herausgegeben, in sorgfältiger Vergleichung mit der Vorlage, und unter Hinzu-
ziehung der Hamburger Prosafassung PTM (h). Der Vers- und Reimkunst des Überset-
zers stellt der Herausgeber zu Recht kein gutes Zeugnis aus. Das Werk wimmelt von
Flickversen, Verlegenheitsreimen, Flickwörtern, schlechten und unvollständigen Reimen
und auch reimlosen Zeilen. Dies Bild wird auch vom Korrektor nicht wesentlich geändert,
' Bergmann, Rosemarie: Die Pilgerfahrt ^um himmlischen Jerusalem, Ein allegorisches Gedicht des Spätmittelalters aus
der Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal, Hat. 1969 'Pèlerinage de vie humaine’ des Guillaume de Déguileville,
Wiesbaden 1983. Aus dem Besitz der Margarethe von Savoyen (f 1479) stammt auch die Heidelberger
Handschrift (Heidelberg Universitätsbibi. Cpg. 152) von Elisabeths ,Loher und Maller’, die um 1475 ent-
stand. Zu weiteren Handschriften aus dem Besitz der Savoyardin, vorwiegend mit religiösen Werken,
vgl. von Bloh, Ute (Hg.): Historie von Herzog Herpin. Übertragen aus dem Französischen von Elisabeth von Nas-
sau-Saarbrücken. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ, 152, Farbmikrofiche-Edition, München
1990, S. 11. 68f. mit Anm. 139; Backes, Martina: Das literarische Leben am kurpfälfischen Hof %u Heidelberg im
15. Jh. Ein Beitrag Gönnerforschung des Spätmittelalters, Tübingen 1992, S. 177ff. Der premier livre du peilerin
findet sich auch in der Bibliothek des Metzer Patriziers Michiel Chaversson (1. Viertel 16. Jh.); ferner
auch in der Bibliothek des Herzogs Anton von Lothringen (1508-1544). Vgl. Haubrichs (wie Anm. 11);
Collignon, Albert: „La bibliothèque du duc Antoine. Recherches bibliographiques suivie de 1‘inventaire
annoté“, in: Mémoires de l'Académie de Stanislas 157 (1906/07), S. 110 Nr. 96.
32 Börner (wie Anm. 24), S. X f. Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 1), S. 131 vermutete „daß die Verbes-
serungen im Weller von der Elisabeth von Nassau selbst geschrieben sind“. Jedoch stützt er sich dabei
auf einen eher flüchtigen Vergleich mit einem Schriftstück, das in der Saarbrücker Kanzlei im Sommer
1429 geschrieben wurde, dem Entwurf der Todesnachricht ihres Mannes Philipp von Nassau, „den Eli-
sabeth eigenhändig abgeschlossen und unterzeichnet“ habe. Das Stück ist in diesem Band auf S. 255f
ediert. Die Eigenhändigkeit ist sehr zweifelhaft.
544
oder wie Bömer formulierte: „An formeller Vernachlässigung sucht auch das korrigierte
Werk noch seinesgleichen“.
Bömer und später (1926) Adriaan Meijboom haben zeigen können (Nr. 2), daß PTM (b)
eine der Metzer französischen Handschrift M der Telerinage’ verwandte Fassung als Vor-
lage benutzte33, und zwar mit folgenden Argumenten:
(1)
a) Fehlen der gleichen zahlreichen Reimpaare in M, b und h, d;
b) Übereinsdmmung in Varianten, die nur M kennt: z.B. v. 5316, 5360, 5767, 7838 etc.;
c) Berücksichtigung von in M nicht enthaltenen Einzelversen, z.B. v. 4554, 8922, 12427
etc.
Der Übersetzungstechnik muß man freilich dieselbe schlechte Note erteilen wie der Vers-
technik. Alle Arten von Fehlern gegenüber Guillaume de Digulleville (GD) kommen - wie
bereits Meijboom gezeigt hat - vor, z.B. Lesefehler, falsche Wortverbindung oder Wort-
trennung, mangelnde Kenntnis eines französischen Wortes (wobei manchmal freilich die
vorauszusetzende altlothringische Vorlage mitgewirkt haben mag)34:
(2) Übersetzungsfehler in b im Vergleich mit h, d:
a) Lesefehler (?) z.B.
GD 2306: son vie^ pechie et dire: „ha las!“— vie% mißverstanden als vis „lebend“
b 2172: Sine lebenden sunden und sprechen: „ach Got“
h 56: Die sunden die er in syme leben begangen hat
d 31v: Die sunden die er in syme leben begangen hat
b) falsche Wortverbindung oder Worttrennung:
GD 9463ff.: Aussifais com Diraine (M laraigne) fait
Quar tant com sanc ou m oueIle ait
En (la) mousche, toute la suce,
Et) eviscere et espeluche
b 9546ff: Ich dun als derfroesehe dut
33 Bömer (wie Anm. 24), S. XVII; Meijboom (wie Anm. 26), S. 5*ff. Unter den Varianten von M, die ost-
französische Lautung bezeugen, und von der Übersetzung übernommen werden, vgl. etwa v. 7838: Le
cucu semble qui chanter / Ne sei fors de li et gangler. M hat statt cucu : cuen, was die Übersetzung als chien ver-
stand und deshalb zu dem 'sinnlosen' Verspaar kommt: Ergelichet dem honde der nit me kann / Dann vonjme
einen andern bellen an. Vgl. auch Anm. 31.
34 Vgl. Meijboom (wie Anm. 26), S. 7*f. Einen merkwürdigen Übersetzungsfehler enthält auch der Doppel-
vers V.1771f.: Dann war umb ich han nit gesprochen 'an allen enden', / Aber 'yu aller •pjt', da^ ist gut dütsch an den
enden: aus GD v. 1911 f.: Quarpas ne diq que en touq liens, / Mais en touq temps qui n'estpas tieux, wobei tieux
mißverstanden wurde als tiois „deutsch“. Vgl. ferner die Wiedergabe eines altfrz. Adjektivs als Name des
Igels v. 8862 die dochter desygels herü aus la fille au hericon heru, was die Hamburger Prosaversion dann richtig
mit des ruhen igels übersetzt.
545
Dann wan erf u eiet da^ er in sinen mont dut,
Und so lange er einen weichen morsel dar an hat,
Als an einerfliegen er süget,
ln sich nymmet undplucket.
h 232: Ich dun als derfroß dut Wan derfulet
da^ er einen weichen montfol in dem monde hat
Alß an eynerfliegen so verslindet er sie in (wörtl. ebenso d 116v).
l’iraine „Spinne“ falsch aufgelöst mit M als la-raigne „Frosch“
sanc verstanden als sent „fühlt“
moulle aufgefaßt als molle (weicher morsel „weicher Bissen“)
[A. Meijboom zur Prosa: „Es macht hier den Eindruck, als ob der französische Text dem
Übersetzer vorgelesen wurde, wobei er la mousche als bouche verstand und erst, als der Vers
wiederholt wurde, richdg hört und fliege übersetzt44]
c) Unbekanntheit mit dem französischen Wort:
GD 5543f.: Qu’est-ce, ditil, enfantosmer
Vous me voules et enchanter.
— PTM hält das Verb für eine Ableitung von enfant
b 5463f: Wolt ir mich yu eime kin de machen
Odir wollet ir mich vert^aubem?
h 137: Wolt ir mych %u eyme kyn de machen
Ader wolt ir mich vergauckeln
d 72r: Wolt ir mich cyt eyme ky n de machen
oder wolletyr mich vergouckeln
Mit großem moralischem Impetus verkündet der Übersetzer oder die Übersetzerin des
Weller jedoch, daß er oder sie das Erbauungsbuch ins Deutsche übertragen habe, damit
auch die deutschen weder oder wellerynnen auf den rechten Weg finden mögen, wobei das
Werk ursprünglich auf Vorlesen und Hören zu zielen scheint. Dieser Passus (nur in der al-
lein vollständigen Darmstädter Prosa erhalten) ist in die Einleitung des Guillaume de Di-
gulleville interpoliert und deshalb aussagekräfdg:
(3) Vorrede PTM (nur in d erhalten):
Nu körnet alle herbey und scharent uch und verstet und höretgeneuwe %cü / Es sy keynre noch keyne
. sy sin kleyn oder groß die hynder sich dreden sy sollen alle hervor gan . sich setcyen und %uhoren. Es
wirt uch alle beruoren . als ich meyne Die geschickte wil Ich uch alle %umail verkünden und enwil
daran nichts ußlaiss^en. Uß welschem %u du tusche han ich diß buch gemacht / das es die Du tuschen
ouch verstan mugen und das Iglicher möge hören und verstau welchen weg den er nemen oder lassen
sal.
Es ist eyne Sache die allen den noit ist %u wyssen die betejfart thuon in ehester werld.
Nach den bei der Übersetzung anscheinend hervortretenden mangelnden Kenntnissen im
Französischen wird man Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, die in Vaudemont, Vezelise
und vielleicht auch in Nancy aufgewachsene lothringische Fürstentochter (aus einer Ne-
546
benlinie des Herzogshauses), als Übersetzerin eher unwahrscheinlich finden35. Auch im
Stil bestehen kaum Ähnlichkeiten, allenfalls der Wortschatz weist gewisse Übereinstim-
mungen auf, die sich freilich - wie wir noch sehen werden - auch aus engster landschaftli-
cher Nähe erklären ließen. Oder bedeuten diese Kongruenzen doch mehr? Sind etwa die
Schwierigkeiten, die PTM mit dem Französischen hat, geboren aus Unterschieden zwi-
schen Ostfranzösisch und Zentralfranzösisch? Sind umgekehrt mangelnde Deutschkennt-
nisse zu beklagen? Fragen, die sich heute noch nicht beantworten lassen.
Dagegen verfügte der Verfasser oder die Verfasserin über eine gute Kenntnis geistlicher,
theologischer und gelehrter Terminologie: so etwa das Fachwort predicament „Grundbeg-
riff, Stammbegriff£, das ausführlich erläutert wird, aber auch arguieren, ge-arguieren, glose,
glösieren, argument, begrifunge, begriffenlicheit, subtilecheit, subtilecliche (auch bei Elisabeth, Huge
Scheppel 51v, 13), benedigen < benedicere (auch bei Elisabeth, Huge Scheppel 42v a, 3), die
epistole, der episteler, der ewangilier für Epistolar, Evangeliar, exempel usw. usw. Man wird Ver-
trautheit mit geistlichem und gelehrtem Schriftgut unterstellen müssen.
Gerade auch im Wortschatz hat die Prosafassung *PTM (x), deren Existenz indirekt von
der Titulatur melier mit den reymen im Bibliotheksverzeichnis der Margarethe von Rodema-
cher bezeugt wird und von der wiederum (d) und (h), die Darmstädter und Hamburger
Handschriften, abstammen, die Versfassung revidiert.
(4) Stemma:
Guillaume de Digulleville (GD)
w
lothr.-frz. Vorlage
(Cod. Darmstadt 201) (Cod. Hamburg germ. 18)
15.Jh. (um 1460) Mitte/2. Hälfte 15.Jh.
35 So auch Honemann (wie Anm. 26), Sp. 685. Auffällig ist freilich, daß auch von Liepe (wie Anm. 17), S.
125 diagnostizierte Lieblingswörter Elisabeths wie eiferen „erschrecken, erzürnen“ sich in hoher Frequenz
in PTM finden.
547
Diese Prosabearbeitung hat - wie wiederum schon Meijboom zeigte36 - die bereits korri-
gierte Fassung benutzt; dies beweist etwa die Reimkorrektur in v. 1817:
(5) Abhängigkeit von *PTM (x) von den Korrekturen in b:
GD 1962: Et (si) me semblegrant laidure ...
b 1817: Und duncket mich auch gar h esse lieh ...
korr. nyergent Vorkommen (aus Reimgründen)
- Korrektur übernommen in d, h.
Andererseits haben (d) und (h) gemeinsame Fehler, wie z.B. erlich statt erblich v. 11382, was
ihre gemeinsame Abhängigkeit von der verlorenen Revision (x) beweist:
(6) *PTM (x) — d, h gegen b:
GD 11191:
b11382:
h 277:
d 139v:
A fin que heritab lern ent ...
Uff das ich e rb li c h ...
Ufda^ichdonerlich ...
... erlich
Diese Revision aber ist gründlich gewesen und hat zur Korrektur der zahlreichen Fehler
auf dieselbe Vorlage zurückgegriffen, die (b) benutzte und die M nahestand. Deren eigene
Fehler hat (x) freilich nicht beseitigt, wohl aber Schreibfehler in PTM (b) wie gedickte statt
gericht(e) für jugemens (7a), fehlende Namensnennung wie in (7b) und Fehlübersetzungen
wie Alle zu lilien statt insein in (7c):
(7) Rückgriffe von *PTM (x) auf GD:
a)
b 743: Wo ir große gedickte dun wollent
GD: jugemens
h: gericht
d 14r: gerichte
36 Meijboom (wie Anm. 26), S. 15* ff. In der bei Bodemann (wie Anm, 21) edierten Handschriftenbe-
schreibung von (h) durch Fritz Burg (1901) wird das Verhältnis zur Metzer Version - noch ohne endgül-
tige Ergebnisse - differenzierter betrachtet (S. 25).
548
b 1488: Zu den brüden des fürsten ßn ...
GD: Name: Arch etry cline
h: Name: Archedeclin
d 24r: Name: Archytricline
b 1906: Hüderinne der lilien verborgen bekant
GD: . ..de l'ille
h: .. .der verhelfeny n seln ...
d 28v: ... derverhelten Inseln
Die durch die um 1460 datierte, später im Besitz von Lehnsträgern des Hauses Nassau-
Saarbrücken befindliche Darmstädter Handschrift 20137 und durch die lange Zeit ver-
schollene, aber in Ausschnitten edierte, nun auch durch eine Mikrofiche-Edition zugängli-
che Hamburger Handschrift germ. 1838 zweifach repräsentierte Prosaübersetzung ist also -
wofür auch der (b) nahestehende Sprachstand, der aber noch gründlicher Untersuchung
bedarf, spricht - wohl einem mit (b) gemeinsamen Zentrum zuzuweisen. Auskunft über
37 Bodemann (wie Anm. 21), S. 11 weist auf Beziehungen der Handschrift zum Saarbrücker Hause hin. Sie
enthält „Wappen der Herren von Döring über einem Kleeblattwappen (entweder der Familie von Nord-
eck zu Rabenau oder - wahrscheinlicher - den Herren von Dernbach zuzuordnen). Alle drei waren
Lehnsträger von Nassau-Saarbrücken“. Nach Staub/Saenger (wie Anm. 26), S. 27 ist die Angabe folgen-
dermaßen zu interpretieren: „Die Handschrift enthält zwei Wappen nassauisch-oberhessischer Familien.
[Fol.] 3r von Nordeck zu Rabenau oder von Dernbach, 171v u. 173v (entstanden durch Übermalung) von
Döring.“ Vgl. Josef Siebmachers Wappenbuch. Faksimilenachdruck der 1701/05 bei Rudolph Johann
Helmers in Nürnberg erschienenen Ausgabe, München 1975, Bd. I, Serie 1, Tafel 136. H. Heinemann
vom Hessischen Hauptstaatsarchiv, dem ich eine Kopie von F. 173r mit Abbildung des Wappens über-
mittelte und dem ich für seine Antwort zu Dank verpflichtet bin, teilt mir brieflich dazu mit: „... bei dem
abgebildeten Wappen handelt es sich nach unserer Kenntnis tatsächlich um jenes der Herren v. Döring.
Allerdings zählten sie nicht zum nassau-saarbrücken’schen Adel. Nach Ausweis unserer Abt. 121 besa-
ßen sie nur ganz unbedeutende nassauische Lehen. Von einem Kleeblattwappen ist auf der beigefügten
Kopie nichts zu erkennen. Allerdings besaßen ein solches Wappen die beiden angeführten Familien von
Nordeck zu Rabenau und v. Dernbach. Beide Familien verfügten über nassauische Lehen, nachweisbar
ab 1395 (Nordeck) bzw. 1339 (Dernbach) bis in das 18. Jahrhundert.“ Nach freundlicher Auskunft von
J. Doering (Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt) bestätigt sich der ursprüngliche Be-
sitz der Handschrift durch nassauische Lehnsträger: In zwei Fällen ist das Kleeblattwappen mit Deck-
weiß zugunsten des Wappens der Döring übermalt (Abb. 37-38), auf F. 3r ist das Kleeblattwappen aber
noch erhalten (Abb. 39).
38 Börner (wie Anm. 24), passim im Apparat der Edition, z.B. S. 3, 7, 31f. 175, 215, 301. Die durch
Kriegseinwirkungen verloren gegangene Hamburger Hs. wurde vor kurzem repatriiert. Die Mikrofiche-
Edition ist in Bodemann (wie Anm. 21) samt einer wichtigen Handschriftenbeschreibung von Fritz Burg
aus dem J. 1901 zu finden.
549
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Abb. 37: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 201 (Pilgerschaft des
träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. 171v (Wappen der
Familie Dorine auf übermaltem KleeblattwaDDen).
550
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Abb. 38: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 201 (Pilgerschaft des
träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. 173r (Wappen der Familie
Döring auf übermaltem Kleeblattwappen).
551
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Abb. 39: Cod. Darmstadt, Hessische Landesbibliothek 201 (Pilgerschaft
des träumenden Mönchs, Prosafassung d), Fol. 3r (Engel mit
KleeblattwaDDen).
552
die Lage dieses Zentrums könnte in erster Linie die Sprache von (b) geben, die 1934 in ei-
ner Marburger Dissertation von Fritz Goetze untersucht wurde39. Können für den allge-
mein westmitteldeutschen Charakter von PTM (b) solche Kennformen wie bit statt mit (v.
2545: nit bit hunger befangen; vgl. Elisabeth, Herpin 122v: ir mrent byt ime ...) sprechen, so hat
Goetzes minutiöse Untersuchung der Graphien und des Lautstands nach den Reimen
überzeugend den nördlich-rheinfränkischen Sprachcharakter an der Grenze zum Mittel-
fränkischen erwiesen40:
1) Assimilation von [ld] > [11]
2) d-Rhotazismus
3) Gutturalisierung von [nd] > [ng]
4) Schwund des [h] in [ht, hs]
5) [ft] > [ht]
6) r-AusfaU in der Verbindung [rht\.fohten stattforhten (so auch bei Elisabeth).
Goetze hat jedoch in seiner Untersuchung, wohl Vermutungen des Herausgebers über ei-
ne mögliche Entstehung der Übersetzung in der Nähe von Berleburg nahe der hessischen
Grenze folgend, eine allzu große Präokkupation für den hessischen Raum an den Tag ge-
legt. Alle seine Ergebnisse gelten auch für das nordwestliche Rheinfränkische in Lothrin-
gen, Saarland und Hunsrück im unmittelbaren Grenzraum zum Moselfränkischen in glei-
chem, vielleicht bei manchen Kriterien wie der Gutturalisierung und dem h-Schwund in
höherem Maße41.
Auch die angeblich - nach Goetze - auf die Nähe zum Niederdeutschen weisende unver-
schobene Form gestörten „gestürzt“ (v. 8048), Part. Praet. (fälschlich in starker Konjugati-
39 Goetze, Fritz: Untersuchungen über die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs (Perleburger Handschrift), Diss. Marburg
1934. Zur Sprache der Chanson de geste-Übersetzungen vgl. zuletzt Bichsei, Peter: Hug Schapler - Überlie-
ferung und Stilwandel. Hin Beitrag zum frühneuhochdeutschen Prosaroman und %ur lexikalischen Paarform, Bern 1999,
S. 33ff.
40 Das eigentliche Mittelfränkische schließt Götze (S. 33) wegen der verschobenen Kleinwörter dat, wat, it,
allet\ ¿¿'/aus. Ebenso ist [rp] verschoben, nicht aber [mp], [pp], was gut zum nördlichen Rheinfränkischen
(S. 30), aber auch zur Sprache der Elisabeth-Übersetzungen paßt. Zu bit bei Elisabeth vgl. Burchert,
Bernhard: Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaerzählungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken,
Frankfurt a.M. 1987, S. 197f.
41 Goetze (wie Anm. 39), S. 37f. Man muß sich von der Frings‘schen Vorstellung freimachen, daß der
einstmals auch weit bis in das Rheinfränkische geltende h-Ausfall bereits im Mittelhochdeutschen massiv
zurückgedrängt worden sei. Das gilt, wenn überhaupt, nur für die Rheinlinie. Im Westen kämpfen in
Ortsnamen in mhd. Zeit durchaus h-lose und h-haltige Formen im Bereich der mittleren und unteren
Saar (Kreise Saarlouis, Merzig) miteinander. Das gilt auch für rezente Mundarten des Saar-Moselraumes:
„Der Ausfall von -ch in der Verbindung endlich reicht in den Sprachadas-Beispielen gebracht, Nacht längs
der Sprachgrenze bis Saaralben und Finstingen [Fenetrange] hin. Für den größten Teil des Saargebiets
gilt somit noch brat, brot, Nat, Not, das sonst im ganzen Trierischen und in Teilen des Kölnischen ge-
schwunden und durch brach(t), brockt, Nach(t), Nocht ersetzt ist.“ Vgl. Will, Wilhelm; Saarländische Sprachge-
schichte, Saarbrücken 1932, Neudruck mit einer Einführung von Hans Ramge 1979, S. 88ff.; Haubrichs,
Wolfgang: „*Fidivis, *Fideu, Schöndorf. Ein Siedlungsname des Grimo-Testaments von 634 an den
Grenzen von Romania und Germania“, in: Grenzen erkennen - Begrenzungen überwinden. Festschrift Reinhard
Schneider, Sigmaringen 1999, S. 103-122, hier S. 113f.
553
on), gehört in Wahrheit in den Kontext moselfränkischer unverschobener Reliktformen
wie Part. Praet gesät zu setzen. So kannte oder kennt Luxemburg auch Part. Praet. gestuurt zu
stürmen und in den anschließenden Regionen um Bitburg, Prüm, Malmedy bis ins Klever-
land ist verstuert zu verstürben „verschütten“ belegt; auch die um 1400 entstandene Trierer
Agneslegende kennt für perfusus: overgossen und overstort und für effunditur: ius gestört1, die aus
derselben Handschrift stammende Barbaralegende hat zweimal mit blöde bestort. In einem
im wesentlichen in ein nördliches Rh ein fränkisch weisenden Text ist also das Vorkom-
men dieser unverschobenen Reliktform eher ein Argument für eine Entstehung in der
Nähe dieses sprachgrenznahen westlichen Reliktraumes.
An dieser Stelle soll nun ein ganz anderer als der phonetisch-phonologische, nämlich ein
wortgeographischer Ansatz zur Lösung der Lokalisierungsfrage von PTM (b) versucht
werden.
Im Wortschatz der PTM, der auf Grund der oft derben und plastischen, bildhaft-
volkstümlichen Ausdrucksweise der Übersetzung auch agrarische, handwerkliche und bo-
denständige Elemente enthält, lassen sich wortgeographisch verschiedene Schichten von-
einander abheben, wobei die neuzeitliche Wortverbreitung im Vordergrund steht, wo
möglich aber auch die mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Verbreitung mit
einbezogen wird. Von vorrangigem Interesse sind natürlich Wörter, die eine regionale Be-
schränkung der Verbreitung zeigen42 43.
42 Luxemburg. Wörterbuch, Bd. IV, S. 281; Rheinisches Wörterbuch, Bd. VIII, Sp. 956; Strohschneider (wie Anm.
12), S. 39 Z. 512f.; 517f.; III, S. 20 Z. 540; S. 26 Z. 980. Vgl. Venema, Johannes: Zum Stand der zweiten
Lautverschiebung im Rheinland. Diatopische, diachrone und diastratische Untersuchungen am Beispiel der dentalen Tenu-
is, Stuttgart 1997, S. 273f. Für Hinweise danke ich A. Schorr (Saarbrücken).
43 Für die wortgeographische Verbreitungsanalyse wurden benutzt: Benecke/Müller/Zarncke und Lexer,
Matthias, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 3 Bde., Leipzig 1872-1878; Gärtner, Kurt / Gerhardt, Chris-
toph u.a. Findebuch %um mittelhochdeutschen Wortschatz Stuttgart 1992; Oskar Reichmann: Frühneuhochdeut-
sches Wörterbuch , Bde 1-2 (a-barmherzig), Bd. 3 Lfg. 1„ Bd. 4 Lfg. 1, Bd. 8 Lfg. 1, Berlin / New York
1986ff.; Grimm, Jakob / Grimm, Wilhelm u.a.: Deutsches Wörterbuch, 16 Bde., Leipzig 1854-1954; 2. Aufl.
Bd. 1-2 (A-Ansüszen), Bde. 6-7 (D-Empörer), Bd. 8 Lfg. 1, Leipzig 1983ff; Götze, Alfred: Frühneuhoch-
deutsches Glossar, Bonn 1920, 2. Aufl. Berlin 1930; Baufeld, Christa: Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch,
Tübingen 1996; Goebel, Ulrich: Wortindex %um 1. Band des Corpus der altdeutschen Originalurkunden, Hildes-
heim/New York 1974; Anderson, Robert R. / Goebel, Ulrich u.a.: Der Roman von der Königin Sibille. Lem-
matisierter Wortindex, Amsterdam 1981; Kirchert, Klaus / Klein, Dorothea (Hgg.): Die Vokabulare des Frit-
sche Closener und Jacob Twinger von Königshofen, 3 Bde., Tübingen 1995; daneben zahlreiche regionale Wör-
terbücher, vor allem: Follmann, Michael Ferdinand: Wörterbuch der deutsch-lothringischen Mundarten, Metz
1909, Neudruck 1986; Luxemburgisches Wörterbuch, 5 Bde., Luxemburg 1950-1977; Müller, Josef u.a.: Rhei-
nisches Wörterbuch, 9 Bde, Bonn/Berlin (Ost) 1982-1971; Christmann, Ernst u.a. Pfälzisches Wörterbuch, 6
Bde., Wiesbaden 1965-1997; Maurer, Friedrich u.a.: Südhessisches Wörterbuch, bislang 5 Bde. (A-S), 1965-
1989 usw. Zum methodischen Ansatz vgl. u.a. Besch, Walter: Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15.
Jahrhundert, München 1967; Ising, Gerhard: Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte. Line
Darstellung auf der Grundlage der Wortwahl von Bibelübersetzungen und Glossaren, Berlin 1968; Veith, Werner H.:
„Isoquantoren: Ein methodisches Hilfsmittel zur historiolinguistischen Rekonstruktion des Sprachen-
kontakts“, in: Irmengard Rauch/Gerald F. Carr (Hgg.): Linguistic Method. Essajs in Honor of Herbert PenzJ,
The Hague u.a. 1979, S. 265-284. Für Nachweise aus dem Saarbrücker Orts- und Flurnamenarchiv dan-
ke ich meinem Mitarbeiter Andreas Schorr (Saarbrücken).
554
Zunächst einmal können Wörter herangezogen werden, die zwar eine noch recht groß-
räumige Verbreitung besitzen, die aber just im Grenzgebiet zwischen Rheinfränkisch und
Mittelfränkisch bzw. Moselfränkisch selbst auslaufen44. Ich unterscheide grob ,Nordwör-
ter‘ und ,Südwörter4 je nach dem Verbreitungsschwerpunkt. ,Nordwörter‘ sind in der
PTM kaum vertreten, selbst placke „Lumpen, Flicken“ (Nr. 8) reicht neuhochdeutsch wei-
ter nach Süden bis in die Pfalz und die Kurpfalz45:
(8) placke m. (v. 9823) „Lumpen, Flicken, schlechtes Kleid“ (d ebenso); mhd. wohl nur
md. (Herbort von Fritzlar, Leben der hl. Elisabeth, Mainzer ,Malagis‘, Mainzer Hof-
rechnungen aus Erfurt); vgl. auch mnd. mndl. rhein. südhess. pfälz. bad. lothr. pla-
cke.
Dagegen gibt es einige ‘Südwörter’, die vorwiegend süddeutsch sind oder waren, aber bis
ins Rheinfränkische reichten oder noch reichen, so hoher „Höcker, Buckel“46:
(9) hoher, hover (v. 9122), 10243, 10248, 10263, 10267, 10271, 10277, 10278) „Höcker,
Buckel“ (d: hoher, houher, huher), dazu Adjektivableitung hohere(h)t „bucklig“ (häufig);
mhd. vorwiegend süddt., aber auch bei Elisabeth {hojfer Sibylle 119,36) und in Diefen-
bachs Glossarium47; vgl. für die Nordgrenze die Derivate rheinfrk. hüherich, hiwerich etc.
(Neuwied „Hügel, Felsaussprung im Feld, Höcker“, St. Wendel huwert „Maulwurfs-
haufen“). Im Flurnamenmaterial des Saar-Moselraums ist das Wort auffällig konzent-
riert auf Gemeinden um Boulay/Bolchen und Bouzonville/Busendorf: Huvert, Howert,
Hobert in Varize, Volmerange-les-Boulay, Velming, Ottonville, Niedervisse, Mo-
merstroff, Dalem, Creutzwald, daran anschließend im saarländischen Berus; ferner in
den moselfränkischen Gemeinden Apach bei Sierck und Zoufftgen bei Cattenom; da-
gegen sonst nur vereinzelt in Reinheim im Bliesgau.
44 Bichsei (wie Anm. 39), S. 42ff. hat gute Ansätze zu einer die oberdeutsch-mitteldeutsche Mischstruktur
berücksichtigenden wortgeographischen Analyse der Elisabeth-Übersetzungen vorgelegt, aber doch wohl
den Einfluß des Niederländischen für die romanischen Lehnwörter überschätzt. Da er anscheinend Will
(wie Anm. 41), S. 88ff. nicht kennt, ist er z.B. auch nicht in der Lage, die Bedeutung der lothringisch-
luxemburgischen Relikte im Falle von süster "Schwester" für die Beurteilung der Elisabeth-Sprache zu er-
kennen, einer Form, die auch Margarethe von Rodemachern verwendet (Anm. 7). Die Pluralform susteren
findet sich auch im Bruderschaftsbuch der lothringischen Pfarrei Volkringen aus dem 15. Jh. (Anm. 23);
ebenso suster in den moselfränkischen Dorothea- und Barbara-Legenden um 1400.
45 Das Wort ist auch gut in saarländischen und lothringischen Flurnamen nachgewiesen, z. B. Böckweiler
(Saarpfalzkreis): Im Sauerboden oder Sauerplacken-, Hambach (Moselle, Ct. Sarreguemines): Heller Placken;
Monneren (Moselle, Ct. Metzervisse): Plackerche; Saarbrücken: Kahler Placken; Mosberg-Richweiler (St.
Wendel): Kreu^meser Placken usw. In der um 1400 entstandenen Trierer Agnes-Legende wird obsessa vulne-
ribus der Vorlage ausschmückend wiedergegeben mit siech undplackhefftich und mit mnden („krank und mit
Ausschlag und mit Wunden bedeckt“). Vgl. Strohschneider (wie Anm. 12), S. 43 Z. 631 f.
46 Für hoher, hover muß man freilich feststellen, daß es auch im nordseegermanischen Bereich belegt war: ae.
hofer ,Buckel4, as. hobar-adi 'bucklig', mnl. hover, ,Hügel4. Vgl. Vries, Jan de: Nederlands Etymologisch Woorden-
boek, Leiden 1971, S. 256. Es kann daher nicht völlig ausgeschlossen werden, daß auch im 15. Jahrhun-
dert die Brücke zwischen den nordseegermanischen Wörtern und dem südlichen Vorkommen noch
nicht eingestürzt war.
4~ Dieffenbach, Lorenz: Novum glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, 1867, Neudruck Aalen
1964.
555
Das mittelrheinisch-moselländische Kennwort huenckel für „Huhn“ reichte frühneuhoch-
deutsch auch noch bis Basel:
(10) hunckel, huenckel (v. 6897, 9529) „Huhn“ (d ebenso) < ahd. huoniclin (Doppelsuffix)
frk. und alem., noch in Petris Basler Nachdruck von Luthers NT-Übersetzung
hunklen; frühnhd. und nhd. eingeschränkt auf südliches und westliches Hessen, auf
Pfalz, Lothringen, und auf rheinfränkisches mit südlichem moselfränkischem Ge-
biet (Saarland, Hunsrück, Rheinengtal, Koblenz, Neuwied, Westerwald). In Flurna-
men des Saar-Mosel-Raums ist Hinkel selbstverständlich ausgezeichnet vertreten.
Hierher gehört auch huldeschajf duhen statt manschaft dun (wie schon die Prosa schreibt) für
„den Vasalleneid ablegen“48:
(11) huldeschajf (duhen) f. (v. 9204) „Vasallenschaft, Huldigung“ (h, d manschaß)\ mhd.
vorwiegend süddt., auch frühnhd. in der Schweiz bei Johann Stumpf (Bruchsal) und
Johann Fischart (Straßburg, Worms); bei Elisabeth huldonge vnd maneschafft ... dun
(Huge Scheppel 22rb 7£).
Am meisten ergibt wohl wortgeographisch die Überschneidung des ‘Südwortes’ hoffen
„Topf ‘ und des mitteldeutschen duppen annähernd gleicher Bedeutung, wobei sich das In-
terferenzgebiet vom mittleren Lothringen über Saarbrücken, Nordsaarland in die Nord-
westpfalz zieht49 (vgl. Abb. 40-42):
(12a) hoffen m. (v. 1647, 1997) „Topf‘ (d ebenso), haffenerm. (v. 1648) „Töpfer“ (d hefener)\
vorwiegend süddt., auch eis. Wort mit Nordgrenzen im Rheinfrk. von Lothringen
über Saarbrücken, Saarlouis, Tholey, St. Wendel, Birkenfeld, Baumholder zur Pfalz
(Kartei). Das Wort läßt sich - spärlich gestreut - noch in Flurnamen Lothringens
und einmal im moselfränkischen Nennig (Kreis Merzig) nachweisen.
(12b) duppen n. (v. 1961, 1989, 2008, 2016, 2034, 2040, 2043) „Topf‘ (d ebenso); mhd.
und später md. Wort, so im 'Karlmeinet' (14. Jh. Aachen), Erfurter Stadtrecht; in
der um 1400 anzusetzenden Trierer Agnes-Legende wird cucumae (PI.) „Kochtöpfe“
mit duppen und kessel übersetzt (S. 32, Z. 79f.); vgl. rhein. pfälz. lothr. dippe(n)\ zu be-
achten ist das Überschneidungsgebiet zwischen hoffen und duppen im Bereich Saar-
brücken, Saarlouis, Tholey, Ottweiler, St. Wendel, Nordwestpfalz. In Flurnamen ist
Duppen, Dippen gut belegt im nördlichen und westlichen Saarland, ferner isoliert im
moselfränkischen Thionville/Diedenhofen.
48 Vgl. Deutsches Rechtsmrterbuch, Bd. VI (1961/62), S. 49f. Das Wort maneschafft findet sich auch der Vars-
berg-Korrespondenz, vgl. Nr. 7 S. 264, Nr. 10 S. 268, Nr. 13 S. 271 u. Nrl4 S. 272. Vgl. auch Janich, Ni-
na „Höflichkeit in Briefen. Die Varsberg-,Fehde' der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Gisela
Brandt (Hg.): Historische Soziolinguistik des Deutschen III: Sprachgebrauch und sprachliche Leistung in sozialen
Schichten und sopofunktionalen Gruppen, Stuttgart 1997, S. 95 - 110, hier S. 99.
49 Vgl. Ising (wie Anm. 43), S. 95f. und S. 30ff. Karten 12 und 13 (hier Karten 3 und 2). Die Nord-Süd-
Differenzierung ist für das Frühneuhochdeutsche gut an diesen Karten abzulesen.
556
I Hawe
T Hawwe
l Habche, Häbche
I Häw welche
l Ritschhawe
I Ritschhawwe
/ Hafe
/ Haffe
f Ritschhaffe
u Dippe
w Dippi
er Dippche
v Ritsch
v Ritscher
A Kachel
X Ritschkachel
K KassfejrollKastroll
Abb. 40. Karte 1: Hafen ,TopP im pfälzischen Sprachraum (Pfälzisches Wör-
terbuch, Bd. 3).
557
Abb. 41. Karte 2: Frühneuhochdeutsche Verteilung von Töpfer,,
Hafner und konkurrierenden Bezeichnungen (Karte 13
aus Isine. wie Anm. 431.
Abb. 42. Karte 3: Frühneuhochdeutsche Verteilung von Topf Ha-
fen und konkurrierenden Bezeichnungen (Karte 12 aus
Ising, wie Anm. 43).
558
Von noch höherem Interesse sind die zahlreich vertretenen „Westwörter“, unter denen
ich solche Wörter verstehe, die nur im Westen, vorwiegend linksrheinisch, wenn auch oft
in beachtlicher Nord-Süd-Erstreckung vertreten sind. Ich kann nur wenige der im Fol-
genden aufgelisteten, mindestens neunzehn Exemplare des PTM hier vorstellen:
(13) boppe(n) m. (v. 8393) „Vogelscheuche“ (d, h ebenso), (v. 9147) „Statue, Idol“ (d abt-
got, h apt-); vgl. eis. boppe, pfälz. bopp „Vogelscheuche, Wachspuppe“; rhein. boppe
„Nikolaus-, Weihnachts-, Neujahrsbildwerk“ (Siegerland, Westerwald, Mosel,
Hunsrück, Nahe, Saarland) < lat. pupp a (vgl. alothr. poppe). Den lothringischen Flur-
namen a. 1610 Or. VffBoppen in Loudrefing (Moselle, Ct. Albestroff) wird man hier
wohl einordnen können.
(14) gat^ m. (v. 10470: les gas, Plural von gap „Scherz, Prahlerei, Spott, Spaß“) „Spaß,
Spötterei, Geschwätz“ (d paraphrasiert); vgl. eis. pfälz. südhess. rhein. (St. Wendel)
gat\ „Geschwätz, Narretei, Spott“, Gat^-vogel „Spaß-vogel“ (frühnhd. bei Wickram,
Caspar Scheidt, Nigrinus, Alberus); wohl Anklangsübersetzung.
(15) der lüde spaciererinne (v. 13028: de gent espaterresse „celle qui divertit“) „Unterhalterin?“
(d ersetzt durch die die lüde ergebet); wohl Anklangsübersetzung mit Rekurs auf Ne-
benbedeutung von mhd. späteren „müßiggehen, sich die Zeit vertreiben“. Vgl. bei
Elisabeth spackeren ...vff dem wasser „sich belustigen, amüsieren“ (Sibylle 160,1; vgl.
Huge Scheppel 55ra 25).
(16) ge-truesse n. (v. 1123: troussiaus „kleine Bündel“) „Bündel“ (d ge-trosse, h ge-troß); vgl.
trosse f. bei Diefenbach, Glossarium; Pontus u. Sidonia, Kölner Hs.; rhein. tross
„Bündel, Menge von Sachen“ < afrz. torse, trousse f. „faisceau de choses liées en-
semble, ballot“. Vgl. bei Elisabeth trossen sw.v. „packen, aufladen“ (Sibylle 131, 20;
151, 32; 152, 19; 154, 12; Huge Scheppel 15r, 16f.).
(17) krossel-dom m.(v. 8877) „Stachelbeerstrauch“ (d kroßel-); vgl. rheinfrk. mittelfrk. gro-
schel, kroschel, grüschel f. usw. (mit heutigem Erhaltungsgebiet von groschel an unterer
Saar und in Lothringen) < afrz. grosele, groisele. In Flurnamen ist Krossei, Groschel vor
allem an mittlerer und unterer Saar sowie im lothringischen Niedraum verbreitet.
(18) karrich m. (v. 9530 karrich undpherl) „zweirädriger Wagen, Karren“ (d karr); mhd.
besonders am Mittel- und Oberrhein, z.B. auch bei Tauler (Straßburg) und Fritsche
Closener (Straßburg); vgl. eis. bad. lothr. südhess. karich, karch, a. 1287 karrech auch
urkundlich in Vaihingen a.d. Enz; rhein. aber nur in Saarbrücken, St. Wendel, Bir-
kenfeld, Meisenheim, Kreuznach, Bernkastel < gallorom. carruca „Karren“. In Flur-
namen ist Karich, Karch - zumeist in Verbindung mit Wegbezeichnungen - im ganzen
Saar-Mosel-Raum mit bezeichnender Ausnahme des moselfränkischen Nordens
verbreitet. Wort- und Namenbelege finden sich freilich auch im Raum Sierck.
(19) *pavrien, gepafriget sw. v. (v. 12) „pflastern“ (h ge-paveert, d ge-paveyeg vgl. linksrhein.
(vom Saarland über Eifel, Aachen bis ins Südniederfrk.), lux. lothr. pfalz. eis. parni
„Pflaster, Straße“; auch bei Elisabeth daspaveye (Hug Scheppel 34r b 37f.); lux. pawei-
en, paweën „pflastern“ < lat. pavlre. In Flurnamen ist Parni, Porni in den Räumen
Sierck, Merzig, Saarlouis und Saarbrücken verbreitet.
559
(20) keten(e) f. (v. 6724: violeten ... und keten brechen) „Löwenzahn“ (d tilgt)) vgl. rhein. (Aa-
chen, Trier), lux. südpfalz. Ketteblumm, aber auch vereinzelt (Düsseldorf ) kette. In
Flurnamen ist Kete, Kette noch im gesamten Saar-Mosel-Raum nachzuweisen.
(21) cockart; cokart, coquart m. (v. 5493, 6666, 6883, 7832, 7840: coquard) „törichter, eitler
Mensch“ (d coqwart); vgl. südhess. rhein. pfälz, gockert (Koblenz, Mosel, Trier, Huns-
rück, untere Saar, Saarland, Westpfalz) < mfrz. coquard „prétentieux, vontard, benêt,
niais“ (seit 14. Jh.).
(22) met^eler m. (v. 7116) „Metzger“ (d met^eler); vgl. rhein. westmd. lothr. lux. pfalz. eis.
metter (auch in einigen Hss. Fritsche Closeners); Ende des 13. Jhs. auch urkundlich
im nördlichen Württemberg (Zell bei Gmunden, Lauffen) melier, me^ciler, vgl. fer-
ner met^eler bei Elisabeth (Huge Scheppel 7ra, 35; Herpin 122v nach Burchert, wie
Anm. 40, S. 197f., aber im Druck von 1514 met^ger). Kommt in Flurnamen als Per-
sonenname oder Berufsbezeichnung im gesamten Saar-Mosel-Raum vor.
(23) heym-mse f. (v. 11427) „Wohnung“ (d heymnysse)'. vgl. mhd. heim-wise u.ä. fast nur im
Westen bei Gottfried v. Straßburg, Walther v. Rheinau, Geiler v. Kaisersberg, aber
auch bei Elisabeth (in syme heymmjse, Huge Scheppel 46r a, 7) < mhd. heim-mst < ahd.
heim-wist „Heimat, Gastfreundschaft“ bei Otfrid von Weißenburg (vgl. Nr. 35).
(24) gritec-heit f. (v. 76, 9438, 9441, 10358) „Habgier, Geiz“ (in d beibehalten); mhd. gritec
etc. nur im Westen bei Freidank (eis. Überlieferung), Konrad v. Würzburgs ‘Silves-
ter4 (Basel), Nicolaus v. Basel, in schwäbisch-oberrheinischen Hss. Fritsche Close-
ners (Straßburg), Rulman Merswîn (Straßburg), Geiler v. Kaisersberg, Schürebrand
(Straßburg), Boner (eis. Hs.), Hl. Regel für ein vollkommenes Leben (13. Jh. mit-
telfrk.), Diefenbachs Glossarium, Eberhard Windecke (Mainz), später Moscherosch
(Lothringen); vgl. rhein. gnädig, grittig (Köln), lothr. gridisch, eis. Schweiz, grittig, hess.
grittig
(25) grommen (v. 1641, 1816, 5128, 5591, 5610, 7852, 11835) „nörgeln, schimpfen“ (in d
durchweg erhalten); mhd. im Voc. von 1482 und Diefenbachs Glossarium; neuzeit-
lich westdt. vom Alemannischen bis zum Niederfränkischen und im Niederdeut-
schen; vgl. insbesondere das Intensivum grummeln, grommel(e)n rheinfrk. moselfrk. ri-
puar. lux. lothr.
(26) bare1 (v. 10363: harou) „Anruf4 (h, d höre); vgl. bad. eis. lothr. pfalz. südhess.
rheinfrk. moselfrk. lux. ripuar. südniederfrk. har, harem, haare u.ä. als Fuhrmannsruf
„nach links“.
(27) klatte f. (v. 7670 der kolen eine große k. : de charbon grani avivement) „Rest, Teil, Klum-
pen“ (d ein groß teyl); vgl. rhein. allg. kladde „kleiner Rest, Klumpen“.
(28a) lick-holti n. (v. 5690 mit dem lickholt\ wiltuyn schuwen „mit dem Glättholz willst du sei-
ne Schuhe pflegen“: ...au lignolet... „d’une manière élégante, gracieuse“) „Glättholz
des Schusters“ (d läßt Vers aus); vgl. rhein. lickhol% lek-, leker- (Ruhr, Wupper, süd-
niederfrk., Siegerland, Köln), lick-eisen (Prüm), likar-stock (Ottweiler/Saar), lux. lek-
hol^ „Glättholz“, lek-schank „Glättkolben“.
560
(28b) liken sw. v. (v. 8861 die übelgelikette : la mal bereue) „glätten, polieren“ [hier vom Igel]
(d die ubelgelicketef vgl. rhein. nur Solingen, Remscheid licken „mit einem Stahl polie-
ren, glätten“, lux. lecken „Haut, Leder glätten“ [Schustersprache] < llkken < ahd.
*llkjan. Gelicket mit Bezug auf Spiegelherstellung auch in den Handschriften QTV
(13. -15. Jh., teilweise westmitteldeutsch) für Wolfram von Eschenbach, Parzival,
1,21 (freundliche Mitteilung von M. Stolz, Bern)
(29) sprincke m. (v. 12057 der sprincke und die sprengersse : sauterelle) „Heuschrecke“ (d die
hupperynne und die sprengerynne); vgl. rhein. hei-sprink m. (Wittlich, Mittelmosel, Trier,
Merzig/Saar, Erkelenz, Mönchen-Gladbach, Heinsberg, Kempen); lothr. hau-sprung
-sprunk, -spronk, -springerf, mndl. hooyspronck, sprinkel, Sprenkel, ndl. sprink-haan, nd.
spnnke, spranke (aber f.) auch in der moselfränkischen Barbaralegende um 1400 heu-
wesprung (Z. 777) neben sprinkhan (Z. 648).
(30) ver-mompam (v. 5669: mainboumir) „beschützen“ (d ebenso); mhd. muntbar „Vor-
mund“ und frühnhd. momper vorwiegend im Westen (,Karlmeinet4, Kölner Schreins-
urkk., Diefenbachs Glossarium, elsäss. u. pfälz. Urkk. 15. Jh., Straßburger Glossari-
um); früher allg. rhein. u. pfälz., heute nur noch am Westrand, lux. momper; memper;
lothr. momber, mumber und mombem „bevormunden“, bimombre „Bei-vormund“, süd-
westpfälz. mumper < ahd. munt-boro „Muntträger, Vormund“. Vgl. mnl. a. 1276 mon-
borscep "Vormundschaft”. Ob lux. lothr. ver-mömpeln, hess. ver-mumpeln, eis. ver-mumpfle
„eine Sache bemänteln, vertuschen“ hierher gehört?
Natürlich sind viele Lehnwörter aus dem Französischen in diesem Material. Ein typisches,
von der Dialektgeographie oft gewürdigtes Wort ist dabei groschel, grossei, krossel (Nr. 17) <
afrz. grosele, nfrz. grosseille50.
Ein Verbreitungsgebiet, das im Westen auch noch Teile des Elsaß einschließt, haben da-
gegen pavrien „pflastern“, pawei „gepflasterte Straße“ (auch bei Elisabeth) aus paviri, pava-
tum (Nr. 19)S1 und mit einem im Rheinfränkischen auf den Raum zwischen Nahe und Saar
eingeschränkten Geltungsgebiet karrich statt karren für einen „zweirädrigen Wagen“ (Nr.
18) < galloromanisch carruca. Hierher gehört auch die merkwürdige, aber bei PTM belieb-
te Anklangsübersetzung für frz. gap, Plural les gas „Spott, Spaß“ (Nr. 14) durch gat^ „Ge-
schwätz, Narretei, Spott“, im Rheinfränkischen nur im saarländischen St. Wendel erhal-
ten. Kleinräumiger auf das Rheinfränkische des Westens beschränkt (mit Elisabeth-
Belegen) getruesse, getroß, < afrz. trousse „Bündel“ (Nr. 16), oder cockart „törichter, eitler
50 Vgl. z. B. Müller, Josef: „Aus der Wortgeographie des Saargebiets“, in: Zeitschrift des 'Rheinischen Vereins für
Denkmalpflege 22 (1919), S. 229 - 235; Maurer, Friedrich: Sprachschranken, Sprachräume und Sprachbemgungen
im Hessischen, Gießen 1930, S. 66ff.; Mitzka, Walther: „Homonymie und Gemeinschaftsnamen in deut-
scher Wortgeographie“, in: Annales Academiae Scientiarum Eennicae, Ser. B 84, 20 (1954), S. 355 - 369, hier
S. 361 ff.; Bach, Adolf: Deutsche Mundartforschung. Ihre Wege, Ergebnisse und Aufgaben, 3. Aufl. Heidelberg
1969, S. 163f. mit Karten 41,42; Post, Rudolf: Komanische Entlehnungen in den mstmitteldeutschen Mundarten,
Wiesbaden 1982, S. 217£, Nr. 346.
51 Vgl. 2u paviment und paveren Ising (wie Anm. 43), S. 123; Post (wie Anm. 50) 78£, Nr. 54 (Pavel); Bichsei
(wie Anm. 39), S. 44.
561
Mensch“ < mfrz. coquärd (Nr. 21), das einen ähnlichen Verbreitungsraum wie pawei auf-
weist52.
Von hohem Interesse ist, daß die im Rheinland fast nur noch im Kompositum Ketteblumm
belegte kette „Löwenzahn“ (Nr. 20) für den Saar-Mosel-Raum durch Flurnamen nachge-
wiesen werden kann53.
Die Erbwörter des Westens zeigen durchweg eine starke Nord-Süd-Ausdehnung, so etwa
gritec „habgierig, geizig“ (Nr. 24),grommen „nörgeln, schimpfen“ (Nr. 25), der sprincke „Heu-
schrecke“ (Nr. 29)54 und die nur als Fachwörter überlebenden Reliktwörter lick-holt^
„Glättholz des Schusters“, liken „glätten“ (Nr. 29).
Noch wichtiger für die wortgeographische Einordnung von PTM sind ‘Grenzwörter’,
Wörter, die relikthaft oder als ,Grenzentlehnungen4 auf die unmittelbare deutsch-
französische Sprachgrenzregion beschränkt sind oder waren. Auch hier können von den
mindestens 13 auffindbaren Exemplaren in PTM nur einige ausführlicher behandelt wer-
den:
(31) gecksen, geckt^en (v. 7870, 7872, 7824) „Schreien der Elster“ (d läßt 2x aus, 1 xgecken);
vgl. lux. jeksen, jäi^en „schreien, schelten“. Vgl. md. nd. gdcksen, käxen (vom Huhn)
und frühnhd. ge^en „schreien der Elster“.
(32) gefiel m. < *get%-sal (v. 2338) „Ergötzung, Freude“ (d ebenso); auch bei Elisabeth
(geyal, gefiel Sibylle 120, 19; 137, 31; Huge Scheppel 3ra, 43; 29r, 37£). Vielleicht sind
die Flurnamen a. 1728 Or. Get^elberg Get^elbom in Oberbexbach (Saarpfalzkreis)
hierher zu stellen.
(33) gylerynne f. (v. 7614: eschamisseresse) „Spötterin, Nachäfferin“ (d gylerynnef vgl. mhd.
rhein. gilen st.v. „übermütig sein, spotten“, lux. geilen „spötteln, nachäffen“, rhein. gei-
len, geiler „Spötter“, geilersch „Spötterin“, geilerei „Spötterei, Grimassenschneiden“
(Westeifel, Trier, westl. Saarland, untere Saar), also westmoselfrk. und teilweise
west-rheinfrk.; bei Elisabeth geylen „verspotten“ , Sibylle 132, 29; Huge Scheppel
50% 38f.
(34) ge-mst f. st./sw. (v. 181, 2141, 5832, 7868, 10318, 11264: pais, angles, refui) „Ort,
Wohnung, Land“ (d ersetzt durch lant, mnunge, ende, gewoelbe, nur im Sinne von refu-
gium bleibtgeuyßthe); vgl. ndl. gbe-mste „Ort, Gegend“.
(35) bare2 m. (v. 6897) „Hühnerhabicht“ (d bare, h arre); vgl. rhein. bar, hoer „Raubvo-
gel4‘(Westeifel, Westhunsrück, untere Saar, Trier, nordwestl. Saarland), lux. büer,
lothr. har, hör, büer, her, eis. här „Hühnerhabicht“.
02 Für gockert mit <g> vgl. analog rhein. Gulli „Abflußrinne neben der Straße“ < afrz. coulis „cours d’eau“.
53 Vgl. zu alten Streuvorkommen von Kettenblumm bis südlich nach Saarbrücken die Karte IV, 13 im Rhein.
Wobu IV, Sp. 443f. Auch die Vielfalt der rheinischen Komposita Ketten-blume, -busch, -kick, -kraut, -plock, -
pusch, -schupp, -Strauch, -poll deutet auf die ältere Existenz eines Simplex. Vgl. ferner Marzell, Heinrich /
Paul, Heinz: Wörterbuch der deutschen Pßan^ennamen, Bd. IV, Stuttgart 1979, Sp. 641 ff.
54 Vgl. Ising (wie Anm. 43), S. 31.
562
(36) hock m. (v. 9528) „Habicht“ (d bare, wohl ndl. oder nd. Form [Jägersprache?] <
germ *habuka- m. „Habicht“; vgl. für die Entwicklung nd. hówek, ndl. havik, fries.
havk, engl. hawk. In Flurnamen allerdings läßt sich das Wort noch im moselfränki-
schen Teil des Saarlandes nachweisen, so in Schmelz-Aussen (Kreis Saarlouis) a.
1559 Or. Hocks Heiss, in Wellingen (Kreis Merzig) auf der Hocksfels.
(37) (sich) ßden sw.v. (v. 2645, 3255, 3572, 3634, 3657, 4919, 6380, 7938, 9047, 11224,
11412) „sich verlassen auf“ analog frz, se fier d, fidonge f. (v. 4922) „Vertrauen“ (in d
2x erhalten, sonst ersetzt durch verlassen); vgl.lothr. (Boulay/Bolchen) (sich) fieden
„sich auf jemanden verlassen“ < lat. fidare „vertrauen“; auch bei Elisabeth fyden und
verlassen, ... wer sich vjf dich fydet (Huge Scheppel 51va, 30; 48vb, 45).
(38) charbonnee f. (v. 10456: charboney) „Rostbraten“ (d carbony); vgl. niederfrk. (Geldern)
karmenei, ostndl. karmenei', kermenei < mfrz. charbonnee < afrz. charbonede (mit dialekta-
ler Erhaltung von [ka] in (d), möglicherweise über das Niederländische bzw. Nie-
derfränkische entlehnt). Charbonnee läßt sich jedoch im romanischen Lothringischen
als Flurname - freilich in der Bedeutung „Kohlenmeiler“ - nachweisen.
(39) sabel m. (v. 12161 Doppelformel sant und sabel) „Gries“ (d sabel); vgl. ndl. fläm. nie-
derfrk. (Westrand) savel, ferner rhein. (Westeifel, Mosel, Rheinengtal, Saarland,
Westpfalz, durch Flurnamenbelege aus dem Saarbrücker Flurnamenarchiv noch zu
verdichten), lux. lothr. sabel, sawel etc. < lat. sabulu(m) „grobkörniger Sand“ (Abb.
43 f.).
(40) Ungieren sw. v. (v. 1005: alliguier) „eine gerade Linie ziehen“ (d lynigem); vgl. älteres
Fremdwort Ungieren neben linderen, ferner westpfälz. (Kusel) linjêren < afrz. lignier.
(41) mallete f. (v. 10313) „Beutel, Handkoffer“ (d in watsecken und in schrynen\ vgl. bei Eli-
sabeth watsack, Hug Scheppel 15r, 37); vgl. lux. mallette „kleiner Handkoffer“; mittel-
lat. (ostfrz. und eis. Urkk.) mal(l)eta „Reisesack, Mantelsack“ < mfrz. mallette „petite
malle“ (seit 13. Jh.), „bourse“ (seit 1482). Das auf eine vielleicht elsässische Vorlage
von 1478 zurückgehende, 1515 bei Kaspar Hochfeder in Metz gedruckte lateinisch-
deutsch-französische Wörterbuch hat auf der romanischen Seite masie < *masle, auf
der deutschen Watsack (Vgl. Abbé Henrion: Le dictionnaire ladn-français-allemand
de Gaspard Hochfeder, Metz, 1515, in: Annuaire de la Société d'Histoire et
d'Archéologie de la Lorraine 37 (1924), S. 153-183, hier S. 174).
(42) morsel m. v. 9548, 10475, 10477, 10536, 10553, 10555, 10558, 10576) „Stück, Bis-
sen“ (d morssei, montfol); vgl. fläm. morsel, mndl. morseel, rhein. morschel (am Westrand:
Kempen, Aachen, Heinsberg, Prüm, Wittlich, Bitburg, Trier), altéis, mursel; mhd. in
der Form mursel Bestandteil einer westlich orientierten Literatursprache, jedoch mor-
sel nur im Aachener ,Karlmeinet' (1. H. 14. Jh.); frühnhd. auch im ,Buch von guter
Speise' (westmd. Vorlage ?) und beim Pfälzer Hermann von Sachsenheim (f 1458)
< afrz. morsel „Bissen, Stück“ (seit 12. Jh.) < lat. morsus + Diminutivsuffix.
(43) tabellion m. (v. 2443) „Notar, Schreiber“ (d ebenso) < mittellat. tabellio, -onis, mfrz.
tabellion „Notar“; vgl. analog mndl. tabellioen.
563
Erwähnt seien hier vor allem get^el „Ergötzung, Freude“ (Nr. 32)55, das auch häufiger bei
Elisabeth vorkommt; ferner das auf Luxemburg, Westeifel, Trier und Saarland begrenzte
gilen, geilen „Grimassen schneiden, nachäffen, spotten“ (Nr. 33), ebenfalls bei Elisabeth,
dann bare „Hühnerhabicht“ (Nr. 36), in ähnlichem, Lothringen einschließenden Verbrei-
tungsgebiet, das einmal mit dem eher niederdeutschen oder mittelfränkischen, wohl über
Jägersprache eingedrungenen hock (Nr. 36) variiert56, was aber bezeichnenderweise die
Prosafassung wieder zugunsten bare tilgt.
Größer ist die Ausbeute wiederum bei den regional begrenzten Lehnwörtern an der
Grenze, die ganz eindeutige Lokalisierungshinweise geben, ich erwähne das von Rudolf
Post in seiner Arbeit über die galloromanischen Endehnungen im Rheinland bereits kar-
tierte (Karte 4) sabel „Gries, grober Sand“ (Nr. 39 vgl. Abb. 43), dessen Verbreitung am
Westrand mit Begrenzung auf das westliche Moselfränkische, auf Luxemburg, Lothringen
und Saarland deutlich ist57 und durch Flurnamenbelege des Saarbrücker Namenprojekts
noch deudicher wird (Karte 5 - Abb. 44):
Recht ähnlich lagert sich - ebenfalls im Nordwesten ins Niederfränkische ausgreifend -
morsel, morschel für „Bissen, Stück“ (Nr. 42), dem heute freilich die lothringische Mitte
durch die Neuentlehnung oder Kreuzung morssong abhanden gekommen ist; ferner mallete
„Beutel, Handkoffer“ (Nr. 41) < mfrz. mallette „petite malle“, das heute nur noch in Lu-
xemburg gilt.
Ein außerordentlicher Glücksfall ist (Nr. 37) (sich)ßden „sich verlassen auf£ < lat.fidare
„vertrauen“ (wie frz. sefierä ...; vgl. dicken „diktieren“ < dicere), das nur noch lothringisch
und zwar in der Region um Boulay/Bolchen lebt, dort, wo auch der Kaplan der Margare-
the von Rodemachern herkam, und zweitens bei Elisabeth58. Die Prosafassung (x) hat die-
ses Lieblingswort von PTM zwar gekannt, aber bis auf zwei Fälle durch das geläufigere
(sich) verlassen ersetzt, wohl weil ihr ßden zu regional vorkam. Trotz der nur noch punktuel-
len Verbreitung handelt es sich hier jedoch um ein sehr altes Lehnwort, wie die Erhaltung
des zwischenvokalischen [- d -], die Einordnung in eine althochdeutsche Verbklasse (statt
wie bei späterer Übernahme mit dem Verbalsuffix -ieren, z.B. linieren, gradieren etc.), die An-
gleichung an starke Verben im Part. Prät. geßden statt -¿’/und die NTAtitungßdonge „Ver-
trauen“ nahelegen. Es gehört zu den regionalen Reliktlehnwörtern, wie wir sie in der Re-
gion mit macher < maceria, kirkel < circulus, kermeter < coemeterium durchaus häufig vorfin-
55 Vgl. zu den bereits germ. Bildungen auf -sal Henzen, Walter: Deutsche Wortbildung, Tübingen 1957, S.
182f. § 116.
56 Die - wenn auch spärlichen - Flurnamenbelege scheinen die Geltung von Hock "Raubvogel" aber auch
für den Saar-Moselraum zu erweisen.
57 Post (wie Anm. 50), S. 113 Nr. 116 mit Karte 24. Vgl. ferner Christmann, Ernst: Beiträge %ur Flumamenfor-
schung im Gau Saarpfal^ München / Berlin 1938, S. 15. Ein Flurname im Saml (Anf. 16. Jh.) findet sich
auch in Pallien (Stadtteil Trier): Matheus, Michael: Trier am Ende des Mittelalters. Studien %ur Sozial-, Wirt-
schaft.r- und Verfassungsgeschichte der Stadt Trier vom 14. bis 16. Jahrhundert, Trier 1984, S. 36 Anm. 24.
58 Vgl. Bichsei (wie Anm. 39), S. 48.
564
Abb. 43. Karte 4. Sabel,Gries, grober Sand’ im Rheinland (aus Post, wie Anm.
50, Karte 24).
Abb. 44. Karte 5: Sabel ,Sand’ in rezenten und historischen Flurnamen des Saar-
Mosel-Raums ( nach Materialien des Archivs der Flur- und Siedlungs-
namen des Saarlandes und des germanophonen Lothringens, Saarbrü-
cken)
566
den59. Der gleichen frühen ‘Germania Romana’ möchte ich eigentlich auch (Nr. 44) oblet-
ter, oblater (von der Prosafassung akzeptiert!) < lat. oblatarius analog afrz. oublaier „Oblaten-
bäcker, Bäcker“ zuweisen, das sich (außer in Familiennamen) offenbar nirgendwo erhalten
hat:
(44) obletter (v. 2541, 10348 : oublaier) „Oblatenbäcker“ (h obleter, d obletter; oblater); dazu dt.
Familienname Obletter < lat. oblatariur, vgl. frz. oubloier (13. Jh.) „celui qui fait et vend
les oublies“.
Ganz allgemein auf die Sprachgrenze verweist eine Gruppe von vier nur hier (und allen-
falls bei Elisabeth) belegten Wörtern:
(45) florette f. (v. 2886) „Blümchen“ (d Monte) < zitz. florete „Blümchen“.
(46) gofferm. (v. 9480) „Abgrund, Schlund“ (d goeffer) < afrz. gofre „abîme“ (v. 10623 wird li
goujres in gastronomischer Bedeutung mit esse-sack verdeutscht).
(47) proveance f. (v. 9532: pourveance) „Vorrat“ (h, d proviantf < afrz. pourveance „approvisi-
onnement“ (sonst mhd. proviant < it. provianda f.); auch bei Elisabeth dieproueance vnd
lebe^uchtbzvt. p. vnd libnarunge (Sibylle 152,3; Huge Scheppel 54r- 54v; 54vb, 46).
(48) saß-schussel (v. 10568: saucierê) „Soßenschüssel“ (d saßschussel) < lat. salsa- mit ostfrz.
Verstummen von [1] vor Konsonant (Malmedy sas , Lüttich sace, Meurthe-et-
Moselle, Moselle sas, Montbéliard sace).
Von diesen Wörtern war vielleicht florette „Blümchen“ < afrz .florete (Nr. 45) ebenfalls eine
lokal begrenzte Übernahme, da sie (x) nicht akzeptiert und durch blome ersetzt. Dagegen
erscheint goffer „Abgrund, Schlund“ aus afrz. gofre „abîme“ (Nr. 46) auch in d (und zwar
mit Langvokal) und auch ohne die bereits altfranzösische gastronomische Bedeutungser-
weiterung; ebenso proveance, proviant% „Vorrat“ < afrz. pourveance (Nr. 47), das Elisabeth
noch kennt, das sich aber sicherlich wegen der allzu großen Ähnlichkeit des aus it. provian-
da endehnten mhd. proviant nicht halten konnte60. Das gilt auch für Nr. 48 saß „Soße“ <
lat. salsa, das gegenüber dem aus zentralfranzösischem sauce endehnten frühneuhochdeut-
schen soße (bei dem in Paris studiert habenden Konrad von Megenberg, 14. Jh., die Vari-
ante sobsse) unterlag, aber ganz deutlich die ostfranzösische Abkunft verrät, und zwar
durch den Schwund des [1] vor folgendem Konsonanten.
59 Vgl. Haubrichs, Wolfgang: „Lautverschiebung in Lothringen. Zur althochdeutschen Integration vorger-
manischer Toponymie der historischen Sprachlandschaft zwischen Saar und Mosel“, in: Rolf Bergmann
/ Heinrich Tiefenbach / Lothar Voetz (Hgg.): Althochdeutsch, Heidelberg 1987, Bd. 2, S. 825 - 875, hier S.
130f. Weiteres findet sich bei Post (wie Anm. 50). In diese frühe Lehnwortschicht sind auch viele loth-
ringische, aus Flurnamen rekonstruierbare Entlehnungen einzubeziehen, z.B. a. 1524 aus einem deut-
schen Grundbuch in St. Medard bei Marsal Prattet < pratella „kleine Wiese“, Fünthel < fontella „kleine
Quelle“. Vgl. Witte, Hans: Das deutsche Sprachgebiet Lothringens und seine Wandlungen von der Feststellung der
Sprachgrenze bis Ausgang des 16. Jhs., Stuttgart 1894, S, 46.
60 Vgl. Ising (wie Anm. 43), S. 124; Bichsei (wie Anm. 39), S. 45.
567
Man muß registrieren, daß die kaum fernab von (b) arbeitende Prosafassung (x) manche
der Wortschatzbesonderheiten der Versübersetzung beseitigte oder ersetzte61, so bei den
Lehnwörtern keten „Löwenzahn“ durch Tilgung. Ersetzt wurden karich durch karr „Kar-
ren“, boppe (in einem Sinne) durch abtgot, mallete „Beutel“ durch watsack „Reisetasche“ bzw.
schryn „Kasten, Schrein“, und sich fiden teilweise durch sich verlassen; bei den Erbwörtern er-
folgte bei gatii „Spaß, Spott“ Umschreibung, kladde „Klumpen“ wurde ersetzt durch teyl,
ferner sprinke „Heuschreck“ durch hupper „Hüpfer“, huldeschajf „Vasalütät“ durch manschajt
und das wohl ganz archaisch klingende ge-wist „Aufenthaltsort, Land“ durch ende, lant, wo-
nunge u.a.
Was dürfen wir nun als Resultat dieser Untersuchungen buchen?
PTM (b), die Versübersetzung der ‘Pèlerinage de vie humaine' des Guillaume de Digulle-
ville, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im lothringisch-saarländischen Raum, zwi-
schen Sprachgrenze und Hunsrück, am Nordrand des Rheinfränkischen, entstanden, wo-
bei unter den klösterlichen Stätten des Raumes St. Avold, Longeville/Lübeln, allenfalls
auch Bouzonville/Busendorf und Wadgassen oder gar Weiler-Bettnach, ein Zisterzienser-
kloster, in Frage kämen, freilich auch die Residenzstadt Saarbrücken. Die Evidenz für die-
se Lokalisierung kommt aus vier Quellen:
1. aus der lothringischen Vorlage der Übersetzung;
2. aus der besitzgeschichtlichen Rückführung auf Margarethe von Rodenmachern aus
dem Hause Nassau-Saarbrücken;
3. aus der dialektalen Verankerung dem Lautstande nach an der Nordgrenze des Rhein-
fränkischen;
4. aus der wortgeographischen Verankerung im sprachgrenznahen Raum zwischen Saar
und Mosel.
Damit ist - was angesichts der dünnen Textüberlieferung aus diesem Raume nicht gering-
zuschätzen ist - ein neues Zeugnis der frühneuhochdeutschen Literatur und Sprache des
Saar-Moselraumes gewonnen. Nicht endgültig zu klären ist vorläufig, ob eventuell Elisa-
beth (oder gar ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin ihrer Übersetzungen) an PTM mit-
gewirkt hat. Als nächste Aufgaben bleiben: die Edition der Prosafassung von PTM und
der Vergleich mit der Textüberlieferung der Region im fünfzehnten Jahrhundert, insbe-
sondere mit den Werken der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, die selbst teilweise noch
der Edition, gewiß aber einer sprachlichen und wortgeographischen Erschließung harren. 01
01 Es wäre eine lohnende Aufgabe, die Lehn- und Fremdwortintegration (romanische Altschicht, Fach-
wortschatz, Grenzentlehnungen, okkasionelle Entlehnungen usw.) in PTM zu untersuchen.
568
Die Rezeption der Prosaromane Elisabeths von Nassau-Saarbrücken -
vom ‘Volksbuch’ bis zur Romantik
Gerhard Sauder
1
Zur Entstehungsgeschichte der Konstanter Rezeptionstheorie gehörte die Wiederentde-
ckung des Lesers. 1967 warb der Romanist Harald Weinrich „Für eine Literaturgeschichte
des Lesers“1. Er konnte auf zahlreiche Hinweise auf diese ungeschriebene Lesergeschichte
bei französischen Literatursoziologen zurückgreifen — nicht zuletzt Jean-Paul Sartre hat
Aufmerksamkeit für den Leser gefordert1 2. Nach einem schnellen Aufschwung dieses For-
schungsgebiets in den siebziger Jahren, der von der erstaunlichen Karriere der Rezepti-
onsästhetik profitierte, ist es schon im letzten Jahrzehnt sehr ruhig geworden um den
Komplex „Leser“ und „Lesergeschichte“. Das Pendel der wissenschaftlichen Interessen,
um nicht von immer schneller wechselnden Moden zu sprechen, schwang zurück zu einer
neuen Werkimmanenz, ob sie sich nun den „Diskursen“, den „Brüchen“, dem „Ungesag-
ten“ oder den „Palimpsesten“ nach dem Vorgehen Foucaults, Lacans und Derridas oder
aber der „Sakralisierung“ des Kunstwerks (George Steiner)3 selbst zuwandte.
Eine argumentative Kritik an dem Vorschlag Harald Weinrichs „Für eine Literaturge-
schichte des Lesers“, dem seinerzeit viele Literaturwissenschaftler zustimmten, ist meines
Wissens nicht erfolgt. Wie sich allerdings früh schon die Partialität der Rezeptionsästhetik
erwies, so wird man heute auch nicht mehr einer Literaturgeschichte das Wort reden wol-
len, die allein aus der Perspektive des Lesers geschrieben wäre. Die Integration dieser Fra-
gerichtung in eine umfassendere Methodologie von Literarhistorie wäre allerdings nach
wie vor sinnvoll. Vielleicht erfährt die „Literaturgeschichte des Lesers“ in den nächsten
Jahren im Horizont der zahlreichen neuen medialen Möglichkeiten eine Renaissance — die
Eule der Minerva beginnt bekanntlich ihren Flug in der Kirchschen Dämmerung, wenn
die Lesekultur noch weiter zurückgeht.
2
Die Rezeption der Prosaromane Elisabeths erfolgt in einer Übergangszeit, für die eindeu-
tige Aussagen über die Dominanz des Hörens oder Lesens nicht möglich sind. Im Gegen-
satz zu alten germanistischen Lehrmeinungen, wonach bis ins späte Mittelalter hinein Li-
teratur vorgetragen und kaum individuell gelesen wurde, hat neuere Forschung gezeigt,
1 Zuerst in: Merkur 21 (1967), S. 1026-1038. Redigierte Fassung in: H.W.: Literatur für Leser. Essays und Auf-
sätze zur Literaturwissenschaft, München 1986, S. 21-36.
2 Sartre, Jean-Paul: Was ist Literatur? Ein Essay [Paris 1948. Übertragen von Hans Georg Brenner], Ham-
burg 1958.
3 Vgl. Steiner, George: Von realer Gegenwart. Hat unser Sprechen Inhalt? Mit einem Nachwort von Botho
Strauß, aus dem Englischen von Jörg Trobitius, München/Wien 1990.
569
daß seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert und intensiv seit dem frühen 14. Jahrhundert
Laien die alte Sprachkultur zugunsten einer Schriftkultur ablösen. Allerdings vollzieht sich
der Übergang vom Hören zum Lesen in langsamen Schritten. Manfred Günter Scholz hat
die Auffassung vertreten, daß die in mittelalterlicher Epik zahlreichen Aufforderungen des
Erzählers an seine Zuhörer, gut zuzuhören, nicht unbedingt als Indiz für die tatsächlich
bestehende Kommunikation zwischen Vortragendem und Zuhörern gewertet werden
müssen. Das so häufig verwendete „hoeren“ bedeutet auch „kennenlernen“ oder „erfah-
ren“, so daß die von Elisabeth noch verwendeten „Audite-Formeln“ nur nach genauer
Prüfung des Kontexts in ihrer spezifischen Bedeutung und Funktion zu fassen sind.
Grundsätzlich gilt die Erkenntnis, daß alle „Literatur, die auf das Pergament oder Papier
gelangt“, potentiell „Vortrags- und Leseliteratur zugleich“ ist4. Im Horizont dieser Frage-
stellungen muß hier auch erwähnt werden, daß die Prosa von Elisabeths Übersetzungen
wohl kaum noch mit der „Singstimme“ vorgetragen wurde, wenn sie überhaupt noch
vorgetragen worden ist. Gerade bei diesem Genre ist schon früh mit Lesern zu rechnen.
Im Umkreis von Elisabeth ist das Ausleihen von „Büchern“ belegt. Ihre der Literatur so
günstige Erziehung hat sie gewiß motiviert, schon früh selbst zu lesen. Die Prachthand-
schrift, die ihr Sohn Graf Johann III. von Nassau-Saarbrücken, in Auftrag gab, ist nicht
zuletzt wegen der zusätzlichen Informationen durch die Illustration (Wappen) in erster
Linie für die Lektüre von wenigen Privilegierten bestimmt gewesen5. Daneben muß es
auch eine größere Zahl von ‘Gebrauchshandschriften’ gegeben haben, die entweder dem
Vortrag oder der privaten Lektüre dienten. Solche Handschriften lagen den ersten Dru-
cken zugrunde. Scholz vermutet die potentiellen Leser der epischen Literatur des Hoch-
mittelalters — vor allem sind es zunächst Frauen6 — in folgenden Berufen und Schichten:
Schreiber, die Dichter selbst, Angehörige des hohen und niederen Adels, vermögende
Bürger (meist Kaufleute), aber auch religiöse Gruppierungen — wie die Katharer und Wal-
denser — und selbstverständlich die Geistlichkeit. Folgt man diesen Untersuchungen von
Scholz, so hat es bereits im 12. und mehr noch im 13. Jahrhundert ein Lesepublikum ge-
geben, das natürlich zunächst noch sehr klein war, wie ja auch mittelalterliche Handschrif-
ten immer für einen engen Kreis bestimmt waren7.
3
Elisabeth hat die von ihr ausgewählten chansons de geste als Geschichten der eigenen
Vorzeit der Adelsgeschlechter ihrer Familie ins Deutsche übertragen. Die Texte wurden
4 Scholz, Manfred Günter: Hören und Lesen. Studien s(itrprimären Rezeption der Literatur im 12. und 13. Jahrhun-
dert, Wiesbaden 1980, S. 89.
5 Vgl. Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs wappen. Königsgeschichte und genealogische
Motivik in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken.“ in: Der Deutschun-
terricht 43, Heft 4 (1991), S. 4-19.
6 Vgl. das Kapitel „4.2 Die Rolle der adligen Damen“ in: Backes, Martina: Das literarische Heben am kurpfälfi-
schen Hof %u Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag %ur Gönnerforschung des Spätmittelalters, Tübingen 1991,
S. 171-191, bes. S. 184 („Herpin“), 186, 188ff.
Scholz: Hören und Lesen (wie Anm. 4), S. 230.
570
durch wenige Veränderungen „ins genealogische Gebäude deutscher Adelsgeschichte
einbezogen.“8 Jan-Dirk Müller hat in seinen Studien zu Elisabeths Prosaromanen gezeigt,
daß die Handschriften, die ihre Werke überliefern, „die gemeinschaftsbildenden und
normbestätigenden Funktionen der Heldenepik bewahrt“ hatten9. In diesem Kontext
werden Elisabeths Appelle an die Hörer/Leser und andere direkte Anreden, die eine an-
wesende Hörergruppe voraussetzen, weniger als Unachtsamkeit der Übersetzerin, son-
dern als Bewußtsein von der Zusammengehörigkeit der in deutscher Sprache vermittelten
Epenwelt und der versammelten Hörergemeinschaft zu verstehen sein. In neueren Arbei-
ten von j.-D. Müller und W. Haubrichs wurde nachgewiesen, daß sich eine Teilhabe der
höfischen Hörergemeinschaft an der epischen Geschichtswelt nicht zuletzt in den Hand-
schriften ausgedrückt hat. Dies gilt besonders für die durch Graf Johann III. in Auftrag
gegebenen Prachthandschriften der Werke Elisabeths. Vor allem die Wappen geben Hin-
weise, die über den Text hinausreichen; insofern unterscheiden sich die ,Botschaften* bei-
der Medien, wenn sie auch eng aufeinander bezogen bleiben. In den Massenaufzügen und
Kriegsszenen werden in den Illustrationen des ‘Loher’ und ‘Huge Scheppel’ Gruppen
durch ihre Wappen gekennzeichnet, die im Text nicht erscheinen. Das Wappenprogramm
setzt einen deutschen Rezipientenkreis voraus10.
Wolfgang Haubrichs hat die Anregungen Müllers weitergeführt und die Bezüge „von Per-
sonen des Epenzyklus, die Elisabeth teils neu einführte oder umbenannte, zum Saarbrü-
cker Grafenhaus und zu den Lothringer Herzogen“ detailliert nachgewiesen. Er nennt
dieses Verfahren, das die Verwandtschaft mit den Kapetingern und mit Karl dem Großen
behauptet, „geistige Ansippung an die vornehmsten und ältesten Geschlechter des euro-
päischen Hochadels“. Im Wappenprogramm der Prachthandschriften sei es dem Haus
Nassau-Saarbrücken darum gegangen, seinen „Anspruch, mit den vornehmsten Häusern
der deutschen und französischen Adelswelt verwandt zu sein, repräsentativ darzustel-
len“11. Aus diesen neuen Einsichten ergibt sich auch eine differenziertere Abfolge der Re-
zeption von Elisabeths Werken in Handschriften. Die erste Stufe repräsentiert die Pracht-
ausgabe der Handschriften mit revidiertem Text, die Johann III. zwischen 1455 und 1462
in Auftrag gab. Prachtausgaben von Heldenzyklen und Prosaauflösungen von chansons
de geste, die am burgundischen Hof zwischen 1447 und 1462 entstanden, könnten auf die
Redaktion dieser Textstufe noch eingewirkt haben. Schließlich läßt sich die Diffusion von
Teilhandschriften des Zyklus an südwestdeutschen und rheinischen Höfen von Nachbarn
und Verwandten (‘Herpin’, ‘Loher und Maller’) als weitere Stufe der Handschriftenrezep-
tion im Horizont der Kitterrenaissance ansetzen12.
8 Müller, Jan-Dirk: „Späte Chanson de geste-Rezeption und Landesgeschichte. Zu den Übersetzungen der
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken.“ In: Wolfram-Studien XI (1989), S. 206-226, hier: S. 208.
9 Wie Anm. 8, S. 209.
10 Wie Anm. 8, S. 214ff. Vgl. Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs wappen“ (wie Anm. 5).
11 Wie Anm. 5, S. 15ff.
12 Ebd., S. 18.
571
4
Der berühmteste Prosaroman aus der Übersetzungstätigkeit Elisabeths war ‘Huge Schep-
pel’, der seit 1500 als ‘Hug Schapler’ durch den Buchdruck kontinuierlich verbreitet wur-
de. Vom Entstehungsort war die Offizin von Johann Grüninger in Straßburg nicht weit
entfernt. Dort erschien ‘Hug Schapler’ 1500 zum ersten Mal mit 37 Holzschnitten, 1508
in einer zweiten Auflage mit 38 Holzschnitten, 1537 mit einem revidierten Text und 40
Holzschnitten bei Bartholomeus Grüninger. Weitere Ausgaben erschienen in Abhängig-
keit von diesem Druck 1556 in Frankfurt (63 Holzschnitte) und wieder in Frankfurt bei
einem anderen Verlag 1571 (63 Holzschnitte). Ein erneut bearbeiteter Text erschien 1604
in Leipzig (61 Holzschnitte), auf den die weiteren Auflagen Leipzig 1616 (70 Holzschnit-
te), Nürnberg 1652 (70 Holzschnitte) und Nürnberg 1664 (70 Holzschnitte) zurückgin-
gen. Der späte Druck Nürnberg 1794 ohne Illustrationen benutzte noch einmal die Aus-
gabe Leipzig 1604'3. Eine gründliche Untersuchung der einzelnen Drucke, ihrer jeweiligen
Bearbeitungen und Anpassungen an veränderte Publikumserwartungen steht noch aus.
Erst damit wäre die materiale Basis einer spezifischen Rezeptionsgeschichte geschaffen.
Bekanntlich läßt sich über die Leser der Buchausgaben nicht viel Genaues sagen. Erstaun-
lich dürfte allerdings der kontinuierliche Bedarf des Buchhandels nach neuen Ausgaben
im Abstand von 20-30 Jahren gewesen sein. Mit einer Mindesauflagenhöhe zwischen 400
und 600 ist zu rechnen.
Die Wertschätzung der ‘Hug Schapler’-Drucke in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
dokumentieren Verkaufszahlen des Frankfurter Buchhändlers Sigmund Feyerabend. Der
Leipziger Buchhändler Simon Hutter forderte 1568 bei Feyerabend folgende Prosaroma-
ne an (die Zahlen für die Werke, die neben dem ‘Hug Schapler’ teilweise noch wesentlich
erfolgreicher waren, erlauben vergleichende Überlegungen — der ‘Eulenspiegel’ ist mit Ab-
stand der, Bestseller4!):
20 Fiorio Bianceffora 60 Oktavianus
25 Hug Schapler 50 Fortunatus
30 Herr Tristant 10 Magelona
20 Keyser lohr 115 Eulenspiegel
20 Melusina 80 die sieben weisen Meister13 14.
Feyerabend selbst verkaufte 1568 folgende Prosaromane; für die Schwankungen des Ver-
kaufserfolgs desselben Titels im Frühjahr-/Herbstgeschäft habe ich keine Erklärung.
13 Vgl. den Überblick über die Druckausgaben: Hug Schapler. Hin lieplichs lesen und ein warhafftige Hystorij, mit
einem Nachwort von Marie-Luise Lina, Hildesheim/New York 1974, S. 117ff. (= Deutsche Volksbü-
cher in Faksimiledrücken, hrsg. von L.E. Schmitt und R. Noll-Wiemann, Reihe A, Bd. 5)
14 Pallmann, Heinrich: Sigmund Feyerabend. Sein Heben und seine geschäftlichen Verbindungen, Frankfurt/M. 1881,
S. 161 (= Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, N.F, Bd. 7).
572
Herbstmesse Fastenmesse
Eulenspiegel 270 481
Hugschapler 50 158
Fortunatus 168 224
Magelone 126 142
Melusine 113 192
Oktavianus 140 260
Ritter Pontus 132 68
Tristrant 12615. 146
Der Frankfurter Buchhändler Michael Harder verkaufte auf der Fastenmesse 1569 von
Hug Schapler 97
Magelone 176
Melusine 158 Exemplare16 17.
An den Vorreden der Ausgaben von 1500 und 1537 lassen sich Text-Veränderungen be-
obachten, die innerhalb weniger Jahrzehnte notwendig geworden sind. Während die erste
Vorrede (1500) die Vorgeschichte des Huge Scheppel erzählt (Loher-Geschichte) und den
Zusammenhang mit der Karls-Vita und dem Schicksal seiner Söhne Ludwig und Lothar
herstellt, wendet sich eine zweite Vorrede in aller Kürze an Hörer oder Leser. Dabei wer-
den die alten epischen Audite- und Friedens-Formeln bereits als Topoi eingesetzt — für
den Leser der Buchfassung, die natürlich immer noch vorgelesen werden konnte, hatten
sie ihren konkreten Sinn verloren.
Ein ander vorred
JR herren machen frid vnd sun durch gott den milten. so werdent ir eyn schön geschieht vnd matery hören
als ir so ich meyne in langer yyt hübscher nit gehört haben. Man jyndt ouch des die bewerung yu Pariß in
sant Dyonisius kirchen in der waren kronicken / do fürsten vnd herren wol die warheit in hören / do
ouch diß buch vßgeschriben ist in welsche / vnd dett es der wolgebome graff herr Johann graff yu Nassaw
vnd yu Sarbrücken herr yu heinßberg etc. vß schriben / vnd yu Sarbrücken macht es sin muter genant
Elyyabeth von lottringen grefjyn yu widmont yu tütsch. Vnnd hab ich Conrat heyndörjfer den schlechten
text begriffen also kurty so ichyemer kund}1.
15 Wie Anm. 14, S. 156. Zit.n.: Arendt, Dieter: Fulenspiegel — ein Narrenspiegel der Gesellschaft, Stuttgart 1978, S.
22, Anm. 48.
16 Meßmemorial des Frankfurter Buchhändlers Michael Harde yur Fastenmesse 1569, hg. v. E. Kelchner und R. Wül-
cker, Frankfurt a. M./Paris 1873, S. VIII.
17 Hug Schapler (1500). Zit. n.: Melusine, Fortunatus, Faust. Die Romane des 15. und 16. Jahrhunderts, hrsg. von
Jan-Dirk Müller, Frankfurt a.M. 1990, S. 192 (= Bibi Deutscher Klassiker, Bibliothek der Frühen Neu-
zeit, 1).
573
Es ist geradezu ein Glücksfall, daß sich im ersten Druck von Elisabeths Prosaroman der
Bearbeiter Conrad Heyndörffer zu erkennen gibt. Sein Vorhaben war vor allem Kürzung.
Diese beschränkt sich allerdings auf den zweiten und dritten Teil des Prosaromans. Her-
mann Urtel18 hat aufgrund der Unterschiede zwischen der Hamburger Handschrift und
dem Druck von 1500 nachweisen können, daß Heyndörffer eine andere Handschrift als
Vorlage für seine kürzende Bearbeitung zur Verfügung stand. Seiner Kürzung fielen vor
allem Reflexionen und die oft sehr ausführlichen Kampfbeschreibungen zum Opfer,
Zahlreiche brutale Details wurden gestrichen.
Hanns Klein hat einen Conrat Heyndörffer aufgespürt, der dem Grafen Johann III. von Nas-
sau-Saarbrücken am 9. Oktober 1470 für einen „Dienstsold“ quittierte, wobei allerdings
weder Höhe des Betrages noch die Art der Dienstleistung angegeben sind. Ein Vermerk
von anderer Hand auf der Rückseite der Quittung formuliert ergänzend Conrad schribers
quitiande]. Klein hält es für wahrscheinlich, daß es sich dabei um den „Illuminist bzw.
Briefmaler“ handelte, welcher die Prachtkodizes von Elisabeths Werken herstellte und
daß rund drei Jahrzehnte später über ihn die Verbindungen vom Saarbrücker Hof zum
Straßburger Druckgewerbe, näherhin der Grüningerschen Offizin, liefen19 20 21 22.
In der Vorrede zum Druck von 1537, dessen Bearbeiter sich nicht nennt, wird auf die In-
tegration des Prosaromans in den Zyklus der Karls-Gesten völlig verzichtet. Die Akzentu-
ierung von „History“ zeigt, daß nun der Charakter von „Geschichte“ hervorgehoben
werden soll. Gleichzeitig wird aber auch das Bewußtsein von Fiktionalität spürbar. Der
Doppelcharakter von „History“ und „Story“ äußert sich in dem Ziel, sie glaublicher vnd
angnemer zu gestalten. Der Vorredner setzt sich von Heyndörffers Kürzung und Bearbei-
tung ab, da sie vor vilen jaren erschienen sei, als die deutsche Sprache noch nicht die jetzige
Vollkommenheit (= 1537) besessen habe. Die Geschichte von Hug Schapler müsse nach
der jetzigen weit lauff / sitten / geberd / wesen vnnd wandet neu formuliert werden, damit sie der
yeffund lebenden jungen welfA verständlich sei. Seine Absicht sei es gewesen, den Text nach ge-
legenheit vnd gestalt der %eyfi2 zu bessern, zu kürzen oder zu erweitern. Allerdings bleiben die
Zusätze auf die ersten zwölf Seiten beschränkt23. Erstaunlich ist der Hinweis auf den Fort-
18 Der Huge Scheppel der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, nach der Handschrift der Hamburger Stadt-
bibliothek mit einer Einleitung von Hermann Urtel, Hamburg 1905, S. 14ff. (= Veröffentlichungen aus
der Hamburger Stadtbibliothek, 1).
19 Klein, Hanns: „Eine anonyme Buchdruckerfamilie im frühen 16. Jahrhundert zu Saarbrücken. Bemer-
kungen zu ihrer Herkunft, Beziehungen nach Straßburg und zum Saarbrücker Schmucksteingewerbe“,
in: Eder-Stein, Irmtraud / Jacoby, Fritz / Stein, Wolfgang Hans / Ulrich, Claudia (Hgg,): Beiträge %ur Ge-
schichte von Gewerbe, Industrie und Verwaltung im Westrich und an der Saar für und mit Hanns Klein aus Anlaß seines
75. Geburtstages, St. Ingbert 1995, S. 185-197, hier S. 191 f.
20 Vorrede zu Hug Schapler (1537). Zit. n. Melusine, Fortunatus, Faust. Die Romane des 15. und 16. Jahrhunderts
(wie Anm. 17), S. 345.
21 Wie Anm. 17, S. 346.
22 Wie Anm. 21.
23 Vgl. Müller, Jan-Dirk: „Held und Gemeinschaftserfahrung. Aspekte der Gattungstransformation im frü-
hen deutschen Prosaroman am Beispiel des ‘Hug Schapler’“, in: Daphnis, Heft 1 (1980), S. 393-426, hier
S. 403.
574
©ulieplicbs lefen pnt> ein
2uaebafftigefe)>rconi zute
tiim (6 $4 fjUcfi hottet fc^apiet vn xt$ <3 fc$iec$c) ein gewaltiger Bing
3«. jtwic&tt# watö%r<$ fein <JrofentTeciict,e mangelt* vtib «leite gefdV
afft faßt fo ift er «5 nzft geweffen n<v$ (Caroltte fgit fiintg 3Ltt$>mge
Abb. 45: Titelblatt des ,Hug Scheppel’-Drucks (Reproduktion aus
Marie-Luise Linn, wie Anm. 13)
schritt, der in der Gegenwart von 1537 im Vergleich mit dem Beginn des Jahrhunderts
empfunden werde: so werden wir gar ein trefflichen Übersprung / auch vnderscheyd vnd ändern ng der
alten gegen den neüwen sitten befinden vnd spüren1A. Der Vorredner verzichtet ausdrücklich auf
rhetorischen Schmuck und bekennt sich zu seiner einfeltigen bschreibung / nach der jetzigen weit
lauff vnd wesen25. Er hoffe, er habe die Historien yu bessern verstandt / nach gestalt vnd lauff dery-
etgigen weit / mit ettlichen Wörtern dochyederman on schaden vnnd nachtheil / gespickt24 25 26.
24 Wie Anm. 17, S. 346.
25 Wie Anm. 23.
26 Wie Anm. 17, S. 347.
575
p
7 j* $ n
(Bn fcböne juarbafhgefe)^
fttwoonlRetfer Karoluefun genant 3-oberoöcr
XoMifa»»kcexxtba»t warb ft t>m tat; 'ierofimigmctf vtifc atfctfui^ufclbnj
yät ft nttakf btm$e/9ae et jitiöjl 6afet/vn5 im vf^efcfmtm xratt» • #\ r \
Abb. 46: Titelblatt des Erstdruckes von ,Loher und Maller’, Straßburg: Johannes
Grüninger 1514, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 298 Hi. 2°,
ca. 25 x 18 cm
576
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Abb. 47: Titelblatt des dritten Druckes von ,Loher und Maller’,
Frankfurt: Weigand Hans Erben 1567, Herzog August
Bibliothek Wolfenbüttel 512.7 Hi., ca. 18 x 15 cm
577
Der Vergleich der beiden Fassungen und ihrer Vorreden zeigt, mit welcher Selbstver-
ständlichkeit sich im Abstand weniger Jahrzehnte die Rezipienten das Recht nehmen, den
Text zu bearbeiten, zu kürzen oder zu erweitern. Der Bearbeiter von 1537 hat nicht mehr
den historischen Ehrgeiz Heyndörffers. Er hält zwar am Anspruch fest, historische
Wahrheit zu erzählen. Aber seine Rolle ist nicht mehr die des Historikers allein. Er ver-
spricht, dem „Lauf der Welt“ folgend die Erwartungen, die neuerdings an eine Erzählung
gerichtet werden, zu erfüllen, und erlaubt sich daher auch, Motivationen hinzuzuerfin-
den27. So gesehen sind die verschiedenen Drucke des ‘Hug Schapler’ Beispiele für Verän-
derungen der Mentalität der Leser und der sich wandelnden Funktionalisierung von Lite-
ratur.
Auf eine eigentümliche Form der Doppelrezeption des ‘Hug Schapler’ in den Drucken
von 1500 und 1508 hat Frieder Schanze hingewiesen. In überraschend vielen Fällen liegt
eine „Überlieferungsgemeinschaft“ des Drucks der 'Königstochter von Frankreich’ mit
‘Hug Schapler’ vor. Von 15 Exemplaren der ‘Königstochter’ von 1500 und 14 Exempla-
ren des ‘Hug Schapler’ von 1500 sind oder waren neun zusammengebunden. Von den
sieben Exemplaren der ‘Königstochter’ von 1508 und den zehn Exemplaren des ‘Hug
Schapler’ von 1508 sind oder waren vier zusammengebunden. Eine Erklärung aus einer
zufälligen Entscheidung des Buchhändlers oder der Käufer und Besitzer führt ins Leere.
Grüninger hat die 1500 und 1508 gleichzeitig gedruckten Bücher auch zum selben Zeit-
punkt auf den Markt gebracht. Dabei waren natürlich auch geschäftliche Interessen im
Spiel. Doch überwiegen charakteristische Rezeptionsinteressen. Beide Texte wurden ei-
nerseits als Erzählliteratur gelesen, andererseits stehen sie den chronikalischen Texten na-
he. Das Nebeneinander von Vers (‘Königstochter’) und Prosa (‘Hug Schapler’) störte we-
der den Drucker Grüninger noch die Käufer der Bücher. Der inhaltliche Zusammenhang
war hier absolut dominant28.
Die außerordentlich solide Dissertation von Ralf Konczak29 demonstriert, wie nützlich
künftige Untersuchungen zur Rezeption der Prosaromane Elisabeths am Leitfaden der
Druckbeschreibung und der Druckgeschichte wären. Eine entsprechende Arbeit zu ‘Hug
Schapler’ wäre dringend erforderlich. Der erste Druck von ‘Loher und Maller’, erschienen
bei Johannes Grüninger in Straßburg 1514, ist wie viele Grüningersche Drucke bemüht,
sich in „Format, Satz, Gestaltung und Typen der Überschriften, der zu erschließenden
2 Vgl. Müller, Jan-Dirk: „Held und Gemeinschaftserfahrung“ (wie Anm. 23), S. 408.
28 Schanze, Frieder: „Hans von Bühel, ‘Die Königstochter von Frankreich’. Struktur, Überlieferung, Rezep-
tion. Mit einem buchgeschichtlichen Anhang zu den ‘Königstochter’- und ‘Hug Schapler’- Drucken und
einem Faksimile der Königstochter-Bearbeitung des Cyriacus Schnauß, in: Haug, Walter und Wachinger,
Bernhard (Hgg.): Positionen des Romans im späten Mittelalter., Tübingen 1991, S. 233 bis 327, hier: 262-270
(Anhang I).
29 Konczak, Ralf: Studien ptr Druckgescbichte zweier Romane Elisabeths von 'Nassau-Saarbrücken: „Roher und Maller“
und „Herpin“, Frankfurt u.a. 1991.
Nach Abschluß des Beitrages erschien: Bichsei, Peter: ,Hug Schapler1 — Überlieferung und Stilwandel Ein Bei-
trag ^um frühneuhochdeutschen Prosaroman und per lexikalischen Paarform, Bern usw. 1999 (= Züricher germa-
nistischer Studien, Bd. 53).
578
5Dcrft>e$9btfer:
dtfy&fftt ^
fd>K& tJOIl /kt^Og TktpUt
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lampt fiiwm ©ima^l/burcf) vmtaitr vnt
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(to/21 u4 wie im'iöctt einen $5on gab/ /?ergog£:>ti»
genannt / ber Ut*li<f)/ mit bef» meiffen Oitu
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ÖRft feminin 5<gurrti ftfjunbr tt?ibrrum&
euiff* neun? ge|imt gerinn
Abb. 48: Titelblatt von ,Herpin’, Frankfurt: Reffeier, ca.
1579, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel
556-11. Hist. 8°, ca. 18x15 cm.
579
handschriftlichen Vorlage“30 anzunähern. Durch die Beigabe von Holzschnitten und die
Absicht, jeder Überschrift einen Holzschnitt zuzuordnen, wurde bereits im zweiten Druck
(bei Wevgand Han, Frankfurt o.J.), der vor 1561 erschien, erkennbar, was der dritte und
vierte Druck (Frankfurt 1567 und Leipzig 1613/14) realisieren: Jede Überschrift wird bis
auf zwei oder drei Ausnahmen mit einem Holzschnitt verbunden. Das Buch löst sich da-
mit von den handschriftlichen Vorlagen und wird zu einem einheitlich gestalteten Werk
des Buchdrucks. Konczak hat folgende Ergebnisse erzielt: die druckgeschichtliche Über-
lieferung der beiden Romane fand in zwei Schritten statt. Die beiden Erstdrucke gab
Grüninger im Jahr 1514 heraus, wobei der Erstdruck von ‘Herpin’ nicht in so starkem
Maße der handschriftlichen Vorlage verpflichtet ist wie der Erstdruck von ‘Loher und
Maller’. Die Zweitdrucke folgen etwa fünfzig Jahre später in Frankfurt. Bis 1579 erschei-
nen innerhalb von 18 Jahren, von 1561 ab gerechnet, in Frankfurt von beiden Romanen
je zwei selbständige Drucke. Es bestand also rege Nachfrage nach Elisabeths Prosaroma-
nen. Die zweite Bearbeitungsstufe ist mit dem Wechsel des Druckorts verbunden. Seit
1530 hat Straßburg seine wichtige Stellung an Frankfurt als Druckort und Messeplatz ab-
gegeben31. Unterschiede zwischen den Drucken lassen sich zunächst als Ergebnis von pu-
blikums- und marktorientierten Entscheidungen des Druckers und Verlegers erklären. Die
„Gebrauchssituation“ des Druckes, die nicht völlig rekonstruierbar ist, läßt sich allerdings
nur partiell aus der Gestaltung der Drucke erschließen. Mit Recht hat Konczak vor
Zirkelschlüssen auf diesem Gebiet gewarnt. Lesersoziologische Untersuchungen sind we-
gen der unbefriedigenden Quellenlage nach wie vor auf zahlreiche Hypothesen angewie-
sen. Nur die Texte selbst bieten einzelne Hinweise. Selbst über den Bücherpreis in der
Frühdruckzeit herrscht Unsicherheit — daß Bücher noch immer teuer waren, ist die einzig
sichere Aussage32.
5
Die Skizze des Erfolgs von Elisabeths Prosaromanen dank der Verbreitung durch den
Buchdruck hat wohl deutlich machen können, daß offenbar ein gattungsorientierter Er-
wartungshorizont von potentiellen Lesern solcher Texte bestand und von durchaus
marktorientierten Druckern auch bedient wurde. Die Literatur der Zeit, die nicht geizt mit
Hinweisen auf literarische Quellen und ihre Stoffe großzügig immer neu adaptiert oder äl-
tere Formulierungen zu überbieten versucht, bezeugt auch jenseits des Genres ‘Prosaro-
man’ den bescheidenen Ruhm der Werke Elisabeths. 1556 hat Hans Sachs folgendes
Werk vorgelegt und wohl auch aufführen lassen: ‘Comedia, mit 18 personen zu spilen,
von Hugo Schapler, dem streitbarn helden in Franckreych, und hat 7 actus.’ Nach dem
Schema der in den fünfziger Jahren von Sachs geschriebenen Stücke hat auch dieses einen
Rahmen mit Prolog und Epilog. Der Prolog mit Anrede des Theaterpublikums nennt die
französische Quelle und Elisabeth als Übersetzerin. Eine Kurzfassung des Inhalts wird
30 Ebd, S. 66.
31 Ebd., S. 190.
32 Ebd., S. 194.
580
vom Herold, der den Prolog vorträgt, vorangestellt. Hans Sachs verschweigt die amourö-
sen Abenteuer seines Helden keineswegs, nutzt sie jedoch, nachdem Hugo mit knapper
Not dem Galgen entgangen ist, zur Veranschaulichung von Buße und Bekehrung:
Ich bin eim heissen Bad entrunnen
Nach dem aber bin ich besunnen,
Wil fort der bu¡schafft müssiggehn,
Drob mir vil unrats %u ist stehn.
Wann ich hab mich auch in Braband
Zwölff drob erweret mit der hancP3.
Er will künfdg dem Rat seines Vetters Simon in Paris folgen. Um seine Lebenswende
gleichsam unter Beweis zu stellen, rettet er mitten im Wald eine Jungfrau aus den Händen
von zwei Bösewichten — eine Szene, die typologisch auf St. Georgs Tötung des Drachen
verweist. Von nun an wird Hugo in Paris zum Retter der Königin und des Königreichs
aufsteigen und mit der ihm schließlich verliehenen Königswürde den Lohn für sein muti-
ges und tugendhaftes Handeln erhalten:
Von nidrem gschlecht wart erweldt
Durch sein ritterlich tugendt gleich
Zu einem könig in tränekreich
Drumb wer noch tugentlichen lebt,
Sein leib wagt und nach ehren strebt,
Von wegen der gerechtigkeit,
Das gott dem ehr und reichtumb geit
Und einen lobwirdigen namen
Und adelt sein geschlecht und stammen,
Gedechtnus wirdiglich erhaben,
Mündt liehen und auch in buchstabenM.
Mit diesen Worten rechtfertigt sich auch die Komödie selbst: Sie zeigt einen nach sündi-
ger Jugend tugendhaft gewordenen Helden, dessen „Gedechtnus“ in aller Munde bleibt
und durch die Dichtung bewahrt wird — nicht zuletzt durch diese ‘Comedia’.
Die Dramaturgie von Hans Sachs verlangt den Verzicht auf differenzierende Charakteri-
sierung der agierenden Personen. Sie wirken wie die Figuren des Puppenspiels. Sobald sie
auf der Szene sind, beginnen sie in Knittelversen zu reden - ohne Rücksicht auf Vorge-
schichten und weitere Motivation. Hans Sachs kann komplizierte Erzählzusammenhänge
mit dieser Technik ohne Probleme auf die Bühne bringen. Die Zeit rafft er außerordent-
lich; kaum tritt eine Figur ab, so taucht auch schon häufig die Gegenpartei auf und stellt
ihre Handlungen oder Absichten dar. Eigentliche Handlungen finden auf dieser Bühne
kaum statt. Gelegentlich wird schnell vom Leder gezogen und der Gegner erstochen. An-
sätze einer Reflexion finden sich in meist kurzen Monologen. Der Epilog dient der Mora-
lisierung des Stückes: 33 34
33 Hans Sachs, hg. von A. von Keller und E. Goetze, 13. Bd., Stuttgart 1880, Repr. Hildesheim 1964, S. 9.
34 Ebd., S. 49
581
Derbalb, mensch, laß vom bösen ab,
Zu gott dein trost und hoffnung hab,
Das heil und glück dir aufferwachs
Und ein gut gerückt, wünscht H. Sachs35 36 37.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts erreicht die Wertschätzung von Elisabeths Romanen
dank der wachsenden Verbreitung durch den Druck einen Höhepunkt. Wenige jahre
nach der ‘Comedia’ von Hans Sachs findet sich in Valentin Schumanns ‘Nachtbuechlein’
(2 Tie., Augsburg 1559) eine Anspielung auf‘Hug Schapler’. Das ‘Nachtbuechlein’ ist eine
Sammlung von 51 Schwänken aus verschiedenen Quellen für ein stadtbürgerliches Publi-
kum. Die meist genannten Quellen stellen geradezu einen Lektürekatalog dar, der damali-
ge bürgerliche Lesegewohnheiten verrät. Nicht zuletzt werden auch Prosaromane ge-
nannt. Die Anspielung auf ‘Hug Schapler’ findet sich in der längsten Geschichte der
Sammlung überhaupt: Ein außdermassen schöne, auch liebliche historia vonn cjweyen liebhabenden,
eines graffen son von Mümpelgart, genant herr Christoffel, auch eins hertgogen tochter auß Engelland mit
namen Feronica. Die Erwähnung von Elisabeths berühmtestem Roman findet sich im 5.
Abschnitt dieser Erzählung. Nachdem Feronica zum ersten Mal mit Christoffel getanzt
und sich in ihn verliebt hat, spricht sie im Halbschlaf zu sich selbst und wünscht sich: ‘Ach
gott, wer er nur der gebürt ein wenig höher dann ein edelmann, so wolt ich mein liebe gegen ihm offenba-
ren. ’ Gedacht dann wider: ‘Ist doch könig Saul nur ein baur gewesen, David ein hirt, unnd haben gant^
Israel geregiert! Ist Hugo Schapler auch vom geschleckt ein met^ger gewesen und könig von Eranckreich
worden! Er aber ist doch von edlem stammend Die Anspielung zeigt, daß die Geschichte des
Hug Schapler vor allem als eine außergewöhnliche Aufstiegsgeschichte bekannt und be-
liebt war. Die Verwendung in einer Typologie von Aufsteigern mit ehrwürdigen Vorfah-
ren im Alten Testament verleiht dem Prosaroman Elisabeths paradigmatische Bedeutung.
Bislang sind in frühbarocken Romanen Anspielungen auf Elisabeths Prosaromane oder
Erwähnungen nicht bekannt geworden. Eine mögliche Ausnahme stellt Johann Michael
Moscheroschs eigenwillige Bearbeitung der ‘Sueños’ von Quevedo dar, die er unter dem
Titel ‘Wunderliche und warhafftige Gesichte Philanders von Sittewald’ 1640 veröffentlich-
te. Dort ist im ersten Gesicht, in dem der Schergen-teuffel vorgestellt wird, von den vielen
Königinnen, Princessen und Göttinnen die Rede, die durch die Poetae Comici ihrer Ehre beraubt
oder sich auf ungleiche Heirat eingelassen hätten, und so viel rechtschaffner Canadiers, ihrem
vorgeben nach, so schimpfflich und vntrewlichen angeführet, wie im Amadiß, Schäfferey, Diana de Monte
Majore, Ritter Eöw, Tristrant, Peter mit den Silbernen Schlüsseln und anderen dergleichen %usehenyi.
Wieder wird eine unglückliche oder ungleiche Heirat mit einem Helden aus einem Prosa-
roman Elisabeths in Verbindung gebracht: mit ‘Herpin’; ihr erstes Werk trägt in der
Handschrift den Titel ‘Lewen buch von Burges in Berrye’. Ob die Anspielung dem Prosa-
roman ‘Herpin’ oder einer anderen Übersetzung der Chanson de geste ‘Lion de Bourges’
gilt, läßt sich allerdings nicht entscheiden.
35 Ebd., S. 50.
36 1'alentin Schumanns Nachtbüchlein (1559), hg. von Johannes Bolte, Leipzig 1938, [Tübingen 18981, 5- 94f.
37 Moscherosch, Hanns Michael: Gesichte Philanders von Sittewald, hrsg. von Felix Bobertag [Ausg. C 1650],
Stuttgart 1883, unveränderter Nachdruck Darmstadt 1964, S. 16.
582
6
Der letzte Druck des ‘Hug Schapler’, der auf einen der früheren Drucke zurückgriff, stellt
in mancher Hinsicht ein Kuriosum dar. Er benutzt die Ausgabe Leipzig 1604, ändert je-
doch den Titel von ‘Hug Schapler’ in ‘Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet,
welcher durch seine gewaltige Mannheit des Königs Tochter, die schöne Maria und das
Königthum erwarb, auch der Stammvater der lezten Könige von Frankreich wurde’. Für
diese Titeländerung einer ,,Neue[n] deutsche[n] Umarbeitung“, die in Nürnberg 1794 er-
schien, gibt der „Umarbeiter“ in einem „Vorbericht“ den Grund an: Gegenwärtig interes-
siere sich das Publikum „für alle Schriften, die durch die neueste Revolution in Frankreich
veranlaßt worden sind“. Überhaupt würden Leser gegenwärtig, nach Auskunft der Meß-
kataloge, an Ritterromanen „ein Behagen“ finden. Das in neuer Umarbeitung vorgelegte
Buch sei „wahrscheinlicher Weise in Lothringen erfunden worden, als die darinn regie-
renden Nachkommen Karls des Großen durch Hugo Kapet von der französischen Thronfol-
ge verdrungen worden waren“38. Diese Begründung einer neuen Umarbeitung klingt des-
halb so erstaunlich, weil der erste Druck des ‘Hug Schapler’ von 1500 besonderen Wert
auf die geschichtliche Bedeutung des Erzählten legte. Der Bearbeiter stellte dem Prosa-
roman damals die Vita Karls und seiner Söhne nach dem Leitfaden des ‘Loher’ voran.
Aus aktuellem Anlaß erhofft sich der „Umarbeiter“ von 1794 ein besonderes Interesse an
den Anfängen der Kapetinger, deren letzter Vertreter gerade sein Ende unter der Guillo-
tine gefunden hatte.
Der ironische Ton der Bearbeitung und der Hinweis auf eine eigene Darstellung von der
„wahren Geschichte dieser Usurpation“, die vom „Umarbeiter“ selbst stammt,39 läßt nicht
eindeutig erkennen, ob er sich mit dieser Schrift gegen die Revolution und für das König-
tum ausspricht. In einem früher eingesehenen Druck dieses Buches aus der Bibliothek
Ludwig Uhlands (Universitätsbibliothek Tübingen) war kein Hinweis auf den Verfasser
dieser Umarbeitung zu finden. Das kürzlich der Universitäts- und Landesbibliothek des
Saarlandes aus der Sammlung Hellwig geschenkte Exemplar trägt mit Bleistift auf dem
Innendeckel den Vermerk J.F. Roth. Johann Ferdinand Roth (1748-1814) war Pastor in
Nürnberg, sowohl Mitglied und Sekretär der Nürnbergischen Gesellschaft zur Beförde-
rung vaterländischer Industrie, der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der
Künste und nützlichen Gewerbe als auch des Pegnesischen Blumenordens. Er hat zahl-
reiche Schriften aus den Gebieten der Geschichte und Kunstgeschichte (Lokal- und Wirt-
schaftsgeschichte Nürnbergs, Biographie Dürers), der Theologie und der Literatur veröf-
fentlicht. Er ist der Autor einer ‘Geschichte der Thronbesteigung Hugo Kapets, des
Stammvaters der letzten Könige von Frankreich, ein Bruchstück aus der ältern Geschichte
Frankreichs’ (Nürnberg, bei Stiebner 1794, 46 Seiten). Mit den Ereignissen der Revolution
hat er sich noch einmal 1799 in einem Aufsatz ‘Litterarische Bemerkungen die Guillotine
38 Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet, welcher durch seine gewaltige Mannheit des Königs Tochter, die schöne
Maria und das Königthum erwarb, auch der Stammvater der letzten Könige von Frankreich wurde. Neue deutsche Umar-
beitung, Nürnberg, bey Johann Gottfried Stiebner 1794, Vorbericht [S. I.].
39 Ebd.
583
betreffend’40 beschäftigt. Anlaß des kurzen Aufsatzes ist eine Anekdote aus dem ‘Journal
de Paris’, die 1798 auch in mehreren deutschen Zeitungen nachgedruckt wurde: „daß der
Herzog von Sachsen-Gotha den berühmten Astronomen Joseph Jerome le François de la Fän-
de^ welcher bekanntlich im J. 1798 auf dem so genannten astronomischen Kongresse zu
Gotha war, ein Teutsches Buch unter dem Titel: ‘Kirchen-Kalender von Kaspar Goldwurm.
Frankfurt 1570.’ gezeigt habe, worin ein herabfallendes Beil zur Hinrichtung der Mis-
sethäter abgebildet ist, woraus folge, daß die Guillotine keine Französische Erfindung ge-
nannt werden könne“41. Der Bibliograph Roth kennt nicht nur eine frühere und eine spä-
tere Ausgabe des Kalenders, sondern eine noch ältere Abbildung der Guillotine, eines
römischen Fallbeils, in einer Darstellung der Enthauptung des Apostels Matthias, in ei-
nem Teutschen Buchet2. „Uebrigens kann kein Ei dem andern gleicher sehen, als diese Teut-
sche Guillotine der Französischen, nach den Abbildungen wenigstens, welche ich gesehen
habe.“43 Nach ausführlicher Beschreibung weiterer Werke Goldwurms, um 1559 lutheri-
scher Prediger zu Weilburg in der Grafschaft Nassau, schließt Roth seinen Aufsatz mit
der Notiz, 1554 nenne Goldwurm „Philipp Graf zu Nassau und Sarprück“ zu „dieser
Zeit“ seinen gnädigen Herrn44.
Vor seiner Umarbeitung des ‘Hug Schapler’ hat Roth eine Bearbeitung aus der Artusepik
veröffentlicht: ‘König Arms und Prinz Wieduwilt, ein Ammenmährchen.’45 In seinem
„Vorbericht“ zur ‘Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet’ erweist sich Roth als
ein gründlicher Kenner der Druckgeschichte. Er kennt die ‘Hug Schapler’-Drucke von
1500, 1508, 1537 und 1604. Seine stilistischen Lizenzen rechtfertigt er folgendermaßen:
„Um diese Speise, die hier aufgetischt wird, einigermassen noch schmackhafter zu ma-
chen, hat man auch Senft, Zuker, Gewürz u.s.w. auch wohl gar bittere und herbe Sächel-
chen, mit aufgetischt. Ob aber alle diese Zusäze nach Geschmak seyn werden? — ey! das
ist freilich eine andere Frage. Mein Herr Verleger wird wohl merken, ob die Beantwortung
dieser Frage für den Umarbeiter günstig oder — vielleicht leider! — ungünstig ausgefallen
ist.“46
Roth lehnt sich zwar meist an den Wortlaut seiner Vorlage an, charakterisiert die Sprache
von 1604 allerdings durch Ironiesignale immer wieder als nicht mehr ganz ernstzuneh-
40 In: Allgemeiner literarischer Anzeiger Nr. 143 vom September 1799, S. 1417-1421.
41 Ebd., S. 1417.
42 Ebd.
43 Ebd., S. 1419.
44 Ebd., S. 1421. Roths Versuch des Nachweises, die Guillotine sei eine alte deutsche Erfindung, provoziert
die Frage: cui bono? War die Enthauptungsmaschine, die auch Hugo Kapet in der Umarbeitung schnell
vom Leben zum Tode beförderte, für den Pastor Roth ein so humanes Instrument, daß man dem fran-
zösischen Anatomen Joseph-Ignace Guillodn (1738-1814) den Ruhm dieser Erfindung (nach italieni-
schen Anregungen) nicht gönnen wollte? Das Modell dieses offenbar durchaus europäischen Tötungs-
Instruments fertigte ein deutscher Mechaniker namens Schmitt an!
45 Vgl. Baader, CI. A.: Fexikon verstorbener Baierischer Schriftsteller des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, Bd.
II, Augsburg/Leipzig 1825, S. 48-52.
46 Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet (wie Anm. 35), S. [IV],
584
mende. In der „Einleitung zur folgenden Historia“ heißt es: „Vor Zeiten war — wie ihr Le-
ser und Leserinnen aus alten Chroniken wissen oder — nicht wissen werdet — Kaiser Karl
der Große genannt, König in Frankreich“47. Mit dem „Gewürz“, von dem sein „Vorbe-
richt“ spricht, sind nicht zuletzt die sexuellen Details der Geschichte gemeint. In der Er-
zählung von ‘Loher’, nach dem Vorbild des Druckes von 1500, heißt es: „Sie warfen ihn
ins Gefängniß und nahmen ihm etwas, womit man Kinder zeugen kann; man treibt noch
jezt dieses Geschäfte im Staate Ihro päbstlichen Heiligkeit, und nennt es — Kastriren, damit
Seine heilige Ohren durch die Stimme dickbäuchiger Kastraten entzückt, und nicht durch
weibliche Stimmen entweihet und geärgert werden.“48 Trotz der späteren Rachekriege
blieb Lothar „kastrirt — die Ströme von Blut konnten ihm die Mannheit nicht wieder ver-
schaffen. Wir lassen ihn also stehen, so — wie er war, und hören, wie es seinem Bruder,
Ludwig, dem König von Frankreich ergieng.“49 Als Überschrift für das „Erste Kapitel“
wählt Roth: „Hugo Kapet macht einen hochadelichen Bankerott.“50 Für die Darstellung
der Rückkehr Hugos nach Paris bedient er sich lautmalerischer Mittel: „Hugo ritt also trott
trott — trapp trapp biß er Paris hatte erritten.“51 Im zusammenfassenden „Beschluß“ der
Geschichte heißt es schließlich: „Hinfort regierte Hugo das Königreich in gutem Frieden
und erzeugte noch viele Kinder mit der Königin, weil — er oft bey der Königin geschlafen
oder — nicht geschlafen hatte.“52 Diese wenigen Belege zeigen, welcher ,würzenden Mittel*
sich der Nürnberger Pastor bediente. Mit Bedacht veröffentlichte er seinen Hugo Kapet
anonym. Nur Gelehrte, die den Autor der „Geschichte der Thronbesteigung Hugo Ka-
pets“ kannten, waren in der Lage, als den „Umarbeiter“ des ‘Hug Schapler’Johann Ferdi-
nand Roth zu identifizieren.
7
Die Entstehung des Terminus ,Volksbuch* reicht ins 18. Jahrhundert und die Bemühun-
gen der späten Aufklärung um eine Ausdehnung der allgemeinen Aufklärung auf die
Landbevölkerung zurück. Rudolf Zacharias Beckers ‘Noth- und Hülfsbüchlein’ (1788-
1798) war durch finanzielle Unterstützung von seiten des Landadels und großzügiger
Gönner in einer riesigen Auflage verbreitet und konnte im wahrsten Sinne des Wortes als
Buch für das einfache Volk, als ,Volksbuch*, gelten. Die Sammlung unterschiedlicher Tex-
te, die aufgrund ihrer Verbreitung als Bücher des Volkes betrachtet werden konnten und
von Joseph Görres 1807 unter dem Sammelbegriff *Die teutschen Volksbücher’ herausge-
geben wurden, veränderten die Bedeutung von ,Volk* über ,Volksaufklärung* hinaus im
Sinne einer mythisierenden Auffassung von den Unterschichten. Görres vertrat in der
Einleitung die Auffassung, ,Volksbücher* in seinem Sinne würden nicht veralten. Damit
47 Ebd.,S. 1.
48 Ebd.,S. 5.
49 Ebd.,S. 6.
50 Ebd.,S. 10.
51 Ebd., S. 12.
52 Ebd., S. 197.
585
schloß er aus der bevorzugten Lektüre des frühen 19. Jahrhunderts auf die Gesamtge-
schichte dieser Texte und bezog so eine unhistorische Position. Von Anfang an war der
Begriff des ,Volksbuches4 problematisch. Er suggerierte, ,Volksbücher4 seien tatsächlich
Bücher ,aus dem Volk4 oder ,für das Volk4 gewesen. Die nahezu gleichzeitigen Sammlun-
gen von Clemens Brentano und Achim von Arnim (‘Des Knaben Wunderhorn’, 1806-
1810) und der Brüder Grimm (‘Kinder- und Hausmärchen’, 1812-1813) gingen von einer
ähnlichen romantischen Mvthisierung des Begriffes ,Volk4 aus, konnten aber auch als kul-
turpolitische Veröffentlichungen im Kontext der napoleonischen Herrschaft zum einen,
zum anderen als kritische und nationalbewußte Alternative zur Weimarer Orientierung an
der griechischen und römischen Klassik verstanden werden. Hans Joachim Kreutzer hat
1977 die entscheidende wissenschaftsgeschichtliche Darstellung zur germanistischen
Volksbuchforschung vorgelegt: „Unter dem Vorzeichen des Volksbuchbegriffs ließe sich
die Geschichte der Erforschung des frühen deutschen Romans kurzgefaßt als die Ge-
schichte eines wissenschaftlichen Irrtums bezeichnen [...].4453
In der Diskussion der letzten beiden Jahrzehnte ist Kreutzers Kritik nahezu einstimmig
akzeptiert worden; die Versuche, den ,Volksbuch‘-Begriff noch für einen speziellen Be-
reich zu retten, fanden bereits bei ihm Argumente. Es erscheint heute nicht mehr sinnvoll,
funktionale Kriterien bei der Gattungsbestimmung auch als literarische Gattungsmerkma-
le zu betrachten. Die wesentliche Bedeutung des Buchdrucks für das Aufkommen des
,Volksbuchs4 ist inzwischen allgemein anerkannt worden. Der Nestor der Erforschung
dieser Literatur, Wolfgang Liepe, hat bereits Ende der zwanziger Jahre festgestellt, die
Geschichte der ,Volksbücher4 im engeren Sinne sei die Geschichte ihrer Drucke und ihrer
Verbreitung im Volke53 54 55. Mit Recht wird der Begriff ,Volksbuch4 auf die spätere Rezepti-
onsgeschichte von ,Historien4 und ,Prosaromanen4 seit etwa 1550 eingeschränkt. So läßt
sich das ,Volksbuch4 nur in der Wirkungsgeschichte der Prosaromane aus der Übergangs-
zeit von der Handschrift zum Buchdruck verstehen. Es hat sich eingebürgert, nur noch
von einer „Buchgattung44, heute vergleichbar dem Taschenbuch, zu sprechen. Von einer
Textgattung ,Volksbuch4 wird wohl künftig nicht mehr die Rede sein. Statt dessen sollten
in der Literatur um 1500 Gattungs- von Funktionstypen geschieden werden, wenn z.B.
vom Abenteuer- oder Schwankroman, von Novellen oder Exempel- und Schwanksamm-
lungen gesprochen wird. Der umfassende Begriff für zahlreiche literarische Formen des
15. und 16. Jahrhunderts ist der ,Prosaroman4. Er erlaubt es, Prosafiktionen dieser Über-
gangszeit vom mittelalterlichen Versroman und neuzeitlichen Roman abzugrenzen. „‘Pro-
saroman’ bezeichnet also den größten gemeinsamen Nenner von Texten höchst unter-
schiedlicher Herkunft, in denen ganz unterschiedliche Erzählmodelle realisiert und ganz
unterschiedliche soziale Milieus angesprochen werden [...].4<5S
53 Kreutzer, Hans Joachim: Der Mythos vom Volksbuch, Stuttgart 1977, S. IX.
54 Liepe, Wolfgang: Art. „Volksbuch“, in: Reallexikon der deutschen Uteraturgeschichte, hg. v. Paul Merker und
Wolfgang Stammler, Bd. 3, Berlin 1928/29, S. 481.
55 Müller, Jan-Dirk: Volksbuch, in: Deutsche Dichter; Bd. 1: Mittelalter, Stuttgart 1989, S. 458-471, hier: S.
462.
586
Die literarische Wiederentdeckung der sogenannten Volksbücher um die Wende des 18.
Jahrhunderts galt zunächst als eine Rückwendung zum Mittelalter. Für Herder, Goethe
und die Romantiker war das 16. Jahrhundert die repräsentative Epoche ‘altdeutscher’ Li-
teratur und Kunst — das Mittelalter im heutigen Sinn fand kaum ihr Interesse. Wenn
Tieck, die Brüder Schlegel, Dorothea Schlegel und die späteren Herausgeber von Volks-
buchsammlungen (Schwab, Marbach, Simrock und Aurbacher) die Prosaromane bearbei-
teten und neu herausgaben, hielten sie sich für Vermittler mittelalterlicher Texte.
1805 veröffentlichte Friedrich Schlegel ‘Lother und Maller. Eine Rittergeschichte. Aus ei-
ner ungedruckten Handschrift bearbeitet und herausgegeben von Friedrich Schlegel /
Frankfurt am Main, bei Friedrich Wilmans’. Nach der Rückkehr von Paris im Jahre 1804
gingen Friedrich und Dorothea Schlegel auf Empfehlung der Brüder Boisserée nach
Köln. Dort fand Schlegel in der Bibliothek der Diözesankirche ein spätmittelalterliches
Manuskript des später im Druck veröffentlichten Prosaromans aus dem Umkreis der
Karls-Gesten. In seiner knappen Vorrede berichtet Schlegel von einer Nachricht am Ende
des Manuskripts: Margarete, Gräfin von Wiedemont und Herzogin zu Lothringen habe
dieses Ritterbuch auf französisch „verfaßt“. Ihre Tochter Elisabeth, Gräfin zu Nassau-
Saarbrücken, habe das Werk 1437 ins Deutsche übersetzt. Eine heute in dem Manuskript,
das in der Diözesan-Bibliothek in Köln aufbewahrt wird, nicht mehr vorhandene Einlei-
tung hat Schlegel erwähnt. Darin habe Margarete behauptet, nach einer lateinischen Quel-
le gearbeitet zu haben. Diese Behauptung gehörte zu den Topoi spätmittelalterlicher
Handschriften zur Sicherung historischer Verläßlichkeit, war allerdings wie meist Erfin-
dung. In der Vorrede deutet Friedrich Schlegel immerhin an, warum dieser Prosaroman
neu herausgegeben werde: Neben der verdienstvollen Erfindung und „manches Eigen-
tümlichen in der Darstellungsart, war es vorzüglich das darin aufgestellte Bild der ritterli-
chen Freundschaft, was den Herausgeber bestimmte, diesen Roman der Vergessenheit zu
entreisen; und nach diesem Gesichtspunkte ist auch der Auszug gemacht worden. Manche
Fehden und Abenteuer, besonders gegen das Ende des Buchs, die von der Art sind, wie
sie in allen Rittergeschichten Vorkommen, hat man deshalb weggelassen“. Das kleine
Buch sei als Nachtrag zu der ‘Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters’ zu be-
trachten, wovon bereits zwei Bände erschienen seien — weitere sollten folgen56.
Das literarisch wertvollste Rezeptionszeugnis findet sich in Achim von Arnims Roman
‘Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores. Eine wahre Geschichte zur lehr-
reichen Unterhaltung armer Fräulein’, zwei Bände. Berlin 1810. In der Szene, in der die
Geschichte von Hug Schapler erzählt wird, unterhalten sich die beiden verarmten Töchter
des Grafen P., der vor seinen Gläubigern in ferne Länder entflohen und verschollen ist.
Graf Karl, ein Student, wählt sich später unter den beiden Schwestern die kokette Dolo-
res. Die fromme Klelia heiratet den Markese D., den Inbegriff libertiner adliger Lebens-
weise im Stil des Ancien régime. Bevor die beiden ihre Ehepartner finden, sprechen sie
immer wieder über Liebe und Ehe und die Gefahren einer Mißheirat. Klelia hat die
56 Schlegel, Friedrich; Sammlung von Memoiren und romantischen Dichtungen des Mittelalters aus altfränkischen und
deutschen Quellen, eingeleitet und hrsg. von Liselotte Dieckmann, Paderborn/ München/Wien/Zürich
1980, S. XXVf., S. 453 (= Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. 33. Band, 3. Abtlg.).
587
Druckfassung von 1537 gelesen und findet sie deshalb erstaunlich, weil darin zu erfahren
sei, „daß es doch immer auf eigene Art gewesen, wie adliche Menschen der Not begegnet
sind und wir beweisens auch wieder“57. Klelia erzählt die Geschichte mit behutsamen Än-
derungen, so daß die Nähe zur Situation der Schwestern immer wieder deutlich wird. Do-
lores unterbricht den Erzählfluß häufig durch Anspielungen auf den Vater oder die eige-
nen Vettern, die leider kein Geld hätten, um ihnen zu helfen. Gegen zu viele Details in
Klelias Darstellung erhebt Dolores Einspruch — der Schluß der Geschichte wird raffend
erzählt. Die Anteilnahme von Dolores äußert sich in Ausrufen wie „den nähme ich schon
zum Mann“58. Am Schluß der Geschichte verweist Dolores noch einmal auf den Vater.
Die erreichte Analogie zwischen der Geschichte des Hug Schapler und der ärmlichen La-
ge der Schwestern findet ihre Akzentuierung in einer Pantomime: „Und bei diesen Wor-
ten fielen sie einander mit süßer Freundlichkeit in die Arme und lachten und weinten
zugleich und dachten ihres Vaters, und dachten ganz gewiß, der ihnen als Vorbild aller
adlichen Schönheit und Anständigkeit vorschwebte, müsse irgendwo ein gleiches Glück
sich verdienen, und da verloren sie sich in mancherlei Träumen [...]“. Dolores beschließt
diese Szene mit Klagen darüber, „daß dem Adel die Heiratslust so ganz vergangen
schiene; eine glänzende Heirat sei der höchste Preis einer Frau, alle turnierten darauf.“59
In dieser Szene findet die literarische Rezeption des Hug Schapler zunächst ihren Ab-
schluß. Es ist nicht ohne Reiz, daß diese Szene der beiden verarmten Gräfinnen noch
einmal zumindest an das adlige Sujet und die über mehrere Jahrhunderte hinweg beson-
ders pikant erscheinende Heirat des Metzgerneffen mit der französischen Königin an-
knüpft.
Die spätere Beschäftigung mit den Prosaromanen Elisabeths geht auf die romantische
Motivation zurück; umfangreiche Sammlungen werden bis in die zweite Hälfte des 19.
Jahrhunderts hinein vorgelegt und häufig vor allem für jugendliche Leser bearbeitet. Die
größte Sammlung hat Karl Simrock zwischen 1839 und 1851 vorgelegt: in 58 Bänden ver-
öffentlichte er Übertragungen der „Deutschen Volksbücher“. In Band 9 war ‘Huge
Scheppef enthalten, in Band 11 ‘Der weiße Ritter oder Geschichte von Herzog Herpin
von Bourges und seinem Sohne Löw’. Eine Übertragung von ‘Loher und Maller’ erschien
außerhalb der Sammlung in Stuttgart 1868. Die wissenschaftliche Beschäftigung setzt mit
Hermann Urtels Ausgabe 1905 ein60. Unter den Bearbeitungen von Prosaromanen und
Volksbüchern, die im 19. Jahrhundert in vielen Auflagen erschienen, waren wohl die
meisten für „die Jugend“ bestimmt. Dies führte zu Kürzungen und Purgierungen. Der
Herausgeber Gustav Schwab glaubte „alles entfernen zu müssen“, „was wenn auch an
sich rein, doch eine unreife Phantasie ungebührlich erregen und ihr ungesunde Nahrung
57 Arnim, Achim von: Hollin’s Uebeleben/Gräfin Dolores, hg. von Paul Michael Lützeier, Frankfurt am Main
1989, S. 114. (= Achim von Arnim: Werke in sechs Bänden, Bd. 1).
58 Ebd., S. 122.
59 Ebd., S. 122f.
60 Vgl. Anm. 18.
588
zuführen könnte“61 Unter solchen Prämissen war der ‘Hug Schapler’ kaum für jugendliche
Leser zu bearbeiten. Nach den Simrockschen Übertragungen sind Elisabeths Prosaroma-
ne nicht mehr für Liebhaber dieser Tradition zugänglich gemacht worden. Erst die wis-
senschaftliche Beschäftigung mit Elisabeths Werk im 20. Jahrhundert hat eine neue Wer-
tung ihrer Übersetzungen ermöglicht. Die von Hans-Gert Roloff schon lange angekündig-
te wissenschaftliche Ausgabe wäre die Grundlage einer modernen, ins Neuhochdeutsche
übertragenen Fassung - nicht nur für wissenschaftliche Interessen.
61 Fünfzehn deutsche Volksbücher fürjung und alt wiedererjählt von Gustav Schwab, 21. Auflage, durchgesehen von
Gotthold Klee, mit 8 Holzschnitten, Gütersloh 1923, S. V.
589
J
Г\
t ч
Die handschriftliche Überlieferung der Werke Elisabeths von Nassau-
Saarbrücken UND DIE MALERISCHE AUSSTATTUNG DER HANDSCHRIFTEN
Hans-Walter Stork
Die Werke der Saarbrücker Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, Gegenstand des
Saarbrücker Kolloquiums von 1997 und dieses Tagungsbandes* 1 2 3 4, sind in insgesamt neun
Codices überliefert. Innerhalb dieser Handschriftengruppe sind sechs Codices bebildert
und bieten somit Möglichkeit einer kunsthistorischen Betrachtung. Stichworte wie „Ent-
stehungszeit“, „Stil“ und „Atelier“ gehören zum Üblichen einer Handschriftenbeschrei-
bung. Im Fall der Elisabethhandschriften sind diese Fragen nur für insgesamt zwei der
Codices eindeutig zu beantworten. Die anderen vier geben vom kunsthistorischen Stand-
ort Fragen auf, die bislang nicht eindeutig zu beantworten sind und die auch in diesem
Beitrag — um es vorweg zu sagen — nicht beantwortet werden können.
Wenigstens hat die Diskussion im Anschluß an das Saarbrücker Kolloquium und die Er-
arbeitung der Beiträäge dieses Sammelbandes eine wichtige Beobachtung gezeigt. Hans-
Walter Herrmann hat das Wappen Graf Johanns III. von Nassau-Saarbrücken zu Beginn
der ,Loher’-Handschrift heraldisch genau bestimmen können; es entspricht dem Stand
nach der Aufnahme Johanns in den Orden du Croissant 1455 und noch vor seiner Heirat
mit Johanna von Loen - Heinsberg vor dem 20. Dezember 1456. Es wird mithin sicher
richtig sein die Entstehung aller drei Handschriften Johanns zwischen 1455 und 1458 an-
zunehmen.
1 Im folgenden Beitrag wird die einführende Literatur zu den Werken der Elisabeth nicht mehr eigens bib-
liographisch nachgewiesen, um den Anmerkungsapparat nicht unnötig zu belasten. Im einzelnen sind die
vier Prosaromane der Elisabeth in folgenden neun Codices überliefert:
1. ‘Herpin’
Wolfenbüttel, HAB, Cod. 46 Noviss. 2°: Rheinfränkisch, wohl um 1455/56;
Berlin, S. B. Preuss. Kulturbesitz, Ms. Germ. Fol. 464: schwäbisch, vor bzw. 1487;
Heidelberg, UB, Cod. Pal. Germ. 152: Werkstatt des Ludwig Henfflin, um 1475.
2. ‘Sibille’
Hamburg, SuUB, cod. 12 in scrin., fol. 58r-76v (ohne Illustrationen): Rheinfränkisch, 1455/56.
3. ‘Loher und Maller’
Hamburg, SuUB, cod. 11 in scrin.: Rheinfränkisch, 1455/56. 160 (von 197) Illustrationen;
Köln, Historisches Archiv, cod. W 337, 1-149 (ohne Illustrationen): Rhein- bzw. Moselfränkisch, um
1486 (datiert durch Wasserzeichen);
olim Burg Krivoklat/Pürglitz, jetzt Prag, Narodni Muzeum, Cod. I a 3: Schreiberbitte, datiert 1482;
Wien, ÖNB, Cod. Vind. Pal. 2816: Rheinfränkisch oder schwäbisch (Bloh, wie Anm. 3, S. 23), datiert
1493; 40 Illustrationen;
Heidelberg, UB, Cod. 1012 (= ehern. Ashburnham Place): Schreibereintrag, geschrieben Trier 1463
(ohne Illustrationen);
4. ‘Huge Scheppel’
Hamburg, SuUB, cod. 12 in scrin. l-57v (s.o.): Rheinfränkisch, um 1455/56.
591
I. Die frühen Elisabeth-Codices
Die Entstehungszeit der Elisabeth-Handschriften verteilt sich auf knapp vierzig Jahre zwi-
schen 1455/56 und 1493. Dabei lassen sich Provenienz-Gruppen bilden.
Die beiden Hamburger Codices und der Wolfenbütteier Codex, heraldisch auf 1455/56
bis 1458 dauert, gehörten Graf Johann III. (1423-1472), dem Sohn Elisabeths und älteren
Bruder Margarethes.
Der Heidelberger ‘Loher’, 1463 geschrieben, gehörte Elisabeths jüngster Tochter Marga-
rethe von Rodemachern (1426-1490). Sie war — und das wird uns noch beschäftigen - ei-
ne Bücherliebhaberin mit ausgeprägten Lektüreinteressen. Bereits hier muß ihr Gebet-
buch angesprochen werden,2 3 das aus familienpolitischen Gründen in die Jahre um 1460
datiert werden kann; Margarethe wäre demnach damals etwa dreißig bis fünfunddreißig
Jahre alt gewesen. Das Gebetbuch eröffnet durch seine Ausstattung mit Miniaturen An-
sätze zur Beantwortung der Frage, wo die Handschriften frühen Epenübersetzungen Eli-
sabeths gefertigt sein können.
Die nun in Köln liegende Handschrift des ‘Loher’ trägt einen Besitzvermerk der Biblio-
thek der Grafen von Manderscheid-Blankenheim, die mit Elisabeth weitläufig, aber im-
merhin ebenfalls verwandt waren/
Leider geben die anderen Codices keine weiteren Provenienzen aus der Entstehungszeit
preis, und die späteren Aufbewahrungsorte sind in dieser Hinsicht nicht sehr aussagekräf-
tig. Der Wiener ‘Loher und Maller’ befand sich ab 1623 in der dortigen Karmeliter-
Bibliothek, der ebenfalls weit gewanderte Pürglitzer ‘Loher und Maller’-Codex, jetzt in
Prag, kam irgendwann in die Fürstlich Fürstenbergische Bibliothek.
Im folgenden Beitrag soll aus der Sicht des Kunsthistorikers versucht werden, die von Sei-
ten der Germanistik schon lange — spätestens seit der Untersuchung Liepes aus dem Jahr
1920 — vorgenommene Zuschreibung der Elisabeth-Codices in bestimmte Kunsdand-
schaften nochmals zusammenhängend darzustellen und zu hinterfragen. Diese Angaben
sollen erste Antworten auf die Frage sein: „In welchen Kunstzentren ihrer näheren Um-
gebung hätte Elisabeth von Nassau-Saarbrücken die von ihr übersetzten Handschriften
bibliophil schreiben und kostbar illuminieren lassen können?“ Was von solchen schulmä-
ßigen Abgrenzungen zu halten ist und wie man sie auch werten kann, erhellt aus der Sicht
des Germanisten ein Zitat aus Norbert Otts Arbeit zur Handschriften-Tradition im 15.
Jahrhundert im Band ‘Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert’ der Hamburger Maxi-
2 Vgl. unten S. 601 f.
3 Vgl. von Bloh, Ute: 'Loher und Maller. Übertragen aus dem Französischen von Llisabeth von Nassau-Saarbrücken.
Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 und 11a in scrinio (= Codices illuminati medii aevi 35). Li-
terar- und kunsthistorische Einführung und kodikologische Beschreibung (zur Farbmikrofiche-Edition),
München 1995. S. 13.
592
milian-Gesellschaft4. Dort heißt es zur Berliner Herpin-Handschrift der Elisabeth: „Ihres
ausgesprochen nürnbergischen Charakters wegen, zu dem sich auch der Dialekt des Tex-
tes stellt, hat man Beziehungen zum Wolgemut-Kreis angenommen. Aber auch mittel-
rheinische Stilelemente wurden ausgemacht, die Identität des Zeichners mit dem Meister
W.B. erörtert und die Würzburger Gegend als Entstehungsheimat vorgeschlagen.“ Es
werden also vier „Autoritäten“ bemüht, um die künstlerische Provenienz des Codex fest-
zumachen.
Lassen wir die Handschriften selbst aussagen. — Der Heidelberger ,Loher und Maller’5 ist
der am frühesten datierte Codex eines Elisabeth-Textes. Die Datierung steht im Explicit,
wo ebenfalls der Schreiber namentlich genannt ist. Dort heißt es (vgl. Abb. 49):
...vnd ist vortergeschreuen worden, der edelen iungfrauwen. Iungfrauwen margarethen graif-
jynne von naßau vnd sarbrucken frauwe cgu Kodenbache der vorgenanten fraumn Elyga-
beth von lothringen dochter. Des iars noch cristus gebürt M °. cccc ° . xlviiii. in die mauri
abbatis. [15. Januar 1449]6. vort so han ich Johan van Bjnßfelt dis buch auch dun schri-
ben. von der Ede len iungfrauen. lungfraum Margarethen von Naßauwe vnd Sarbrucken
framve c%u Kodenbachen. ln den iaren noch cristus gebürte. Do man schreibe Dußent vyen-
bundert. vnd syeben vnd fünffach, vff sant Agricius. abent vort so ist dis gegenwirdich bu-
che geschreben vnd vollenbrach vff den anderen dag noch dem dage der heiligen wytwen vnd
keyserynnen sant helenen. Zu den iaren noch cristus gebürt Mo cccco. Ixiii [1463] von mir
bruder Johann von mrrnße. prediger Ordens wonhafflig do yu malen gu Treven. (Heidel-
berg, Hs. 1012, Bll. 248v)
Leider ist in der Heidelberger Sammelhandschrift, die neben dem ‘Loher und Maller’ im
ersten Teil (Bl. 2-20) den ‘Herzog von Braunschweig’ und im dritten (Bl. 249-254)
Schondochs ‘Königin von Frankreich’ enthält, lediglich der ‘Herzog von Braunschweig’
mit zwölf lavierten Federzeichnungen ausgeschmückt. Dabei bleibt fraglich, ob die mitt-
lerweile zusammengebundenen Codices von ihrer Herkunft her überhaupt zusammenge-
hören. Die Schreiberhände sind jedenfalls nicht dieselben. Der ‘Loher’ ist eine reine Text-
handschrift: zweispaltig, in großzügigem Layout, ohne künstlerischen Anspruch von einer
geläufigen Hand geschrieben. Immerhin aber bezeugt die Eintragung mithin den Namen
des Schreibers: der Dominikaner Johann von Worms, der damals — do gu malen — in Trier
lebte und arbeitete — und nicht etwa an theologischen oder liturgischen Codices, sondern
am Prosaroman der Elisabeth.
Nach Trier also verweist die erste Schreibereintragung. Jenes zu verschiedenen Epochen
so bedeutende Schreib- und Malzentrum könnte in Ermangelung einer Saarbrücker
Handschriftentradition in der Tat als erstes in die engere Wahl für die künsderische Her-
4 Ott, Norbert: Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert. Erster Halbband. Hg. vom Vorstand der Maximi-
lian-Gesellschaft und Barbara Tiemann, Hamburg 1995, hier S. 105.
5 Zur Hs. vgl. die ungedruckte Beschreibung des Codex 1012, von der ich eine Kopie Herrn Hans-Hugo
Steinhoff, Paderborn, verdanke.
6 Da damals in den Diözesen Trier und Metz nach dem Annuntiationsstil gerechnet wurde, das Jahr also
am 25. März begann, entspricht das genannte Datum dem 15. Januar 1450 unserer Rechnung.
593
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Abb. 49: Explicit der Heidelberger ,Loher und Maller’ — Handschrift von 1463 mit der
Nennung der Schreiber, Heidelberg UB Cod. 1012, Bl. 24 verso.
594
kunft der Elisabeth-Illustrationen kommen. Abgesehen davon, daß die Überlieferungslage
der Trierer Handschriften des 15. Jahrhunderts und deren kunsthistorische Einordnung
notorisch schlecht ist,7 kann man für die Jahre ab der Mitte des 15. Jahrhunderts nur sehr
wenige Angaben über fest eingerichtete Trierer Skriptorien machen, in denen Bücher ge-
schrieben oder gemalt, bzw. geschrieben und gemalt wurden.
Zurück zum Explicit im Heidelberger Codex. Zunächst einmal läßt der Hinweis auf den
Wormser Schreiber in einem in Trier geschriebenen Codex mit aller Vorsicht den Schluß
zu, daß die Dominikaner — falls denn die Handschrift in einem dominikanischen Skripto-
rium hergestellt wurde und nicht nur von einem „dominikanischen Lohnschreiber“ ande-
renorts — in dieser Zeit keine eigene Schreibstube unterhielten. Wie ein Blick in das Pro-
venienzverzeichnis der Trierer Handschriften8 zeigt, sind aus „dominikanischem Milieu“
ganze fünf Codices in Trier erhalten, und bei diesen ist noch nicht einmal zweifelsfrei zu
klären, ob die Bücher nicht etwa aus dem persönlichen Besitz der Patres in die Ordens-
bibliothek gerieten. Benötigte man also im Trierer Predigerkonvent einen Schreiber, muß-
te man diesen offenbar von außerhalb kommen lassen.
Für Trier ist noch ein weiterer Fall datür nachweisbar, daß man Schreibermönche aus an-
deren Klosterskriptorien nach Trier erbat, die dort eine gewisse Zeit an einem fest umris-
senen Auftrag arbeiteten. In den Jahren 1450-56 schreibt der St. Galler Mönch Gallus
Kemli, dessen Wanderleben ihn neben vielen anderen Stationen auch nach Sponheim,
Mainz und Trier brachte, für das Trierer Benediktinerkloster St. Maximin eine Vulgatafas-
7 Eine systematische Durchsicht aller Trierer Bibliotheken und solcher mit versprengten Trierer Prove-
nienzen andernorts steht noch aus und mag für die Fragestellung nach Trierer Skriptorien mit künstleri-
schem Anspruch auch gar nicht so ergiebig sein. Bereits die Überprüfung der Bestände etwa der Trierer
Stadtbibliothek zeigt, daß die meisten Handschriften literarischen Inhalts reine Gebrauchshandschriften
mit geringerem künstlerischem Impetus sind. Die dort aufzuweisende Buchmalerei entzieht sich sehr oft
einer schulmäßigen Gruppierung; oft waren es — siehe das Beispiel des Gallus Kemli — zudem auch noch
Arbeiten „wandernder“ Schreiber und Illuminatoren. — Für das Jahr 1437 ist ein Trierer Geistlicher, Pe-
ter von Freysen, als Schreiber in einer Willehalm-Handschrift nachgewiesen: Köln, Historisches Archiv
der Stadt Köln, W 2° 357 (K). Freysen hatte bereits 1422-1423 eine Sammelhandschrift mit Strickers
‘Karl’, dem ‘Wilhelm von Wenden’ und anderen kleineren Texten im Auftrag der Trierer Kurie und in
deren Amtsräumen fertiggestellt; heute Dessau, Hs. 224. Zu Peter von Freysen vgl. Becker, Jörg Peter:
Handschriften und Frühdrucke mittelhochdeutscher Hpen, Wiesbaden 1977, 113 (Lit.). — Vielleicht ist hier der
Ort, wieder einmal auf den Verlust eines Stundenbuches, des reich bebilderten sog. „Gebetbuch des
Trierer Erzbischofs Johann VI. von Schöneberg“ (1581-1599) hinzuweisen. Im Jahr 1982 wurde diese
für unsere Frageansätze dringend benötigte Schlüsselhandschrift Trierer Provenienz bei Gelegenheit ei-
ner Publikation über Trierer Weinbau aus der Schausammlung der Stadtbibliothek entnommen und zu
Reproduktionszwecken außer Haus gegeben, wohin das kostbare Werk nie mehr zurückkehrte. Man
vergleiche die Detailabbildungen bei Thoma, Hubert (Hg.): Der Wein an Mosel — Saar — Ruwer im Kreis
Trier-Saarburg. Hg. von der Kreissparkasse Trier-Saarburg. Trier o.J. (1982), nach S. 90.
8 N olden, Reiner: Signaturenkonkordami und Provenien^yergvichnis der mittelalterlichen Handschriften der Stadtbiblio-
thek Trier (bis 1600). Fine vorläufige Bestandsaufnahme, Trier 1998 [als Manuskript vervielfältigt]; zu den
Handschriften aus Trierer Dominikanerklöstern S. 169.
595
sung des Alten Testaments, heute Stadtbibliothek Trier, Hs. 59. Der Codex ist sehr sorg-
fältig geschrieben, weist aber abgesehen von den üblichen roten Initialen keinerlei Buch-
schmuck auf.
Zwanzig Jahre später, 1478, wirkt erneut ein Mönch der Abtei Maximin als Bücherschrei-
ber und Illustrator. Eine Brevierhandschrift, die der Andquar Hans Peter Kraus im Jahr
1935 noch vor seiner Emigration in die Vereinigten Staaten in seinem dritten Wiener Ka-
talog anbot,10 gibt sich durch einen Schreibereintrag im Kolophon als Maximiner Arbeit
zu erkennen. Dort heißt es: Finis breviarii huius anno 78 [d.i. 1478] perfratrem Jacobus Stefelt
monachum monasterii S. Maximiniprofessum. Der Codex, dessen jetziger Aufenthaltsort unbe-
kannt ist, enthält sechs figürliche Initialen — im Katalog ist die zum ersten Psalm abgebil-
det; sie zeigt einen zeitgenössisch gekleideten, eleganten Mann im Buchstabenfeld des
„B“ -, neun große Schmuckinitialen und eine Vielzahl kleinerer Initialen.
Ein kurzer Überblick über andere Klosterskriptorien zeigt folgendes Bild:
Die von Petrus Becker OSB vorgelegte Übersicht über die Bibliothek und die Schreiber
der Trierer Benediktinerabtei St. Matthias zeigt, daß es dort zwar in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts durchaus einige Schreiber gab — Nikolaus Clütz von Saarbrücken war ei-
ner der produktivsten, der mindestens sieben Handschriften fertigte —, aber alle diese Co-
dices sind reine Gebrauchshandschriften ohne künstlerische Ausstattung11. Nicht einmal
die liturgischen Codices, die in den 1450er Jahren angeschafft bzw. im Skriptorium ange-
fertigt wurden, weisen besonderen Buchschmuck auf (Becker, Nr. 13-19). Einzige Aus-
nahme sind die unter Abt Antonius Lewen 1492 bzw. 1494 geschaffenen Handschriften
eines Evangeliars bzw. Epistolars, deren erste Seiten jeweils aufwendig gestaltet sind12.
Diese beiden Codices stehen in Zusammenhang mit dem zum Kloster Maria Laach gehö-
renden Malermönch Wilhelm von der Eifel, der ein Jahrzehnt später in Trier das große
Kreuzigungsfenster im Chor der Abteikirche geschaffen hat. Die Mattheiser Abtschronik
des Matthias Cerdo vermerkt zum Jahr 1512 dazu: „Abt (Antonius Lewen, 1484-1519)
ließ ... die Fenster hinter dem Hochaltar von Bruder Wilhelm de Eyfflia, einem Steinmet-
zen und Bildhauer oder ausgebildeten Maler, anfertigen, der auch selbst jene großen Psal-
ter ausführte, die wir in den Nächten benutzen.“13 Die erwähnten Psalterhandschriften
sind nicht erhalten geblieben; der Hinweis auf die Glasgemälde Wilhelms von der Eifel
} Boesch, Bruno: „Die deutschen Schriften des St. Galler Mönches Gallus Kemli“, in: Clavadetscher, Otto
P./Maurer, Helmut/Sonderegger, Stefan: Florilegium Sangallense. Festschrift für Johannes Duft •%um 65. Ge-
burtstag, St. Gallen / Sigmaringen 1980, S. 123-147, hier S. 125, 127.
10 Kraus, Hans Peter: Katalog 3. Wertvolle Bücher und Handschriften, Wien o. J. (März 1935), Nr. 1, mit Tafel 1
und Abbildung des oben zitierten Kolophons.
11 Becker, Petrus OSB: Die Benediktinerabtei St. Eucharius-St. Matthias von Trier. (Germania Sacra NF Bd. 34),
Berlin 1996; zur Bibliothek 104-240; zu Nikolaus von Saarbrücken, S. 235.
12 Evangeliar: Trier, Bibliothek des Priesterseminars Hs. 225; Epistolar:Trier, Stadtbibliothek, Hs. 33/1838.
13 Becker, Petrus OSB: „Wer ist der Meister des großen Kreuzfensters in St. Matthias in Trier?“, in: Ars et
Ecclesia. Festschriftfür Fran^J. Bönig %um 60. Geburtstag, hg. von Hans-Walter Stork u. a., Trier 1989, S. 31-
40, hier S. 32.
596
zeigt immerhin, daß die Grenzen der künstlerischen Betätigungen fließend waren. Der
ausführliche Hinweis auf die Psalterien ist überdies wohl auch als ein Indiz dafür zu wer-
ten, daß die Buchmalereien des Laacher Mönchs Wilhelm in St. Matthias hoch geschätzt
wurden. Man täte dies nicht, wenn man im eigenen Kloster genügend Malermönche zur
Verfügung gehabt hätte. In Maria Laach hingegen gab es zu dieser Zeit einige Mönche,
die in der Buchmalerei oder der Schreibkunst erfahren waren.
Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt eine Handschrift der Sammlung Ludwig in Los
Angeles ebenfalls aus einem Trierer (Kloster-)Skriptorium: die Tabulae’ des Aesop im
Cod. Ludwig XV 1 des J. Paul Getty-Museums in Los Angeles. Einst als Hs. 1107/55 in
der Trierer Stadtbibliothek aufbewahrt, wo sie Leopold Hervieux noch für seine Edition
der lateinischen Fabelbücher auswerten konnte,14 kam sie dort wenig später abhanden.
Der Londoner Händler Bernard Quaritch verkaufte die Handschrift in Unkenntnis ihrer
Bibliotheksheimat an C. W. Perrins in Malvern, von wo sie schließlich in die Sammlung
Ludwig gelangte.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit den
großformatigen Gradualien aus dem Trierer Dom, die jetzt im Bistumsarchiv aufbewahrt
werden, wiederum ein Atelier nachzuweisen ist, das seinen Sitz vermutlich im Trierer Au-
gustinerkloster hatte. Doch diese Codices — es entstanden nicht nur Gradualhandschrif-
ten, sondern auch andere liturgische Bücher wie ein Paschale (Stadtbibliothek Trier, Hs.
415/1685) — kommen für unseren Untersuchungszeitraum zu spät; sie sind aufgrund der
Verwendung von Dürerschen Kupferstichen als Vorlagen in die Jahre ab 1512 datiert15.
Der Überblick über Schreiberzeugnisse der Trierer Benediktinerklöster zeigt eine Situati-
on, die man offensichtlich vorsichtig verallgemeinern kann: keines der Klöster unterhält in
den 1450er Jahren einen großen Schreiberbetrieb, und wenn überhaupt durch eigene
Kräfte Handschriften gefertigt wurden, weisen diese zumeist keinen künstlerischen
Schmuck auf. Umgekehrt wird man sagen könne, daß die wenigen spezialisierten Buch-
maler — wir haben es bei den Trierer Benediktinern und dem Wormser Dominikaner Jo-
hann gesehen — für Aufgaben auch außerhalb ihrer Ordenshäuser herangezogen wurden,
ja sogar, daß sie nicht nur liturgische bzw. theologische Handschriften für den Eigen-
gebrauch, sondern auch Literatur wie Elisabeths Romane haben schreiben dürfen.
Hervieux, Leopold: Les fabulistes latins, Bd. 1, Paris 1893, S. 785-789. — Zur Hs. vgl. von Euw, Anton /
Plotzek, Joachim: Die Handschriften der Sammlung Ludwig, hg. vom Schnütgen-Museum der Stadt Köln, Bd.
4: Jurisprudenz — Dichtung, Tumierwesen und Spiele, Köln 1985, S. 141-154.
15 Beier, Christine: „Buchmalerei in Trier am Anfang des 16. Jahrhunderts. Das Graduale Nr. 463a und b
im Bistumsarchiv Trier“, in: Kurtrierisches Jahrbuch 36 (1996), S. 89-121. — Vgl. auch den Überblick der
„versenkten und nicht genau lokalisierbaren (Buchmalerei-)Werkstätten“ des frühen 16. Jahrhunderts bei
Ulrich Merkl: Buchmalerei in Bayern in der ersten Hafte des 16. Jahrhunderts, Regensburg 1999, S. 28f. — Ken-
tenich, Gottfried („Eine Trierer Goldschmiedefamilie, in: Trierische Chronik N. F. 2, 1906, S. 146) nennt
für das Jahr 1508/09 einen Rechnungsbeleg für St. Maximin; damals zahlt die Abtei einem Trierer
Buchmaler namens Peter 20 Gulden für die Herstellung eines Psalters und 2Vi Gulden für die Auszie-
rung eines zweiten Psalters mit gemalten Anfangsbuchstaben.
597
Der einzige Orden, der in den 1450er Jahren im Trierer Land überhaupt ein Skriptorium
betrieb, waren die Augusdnerchorherren des Klosters (Eberhards-)Klausen bei Trier. Von
dort sind etwa 40 Codices erhalten geblieben, die bis auf verschwindende Ausnahmen
reine Gebrauchshandschriften sind, wie wir sie schon für Mettlach oder St. Matthias ken-
nengelernt haben. Die Handschriftenherstellung in Klausen ist mehrfach untersucht wor-
den;16 ein Blick auf die qualitätvollen Buchmalereien in Klausener Codices zeigt aber, daß
mit den hier interessierenden Elisabeth-Codices keine Verbindung besteht.
Nimmt man die Handschriftenherstellung der saarländischen Klöster in den Blick, ist die
Situation vergleichbar17. Für den hier interessierenden Zeitraum stammt lediglich aus dem
Benediktinerkloster Mettlach an der Saar ein Sammelband mit Texten zur Benediktusre-
gel, der laut Explicit im Jahr 1461 geschrieben wurde — eine reine Gebrauchshandschrift
ohne künsderischen Anspruch18.
Wie die Situation in anderen deutschen Städten — Mainz, Nürnberg, Köln, Straßburg —
zeigt, begegnen allmählich mit zunehmender Tendenz auch Laienateliers als Hersteller
von Codices aller Art. Regelrechte Laienateliers, die außerhalb der Zuständigkeit der Or-
den arbeiteten, sind in Trier und im gesamten Trierer Raum bislang nicht nachweisbar.
Für das benachbarte Metz sieht es etwas anders aus; dort ist in den Jahren um 1450 sogar
ein Buchmalerei-Atelier nachweisbar.
Die Universitätsbibliothek in Lüttich bewahrt aus der Sammlung Wittert stammend eine
ehemals Trierische Handschrift auf: eine reich bebilderte deutschsprachige Ausgabe des
,Lebens Jesu’ des Michael von Massa in der Redaktion der Lichtenthaler Schreibmeisterin
Regula19. Die Handschrift entbehrt zwar eines Schreibereintrags, aber sowohl die dialekta-
le Einordnung in ein Gebiet zwischen Trier und Diedenhofen als auch der direkte Ver-
gleich mit den Schreib- und Malerzeugnissen eines seit den 1440er Jahren arbeitenden
Metzer Laienateliers machen klar, daß auch die Lütticher Handschrift in Metz entstanden
ist. Eine in den 1960er Jahren aus Privatbesitz wieder in Privatbesitz verkaufte und des-
wegen momentan unauffindbare Handschrift desselben Ateliers, ein reich bebildeter Titus
Livius, nannte einen Schreibernamen: Henri d'Orquevaulz. Es ist die Werkstatt eines Lai-
enkünstlers, keine Klosterwerkstatt mehr. Diesem Orquevaulx-Atelier können etwa ein
16 Zuletzt etwa im Überblick bei Dohms, Peter: Eberhardsklausen. Kloster — Kirche — Wallfahrt von den Anfängen
bis in die Gegenwart, Trier 1985 (mit der älteren Lit.). — Zu einer typischen Gebrauchshandschrift aus
Klausen vgl. Jeske, Hans: Der Kodex Trier 810/1338. Studien yw einer Eifler Plenarbandschnft aus dem Jahre
1464 (Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Germansitica Upsaliensia 13), Uppsala 1974.
17 Vgl. als Überblick Flesch, Stefan / Conrad, Joachim / Bergholz, Thomas (Hg.): Mönche an der Saar. Die
mittelalterlichen Ordensniederlassungen im saarländisch-lothringischen Gren^raum. Saarbrücken 1986.
18 Cambrai, Bibliothèque Municipale Cod. 852. — Dazu Becker, Petrus: „Fragmente aus dem geistigen und
geistlichen Leben der Abtei Mettlach“, in: Zs. für die Geschichte der Saargegend 21 (1973), S. 7-17, Flesch,
Stefan: Die monastische Schriftkultur der Saargegend im Mittelalter, Saarbrücken 1991.
19 Betrachtungen %um Eeben Jesu. Eiège Ms. Wittert 71. Farbmikrofiche-Edition (Codices illuminati medii aevi
Bd. 22). Einführung von Hans-Walter Stork. München 1991. — Zu Henri d’Orquevaulz zuletzt (mit der
älteren Literatur) der Ausstellungskatalog Tresors des bibliothèques de lorraine, Sous la direction de Philippe
Hoch, Paris 1999, S. 137.
598
Dutzend liturgische, theologische und auch Handschriften profanen Inhalts zugesprochen
werden.
Bestellerin des Lütdcher Codex war — und nicht nur die Namensgleichheit macht dies in-
teressant — Elisabeth von Görlitz (um 1385-1451), jene Luxemburger Herzogin, die ihren
Lebensabend als Witwe in Trier verbrachte und mit dem dortigen Franziskanerkloster —
der jetzigen, ‘Jesuitenkirche’ genannten Seminarkirche — eng verbunden war. Elisabeth
wurde dort beigesetzt; ein Epitaph aus der Werkstatt des Trierer Bildhauers Peter von
Wederath im Chorraum ist noch heute zu sehen20.
Um zu einer künstlerisch anspruchsvollen Ausfertigung des sie interessierenden ,Leben-
Jesu’-Textes zu gelangen, mußte die in Trier residierende Luxemburger Herzogin Elisa-
beth von Görlitz ein Metzer Laien-Atelier beauftragen. Diese Auftragsvergabe scheint die
Situaüon in Trier wiederzuspiegeln. Dort, in dem so entscheidenden Handschriftenzent-
rum etwa unter den Trierer Erzbischöfen Balduin von Luxemburg (1285-1354) und Kuno
von Falkenstein21 (1362-1388) — die Situation in den Jahrhunderten zuvor wurde bereits
angesprochen — oder auch in Stiften und Klöstern der näheren Umgebung, im Luxem-
burger oder lothringischen Raum (Metz, Echternach), sind um 1450 zwar vereinzelt
Schreibstuben, aber keine Buchmalereiwerkstätten (mehr) nachweisbar — oder doch keine
solchen, die derartig qualitätvolle Werke wie die Lütticher ‘Leben-Jesu-Handschrift’ hätten
schaffen können.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verschiebt sich die Situation allmählich. Die
nähere Betrachtung von Handschriften, die mit dem Namen der Margarete von Rodema-
chern,22 der Tochter Elisabeths von Nassaus-Saarbrücken, verbunden sind, bringt weiteres
Material, das gestattet, die bislang nur am Einzelfall dargestellte Situation genauer in den
Blick zu nehmen.
Der Beitrag von Wolfgang Haubrichs zur ,Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’ in diesem
Band führt uns die Gestalt der 1426 geborenen Tochter Elisabeths ja bereits vor Augen.
Einige Handschriften aus ihrer Bibliothek sind erhalten. Von größtem Interesse ist in die-
sem Zusammenhang das „Ausleihregister“ im Gothaer Codex Chart. B 237 (fol.
117v/118). Dieser stammt ursprünglich aus dem Besitz Elisabeths, die den Codex ihrer
20 Vgl. Schmid, Wolfgang/Schmid, Gabriele: „Elisabeth von Görlitz (f 1451). Letzte Lebensjahre, Nach-
laßregelung und Grabdenkmal einer Herzogin von Luxemburg in Trier“, in: Michael Embach (Hg.): Kon-
tinuität und Wandel. 750 Jahre Kirche des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Festschrift aus Anlaß der feierlichen
Wiedereröffnung 1993. Trier 1994, 211-252.
21 Vgl. Ronig, Franz: „Kunst unter Balduin von Luxemburg“, in: Balduin von Luxemburg (wie Anm. 3), S.
489-558. - Ronig, Franz: „Die Buchmalerei-Schule des Trierer Erzbischofs Kuno von Falkenstein“, in:
Florilegium Artis. Festschrift für Wolfgang Göt^ Saarbrücken 1984, S. 111-115. Zur Buchmalerei im Erzbis-
tum Trier sowie im lothringischen Raum sind stets heranzuziehen die Kataloge der Ausstellungen: Trier:
Schatff.unst Trier 1984; Nancy: Ecriture et enluminure en Lorraine au Moyen Age, Nancy 1984; Verdun: Tresors
d’un Millénaire, Verdun 1990, Paris 1993; Saarbrücken: Trésors des bibliothèques de Lorraine, Paris 1999.
22 Schenk zu Schweinsberg, Eberhard: „Margarete von Rodemachern, eine deutsche Bücherfreundin in
Lothringen“, in: Zs. des Vereins für thüringische Geschichte, Beiheft 23, Jena 1941, S. 117-152.
599
Tochter vererbte. Vom Inhalt her ist es eine Miscellaneenhandschrift, in der lediglich das
sog. ,Spiegelbuch’ mit seiner Schilderung der Welten Lauf und der Sünden Fluch23 illust-
riert ist: ungelenke Kopien älterer Vorlagen. Eine uns hier ja besonders interessierende
Werkstattzugehörigkeit kann nicht ausgemacht werden.
Insgesamt zehn Vermerke über verliehene Bücher finden sich im Gothaer Codex. Fünf
davon sind mit ihren Titeln angegeben, und immerhin zwei davon sind erhalten: die
,Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’, Codex RT 2/4 ( olim Litr.A Nr. 1292) in Berleburg,
Fürstlich Sayn-Wittgenstein’sche Bibliothek, zwischen 1430 und 1450 entstanden; sowie
die ,Tafel von dem christlichen Glauben und Leben’ des Dietrich von Delft, Berleburg
Hs. RT 2/2 (olim Litr. A Nr. 170).
Der Codex der ‘Pilgerfahrt’ ist auf direktem Weg aus dem Besitz des Rodemacher Ge-
schlechts nach Berleburg gekommen. Offensichtlich hatte Elisabeth von Nassau-
Saarbrücken den Codex fertigen lassen (über die Frage ihrer Urheberschaft an der Über-
setzung ist hier nicht zu handeln) und ihrer Tochter Margarethe (1426-1490) vererbt.
Nach Margarethes Tod kam der Codex in den Besitz der gleichnamigen Tochter Margare-
the, die Eberhard von Sayn und Wittgenstein heiratete. In der Bibliothek der Wittgenstei-
ner Grafen zu Bad Berleburg befindet sich der Codex heute noch. Der Codex weist 194
Illustrationen auf,24 die zumeist drei oder vier Schriftzeilen hoch in Satzspiegelbreite ange-
legt sind. Sie einer Werkstatt zuschreiben zu wollen, ist müßig. Dafür sind sie zu schlicht —
um nicht zu sagen: schlecht, und die roh darüber getünchte Farbe (kräftiges Grün, Gelb,
Rot) tut ein Übriges. Immerhin aber war der Bestellerin der Text der ‘Pilgerfahrt’ wichtig
genug, um ihn illustrieren zu lassen. Zwei Arten von Illustrationen begegnen: zum einen
flüchtige Federzeichnungen einer unsicheren Hand, möglicherweise sogar der des Schrei-
bers, der Hinweise für einen geübteren Buchmaler geben wollte, und zum anderen farbig
ausgeführte Zeichnungen. 17 Vorzeichnungen des Schreibers hat der Maler sogar über-
klebt. „Bei den anderen deckte die Farbe allein die allzu großen Unzulänglichkeiten der
Vorzeichnung zu.“25
Die zweite Berleburger Handschrift überliefert die ‘Tafel von dem christlichen Glauben’26.
Im Vorwort heißt es: Das Buch das heisset dy daffel von dem Cristen glauben und leben ... und ist ge-
dichtet ... von einempredigergenant broder dederich von deljj (fol. Iv). Es sei begonnen worden für
den 1404 verstorbenen Herzog Albrecht von Bayern-Holland und seinem Sohne Johann
23 Bolte, Ed. Johannes: „Das Spiegelbuch, ein illustriertes Erbauungsbuch des 15. Jahrhunderts in dramati-
scher Form“, in: Sitzungsberichte der Preuss. Akademie der Wissenschaften, Phil.-his. Klasse, 130-171 (1932), S.
729-732.
24 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 21), S. 129-131, passim.
25 Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 21), S. 133. Vgl zur ‘Pilgerfahrt’ den Beitrag von W. Flaubrichs in
diesem Band S. 533-568.
26 Zu Dirc van Delft, Tafel van den Kersten ghelove vgl. allg. den Ausstellungskatalog Eltrecht 1989/90: Die gol-
dene Zeit der holländischen Buchmalerei, dt. Ausgabe, Nr. 4, S. 33-36; Daniels, L. M. Fr.: Meester Dirc van Delf
OP. Tafel van den Kersten Ghelove. Naar de handschriften uitgegeven. Bd. I, Nimwegen / Utrecht 1939, S. 114
passim (Hs. W).
600
vor 1417 überreicht worden. Das Berleburger Exemplar ist eindeutig eine spätere Ab-
schrift der Zeit um 1460.
Der mächtige Codex von über 500 Blatt im Folioformat ist reich illustriert: 43 Miniaturen
sind erhalten, mindestens 8 weitere, von denen noch im Bund Reste verblieben, roh he-
rausgerissen. Die Handschrift ist wieder einmal weder datiert noch gibt es einen Schrei-
bereintrag. Da Margarete ihr Buch im Jahr 1466 verlieh, muß es vorher entstanden sein.
Auf Bl, 528v27 findet sich auf der letzten Bildseite das Wappen der Margarete. Thema der
daneben stehenden Miniatur ist „das schöne Himmelreich“ - auch Margarete wünscht
sich, dermaleinst dorthin zu gelangen. Der wappenhaltende Engel mit Margaretens Wap-
pen und die neben Christus und Maria im Himmel thronenden Erlösten sind künstlerisch
von einer Hand; das Wappen ist also nicht später hinzugefügt. Wahrscheinlich war sie
selbst die Auftraggeberin und entstammt das Buch nicht dem mütterlichen Erbteil.
Das Werk ist in vier große Teile gegliedert, deren erste drei über dye artikel des cristen glau-
ben*, über die heylige Kirche und den dienst an Gott handeln. Der vierte Teil bringt Auszüge
aus dem Sachsenspiegel und dem Lehnsrecht. Die Miniaturen illustrieren jeweils die Kapi-
telsanfänge und sind halbseitig groß in den Buchstaben „D“ einbeschrieben, mit dem die
Kapitel beginnen. „Der Gesamtklang [der Farbigkeit] erinnert an den des farbigen
Schmucks der Frühdrucke der 1460er Jahre“, sagt Schenk zu Schweinsberg28. Die Minia-
turen entstammen - mit Ausnahme einer einzigen — einer Malerhand. Die Schilderungen
sind lebhaft, die Farben kräftig. Von den Themen her werden nicht nur geläufige Szenen
illustriert: eine Darstellung Christi in der Kelter fordert ebenso zu neuer Bilderfindung
heraus wie die Szene, in der die Apostel dye artikel des cristen glauhens dychten sollen.
Wieder einmal kann über die ausführende Werkstatt nichts gesagt werden. Vergleichbare
Miniaturen in anderen Handschriften stehen nicht zur Verfügung; der Maler des Gebet-
buchs der Margarete in Weimar ist ein anderer. Immerhin dient der Berleburger Codex als
willkommene Bereicherung jener Buchmalereien, die im Umkreis der Margarete von Ro-
demachern in den 1460er Jahren entstanden. Es ist wohl nicht verfehlt, den Sitz der
Werkstatt im Umkreis Elisabeths zu suchen.
Noch ein dritter Titel des Ausleihregisters kann identifiziert werden: eine Handschrift der
‘24 Alten’ des Otto von Passau. Eberhard Schenk zu Schweinsberg29 wollte sie mit dem
Hamburger Codex 9 in scrinio.30 identifizieren, der zwischen 1410 und 1420 im Elsaß,
vermutlich in der sog. „Werkstatt von 1418“ entstand. Diese Gleichsetzung bleibt indes
anfechtbar, da die Entstehungszeit des Codex zu früh liegt, um mit Elisabeth in Verbin-
dung gebracht werden zu können.
27 Nicht auf fol. 258, wie Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 21), S. 132, schreibt. - Der Codex hat V, 532
Blatt.
28 Schenk (wie Anm. 21), S. 133.
29 Ebd.,S. 134.
30 Zu diesem Codex vgl. Ott, Norbert: Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mit-
telalters, München 1986 ff., Stoffgruppe 4.0.22.
601
Der Hamburger Codex bietet nun aber interessante Beziehungen nach Trier. In der Trie-
rer Stadtbibliothek liegt unter der Signatur Hs. 1119/1330 4° eine leider nur mit einer
doppelseitigen Miniatur ausgestattete Handschrift der ‘24 Alten’31 aus der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts - mithin jünger als der Hamburger Codex die die entsprechende
Szene des Hamburger Codex exakt kopiert und — ausgerechnet — aus dem bereits erwähn-
ten Kloster Eberhardsklausen stammt. Die beiden Miniaturen auf den folia 4v und 5r
stimmen bis auf geringfügige Unterschiede so genau mit den entsprechenden Miniaturen
im Hamburger Codex überein, daß man „um die Annahme direkter Abhängigkeit kaum
herumkommt“ (Ott, S. 210). Norbert Ott meint dazu: „Vielleicht war die Hamburger
Handschrift auf ihrer Wanderung rheinabwärts vom Elsaß nach Köln, wo der Text abge-
schrieben wurde, zeitweise im Moselgebiet, und die Titelminiaturen sind dort kopiert
worden...“ (ebd.). Wie schon gesagt, sind außer in Klausen keine bzw. kaum Buchmaler-
ateliers nachweisbar, die solche Texte hätten schreiben bzw. ausmalen können. Der Be-
sitzeintrag — Dyß hoch hört in onser lieber frauen cloister %o Eberhart.i clusen regilleyrs ordens Treyrs
bystomp auf fol. 1 — , zeigt, daß der Codex zur Klausener Bibliothek gehörte. Wie Walter
Hoffmann aufzeigte, ist das verwendete Papier bereits zwischen 1443 und 1445 hergestellt
worden — Klausen wurde erst nach 1456 wieder besiedelt die Schreibsprache ist das süd-
liche Rheinfränkisch, also keinesfalls Klausen selbst. Die Handschrift mag wohl mit einem
der Gründungskonventualen nach Kausen gekommen sein; sie ist übrigens, wenn der
Überblick nicht täuscht, eine der wenigen nichtliturgischen Handschriften aus Kausen.
Zusammenfassend läßt sich zu den im Ausleihregister der Margarete genannten Büchern
und ihrer künstlerischen Ausstattung also sagen, daß zwei Handschriften zwar in den
Umkreis der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken gehören, aber — fast muß man sagen: wie
üblich — werkstattmäßig nicht näher identifiziert werden können. Der dritte Titel verweist
mit einem Umweg zum Kausener Skriptorium.
Kommen wir nun zur bereits angesprochenen Gebetbuchhandschrift der Margarete von
Rodemachern, Weimar Codex Q 5932. Die Handschrift ist etwa zur selben Zeit entstanden
wie der Heidelberger ,Loher und Maller’-Codex, um 1460.
Der Codex, 140 x 185 mm groß, umfaßt zwei Teile: einen 297 Blatt umfassenden Textteil
und einen separaten Bildteil von 68 Tafeln, auf den gleich noch zurückzukommen sein
31 Vgl. Bushey, Betty C.: Die deutschen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier. (Beschreiben-
des Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek Trier. Neue Serie Bd. 1). Wiesbaden 1996, S.
168f.; Ott (wie Anm. 30), Stoffgruppe 4.0.58; Hoffmann, Walter: „Einige Anmerkungen zur wiederauf-
gefundenen Otto von Passau-Handschrift aus Trier“, in: Vielfalt des Deutschen. Festschrift für Werner husch,
hg. von Klaus J. Mattheier u.a.. Frankfurt 1993, S. 225-240. (mit der älteren Lit.)
32 Zum Codex vgl. Schenk zu Schweinsberg (wie Anm. 21), S. 136-152; Kratsch, Konrad (Hg.): Das Gebet-
buch der Margarete von Kodemachem. Fine Bildfolge aus der Pergamentbandschrift Q 59 in der Zentralbibliothek der
deutschen Klassik yu Weimar; Berlin 21978; Pensel, Franzjosef: Die deutschen Handschriften des Mittelalters und
der Neuheit (in Auswahl) (Bibliographien und Kataloge der Herzogin Anna Amalia Bibliothek) [im
Druck]. - Ich danke Herrn Dr. Jürgen Weber, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, für die
freundliche Bereitstellung der noch ungedruckten Beschreibung von Q 59. Eine Publikation des Codex
auf CD-ROM durch Hans-Walter Stork und Christof Trepesch ist in Vorbereitung.
602
wird. Der Textteil beginnt mit dem Trierer Kalendarium, es folgen die Bußpsalmen und
die Totenvigil. Von fol. 102r bis 123v sind die ‘Witwenregeln’ eingeschoben: jener ur-
sprünglich an Margarethens Mutter Elisabeth gerichteter Brief zum Tode ihres Mannes
und über die Witwenschaft. Ab fol. 124 bis fol. 166 folgen unterschiedliche Gebete und
Betrachtungen33. An sich ist dieser Inhalt eines Gebetbuches für eine adelige Besitzerin
nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich — und bislang nur noch in einem weiteren Gebet-
buch nachweisbar, dazu gleich mehr — ist dessen Einband. Öffnet man den wohl zeitge-
nössischen Lederband, findet man zunächst, fest mit dem Einband verbunden, eine
Holzkassette vor, in die die 68 Miniaturen als einseitig bemalte Einzelblätter ebenfalls fest
eingebunden sind. Der Textband schließt sich an. Vom Inhalt her ergänzen sich Text-
und Bild teil. Die Passion Christi etwa, die im Textteil kaum berücksichtigt wird, ist durch
mehrere Bilder vertreten. Die Gebrauchssituation der bibliophilen Kostbarkeit ist ein-
leuchtend: nicht nur durch die Texte sollte sich Margarete betend in die geschilderten Si-
tuationen vertiefen, sondern mehr noch durch die Bilder, die in der Einzelbetrachtung —
ohne Beeinflussung durch vorgegebene Texte — als Meditationsgrundlage dienen konnten.
Anders als es Konrad Kratzsch, der die Weimarer Handschrift 1968 (2. Auflage 1978) in
einem populären Büchlein vorstellte, annahm, gibt es eine solche Zusammenstellung einer
Gebetbuchhandschrift mit einem separaten Bildteil noch einmal: in der jetzt in Einsiedeln
liegenden ehern. St. Galler Handschrift Cod. 285 mit Texten nach Hildegard von Bingen,
in Auftrag gegeben vom St. Galler Abt Ulrich Rösch im Jahr 147234.
Durch „harte Fakten“ kann es zwar nicht bewiesen werden, aber die Ansicht sei zumin-
dest formuliert, daß die Gebetbuchhandschrift der Margarete von Rodemachern durchaus
in der Moselgegend gefertigt sein könnte. Einzelheiten wie etwa die Goldrautenmusterung
der Teppiche begegnen ähnlich in der älteren Trierer Buchmalerei im ausgehenden 14.
und beginnenden 15. Jahrhundert. Auch dort bereits deutlich als Übernahmen aus den
Vorlagen französischer Buchmalerei kenntlich, kann man solche stilbewahrenden, retro-
spektiven Ausstattungsmerkmaie über viele Jahrzehnte nachweisen.
Wie der Überblick gezeigt hat, gibt es für die frühen Elisabeth-Codices bis in die 1460er
Jahre immerhin doch einige künstlerische Beziehungen nach Trier und somit in die unmit-
telbare Umgebung ihrer Residenz Saarbrücken. Anders wird es bei den nun folgenden
Gruppen der Hamburger und Heidelberger Handschriften. Hier ist auffällig, daß die Co-
dices nun nachweisbar nichts mehr mit der engeren künstlerischen Umgebung der Elisa-
beth — Kunst im Saarbrücker, Trierer oder Metzer Land — zu tun haben. Nun werden
33 Hierunter fallt eine kleine Miniatur des Schweißtuches auf Leder auf, die „den Eindruck eines Importes
vom Südosten Europas“ macht (Schenk, 138 Anm. 18). Zu Andachtsbildern auf Leder vgl. Krönig,
Wolfgang: „Rheinische Vesperbilder aus Leder und ihr Umkreis“, in: Wallraf-RJchart^-Jahrbuch 24 (1962),
S. 97-192.
34 Zur Hs. vgl. Ochsenbein, Peter: Orationale des St. Galler Abtes Ulrich Rösch. Farbmikrofiche-Edition der Hand-
schrift Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 285. Einführung zum Gebetbuch und kodikologische Beschrei-
bung. Codices illuminati medii aevi 42. München 1996; Ders.: Beten mit Bild und Wort. Der Meditations-Zyklus
der Hildegard von Bingen nach der Handschrift für den St. Galler Abt Ulrich Rösch. Codex Einsidlensis 285: Devotio-
nalepulcherrimum, Zürich 1996.
603
Künstler mit Arbeiten beauftragt, die aufgrund der dynastischen Beziehungen der Saar-
brücker zu anderen Residenzstädten in den Bück des Auftraggebers kommen.
II. Die Gruppe der Hamburg-Wolfenbütteler Codices
Es ist bereits mehrfach davon gesprochen worden, daß die beiden Hamburger Codices35
(in scrin. 11 (,Loher und Maller’ mit 160 Illustrationen) und 12 (,Huge Scheppel’, ‘Königin
Sibille’) und der Wolfenbütteler ,Herpin’ aus der Bibliothek Johanns III. von Nassau-
Saarbrücken stammen, der die Werke seiner Mutter nun erstmalig zusammenhängend
schreiben und illustrieren ließ. Erschwerend für eine Lokalisierung der Werkstatt kommt
hinzu, daß die Bilder wie gesagt unabhängig von der Textniederschrift entstanden. Sie
wurden separat gemalt und anschließend in den Textverlauf in dafür freigelassene Felder
eingeklebt, dann mit einem gelben, Gold imitierenden Rahmen versehen — hierin ähnlich
dem Heidelberger ,Loher’ — (vgl. Abb, 52 u. 54), schließlich wurden und fast immer zum
Schluß größere Initialen eingefügt.
Zwar setzt diese Art der Buchherstellung genaue Planung und Absprache zwischen
Schreiber und Illustrator voraus — nicht immer hat es geklappt, denn manchmal verdeckt
der gelbe Rahmen eine Initiale (Bl. 19r, 105v usw. 20), aber nichts spricht gegen die An-
nahme, daß zwischen dem Arbeitsplatz des Schreibers und dem des Illuminators nicht nur
einige Schritte, sondern wirklich große Entfernungen liegen. Überspitzt formuliert: gute
Schreiber waren leichter zu rekrutieren als gute Buchmaler; und warum hätte ein Codex
nicht sogar einige Zeit ohne Ausmalung liegen bleiben können, etwa bis sich die Gele-
genheit bot, auch einen guten Maler zu verpflichten? Dieser hätte — und auch davon war
schon mehrfach die Rede — auf alle Fälle eine Vielzahl der Bilder neu konzipieren müssen,
denn für die zu schildernden Themen gab es in der geläufigeren heilsgeschichtlichen
Thematik der Bibelillustrationen nur wenige „übersetzbare“ Parallelen. Wie schön wäre
es, wenn die erhaltenen illustrierten Romane Elisabeths die Bildprogramme wenigstens
voneinander übernähmen — aber dem ist nicht so.
III. Der Heidelberger Herpin cpg 152, um 1475
Anders als in den übrigen Fällen sind wir im Falle des Heidelberger Herpin36 in der glück-
lichen Lage, sie mit anderen Arbeiten einer Werkstatt und einem Meisternamen verbinden
zu können: der Codex mit seinen 160 Illustrationen entstammt der Werkstatt des Ludwig
35 Bloh, Ute von: hoher und Maller. Überfragen aus dem Französischen von Flisabeth von Nassau-Saarbrücken. Ham-
burg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 und 11a in scrinio (= Codices illuminati medii aevi 35). Literar-
und kunsthistorische Einführung und kodikologische Beschreibung (zur Farbmikrofiche-Edition), Mün-
chen 1995.
36 Zur Hs. vgl. Wegener, Hans: Beschreibendes Verzeichnis der deutschen Bilder-Handschriften des späten Mittelalters
in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek. Leipzig 1927, S. 81-83; von Bloh, Ute: Historie von Herzog Herpin.
Übertragen aus dem Französischen von Flisabeth von Nassau-Saarbrücken. Heidelberg, Universitätsbibliothek Cod. Pal.
Germ. 152 (= Codices illuminati medii aevi 17). Literarhistorische Einführung und Beschreibung der
Handschrift (zur Farbmikrofiche-Edition), München 1990.
604
Henfflin. Die jüngste Untersuchung zu Henfflin stammt von Ute von Bloh, der hier ge-
folgt sei. — Acht Codices aus der Henfflin-Werkstatt sind bekannt, die heute allesamt in
Heidelberg aufbewahrt werden: außer dem Herpin ein dreibändiges Altes Testament mit
insgesamt 300 Miniaturen (Cpg 16, 17, 18); den Sigenot mit über 100 Miniaturen — hier si-
gniert Henfflin — (Cpg 67), Pontus und Sidonia mit 131 Miniaturen (Cpg 142), Wittich
vom Jordan (Cpg 353), schließlich ein Lohengrin (Cpg 345) mit 98 Illustrationen.
Die Miniaturen sind geläufig formuliert unter Verwendung einer Anzahl von Standard-
mustern, die gekonnt variiert werden. Manche Szenen haben ihre ikonographischen Wur-
zeln in entsprechenden sakralen Szenen, etwa die Geburt, die Flut oder die Aufmärsche
von Kriegern, die an Szenen erinnern, in welchen das himmlische Jerusalem betreten
wird. Die Turnierszenen, einmal entwickelt, variieren untereinander kaum.
IV. Die fränkische Herpin-Handschrift in Berlin, 1487
Der Berliner ,Herpin’ ist die späteste Handschrift eines Elisabeth-Romans. Auch sie kann,
ähnlich wie der ,Loher und Maller’ aus der Henfflin-Gruppe, einer Künstlerpersönlichkeit
zugesprochen werden, dessen Cfeuvre zwar gruppiert werden kann37, aber zum Werk des
fränkischen Künstlers fehlt bislang der Name. Von ihm stammen u.a. noch zwei vielfigu-
rige Kreuzigungsszenen: ein Ölgemälde im Frankfurter Städel38 und eine vielfigurige und
damit allein schon durch ihre Ikonographie auffallende Zeichnung Christi in der Rast in
der Pierpont Morgan-Bibliothek in New York39
Fedja Anzelewsy sagt über diesen Meister: „Die 90 Federzeichnungen ..., welche den ers-
ten Teil der Handschrift schmücken (der Rest bleibt ohne Illustrationen), lassen einen
phantasievollen, formal sehr eigenwilligen Künstler erkennen. Seine Figuren wirken durch
ihre oftmals zu großen Köpfe unproportioniert, die Gesichtszüge streifen nicht selten die
Karikatur.... Charakteristisch für den Gewandstil dieses Künstlers ist das Nebeneinander
von größeren weißen oder schraffierten, sonst jedoch ungegliederten Flächen und klein-
teiligem ... Faltenwerk. Seine Kompositionen sind durch klare räumliche Gestaltung so-
wohl bei Innenräumen als auch bei Landschaften ausgezeichnet, wenn auch die Perspek-
tive zumeist nicht stimmt, was besonders bei Szenen im Zimmer deutlich wird— Bei der
Wiedergabe von Innenräumen läßt sich die Vorliebe des Künstlers für waagerechte Paral-
lelschraffuren feststellen, die er in Kontrast zu hellen Wandflächen setzt. Die zumeist mit
einem Kreuzstock versehenen Fenster haben den Querbalken ungewöhnlicherweise stets
im unteren statt im oberen Drittel der Öffnung. Ein weiteres Charakteristikum seiner
Kunst ist die eigenartige Mischung von zeitgenössischen und älteren Kostümbestandtei-
len.“40
37 Anzelewski, Fedja: „Eine Gruppe von Malern und Zeichnern aus Dürers Jugendjahren“, in: Jb. der Berli-
ner Museen 26 (1970), S. 46-59, hier S. 49-51.
38 Abb. 20 bei Anzelewski (wie Anm. 39).
39 Abb. 19 bei Anzelewski (wie Anm. 39).
40 Anzelewski (wie Anm. 39).
605
Soweit Anzelewsky. Das Zitat stammt aus seinem Aufsatz mit dem Titel „Eine Gruppe
von Malern und Zeichnern aus Dürers Jugendjahren.“ Dürers als Autoritätszitat verwand-
ter Name steht am Ende eines Referats, das von den zumeist anonymen Künstlern han-
delte, die in den Jahren ab 1430 bis 1487 bemüht waren, das Werk der Elisabeth von Nas-
sau-Saarbrücken nach besten Kräften zu illuminieren, nach besten Kräften dem beredten
Text gleichwertige Bilder an die Seite zu stellen.
Die Sprache der Bilder: Bild-Erzählung in den Handschriften der
Romane der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
Eva Wolf
In keiner anderen Gattung ist die Verbindung zwischen geschriebenem Text und gemal-
tem Bild so eng wie in der Buchmalerei. Vor allem dann, wenn es sich um Illustrationen
zu narrativen Texten handelt wie in den Romanhandschriften Elisabeths, ist der unmittel-
bare Bezug zwischen den beiden unterschiedlichen Medien offensichtlich: Beide sind auf
eine gemeinschaftliche Rezeption hin konzipiert und beide geben auf ihre eigene Weise
den gleichen Inhalt wieder. Zwar kann der Text auch ohne die Bilder für sich stehen; er
erfährt aber durch die Kombination mit einem Bildzyklus eine Strukturierung und Inter-
pretation, die seine Aufnahme durch den Leser beeinflußt. Die Bilder sind verschiedenen
Abschnitten zugeordnet und gliedern den fortlaufenden Text dadurch optisch in Sinnein-
heiten. Zusammen mit den roten Tituli erlauben sie eine schnelle Orientierung über den
Inhalt des nachfolgenden Textes. Für die Illustration von narrativen Texten wird meist ein
Ereignis aus dem Erzählzusammenhang ausgewählt, das als besonders typisch oder wich-
tig für den Fortgang der Handlung angesehen wird. Sie gehen in der Regel der entspre-
chenden Textstelle voran, d.h. sie werden vor der Lektüre der Texterzählung wahrge-
nommen.
„Der Text spricht vom Ereignis, er nennt die handelnden Personen beim Namen, er er-
zählt das Ereignis im Zeitablauf der Sprache und als einen zeitlichen Geschehensablauf
selbst und ist, wenngleich er nichts zeigt, ein Anlaß, sich das Ereignis als ein Sichtbares
vorzustellen.Diese Vorstellung von dem im Text erzählten Ereignis konkretisieren die
Bilder, indem sie sie unmittelbar sichtbar machen. Die Konkretisierung einer Vorstellung
im Sichtbaren hat immer bereits eine Festlegung auf eine von mehreren möglichen Sicht-
weisen zur Folge und ist insofern eine Interpretation des Textes. Die Bilder sind deshalb
dem Text nicht untergeordnet, sie sind keine bloßen Motivwiederholungen eines bereits
mit anderen Mitteln zum Ausdruck Gebrachten. Sondern als sichtbar gemachte Vorstel-
lung eines Ereignisses beeinflussen sie die Lektüre des nachfolgenden Textes, indem sie
die Imagination des Lesers lenken und konditionieren. Sie nehmen Einfluß auf die Erwar-
tungshaltung des Lesers an den Text einerseits und wirken umgekehrt als Erinnerungsbild
während der Lektüre1 2. Diese wichtige Funktion der Illustrationen in narrativen Texten
setzt voraus, daß die Bilder selbst über Möglichkeiten der Erzählung verfügen. Wie und
mit welchen Mitteln sich eine Erzählung mit den spezifischen Möglichkeiten des Bildes in
den Illustrationen zu den Romanhandschriften Elisabeths konstituiert, soll im Folgenden
genauer ergründet werden. Dazu ist es notwendig, einige Beispiele aus den erhaltenen
Handschriften durch ausführliche Bildbeschreibungen zu analysieren. Die Beschreibungen
1 Imdahl, Max: Giotto, München 1988, S.7. Das Zitat bezieht sich zwar auf die heilsgeschichtlichen Ereig-
nisbilder der Arenakapelle, es ist jedoch auf unseren Zusammenhang übertragbar. Die nachfolgenden
Betrachtungen verdanken den Schriften Max Imdahls viel.
2 Vgl. dazu auch Iser, Wolfgang: Der Akt des Lesens, München 1976 (3. Auflage 1990), vor allem S.175-193.
607
werden sich über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem mit der Frage beschäftigen, in
welcher Weise die Form- und Farbkomposition die Bilderzählung zum Ausdruck bringt.
Eine Gegenüberstellung zweier sehr unterschiedlicher Illustrationszyklen zur ,Historie
von Herzog Herpin‘ in den Handschriften in Heidelberg (Universitätsbibliothek, Cod. Pal.
Germ. 152) und Wolfenbüttel (Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Nov. 2°) soll
verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung vorführen.
Ich beginne mit der Heidelberger Handschrift, weil die Darstellungen unseren neuzeitli-
chen Sehgewohnheiten weniger fremd sind als die älteren Beispiele in Wolfenbüttel. Mit
insgesamt 260 kolorierten Federzeichnungen verfügt der Heidelberger ,Herpin‘-Roman
über ein sehr ausführliches Bildprogramm in relativ dichter Folge. Ute von Bloh hat in ih-
rem Kommentar zur Mikrofiche-Edidon3 bereits Wesentliches zum Bildprogramm erar-
beitet. Bild- und Texterzählung sind in der Regel eng miteinander verknüpft, so daß sich
für beide übereinstimmende Schwerpunktthemen ergeben. Die Bilder stellen meist nur ein
einziges präzises Erzähimoment dar. Nur selten finden sich Hinweise über die zeitliche
und räumliche Dimension der Darstellung hinaus. Wenn eine Entwicklung in der Zeit
zum Ausdruck gebracht werden soll, verteilt der Maler dies auf eine Bildfolge, wie bei-
spielsweise die verschiedenen Etappen des Kampfes der Herzogin mit dem Riesen auf
fünf Zeichnungen zwischen f. 21v und f. 25. Dabei wird die Umgebung stets mit ähnli-
chen Motiven in leichten Variationen gezeigt, was als ein Indiz für den gleichen Hand-
lungsort gelten soll. Dies ist eine seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in flämischer und
französischer Buchmalerei durchaus gängige Erzählpraxis, ebenso auch die von Bloh be-
obachtete Kennzeichnung der Hauptfiguren durch gleichbleibende Kleidung, die ihre I-
dentifizierung über den gesamten Zyklus erlaubt4 5. In den einzelnen Bildern ist die Umge-
bung der Figuren ohne überflüssige Details gegeben und trägt zu einer „prägnanten Mit-
teilung der Inhalte“3 bei.
Die Federzeichnung auf f. 21 v des Heidelberger Tlerpin’ (Abb.50) hat zum Thema, was
auch der zugehörige Titel formuliert: , Wie die her^ogin gewapent dem risen kam vnd In slajfen
fanf6. Im vorangehenden Abschnitt wird beschrieben, wie die Stadt Toledo von dem
feindlichen König Marsilius belagert wird. Zu seinem großen Heer gehört auch ein Riese.
Die Herzogin, die sich als Mann verkleidet im Palast des Königs als Küchenjunge ver-
dingt, erhält im Traum den göttlichen Auftrag, den Riesen in einem Kampf zu töten. Die
Szene entwickelt sich sehr groß entlang des unteren Bildrandes. Die etwas schräg liegende
Figur des Riesen nimmt nahezu die gesamte Breite des Bildfeldes ein. Parallel neben ihm
liegt ein Beil, das ihm dadurch anschaulich zugeordnet ist. Der Riese stützt den Kopf auf
seinen rechten Arm, eine gebräuchliche Formel für Schlaf. Auch im Schlaf trägt er seine
komplette Rüstung samt Helm, weshalb seine Gesichtszüge nicht zu erkennen sind. Wie
3 von Bloh, Ute: Historie von Herzog Herpin. Codices illuminati medii aevi 17, München 1990.
4 Eine genaue Auflistung der Zuordnung der Gewänder bietet der Kommentar bei von Bloh (wie Anm. 3)
auf S.43.
5 von Bloh (wie Anm. 3), S. 42.
6 Zitiert nach der Rubrikenliste bei von Bloh (wie Anm.3), S. 48.
608
iaW jv № nuxt;nr cfmwpJ» ft
fcttwvi üi^tvfivHi vu£ h\ iliKifcn fant__________________
Abb. 50: ,Wie die her^ogin gewapent %u dem risen kam vnd In slaffen fanf ,Herpin’ Heidelberg,
Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 152, f.21v
die gleichfalls gerüstete Herzogin zeigt er also keine individualisierenden Merkmale außer
seiner Größe. Jedoch besteht im Zusammenhang des Buches nach der vorangegangenen
Texterzählung und der Bildüberschrift keinerlei Zweifel über die Identität der Figuren.
Die Herzogin nimmt einen großen Teil der rechten Bildhälfte ein und wirkt dadurch nur
unwesentlich kleiner als der Riese. Ihr figuraler Aufbau wird von einer Reihe unterschied-
lich ausgerichteter Schrägen geprägt, die sie als Agierende kennzeichnen. Das Schwert,
609
das noch in seinem Futteral steckt, hebt sich durch die bräunliche Farbe von der weiß-
blau modellierten Rüstung ab und wird dadurch als Beginn der Folge wahrgenommen.
Die Schräge wird etwas steiler von dem linken Bein der Herzogin wieder aufgegriffen.
Das Bein reicht bis an den unteren Bildrand und verleiht der Figur Standfestigkeit. Das
Vorgesetzte rechte Bein entspricht in seinem Winkel dem Schwert. Der Fuß steht dicht bei
dem Riesen und ist auch durch die Parallelstellung zu dessen Oberschenkel auf ihn hin
ausgerichtet. Die Berührung wird in der letzten Schräge vollzogen, in dem zepterähnli-
chen Stab, den die Herzogin in ihrer rechten Hand hält. In dieser Abfolge zunehmend auf
den Riesen hin ausgerichteter Schrägen liegt eine dynamische Richtungstendenz, die die
Berührung des Riesen mit dem Stab als eine Aktivität anschaulich nachvollziehbar macht.
Die Darstellung der Umgebung ist eher zurückhaltend und ganz auf die Unterstützung
dieser Handlung hin angelegt. Dies zeigt sich beispielsweise in der Verteilung von Grün
und Ocker am unteren Bildrand. Während der linke Fuß der Herzogin auf dem Grünstrei-
fen steht, hat sie den rechten auf den ockerfarbenen Weg aufgesetzt, auf dem der Riese
liegt. Im Sinne der Bilderzählung veranschaulicht dies ein Eindringen in seinen Bereich:
Die Herzogin hat sich ihm genähert. Die Fortführung des ockerfarbenen Weges und
mehrere von ihm unterteilte Streifen kräftigen Grüns markieren die vordere Schicht, auf
der sich die Haupthandlung entwickelt. An ihrem oberen Ende, etwa in der Mitte des
Bildfeldes, bricht der Weg in eine markante Horizontale um, die die mittlere Schicht mit
den Zelten des feindlichen Lagers deutlich nach unten abgrenzt. Der Kopf des Riesen
ragt über diese Begrenzung hinaus. Genau an dieser Stelle biegt auch der Weg nach oben
um und führt ins Lager. Der Riese wird auf diese Weise dem Zeltlager zugeordnet. Insge-
samt wirkt diese mittlere Schicht beinahe wie eine durch die Zeltreihen und Feuer rhyth-
misch gegliederte ornamentale Fläche, die zeichenhaft den Ort des Geschehens angibt
und in seiner formalen Gestaltung die Visualisierung der Handlung unterstützt.
Eine wichtige Funktion hat auch der Himmelstreifen, der sich in einer dritten Schicht
schematisch von einem weißen Horizont zu einem tiefen Blau oben entwickelt. Dieser
Blau-Weiß-Klang findet sich in Variationen über das ganze Bildfeld verteilt, so in den
Modellierungen der Zelte und vor allem in den Rüstungen der Hauptfiguren. Diese Farb-
wiederholung wirkt als ein verbindendes Element zwischen den Figuren und ihrer Umge-
bung einerseits und zwischen den drei Schichten des Bildfeldes andererseits. Sie schafft
damit eine Einheitlichkeit im Bildaufbau, wie sie sonst mit den Mitteln des Perspektiv-
raums erreicht wird. Der Maler gebraucht statt eines Erzählraumes eine Erzählfläche.
Das nächste Bild der Folge auf f. 23 (Abb.51) ist mit der Rubrik überschrieben:4 Wie die her-
%ogin dem risen eyne(n) Jus\ abslug vnd er knuwte vff sin kny gruwlich vmb sich slug mit sin axf1. Auch
hier sind alle Elemente dieser knappen Inhaltsangabe motivisch im Bild umgesetzt: Das
abgeschlagene Bein unter der knienden Figur des Riesen und die zum Schlag erhobene
Axt. Doch die Erzählung des Bildes geht noch um einiges weiter.
Siehe Anm. 5.
610
Abb. 51. '‘Wie die her^ogin dem risen ejne(n) fus% abslug vnd er kn mute uff sin kny gnmdich vmb sich
slugmit sin axt\ Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 152, f.23r
Das Bild gleicht in seinem Aufbau dem vorangehenden und stellt so eine unmittelbar an-
schauliche Verbindung her, die der Wahrnehmung der Darstellungen (und auch der drei
anschließenden) als Bildfolge dient. Wiederum ist das Bildfeld in drei Schichten gegliedert.
Die untere Schicht besteht aus einem grünen Streifen, auf dem sich die Figuren gegenüber
stehen. Es folgt ein Weg in hellem Ocker und erneut ein Grünstreifen. Diese horizontale
Streifenfolge verbindet die beiden Hauptfiguren miteinander und schafft zugleich einen
611
relativ neutralen Hintergrund für ihr Agieren. Es schließt sich wieder eine Schicht mit
Zeltreihen an, deren Färb folge und Motivrepertoire identisch mit dem Vorgängerbild ist.
Die Zelte sind hier jedoch deutlich größer, wie aus größerer Nähe gesehen. Mit dieser
Annäherung der Hauptfiguren an die Zelte deutet der Maler an, daß es sich zwar um den-
selben Ort handelt, daß jedoch etwas Zeit vergangen sein muß.
Gerade in den Variationen der Umgebungsgestaltung zeigt sich sehr deutlich, in welch
hohem Maß sie jeweils an der Entstehung der Bilderzählung beteiligt ist. Die Kompositi-
on der Figuren ist hier eine ganz andere als auf f. 21v: Beide Figuren sind in den jeweili-
gen unteren Bildecken verankert und agieren von dort aus. Das verstümmelte Knie des
Riesen bildet zusammen mit dem vorgestellten linken Bein und dem abgeschlagenen
Schenkel die Basis der Figur. Der schwarz beschuhte Fuß des Schenkels weist mit beinahe
gestischer Prägnanz auf die Urheberin der Verletzung, die Herzogin mit dem zum Schlag
erhobenen Schwert, Die leichte Schrägstellung der ganzen Gestalt des Riesen vermittelt
den Eindruck der Vorwärtsbewegung nach rechts, auf die Herzogin zu. Sie bereitet die
etwas flachere, weit ausgreifende Schräge der Axt vor, deren Stiel der Riese mit beiden
Händen umfaßt. Die Unterarme befinden sich dabei fast in der Horizontalen und stabili-
sieren die Axt. Ebenso wirkt auch das schwarze Schwertgehänge, das die Schräge der Axt
wieder aufgreift, stabilisierend und verhindert ein optisches Wegkippen der nach vorne
geneigten Figur. Auch die horizontale Streifenfolge der Hintergrundschicht verankert die
Gestalt des Riesen in seiner Position, vor allem durch die Parallelisierung des Weges mit
dem linken Oberschenkel und der oberen Grünfläche mit den Unterarmen. Eine Unre-
gelmäßigkeit im Rand des unteren Grünstreifens weist außerdem in Richtung der Herzo-
gin, der sein Angriff gilt.
Die Figur der Herzogin steht im Vergleich zum vorangehenden Bild sehr viel dichter am
rechten Bildrand, wodurch die Bedrohung durch das ausgreifende Beil noch deutlicher
wird. Ihr linkes Bein und die Schwerthülle weisen in die linke untere Bildecke und verlei-
hen ihr zusammen mit dem angewinkelten Arm die notwendige Standfestigkeit für die
Gegenwehr. Diese Gegenwehr manifestiert sich in dem Vorgesetzten Bein, dessen Schräge
der Körperhaltung des Riesen entspricht, durch das in der Bildecke verankerte zweite
Bein aber einen umgekehrten Richtungsschub auf den Riesen zu erhält. Der bedrohliche
Angriff der Axt wird durch die spitze Ausbuchtung ihres Brustpanzers abgeschwächt.
Ebenso wirkt auch der zum Schlag erhobene Schwertarm der Herzogin der Form des
Beils anschaulich entgegen: Der Unterarm ist beinahe eine Fortführung des Beilschaftes,
während der Oberarm parallel zur Kante des Eisens gesetzt ist. Diese formale Analogie,
die die Axtform umkehrt, stellt deren Dynamik sozusagen ruhig, sie entschärft den An-
griff. Umgekehrt verleihen die Linien der Armpanzerung, die eine Aufwärtsbewegung
suggerieren, dem Schwertarm der Herzogin ein Mehr an Dynamik. Die sehr aufrechte
Haltung der Herzogin — unterstützt durch ihre Nähe zum rechten Bildrand und durch
das Umbiegen des Weges an dieser Stelle — zeigt ihre Überlegenheit über die Gestalt des
Riesen an. Dieser ist fest in die horizontalen Streifen des Hintergrundes eingebunden.
Damit sind seine Bewegungsmöglichkeiten optisch eingeschränkt. Auch mit dem zweiten
Bein könnte er sich kaum zu seiner vollen Größe aufrichten. Gegenüber der aufragenden
612
Herzogin erweist er sich bereits hier, im zweiten Bild der fünfteiligen Folge, als der Unter-
legene. Es ist dies eine Vorausdeutung auf den Ausgang des Kampfes. Die Gestaltung der
Umgebung ist also bei diesem Maler wesentlich an der Darstellung der Beziehungen der
Figuren zueinander beteiligt. Sie ist nicht nur nebensächliches Beiwerk, sondern wirkt in
hohem Grade konstitutiv für die Bilderzählung.
Bereits auf den ersten Blick offenbart sich die ganz andere Form der Bilderzählung des
Malers im Wolfenbütteler ,Herpin‘-Roman (Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 46
Novissimi 2°). F. 9 (Abb.52) ist die Illustradon zur gleichen Textstelle, dem Kampf der
Herzogin mit dem Riesen. Sie entspricht f. 21v, dem ersten Bild der Heidelberger Serie. In
Wolfenbüttel sind nur 32 Federzeichnungen bis f. 42 überliefert. Der übrige Teil des Zyk-
lus wurde nicht ausgeführt. Die Leerstellen im weiteren Text lassen vermuten, daß ur-
sprünglich 162 Bilder vorgesehen waren. Diese Zahl ergibt sich aus den 121 Leerstellen ab
f. 44, dazu die 32 vorhandenen Bilder und die 11 fehlenden Bilder der Blattverluste, die
sich durch die Zählung der Bilder in den Bildern rekonstruieren lassen. Der Zyklus war
offenbar dennoch weniger umfangreich konzipiert. Deshalb ist die Dichte der bildlichen
Darstellungen im Verhältnis zur Texterzählung geringer als in Heidelberg. Die Bilder sind
auch hier den Textstellen, auf die sie sich beziehen, vorangestellt. Das Bild auf f. 9 hat
seinen ursprünglichen Zusammenhang verloren, denn es war Teil eines der heute verlore-
nen Blätter8, die vermutlich bereits im 17. Jahrhundert ergänzt wurden. Das Bild wurde
damals wohl abgelöst und auf das neue Blatt aufgeklebt. Die breite gelbe Rahmung ist da-
her an einigen Stellen beschädigt.
Der Bildaufbau mit einer umfangreichen, in die Fläche hochgeklappten Landschaft, in die
relativ klein die Figuren verteilt sind, unterscheidet sich sehr von den Bildern der Heidel-
berger Handschrift. Wird dort die mit großen Figuren vor einem geschichteten Hinter-
grund dargestellte Szene dem Betrachter prägnant vor Augen geführt, hat man hier den
Eindruck, daß das eigentliche Thema sich in der weiträumigen Landschaft mit vielen Ne-
benfiguren und liebevollen Details fast verliert. Der Maler greift damit auf ein Kompositi-
onsmittel zurück, das in den vierziger und fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts in der
flämischen Buchmalerei vor allem im Umkreis des sog. Mansel-Malers9 beliebt war. Dort
werden die einzelnen Etappen einer Erzählung in eine eigens dafür konstruierte, groß an-
gelegte Landschafts- und Architekturkulisse eingefügt. Der Umfang und die Gestaltung
der Umgebung richten sich aber immer nach den Notwendigkeiten der darzustellenden
Handlung und ihrer Verknüpfung zu einem sinnvollen Ablauf. In der Bibliothèque Nati-
onale in Paris wird eine französische Handschrift (ms. Fr. 23279) von 1409 aufbewahrt
deren Miniaturen ähnliche Kompositionen haben wie die Illustrationen des ,Herpin4. Die
Illustrationen der ,Réponses à Charles VI. et lamentation au roi sur son état4 von Pierre
Salmon zeigen die gleiche Vorliebe für eine Einbettung der Handlung in weiträumige All-
8 Außerdem fehlen noch bei f. 1 und f. 5 jeweils etwa 3 oder 4 Blätter.
9 Darauf hat bereits Ute von Bloh hingewiesen (Loher und Maller; München 1995, S.31, Anm.71 u. 72).
613
Abb. 52: Kampf der Herzogin mit dem Riesen. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek,
Cod. Guelf. 46 Novissimi 2°, f.9r
tagsszenen. Die Ähnlichkeiten gehen bis in einzelne Motive hinein10. Die Federzeichnung
auf f. 9 der Wolfenbütteler Handschrift wagt jedoch eine breite Schilderung des Ambien-
tes ohne szenische Motivierung und unterscheidet sich darin wesentlich von den gängigen
mehrszenischen Darstellungen.
Die Landschaft bietet sich als eine aus der Vogelperspektive gesehene Fläche dar, mit ei-
ner Hügelkette und einem schmalen blauen Streifen als Horizont dicht am oberen Bild-
rand. In dieser Fläche sind die verschiedenen Motive, die den Ort der Handlung verdeut-
lichen, ausgebreitet: links die Stadt mit der turmbewehrten Stadtmauer, ungefähr in der
Bildmitte das große Zelt des Königs Marsilius mit einigen kleineren runden Zelten, wie sie
sich auch über das ganze Bildfeld verteilt um die ganze Stadt ziehen. Wirkt die Vielzahl
der Motive auf den ersten Blick unübersichtlich, so ergibt sich bei genauerem Hinsehen,
daß es sich um eine klar gegliederte Komposition handelt. Sie entwickelt sich allerdings
auch hier nicht nach perspektivischen Gesichtspunkten, sondern folgt einer eigenen Lo-
10 Vgl. dazu die Abbildungen bei Roux, Brigite: Les dialogues de Salmon et Charles VI. Images du pouvoir et enjeux
politiques, Genf 1998.
614
gik. Es zeigt sich nämlich, daß jeweils eine bestimmte Motivkombination mehrfach wie-
derholt wird. Das Auge folgt diesen oft wiederholten Blickpunkten über das ganze Bild-
feld, so daß sich aus diesen optischen Stationen eine raumähnliche Wirkung ergibt. Einer
dieser Blickpunkte ist das bereits erwähnte Rundzelt, das immer in Verbindung mit zwei
Wachen an einem Feuer und einem hölzernen Wagen in mehreren Variationen um die
ganze Stadt herum bis an den oberen Bildrand zu finden ist. Ähnlich wirken auch die re-
gelmäßig gesetzten Wachtürme der Stadtmauer. Die Wiederholung solcher auffälliger
Blickpunkte gliedert und ordnet die Vielzahl der Motive und schafft ein serielles System
von Distanzen, das eine eigenständige, nicht-illusionistische Art der Raumdarstellung ist.
Der untere Teil des Bildfeldes wird von einer Wasserfläche mit regelmäßigem Wellenmus-
ter eingenommen, die nach rechts hin bis über die halbe Bildhöhe ansteigt. Dadurch ent-
steht Platz für ein dicht mit Menschen besetztes Segelschiff, das anscheinend gerade ent-
laden wird. Dies jedenfalls lassen der Vorbau mit den Seilen und der Leiter an seiner
Breitseite vermuten. Im Zusammenhang damit sieht man die schon entladenen Boote am
Ufer. Das größere Boot auf der linken Seite liegt dabei fast parallel zum Segelschiff und
lenkt den Blick auf die Hauptszene, die das eigentliche Thema des Bildes enthält. Ganz
am linken Bildrand und vom Motivreichtum des übrigen Bildes durch den Weg und den
Zeltbaldachin abgetrennt, tritt hier die Herzogin auf den schlafenden Riesen zu, um ihn
zum Kampf herauszufordern. Der Riese liegt in seinem Zelt, in das er kaum hineinpaßt:
Die abgewinkelten Beine ragen noch ein Stück heraus. Wie in Heidelberg schläft der Riese
in voller Rüstung; er hat aber seinen Helm abgelegt und benutzt ihn als Kopfkissen. So
muß ihm der Maler ein Gesicht verleihen. Gegenüber den anderen Figuren im Bild, die
entweder sehr klein oder vollständig in einer Rüstung verborgen sind, ist er dadurch indi-
vidualisiert. Auch die Herzogin unterscheidet sich von ihrem Heidelberger Vergleichsbei-
spiel. In labiler Schrittstellung und weit vorgebeugt hält sie eine dornenbewehrte Keule
unter den Stiel der Streitaxt, deren gefährliches Ende von ihr weg gehalten wird. Sie be-
rührt also nicht den Riesen selbst, sondern das stumpfe Ende seiner Waffe. Nur mit ihrer
Keule und mit ihrem waghalsig vorgebeugten Oberkörper dringt sie in den grünen Be-
reich des Riesen ein, der von dem Weg eingegrenzt wird. Mit ihren Füßen bleibt sie jen-
seits dieser Grenzlinie. Zusammen mit ihrer instabilen Körperhaltung verleiht dies der Fi-
gur einen weniger entschlossenen und zaghafteren Charakter als in Heidelberg. Dennoch
geht die Handlung ganz von ihr aus. Das Zelt mit den zur Seite gerafften Bahnen unter-
streicht formal die Ruhestellung des Riesen. Der solcherart enthüllte schlafende Riese ist
seiner Angreiferin ausgeliefert und verletzbar. Der Ausgang des Ganzen ist aber noch un-
gewiß, das Geschehen steckt noch in seinen Anfängen. Zwar deuten die gekreuzten Waf-
fen der Herzogin und des Riesen und im Emblem auf dem Zelt auf den nachfolgenden
Kampf schon hin. Auf seine ausführliche Darstellung mit den vielen fürchterlichen De-
tails der Verstümmelung wird in der Wolfenbütteler Handschrift jedoch verzichtet. Es
handelt sich also um eine völlig andere Interpretation der Texterzählung als in der Hei-
delberger Handschrift.
Wie fügt sich nun diese relativ kleine Szene in das übrige Bild ein? Eine wichtige Funktion
übernimmt in diesem Zusammenhang der Weg, der einerseits formal den Bereich der
615
Szene umgrenzt, andererseits motivisch die Herzogin an seinem einen Ende mit dem
Stadttor am anderen verbindet. Diesen Weg hat die Herzogin aus der belagerten Stadt ge-
nommen, durch dieses in mehreren Schüben nach links unten vorstoßende Stadttor ist sie
gekommen, genauer noch aus diesen beiden auf einer Linie mit dem Vorbau angeordne-
ten herausragenden Gebäuden, der achteckigen Kapelle und dem großen Bau dahinter,
die auch in anderen Bildern als ein wiederkehrendes Zeichen für den Palast der Stadt To-
ledo Vorkommen. Auch in dieser Darstellung ist die Umgebung also so gestaltet, daß sie
den für die Bilderzählung wesentlichen Teil hervorhebt. Dennoch unterscheidet sich diese
Art der Gestaltung grundlegend von den Heidelberger Federzeichnungen: Die Umge-
bung, in die die kleine Szene eingebettet ist, wird hier in großer Ausführlichkeit mit allen
wichtigen Motiven zu Ort und Umständen der Handlung und zahlreichen darüber hinaus-
reichenden Details in der Bildfläche ausgebreitet. Sie erscheint deshalb nicht nur als ein
formal auf die Figuren und ihre Handlung ausgerichteter Hintergrund, der die Konzentra-
tion auf das eigentliche Thema der Erzählung unterstützt. Stattdessen wirkt die umfang-
reiche Umgebung mit vielen realistischen Details als ein größerer Rahmen, ein Kontext
des Alltäglichen mit dem die außergewöhnliche Begebenheit der eigentlichen Erzählung
kontrastiert wird. Dies verleiht ihr eine Wahrhaftigkeit, eine besondere Art von erzähleri-
schem Realismus, der aber nicht mit dem Realismus im üblichen Sinn, wie ihn etwa Jan van
Eyck verkörpert, vergleichbar ist.
Diese Art des Bildaufbaus mit breit angelegter Schilderung des Ambiente bleibt im Prin-
zip über den gesamten Zyklus, soweit er noch vorhanden ist, konstant. Selbst bei Innen-
raumdarstellungen, wie z.B. auf f. 19v (Abb.53), ist nicht nur der übliche rahmende Ein-
blick durch eine Außenarchitektur gegeben, sondern gleich die ganze Stadtansicht bis hin
zu der vertrauten Hügelkette mit Himmelsstreifen am oberen Bildrand. Diese konsequent
nach einem einheitlichen Prinzip gestaltete Umgebung wirkt innerhalb der gesamten Bild-
folge vereinheitlichend. Natürlich ist sie auch offen für eine Nutzung im traditionellen
Sinn, nämlich für eine mehrszenische Darstellung. Eine solche Aufeinanderfolge mehrerer
zusammengehöriger Szenen findet sich beispielsweise in der Miniatur auf f. 41v (Abb.54).
Einige dieser Erzählteile werden in der zugehörigen Überschrift zusammengefaßt: »Wie
der konig mit siner dochter vff den plane reyt vnd gab lewen den danck des er groß lieh erfrauwet war.“
Nach einem Turnier zu Ehren der Königstochter Florentine, aus dem Lewe siegreich her-
vorgegangen ist, erhält er in einer feierlichen Zeremonie den Dank in Form einer golde-
nen Krone. Als weiterer Beweis der Gunst Florentines und ihres Vaters sitzt er beim an-
schließenden Festmahl an der Tafel des Königs. Das Bild vereint die verschiedenen Etap-
pen der Erzählung zu einer kontinuierlichen Folge von Einzelszenen: der Reiterzug mit
dem König, seiner Tochter und den Teilnehmern des Turniers (rechts unten), die Über-
gabe der Krone (Mitte oben), der Weg in den Palast, das Festmahl (oben links). Die
Hauptpersonen sind dabei in der üblichen Weise durch ihre Kleidung identifizierbar. Le-
we trägt eine grüne Jacke mit gelben Tupfen, Florentine einen blauen Überwurf mit dem
gleichen Tupfenmuster, was die beiden darüber hinaus einander zuordnet und als Hinweis
auf ihre künftige Verbindung verstanden werden kann. Die Komposition des Bildes ord-
net die Einzelszenen nach ihren inhaltlichen Beziehungen. Sie beginnt mit der schräg aus
der linken unteren Bildecke ansteigenden Stadtmauer und führt über den Turnierplatz mit
616
Abb. 53: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Novissimi 2°, f.!9v
der verlassenen Zuschauertribüne bis zum oberen Viertel des rechten Bildrandes. Die Ak-
robaten mit ihren auffälligen Turnübungen lenken die Aufmerksamkeit auf den verlasse-
nen Platz, der in der vorangehenden Darstellung der Ort des Geschehens ist. Die Wich-
tigkeit innerhalb des Fortgangs der Erzählung spiegelt sich in seiner unverhältnismäßigen
617
Größe. Eng an den Bildrand gedrängt entwickelt sich der Reiterzug der Turnierteilnehmer
und Zuschauer nach unten, wo er sich zu einer kaum noch differenzierten Masse zusam-
menschließt. Nur die vorderen Figuren, vor allem der König, Florentine und Lewe heben
sich vor dieser Massenfigur ab. Der Vortrupp, bestehend aus Knappen, einem Narren
und Herolden, bewegt sich dagegen als eine Reihe von Einzelfiguren entlang des Weges
auf das Stadttor zu. Diese Einzelfiguren wirken ebenso als Blickpunkte, wie die Akroba-
ten auf dem Turnierplatz. Sie zeichnen den zweiten, für den Szenenzusammenhang wich-
tigen Ort aus, nämlich den Weg auf das Stadttor zu, den Weg den der Reiterzug nehmen
wird. Auf diese Weise sind Ausgangs- und Zielpunkt der Reiter, der Turnierplatz und das
Stadttor, besonders hervorgehoben. Der Zug wird in einem ganz konkreten Sinn als auf
dem Weg zwischen diesen beiden Orten gezeigt.
Innerhalb der Stadtmauern findet er keine unmittelbare Fortsetzung. Das Konglomerat
von Dächern und Häusern bildet vielmehr eine Zäsur, die die Szene von den anderen
Teilszenen weiter oben formal abtrennt und damit auch eine inhaltliche Distanz zum
Ausdruck bringt. Nach dieser Zäsur setzt die Bilderzählung in der Szene auf dem Palast-
vorplatz wieder ein. In der Abfolge der Leserichtung von unten nach oben, die die Schrä-
ge der Stadtmauer andeutet, folgt zwar zunächst eine andere Szene, der Weg der Festteil-
nehmer zum Palast. Die Szene auf dem Palastvorplatz ist jedoch deutlich als die wichtige-
re hervorgehoben. Zum einen setzen die gemusterten Stoffe vor den Häusern farbige Ak-
zente. Zum anderen ist es vor allem die ungewöhnliche Größe der Hauptfiguren, die das
Auge zuerst auf diese Szene lenkt. Die Übergabe des Dankes in Form einer goldenen
Krone entwickelt sich über die ganze Breite des Palastplatzes. In der Mitte zwischen den
beiden kleineren Figurengruppen der Höflinge rechts und der Turnierteilnehmer links ra-
gen die Figuren des Königs und seiner Tochter in ihren langen Gewändern hoch auf. Die
Bewegung auf Lewe zu konkretisiert sich in der Rockschleppe Florentines, die von einem
Knappen in der rechten Gruppe gehalten wird. Lewe nimmt mit höfischem Kniefall und
geneigtem Kopf die Krone des Dankes aus den Händen des Königs in Empfang. Der
strenge, etwas formelhafte Aufbau der Szene entspricht ihrem zeremoniellen Charakter.
In gleicher Ausrichtung, jedoch stärker nach vorne orientiert, bewegt sich der Festzug in
der nächsten, sehr viel kleineren Szene auf den Palast zu. Die letzte Szene der Folge spielt
im Inneren des Palasts, das durch zwei große Rundbogenöffnungen sichtbar wird. Der
Wandpfeiler der rechten Ecke trennt den König auf der Treppe aus der vorigen Szene
vom Geschehen im Innern ab. Die Teilnehmer des Banketts sitzen an Tischen entlang der
Wand. Über dem unteren Rand der Wandöffnung werden gerade noch die Köpfe und ein
Stück der Tische sichtbar. Durch diese Tieferlegung geben sie den Blick auf die hin- und
hereilenden Diener und den Tisch des Königs frei. Im Sinne eines Bedeutungsmaßstabes
ist dieser Tisch mit den Hauptpersonen an der Rückwand des Zimmers größer gegeben
als die der übrigen Festteilnehmer. Lewe ist nochmals besonders ausgezeichnet, weil er
sich unter der größeren Bogenöffnung befindet. Ein Diener reicht ihm gerade einen Be-
cher. Florentine und ihr Vater sitzen unter dem kleineren Bogen. Ganz nach höfischer
Sitte legt der Vater Florentine die Speisen vor. Trotz der geringen Größe dieser Szenen
sind dem Maler solche Details wichtig. Dies zeigt sich auch in der Ausführlichkeit, mit der
Nebenfiguren geschildert werden, beispielsweise der Truchseß, der die Diener beaufsich-
618
Abb. 54: „ Wie der konig mit siner dochter uff den plane reyt vnd gab lernn den danck des er groß lieh
erfraumt war.“ Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Novis-
simi 2°, f.41v
tigt oder die über das ganze Bild verteilten Zuschauer. Sie alle sind der Lebenswelt des
Betrachters entnommen und sollen der Vergegenwärtigung der Erzählung dienen. Die
drei Szenen im Palastbereich sind durch die Gestaltung der Architektur zu einer anschau-
lichen Einheit zusammengefaßt. Sie wird dem deutlich abgetrennten Bereich des Reiter-
zuges unten gegenüber gestellt. Die Komposition reiht also nicht vier gleichgeordnete
Szenen aneinander, sondern sie setzt thematische Schwerpunkte: der Weg des Festzuges
vom Turnierplatz in die Stadt und die drei dicht aufeinander folgenden Episoden mit den
Ehrungen Lewes im Palast. Damit strukturiert und interpretiert der Maler die Erzählung
mit den von ihm entwickelten Möglichkeiten bildlicher Erzählung.
Die Federzeichnung auf f. 191v der Heidelberger Handschrift (Abb.55) zeigt ein ver-
gleichbares Thema. Auch hier erhält Lewe den Dank nach einem Turnier, allerdings von
Florie, der Tochter des Königs von Toledo. Unmittelbar danach gibt Lewe sich seinen El-
619
Abb. 55: Die Königstochter Florie dankt Lewe nach einem Turnier. Heidelberg, Universi-
tätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 152, f.l91v
tern, die er dort wiedergefunden hat, zu erkennen. Diese Szene des Wiedererkennens wird
bereits hier vorbereitet, denn die Herzogin fragt ihn nach der Übergabe des Dankes nach
seiner Herkunft. In der Komposition des Bildes sind diese beiden zeitlich aufeinander fol-
genden Erzählmomente zusammengefaßt, und zwar in einer simultanen Darstellung.
620
Die Szene spielt in einem Innenraum. Der Rest einer Bogenöffnung, ohne die sonst übli-
chen Stützen, ist ein Nachhall der traditionellen Form der Innenraumdarstellung mittels
eines Einblicks durch eine Außenarchitektur — eine Bildformel, die der Maler häufig ver-
wendet. Die Dimensionen des wenig tiefen Zimmers lassen sich am Raster des Kachelbo-
dens ablesen. Die Kacheln sind ungefähr in Zentralperspektive verkürzt. Ganz anders da-
gegen das Fußbodenmuster in dem Gang links, der durch eine Türöffnung sichtbar wird:
Die stark nach oben gekippte Fluchtung der Fliesen ist von perspektivischer Konstruktion
weit entfernt und steht in Widerspruch zur Konstruktion des Hauptraumes. Die Fliesen
wirken hier eher wie ein Flächenornament und nehmen auf formaler Ebene die motivi-
sche Öffnung der Tür wieder zurück.
Nicht nur die Gestaltung des Innenraumes verleiht der Szene eine geschlossene Wirkung.
Auch die Figurenkomposition folgt einer entsprechend strengen Organisation mit sym-
metrisierenden Tendenzen um die Mittelachse. So entspricht Lewes lang ausgestrecktes
Bein dem hinteren Rocksaum Flories. Beide Schrägen werden in den Röcken der jeweili-
gen Begleitfiguren, Lewes Mutter links und einer Hofdame rechts, wiederholt. Sie verstär-
ken die Dreiecksform, die die beiden zentralen Figuren umschließt und einander zuord-
net. Auch in anderen Bereichen wird diese Zuordnung zum Ausdruck gebracht, so bei-
spielsweise in der Ähnlichkeit der Köpfe mit den Kronen, die auf gleiche Höhe gebracht
sind. Selbst die Fenster an der Rückwand des Zimmers unterstützen die Zusammenord-
nung, indem sie Lewe und Florie von den seitlichen Gruppen abtrennen und gleichzeitig
den freien Raum zwischen ihnen als ihren Handlungsraum definieren. Diese formale Ges-
taltung bildet das Gerüst für die motivische Annäherung, die sich im Aufsetzen der Krone
und in der Hand zeigt, die Florie in Lewes gelegt hat. Auf diese Geste scheint Lewe mit
seiner freien rechten Hand nochmals hinzuweisen, ebenso der König links hinter ihm.
Lewes Körperhaltung impliziert insgesamt eine Bewegung zu Florie hin, vor allem durch
die weit ausgreifende Schrittstellung und den ihr zugeneigten Oberkörper. Die Dynamik
dieser Figur wird durch die auffallende Farbgebung des Gewandes mit der vierteiligen
Streifenfolge in Rot-Weiß-Grün-Ocker zusätzlich gesteigert. Neben Florie, die ihm die
Krone aufgesetzt hat, ist er damit als wesentlicher Träger der Handlung ausgezeichnet.
Für die Wichtigkeit der anderen Figuren im Erzählzusammenhang gibt es motivische und
formale Hinweise: Die Hauptfiguren tragen aufwendig gemusterte Kleidung. Außerdem
verfügen sie im Vergleich zu der gedrängten Gruppe der Hofdamen rechts über mehr
Handlungsfreiraum. Die Hofdamen raffen in höfischer Haltung ihren Rock in Hüfthöhe.
Formal verketten sich ihre Unterarme zu einer Reihe, die in Flories Unterarm endet und
die Geste der ineinander gelegten Hände unterstreicht. Die Gruppe der Hofdamen nimmt
nicht aktiv an der Gestik der Hauptfiguren teil, sondern sie bereitet sie formal vor und
verstärkt sie in ihrer Wirkung. Während auch der Zeigegestus des Königs eine Verstär-
kung von Lewes weisender Hand ist, erweisen sich die redenden Hände der Herzogin als
eigenständig. Dies liegt durchaus im Sinne der Bilderzählung, denn sie stellt die für den
Fortgang der Handlung entscheidende Frage nach Lewes Herkunft, die im nächsten Bild
zum Wiedererkennen des verlorenen Sohnes führt. Bereits hier wird aber auf formaler
Ebene schon eine besondere Beziehung zwischen Lewe und der Herzogin angedeutet:
Lewes zurückgesetztes Bein setzt dicht vor ihrem Rock an und gleicht sich ihm unten im
621
Verlauf an. Die beiden Figuren stehen einander in einem ganz konkreten Wortsinn nahe.
Auch das Wiederaufgreifen der Schrägrichtung des Beins in der Rockkontur und den be-
nachbarten Faltenbahnen bewirkt eine Verähnlichung, die die beiden Figuren einander
annähert, und zwar wesentlich spannungsreicher als die bloße Formwiederholung von
Flories Gewand in dem der Fiofdame. Diese anschauliche Verbindung macht deutlich,
wem ihr Redegestus gilt. Die Rede der Herzogin erscheint im Bild als gleichzeitig mit dem
Akt der Krönung. Jedoch folgt er im Wahrnehmungsprozeß des Bildes erst an zweiter
Stelle, weil die Komposition zuerst zu den Figuren in der Mitte führt. Die Reihenfolge in-
nerhalb der Bilderzählung ist dadurch festgelegt.
Der Vergleich dieser beiden Bildzyklen des Herpin-Romans hat gezeigt, daß die Maler
sehr verschiedene Auffassungen von der Gestaltung einer Bilderzählung haben. Zwar sind
die Gestaltungsmittel ähnlich: Die Bilderzählung konstituiert sich in beiden Fällen aus der
Komposition des Bildes und den formal und farblich gestalteten Beziehungen zwischen
Figuren, Gegenständen und Umgebung, wobei jedes Detail wichtig sein kann. Die Art
dieser Beziehungen ist jedoch bei den beiden Malerpersönlichkeiten von sehr unterschied-
licher Qualität. In ihnen spiegelt sich die mögliche Spannweite individueller Interpretation
einer im Text erzählten Begebenheit.
622
Die Grabtumba der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
im Kontext zeitgenössischer Sepulkralkunst
Christof Trepesch
In den Jahren nach dem Tod der Elisabeth von Lothringen 1456 wurde mit der Errich-
tung ihrer Grabtumba das erste monumentale Grabmal gräflicher Herkunft in St. Arnual
aufgestellt1. Die Stiftskirche sollte von nun an für rund 200 Jahre als Grablege für das
Nassau-Saarbrückische Grafenhaus dienen, für das im Laufe der Zeit eine Fülle wertvoller
Grabmäler und Grabskulpturen angefertigt wurde. Anhand dieser Denkmäler wird die
Entwicklung der Grabtypen und -Stile geradezu paradigmatisch vor Augen geführt2. Im
Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages steht die Tumba der Elisabeth von Lothringen,
deren Typus und künstlerische Gestalt innerhalb der zeitgenössischen Sepulkralkunst ei-
nen bestimmten Ort innehat, der im folgenden näher untersucht werden soll.
Standort und Bestand
Das sarkophagartige Grabmal, die Grabtumba, der Elisabeth von Lothringen (Abb.56)
befindet sich inmitten des langen Chorschlauches der Stiftskirche, der in einer ersten
Bauphase gegen Ende des 13. Jahrhunderts errichtet wurde3. Es ist davon auszugehen,
daß die Tumba ursprünglich direkt über dem Bodengrab der Elisabeth errichtet wurde,
das sich inmitten des Chors befindet.
Im Laufe seiner Geschichte hat das Grabmal jedoch mehrfach seinen Platz gewechselt.
Bei den großen Restaurierungsmaßnahmen in den 1880er Jahren wurde es in Richtung
Osten geschoben, um im vorderen Chorbereich mehr Platz für den Gottesdienst zu erhal-
ten. Weitere geringfügige Translozierungen könnten im Zusammenhang der mindestens
1 Der Zeitpunkt der Aufstellung ist ungewiß. Es sind keine Quellen zur Tumba nachzuweisen. Wichtigste
Literatur: Zimmermann, Walther: Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Saarbrücken, Düsseldorf
1932, S. 160f.; Volkelt, Peter: „Die Tumba der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken in der Stifts-
kirche zu St. Arnual“, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 5 (1956), Heft 5/6, S. 77-
81; Ders.: „Elisabeth von Lothringen, Gräfin zu Nassau-Saarbrücken in Geschichte, Literatur und Bil-
dender Kunst“, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 6/7 (1956/57), S. 37-54; Ders.: „Die Tumba
der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken in der Stiftskirche zu St. Arnual“, in: Heimatbrief für Püttlin-
gen und Köllerbach 20 (1994), S. 60-65; Hofmann, Helga D.: Die lothringische Skulptur der Spätgotik (= Veröf-
fentlichungen für Landeskunde des Saarlandes 7), Saarbrücken 1962, S. 144-146; Hauck, Marie-Luise:
„Die Grabdenkmäler der Grafen von Nassau-Saarbrücken in der Stiftskirche St. Arnual und ihre Wap-
pen“, in: Zschr Geschichte der Saargegend 19 (1971), S. 293-321, S. 300f.
2 Zimmermann (wie Anm. 1), S. 159-180; Hauck (wie Anm. 1).
3 Man errichtete aus baustatischen Gründen zunächst den Chor, dann die Seitenschiffe, den Turm
(inschriftlich auf 1315 datiert) und schließlich das Langhaus (Ende 14. Jh.). - Zur Baugeschichte s. Herr-
mann, Hans-Walter (Hg.): Die Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken (= Schriftenreihe des Vereins für
Rheinische Kirchengeschichte Bd. 130), Köln 1998 (hier bes. der Beitrag von Hans-Günter und Kristine
Marschall, S. 345-374).
623
Abb. 56: Tumba der Elisabeth von Lothringen, Gräfinwitwe von Nassau-Saarbrücken,
Saarbrücken, Chor der Stiftskirche St. Arnual.
624
Abb. 57: Skelett der Elisabeth in originaler Lage, freigelegt bei den Sanierungsarbei-
ten in der Stiftskirche St. Arnual 1985ff., inzwischen wieder abgedeckt.
625
zwei Bodenerneuerungen vermutet werden4. 1936 wurde die Tumba weiter nach Westen
versetzt, so daß sie die Bestattung Elisabeths etwa zu einem Drittel in Richtung der Vie-
rung überschnitt5. Bei der jüngsten Versetzung anläßlich der großen Sanierung der Stifts-
kirche in den 1980er und 90er Jahren wurde die Tumba wiederum nicht genau über das
Bodengrab gesetzt; das Grabmal überschneidet heute die Bestattung mehr in Richtung
Apsis6.
Im Zusammenhang mit den langjährigen archäologischen Grabungen in St. Arnual unter
der Leitung des Archäologen und Kunsthistorikers Emanuel Roth konnte das Grab der
Elisabeth fast genau in der Achse des Kirchengebäudes lokalisiert werden (Abb.57). Die
Blickrichtung der Toten entspricht interessanterweise der der Liegefigur, d.h. die Bestatte-
te blickte im Tode nach Osten, zum Altar hin7. Elisabeth war in einem Holzsarg von 1,80
m Länge beigesetzt, der an der breitesten Stelle 45 cm, an der schmälsten Stelle 38 cm
maß. Dr. Dieter Buhmann; Gerichtsmedizinisches Institut der Universität des Saarlandes
/ Homburg bestimmte die Körpergröße Elisabeths auf 1,65 m und wies daraufhin, daß
keine krankhaften Befunde festzustellen seien. Als Beigabe wurde lediglich eine Nadel ge-
funden, die wohl dazu diente, das Totenhemd oder eine Unterlage zu befestigen. Die im
Zusammenhang mit dem Grab gefundenen Münzen — die in der Presse erwähnt wurden —
entstammten einer späteren Störung und gehören neueren Erkenntnissen zufolge nicht
zur Bestattung8.
Die 1,40 m hohe, 95 cm breite und 2,45 m lange Tumba wurde aus einem grau-gelben
Sandstein des Saarbrücker Raumes gefertigt — und nicht, wie bisher auf Grundlage des sti-
listischen Befundes angenommen, aus einem Stein der Metzer Gegend. Dank der von
Restaurator Manfred Schöndorf durchgeführten Reinigung und partiellen Polychromieun-
tersuchung in den letzten Jahren sind wir nunmehr auch über die ursprüngliche Oberflä-
chengestaltung genau unterrichtet. Es sind hier vier Zustandsphasen zu unterscheiden:9
Bei der ersten Farbfassung des Grabmals mit einer Leim- oder Temperafarbe waren die
Ecksäulen des Unterbaues steinsichtig belassen, die Zwischenfelder mit den Wappen
dunkel-rotbraun bis violettstichig gefaßt, eine Fassung der Wappen ist anzunehmen, je-
4 Der Chor wurde 1736 neu geplattet. - Schneider, Reinhard: „Die Stiftskirche St. Arnual. Restaurierungs-
geschichte und Denkmalpflege“, in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 387-460, S. 401.
5 Schneider (wie Anm. 4), S. 439, Anm. 145. - Beteiligt waren Steinhauermeister Wilhelm Fried und die
Anstreichermeister Meyer und Backes.
6 Frdl. Hinweis von Emanuel Roth, Ausgrabungsleiter.
Grab Nr. 405, vgl. Karte in: Herrmann (wie Anm. 3) und S. 135.
8 „Grab der Elisabeth von Lothringen freigelegt: Zehn Münzen als Beigabe“, in: Saarbrücker Zeitung vom
9.8.1985; Roth, Emanuel: „Die spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Grabungsbefunde“, in: Herrmann
(wie Anm. 3), S. 155-175, S. 156 und 164. Zu den Fundmünzen neuerdings Leschhorn, Wolfgang:
Münzfunde in mittelalterlichen Anlagen im Saarland, in: Miron, Andrei (Hg.): Weinpokal und Rosenkranz
Archäologisches aus Burgen und Kirchen des Saarlandes, Saarbrücken 2000, S. 153-179.
9 Schöndorf, Manfred: „Bemerkungen und Beobachtungen zur Restaurierung der polychromen Grabmä-
ler und der Spuren alter Wandfassung in der Stiftskirche St. Arnual“, in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 303-
344, S. 303ff., S. 324.
626
doch nicht nachgewiesen. Das umlaufende Schriftband des Tumbendeckels war schwarz
gefaßt, die Inschrift vergoldet. Das Tuch, das der Liegefigur der Gräfin als Unterlage
dient, war korrespondierend mit den Wangenfeldern dunkel-rotbraun. Das Kleid der Grä-
fin war hellblau gefaßt, das Kopftuch, ihr Umhang innen und außen waren schwarz. Das
Doppelkissen, auf dem ihr Haupt gebettet ist, war weiß gefaßt. Das Weiß war seinerseits
mit Ocker gebrochen.
Die zweite Zustandsphase der Tumba verändert das Erscheinungsbild dahingehend, daß
die polygonalen Ecksäulchen und die Profile des architektonischen Unterbaues nunmehr
hellrot mit dunkelrot-braunen Adern marmoriert wurden (auf weißer Grundierung). Die
Wappen waren in den heraldischen Farben gefaßt. Der Mantel wurde mit einem mittleren
Blau übermalt, das Kleid in Blaugrün. Die Farbe des zweiten Zustandes war im Unter-
schied zur ersten Temperafarbe auf Ölbasis aufgebaut.
Die dritte Zustandsphase veränderte den Unterbau und den überkragenden Deckel, die
mit einem monochromen graublauen Anstrich versehen wurden. Die Liegefigur der Grä-
fin wurde im zweiten Zustand belassen, d.h. der Mantel blieb blau, das Kleid blaugrün.
Der vierte Zustand der Tumba ist der heutige, eine Fassung aus den Jahren 1886-88, die
auch bei den gesamten manieristischen Grabmälern der Stiftskirche anzutreffen ist. Diese
Fassung der Tumba wird dominiert von einem Graugrün, die Wappen sind polychrom,
die Buchstaben der Inschrift sind schwarz — also genau entgegengesetzt zu den ursprüng-
lich vergoldeten Lettern. Der Mantel wurde auf der Grundlage der zweiten Fassung mit
dunklem Ocker schattiert und dann mit einem 3/4 deckenden Schwarz übermalt, so daß
der heutige tiefschwarze, ins Blaue changierende Farbton entstand. Das Tuch, auf dem sie
liegt, ist olivgrün bemalt worden. Auch diese Fassung ist auf Ölbasis ausgeführt, was den
etwas speckigen Oberflächenglanz hervorruft.
Das heutige sehr homogene Erscheinungsbild der Tumba hängt also vor allem mit der
vollständig erhaltenen historistischen Farbfassung des 19. Jahrhunderts zusammen. Hinzu
kommt, daß im Zuge dieser Restaurierungen auch Ergänzungen — überwiegend in Stuck -
durchgeführt wurden. Vor allem freistehende Teile waren nicht nur allgemein bruchge-
fährdet, sondern wurden insbesondere auch bei kriegerischen Ereignissen bewußt be-
schädigt. Gerade die Gesichter von lebensgroßen Herrscherfiguren waren immer wieder
das Angriffsziel von Bilderstürmern. Oft ging es um die mutilatio, die bewußte Verstüm-
melung von Figuren, die man nicht vollständig zerstören wollte. Man benutzte die
Kunstwerke lediglich als Demonstrationsobjekt für die Macht über das Bild und damit
auch über die abgebildete Person und deren gesellschaftliche Machtposition. Mit diesen
Vorstellungen gingen auch die Wiedertäufer in Münster im 16. Jahrhundert an ihr zerstö-
rerisches Werk. So ist dokumentiert, daß deren Meißelhiebe insbesondere auf die Sinnes-
organe der Figuren konzentriert waren, wohingegen die Standessymbole bewußt erhalten
wurden10. Martin Warnke schreibt hierzu: „Die Standeszeichen müssen erhalten bleiben,
10 Als Beispiel sei hier der Grabstein einer Äbtissin an der Südwand des Querhauses im Dom von Müns-
ter/'Westf. genannt. Warnke, Martin (Hg.): Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks, Frankfurt am Main
1988, Abb. 8.
627
wenn das Standesbewußtsein sich als gebrochen darstellen soll.“11 Aus diesem Demonstra-
tions-Grunde ist die Substanz einer Fülle von Denkmälern erhalten geblieben. Auch bei
der Elisabeth-Tumba sind solche mutilatio-Spuren im Gesicht festzustellen, Nase, Kinn,
Mundpartie und das Kopftuch über der Stirn weisen spätere Stuckergänzungen auf. Fer-
ner sind einige Fingerglieder der betend gefalteten Hände ergänzt worden, die Schnauze
des Hundes und alle dem Kircheninnern zugewandten Quasten des Doppelkissens. Fest-
zuhalten bleibt also, daß sich die Beschädigungen im Gesicht und den dem Langhaus zu-
gewandten Teilen konzentrieren; d.h. die Parden, die dem Besucher sofort ins Auge
springen, sind besonders betroffen. Es dürfte sich m.E. somit auch hier um eine mutilatio
handeln, ein Demonstrieren von Macht über das Grafenhaus, das durch die Elisabeth-
Tumba ein exponiertes Zentrum im Chor innehatte. Die Beschädigungen sind mögli-
cherweise im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg oder der Französischen Re-
volution zu sehen (direkt nachweisbar für die Französische Revolution ist lediglich der
Diebstahl der Sanduhr an der Kanzel)12. In der unmittelbaren nachrevolutionären Zeit
finden sich im übrigen auch erstmals an allen Grabmälern Graffitti, die in der Zeit vor der
Revolution aus Pietätsgründen unterblieben waren13.
Reparaturen an dem Grabmal der Elisabeth sind erstmals 1727 nachzuweisen, was noch
auf Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges zurückgehen könnte,14 denn 1627 — ge-
nau einhundert Jahre zuvor — wurde das „gräfliche Begräbnis zu St. Arnual und die Kir-
che [...]“ durch die Kaiserlichen Truppen „spoliert [d.h. geplündert,] alle Türen [...] ja die-
jenige, so zum Gewölb der Begräbnis geht, mit Gewalt verschlagen und alles, was zu be-
kommen gewesen, mitgenommen“ (gemeint ist hier das Grabgewölbe für Graf Ludwig
und Anna Maria von Hessen)15. In einem Bericht des St. Arnualer Pfarrers J. H. Schmitt
im Vorfeld der Restaurierungen (1726) heißt es, „die hochgräflichen Epitaphia im Chor“
seien „schier alle geschändet“16.
Es bleibt festzuhalten, daß bei allen Figuren in der Stiftskirche Verstümmelungen — also
mutilatio-SipuTcn. — in den Gesichtern und den freistehenden Steinteilen (etwa den Hunden
und dem Löwen am Grabmal Graf Johanns III.) zu registrieren sind. Zur Behebung der
Schäden wurde ein Bildhauer aus Saarlouis beauftragt, der als Lohn 13 Gulden erhielt,
„den Bildern in der Arnualer Kirche die Nasen zu reparieren“17. In Frage kommt hier die
Werkstatt des Ferdinand Ganal (1703-1775), der einige Jahre später das Strahlenheim-
11 Warnke (wie Anm. 10), S. 93.
12 Laut Schneider sei die französische Revolution „ohne größere Schäden“ für St. Arnual vorübergegangen.
- Schneider (wie Anm. 4), S. 409; Herrmann, Hans-Walter: „Über Zeit und Gründe der Vergrabung der
Madonnenstatue“, in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 176-180, S. 180.
13 Trepesch, Christof: „Das Epitaph des Henning Freiherr von Stralenheim (1670-1731). Ein Hauptwerk
des Saarlouiser Bildhauers Ferdinand Ganal“, in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 489-504, S. 494.
14 Schöndorf (wie Anm. 9), S. 305.
15 Zitiert nach Schneider (wie Anm. 4), S. 398.
16 Zitiert nach Schneider (wie Anm. 4), S. 400.
17 Zitiert nach Schneider (wie Anm. 4), S. 401.
628
Epitaph für St. Arnual schuf18. Die Textur in der Modellierung des Gesichtes von Elisa-
beth jedenfalls läßt darauf schließen, daß die Ergänzungen einem barocken Bildhauer zu-
zuschreiben sind.
Eine abgeschlagene Quaste von den Kissen der Elisabeth-Tumba wurde bei den Grabun-
gen im Umfeld der Tumba in einer stratigraphisch nicht genauer lokalisierbaren Schicht
gefunden19. Mindestens eine solche Quaste fehlt schon auf einer nicht sehr qualitätvollen
Zeichnung eines Neffen des Hofmalers Johann Caspar Pitz (1756-1795), gezeichnet wohl
von Georg Philipp Pitz (1780-1847) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts20 (Abb.58).
Geht man davon aus, daß bei der Restaurierung 1727 sicherlich alle vorhandenen Beschä-
digungen beseitigt wurden, dann würde dies bedeuten, daß die fehlende Quaste auf der
Pitz-Zeichnung nach 1727, womöglich also während der französischen Revolution, ab-
handen gekommen sein könnte.
In einem Immediatsgesuch von 1846 heißt es, daß besonders „in den Jahren nach der Re-
volution“, die „durch rohen Vandalismus verstümmelten Monumente eine beklagenswer-
ten Anblick“ böten21. Es bleibt somit zu vermuten, daß die Quaste durch diesen - wann
auch immer stattgefundenen — Vandalismus abgeschlagen worden sein wird.
Der Grabmaltypus
Bei dem Elisabeth-Grabmal handelt es sich dem Typus nach um eine Tumba. Tumba, was
im Lateinischen soviel wie Grabhügel und Grab allgemein bedeutet, ist in kunsthistori-
schem Sinne ein sarkophagähnliches rechteckiges Gebilde mit aufliegender abschließender
Platte, das im Unterschied zum Sarkophag eben nicht den Leichnam des oder der Ver-
storbenen enthält, sondern lediglich das im Boden befindliche Grab oberirdisch mar-
kiert22.
Seit dem 13. und 14. Jahrhundert nimmt die Aufwendigkeit in der Gestaltung sukzessive
zu, d.h. die Wandungen der Tumben werden immer üppiger geschmückt, die Deckplatten
mit hoch- und z.T. vollplastischen Figuren verziert. Insgesamt werden die Wandungen
zumeist mit einem architektonischen System überspannt; sie werden gegliedert mit Pfei-
lern, Säulen und Arkaden in unterschiedlicher Ausprägung, jedoch immer mit dem Ziel,
den tragend konstruktiven Part des Kastens zu akzentuieren. Ein regional naheliegendes
Beispiel ist die Tumba des Hl. Wendalinus in der Basilika St. Wendel aus dem Ende des
18 Hierzu: Trepesch (wie Anm. 13).
19 Frdl. Hinweis von Emanuel Roth. Vgl. auch Volkelt, Peter: „Grabmäler in der Stiftskirche St. Arnual“,
in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 461-488, S. 463.
20 LA SB Bildersammlung HV Saargegend, Nr. 958. - Erste Erwähnung bei: Schneider (wie Anm. 4), S.
407, Anm. 54.
21 Zitiert nach Schneider (wie Anm. 4), S. 412.
22 Borgwardt, Ernst: Die Typen des mittelalterlichen Grabmals in Deutschland, Diss. Freiburg 1939, S. lOff.; Pa-
nofsky, Erwin: Grabplastik, Köln 1964, S. 59f.; neuerdings: Körner, Hans: Grabmonumente des Mittelalters,
Darmstadt 1997, S. 29-38.
629
Abb. 58: Georg Philipp Pitz (1780-1847) (?), Zeichnung der Elisabeth-Tumba, Tusche auf
Papier, LA SB Best. Bildersammlung Hist. Ver. Nr. 958.
14. Jahrhunderts23. Die Tumba zeigt ein architektonisches Arkadensystem, das in dem ei-
nige Jahre später errichteten Hochgrab hinter dem Altar wieder aufgenommen wurde.
Zur Herleitung der Tumba ist anzumerken, daß hier die Grundform - die Erhöhung des
Verstorbenen - mit einem Katafalk zu vergleichen ist, einem Aufbahrungsgestell für Tote,
das ausgesprochen ephemeren Charakter hat. Die Gestelle, die aus Holz, Stoff und Gips
gefertigt waren, warf man nach den Begräbnisfeierlichkeiten einfach weg. Die verkleiden-
den Stoffbahnen besaßen als Applikationen Wappen und Symbole, die die Persönlichkei-
ten der Verstorbenen charakterisieren sollten.
Eine weitere Herleitungsmöglichkeit der Tumba ist die Vorstellung „eines Gott geweih-
ten, altarähnlichen Males“, wie Alfred Weckwerth es formuliert,24 oder aber — und hier si-
cherlich nur ein Sonderfall — die Tumba eingefaßt von einer zinnenbekrönten Stadtmauer
als Anspielung auf das „himmlische Jerusalem“, das es für den Verstorbenen zu erreichen
23 Das Hochgrab stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es knüpft strukturell an Hausreliquia-
re an; vgl. Schwinden, Nikolaus: Der Dom %u St. Wendel (= Schnell Kunstführer Nr. 825), München, Zü-
rich 1965, S. 3f.; Seher, Alois: St. Wendelin. Leben und Verehrung eines alemannisch-fränkischen Volksheiligen,
Mödling bei Wien 1962 (zweite, erweiterte Aufl.), Abb. 5 und 6.
24 Weckwerth, Alfred: „Tumba und Tischgrab in Deutschland“, in: Archiv für Kulturgeschichte 39 (1957), S.
273-308, S. 300.
630
gilt, so etwa am Grabmal des Philipp von Heinsberg im Kölner Dom aus der Zeit um
136Q25.
Die Abdeckplatten der Tumben sind zumeist mit lebensgroßen figürlichen Darstellungen
der Verstorbenen ausgestattet, die sich in einem eigentümlichen Zwischenzustand zwi-
schen stehend und liegend befinden. Bei diesen Figuren handelt es sich nicht um hinge-
streckte Tote, „sondern irreal aufrechtstehende Gestalten, deren Kleiderfalten vertikal fal-
len und die man, bei geöffneten Augen, später [...] mit dem Kopf auf ein Kissen gebettet
hat“, so Philippe Aries in seiner Geschichte des Todes26. Als Beispiele seien hier nur die
erste lebensgroße Gisant-(— Liege-) figur genannt, die Grabplatte für Rudolf von Schwa-
ben, um 1080 im Merseburger Dom,27 die den Herrscher mit nach unten abgeklappten
Füßen, im Zustand der „Schwebung“, wie Hans Jantzen es nennen würde,28 zeigt, und die
Gisant-Figur am Grabmal des Pfalzgrafen Heinrich II. in Maria Laach, geschaffen um
1270/80, die den lebendigen Pfalzgrafen mit weit geöffneten Augen, den Kopf auf ein
Kissen gebettet, wiedergibt29.
Diese Ambivalenz von Stehend-Liegend spiegelt sich in der weiteren Entwicklung immer
deutlicher im körperlichen Zustand der Figuren wieder: Scheinen sich die Dargestellten
anfangs noch vollkommen lebendig vom Untergrund als Stehfigur abzuheben, überwiegt
nach und nach der Liegezustand. Hiermit einhergehend ist z.T. auch der Schwebezustand
zwischen Schlaf (also Leben) und Totenstarre zu bemerken. Die Gisants am Grab zweier
Mönche aus dem 15. Jahrhundert im Oratorio della Madonnina in Lucca zeigt die Mön-
che auf dem Totenbett mit geschlossenen Augen, den Rosenkranz in Händen30.
Während also im 12.-14. Jahrhundert der glückselige, das ist der eindeutig lebendige Gi-
sant, überwiegt, gewinnt im Spätmittelalter der in Stein gehauene Leichnam immer häufi-
ger Gestalt, der nunmehr auch als verwester, von Tieren zerfressener Kadaver dargestellt
werden kann. Ein Beispiel hierfür ist das Grabmal des Kardinals Jean de la Grange (gest.
1402) in Avignon, Calvet Museum,31 das den ausgezehrten, ausgetrockneten und mumifi-
zierten Leichnam zeigt, oder aber der Transi (von Hinübergehen) am Grabmal für Franz
I. de la Sarra (gest. 1362) in La Sarraz, das den aufgequollenen Leichnam vor Augen führt,
der von Tieren aufgefressen wird32.
Neben dem Gisant entwickelt sich so seit dem 14. Jahrhundert das Bild des Transi, das
Bild des Todes, des Leichnams im Prozeß des Verfalls. Der Transi ist Ausdruck eines in-
25 Körner (wie Anm. 22), S. 31.
26 Aries, Philippe: Bi/der %ur Geschichte des Todes, München / Wien 1984, S. 54.
27 Panofsky (wie Anm. 22), Abb. 197.
28 Jantzen, Hans: Deutsche Bildhauer des dreizehnten Jahrhunderts, Leipzig 1925, S. 24f.
29 Kahsnitz, Rainer: Die Gründer von l^aach und Sayn. Fürstenbildnisse des 13. Jahrhunderts. Germanisches Natio-
nalmuseum Nürnberg vom 4. Juni bis 4. Oktober 1992, Nürnberg 1992, S. 88ff. [Titelabbildung].
30 Aries (wie Anm. 26), S. 61.
31 Aries (wie Anm. 30), S. 63.
32 Panofsky (wie Anm. 22), Abb. 258, vgl auch Anm. 56.
631
tensivierten Lebensgefühls, das die Endlichkeit des irdischen Daseins, das Ende als Ver-
wesen im Grabe, ins Zentrum rückt und damit auch eine schauerliche Angst vor dem To-
de thematisiert — das glückselige Jenseits scheint verschwunden.
Fragt man sich nach dem Ort des Elisabeth-Gisants innerhalb dieser in groben Zügen
skizzierten Entwicklungsgeschichte des Grabbildes, das noch zahlreiche andere Spielarten
aufzuweisen hat, die hier jedoch mit Rücksicht auf den Rahmen des Beitrages nicht be-
rücksichtigt werden können, dann ist festzustellen, daß Elisabeth den Übergang zwischen
glückseligem Gisant mit verheißungsvoll geöffneten Augen - es sei hier nur an das
Grabmal für den Pfalzgrafen Heinrich II. in Maria Laach erinnert — und dem Bild des To-
ten markiert. Elisabeth hat die Augen schlafend — wie tot — geschlossen, wohingegen ihre
betend erhobenen Hände eine Verlebendigung der Figur zum Ausdruck bringen. Nimmt
man die formal-stilistische Struktur der Figur hinzu, so überwiegt eindeutig ein vitaler
Grundcharakter. Die stark lebendigen Faltentüten sprudeln gleichsam hervor (Nordseite).
Hinzu kommt eine gewisse Verselbständigung der Figur, die als eigenständiges rundliches
Volumen sich gegenüber der horizontalen Unterlage deutlich abhebt. Insgesamt ist diese
Einordnung jedoch mit Vorsicht zu behandeln, da wir nicht genau wissen, ob die Gestal-
tung des Gesichts mit geschlossenen Augen nicht im Barock einer Veränderung unterzo-
gen wurde. In diesem Falle hätten wir den klassischen, älteren Gisant-Typus, die liegend-
stehende Figur mit geöffneten Augen vor uns.
Formale Struktur und Inhaltsanalyse
Die Elisabeth-Tumba besteht aus einem rechteckigen Unterbau und einer überkragenden
Deckplatte mit der Gisant-Figur der Gräfin. Der Unterbau ist sparsam architektonisch ge-
gliedert mit polygonalen Ecksäulchen, die einfache Basen, Halsringe und Kapitellkörper
aufweisen. Die Zwischenfelder sind mit Wappenschilden verziert, seitlich je zwei, an den
Schmalseiten je ein Schild. Die reliefierten Schilde sind mit Riemen in einem neutralen
Grund aufgehängt — hier an eingeschlagenen Haken befestigt (alles in Stein) den oben
und unten Kehlprofile begrenzen. An der festen architektonischen Struktur wird somit
kein Zweifel gelassen.
Die Wappen dokumentieren den verwandtschaftlich-genealogischen Kontext von Elisa-
beth. Anhand von sechs Wappenschilden werden insgesamt drei Generationen, die Groß-
eltern, Eltern und Elisabeth selbst veranschaulicht. Die Wappenschilde sind so ausge-
wählt, daß mit einem Schild nicht nur eine konkrete Person, sondern auch mehrere Per-
sonen gemeint sein können33.
An der Südseite, also rechts, befindet sich in Kopfnähe das Wappen ihres Großvaters Jo-
hann I. von Lothringen, ein roter Schrägbalken belegt mit drei silbernen, übereinander
angeordneten gestümmelten Adlern auf goldenem Grund. Dieses Wappen ist mit dem
Wappen des Vaters Friedrich von Lothringen identisch (Fußende). Rechts daneben ist das
Württemberger Wappen angebracht, denn die erste Gemahlin Johanns I. war Sofie von
33 So bei Volkelt 1956 (wie Anm. 1), S. 79; Hauck (wie Anm. 1), S. 300.
632
Abb. 59: Gisant-Figur der Elisabeth, Seitenansicht von Süden.
Württemberg, daher das Wappen: auf goldenem Feld drei schwarze Hirschgeweih Stangen
(Abb.59). An der Nordseite, also links, befindet sich in Kopfnähe das Wappen von Elisa-
beths Mutter Margarete von Vaudemont, auf silbernem Feld fünf schwarze Balken, das
mit dem ihres Großvaters Heinrich von Vaudemont-Joinville identisch ist (in der Fassung
des 19. Jahrhunderts heute falsch rekonstruiert). Links daneben folgt das Luxemburger
Wappen, denn die Mutter Margaretes von Vaudemont war Marie von Luxemburg, das
Wappen mit rotem aufsteigendem Löwen auf neunmal von Silber und Blau geteiltem Feld
(auch hier ist ein Fehler unterlaufen).
Die östliche Stirnseite zeigt Elisabeths Geburtswappen von Lothringen (zugleich das
Wappen des Vaters), das lothringische Band mit drei Alerions (Abb.56). Die Westseite,
die dem Besucher des Chors direkt ins Auge fallende Stirnseite der Tumba, zeigt das ehe-
liche Wappen der Elisabeth, einen gespaltenen Schild, heraldisch rechts oben Nassau, mit
nach rechts springendem goldenem Löwen mit roter Krone auf blauem, mit Schindeln
besätem Grunde, darunter Saarbrücken, der nach rechts springende silberne Löwe mit
Krone auf blauem, mit goldenen Fußspitzenkreuzen besätem Grunde. Die linke Seite
zeigt das lothringische Wappen.
Das Wappenprogramm an der Tumba Elisabeths ist somit ein sich über drei Generatio-
nen erstreckendes Programm, das die dynastischen Verflechtungen der Verwandtschaft
Elisabeths in doppel- und mehrfachdeutigem Sinne dem Betrachter vor Augen führt. Die-
se Akzentuierung scheint eine gewisse Parallele zum Interessensumfeld Elisabeths aufzu-
rr iin m irmnvnc frmnvv tviftvvav
633
weisen. So werden in ihrem Besitz Wappenbücher angenommen,34 ferner finden sich in
ihrem literarischen Werk immer wieder als Themen genealogische Probleme. In den
Übersetzungen der ,chansons de geste‘ sind — wie Haubrichs 1991 hervorhob — oftmals
Bezüge zwischen dem Französischen Königshaus und dem Grafenhaus Nassau-
Saarbrücken gesucht, es sei hier nur auf die Figur eines Grafen von Saarbrücken verwie-
sen, der etwa als Heerführer unter Kaiser Lothar tätig ist. Das Grafenhaus Nassau-
Saarbrücken wird so bis in karolingische Zeit zurückprojiziert, Epenwelt und Lebenswelt
der Elisabeth durchdringen sich35. Beim Wappenprogramm an der Grabtumba verbot sich
jedoch eine solch weitreichende Fiktion, so daß hier lediglich der vornehmen Adelsge-
schlechter, die mit Elisabeth unmittelbar verwandt sind, durch repräsentative Wappen-
schilde gedacht wird. Die memoria der Adelsfamilie gilt der unmittelbaren magscbaft, der
Verwandtschaft36. Insgesamt paßt die in der Inschrift genannte Herkunft „von Lothrin-
gen“ natürlich zur gewünschten Nähe zum französischen Königshaus (Haubrichs spricht
von einem „Akt der Ansippung“ bzw. der „aktualisierenden memoria“),37 die sich im üb-
rigen auch über die Linie ihres Urgroßvaters, des Herzogs Rudolf / Raoul von Lothringen
(f 1346), entfernt bewahrheitet.
Dieses Abstammungsbewußtsein wird am Grabmal von Elisabeths Tochter Margarethe
von Rodemachern (gest. 1490) weitertransportiert38. Ihr Epitaph in der Mainzer Karmeli-
terkirche zeigt in verkürzter Form die vier Wappen, das von Nassau, Saarbrücken, Loth-
ringen und Luxemburg. Das Grabmal führt uns die Verstorbene als stehende Betfigur vor
Augen, überwölbt von einem spätgotischen Kielbogen mit Maßwerkgehänge. In den Zwi-
ckeln der Darstellung befinden sich die Wappenschilde. Außen ist — ähnlich wie bei der
Elisabeth-Tumba — eine umlaufende deutsche Inschrift eingehauen.
Erst in späterer Zeit, im 17. Jahrhundert, ist ein erneutes, verstärktes genealogisches Be-
wußtsein der Grafen von Nassau-Saarbrücken zu beobachten. Ab 1629 war der Maler und
Zeichner Henrich Dors beauftragt, eine Stammtafel für die Grafen Johann und Wilhelm
Ludwig von Nassau-Saarbrücken zu erstellen39. Seit 1632 erarbeitete er für letzteren ein
sogen. Epitaphienbuch, heute in Wiesbaden aufbewahrt, mit Zeichnungen der Grabmäler
der Nassau-Saarbrücker Verwandtschaft. Darin findet sich auch eine Zeichnung der Eli-
sabeth-Tumba, die explizit auf die Wappeneinteilung eingeht40 (Abb.60).
34 Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik
in den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht 43
(1991), Heft IV, S. 4-19, S. 6.
35 Haubrichs (wie Anm. 34), S. 15.
36 Haubrichs (wie Anm. 34), S. 14.
37 Haubrichs (wie Anm. 34), S. 17.
38 Dors, Heinrich: Genealogie oder Stammregister der durchläuchtigen hoch- und mh ¡geborenen Dürsten, Grafen und Her-
ren des uhralten hochlöblichen Hauses Nassau samt etlichen konterfeitlichen Epitaphien {— Veröffentlichungen der
Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 9), Saarbrücken 1983, S. 209ff.
39 Dors (wie Anm. 38), S. 29.
40 Dors (wie Anm. 38), Abb. 78.
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Abb. 60: Elisabeth-Tumba, eigenhändige Kopie von Henrich Dors als Einlage für das
genealogische Werk Johann Andreaes nach seiner Zeichnung im Epitaphien-
buch, aus: Dors, Henrich: Genealogia oder Stammregister.(wie Anm.38), Abb.
78.
635
Zu den weiteren Bestandteilen der Liegefigur Elisabeths zählt der Hund, auf den Elisa-
beth beide Füße gestellt hat. Der Hund liegt kauernd und mit erhobenem Kopf zugleich
auch wachend am östlichen Ende der Tumba. Dieses Symbol ist in der abendländischen
Sepulkralkunst weit verbreitet. Er wurde als ein Tier der Schwelle zwischen Diesseits und
jenseits begriffen; schon in der Antike ist er Wächter an der Unterweltpforte41. Hundege-
heul war im alten Rom zudem ein Unglücks- und Todeszeichen. Im Zusammenhang mit
Grabmälern wird dem Hund immer wieder eine Bedeutung als Allegorie der Treue (Fides)
zugewiesen: der treue Begleiter, der sein Herrchen oder Frauchen auch im Tode nicht ver-
läßt.
Die Verstorbene liegt schlafend auf einem Tuch, das seinerseits auf dem Tumbendecke)
ausgebreitet ist. Das Tuch weist sogar noch die Knickfalten des ehemals zusammengefal-
teten Lakens auf. Das Haupt Elisabeths ist auf einem doppelten Bahrkissen gebettet. Die-
se Elemente stehen nicht nur einfach in einer bildnerischen Tradition, sondern sind un-
mittelbar aus dem praktizierten Totenkult abgeleitet.
Zu den wichtigsten Pflichten der Angehörigen des Toten oder der geistlichen Gemein-
schaft gehörte es, den Toten aufzubahren, ihn auf Decken und Kissen zu betten. Bei be-
sonders hochgestellten Persönlichkeiten kamen hier wertvolle Stoffe zur Anwendung, so
verkauften etwa nach dem Tode des Wilhelm von Gennep, Erzbischof von Köln, im Jah-
re 1362 die Lupusbrüder in Köln eine „Hermelindecke mit Untertuch, ein seidenes Bett,
,Matras’ genannt, und zwei seidene Kissen“42. Die Verwendung eines doppelten Kissens
war schon im 14. Jahrhundert üblich. Kostbare Stoffe werden auch immer wieder bei
Grabmälern dargestellt, aber auch einfache Materialien, die einen gewissen bewußten Ver-
zicht deutlich machen sollen (also eine Art Kasteiung meinen). Als Beispiel seien hier die
Grabplatte für den Erzbischof Siegfried III. von Eppstein (gest. 1320) im Mainzer Dom
mit einem prunkvollen Bahrkissen genannt — freilich wurde dessen Fassung in späterer
Zeit verändert —, und die Grabplatte des Patriziers Nikolaus Roeder von Tiersberg (gest.
1510) in St. Thomas in Straßburg, dessen Transi auf einer geflochtenen Matte gelagert ist
(laut Caesarius von Heisterbach sind Zisterziensermönche häufig auf Matten gebettet
worden)43.
Als Unterlage des Gisants der Elisabeth dient eine allseits überkragende Deckplatte, auf
deren abgefastem Rand in erhabener gotischer Minuskel die Grabinschrift gut lesbar an-
gebracht ist. Sie beginnt am Kopf (Südseite) und endet auf der dem Langhaus zugewand-
41 Zur Hundesymbolik an Grabmälern siehe u.a.: Bächthold-Stäubli, Hanns: (Hgg.), Handwörterbuch des deut-
schen Aberglaubens, Berlin / New York 1987 [Nachdruck], Bd. 4, Sp. 470-490; Lurker, Manfred: Wörterbuch
der Symbolik, Stuttgart 1988 (vierte, erweiterte Aufl.), S. 323; Bauch, Kurt: Das mittelalterliche Grabbild. Fi-
gürliche Grabmäler des 11.-15. Jahrhunderts in Europa, Berlin / New York 1976, S. 73£; Gerhardt, Christoph:
„Der Hund, der Eidechsen, Schlangen und Kröten verbellt“, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 38
(1985), S. 115-132, S. 120 [Anm. 13].
42 Kroos, Renate: „Grabbräuche - Grabbilder“, in: Karl Schmid, und Joachim Wollasch (Hgg.), Memoria.
Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (= Münstersche Mittelalter-Schriften Bd.
48), München 1984, S. 285-353, S. 289.
43 Kroos (wie Anm. 42), S. 293, Anm. 54.
636
ten Schmalseite:44 Hie . liget. die . hochgebome .fraum (.) Elisabeth . von . lotbringe(n) . greffyne. %u
nassaum . vnd. gu . sarbrucke(n) . die . starfff. des . iares M°CCCCHV° . vf. sant. anthonie(n) .
dag . d(er)er. sele(n) . got. genedig . sye. Das Todesdatum ist nach dem Metzer Kalender ange-
geben, bei dem das Jahr mit Mariä Verkündigung, dem 25. März, begann. Umgerechnet
ergibt sich der 17. Januar 1456.
Die Inschrift ist durchsetzt mit verschiedenen bildnerischen Motiven, die vor allem die
Eckpunkte, an denen die Inschrift umknickt, markieren und die gewissermaßen als Lü-
ckenfüller eingesetzt wurden. An der Südwestecke befindet sich eine Maske, die Volkelt
als Sol anspricht,45 die aber auch einfach als das Haupt eines Wilden Mannes46 bzw. eine
Blattmaske angesehen werden kann (Abb.61), wie sie etwa schon in dem berühmten Bau-
hüttenbuch des Villard de Honnecourt festgehalten wurden47. Gegenüber an der Nord-
westecke findet sich eine Eule (Abb.62), die zwar seit altersher mit symbolhaftem Sinn -
wie etwa Weisheit — unterlegt wurde, die aber genausogut in sepulkralem Zusammenhang
als Hinweis auf den Tod (Eule heißt auf lat. noctua), ein Vogel, der dem Reich der Finster-
nis und dem Tod angehört, zu deuten ist. Der Schrei der Eule kündet als Unglückszeichen
im Volksglauben den Tod an48. Die Eule ist nach Paulinus von Nola die im Dunkel das
Licht der Welt gewahrende Seherin49. Doch auch hier ist ein direkter symbolischer Sinn
fragwürdig. An der Nordostecke des Grabmals ist - so Volkelt — ein lachender Narr mit
Narrenkappe dargestellt (Abb.63), an der Südostecke das Brustbild eines Mannes in Ar-
beitstracht, mit Kittel und Mütze, nach Volkelt ein Bergmannsknappe50.
In der Inschrift finden sich außerdem zahlreiche Ranken- und Blütenmotive, eine Deckel-
kanne und ein Becher, ferner vor dem Wort starff ein exotischer Vogel (Papagei ?), der in
eine Frucht hackt51 (Abb.64). Spielerisch ist auch eine Blütenglocke eingesetzt, die über
eine auslaufende Buchstabenhaste gestülpt ist.
44 Zimmermann (wie Anm. 1), S. 161; Volkelt 1956 (wie Anm. 1), S. 79.
45 Volkelt 1956 (wie Anm. 1), S. 79.
46 Vgl. Die wilden Deute des Mittelalters. Katalog der Ausstellung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, Ham-
burg 1963; Husband, Timothy: The wild man. Medieval rnyth and symbolism, New York 1980.
47 Paris, Bibi. Nat. ms. fr. 19093, um 1240. - Hahnloser, Hans R.: Villard de Honnecourt. Kritische Gesamtausga-
be des Bauhüttenbuchs ms. fr 19093 der Pariser Nationalbibliothek, Graz 1972 (zweite, revidierte und erweiterte
Aufl.), S. 25f.,Taf. 10.
48 Handwörterbuch Aberglauben (wie Anm. 41), Bd. 2, Sp. 1073.
49 Lurker (wie Anm. 41), S. 181.
50 Diese Interpretation ist so nicht zu halten, da „das einzige Kostümteil, das den Bergleuten als unver-
wechselbarer Trachtbestandteil durch die Jahrhunderte zu eigen ist“ das Leder sei, das aufgrund des
Brustbildes nicht zu erkennen ist. Das „kanonische Kostüm“ des Bergmanns entsteht erst im späten 15.
und 16. Jahrhundert. - Briefl. Hinweis von Prof. Dr. Rainer Slotta, Deutsches Bergbau-Museum, Bo-
chum.
51 Auch solche Tiere finden sich schon bei Villard de Honnecourt (vgl. Hahnloser, wie Anm. 47, S. 5ff.,
Taf. 1) oder im spätantiken Physiologus, der das ganze Mittelalter hindurch bekannt war (vgl. Seel, Otto:
Der Physiologus. Tiere und ihre Symbolik, Zürich, München 1992, zweite Aufl., S. 81, ‘Vom Sittich oder Pa-
pagei’.
637
Abb. 61: Blattmaske oder Sol an der Südwest-Ecke der Tumba.
Abb. 62: Eule an der Nord-West-Ecke der Tumba.
638
Abb. 64: Papagei im Inschriftenband der Tumba; ganz rechts Becher.
639
Ob hier eine zusammenhängende Symbolinterpretation überhaupt möglich ist, muß
grundsätzlich gefragt werden, zumal hier keine gängigen ikonographischen Muster nach-
zuweisen sind. Volkelt versucht die Darstellungen auf die Biographie der Gräfin zu bezie-
hen: „Diese allegorischen Darstellungen der Daseinsfreude, des Höfischen, des Exoti-
schen, der Wissenschaft, des Bergbaus deuten den profanen Lebensbereich und die be-
sonderen Interessen der Gräfin in höchst origineller poetischer Form an, ohne daß die
Schrift selbst ihren monumentalen Charakter einbüßt.“52 Selbst eine so allgemein gehalte-
ne Erklärung erscheint mir doch sehr fragwürdig. So dürften die sehr verschiedenartigen
Motive primär als reine Schmuckmotive anzusprechen sein, die eher die Vorlieben des
Künsders als die der Gräfin demonstrieren. Ähnlich „willkürliche“ Motivansammlungen
linden sich immer wieder in den Bordüren von Handschriften, so beispielsweise bei ei-
nem Straßburger Missale aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in der Badischen
Landesbibliothek Karlsruhe53. Hier ist im seitlichen Rankenwerk ein vergleichbarer exoti-
scher Vogel wie bei der Elisabeth-Tumba festzustellen. Bei einer Metzer Handschrift mit
den Dekreten Clemens' V. aus dem 14. Jahrhundert ist als Eckmotiv ein Kapuzenmann
bzw. Mönch dargestellt54. Diese allgemeine Vergleichbarkeit mit Handschriften könnte
auch von dem Bildhauer der Tumba als ein ebenso allgemein gefaßter Hinweis auf die li-
terarische Tätigkeit Elisabeths gemeint sein, ohne daß dieser jedoch konkret biographisch-
anspielende Details zur Schau stellt.
Stü
Wichtigster Anhaltspunkt zur Untersuchung der Stillage bietet die charakteristische Ge-
wandbildung. Elisabeth trägt ein Kleid, darüber einen Mantel, der unter den angewinkel-
ten Armen hochgerafft ist, ferner eine Witwenbinde und ein Kopftuch. Die Gewandung
entfaltet sich zwischen weich fließenden Partien und hartkantigen, winklig umbrechenden
Falten. Diese Faltenformationen dokumentieren stilistisch eine Übergangsperiode zwi-
schen dem sogen. Internationalen oder Weichen Stil der Zeit um 1400 mit seinen schema-
tisch weichen Faltenmustern und dem beginnenden Knitterfaltenstil der Jahrhundertmitte,
der gerade durch die Nähe zu Trier und dem dort kurzzeitig tätigen Protagonisten Nico-
laus Gerhaert eine besondere regionale Verbundenheit aufweist55.
Das Trierer Hauptwerk des Nicolaus Gerhaert, die 1462 vollendete Grabplatte zum Dop-
peldeckergrabmal für den Trierer Erzbischof Jacob von Sierck (Abb.65),56 erinnert in der
52 Volkelt 1956 (wie Anm. 1), S. 79.
53 Seite mit der Weihnachtsdarstellung, Initiale ,P(uer natus est)\ - Katalog: Das Vermächtnis der Jahrhunderte.
2000 Jahre elsässische Handschriften, Straßburg 1988, S. 68.
54 Metz B.M. 63. - Katalog: Met% enluminée. Autour de la bible de Charles le Chauve. Trésors manuscrits des églises
messines, Metz 1989, Nr. 26, Abb. S. 171.
35 Zu Nikolaus Gerhaert s. Recht, Roland, Nicolas de Leyde et la sculpture à Strasbourg (1460-1525), Straßburg
1987.
56 Schommers, Annette: „Das Grabmal des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck. Deutungs- und Rekon-
struktionsversuch von Inschrift und Grabaufbau“, in: Trierer Zeitschrift 53 (1990), S. 311-333.
640
Abb. 65: Grabmal Jakobs von Sierck, Kurfürst und Erzbischof von Trier, ehemals Lieb-
frauenkirche, jetzt Diözesanmuseum Trier.
Konzeption an die Deckplatte der Ellsabeth-Tumba: Auch hier eine flache Grabplatte mit
umlaufender Inschrift, auf der der stark plastische Gisant des Bischofs hegt, das Haupt auf
ein Doppelkissen gebettet. Das Gewand konstituiert sich hier nun nicht mehr aus dem al-
tertümlichen, weichen Faltenfluß, sondern aus hart umbrechenden Faltenwinkeln und
-knittern.
Dieser Stilwandel vom Internationalen Stil zum niederländisch beeinflußten Knitterfalten-
stil vollzieht sich sukzessive in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In dieser - wie Wil-
helm Pinder es nennt — „dunklen Zeit“ bilden sich eine Fülle von Übergangsformen her-
aus, die einerseits noch dem alten Faltenschema verpflichtet sind, andererseits jedoch
schon neuartige Faltenbrüche miteinschließen. Inhaltlich bezieht dieser formale Wandel
neue künstlerische Aspekte mit ein, so richtet sich das Interesse in der Jahrhundertmitte
641
Abb. 66: Grabplatte der Mechthild, Gräfin von Württemberg, um 1450/52, Hans Mult-
scher, aus Katalog: Hans Multscher (wie Anm, 58) Abb.S. 340.
nunmehr sehr stark auf die darzustellenden Materialien, die als Ausdrucksträger für über-
geordnete Inhalte begriffen werden57. Ein Beispiel für ein Grabbild dieser Übergangszeit
5 Hier nur ein Beispiel: Die Dangolsheimer Madonna des Nicolaus Gerhaert, heute aufbewahrt in Berlin,
entstanden um 1465, konstituiert sich aus einem gewaltigen, knittrigen Gewandberg. Ein auffallend spit-
zer Mantelzipfel vor dem Körper der Madonna ist gleichsam ein raumhaltiger gestischer Keil, der den
Unterbau des frei und spielerisch sich bewegenden Christuskindes, das sich im Gewand der Mutter eine
Höhle zu bauen sucht, bildet. Seine dem schweren Gewand kontrastierte Nacktheit ist zugleich eine
Demonstration seiner Leiblichkeit, d.h. auf inhaltlicher Ebene ist somit auch eine Demonstration der
Menschwerdung Christi vollzogen. Das Gewand wird materiell als falt- und knickbare Substanz begrif-
fen. Diese in der Forschung immer wieder mit dem verkürzten Begriff des „Realismus“ bezeichnete
Tendenz, führt in der Gewanddarstellung eine Vitalisierung der unbelebten Materie vor Augen; alles be-
zieht sich aufeinander und ist von Bewegung durchdrungen, eine künstlerische Sichtweise, die sich auch
in den Gedanken des Nikolaus von Cues wiederspiegelt. - Trepesch, Christof: „Vitalität als Gestaltungs-
form in der spätgotischen Skulptur“, in: Zschr. für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 41/2 (1996), S.
281-312; Die Dangolsheimer Muttergottes nach ihrer Restaurierung. Eine Ausstellung des Kaiser-Friedrich-Museums-
642
ist der Gisant der Gräfin Mechthild von Württemberg, den Hans Multscher um 1450/52
geschaffen hat (heute in der Stiftskirche von Tübingen)* 58. Der Gisant der Tumba, die ur-
sprünglich in der Kartause von Güterstein aufgestellt war, zeigt die Liegefigur der Gräfin
in Witwentracht, mit Quastenkissen und einem Hund zu Füßen. Mit ihrer Linken rafft sie
das Gewand, das zwar in langen Tütenfalten herabfällt, sich aber schon an den Armen
kantig einfaltet (Abb.66).
Betrachtet man den Gisant der Elisabeth unter dem Aspekt des Stilwandels, dann bleibt
festzuhalten, daß hier eine stilistische Mischform vorliegt: Die Struktur des Gewandes ist
insgesamt sehr materiell aufgefaßt, die Faltenzipfel und -bahnen knicken immer wieder
ein. Um ihr Haupt, das von dem kantigen Kopftuch eingefaßt wird, bildet sich im Kissen
eine zackige Gloriole heraus, die eine optische Verlängerung in den Falten des Brustberei-
ches aufweisen. Selbst das ausgebreitete Laken unter ihr, mit den schon erwähnten Knick-
falten, weist große Materialität auf, am Kopfende ist eine Ecke des Tuches demonstrativ
umgeknickt. Diese sehr modernen Elemente wurden mit altertümlich wirkenden Faltentü-
ten kombiniert, die unter den Armen mit ondulierenden Säumen hervorsprudeln.
Helga Hofmann konnte in ihrer Dissertation über die „Lothringische Skulptur der Spät-
gotik“ zwei stilistisch sehr nahestehende Werke namhaft machen und damit die Entste-
hung der Elisabeth-Tumba in einer Metzer Werkstatt plausibel deuten59. Eingedenk der
neueren Restaurierungsergebnisse durch Manfred Schöndorf - es wurde einheimischer
Sandstein verwendet — muß nunmehr von wandernden Werkleuten ausgegangen werden,
die die Tumba in St. Arnual vor Ort schufen. Im Nassau-Saarbrückischen ist in dieser
Zeit, der Mitte des 15. Jahrhunderts, keine Bildhauerwerkstatt nachweisbar60.
Hofmann bezeichnet die Werkstatt als „Metzer Gräberwerkstatt“, deren wichtigstes Werk
die Familiengrablege der Familie d’Aix (Esch) in St. Eucharius in Metz ist, die mit einer
Veronika und einer Pietä-Figur (um 1439 entstanden) ausgestattet war61. Das Gewand-
schema der Pietà erinnere, so Hofmann, an Sitzmadonnen des Internationalen Stiles: „In
St. Eucharius fassen wir in einer ersten Arbeit eine neue Werkstatt, dessen realistisch
schwere, zupackende und teilweise härtere und derbere Art das Auftreten einer jüngeren
Kraft verrät. Das Liniengefüge, das vom Weichen Stil mitbestimmt ist (besonders an den
Saumgehängen von Schleier und Schweißtuch), weicht hierbei einer bewußt geometrisier-
Vereins in der Skulpturengalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturhesit^ Berlin 14.10.-3.12.1989, Berlin
1989.
58 Katalog: Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik in Ulm. Eine Ausstellung des Württemhergischen 1 Mtidesmuseums
Stuttgart im Ulmer Museum, 7. September bis 16. November 1997, Kat. Nr. 29, S. 340-344.
59 Hofmann (wie Anm. 1), S. 144ff. [hier auch die Diskussion der Literatur],
60 Erst gegen Jahrhundertende (um 1470/80) entsteht eine Gruppe von Wasserschlagfiguren, die von den-
selben Werkleuten gefertigt worden sein dürften (Wintringer Hof bei Kleinblittersdorf und Schloßkirche,
Saarbrücken). - Volkelt, Peter: „Spätgotische Wasserschlagfiguren im Saarland“, in: Annales Universitatis
Saraviensis, Philosophie 4 (1955), S. 166-181, S. 168-172; und neuerdings: Jähne, Michael: Die Bauskulptur der
Spätgotik im Saarland (1260-1550), Diss. Saarbrücken 1999, S. 146ff.
61 Hofmann (wie Anm. 1), S. 139ff., Abb. 111-114.
643
Abb. 67: Hl. Barbara, Lothringen, Mitte 15. Jh., Metz, Kathedrale, aus: Hofmann, Helga
(wie Anm. 1), Abb. 121.
644
enden flächigen Auffassung.“62 Die Faltentüten der Metzer Pietà erscheinen kantig gebro-
chen und gepreßt, wie überhaupt der Kniebereich Mariens einen festen, kantigen Sockel
für den Leichnam Christi ausbildet. Unübersehbar ist jedoch die Verwandschaft mit der
Elisabeth-Tumba: die Struktur der Faltenwinkel oder der auf der Plinthe bzw. auf dem
Hund aufliegende Saum; bei der Veronika sind vor allem die seitlichen Faltentüten als
Vergleichspunkt hervorzuheben. Aus derselben Werkstatt stammt ferner eine Hl. Barbara
(Abb.67), die im südlichen Seitenschiff der Metzer Kathedrale aufgestellt ist63. Auch sie
weist die angesprochene Zwischenstellung auf.
Wahl des Ortes und liturgische Einbindung
Es ist nicht sicher, ob der auffällige Standort der Elisabeth-Tumba inmitten des langge-
streckten Chorschlauches von der Gräfin selbst oder von ihrem Sohn bestimmt worden
ist. Hauptmotivation mag allgemein — wie Herrmann vermutet — „dem transzendentalen
Denken mittelalterlicher Menschen entsprungen sein, näherhin dem Wunsch, auch nach
dem Tode am Meßopfer teilzuhaben und dem Altar, an dem es gefeiert wurde, ganz nahe
zu sein“64.
Elisabeth selbst veranlaßte, daß allwöchentlich eine Messe und am Abend vor den Qua-
tembertagen [= Fastentage, jeweils Mittwoch, Freitag, Samstag zu Beginn der vier Jahres-
zeiten] eine Vigilie am „Fron=Altare des St. Arnuals=Chores“ gelesen werden solle65. Sie
setzte hierfür 200 Gulden aus. „Zur gewissenhaften Vollziehung dieser Verordnung gaben
Dechant und Kapitel, ihre Zehnten und Renten auf dem Banne und Gericht zu St. Jo-
hann in Unterpfand“, so Friedrich Köllner. Elisabeth versuchte so, gewissermaßen eine
professionelle Abwicklung der Messen zu erhalten, sicherlich auch im Sinne von ,für alle
Zeiten', usque ad extremum diem judicii, wie es in einem Testament des 14. Jahrhunderts
heißt66. Mit dem Fron-Altar dürfte wohl der Hochaltar im Chor gemeint sein, dessen Fun-
damentreste sich bei der Grabung an der Ostwand der Apsis fanden. Ein weiteres Altar-
fundament - von den insgesamt sieben bezeugten Altären67 - wurde von Emanuel Roth in
der Mittelachse des östlichen Jochs des Langhauses gefunden, wohl der Laienaltar68.
Eine solche Messe-Stiftung war zudem in der Regel Teil eines größeren Stiftungskomple-
xes, dem auch das Grabmal als dauerhafte Funeralstiftung zuzurechnen ist. Mit dieser Be-
62 Hofmann (wie Anm. 1), S. 141 und Zitat S. 143.
63 Hofmann (wie Anm. 1), S. 150f., Abb. 121.
64 Herrmann, Hans-Walter: „Zur Geschichte des Stifts St. Arnual“, in: Herrmann (wie Anm. 3), S. 591-698,
S. 656.
65 Das zitierte Testament Elisabeths ist verschollen. - Köllner, Friedrich: Geschichte des vormaligen Nas-
sau— Saarbrück ‘sehen Landes und seiner Regenten, Saarbrücken 1841, S. 199. Zu anderen Jahrgedächtnisstif-
tungen Elisabeths vgl. den Beitrag von Herrmann in diesem Band S. 111.
66 Zitiert nach Kroos (wie Anm. 42), S. 298.
67 Schneider (wie Anm. 4), S. 392.
68 Roth (wie Anm. 8), S. 166.
645
Stiftung der geistlichen Gemeinschaft ist versucht worden, in den Genuß von Fürbitten
dieser Gemeinschaft zu kommen. Nach Otto Gerhard Oexle hat die soziale Memoria, d.h.
das Gedenken an eine bestimmte Person durch eine Gemeinschaft, die Aufgabe, nicht nur
dessen Andenken zu wahren und die Erinnerung an den Verstorbenen „in kognitivem
oder emotionalem Sinne“ wachzuhalten, sondern vielmehr einen „Modus wirklicher An-
wesenheit physisch Abwesender“ unter den Kommemorierenden zu schaffen69. Diese von
unserer heutigen Todesauffassung vollkommen verschiedene Denkart bestimmt einen an-
deren Status der Toten: Die Persönlichkeit des Verstorbenen erlischt nicht mit dessen
Tod, „stattdessen existiert sie als Subjekt aller der zu Lebzeiten eingegangenen rechtlichen
und sozialen Beziehungen weiter, so daß der Tote vollberechtigtes Mitglied der Gesell-
schaft bleibt“, so Christine Sauer in ihrer Dissertation zu Fundatio und Memoria70. Diese
„Gegenwart der Toten“ wird z.B. durch Namensnennung zu erreichen gesucht, in Messen
oder liturgischen Erinnerungsbüchern, so etwa den frühmittelalterlichen Libri memoriales,
bei denen der Verstorbene „vor das Angesicht des Herrn gebracht“ wird71. Die liturgische
Memoria wurde zum Zweck gemeinschaftlicher Fürbitte gestiftet, die sich „im Gebetsge-
dächtnis der Kommemorierenden“ manifestierte72. Geistliche Gemeinschaften — wie die
Kanoniker von St. Arnual — traten beim Stundengebet zusammen und verlasen zur Prim
(Morgengebet) das Necrologium, um diejenigen Personen zu nennen, in deren Namen die
liturgischen Handlungen des Tages ausgeführt werden sollten. Zwar hat sich kein Necro-
logium für St. Arnual erhalten, doch ist sicherlich von der Existenz eines solchen auszu-
gehen. Die wohl recht kleine Gemeinschaft, die um die 10 Stiftsherren umfaßt haben
dürfte, trat im Chor zusammen. Architektonisch sind die Zusammenkünfte noch durch
die Sediliennische in der Südwand des Chores (heute mit dem Eingang in die Sakristei)
und als Pendant hierzu auf der gegenüberliegenden Wand durch eine weitere, heute ver-
mauerte Sitznische faßbar. Ob ein Chorgestühl existiert hat, ist ungewiß und eher un-
wahrscheinlich. In der Nähe des Grabmals befand sich schon 1453 ein dauerhaftes memen-
to mori in Gestalt eines gemalten Kruzifixes als Hinweis auf den Opfertod Christi — unklar
ist, ob Wand- oder Tafelbild73.
Die Tumba der Elisabeth inmitten des Chores ist eine dauerhaft präsente Visualisierung
der Verstorbenen, die eine ständige Kommemoration nahelegt und die auch ohne eine
immer wiederkehrende Namensnennung auskommt. Elisabeth wird so zu einem festen
Bestandteil der Liturgie von St. Arnual. Beim Stundengebet haben die betenden Kanoni-
69 Oexle, Otto Gerhard: „Memoria und Memorialüberlieferung im früheren Mittelalter“, in: Frühmittelalterli-
che Studien 10(1976), S. 70-95, S. 84. Zusammenfassend: Sauer, Christine: Fundatio und Memoria. Stifter und
Klostergründer im Bild 1100 bis 1350 (— Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 109),
Göttingen 1993, S. 19ff.
70 Sauer (wie Anm. 69), S. 20.
1 Sauer (wie Anm. 69), S. 20.
2 Luckhardt, Jochen: „Grabmal und Totengedächntis Heinrichs des Löwen“, in: Ders. und Niehoff, Franz
(Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Katalog der Ausstellung Braunschweig, Braunschweig 1995, Bd. 2, S.
283-291, S. 289.
73 Schneider (wie Anm. 4), S. 392f. [Anm. 17].
646
ker ihr Totenbild stets vor Augen gehabt. Sie werden hierdurch einerseits an die Person
der Gräfin selbst erinnert, andererseits auch an den Tod an sich, der jeden betrifft. Durch
diese doppelte Vergegenwärtigung wird der besondere Präsenz-Status der Toten definiert
und zugleich wurde hierdurch optimal für das Seelenheil der verstorbenen Gräfin gesorgt.
Das Totenbild der Verstorbenen, ein Gisant, weist nun auch per se die schon skizzierte
Doppelbödigkeit von ,liegen4 und ,stehen4, von ,schlafend4 und ,tot4 auf. Die Struktur der
Tumba, der steingewordene Katafalk, und die lebendig-schlafende Tote wirken hier im
Sinne von Dauerhaftigkeit oder Zeitlosigkeit, die — eingebunden in die im Verlaufe des
Kirchenjahres immer wiederkehrende Kommemoration — die Präsenz der verstorbenen
Gräfin in der Chormitte anschaulich macht. Anders gesprochen: Die Tumba ist gleichsam
die konkret gewordene Mitte der Memorialfeiern für die Verstorbene.
In diesem Zusammenhang sind sicherlich auch funktionale Aspekte des Grabbildes zu be-
rücksichtigen, d.h. das Grabmal bildete nicht nur einfach das Zentrum während des Stun-
dengebetes und des Jahrgedächtnisses, sondern es war stets auch Ort des Gebetes für alle
die, die Zutritt zum Chor hatten, und Ort der Grabbräuche74. Hierzu zählen das Aufstel-
len von Kerzen ebenso wie das Abdecken des Grabmals mit Anniversartüchern oder das
Inszenieren mit Weihrauch an kirchlichen Feiertagen.
Zur Verdeutlichung nur ein Beispiel: Bei der Grabtumba Kaiser Friedrichs III., aufgestellt
in der Mitte des Apostelchors des Wiener Stephansdomes, zwischen 1468 und 1517 ent-
standen, die Grabplatte von Nicolaus Gerhaert geschaffen, lassen sich Funeralriten in Zu-
sammenhang mit dem Grabmal nachweisen75 76. Noch Ende des 17. Jahrhunderts, berichtet
Johann Matthias Testarello, sei das Grabmal stets mit einem Tuch bedeckt gewesen, des-
sen Funktion sicherlich nicht nur im Schutz gegen Verstaubung zu suchen sein dürfte,
sondern vor allem auch in der feierlichen Enthüllung für bestimmte Besucher und zu be-
sonderen Gelegenheiten. Ähnliches wird auch in Straubing überliefert. Dort heißt es in
einem Testament des Achatz Zeller von 1509: es sollen mit meiner leich vier Straubinger tuech,
cpwey schwärt%e und tyway grabe, mitgetragen und %u allen meinen begenknussen, grebnus, sibends, und
dreissigsten, sölh tuech alwegen auf die par gelegt und, so dieselbn begengknus allthalbn verprachf6 wer-
den; d.h. es sollen auch noch nach dem Begräbnis zu den entsprechenden Andachten Tü-
cher in der Art der Begräbnistücher verwendet werden.
1516 stiftete der Sohn Friedrichs, Maximilian I., eine tägliche Messe an dem Altar neben
dem Grabmal des Vaters, also ein dauerhaftes Kommemorieren ähnlich wie in St. Arnual.
Noch im 19. Jahrhundert ist eine ältere Tradition belegt, bei der dieses Grabmal als Unter-
lage für ein „Heiliges Grab“ in der Karwoche genutzt wurde, so daß die Grablegung
Christi in enge rituelle Verbindung mit dem verstorbenen Kaiser gebracht wurde. Der
Gebrauch von Kerzen ist schon im Zusammenhang mit der Friedrichs-Tumba von den
74 Kroos (wie Anm. 42).
75 Trepesch, Christof: Studien %ur Dunkelgestaltung in der deutschen spätgotischen Skulptur (= Europäische Hoch-
schulschriften Bd. 210), Frankfurt u. a 1994, S. 161 ff., bes. S. 204.
76 Zitiert nach Kroos (wie Anm. 42), S. 290.
647
Exequien her belegt, die im Jahre 1493 abgehalten wurden. Man errichtete eine „Chapelle
ardente“, die dazu diente, die 346 bezeugten Kerzen aufzunehmen, die im dunklen Kir-
chenraum ein prachtvolles Lichtzentrum schufen, das letztendlich symbolisch mit Chris-
tus als dem Licht der Auferstehung in Verbindung zu bringen ist. In der Capellen stand die
Bahre, überdeckt von dunklen Bahrtüchern. Darauf lagen die kaiserlichen Insignien, die
Friedrich in effigie symbolisch vertraten.
Eine der Hauptmöglichkeiten jedoch, ein Tumbengrabmal liturgisch miteinzubeziehen,
eröffnet die besondere Gestalt der Freitumba,77 d.h. die frei im Raum stehende, von allen
Seiten zugängliche Tumba, die Prozessionsbewegungen um das Grabmal herum ermög-
licht. Die erwähnte Leserichtung der Inschrift, die den Besucher um die Tumba herum-
lenkt, macht eine solche Prozession individuell nachvollziehbar.
Anschaulich-künstlerische Reflexe solcher Prozessionen bieten die berühmten Grabmäler
von Philipp dem Kühnen und Johann ohne Furcht, die inmitten der kleinen Kirche der
Kartause von Champmol — fast raumfüllend — aufgestellt waren (heute im Musée des
Beaux Arts, Dijon)78. Die Tumben mit Gisantfiguren weisen an den baldachinförmig auf-
gelösten Wandungen kleine Mönchsgestalten aus hellem Alabaster auf, die im dunklen
Marmormilieu eine Prozession verbildlichen. Der Trauergeleitzug setzt sich aus den Pries-
tern und Diakonen und den Weinend-Trauernden, den Pleuranls, zusammen79.
Während der Prozessionen wurde Weihrauch gespendet, eine liturgische Handlung, die
auch in der Sepulkralplastik häufig in Gestalt weihrauchspendender Diakone oder Engel
reflektiert wird80. Insgesamt ist die regelmäßige Wiederholung der liturgischen Handlun-
gen, das Beräuchern mit Weihrauch ebenso wie das Weihwasser-Sprengen, der häufigste
Brauch. Diese Handlungen gliedern gewissermaßen die einzelnen Prozessionsabschnitte.
Sie sind überdies auch beim Tode selbst, der Aufbahrung, der Grabtragung, der Toten-
messe und im Begräbnis die wichtigsten Handlungen der geistlichen Fürsorge für den
Verstorbenen. Eine Wiederholung dieser beim Begräbnisvorgang zuerst durchgeführten
Vgl. hierzu: Hamann-Mac Lean, Richard: „Das Freigrab“, in: Zschr. des Deutschen Vereins für Kunstwissen-
schaft 32 (1978), S. 95-136.
~s Morand, Kathleen: Claus Sluter. Artist at the court of Burgundy, London 1991, S. 121 ff.
9 Eine solche kreisförmig beschriebene Bewegung wird durch die Balustrade um die erwähnte
Friedrichstumba in Wien realiter nahegelegt. Die Balustrade der Tumba erreicht man über eine Stufen-
folge am östlichen (dem Chor zugewandten) Ende der Tumba. Erst nach Ersteigen dieser Stufen kann
man den nach Osten blickenden Gisant Friedrichs (die gleiche Blickrichtung wie Elisabeth) überhaupt
erst wahrnehmen und die bis zu 40 cm tief ausgehöhlte - vom Kirchenboden aus nicht einsehbare - Plat-
te feierlich umschreiten. Die Kreisbewegung hat hier eine wesentliche Eigenschaft, nämlich, die durch
die Balustrade schon vorgegebene Abstandhaltung des Betrachters, der sein Ziel in immer gleicher
Entfernung betrachten kann. - Trepesch (wie Anm. 75), S. 183, 207.
80 Als Beispiel seien hier die Diakone am Grabmal für Kardinal Annibaldi in S. Giovanni im Lateran, Rom,
genannt (Kroos (wie Anm. 42), Abb. 12a/b) verwiesen oder aber die weihrauchspendenden Engel am
Grabmal des Erzbischofs Adolf von Nassau (gest. 1390) im Mainzer Dom (Genealogia S. 122). - Vgl.
auch: Escher, K.: „Die Engel am französischen Grabmal des Mittelalters und ihre Beziehungen zur Li-
turgie“, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 35 (1912), S. 97-119, S. 99.
648
Handlungen - insbesondere bei den Anniversarien81 - bedeutet eine bestimmte Konstan-
te, eine Regelmäßigkeit, die eben wiederum der Vergegenwärtigung der Toten dient.
Beispiele für die Präsenzsetzungen von Verstorbenen durch Tumben, die inmitten des
Chores aufgestellt wurden, sind seit dem hohen Mittelalter in steigender Zahl nachzuwei-
sen, anfangs überwiegend jedoch bei Fundatoren, also den Kirchengründern und -
Stiftern82. Das Grabmal Heinrichs des Löwen im Braunschweiger Dom (um 1235/40) bei-
spielsweise ist an zentraler Stelle vor dem Hochchor des Domes plaziert und zeigt Hein-
rich und Mathilde im Doppelgrab als Gisantfiguren83. Die Memorialfunktion dieses
Grabmals bekommt im Zusammenhang mit der Legitimation der Herrschaft seiner
Nachkommen einen tieferen Sinn, die auch dessen besondere Stifterfunktion akzentuieren
wollten84. Meistens haben die Gisants ein Kirchenmodell in der Hand. Das Stiftergrabmal
für den Pfalzgrafen Heinrich II. im Chor der Abteikirche von Maria Laach wurde rund
200 Jahre nach dessen Tod (1095) unter Abt Theoderich zwischen 1256 und 1295 vom
Eingang zum Kapitelsaal in den Chor der Abteikirche verlegt. Die neu errichtete Tumba
mit Baldachinziborium erinnert nicht nur an eine aufwendige Altarsituation, sondern ist
zugleich de facto durch die Anbringung eines Altarsteines am Kopfende auch als solcher
genutzt worden85. Diese Kombination von Tumba und Altar war jedoch überwiegend nur
bei Heiligengräbern gebräuchlich und dürfte beim Laacher Stiftergrab als eine besondere
Auszeichnung des Toten zu interpretieren sein. Auch die zwischen 1499 und 1513 von
Tilman Riemenschneider gearbeitete Tumba im Bamberger Dom für den heiliggespro-
chenen Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde86 besaß ebenfalls ursprünglich
an seiner Westseite einen Altar, den Kunigundenaltar.
Festzuhalten bleibt, daß die Aufstellung von Tumben inmitten des Chors eine verbreitete
Sitte war, wie etwa auch das Beispiel von St. Elisabeth in Marburg zeigt. Der dortige
Landgrafenchor ist mit Grabtumben geradezu dicht gefüllt,87 ähnlich auch der Chor der
Tübinger Stiftskirche88. Ein weiteres Beispiel ist die Bischofstumba für Johann von Baden
im Westchor des Trierer Domes89. Für Elisabeth selbst ließe sich sogar eine Art „Famili-
81 Kroos (wie Anm. 42), S. 299.
82 Beispiele bei: Kahsnitz (wie Anm. 29), S. 108.
83 Steigerwald, Franz Neidhardt: Das Grabmal Heinrichs des Löwen und Mathildes im Dom %u Braunschweig (=
Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, hg. v. Ottokar Israel, Bd. 47), Braunschweig 1972.
84 Oexle, Otto Gerhard: „Fama und Memoria. Legitimationen fürstlicher Herrschaft im 12. Jahrhundert“,
in: Heinrich der Löwe (wie Anm. 72), Bd. 2, S. 62-68, ferner Bd. 1, Kat. Nr. D25.
85 Kahsnitz (wie Anm. 29), S. 133ff. [Kapitel Grab und Altar],
86 Bier, Justus: Tilmann Kiemenschneider. Die späten Werke in Stein, Wien 1973, S. 1-41.
87 Katalog: 700 Jahre Elisabeth.kirche in Marburg 1283-1983, Kat. E, Marburg 1983, Nr. 18, S. 44ff.
88 Die Grabmäler wurden hier freilich erst im 16. Jahrhundert unter den Herzogen Ulrich (1496-1550) und
Christoph (1550-1568) als Grablege des württembergischen Fürstenhauses versammelt.
89 Hier war die Tumba für Erzbischof Johann von Baden aus dem Jahre 1504 aufgestellt. - Schmid, Wolf-
gang: „Grabdenkmäler im Erzbistum Trier (1150-1650). Methoden, Probleme und Perspektiven einer
Bestandsaufnahme“, in: Kurtrierisches Jahrbuch 35 (1995), S. 99-129, S. 112. Das Grabmal wurde neuer-
dings im Depot des Trierer Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum wieder entdeckt. Frdl. Hinweis
649
entradition“ konstruieren: Elisabeths Urgroßvater Herzog Rudolf / Raoul von Lothringen
verfügte seine Beisetzung vor dem Georgsaltar in der von ihm gestifteten Kollegiatkirche
in Nancy90. Da dieser Kirchenbau bei seinem Tode (1346) noch nicht fertig war, fand Ra-
oul seine letzte Ruhe in der Zisterzienserabteikirche Beaupré, wo ihm eine Tumba aus
schwarzem Marmor mit zwei Bronzegisants vor dem Altar errichtet wurde. Auch Elisa-
beths Bruder Anton von Vaudémont (gest. 1458) wurde an exponierter Stelle bestattet:
Die Tumba stand unmittelbar vor dem Altar in der Kirche von Vaudémont91 (Abb.70).
Nachfolge der Elisabeth-Tumba
Die Tumbenform mit den Wappenwangen und der Gisantanordnung wurde in St. Arnual
selbst am Grabmal für Elisabeths Sohn Johann III. von Nassau-Saarbrücken (Abb.68)
aufgenommen. Die im Nordquerhaus von St. Arnual in einer Ecke aufgestellte Tumba ist
eine sowohl räumlich wie auch stilistisch nahestehende Arbeit. Pinder ordnete die große
Grabtumba unter den Oberbegriff „westlicher Typus fürstlicher Prunkgräber“ ein und
nannte das Grabmal in einem Atemzuge mit den Tumben der burgundischen Herzoge
von Dijon92. Vergleichbar zum Elisabeth-Grabmal sind hier vor allem die stehenden und
knienden Engel zu Häupten des Grafen und seiner zwei Frauen, Johanna von Loen-
Heinsberg und Elisabeth von Württemberg, die als Gisantfiguren dargestellt sind. Zwei
Engel halten je einen Kerzenleuchter (die sicherlich ursprünglich mit echten Kerzen aus-
gestattet werden konnten), die zwei stehenden Engel am Haupte des Grafen halten einen
Helm und ein Wappenschild. Vorbildlich haben hier die Engel am Grabmal Johanns ohne
Furcht und Margarethes von Bayern gewirkt, heute Musée des Beaux Arts Dijon, das von
einem Nachfolger des Claus Sluter, Juan de la Huerta, 1456 vollendet wurde93. Dort fin-
den sich zwei kniende Engel, die Helm und Schild halten. Dieses Motiv hat jedoch schon
ältere Wurzeln und eine weiter reichende Tradition, wie etwa die Engel am Grabmal Ger-
hards I. von Jülich in der ehemaligen Zisterzienserabtei Altenberg, errichtet um
1390/1400, beweisen,94 und zugleich eine weiterführende Traditionslinie, man vergleiche
von Wolfgang Schmid. Vgl. Groß-Morgen, Markus / Schmid, Wolfgang / Schwarz, Michael Viktor:
„Nikolaus Myert, Ein unbekannter Utrechter Bildhauer der Spätgotik“, in: Kunstchronik 51 (1998), Heft 7,
S. 334-339.
90 Hierzu Herrmann (wie Anm. 64), S. 656.
91 Das Grabmal wurde 1818 von Vaudémont in die Cordelierskirche von Nancy überführt. Abb. der Tum-
ba bei Hofmann (wie Anm. 1), Abb. 118 (s. auch S. 148f.).
92 Pinder, Wilhelm: Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis %um Ende der Renaissance (= Handbuch
der Kunstwissenschaft), Bd. 1, Potsdam 1924, S. 279.
93 Quarré, Pierre: Jean de la Huerta et la Sculpture Bourguignonne au milieu du XVe siècle, Musée de Dijon, Dijon
1972, S. 41.
94 Hilger, Hans Peter. „Grabdenkmäler der Häuser Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg“, in: Land im
Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich, Kleve, Berg, Kleve 1984 (2. Aufl.), S. 181-208, S. 198, Abb. 16
und 17. - Bei Grabmälern aus der Mitte des 14. Jahrhunderts übernimmt noch der dargestellte Ritter
selbst die Präsentation von Wappen und Schild (vgl. Grabmal des Exkönigs Günther von Schwarzburg,
gest. 1349, im Frankfurter Dom: Kaufmann, C. M.: Der Frankfurter Kaiserdom, Kempten / München
650
Abb. 68: Grabmal des Grafen Johann III. von Nassau-Saarbrücken (f 1472) und seiner
beiden Frauen, Saarbrücken, Stiftskirche Arnual, nördliches Querschiff.
1914); vgl. auch das Grabmal Johanns von Katzenelnbogen zu Biebrich, Moosburg: hier schon seitliche
Engel (Fischei, E. L.: Mittelrheinische Plastik des 14. Jahrhunderts, München 1923, Abb. 32).
651
etwa die Engel am Grabmal des Trierer Erzbischofs Werner von Königsteins (gest. 1418),
errichtet um 1450, in Koblenz St. Kastor95.
Nimmt man den Tumbenunterbau des Grabmals für Graf Johann III. von Nassau-
Saarbrücken genauer in Augenschein, fällt eine ausgesprochen große Nähe zur Elisabeth -
Tumba auf, so daß man sogar fragen möchte, ob nicht Mitglieder der Werkstatt „Elisa-
beth-Tumba“ den Unterbau für diese Tumba geschaffen haben. Sowohl die Ecksäulchen
als auch die Wappenschilde haben den gleichen Aufbau und zeigen dieselbe Elandschrift.
Etwas weiter entwickelt — d. h. schon im reinen spätgotischen Knitterfaltenstil — sind die
Figuren gehalten. Sie zeigen im einzelnen einen stärkeren Hang zur räumlichen Durch-
dringung, alle Figuren sind stark fragil aufgebaut, die betenden Hände weit von der Brust
entfernt; zur statischen Sicherung sind fragile Stege belassen. Insgesamt ist auch hier der-
selbe Aufbau wie bei der Elisabeth-Tumba festzustellen: Doppelkissen unter den Häup-
tern, geschlossene Augen, Bethände und die Füße auf Hunden stehend. Für seine 1469
verstorbene erste Frau Johanna von Loen-Heinsberg stiftete Graf Johann im übrigen eine
tägliche ewige Seelenmesse am Liebfrauenaltar im Nordquerhaus96.
Grabmäler der Verwandten Elisabeths
Elisabeths früh verstorbener Mann Graf Philipp I. von Nassau-Saarbrücken (gest. 1429)
wurde im ehern. Klarissenkloster Klarenthal bei Wiesbaden beigesetzt (Abb.69). Man er-
richtete ihm ein Denkmal, das den Grafen als Gisant mit betend gefalteten Händen zeigt,
beide Beine auf Löwen aufgestellt (vgl. den Löwen mit dem an der Tumba für Graf Jo-
hann III.). Helm und Wappen sind ohne Engel, zu Seiten seiner Füße dargestellt. Bei die-
ser Platte wird es sich wohl um eine einfache Grabplatte gehandelt haben. Ebenfalls in
diesem Kloster befand sich eine Tumba, das Grabmal für den Grafen Adolf I. von Nas-
sau (gest. 1370) und seine Frau Margarethe von Nürnberg (gest. 1382)97. Sie stand in einer
Wandnische - war also wie die Johann-Tumba keine Frei tumba — und wurde mit einer
kostbaren Kreuzigungsdarstellung überwölbt (auch in der Nähe der Elisabeth-Tumba be-
fand sich eine Kreuzigung!). Auch hier bildet der betende Gisant, die Füße auf Löwen
aufgestellt, das Zentrum. Die Wandungen der Tumba waren mit Blendarkaden verziert.
Eine architektonische Wandungsgliederung weist auch die Tumba für Elisabeths Bruder
Anton von Vaudemont (gest. 1458) in der Cordelierskirche in Nancy auf, die wohl noch
zu seinen Lebzeiten während des „Internationalen Stils“ angefertigt wurde98 (Abb.70). In
der fragilen Architektur sind Sitzfiguren, wappenhaltende Engel und sein Namenspatron,
der hl. Antonius, enthalten. Die Deckplatte mit dem Gisant wurde wesentlich später, wohl
von seiner Witwe Marie d‘Harcourt (gest. 1476), in Auftrag gegeben99.
95 Reitz, Georg: St. Kastor Koblenz Koblenz 1936, S. 46f.
96 Schneider (wie Anm. 4), S. 392.
97 Dors (wie Anm. 38), S. 111 ff.
98 Hofmann (wie Anm. 1), S. 148f.
99 Vgl. Anm. 91.
652
Abb. 69: Grabplatte für Graf Philipp I. von Nassau-Saarbrücken (f 1429), 1850 zerstört,
ehemals Klarissenkloster Klarenthal bei Wiesbaden, aus: Ruppersberg, Albert:
Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, Bd.l., Saarbrücken 1908, S.
201.
Abb. 70: Deckplatte des Grabmals des Grafen Anton von Vaudémont (j- 1458) und sei-
ner Gattin Marie von Harcourt (f 1476), ehemals Stiftskirche Vaudémont, Kup-
ferstich aus: Calmet, Dom Augustin: Histoire ecclésiastique et civile de Lorraine,
Bd. 3, Nancy 1728, Planche IV.
654
Abb. 71: Grabtumba der Mechthild von Nassau (f 1320), ehemals Klarissenkloster Kla-
renthal bei Wiesbaden, Zeichnung von Henrich Dors, aus: Dors, Genealogia
oder Stammregister, (wie Anm.38) Abb. 19
Als letztes Beispiel sei die Grabtumba der Mechthild von Nassau (gest. 1329) im Kloster
Klarenthal genannt,100 das der Elisabeth-Tumba strukturell am nächsten kommt (Abb.71).
Vergleichbar ist die Tumba schon allein wegen ihrer Lage: Das nicht erhaltene Grabmal
befand sich im Chor vor dem Altar. Henrich Dors bemerkt hierzu in seiner Genealogie:
Dieser Stein liegt im Closter Clarenthal in der Kirch(en) im niedem Cohr vor dem Altar, ist erhoben.101
Die Ecken der Wandung sind architektonisch mit strebepfeilerartigen Eckelementen ge-
gliedert, die Zwischenfelder sind mit Vierpaßfeldern bedeckt. Die überkragende Platte be-
sitzt eine umlaufende Inschrift und zeigt die betende Gisantfigur, das Haupt auf einem
quastenbesetzten Kissen gebettet, die Füße auf einem Löwen aufgestellt.
100 Dors (wie Anm. 38), S. 96f.
101 Dors (wie Anm. 38), S. 96.
655
Zusammenfassung
Die Elisabeth-Tumba erweist sich als ein Werk der liturgischen und genealogischen Me-
moria, deren vielfältige Bedeutungsfaszien sich auf verschiedenen Ebenen manifestieren:
Die Gestaltungsweise des Gisant mit den ungeheuer lebendigen Faltenformationen läßt
die vitale Struktur einer verlebendigten, nach Osten, d.h. zum Licht der Auferstehung hin,
orientierten Liegefigur deutlich werden. Durch die Grundstruktur des verwendeten
Grabmaltyps — der vielleicht von Katafalken abzuleiten ist — ist ein exponiertes Denkmal
gesetzt. Hinzu kommt, daß durch den zentralen Aufstellungsort des freistehenden, zu
Prozessionsbewegungen auffordernden Tumbenkastens das Gedenken an die Verstorbe-
ne in den liturgischen Ablauf des Stundengebets integriert wird (während dessen die Bli-
cke der betenden Kanoniker automatisch auf das Grabmal gerichtet sind). Elisabeth
drängt sich somit durch ihr präsentes Bild gleichsam in das Gedenken hinein. Die beson-
dere Zwischenstellung des Gisants beinhaltet ein memento mori und zugleich einen Hinweis
auf die Auferstehung. Stilistisch ist eine Werkstatt mit Metzer Werkleuten anzunehmen,
die in der Formensprache einer „Metzer Gräberwerkstatt“ der Übergangszeit arbeitete.
Während in der Ikonographie weitgehend auf bekannte Muster und Strukturen zurückge-
griffen wurde — die Verwendung des Gisant oder des Hundes als Treuezeichen — wird im
Detail (erinnert sei hier nur an die Füllsel zwischen den Wörtern und Buchstaben) auf
Vorlagen der Buchmalerei zurückgegriffen. Verglichen mit den Grabmälern von Elisa-
beths Verwandten kann man die Tumba mit gutem Gewissen als ein durchaus „normales“
Grabmal bezeichnen. Das entfaltete Wappenprogramm zeigt die Verankerung der Ver-
storbenen in ihrer Adelsverwandtschaft und trägt dazu bei, so den umfassenden Ort der
Elisabeth von Lothringen, als Gräfin zu Nassau-Saarbrücken, dauerhaft zu definieren.
656
Verzeichnis der Abbildungen
Abb, 1: Elisabeth von Lothringen-Vaudemont, Detail ihres Grabmales ..............2
Abb. 2: Holzschnitt aus ,Herpin-..Frankfurt: Reffeier, ca. 1579..................10
Abb. 3: Miniatur aus der ,Herpinc-Handschrift Heidelberg, UB Cod. Pal. Germ. 152. .. 12
Abb. 4: Miniatur aus der ,Herpin’-Handschrift Preußischer Kulturbesitz,
Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung Germ. Fol. 464..........13
Abb. 5: Margarethe von Nassau-Saarbrücken, Witwe zu Rodemachern,
Miniatur aus ihrem Gebetbuch, Weimar, Zentralbibliothek
der deutschen Klassik, PergamenthandschriftQ 59...........................39
Abb. 6: Grabplatte des Grafen Philipp (II.) von Nassau-Saarbrücken-Weilburg
in der Abteikirche Eberbach (nach Henrich Dors).........................40
Abb. 7: Portraitaufnahmen von Wolfgang Liepe aus den 1920er und 1950er Jahren....43
Abb. 8: Siegel der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken.......................48
Abb. 9: Rekonstruktionsversuch von Burg und Stadt Vaudemont vor 1636.............52
Abb.10: Grundriß von Burg und Ort Vaudemont......................................54
Abb.ll: Übersichtskarte: Lebensraum und Wirkungsfeld der Gräfin Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken......................................................57
Abb. 12: Übersichtskarte: Lebensraum und Wirkungsfeld der Gräfin Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken, Ausschnitt Reichsromania............................58
Abb. 13: Übersichtskarte: Lebensraum und Wirkungsfeld der Gräfin Elisabeth von
Nassau-Saarbrücken, Ausschnitt Saargegend...............................59
Abb.14: Unterschrift des Schreibers Johann (von) 'Russebrucken...................89
Abb. 15: Eigenhändige Unterschrift Elisabeths vom 6. April 1434..................95
Abb.16: Eigenhändige Unterschrift Elisabeths vom 5. Juni 1438....................95
Abb.17: Eigenhändige Unterschriften Elisabeths und ihres Sohnes Johann vom
19.02.1444..............................................................96
Abb.l 8: Kolophon des Druckes ,Eln schöne warhaftige Hystory von Keiser Karolus sun
genant Loher3 Druck, Straßburg 1514 mit Hinweis auf die Übertragung einer
lateinischen Vorlage ins Französische durch Elisabeths Mutter...........113
Abb. 19: Wappen des Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken aus
,Loher und Maller’ — Handschrift, Staats- und Universitätsbibliothek
Hamburg Cod. 11 in scrinio.............................................122
Abb.20: Wappen des Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken, Detail seines
Grabmals in der Stiftskirche St. Arnual................................123
Abb.21: Brief Elisabeths an ihren Bruder Anton, 8. Februar 1432.................370
Abb.22: Ausschnitt aus Rotel 1 der Varsberg-Korrespondenz.......................371
Abb,23: Brief Elisabeths an Herzogin Elisabeth von Bar-Lothringen, 6.Mai 1432...372
Abb.24: Brief Elisabeths an ihren Bruder Anton, lö.Mai 1432................... 373
Abb.25: Brief Elisabeths an Johann von Kriechingen, 24. August 1432............ 374
657
Abb.26: Brief Elisabeths an Johann von Kriechingen, 7. April [1433]...............375
Abb.27: Brief Elisabeths an Bischof Konrad von Metz, 15. April 1433...............376
Abb.28: Brief Elisabeths an Bischof Konrad von Metz, 23. April 1433...............377
Abb.29: Brief Elisabeths an Johann von Rodemachern, 6. September 1433.............378
Abb.30: ,Lohier et Malart’ — Teil des Fragments des französischen Textes,
HHStA Wiesbaden Abt. 1105 Nr. 40........................................431
Abb.31: Miniatur aus ,Herpin’-Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek,
Cod. Guelf. 46 Novissimi 2° fol. 12 verso...............................510
Abb.32: Miniatur aus 'Herpin'-Handschrift Heidelberg L1B Cod.Pal.
Germ. 152 fol. 189 verso.................................................511
Abb.33: Miniatur aus ,Herpin’-Handschrift Berlin
Preuß. Kulturbesitz Ms. germ. Fol. 464..................................512
Abb.34: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek 201 Fol. 2r............................................ 539
Abb.35: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek Fol, 2v............................................... 540
Abb.36: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek 201 Fol. lOv............................................543
Abb.37: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek 201 Fol. 171v, Wappen der Familie Döring
auf übermaltem Kleeblattwappen...........................................550
Abb.38: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek 201 Fol. 173r, Wappen der Familie Döring
auf übermaltem Kleeblattwappen.......................................... 551
Abb.39: ,Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ Cod. Darmstadt, Hessische
Landesbibliothek 201 Fol. 3r, Engel mit Kleeblattwappen..................552
Abb.40: Karte: Hafen ,Topf’ im pfälzischen Sprachraum.............................557
Abb.41: Karte: Frühneuhochdeutsche Verteilung von Töpfer.; Hafner und
konkurrierenden Bezeichnungen............................................558
Abb.42: Karte: Frühneuhochdeutsche Verteilung von Topf Hafen
und konkurrierenden Bezeichnungen ...................................... 558
Abb.43: Karte: Sabel,Gries, grober Sand’ im Rheinland ............................565
Abb.44. Karte: Sabel,Sand’ in rezenten und historischen Flurnamen des
Saar-Mosel-Raums....................................................... 566
Abb.45: Titelblatt des ,Hug Scheppel’-Drucks .....................................575
Abb.46: Titelblatt des Druckes von ,Loher und Maller’, Straßburg:
Johannes Grüninger 1514..................................................576
Abb.47: Titelblatt des Druckes von ,Loher und Malier’, Frankfurt:
658
Weigand Hans Erben 1567................................................577
Abb.48: Titelblatt von ,Herpin’, Frankfurt: Reffeier, ca. 1579..................578
Abb.49: Explicit der Heidelberger ,Loher und Maller’ - Handschrift von 1463 mit
Nennung der Schreiber...................................................594
Abb.50: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Heidelberg, UB Cod. Pal.
Germ. 152, f.21v........................................................609
Abb.51: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Heidelberg, UB Cod. Pal.
Germ. 152, f.23r........................................................611
Abb.52: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August
Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Novissimi 2°, f.9r..........................614
Abb.53: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August
Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Novissimi 2°, f.l9v ........................617
Abb.54: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August
Bibliothek, Cod. Guelf. 46 Novissimi 2°, f.41v.........................619
Abb.55: Miniatur aus der ,Herpin’ Handschrift Heidelberg,
UB Cod. Pal. Germ. 152, f.l91v..........................................620
Abb.56: Tumba der Elisabeth von Lothringen im Chor der Stiftskirche St. Arnual..624
Abb.57: Skelett der Elisabeth in originaler Lage.................................625
Abb.58: Georg Philipp Pitz (1780-1847) (?), Zeichnung der Elisabeth-Tumba,
Tusche auf Papier, LA SB Best. Bildersammlung Hist. Ver. Nr. 958.......630
Abb.59: Gisant-Figur der Elisabethtumba in Stiftskirche St. Arnual...............633
Abb.60: Elisabeth-Tumba, eigenhändige Kopie von Henrich Dors.....................636
Abb.61: Blattmaske oder Sol an der Südwest-Ecke der Elisabeth-Tumba..............638
Abb.62: Eule an der Nord-West-Ecke der Elisabeth-Tumba...........................638
Abb.63: „Narr“ an der Nord-Ost-Ecke der Elisabeth-Tumba..........................639
Abb.64: Papagei im Inschriftenband der Elisabeth-Tumba...........................639
Abb.65: Grabmal Jakobs von Sierck, Kurfürst und Erzbischof von Trier,
Diözesanmuseum Trier....................................................641
Abb.66: Grabplatte der Mechthild, Gräfin von Württemberg, von Hans Multscher....642
Abb.67: Hl. Barbara, Lothringen, Mitte 15. Jh., Metz, Kathedrale.................644
Abb.68: Grabmal des Grafen Johann III. von Nassau-Saarbrücken und seiner beiden
Frauen, Saarbrücken, Stiftskirche Arnual................................651
Abb.69: Grabplatte für Graf Philipp I. von Nassau-Saarbrücken, ehemals
Klarissenkloster Klarenthal bei Wiesbaden...............................653
Abb.70: Deckplatte des Grabmals des Grafen Anton von Vaudemont und seiner
Gattin Marie von Harcourt, ehemals Stiftskirche Vaudemont, Kupferstich .... 654
Abb.71: Grabtumba der Mechthild von Nassau, ehemals Klarissenkloster
Klarenthal bei Wiesbaden................................................655
659
Bildnachweis
Diözesanmuseum Trier: Abb. 65
Heisler Imaging Saarbrücken: Abb. 1, 20, 56, 68
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Abb. 2, 18, 31, 46-48, 52-54
Hessische Landesbibliothek Darmstadt: Abb. 34-39
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abb. 6, 15, 16, 30, 60, 69, 71
Landesarchiv Saarbrücken: Abb. 8, 14, 17, 21-29, 58
Preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek Berlin: Abb. 4, 33
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg: Abb. 19
Roth, Emanuel, Mandelbachtal: Abb. 57
Trepesch, Christof, Saarbrücken: Abb. 59, 61-64
Universitätsbibliothek Heidelberg: Abb. 3, 32, 49-51, 55
Zentralbibliothek der Deutschen Klassik Weimar: Abb. 5
660
Verzeichnis der Abkürzungen
Abt. Abteilung
AD Archives Départementales
ADB Allgemeine Deutsche Biographie
afrz. altfranzösisch
ahd. althochdeutsch
alem. alemanisch
allg. allgemein
alothr. altlothringisch
altéis. altelsäßisch
AM Archives Municipales
Arr. Arrondissement
as. altsächsisch
AU Austria
AZ Archivalische Zeitschrift
bad. Badisch
BEC Bibliothèque de l’Ecole des Chartes
Bf. Bischof
BL Belgien
Bll. Blätter
Bll.f.dt. Landesgesch. Blätter für deutsche Landesgeschichte
BM Bibliothèque Municipale
BN Bibliothèque Nationale
BW Baden-Württemberg
BY Bayern
CFMA Les classiques français du moyen âge
CH Schweiz
Ct. Canton
dt. Deutsch
dtv Deutscher Taschenbuch-Verlag
Einw. Einwohner
eis. elsäßisch
ENGL England
Erzbf. Erzbischof
f. feminin
FL Fluß
frk. fränkisch
frühnhd. frühneuhochdeutsch
frz. französisch
Gesch. Geschichte
Gf. Gff. Graf, Grafen
Gfsch. Grafschaft
Grch. griechisch
661
GRLMA Grundriß der romanischen Literatur des Mittelalters
HAB Herzog August Bibliothek
HE Hessen
hess. hessisch
Hg.Hgg. Herausgeber
HHStA Hessisches Hauptstaatsarchiv
Hist. Historische(r)
Hl. Heilige, Heiliger
Hs. Handschrift
HZ Historische Zeitschrift
Hzg. Herzog
Hzgt. Herzogtum
I Italien
it. italienisch
Jb. Jahrbuch
Kg. König
Kl. Kloster
Kr. Kreis
Ks. Kaiser
LA Landesarchiv
LexMA Lexikon des Mittelalters
LHA Landeshauptarchiv
LiLi Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik
lothr. lothringisch
LUX Luxemburg
m. masculin
Markgf. Markgraf
md. mitteldeutsch
M-et-M Meurthe-et-Moselle
mfrz. mittelfranzösisch
mhd. mittelhochdeutsch
Mitt. Mitteilungen
mittelfrk. mittelfränkisch
mnd. mittelniederdeutsch
mnl mittelniederländisch
mndl. mittelniederländisch
MS AL Mémoire de la Société d’Archéologie Lorraine
MTU Münchener Texte und Untersuchungen
n. neutrum
ND Nachdruck
NDB Neue Deutsche Biographie
662
NF
nfrz.
nhd.
n-sbr.
NRW
NT
ÖNB
Or.
Pers.
pfälz.
Pfalzgr.
PL
PN
PTM
rhein.
rheinfrk.
RhVjbll.
ripuar.
RP
RWB
SAL
%
SP
Sp.
Stadtverb.
süddt.
SuUB
THÜ
TLF
UA
UB
v.
Ver.
VfL
vv.
Wöbu.
ZfdPh
ZGSaargegend
Neue Folge
neufranzösisch
neuhochdeutsch
nassau-saarbrückisch
Nordrhein-Westfalen
Neues Testament
Österreichische Nationalbibliothek
Original
Person
pfälzisch
Pfalzgraf
Plural
Personennamenn
Pilgerfahrt des träumenden Mönchs
rheinisch
rheinfränkisch
Rheinische Vierteljahresblätter
ripuarisch
Rheinland-Pfalz
Deutsches Rechtswörterbuch
Saarland
Singular
Spanien
Spalte
Stadtverband
süddeutsch
Staats- und Universitätsbibliothek
Thüringen
Textes littéraires français
U niversitätsarchiv
U niversitätsbibliothek
verbum und Vers
Verein
Verfasserlexikon
Verse
Wörterbuch
Zeitschrift für deutsche Philologie
Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend
663
Nachweis der zitierten Handschriften
zusammengestellt von HANS-WALTER HERRMANN
Berleburg, Schloßbibliothek
Hs. A 167: ‘Speculum humanae salvationis’
Hs. RT 2/2 (olim Litr.A Nr. 170): Dietrich von Delft, ‘Tafel von dem christlichen Glau-
ben und Leben’ 600f.
Hs. RT 2/4 (olim Litr.A Nr. 1292): ‘Pilgerschaft des träumenden Mönchs’ 38, 600;
BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz
Ms.germ.Fol. 464: ‘Herpin’ 13, 21, 495, 512, 591, 593, 605.
CAMBRAI, Bibliothèque municipale
Cod. 852: Sammelband 598.
DARMSTADT, Hessische Landesbibliothek
Cod. 201: ‘Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’ 538-541, 543, 547, 549-592
Cod. 345: ‘Spiegelbuch’ 533
Cod. 2278: ‘Speculum humanae salvationis’ 536
Cod. 2667: ‘Boich van dem Kursten geloif 553
Dessau
Hs.224: Sammelhandschrift, enthält u.a. Stricker ‘Karl’, ‘Wilhelm von Wende’ 595.
Einsiedeln, Stiftsbibliothek
Cod.285: Texte von Hildegard von Bingen 603.
Gotha
Chart. B 237: Miscellanea , enthält u.a. ‘Andachtsbuch’, ‘Spiegelbuch’
S.533, 541,599
Chart. B 271: Sammelband 526.
HAMBURG, Staats- und Universitätsbibliothek
Cod. 9 in scrinio: ‘Buch von den 24 Alten’ 535, 601 f.
Cod. 11 und 11 a in scrinio: ‘Loher und Maller’ 19, 113, 120f., 427, 429, 459, 471, 477f.,
496, 499, 527, 591, 603f.
Cod. 12 in scrinio: ‘Hugscheppel und Sybille’ 18f., 21, 121, 459, 477f, 496, 591f, 603
Cod. Germ. 18: ‘Pilgerfahrt des träumenden Mönchs’ 537, 544, 547, 549
Cod. theol. 2061: Gebetbuch der Elisabeth v. Lothringen-Vaudémont, Gräfin v. Nassau-
Saarbrücken 109f., 533, 538.
664
HEIDELBERG, Universitätsbibliothek
Cod. Pal. germ. 16,17,18: dreibändiges Altes Testament 605
Cod. Pal. germ. 67: ‘Sigenot’ 605
Cod. Pal. germ. 142: ‘Pontus et Sidonia’ 605
Cod. Pal. germ. 152: ‘Herpin 12’, 18, 21f., 495, 511, 544, 591, 604f., 608-612, 616, 619-621
Cod. Pal. germ. 345: ‘Lohengrin’ 605
Cod. Pal. germ. 353: Wittich v. Jordan 605
Cod. Pal. 1969: Pélérinage 544.
Cod. 1012 (olirn Ashburnham Place Cod.486): ‘Loher und Maller’ 19ff., 428f., 496, 536,
591-595, 602ff.
KÖLN, Historisches Archiv
Cod. W 337: ‘Loher und Maller’ 19, 591 f.
Cod. W 2° 357: ‘Willehalm’ 38, 595.
LOS ANGELES, Paul-Getty-Museum
Cod. Ludw. XV 1 (olim Trier, Stadtbibliothek Hs. 1107/55): Fabeln des Aesop 597.
LÜTTICH, Universitätsbibliothek
Ms. Wittert 71: Betrachtungen zum Leben Jesu 598f.
METZ, Bibliothèque municipale
Ms. 63: Dekrete Clemens V. 640.
Moskau
Dokumentenslg. Gustav Schmidt, Fond 40: Willehalm-Fragment 38.
PARIS, Bibliothèque de l’Arsenal
Ms. 3145 fol. 1-103: Hugues Capet 24.
PARIS, Bibliothèque Nationale
Ms. fr. 19093: Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt 639
Ms. fr. 22555: Lion de Bourges 24
Ms. fr. 23279: Réponses ... Charles VI 613.
PRAG, Närodni Muzeum
Cod. I a 3 (olim Krivoklat/Pürglitz, Burgbibliothek): ‘Loher und Maller’ 19, 428f., 459,
47 lf., 498, 592
PRAG, Neustädter Gymnasialbibliothek
Cod. 645: Vita der Hl. Agnes 536.
665
TRIER, Bibliothek des Priesterseminars
Cod. 95: Vita der Hl. Katharina von Siena 535
Cod. 225: Evangeliar 596.
TRIER, Bistumsarchiv
Hs. 463 a u. b: Graduale 597.
TRIER, Stadtbibliothek
Hs. 5: Vulgata, Altes Testament
Hs. 33/1838: Epistolar 596
Hs. 415/1685: Paschale 597
Hs. 852/1311: ‘Spiegelbuch’ 533
Hs. 1119/1130: ‘Buch von den 24 Alten’ 535, 602
Hs. 1601/422: Bruderschaftsbuch der St. Michael-Bruderschaft zu Volkringen 538.
WEIMAR, Zentralbibliothek der deutschen Klassik
Perg. Hs. Q 59: Gebetbuch der Margarethe v. Rodemachern 39, 534, 592, 601 ff.
WIEN, Österreichische Nationalbibliothek
Cod. Vind. Pal. 2816: ‘Loher und Maller’ 19, 428f., 591f.
WIESBADEN, Hessisches Hauptstaatsarchiv
Abt. 130 II A 22: Epitaphienbuch des Henrich Dors 37, 634f.
Abt. 1002 Nr.l: Johann Andreae, Genealogie der Grafen von Nassau-Saarbrücken 49
Abt. 1105 Nr.40: Fragment ‘Lohier et Malart’ 20, 24, 124, 427-457.
WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek
Cod. Guelf. 46 novissimi 2°: ‘Herpin’ 21, 121, 478, 495, 497, 510, 527, 591f., 604, 613-
615,617-619.
ZÜRICH
Cod. C 122: Marsilius Ficinus 116.
666
Orts- und Personenregister
bearbeitet von Hans-Walter Herrmann
Die verwendeten Abkürzungen sind im allgemeinen Abkürzungsverzeichnis (S. 661 f.)
aufgelöst.
Die Nachweise zu den vor dem Jahr 1500 lebenden Personen finden sich grundsätzlich
unter deren Vornamen, beim Herkunftsnamen wird lediglich auf die einschlägigen Vor-
namen verwiesen. Die Nachweise für nach 1500 lebende Personen stehen grundsätzlich
unter deren Familien- oder Herkunftsnamen, eine Ausnahme bilden Mitglieder hochadli-
ger Familien, die auch nach 1500 unter ihrem Vornamen nachgewiesen werden. Unter
den Trägern homonymer Vornamen sind Kaiser und Könige an die Spitze gestellt, alle
anderen rangieren in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Beinamen oder Herkunftsna-
men ohne weitere hierarchische Gliederung.
Die in Frankreich gelegenen Orte werden nach Département u. Canton bestimmt. Han-
delt es sich um den Hauptort eines Cantons, wird statt des Cantons das Arrondissement
angegeben. Fehlt die Angabe von Canton und Arrondissement, dann handelt es sich um
die Hauptstadt des Départements oder den Vorort eines Arrondissements.
Bei der Lage im deutschen Staatsgebiet sind in der Regel Bundesland und (Land)Kreis
vermerkt.
667
Aachen, NRW 412f., 556, 559f., 563
Adelheid v. Sierck, Gattin des Hannemann,
Gf. v. Leiningen 117
Adolf, Hzg. v. Berg, Graf zu Ravensberg 68,
70, 157, 166f.
Adolf v. Nassau-Wiesbaden-Idstein, Erzbf. v.
Mainz 648
Adolf L, Gf. v. Nassau-Wiesbaden-Idstein
652
- seine Gattin Margarethe, Burggfin. v.
Nürnberg 652
Adolf II., Gf. v. Nassau-Wiesbaden-Idstein
146
- seine Witwe Margarethe v. Baden 146
Ännchen v. Castel 114
Annchen ("ßnnichin) v. Daun, Gattin des
J ohann v. Rollingen 114
Ännchen von Grumbach 142
Aesop, grch. Fabeldichter 597
Agnes, Hl. 53, 535f., 554ff.
Agnes v. Assissi, Hl. 535
Agnes v. Böhmen, Hl., Tochter Kg. Ottokars
535
Agnes v. Nassau-Saarbrücken 53
Agritius, Hl. 20
Aix/Esch, Metzer Patriziergeschlecht 643
Alard/ Alejdv. Neviet^ (Naives-en-Blois, Dép.
Meuse), vermählt mit Dicke, Bastard v.
Nassau, u. Gerhard v. Wallemeix/ Walmel
62
Alben, s. Hans v.
Alberich v. Troisfontaines, Mönch u.
Historiograf 420, 470
Alberus, Publizist 559
Albrecht I., Kg. 187
Albrecht II., Kg. 97
Albrecht v. Castel 73, 85, 88, 94, 147f.
Albrecht, Hzg. v. Bayern-Straubing 534, 600
Albrecht v. Eltschen gen. Beckmann, Burggf.
zu Bucherbach 150
Albrecht v. Zweibrücken, unehel. Sohn Gf.
Walrams II. v. Zweibrücken 153,
- seine Gattin Sibille von Issey 153
- beider Tochter Katharina 153
Albrecht Achilles, Markgf. v. Brandenburg 99
Aldowin, Audoin, Ouen, HL, Orden 185
Alençon, Dép. Orne, s. Johann Hzg. v. -
Alexander der Große 16, 488
Alexis, HL 412
Altenbaumburg, Burg, RP, Krs. Bad
Kreuznach 56, 64, 66, 104
Altenberg, Zisterzienserabtei, bei Leverkusen
NRW, 650
Altstadt, Ortsteil von Limbach SAL,
Saarpfalzkrs. 135
Ancelin de la Tour s. Wentzlin vom Turme
Andler, Charles, Prof. 42
André, Herr v. Joinville 177
Andrea de Barberino
- ‘Storie Nerbonesi’ 420
Andreae, Johann, n-sbr. Archivar u.
Historiograf 49, 635
Andruwin v. Craincourt, Burggf. zu Nomeny
327ff, 389
Angers, Dép. Maine-et-Loire 119
Anjou, Hzg. v. 36, 159, 168, 175 , s. auch
Ludwig, Margarethe, Marie, René,
Yolande
- Hzgt. 119, 183, 391
Anna v. Hohenlohe, 1. Gattin Philipps L,
Gf.v. Nassau-Saarbrücken 55f., 111
Anna Rodellmynen v. Stromberg 146
Anna v. Schwarzburg, Verlobte Philipps v.
Nassau-Saarbrücken 56
Anna Maria v. Hessen, Gattin Gf. Ludwigs v.
Nassau-Saarbrücken 628
Annibaldi, Kardinal in S. Giovanni/Lateran
648
Anseau, Herr v. Joinville 177
Anselm v. St. Nabor 327f., 330, 388
Anton v. Burgund, Hzg. v. Brabant 101, 164
- seine Gattin Elisabeth v. Görlitz 92, 101,
143, 357, 385, 599
Anton v. Lothringen, Gf. v. Vaudémont 23,
38, 52, 63, 66, 69ff., 74ff, 78-81, 83, 92,
94, 97, 114, 118, 127-131, 133f, 152,
165, 176, 178, 180ff., 186f., 189, 201f,
204, 207-210, 214f., 220ff., 225f., 231-
237, 239-254, 256-259, 261-265, 268f.,
272-276, 279, 287-290, 292-304, 306-
311, 313-317, 324, 330-334, 336-344,
356, 365-368, 370, 373, 385, 388, 391f.,
396ff, 400, 402, 404f., 477, 650, 652, 654
- seine Gattin Marie v. Harcourt 652, 654
668
Anton v. Vergy, Gf. v. Dommartin 85, 178ff.
Antonius, Hl. 652
Antonius Lewen, Abt v. St. Matthias, Trier
596
Antunes, Lobbo 425
Apach, Dép. Moselle , Ct. Sierck 535
Apremont, Dép. Meuse, Ct. St.Mihiel, Herr v.
- s. Huart v. Elter
Aragon, Könige v. - 183, s. Johann, René v.
Anjou
Are, s. Jacques u. Jeanne d’ -
Argonnen, Waldgebiet westlich der oberen
Maas, vornehmlich im Dép. Meuse 76,
178
Ariadne, greh. Sagengestalt 488
Ariosto, Ludovico, italien. Dichter 426
Aristoteles 542
- ‘Practica’ 535
Armagnac, Dép. Gers, Gff. v. - s. Bernhard
VII., Bonne
-Gfsch. 155, 159, 168f., 172
Armagnaken 76, 85, 104f., 107, 119, 162, 188
Armin, Achim v. -, Dichter 586f.
- ‘Gräfin Dolores’ 587
Arnheim, s. Jakob v. -
Arnold v. Sierck 117
- seine Gattin Eva Rheingräfin 117
Arnould v. Sampigny 77
Arras, Dép. Pas-de-Calais, Vertrag 163, 183-
187
Arras, Burg bei Alf, RP, Krs. Cochem-Zell, s.
Hensgin v. -
Arthur III., Hzg. v. Bretagne, Gf. v.
Richemont, Connétable 76, 79
Artois, Gebiet um Arras, Dép. Pas-de-Calais
164
Asklepios, greh. Gott 488
Aubenton, Dép. Aisne, Arr.Vervins, Herr zu
- s. Ferry I. Gf. v. Vaudémont
Aubert Boulayer, Einw. von Metz 138
Augsburg, BY, 528, 582
Augustin, Kirchenvater 412
Augustin von Hammerstetten 526
Aurbach, Johann 587
Autel (Aultry) s. Elter
Avant-Garde, Burg bei Pompey, Dép. M-et-
M, Arr. Nancy 55, 67£, 74, 106,137-141,
147, 362£, 365f, 379
Avignon, Dép.Vaucluse 417, 631
Azincourt, Dép. Pas-de-Calais, Ct. Le Parcq,
Schlacht 52, 157, 161, 164f£, 170,174
Baden, Markgff. v. 35 s. auch Margarethe
Balduin v. Luxemburg, Erzbf.v. Trier 599
Bamberg, BY, Dom 659
Bar, Gff., später Herzoge 37, 65, 74, 79, 166,
208, 234, 257f., 260ff, 264£, 268, 276,
285f£, 290, 325f, 331, 334£, s. Eduard,
Heinrich, Johann, Ludwig, René, Robert
Bar, Hzgt. (Barrois) 63, 68, 70, 74, 105, 119,
157£, 165, 168,170, 175ff., 181,186,
233, 301 f., 363, 379
- Lehengericht 71, 75
- Siegelbewahrer Jean de Bruilan 67f.
- s. auch Lothringen, Hzgt.
Bar-Pierrefort, jüngere Linie des
Herzogshauses 55, - s. Heinrich
Bar-le-Duc, Dép. Meuse 337£, 379
- Bellistum 68
Bar-sur-Aube, Dép. Aube, s. Bertrand v. -
Barbara, Hl. 38, 555, 561
Barcelona, Gf. v. - s. René v. Anjou
Barthélemy de Clermont 177
Basel, CH, 111, 182
‘Baudoin de Sebourc’ 418
Baudrecourt, Dép. Haute-Marne, Ct.
Doulevant-le-Château 176
Baudricourt, Dép. Vosges, Ct. Mirécourt 176,
s. Robert v. -
Baugulf, Abt v. Fulda 411
Baumholder, RP, Krs. Birkenfeld 556
Bayern 469, 484, 489£
Bayern, Hzg. v. - s. Rhein, Pfalzgrafen
Bayern-Ingolstadt, Hzgin. Elisabeth v. - s.
Isabeau de Bavière, Margarethe
Bayern-Straubing, Hzgg, v. - s. Albrecht u.
Johann
Beatrix v. Salm, Gräfinwitwe v. Mörs-
Saarwerden 63
Beaufort, Gf. v. - s. Jean Le Meingre
Beaumont-en-Argonne, Dép. Ardennes, Ct.
Mouzon 178
669
Beaune, Dép. Côte d’Or 162
Beaupré, Zisterzienserabtei bei Lunéville,
Dép. M-et-M 178, 650
Beaurevoir, Dep. Aisne, Ct. Le Catelet, Herr
v. - s. Johann IL v. Luxemburg-Ligny
Becker, Rudolf Zacharias
- ‘Noth- und Hülfsbüchlein’ 585
Bedford, GB, s. Johann, Hzg. v. -
Bédier, Joseph, Prof. 42
Benedikt, Hl. 523
Bensdorf/Bénestroff, Dép. Moselle, Ct.
Albestroff, Herren v. - 256, 383, s. auch
Rollingen, Herren v. -
Berburg (Berperch), LUX, Herr zu - 534, 537f.,
s. auch Erhard v. Gymnich
Berg, NRW, Hzg. v. - 68, s. auch Adolf
Berlin
- Audio-Vox-Sprachinstitut 45
- Universität 42, 46
Bern, CH , Universität 47
Bernhard VIL, Gf. v. Armagnac 155, 163
Bernhard v. Pallant 91, 108, 145
Bernkastel, RP, Krs. Wittlich 559
Berperch s. Berburg
Berry, Gebiet um Bourges,
-Hzg. v. 156, 159
- Hzgt. 156, 173
Bertrand de Bar-sur-Aube
‘Girart de Vienne’ 414
Bertrand de l’Opital, Rentmeister zu Morley
153
Berus, SAL, Krs. Saarlouis, Gde.
Wallerfangen 100, 143, 555
-Amt 81, 106f., 109,144
- - n-sbr. Amtmann Dietrich v. Brandscheid
gen. Geburchin 108
Beyer von Boppard, rhein. -lothr.
Adelsgeschlecht s. Heinrich, Konrad
Biebrich, Stadtteil von Wiesbaden, HE 651
Bietzen, Saarld., Kreis u. Stadt Merzig,
- Clas Nesen Sohn 83
Bingen, s. Hildegard v. -
Birkenfeld, RP 556, 559
Bitburg, RP, 554, 563
Bitsch/Bitche, Dép. Moselle, Arr.
Sarreguemines
- Amdeute 131
- Herrschaft 209
- Hannemann v. - 82
- s. auch Zweibrücken-Bitsch, Gff. v. -
Bivar, Rodrigo Diaz de - 425
Blâmont, Dép. M-et-M, Arr. Lunéville,
Herren v. - s. Heinrich, Theobald,
Walburga
Blankenheim, NRW, Krs. Euskirchen 529
- Adelsgeschlecht v. - 29, 37 s. Friedrich v. -,
Bf. v. Straßburg
Blick v. Lichtenberg, pfälz. Adelsgeschlecht
73
Blies, rechter Nebenfl. der Saar 53, 67, 73, 79,
81, 100, 124
Bliesbrücken/Bliesbruck, Dép. Moselle, Ct.
Sarreguemines, Ortsadel s. Brücken, v. -
Blies-Ebersing, Dép. Mos., Ct.
Sarreguemines, Henne v. - 139
Bliesgau 80, 555
Blittersdorf, vermutlich
Großblittersdorf/Grosbliderstroff, Dép.
Moselle, Ct. Sarreguemines 107
Blois, Dép. Loir-et-Cher 118
Böckweiler, SAL, Saarpfalzkrs. 555
Böhmen, Kg. v. - s. Johann v. Luxemburg,
Ottokar
- Ketzer 181
‘Boich van dem Kursten geloif
Boisserée, Gebrüder 587
Bolchen/Boulay, Dép.Moselle 324ff., 357,
379, 555, 563f.
-Kaplan 117, 534, 537
- Herren v. - s. Gerhard, Irmgard, Johann
Bologna, IT 415
Bonne/Guda, Gattin des Claude v. d.
Neuerburg 537
Bonne v. Armagnac, Gattin Karls Hzg.v.
Orléans 155
Boße Johann s. Johann v. Geroldstein
Boucicaut s. Jean Le Meingre
Bouconville, Dép. Meuse, Ct. St. Mihiel 55,
60, 67f., 74, 137-141,147, 362f., 365f.,
379
- Rentmeister:
- Gérard de Deneuvre 152
- Jean de Haulxere/% 152
- Jean de Mandres 153
670
Boulay s. Bolchen
Bourdiaulx, Jacques Bastard v. - 83
Bourgeois de Paris
- ‘Journal’ 155
Bourges, Dép. Cher 11, 76, 156, 173f., 424
Bourgogne s. Burgund
Bourlémont, Burg bei Frébécourt, Dép.
Vosges, Ct. Coussey 165
Bouzonville s. Busendorf
Boves, Dép. Somme, Arr. Amiens, Herr zu -
s. Ferry I., Gf. v. Vaudémont
Brabant, Hzgt. 15, 72,101, 149, 184, 423, 551
Braine, Dép. Aisne, Arr. Soissons, Gf. v. - s.
Robert v. Saarbrücken
Brandenburg, Markgf. v. - s. Albrecht
Achilles
Brandenburg, LUX, s. Friedrich v.
Brant, Sebastian 522
Braunschweig, Niedersachsen, Dom 649
Breidenborn, Burg bei Enkenbach, Krs.
Kaiserslautern, RP, s. Henne u. Karl v. -
Breitenbach, Ulrich v. 152
Brentano, Clemens 586
Bretagne, s. Arthur Hzg.v. - 167
Brétigny, Dép. Eure-et-Loire, Ct. Chartres,
Vertrag 159
Brie, Gfsch. zwischen Seine u. Marne 175
Bruchsal BW 556
Brücken, Bliesbruck, Dép. Moselle Ct.
Sarreguemines, Herren v. - 140
Brüssel/Bruxelles, BL, 182, 245, 317, 332,
338f., 379
Brunot, Charles, Prof. 42
Bruxelles s. Brüssel
Bubenheim, wüst bei Kirberg, HE, Krs.
Limburg-Weilburg, s. Heinrich v. -
Bucherbach, Burg bei Kölln, Stadtteil von
Püttlingen, SAL, Stadtverb. Saarbrücken
51,53, 60, 79,100, 102f., 114
-Burggf. 150
- Kellner 150
Bühel, s. Hans v. -
Bulgnéville, Dép. Vosges, Arr. Neufchàteau,
Schlacht 74f., 92, 165, 180, 202
Burgund, Freigfsch. (Franche-Comté) 158,
184
Burgund, Hzg. v. - 72, 156,158f., 168, 175f.,
180, 232, 242f., 245f., 285f., 295f., 299ff.,
313f., 650 s. auch Anton, Johann
Ohnefurcht, Karl der Kühne, Philipp der
Gute, Philipp der Kühne
Burgund, Hzgt. 34, 74, 78, 85,155f., 158,
164, 175, 184, 325f., 423, 460f£, 465,
473, 478, 481 f., 517f.
Burgunder 76, 105, 119, 163, 179, 185
Busendorf/Bouzonville, Dép. Moselle 555,
568
Byzanz 469f., 490
- Kaiser 483, 489, 492
Caboche s. Simon le Coustellier
Caesarius v. Heisterbach, Mönch 636
Calais, Dép. Pas-de-Calais 481
Cambridge, Massachusetts, Harvard
University 45
Caspar Scheidt, Übersetzer 559
Castel, saarld. Adelsgeschlecht s. Albrecht,
Friedrich, Johann, Lambrecht, Marie,
Michel
Castelli 484
‘Cantar de la Reyna Sebilla’ 420
Chaalis, Zisterzienserabtei, Dép. Oise, Ct.
Illiers 541
Chalons-en-Champagne/Chalons-sur-Marne,
Dép. Marne, Bf. Ludwig 166
Chambley, Dép. M-et-M, Ct. Briey 85
Champagne, Gfsch. 60, 73, 76, 170, 175, 177-
181, 183-186, 423
- engl. Gouverneure:
- Gf.v. Salisbury 170
- Anton v. Vergy 178
- Erbmarschall s. Heinrich v. Joinville
Champmol, Karthause bei Dijon, Dép. Côte
d’Or 648
‘Chanson d’Aspremont’ 465
‘Chanson de Roland’ 413-416, 481
‘Chanson de Saisnes’ 465
Charles, Hzg. v. Orléans 118, 135, 164, 477
- seine Gattin Bonne v. Armagnac 155
Châtelet (<Chastelet), Burg bei Harchécamp,
Dép. Vosges, Ct. Neufchàteau, s.
Philibert v. -
Chaucer, Geoffrey, engl. Dichter 594
671
Chaumont-en-Bassigny, Dép. Haute-Marne
175
— Bellis 179, 188
— Robert v. Baudricourt 67
Chaumont-Porcien, Dép. Ardennes,
Arr.Rethel 76
Chaussy, Dép. Moselle, Ct. Pange, Gde.
Courcelles-Chaussy 83
Chicago, USA, Universität 46
Chlodwig, merowing. Kg. 504
Chrétien de Troyes 480
Christine de Pizan 402
Christoph, Hzg. v. Württemberg 649
Claman v. Sultan 144
Clara, Hi. 535
Claude von der Neuerburg, 557
— seine Gattin Bonne/Guda 537
Claus Sluter, Bildhauer 650
Clefmont, Dép. Haute-Marne 69, s. auch
Pierre de -
Clemens V., Papst 640
Clemens VII., Papst 166, 177
Clermont, Dép. Meuse, Arr.Verdun 76
— Bellistum 68
Clesgin v. Mainzweiler, Rentmeister in
Saarbrücken 149
Closener, Fritsche, Straßburger Chronist
559f.
Commercy, Dép. Meuse, 55, 66f., 75, 78f., 83,
105, 131, 144, 153,177
— Stift St. Nikolaus 106, lllf.
— Dekan Jacques de Vignot 67, 87f., 142, 152
— Unterburg (Château-Bas) 55, 66, 75, 78, 106
Commercy, Herren zu - 63, s. auch Johann,
Gff. v. Saarbrücken, Philipp I., Gf. v.
Nassau-Saarbrücken, Robert v.
Saarbrücken,
Commercy, Herrschaft 55, 60, 66f., 75, 81,
97,104,107,126,147f, 151,187f., 255,
379
— n-sbr. Amtleute u. Statthalter 77, 94
— Hannemann v. Saarbrücken 81, 87f., 116,
140ff., 151
— Hans Schaumberger 151
— Heinrich v. Gebenhausen 151
— Johann Fust von Diebach 76, 146
— Michel v. Castel 151
- Philipp von Saarbrücken
- Richard v. Apremont 151
Compiègne, Dép. Oise 178
Conemann v. Ebersweiler 149
Conflans-en-Jarnisy, Dép. M-et-M, Arr.Briey
70, 144
- Herr zu - , s. Wentzün vom Turme
Conrat Heyndörffer, n-sbr. Schreiber 21,23, 27
Conrat v. Otingen, Burggf. zu Ottweiler 150
Cont^ Burggf. zu Homburg 150
Contre s. Kunz
Cotentin, Halbinsel in der Normandie 541
Craincourt, Dép. Moselle, Ct. Delme s.
Andruwin v. -
Craon, Dép. Vienne, Ct. Moncontour, Herr
v. -, s. La Trémoille
Cravant, Dép. Yonne, Ct. Vermeton 175ff.
Crèche, Herr v. - s. Wentzlin vom Turme
Crécy-en-Ponthieu, Dép. Sommes, Arr.
Abbéville, Schlacht 423
Créhange s. Kriechingen
Creutzwald-la-Croix, Dép. Moselle, Ct.
Bouzonville 555
Cuspinian, Johannes, Humanist 525
Croismare, Dép. M-et-M, Ct. Lunéville-Sud,
Herr zu -, s. Ferri II. v. Savigny
Cyriacus Schnauß, Dichter 578
Dänemark 469, 490
Dagstuhl, Burg bei Wadern, SAL, Krs.
Merzig-Wadern, Herren v. - s. Georg v.
Rollingen
Dalem, Dép. Moselle, Ct. Bouzonville 555
- Herren zu -, s. Kriechingen, Herren v. - u.
Rollingen, Herren v. -
Dammartin, Dép. Seine-et-Marne, Arr.
Meaux, Gf.v. - s. Anton v. Vergy
Dangolsheim, Dép. Bas-Rhin, Ct.
Wasselonne 642
Dannenfels, RP, Donnersbergkrs. 64, 66,
80f., 104, 146
Dante Alighieri, Dichter 422
Daun, Burg in der Eifel, RP, Krs. Daun 379
- Adelsgeschlecht 114, s. auch Ännchen, Elsa,
Philipp, Wirich
Dauphin s. Ludwig
672
David, israelit. Kg. 582
Deneuvre, Dep. M-et-M, Ct. Baccarat s.
Gérard de -
Deschamps s. Eustache Morel
Dessoir, Max, Philosoph 42
Deutschland 518, 530
Dicke v. Nassau, Bastard 61
- seine Gattin Alard/Aleyd v. Naives 62
Diedenhofen/Thionville, Dep. Moselle 76,
537, 556, 598
Diemeringen, Dep. Bas-Rhin, Ct. Drulingen
55, 65, 80
Dietrich v. Brandscheid gen. Geburchin, n-
sbr. Amtmann zu Berus 108
Dietrich v. Delft, Dogmatiker 600
- ‘Buch der Tafeln von dem christlichen
Glauben u. Leben’ 534f., 537
Dietrich v. Mörs-Saarwerden, Erzbf. u.
Kurfst. v. Köln 92, 151
Dietrich v. Pallant 108
Dietrich v. Püttlingen 69, 99, 133, 137, 324f.,
360ff., 369, 384, 387, 402
Dietrich s. auch Thierry
Dietsche von Geispolzheim 147, 153
Dieuze, Dep. Moselle, Arr. Chäteau-Salins
- Salinen 92
Digulleville , Dep. Manche, Ct. Beaumont, s.
Guillaume de -
Dijon, Dep. Cöte d'Or 175, 232, 650
Dillingen, SAL, Krs. Saarlouis, Herr v. - 91,
100
Dilthey, Wilhelm, Philosoph 42f.
Dionysos, grch. Gott 488
Dirminger Tal, Dirmingen SAL, Krs.
St.Wendel, Gde. Eppelborn 66
Domremy-la-Pucelle, Dep. Vosges, Ct.
Coussey 156, 165, 175,177-180,189
Donnersberg, RP, Donnersbergkrs. 55, 80,
87, 104
Dorothea, Hl. 555
Dorothea v. Rittenhofen, Tochter des Hans
v. - 148
Dors, Henrich, Maler 30, 37, 40, 49, 634f.,
655
Dorsweiler/Torcheville, Dep. Mos., Ct.
Albestroff s. Nikolaus v. -
Drachenfels, Burg bei Busenberg, RP, LK
Pirmasens-Zweibrücken 56
Druphont140
Dürer, Albrecht, Maler 583, 597, 600f.
Düsseldorf, NRW 560
Dunzweiler, RP, Krs. Kusel 83
Durant Aubert von Commercy 138
Eberbach, Zisterzienserabtei bei Kiedrich,
HE, Rheingau-Taunus-Krs. 36, 40
Eberhard, Gf. v. Sayn-Wittgenstein 541, 600
- seine Gattin Margarethe v. Rodemachern
536, 541, 544
Eberhard v. Schaumburg, Ritter 143
Eberhard Windecke 560
Eberhard im Bart, Gf. v. Württemberg 522
Eberhardsklausen, Augustinerchorherrenstift,
RP, Krs. Wittlich 535, 598, 602
Ebersingen s. Blies-Ebersing
Echternach, LUX, Benediktinerabtei 599
Eduard III., Kg. v. England 159
Eduard der Schwarze Prinz, Sohn Kg.
Eduards III. v. England 159
Eduard III., Hzg. v. Bar 139, 158, 165
Eidgenossen 188
Eifel, Mittelgebirge westl. der Mosel 69, 84,
352f., 379, 559
Einrich, Gebiet zwischen unterer Lahn u.
Taunus, HE, Gericht auf dem 64
Eiweiler, SAL, Stadtverb. Saarbrücken, Gde.
Heusweiler s. Else, Heinrich v. -
Eleonore v. Schottland, Gemahlin Hzg.
Sigmunds v. Tirol 461
- ‘Pontus und Sidonia’ 559, 605
Elisabeth, Hl. 110
Elisabeth v. Bayern-Ingolstadt, Tochter Hzg.
Stephans III. s. Isabeau de Bavière
Elisabeth v. Görlitz, Gattin Antons v.
Burgund u. Johanns, Hzg. v. Bayern-
Straubing 92, 101, 143, 357, 385, 599
Elisabeth v. Lothringen, Tochter Hzg.
Johanns 56
Elisabeth v. Lothringen, Gattin Renés v.
Anjou 37, 67f., 70, 74, 85, 87, 92, 94,
119, 125-131, 135, 137, 139,152, 176,
204-219, 225ff., 235-238, 241-244, 250-
253, 259f., 264ff., 274f, 285-290, 293ff.,
673
303f., 306£, 310£, 362-367, 372, 383,
391 £, 394£, 397f£, 401-405, 477
Elisabeth v, Lothringen-Vaudémont, 2.Gattin
Philipps I. v. Nassau-Saarbrücken
(Nachweise nicht ausgeworfen)
- Werke:
—‘Herpin’ (‘Lion de Bourges’) 12, 21 £, 50,
120£, 417, 420, 424 459£, 462£, 466-
469, 473f£, 482, 492, 495, 497£, 501-
514, 524, 544, 553, 560, 571, 580, 582,
588, 591, 593, 605, 608-614F, 616, 619f£
-‘Huge Scheppel’ 18£, 21, 50, 78, 101,120£,
418, 420, 422£, 459£, 462f£, 466, 471-
475, 477£, 482, 492, 495-501, 524£, 530,
546, 556, 559£, 562£, 567, 571ff, 578,
583, 587f£, 591,603
-‘Loher und Maller’ 19f£, 37, 50, 113, 117,
120f£, 124, 420f£, 427-457, 459£, 463,
466, 470-475, 477, 482, 492, 496, 498£,
506, 512, 514, 527, 537£, 571, 578, 583,
585, 587£, 591 f£, 593, 603f£, 605
-‘Sibille’ 18£, 21, 50, 61,120, 420, 459£, 463,
466, 469, 473ff., 482-493,495ff, 501 £,
504, 514, 559, 567, 591, 603
Elisabeth, Gattin des Heinrich Vogt v.
Hunolstein 537
Elisabeth v. Württemberg, 2. Gattin Johanns
III., Gf. v. Nassau-Saarbrücken 121 £,
650£
Elsa v. Daun, Gattin Johanns III. v.
Kriechingen 73, 93f., 98, 114, 140
Elsa v. Eiweiler, Gattin des Klaus v.
Kellenbach 73
Elsaß 34, 72,100£, 149, 188, 535, 601
Elter/ Autel, BL, Prov. Luxembourg, Herren
v. - s. Huart, Johann
England, Engländer 74, 76, 105, 118, 155,
159,164, 169, 171 £ 174£, 179f, 183,
185,189, 423, 481,582
- Könige s. Eduard, Heinrich, Richard
Enguerrand de Monstrelet, Chronist 184
Ennebachgen. Mulenstein s. Johann v. -
‘Entrée d’Espagne’ 415
Epinal, Dép. Vosges 107, 188
- Vogt 137, 362£, 365£, 379, 384
Eppstein s. Siegfried v. -
Erfurt, THÜR 555f.
Erhard v. Gymnich, Herr zu Berburg 84£,
137
Erkelenz, NRW 561
Esch, Adelsgeschlecht, s. Gerhard, Hesse,
Johann, s.auch Aix
Este s. Isabella d’ -
Etain, Dep. Meuse, Arr. Verdun 70
Etienne Marcel, Führer Pariser
Aufständischer 423
Etienne de Rigny, Statthalter in Vitry 77
Etienne de Vignolles, Herr v. Montmorillon
s. La Hire
Eulalia, Hl. 41 lf.
Eustache Morel dit Deschamps, Poet 419
- ‘Arts de seconde rhetoriques’ 419
Eva, Rheingräfin, Gattin Arnolds v. Sierck
117
Eva v. Rittenhofen, Tochter des Hans v. -,
Gattin des Karl v. Breidenborn 148
Hvrard 76
Falkenberg/Faulquemont, Dep. Mos., Arr.
Boulay 108
Falkenstein, s. Kuno v. -
Fallersleben s. Hoffmann v. ~, August
Heinrich
Faust (Fusf) v. Diebach s. Johann
Fechingen, SAL, Stadt Saarbrücken 82
Felsberg, Burg, Krs. Saarlouis, Gde.
Wallerfangen 108
Fenetrange s. Finstingen
Ferry II. v. Savigny, Herr zu Taintrux,
Croismare, Lannoy u. Ormes, lothr.
Bellis in Nancy 137
Ferry I., Gf. v. Vaudemont, Herr zu
Rumigny, Boves u. Aubenton 20, 51 £,
98,158,164,176, 386, 390, 477, 632
- seine Gattin Margarethe v. Joinville 20, 36,
51, 53, 60, 63, 113,118, 177, 386, 390,
419, 421,477
Ferry II., Gf. v. Vaudemont 134, 182, 246,
248, 333-336, 383, 388
- seine Gattin Yolande v. Anjou 134, 182,
246, 298, 333-336, 383
Ferry s. auch Friedrich
Fey-en-Haye, Dep. M-et-M, Ct. Thiaucourt
55
674
Feyerabend, Sigmund, Buchdrucker zu
Frankfurt 572
Finstingen/Fénétrange, Dép. Moselle, Arr.
Sarrebourg 553
- Herren v. - s. Heinrich, Johann
Fischart, Johann, Dichter 556
Flandern, Gf. v. - s. Yolande
Flandern, Gfsch. 158, 184
- Wappenkönig 185
Fleckenstein, Burg bei Lembach, Dép. Bas-
Rhin, Ct. Wissembourg,
- Adelsgeschlecht 99
Fléville, Dép. M-et-M, Ct. St. Nicolas-de-Port
s. Werner v. -
Flirey, Dép. M-et-M, Ct. Thiaucourt 55
Flörchingen/Florange, Dép. Moselle, Ct.
Hayange, Margarethe v. Lenoncourt,
Frau v. - 151
‘Floovant’ 421
Folpersweiler/Folperswiller (Volpersmlre)
Dép. Mos., Ct. Sarreguemines 134 f.
- Endres v. - 139
Forbach, Dép. Moselle 241, 287, 289, 306,
308, 379
- Burggf. 94,136
- Herrschaft 69, 72, 117, 136
Forcalquier, Dép. Basses-Alpes, Gf. v. - s.
René v. Anjou
‘'Fortunatas’, Volksbuch 572
Fra Bartolomeo, Maler 509
Franche-Comté s. Burgund, Freigfsch.
François de la Lande, Joseph Jerome de -,
Astronom 584
Frangk, Fabian, Rhetoriker
- ‘Teutscher Sprach Art und Eigenschafft’
399
Franken, Landschaft 72
Frankenburg, Burg bei Gereuth/Neubois,
Dép. Bas-Rhin, Ct. Villé 91
Frankenstein, Burg, RP, Krs. Kaiserslautern
56, 64, 66, 104
Frankfurt/Main, HE 45, 72
- Buchdrucker:
- Grüninger 18 ff., 34, 572, 574, 578
- Weygand Han 580
- Buchhändler:
- Michael Harder 573
- Sigmund Feyerabend 572
- Messe 101
- Universität 46
Frankreich 34, 155f., 159, 169f., 179, 183ff.,
189f., 412, 459, 461, 465, 472, 475, 478,
481, 483, 487, 489, 507, 517f., 521, 530f.,
572, 580f.
- Dauphin s. Karl, Ludwig
- Könige 14f., 20, 35f., 53, 55f., 97f., 105, 115,
117, 144, 470, 499, s. auch Hugo Capet,
Johann, Karl, Ludwig, Philipp II. August
Franz I. de la Sarra 631
Fraulautern, Damenstift, SAL, Stadt Saarlouis
- Meisterin Katharina v. Wolfstein 94
Freidank, Spruchdichter 560
Freisen (Freysen) SAL, Krs. St.Wendel, s.
Peter v. -
Friedrich IV., dt. Kg./Friedrich III. Ks. 97,
188, 647f.
Friedrich v. Blankenheim, Bf. v. Straßburg 63
Friedrich Bock v. Stauffenberg 85
Friedrich v. Brandenburg, Herr zu
Stolzenberg 83
Friedrich v. Buesingen 101, 140
Friedrich v. Castel 69, 91, 99, 133, 137, 324f.,
360, 362, 369, 384, 402
Friedrich Greiffenclau v. Vollradt 71, 73f.
Friedrich Keßler v. Sarmstein 146
Friedrich, Gf. v. Leiningen 84
Friedrich v. Malstatt 81, 99
Friedrich v. Mörs, Gf. zu Saarwerden 157,
473
Friedrich v. Parroy (Perroie) 98
Friedrich, Kurfürst von der Pfalz 30, 147, 527
Friedrich v. Savigny 137, 362f., 365f., 388
Friedrich, Pfalzgf. v. Simmern-Sponheim 121
Friedrich, Gf. v. Veldenz 64, 81, 83, 93, 139,
142,214
Friedrich Wydergrin v. Stauffenberg 85
Friedrich, Gf. v. Zweibrücken-Bitsch 93, 138,
143, 148, 473
Friedrich s. auch Ferry
Friesland, Gfsch. 184
Fritsche Closener, Straßburger Historiograf
528
Fürstenberg, Fürsten v. - 592
Fuetrer, Ulrich 517f., 521 f.
675
-‘Buch der Abenteuer’ 462, 521, 524
-‘Persibein’ 518
Fugger, Großkaufleute 523
Fulda, Benediktinerabtei, HE,
- Abt Baugulf 411
Gabriel Sattler, Schreiber 527
Gaius Julius Caesar 411
Gallien 411
Gallus Kemli, Mönch in St. Gallen 595
Ganal, Ferdinand, Bildhauer in Saarlouis 628
Gau, waldoffene Landschaft zwischen
Donnersberg und Oberrhein 102
Gebenhausen, s. Heinrich v. -
Geiler von Kaisersberg, Johann, Prediger 560
Geislautern, SAL, Stadtverb. Saarbrücken,
Stadt Völklingen 147
- Zehnt 84
Geispolsheim (Geispitzheim), Dep. Bas-Rhin,
Arr. Erstein, s. Kolb v. -
Geldern 563
Genf, CH 86, 93,153
- Messe 101, 143
Genf, Gf. v. - s. Peter
Gennep, s. Wilhelm v. -, Erzbf. v. Köln
Gent, BL 473
Genville s. Joinville
Georg, Hl. 581
Georg, Gf. v. Henneberg 61
- seine Gattin Johanna v. Nassau-Saarbrücken
53, 56,61,66,81
Georg v. Rollingen, Herr zu Dagstuhl u.
Siebenborn 69, 75, 83, 87, 99, 101, 132f.,
137f., 140, 144, 215, 222, 234, 236f., 246,
257, 259, 261 f., 306f, 318, 320£, 324-
327, 359f, 362f, 369, 387, 391, 395, 400
Georges Chastellain, Chronist Kg. Karls VII.
v. Frankreich 185
Georges de la Tremoille, Herr v. Sully u.
Craon, Heerführer Kg. Karls VII. v.
Frankreich
Gérard de Deneuvre, Rentmeister zu
Bouconville 152
Gerhard, Herr v. Bolchen 157
Gerhard v. Esch 87, 259f., 384
Gerhard I., Hzg. v. Jülich 650
Gerhard Kern v. Siersberg 87, 259f., 385
Gerhard v. Pfaffenhofen, Bellis der Gfsch.
Vaudémont 237, 241 f., 273, 289ff., 338f.,
343, 387
Gerhard, Herr v. Rodemachern, Kronenburg
u. Neuerburg 53,104, 533, 538,
- seine Gattin Margarethe v. Nassau-
Saarbrücken 20, 23, 37ff., 53, 61, 65, 100,
104, 109, 113, 117, 120f., 123
Gerhard IL, Gf. v. Sayn 30
Gerhard v. Wallemeix/ Walmel 62
- seine Gattin Alard/ Alejde v. Naives 62
Gerin v. Kübelberg 67, 87
Geroldstein s. Johann v. -
Gerselis v. Homburg 89
Gerspach, s. Heinrich v.
Gerstlingen/Guerstling, Dép. Moselle, Ct.
Bouzonville 108
‘Geste de Charlemagne’ 414, 419
‘Geste de Doon de Mayence’ 414, 419, 424
‘Geste de Garin de Monglane’ 414
‘Geste de Guillaume d’Orange’ 414
‘Geste des Lorrains’ 423
‘Geste de Nanteuil’ 424
Giangaleazzo Visconti, Hzg. v. Mailand 157
Gilles, Bastard v. Luxemburg 70
‘Girart de Roussillon’, Chanson de geste 424,
481, 531
Görres, Joseph 27, 585
Goethe, Johann Wolfgang v. - 43, 484, 587
- Werke
‘Götz’ 43
‘Prometheus’ 45
Goldwurm, Kaspar, Theologe 584
Gorze, Benediktinerabtei, Dép. Moselle, Ct.
Ars-sur-Moselle 108
-Abt 114, 188
Gotha, THÜ 584
Gottfried v. Straßburg 480, 560
- ‘Tristan u. Isolde’ 480, 518
Gotthard-Paß 72
Graf, Urs, Graphiker 488
Grafenvarsberg 204, 232f., 262f., 266, 270,
272, 276f. 281, 283, 288, 307f., 381 s.
auch Groß-Varsberg
Grange, Jean de la, Kardinal 631
676
Grede, uneheliche Tochter Philipps L, Gf. v.
Nassau-Saarbrücken, Gattin des Peter v.
Rittenhofen 62, 151
Greiffenclau von Vollradt, Adelsgeschlecht
aus dem Rheingau, s. Friedrich
Greux, Dép. Vosges, Ct. Coussey 177
Griechenland 14, 420
Grimm, Gebrüder 586
Groß-Varsberg (Grafenvarsberg), Burg bei
Ham, Dép. Moselle, Ct. Boulay 69, 75,
127f., 132, 202, 232, 234, 237-242,
245ff., 249, 253, 256, 261, 264-267, 269,
272£, 275£, 279ff., 283, 287, 306, 310,
316,318, 362, 381, 390f., 405
Grüninger, Buchdrucker- u. Verlegerfamilie
in Straßburg 18ff., 34, 574, 578
- Bartholomäus 572
-Johannes 572, 578
Guda s. Bonne
Günther, Gf. v. Schwarzburg 56
Guerstling s. Gerstlingen
Güterstein, Karthause, BW, Krs. Reutlingen
643
Guillaume de Digulleville 547, 568
- ‘Pilgerschaft des träumenden Mönchs/
Pélérinage de vie humaine /Pélérinage de
Tarne/ Pélérinage de Jesus Christ’ 38,
541, 545
- ‘Roman de la fleur de lys’ 541
Guillodn, Joseph-Ignace, Anatom 584
Guise, Dép. Aisne, Ct. Verviers 176
- Gf. v. - s. Johann v. Luxemburg, René v.
Anjou
Gymnich, NRW, Erftkrs., Gde. Erfstadt,
Adelsgeschlecht 73, s. auch Erhard,
Winnemar v. -
Habkirchen, Gde. Mandelbachtal, SAL,
Saarpfalzkrs. 134f.
Habschied, Wüstg. bei Saarbrücken 72
Hänschen s. Hensgin
Hagelgans, Johann Georg, n-sbr. Genealoge
49, 103
Hagen zur Motten, saarld. Adelsgeschlecht,
Stammsitz bei Lebach, Krs. Saarlouis s.
Johann v. -
Hainaut s. Hennegau
Halle, Sachsen-Anhalt
- Francke’sche Stiftungen 43
- Stadttheater 43
- Universität 17, 42, 44f.
Ham-sous-Varsberg, Dep. Moselle, Ct.
Boulay 69
Hambach, Dep. Moselle, Ct. Sarreguemines
555
Hamburg, Rundfunkgesellschaft Norag 45
Han, Weygand, Buchdrucker in
Frankfurt/Main 580
Hannemann v. Bitsch 82
Hannemann, Gf. v. Leiningen 117
- seine Gattin Adelheid v. Sierck 117
Hannemann (Hermann) v. Saarbrücken,
n-sbr. Amtmann 81, 87f., 116, 140ff.,
151 f., 241 f., 244, 251 ff., 259f, 264ff.,
289ff., 303f., 305, 308, 328, 330, 355f.,
385, 387
Hans, Kellner zu Bucherbach 150
Hans v. Alben, Burggf. zu Saargemünd 91,
134ff, 139
Hans v. Altdorf 143
Hans v. Bühel
- ‘Königstochter aus Frankreich’ 22, 578
Hans v. Bume 81 (identisch mit Hans v.
Mombronn ?)
Hans v. Hermannshausen gen. Pfennwert,
Burggraf zu Homburg 150
Hans v. Honecken 81
Hans v. Kellenbach 73
Hans v. Mombronn (identisch mit Hans v.
Bume ?) 90
Hans Multscher, Bildhauer 642f.
Hans, Sohn des Goldschmieds v. Püttlingen
81
Hans v. Rittenhofen 65, 67, 85, 87-90, 93f.,
97, 99,104,106,116,128,136,138,
147f., 195, 204, 227, 237, 239ff., 246,
249, 251-254, 259£, 266, 275-283, 322,
327£, 330f£, 345£, 368, 371, 387
- seine 2. Gattin Heylke v. Rodenhausen 99,
148
Hans v. Saarbrücken, Schultheiß zu
Saarbrücken 149
677
Hans Schaumberg(er), Schultheiß zu
Saarbrücken, später Amtmann zu
Commercy 105 ff., 116, 148f., 152
Hans v. Schwalbach, Rentmeister in
Saarbrücken 149
Haraucourt, Dep. M-et-M, Ct. St.Nicolas-de-
Port s. Johann, Ludwig v. -
Harcourt, Marie v. - , Gemahlin Antons v.
Vaudemont 242, 252, 385
Harder, Michael, Buchhändler in Frankfurt
573
Hariulf, Mönch
- ‘Chronicon Centullense’421
Hartmann v. Aue 480
Hattonchätel, Dep. Meuse, Ct. Vigneulles 105
Hattweiler, Burg, heute Jägersburg, SAL,
Saarpfalzkreis, Stadt Homburg 36
Haussonville, Dep. M-et-M, Ct. Bayon,
Johann v. - 98
‘Haveloc le Danois’ 424
Hebbel, Friedrich, Dichter 46
- ‘Moloch’ 43
Heidelberg, BW, 118, 180, 461, 527, 535
- Universität 122
Heinrich II., Ks. 649
- seine Gattin Kunigunde 649
Heinrich IV., Kg. v. England 164, 481
Heinrich V., Kg. v. England 161, 163, 166,
168ff., 172ff., 175,184
Heinrich VI., Kg. v. England 119, 173, 176,
178f.,
- seine Gattin Margarethe v. Anjou
Heinrich, Burggraf zu Homburg 150
Heinrich v. Bar, Herr zu Pierrefort 83, 165
Heinrich, Herr v. Blämont 64
Heinrich Beyer v. Boppard 82, 98, 126
Heinrich v. Bubenheim, n-sbr. Amtmann
146, 151
Heinrich Dune gen. Nachthube 85
Heinrich Eckbrecht v. Dürkheim 473
Heinrich v. Eiweiler 73, 148
- seine Gattin Katharina im Hoffe 148
Heinrich, Herr v. Finstingen 69
Heinrich v. Gebenhausen, n-sbr. Amtmann
zu Commercy 151
- seine Gattin Margarethe 152
Heinrich v. Gerspach 90
Heinrich Haze v. Dieblich, lothr. Hofmeister
67, 143
Heinrich v. Joinville, Erbmarschall der
Champagne 51, 633
- seine Gatdn Marie v. Luxemburg 51 f., 633
Heinrich v. Klingenberg 81
Heinrich der Löwe, Hzg. v. Sachsen u.
Bayern 649
- seine Gatdn Mathilde 649
Heinrich Mauchenheimer d. Ältere 81
Heinrich, Bastard v. Nassau 62, 123
Heinrich II. Pfalzgraf 631 f., 649
Heinrich Vogt v. Hunolstein 537
- seine Gatdn Elisabeth 537
Heinrich der Eiserne, Gf. v. Waldeck 53
Heinrich, Gf. v. Zweibrücken-Bitsch 85
Heinsberg, NRW, Krs. Mönchengladbach,
Herren v. 35f., 561, 563
- s. Johann, Johanna, Margarethe
Heisterbach, Zisterzienserabtei, NRW,
Rhein-Sieg-Krs.
- Caesarius 636
Helena, Hl. 20
Heimstatt, Herren v. - s. Reinhard u. Rhaban
v. -
Henne v. Breidenborn 81
Henneberg, THÜ, Gf. Georg v. -
Hennegau (Hainaut) 15, 184, 422
Hennfflin, Ludwig, Maler 22, 591, 605
Henri de La Tour, Bellis v. Vitry 77
Henri d’Ogeviller 177
- seine Gattin Jeanne de Bourlemont 177
Henri d’Orly 177
Henri d’Orquevaulz, Schreiber 598
Hensgin v. Arras 81
Hent^jchin v. Nassau, Bastard 61
Herbitzheim, Dep. Bas-Rhin, Ct. Sarreunion
82
- Benedikdnerinnenabtei 54
- Vogtei 104
Herbort v. Fritzlar, Autor 555
Herder, Johann Gottfried, Philosoph u.
Theologe 587
Hermann, Landgf. v. Hessen 53
Hermann v. Hohenweisel, n-sbr. Amtmann
87, 103f.
678
Hermann v. Sachsenheim, Dichter am Hofe
in Rottenburg 21, 517f., 524, 563
- ‘Morin’ 517f.
Hermannshausen, wüst, im Bereich von
Völklingen, SAL, Stadtverbd.
Saarbrücken, s. Hans v, -
Hermes, Götterbote 488
Herrmann, Max, Germanist 42
‘Hervis de Metz’ 423
Herzberg, Brandenburg, Krs. Ruppin 42
‘Herzog von Braunschweig’ 593
Hesiber-Püttlingen s. Püttlingen, Dep.
Mo seile
Hesse v. Esch 87, 259f., 384
Hessen, Landgff. 474, 550, s. auch Anna
Maria, Hermann v. -
Hey, Herrschaft im Dep. M-et-M, südöstlich
des Mont-Sec 55
Heylkev. Rodenhausen, 2. Gattin des Hans v.
Rittenhofen 99, 148
Heyndörfer, Conrat, n-sbr. Schreiber 21, 23, 27,
573f, 578
Hildegard v. Bingen 412, 603
Hildesheim, Niedersachsen, bischöfl. Notar
Ludolf 215
Hochfeder, Kaspar 563
Hölderlin, Johann Christian Friedrich,
Dichter
- ‘Tod des Empedokles’ 45
Hoffmann von Fallersleben, August
Heinrich, Germanist u. Dichter 603
Hohenlohe, Gff. v. - s. Anna, Kraft
Hohenweisel, HE, Hermann v. - 87, 103f.,
Holland, Gfsch. 184
Homburg-Haut s. Oberhomburg
Hombourg, Burg u. Tal, SAL, Saarpfalzkreis
55, 73, 84,137,148,151
- Amt, Herrschaft 80, 82
- Burggrafen:
- Contz 150
- Hans v. Hermannshausen 150
- Heinrich 150
Hondelange/Hondelingen, BL, Gde.
Messancy, s. Johann v. -
Honnecourt, Dep. Somme, s. Villard de -
Huart (Huwart) v. Elter, Herr zu Apremont
83, 93f., 97, 141f.
Huerta, Juan de la -, Bildhauer 650
‘Hugues Capet’ 24, 418, 422f.
Hugo Capet, Kg.v. Frankreich 15f., 20, 35,
120, 555f., 559f., 583f.
Hunsrück, Waldgebiet zwischen Mosel und
Nahe 93
Huscins v. Seriere 83, 142
Hutter, Simon, Buchhändler in Leipzig 572
‘Innamoramento di Carlo Magno’ 416
Innsbruck, AU, 461
Ipplingen/Ippling, Dép, Moselle, Ct.
Sarreguemines 147
Irmgard v. Bolchen 537
Isabeau de Bavière (Bayern-Ingolstadt),
Gattin Kg. Karls VT. v. Frankreich 156,
162, 167f., 171 f. 176
Isabella d’Este 416
Isabella v. Lothringen, Tochter Hzg. Johanns,
Verlobte Philipps L, Gf. v. Nassau-
Saarbrücken 56
Isabella v. Portugal, Gattin Hzg. Philipps des
Guten v. Burgund 185
Isabella s. auch Elisabeth
Isle-Adam, Dép. Seine-et-Oise, Arr.Pontoise,
s. Jean de Villiers, Herr v. -
Issey (Ixey), Dép. Meuse, Ct. Commercy, s.
Sibille v. -
Italien 157, 518 s. auch Oberitalien
Jacques d’Arc, Vater der Jeanne d'Arc 165,
178
Jacques, Bastard de Bourdiaulx 83
Jacques Coeur, Großkaufmann u.
Finanzberater Kg. Karls VII. v.
Frankreich 174
Jacques v. Longuyon, Dichter 423
- Wceux du Paon’ 423
Jacques (Jacomin) von Vignot, Dekan des
Sdftes St. Nikolaus in Commercy u. n-
sbr. Rentmeister in Commercy 67, 87f.,
142, 152
Jahn, Kurt, Germanist 42
Jakob v. Arnheim 90
Jakob Frienstich 82
Jakob, Herr v. Lichtenberg 93, 138, 143
679
Jakob, Gf. v. Lützelstein 92
Jakob Püterich v. Reichertshausen,
Münchener Patrizier, Literat 21, 517f.,
524, 527ff., 535
-‘Ehrenbrief 517, 522, 535
Jakob v. Rollingen 69, 73, 94, 326f., 387
Jakob v. Sierck, Dompropst zu Utrecht u.
Würzburg, lothr. Kanzler, später Erzbf.
v. Trier 92, 140, 183, 640f.
Jakob Stefelt, Mönch in St.Maximin/Trier
596
Jan van Eyck, Maler 616
Jean de Bruilan, Siegelbewahrer des Hzgt. Bar
67f.
Jean Chartrier, Mönch in St. Denis, Chronist
171, 181
Jean de Grouchy, Musiktheoretiker 412, 419
Jean de la Grange, Kardinal 631
Jean Doulon, kgl. frz. Rat 144
Jean de Haulxeret^, Rentmeister zu
Bouconville 152
Jean de Mandres, Rentmeister zu Bouconville
153
Jean Le Meingre gen. Boucicaut, Gf. v.
Beaufort, Vicomte v. Turenne 481
Jean Pasquerel, Augustinereremit, Beichtvater
der Jeanne d’Arc 155, 180
Jean Petit, Magister, Theologe 162
Jean de Villiers, Herr v. Isie-Adam 163
Jean Vit, kgl. franz. sergent 107
Jean de Waiguillie 67
Jeanne d’Arc 110, 155, 163, 165, 169, 171,
173f., 178-181, 186, 189,
- ihr Beichtvater s. Jean Pasquerel
Jeanne v. Bourlémont-Joinville, Gattin des
Henri d’Ogéviller u. Johanns III., Gf. v.
Salm 156, 177
Jeanne Lavalle, 2. Gattin Renés v. Anjou 118
Jeannette v. Malstatt, Gattin des Matthis v.
Redelingen 148
Jerusalem 114
- Konvent zum Hl. Grab 111
Jerusalem, Kg. v. - s. René v. Anjou
Jörg Rügen, Unterherold 529
Johann, Kg. v. Aragon 167
- seine Gattin Yolande (die Ältere) v. Bar 167
Johann IL (Je bon), Kg. v. Frankreich 159, 170,
185, 423
Johann IL, Hzg. v. Alençon 174
Johann v. Anjou, Hzg. v. Lothringen 119
Johann v. Baden, Kurfst. v. Trier 649
Johann v. Bar, Herr zu Puisaye 165
Johann, Hzg, v. Bayern-Straubing, Gf. v.
Holland 101, 534, 600
- seine Gattin Elisabeth v. Görlitz 92, 101,
143, 357, 385
Johann, Hzg. v. Bedford 163, 168, 172-176,
178£, 184, 189
Johann, Hzg. v. Berry 168, 173f.,
Johann v. Binsfeld, Schreiber 537, 593f.
Johann v. Bolchen, Herr zu Zolvern (1381-
1413) 537
Johann v. Bolchen (1426-1467/68) 85, 537
Johann Bungen von Herbitzheim, Sdftsherr
in St. Arnual 116
Johann v. Burgund, Herr v. Montaigu 51
- seine Gattin Margarethe v. Joinville
Johann v. Castel 126, 215, 223, 256, 369, 384
Johann v. Dirmingen, Burggf. zu Ottweiler
150
Johann v. Düren 108
Johann v. Elter, Herr zu Stirpenich 537
Johann v. Ennebachgen. Mulenstein 87, 259f.,
384
Johann v. Esch 384
Johann Faust (Fusl) von Diebach gen.
Knebel, n-sbr. Amtmann 76f., 81, 85, 87,
97, 103, 116, 146f., 151,224, 232f, 251f.,
259f., 266f., 275, 280f., 322, 384
Johann der Junge, Herr v. Finstingen 83, 91,
103ff.
Johann v. Geroldstein gen. Boße Johann 84£,
142f.
Johann v. Hagen zur Motten 87, 259f., 385
Johann v. Haraucourt 114
Johann v. Haussonville, lothr. Seneschall 67,
98
Johann v. Heinsberg, Bf. v. Lüttich 108
Johann v. Homburg 84f., 142
Johann v. Hondelingen 325£, 385
Johann, Gf. v. Katzenelnbogen 651
Johann v. Kerpen, Herr zu Varsberg 69ff.,
75, 127ff., 202, 204, 207f., 210f., 215,
680
224-228, 233-239, 241, 245, 251 ff., 256-
262, 264ff., 269-283, 285f , 287, 289-292,
306f., 313, 315f., 341 f., 368, 385, 388,
391 f., 394-398, 400, 402, 404f.
Johann III. v. Kriechingen, Herr zu Pittingen,
Dagstuhl u. Varsberg 71, 73f., 82, 87, 99,
131f, 136, 215, 222, 228, 244, 246, 259f,
269-273, 276f., 310ff., 319f., 369, 371,
374f., 385, 387, 391, 394, 398, 400f.
- seine Gattin Elsa von Daun 73, 93f., 98,
114,140
Johann I., Hzg. v. Lothringen 63, 632
- seine Gattin Sofie v. Württemberg 632
Johann v. Luxemburg, Kg.v. Böhmen 104,
158
Johann II. v. Luxemburg-Ligny, Gf. v. Guise,
Herr v. Beaurevoir 176, 178f.,
Johann III., Gf. v. Nassau-Saarbrücken 18,
21 ff., 30f., 34-38, 40, 49, 51, 60-64, 68,
78, 81 f., 86, 88, 90-93, 96-105, 107f.,
111, 114f., 119-123, 140, 143f., 146,
148f., 155, 185, 189, 201, 238, 245, 249,
253, 257, 262, 267, 279, 303f, 306f., 386,
390, 463, 473f., 477, 481, 527f., 534, 537,
541, 570f., 573£, 592, 604, 628, 650ff.
- seine 1. Gattin Johanna v. Loen-Heinsberg
100, 108, 121, 650ff.
- seine 2. Gattin Elisabeth v. Württemberg
121f, 650f.
Johann v. Nassau-Idstein (J1677), Sohn Gf.
Ludwigs 634
Johann, Gf. v. Nassau-Weilburg 53
- seine Gattin Johanna von Saarbrücken-
Commercy 53, 63, 111
Johann v. Nassau-Wiesbaden-Idstein,
Erzbf.v. Mainz 56, 156
Johann v. Oberstein, Amtmann zu St.
Wendel 87, 259f, 387
Johann Ohnefurcht, Hzg. v. Burgund 155,
158, 160, 162, 164L, 167-170, 172, 175,
178, 648, 650
- seine Gattin Margarethe v. Bayern-
Ingolstadt 650
Johann v. Pallant 108
Johann, Rheingraf 117
Johann Rode 103
Johann II. v. Rodemachern, Herr zu
Kronenburg u. Neuerburg 93, 99, 104,
133, 135, 137, 209f., 213f£, 222f,, 229,
249, 271, 325f., 346-350, 357ff., 364f,
369f., 378, 387, 392, 395, 400
Johann v. Rollingen 69, 83, 207
- seine Gattin Ännchen v. Daun 114
Johann v. Roßbrück, secretarius des Grafen
Johann III. v. Nassau-Saarbrücken 88f.
Johann I., Gf. v. Saarbrücken, Herr zu
Commercy 55
Johann II., Gf. v. Saarbrücken, Herr zu
Commercy 63, 76, 97, 112, 116, 423
Johann v. Saarbrücken, Herr zu Commercy
55
Johann III., Gf. v. Salm 65, 67, 126, 157, 177
seine Gattin Jeanne de Bourlemont-
Joinville 156, 177
Johann VI. v. Schöneberg, Kfst. v. Trier 595
Johann Studigel v. Bitsch, Amtmann zu
Schaumburg 132, 140
Johann Stumpf v. Simmern 142
Johann v. Valois, Sohn Kg. Karls VI. v.
Frankreich
Johann v. Vergy, Bastard, Herr zu Richecourt
141, 365f., 388 s. Jean de Grauchy
Johann Werner v. Zimmern 527
Johann v. Wich 136
Johann v. Wolfstein 67, 74, 82, 87, 93, 95,
101, 133, 153, 259f., 329f., 369, 388
Johann, Bf. v. Würzburg 61
Johann Ludwig, Gf. v. Nassau-Saarbrücken
55, 79, 121 f.
Johanna v. Loen-Heinsberg, 1. Gattin des Gf.
Johann III. v. Nassau-Saarbrücken 100,
108,121 , 650f.
Johanna v. Nassau-Saarbrücken, Tochter Gf.
Philipps I. aus 1. Ehe, Gattin Georgs,
Gf. v. Henneberg 53, 56, 61, 66, 81
Johanna v. Rotselaer, Gattin Simons, Gf. v.
Salm 92
Johanna v. Saarbrücken-Commercy, Gattin
Johanns, Gf. v. Nassau-Weilburg 53, 63,
111
Johannes (XXIII.), Papst 110
Johannes de Grocheo
Johannes v. Montevilla 522
681
Johannes Tauler, Prediger u. Mystiker 559
Johannes von Worms, Dominikaner in Trier
20, 536, 593ff., 597
Joinville ('Genvilk), Dép. Haute-Marne 52, 61,
152, 241 ff., 252, 268, 289, 291, 295£,
299ff., 331-334, 338-341, 379
- Herrschaft 51 f., 85
- Sdftskirche 52
- Herren v. - s. André, Anseau, Heinrich,
Jeanne, Margarethe
Jost, Markgf. v. Mähren 157
Jost, Maler in Saarbrücken 114
Juan de la Huerta, Bildhauer 650
Judas Makkabäus 16
Jülich, NRW, Krs. Düren, Hzgg. v. - s.
Gerhard, Wilhelm
Julian, Kardinallegat 111
Kaiser, byzantinische 483, 489, 492
Kaiser, römische
- Friedrich III. 647f.
- Heinrich II. 649
- Karl d. Große 11, 13ff., 18, 36£, 411, 413-
416, 420£, 424, 470, 478, 530, 571, 573,
583£
- Karl IV. 53
- Lothar 573, 585
- Ludwig der Fromme 573
- Maximilian 63, 461 £
- Sigmund 66, 97, 157,166, 181 £, 184
Kaiserslautern, RP
- Amtmann 147
- Zoll 101
Kalabrien 36
Kapetinger 15£, 20, 35£, 422, 530, 571, 583
Kardinäle 472
- Annibaldi (S. Giovanni/Lateran) 648
- Jean de la Grange 631
-Julian 111
Karl d. Große, Ks. 11,13f£, 18, 35£, 411,
413-416, 420£, 424, 470, 478, 530, 571,
573, 583£
Karl der Kahle, westfränk. Kg. 411
Karl IV., Ks. 53
Karl V., Kg. v. Frankreich 159, 170
Karl VI., Kg. v. Frankreich 56, 157, 161 f£,
167-171, 173, 175, 613
- seine Gattin Isabeau de Bavière 156, 162,
167£, 171
Karl VIL, Kg. v. Frankreich 37, 70, 74, 76,
78£, 97£, 101, 107£, 115,144,155£,
163,167-176, 178-183,185-189
- seine Gattin Marie v. Anjou 37, 167
Karl v. Breidenborn 148
- seine Gattin Eva v. Rittenhofen 148
Karl der Kühne, Hzg. v. Burgund 182, 185f.
Karl, Hzg. v. Lothringen 37, 51, 65, 67, 74£,
81, 85, 92, 98, 126, 158, 164,168, 175-
179,181, 201 £, 214£, 231, 254£, 369,
383, 385, 390f.
- seine Gattin Margarethe v. d. Pfalz 92
Karl, Hzg. v. Orléans s. Charles
Karl v. Valois 37, 120
‘Karlmeinet’ 561, 563
Karolinger 24, 35, 530
Katharer 570
Katharina, Tochter Kg. Karls VI. v.
Frankreich 169, 172f.
Katharina v. Burgund, Tochter Hzg. Johanns
Ohnefurcht 167
Katharina im Hoffe, Gatdn des Heinrich v.
Eiweiler 148
Katharina v. Lothringen, Tochter Hzg. Karls
176
Katharina v. Siena, Hl. 38, 114, 535
Katharina v. Wolfstein, Meisterin im
Damensdft Fraulautern 94
Katharina v. Zweibrücken, Gatdn des
Lambrecht v. Castel 153
Katzenelnbogen, Gf. v. - s. Johann
Kellenbach, RP, Rhein-Hunsrück-Krs.,
Ortsadel s. Hans, Klaus v. -
Kempen, NRW 561,563
Kern von Siersberg, saarld. Adelsgeschlecht,
s. Gerhard
Kerpen, RP, Krs. Daun, Burg 357, 380
- Herren v. - s. Johann
Kestenberg 91
Kiel, Schleswig-Holstein,
- Hebbelmuseum 45
- Theater 45
- Universität 45ff.
Kirberg, SAL, Stadt Homburg, Saarpfalzkrs.
84
682
Kirchenarnbach, RP, Krs. Pirmasens-
Zweibrücken 84
Kirchheim, heute Kirchheim-Bolanden, RP,
Donnersbergkreis 55f., 60, 62, 64, 66,
80f., 84, 87, 98, 103£, 130, 146, 306, 309,
379
- Amtmänner:
- Peter v. Rittenhofen 62, 85, 87£, 104£, 148
- Philipp v, Geispitzheim 151
- Pfarrkirche
Kirkel, Burg bei gleichnamigen Ort, SAL,
Saarpfalzkrs. 144
Klarenthal, Kloster, HE, Stadt Wiesbaden 62,
64, 151, 652-655
Klaus v. Kellenbach 73
- seine Gattin Else v. Eiweiler 73
Klausen s. Eberhardsklausen
Klein-Varsberg, Burg bei Ham, Dép. Moselle,
Ct. Boulay 69, 202, 227, 233£, 238f£,
246, 253, 256, 261 £, 264, 280-283, 287£,
306£, 310, 382, 391
Klever Land 554
Klingenberg, s. Heinrich v. -
Klopp, Burg bei Bingen, RP 64
Knebel s. Johann Faust v. Diebach gen.
Knebel
Koblenz, RP, 556, 560
- Stift St. Kastor 652
Köllertal, rechtes Nebental der mittleren Saar
53, 60,107
Kölln, SAL, Stadtverb. Saarbrücken, Stadt
Püttlingen
-Kirche St. Martin 114, 598
Köln, NRW, 181, 486, 560, 587, 602
- Dom 631
- Erzbff.:
--Dietrich v. Mörs 92,151
—Philipp v. Heinsberg 631
—Wilhelm v. Gennep 636
- Lupusbrüder 636
- Stiftsherr Peter v. Merode 544
Könige,
- Aragon s. Johann, René v. Anjou
- Böhmen s. Johann, Gf. v. Luxemburg,
Ottokar
- Deutsches Reich s. Albrecht, Friedrich IV.,
Heinrich IL, Ludwig, Maximilian,
Ruprecht, Sigmund, Wenzel
- England s. Eduard, Heinrich, Richard
- Frankreich s. Hugo Capet, Johann, Karl,
Ludwig, Philipp II. August
- Frankenreich s. Chlodwig, Pippin
- Israel s. David, Saul
-Jerusalem s. René v. Anjou
- Mallorca s. René v. Anjou
- Neapel-Sizilien, s. Ludwig u. René v. Anjou
Königstein, s. Werner v. -
Kohlschmidt, Werner, Germanist 47
Kolb v. Geispitzheim 85, 88, 146 £, 153
Konrad II. Wildgraf, Erzbf. v. Mainz 61, 64,
384
Konrad Beyer v. Boppard, Bf. v. Metz 70£,
92, 97£, 133-137, 141, 196, 204, 206£,
210, 214£, 218£, 223, 229, 233£, 236,
244, 247£, 250, 252ff, 319-324, 326-332,
334£, 337, 342£, 345-363, 365, 368f,
376£, 384, 391 £, 394£, 397, 399£, 403-
406,
Konrad Kolb v. Geispitzheim 146£, 153
Konrad Grünenberg, Patrizier in Konstanz
528
- Wappenbuch 528f.
Konrad v. Megenberg, Scholastiker 567
Konrad v. Mure, Autor von Schulschriften
525
Konrad v. Speyer, Kaufmann 139
Konrad v. Würzburg, Dichter 526, 560
- ‘Trojanerkrieg’ 521
Konstantinopel (Istanbul), Türkei 14, 472,
483, 486£
Konstanz, BW, 98, 110, 529
- Konzil 61
- Patrizier Konrad Grünenberg 528
Kraft, Gf. v. Hohenlohe 56
Kremer, Johann Martin, n-sbr. Historiograf
49
Kreuznach, RP 559
Kriechingen/Créhange, Dép. Moselle, Ct.
Faulquemont 54, 99, 239, 269£, 379
- Herren s. Johann
Krivoklat s. Pürglitz
683
Kronenburg, NRW, Krs. Euskirchen, Gde.
Dahlem, Herren v. - s. Rodemachern,
Herren v. -
Kübelberg, Ortsteil von Schönenberg-
Kübelberg, RP, Krs. Kusel, s. Guerin v. -
Kunigunde, Gattin Ks. Heinrichs II.
Kuno v. Falkenstein, Kfst. v. Trier 599
Kuno v. Manderscheid 527
Kunz Mauchenheimer 135
Kurmainz 64f., 555
Kurpfalz 29, 34, 53, 64, 93 s. auch Rhein,
Pfalzgf. bei -
Kurtrier 34, 53
Kusel, RP 563
La Crèche, Herr v. - s. Wentzlin vom Turme
La Hire, Etienne de Vignoles dit -,
Feldhauptmann Kg. Karls VII. v.
Frankreich 187
La Sarraz 631
Lahn, rechter Nebenfl. des Rheins 53, 55, 60
Lahnstein, RP, Rhein-Lahn-Krs.
- Kannengießer Peter 83
Laissari, Lessard-en-Bresse (?) Dép. Saône-et-
Loire, Ct. St. Germain-du-Plain, s.
Mondert v. -
Lambrecht v. Castel 81, 85, 90, 103, 106, 116,
147,151,153, 322, 384
- seine Gattin Katharina v. Zweibrücken 153
Lancaster, engl. Adelsfamilie 161
Lande, Joseph Jerome le François de la -,
Astronom 584
Landstuhl, RP, Krs. Kaiserslautern 56
Landsweiler, SAL, Krs. Neunkirchen, Gde.
Schiffweiler 73
Langres, Dép. Haute-Marne 178, 187, 486
- Gouverneur: Anton v. Vergy 178
Langres, Bistum 166, 178
- Bf. Ludwig v. Bar 68, 165, 167f., 176, 179
Lannoy, Herr zu -, s. Ferri II. v. Savigny
Lanson, Gustave, Prof. 42
La Petite Pierre s. Lützelstein
La Tour-en-Woëvre, Dép. Meuse, Ct.
Fresnes, s. Wentzlin vom Turme
La Trémoille (Trimouille) Dép. Vienne, Ct.
Montmorillon 180
Lauber-Werkstatt 523
Lauffen, BW, Krs. Heilbronn 560
Lauterfangen/Loudrefing, Dép. Moselle, Ct.
Albestroff 559
Lavalle, Jeanne, 2. Gemahlin Renés v. Anjou
572f, 580, 583
Leiningen, Gff. v. - 93, s. Friedrich,
Hannemann
Leipzig, Sachsen
- Buchhändler Simon Hutter 572
Le Meingre s. Jean le Meingre gen. Boucicaut
Lenoncourt, Dép. M-et-M, Ct. St. Nicolas-de-
Port, s. Margarethe v. -
Leonhard {Lienhard), Hl. 504
Leopold s. Liutpold
Lérouville, Dép. Meuse, Ct. Commercy 77, 83
Lettweiler, RP, Donnersbergkrs. 147
Lemnstein s. Löwenstein
L’Hôpital s. Spittel
Lichtenberg, Dép. Bas-Rhin, Ct. La Petite
Pierre 91
- Herren v. - 72, s. auch Jakob, Ludwig
Lichtenberger, Henri, Prof. 42
Lichtenthal, Zisterzienserinnenabtei, BW,
Stadt Baden-Baden
- Regula v. 598
Liège s. Lüttich
Lienhard (Leonhard), Burgkaplan zu
Saarbrücken 117
Liepe, Wolfgang, Germanist 17, 41-47, 586
Ligny, Dép. Meuse, Arr. Bar-le-Duc
- Gfsch. 72, 131
- Gouverneur Herr v. Poix 93, 130
Lille, Dép. Nord 186
Limburg, Hzgt. 184
Limey, Dép. M-et-M, Ct. Thiaucourt 55
‘Lion de Bourges’ 417, 420, 424
Lise v. Sponheim, vermutlich 2. Gattin des
Peter v. Rittenhofen 151
Liutpold, Hzg. v. Österreich 485
Loches, Dép. Indre-et-Loire, Burg 101
Loen-Heinsberg, Herrschaft 78
- Adelsgeschlecht 35, 120, s. auch Johann,
Johanna, Margarethe
Löwenstein (Lewenstein), Herren v. - 139
‘Lohengrin’ 605
‘Lohier et Mallart’ 20, 24, 53, 124, 422, 427ff.
Loire, Fl. 101, 173f., 179f.
684
London 423
Longuyon, Dép. M-et-M, s. Jacques v. -
Lothar, Ks. 573, 585, 634
Lothringen, Hzg. 35£, 92, 108, 114, 201, 243,
294f., 391, 461, 571, 634 s. auch
Elisabeth, Isabella, Johann, Karl,
Nikolaus, Raoul, René
Lothringen, Herzogtum 34, 92, 37, 53f., 56f.,
60, 63, 65, 68f., 71 f., 74, 76,100, 105,
108, 119,140, 158f., 165, 175,181f, 201,
234, 313f., 363, 380
- Hofmeister Heinrich Haze v. Dieblich 67,
143
- Kanzler Jakob v. Sierck 92, 140, 183
- Räte, Statthalter 82, 91, 94, 108, 139, 141,
144f.
- Seneschall Johann v. Haussonville 67, 98
- Stände 97, 140, 147f., 201, 232
Lothringen-Vaudémont s. Vaudémont, Gff.v.
Lothringen, Landschaft 20,168, 188, 553,
556, 564, 583
Loudrefing s. Lauterfingen
Louppy-le-Château, Dép. Meuse, Ct.
Vaubecourt 189
Lubeln/Longeville-lès-St.Avold, Benedikti-
nerabtei, Dép. Moselle, Ct. St. Avold,
568
Lucas/Lux, Bastard v. Nassau 62
Lucas v. Nassau, Sohn des vorigen, n-sbr.
Amtmann in Ottweiler 62
Lucca, IT, Oratoria délia Madoninna 631
Ludolf v. Hildesheim, Magister, bischöflicher
Notar, Autor des Formelbuches 'Summa
dictaminum' 215
Ludwig der Bayer, Ks.
Ludwig d. Deutsche, ostfrk. Kg. 411
Ludwig d. Fromme, Ks. 420£, 470, 573
Ludwig VI., Kg. v. Frankreich 161
Ludwig IX. der Heilige, Kg. v. Frankreich 36,
161
Ludwig XI., Kg.v. Frankreich 107, 185
Ludwig XVI., Kg. v. Frankreich 583
Ludwig I., Hzg. v. Anjou 170
Ludwig IL, Hzg. v. Anjou, Kg. v. Neapel-
Sizilien 167, 179
- seine Gattin Yolande v. Aragon 167
Ludwig III., Hzg. v. Anjou 167, 170, 183
Ludwig v. Anjou, Markgf.v. Pont-ä-Mousson
105f£, 119, 188
Ludwig v. Bar, Kardinal, Bf. v. Chalons-sur-
Marne, Langres u. Verdun, Verwalter des
Hzgt. Bar 68, 165, 167£, 176, 179
Ludwig III., Hzg. v. Bayern, Pfalzgf. bei
Rhein 383
Ludwig v. Haraucourt, Bf. v. Toul 105
Ludwig, Herr v. Lichtenberg 93, 143
Ludwig, Gf. v. Nassau-Saarbrücken 628
- seine Gattin Anna Maria v. Hessen 628
Ludwig, Hzg. v. Orléans 56, 155, 157-161,
164,170f£, 544
Ludwig, Hzg. v. Pfalz-Zweibrücken 473
Lüttich/Liège, BL, 412, 567
- Bf. Johann v. Heinsberg 108
- Domherr Peter v. Merode 544
Lützelstein/La Pedte Pierre, Dép. Bas-Rhin,
Arr. Saverne, Gf. 91, s. auch Jakob Gf. v.
Lugowski, Clemens, Germanist 46
Luigi Pulci 416
Lummerschied (Numerschit), Ortsteil von
Heusweiler, SAL, Stadtverbd.
Saarbrücken 132
Lunécourt, Thierry v. -
Lusignan, Dép.Vienne, Arr. Poitiers 530
Luxemburg, Stadt 143
Luxemburg, Hzg.v. 53, 56, 636, s. auch
Balduin, Johann, Marie v. -
Luxemburg, Hzgt. 72, 76, 84, 101, 105, 157£,
185, 188f, 352£, 380, 564, 599
- Amtmann s. Georg v. RoHingen
Luxemburg-Ligny, Gff. v. 77, 79, s. auch
Johann II.
Lyon, Dép. Rhône 412
Maas, Fl. 55, 77, 105£, 170,175,178
Maasland 74
‘Macaire ou la Reine Sebile’ 420
Mailand, Hzg. v. - s. Giangaleazzo Visconti
Main, rechter Nebenfluß des Rheins 53
Mainz, RP 537, 560, 595, 598
- Beghinenkloster 598
- Dom 636, 648
- KarmeHterkloster 104, 535, 634
685
Mainz, Erzbff. 244, 296, 299f., 302, 473
- Adolf v. Nassau-Wiesbaden-Idstein 648
-Johann v. Nassau-Wiesbaden-Idstein 56,
150
- Konrad II. Wildgraf 61, 64, 384
- Siegfried v. Eppstein 636
Mainz, Kurfst. 81
Mâle, Emile, Prof. 42
Malines s. Mecheln
Mallorca, König v. - s. René v. Anjou
Malmédy, BL, 554, 567
Malstatt, SAL, Stadt Saarbrücken, s.
Friedrich, Jeannette v. -
Manderscheid, RP, Krs. Wittlich, s. Ulrich v. -
Manderscheid-Blankenheim, Gff.v. - 592
Mansel, Maler 613
Marbach, Germanist 587
Marburg, HE, Kirche St. Elisabeth 649
Marche, Herr v. - 105
Margarethe v. Anjou, Tochter Renés, Gattin
Kg. Heinrichs VI. v. England 119, 185
Margarethe v. Baden, Witwe des Gf. Adolf II.
v. Nassau-Wiesbaden-Idstein 146
Margarethe v. Bayern-Ingolstadt, Gattin Hzg.
Johanns Ohnefurcht v. Burgund 650
Margarethe v. Elter, Gattin Johanns v.
Bolchen 537
Margarethe v. Joinville, Gattin des Johann v.
Burgund, des Peter, Gf. v. Genf, u. des
Ferry I., Gf. v. Vaudémont 20, 36, 51,
53, 60, 63,113,118,177, 386, 390, 419,
421,477, 536f., 587, 633
Margarethe v. Lenoncourt, Frau zu Florange,
Gattin des Michel v. Castel 151
Margarethe v. Loen-Heinsberg, Gattin Gf.
Philipps II. v. Nassau-Saarbrücken-
Weilburg 53, 102, 112
Margarethe v. Nassau-Saarbrücken, Gattin
des Gerhard v. Rodemachern 20, 23, 36-
39, 53, 61, 65,100, 104, 109, 113, 117,
120f., 123, 533-535, 537f, 541, 547, 555,
564, 568, 592, 594, 599-603, 634
Margarethe, Burggfin.v. Nürnberg, Gattin
Graf Adolfs I. v. Nassau-Wiesbaden-
Idstein 652
Margarethe v. d. Pfalz, Gattin Hzg. Karls v.
Lothringen 92
Margarethe v. Rodemachern, Gattin des Gf.
Eberhard v. Sayn-Wittgenstein 534, 536,
541,600
Margarethe v. Savoyen 21 f., 29, 35, 544
Margarethe v. Vaudémont, Gattin des
Theobald v. Blämont 52, 65, 92, 245,
317, 383
Maria Laach, Benediktinerabtei, RP, Krs.
Mayen-Koblenz 596£, 631 f., 649
- Abt Theoderich 649
- Mönch Wilhelm v.d. Eifel 596
Marie v. Anjou, Gattin Kg. Karls VII. v.
Frankreich 37, 167
Marie v. Blois, Gattin Hzg. Raouls v.
Lothringen 37, 63, 120
Marie v. Castel, Tochter des Michel v. Castel
151
Marie v. Harcourt, Gattin Antons v.
Vaudémont 242, 252, 385
Marie v. Luxemburg, Gattin Heinrichs v.
Joinville 51 f., 633
Marquart v. Stein, Übersetzer
- ‘Ritter von Thurn’ 506
Marsal, Dép, Moselle, Ct. Vic-sur-Seille
- Archidiakon 108
Marseille, Dép. Bouches du Rhône 147, 186
Marsilius Ficinus, Philosoph 116
Mathieu Thomassin 173
- ‘Registre Delphinal’ 173
Mathilde, Gattin Heinrichs des Löwen 649
Matteo Maria Boiardo, Gf. 416
Matthias, Apostel 584
Matthias Cerdo, Chronist 596
Matthis v. Redelingen 148
- seine Gattin Jeanette v. Malstatt 148
Maubeuge, Dép.Nord, Arr. Avesnes 418
Mauchenheimer, pfälz. Adelsgeschlecht s.
Heinrich, Kunz, Simon
Maupertuis, Dép. Vienne, Ct. La Villedieu-
du-Clain, Schlacht 159
Mauritius, Hl. 119
Maximilian, Ks. 63, 461 f., 517f., 522, 531, 647
- Werke:
—‘Ambraser Heldenbuch’ 528
-Theuerdank’ 462, 518, 524
—‘Weißkunig’ 462
Mecheln/Malines, BL 86
686
Mechthild v. Nassau 655
Mechthild, Pfalzgräfin v. Rottenburg 21, 37,
118, 527, 535
Mechthild, Gfin. v. Württemberg 642f.
Megenberg, s. Konrad v. -
Meisenheim, RP, Krs. Kreuznach 559
Melk, Benediktinerabtei, AU 523
Melusine 530
Menaucourt, Dép. Meuse, Ct. Ligny 131
Merenberg, HE, Krs.Limburg-Weilburg, Herr
zu - s. Philipp I. Gf. v. Nassau-
Saarbrücken
Mérida 411
Merode, s. Peter v. -
Merkur, röm. Gott 488
Merseburg, Sachsen-Anhalt, Dom 631
Merzig, SAL 553, 559, 561
Mettlach, Benediktinerabtei, SAL, Krs.
Merzig 598
Metz, Dép. Moselle, Stadt 24, 38, 73, 79, 82£,
86, 88, 91, 93f, 105, 107, 114, 139,141,
143f., 152, 180, 331f., 339, 342f., 352f.,
356, 380, 473, 563, 593, 598f., 603, 643,
645, 655
- Einwohner Aubert Boulay 83
- Karmeliterkirche 114
- Kathedrale 646f.
- Kirche St. Eucharius 645
Metz, Bff. 54, 60, 65, 79, 83,111,114, 126,
132,146, 153, 157f, 188, 232, 246, 266
- Konrad Beyer 70f., 92, 97f., 133-137, 141,
196, 204, 206f., 210, 214f., 218f., 223,
229, 233f., 236, 244, 247£, 250, 252f£,
319-324, 326-332, 334f, 337, 342f, 345-
363, 365, 368£, 376£, 384, 391 £, 394£,
397, 399£, 403-406,
- Raoul v. Coucy 109
Metz, Bistum
- Domherr Simon v. Saarbrücken 81, 83, 138
- Generalvikar 109
Metz, Hochstift 53, 63, 66, 69, 232, 242, 249,
290, 313£, 352£, 356, 380
- Lehengericht (edelmanne) 354f£, 360-363,
365£,380
- Salinen 66
Meuschen, J.G. 535
Michael v. Massa, Theologe u. geisd.
Schriftsteller
- ‘Leben Jesu’ 598
Michel v. Castel 67, 85, 87, 116, 147, 151, 153
- seine Gatdn Margarethe v. Lenoncourt 151
- seine Tochter Marie 151
Michel Pintoin, Chronist 171
Milenberg 140
Mömpelgard s. Montbéliard
Mönchengladbach, NRW 561
Mörchingen/Morhange, Dép. Moselle , Ct.
Gros-Tenquin 130, 242£, 296£, 380
Mörs-Saarwerden, s. Beatrix, Dietrich,
Friedrich
Mombronn/Montbronn, Dép. Moselle, Ct.
Rorbach
Momersdorf/Momerstroff, Dép. Moselle, Ct.
Boulay 555
Mondert de Lazssart 245, 313, 315, 385
Monneren, Dép. Moselle, Ct. Metzervisse 555
Mons, BL, 418
Monstrelet, s. Enguerrand v. -
Montaigu, Dép. Jura, Ct. Conliège, Herr v. -
s. Johann v. Burgund
Montbéliard (Mümpelgard), Dép. Doubs 567,
582
Montereau-Faut-Yonne, Brücke über die
Seine, Dép. Seine-et-Marne, Arr. Provins
168£, 172, 183
Montfort, Burg bei Duchroth-Oberhausen,
RP, Krs. Bad Kreuznach-
Adelsgeschlecht 73
Montiers-sur-Saulx, Dép. Meuse, Arr. Bar-le-
Duc 243, 301 £, 380
Montmédy, Dép. Meuse, Arr. Verdun 105,
347£,380
Montmorillon, Dép. Vienne, Herr v. -, s.
Edenne de Vignoles
Morf, Heinrich, Romanist 42
Morhange s. Mörchingen
Morley, Dép. Meuse, Ct. Montiers-sur-Saulx
55, 66f£, 74-77, 83, 98, 106, 126,130£,
243£, 254, 301 £, 362£, 365f, 380
- Rentmeister Bertrand de l’Opital 153
‘Mort Aymeri de Narbonne’ 421
Mosberg-Richweiler, SAL, Krs. St. Wendel,
Gde. Nohfelden 555
687
Moscherosch, Johann Michael, Dichter 560
- ‘Gesichte des Philander v. Sittewald’ 582
Mosel, linker Nebenfl. des Rheins 55, 77,
105f., 143, 559f£, 564, 567, 602
Motte, Burg bei Lebach, SAL, Krs. Saarlouis
380
Mouzon, Dép. Ardennes, Arr. Sedan 178
Mümpelgard s. Montbéliard
München, BY 461,522, 528
Münster/Munster, Dép. Moselle, Ct.
Albestroff
- Stiftskirche St. Nikolaus 110
Münster, NRW,
- Dom 627
- Universität 46
Multscher, Hans, Bildhauer 642f.
Nahe, linker Nebenfl. des Rheins FL 559
Naives-en-Blois (Nevie%), Dép. Meuse, Ct.
Void, s. A.lardjA.leyd v. - 62
Namur, BL, Gfsch. 184
Nancy, Dép. M-et-M 68, 90f., 98, 107,119,
130£, 141,178, 182, 189, 244, 252, 265f.,
274£, 285£, 294£, 298, 303, 305£, 308£,
310-313, 365£, 380, 402, 459, 546
- Bellis Ferry II. v. Savigny 137
- Cordelierkirche 652
- Stiftskirche St. Georg 650
Nanstein, Burg bei Landstuhl, RP, LK
Kaiserslautern 56
Nassau, Burg, RP, Rhein-Lahn-Krs, 64
Nassau, Gff. v. - 63, 104, 634 s. auch
Mechthild v. -
Nassau, Gfsch. 584
Nassau-Saarbrücken, Gff. 20, 29, 36£, 49, 55,
66£, 69, 88£, 105,109,124,139, 153,
233, 460£, 534, 549, 571, 625, 636 s.
auch Johann III., Johann Ludwig,
Ludwig, Margarethe, Philipp L, Philipp
IL, Wilhelm Heinrich, Wilhelm Ludwig
- Archiv 126, 133
Nassau-Weilburg, Gf. v. -, s. Johann
Nassau-Wiesbaden-Idstein, Gff.v. - 62, s.
auch Adolf, Johann
Nassau v. -, Bastarde, s. Dicke, Heinrich,
Hentzichin, Lucas/Lux, Philipp
Neapel, IT, 185
- Kg. v. - s. René v. Anjou
- Königreich 119,183, 185
Neidhart gen. v. Reuental 529
Nennig, SAL, Krs. Merzig, Gde. Perl 556
Neuerburg, RP, Krs. Bitburg-Prüm, Herren
v. -, s. Claude, s. auch Rodemachern,
Herren v. -
Neufchâteau, Dép. Vosges 158, 189
Neufchâtel, Theobald Bastard v. -
Neuville-en-Verdunois, Dép. Meuse, Ct
Pierrefitte 77
Neumünster, Benedikdnerinnenabtei, SAL,
Stadtteil von Ottweiler, Krs.
Neunkirchen 53
- Äbtissin 93, 95
Neunkirchen, SAL 71
Neustadt, Gertrud, Gattin von Wolfgang
Liepe 43
Neuweilnau, HE 53
Neuwied, RP 556
Neuwolfstein, Burg, RP, Krs. Kusel 147
Niclas, Nicola, Nicolas, Niklaus, Nikolaus
Nikolaus, HL 110
Nikolaus, n-sbr. Rentmeister 149
Nikolaus, Schultheiß in Saarbrücken 148
- seine Witwe Mettre 148
- beider Tochter Lise, 1. Gattin des Hans v.
Rittenhofen 148
Nikolaus v. Basel 560
Nikolaus Clütz von Saarbrücken, Schreiber
596
Nikolaus v. Cues 642
Nikolaus v. Dorsweiler, saarwerdischer
Schaffner 136
Nikolaus von Folcklingen, Schultheiß in
Saarbrücken 149
Nikolaus Gerhaert, Bildhauer 640, 642, 644,
647
Nikolaus Manuel, Maler, Architekt u. Dichter
488
Nikolaus, Hzg. v. Lothringen 30
Nikolaus v. Rittenhofen, Schultheiß zu
Saarbrücken 148
Niclas von Rittenhofen ( nicht zu dem
Adelsgeschlecht gehörig) 94
Niclas Rüde, Greden Hansen Sohn, von
Reinheim 81
688
Nikolaus Roeder v. Tiersberg, Straßburger
Patrizier 638
Nicolas Rolin, Kanzler Hzg. Philipps des
Guten v. Burgund 181
Nicola de Vienne, Hauptmann auf Groß-
Varsberg 240, 243, 309f., 388
Niclas v. Zedingen gen. Swartzmeiger 85
Niederalfmgen, BW, Krs. Aalen 523
Niederkirchen (Nydemostem), SAL, Stadt u.
Krs. Wendel 83
Niedersdnzel, Dep. Moselle, Ct. Fenetrange
55, 80, 92
Niederwiese/Niederwisse, Dep. Moselle, Ct.
Boulay 555
Nigrinus, Georg, Kontroverstheologe 559
Nikopolis, Stadt in Nordbulgarien, bei dem
heutigen Dorf Nikjup, Schlacht 165
Nola, Paulinus v. - 637
Nomeny, Dep. M-et-M, Arr. Nancy 132, 246,
319, 380
- Burggf. Andruwin v. Craincourt 327f£, 389
Nonsard, Dep. Meuse, Ct. Vigneulles-les-
Hattonchätel 68, 106
Normandie 174, 190
Norroy-le-Veneur, Dep. Moselle, Arr. Metz-
Campagne 77, 106, s. Philipp v. -
‘Nota emilianense’ 413
Nürnberg, BY, 22, 61, 572, 583, 593, 598
- Burggf. v. - s. Margarethe
- Verleger Stiebner 583
Nuhn, Johannes, Historiograf 474, 530
Numerschit s. Lummerschied
Nußweiler/Nousseviller, Dep. Moselle bei
Bitsch oder bei Püttlingen 82
Nydemostem s. Niederkirchen
Oberbexbach, SAL, Ortsteil von Bexbach,
Saarpfalzkrs. 562
Oberhomburg/Hombourg-Haut, Dep.
Moselle, Ct. St. Avold 241, 287, 289,
303f, 306, 308, 379
Oberitalien 72
Oberrhein 72
Oberstein, RP, Krs. Birkenfeld, s. Johann v. -
u. Wirich v. Daun
Örmingen, Dep. Bas-Rhin, Ct. Sarre-Union
136
Österreich, Haus 35
Ogéviller, Dép., M-et-M, Ct. Blämont, s.
Henri v. -
Opital, Bertrand de 1’ - Rentmeister zu
Morley 153
Orient 415
Orléans, Dép. Loiret 155, 163, 174, 178ff.,
461
- Hzg. v. - 15, s. auch Charles, Ludwig
Ormes, Dép. M-et-M, Ct. Haroué, Herr zu -,
s. Ferri IL v. Savigny
Otfried v. Weißenburg, Mönch 560
Ottendorf/Ottonville, Dép. Moselle, Ct.
Boulay 555
Otto v. Freising, Historiograf 525
Otto v. Passau, Franziskaner
- ‘Buch von den 24 Alten’ 535, 601 f.
Ottokar, Kg.v. Böhmen 535
Ottonville s. Ottendorf
Ottweiler, SAL, Krs. Neunkirchen 65, 560
- Amt, Herrschaft 80
- Amtmann Lucas v. Nassau 62
- Burg 53, 102
- Burggff. 82
- Johann v. Dirmingen 150
Conrat von Otringen 150
Peter v. Neumünster 150
- Kellner:
- Roßendale 150
- Sibel 150
-Kapelle 111
Ouen (Aldowin, Audoin), HL, 185
Ourley s. Urley
Ovid 418
Palästina (Heiliges Land) 481
Pallant, NRW, Krs. Düren, s. Bernhard,
Dietrich, Johann v. -
Pallien, Stadtteil v. Trier, RP 564
Pamplona, SP, 415
Papst 467, 469f., 472, 487, 489f.
-Benedikt XIII. 166
- Clemens V. 640
-Clemens VII. 166, 177
- Eugen IV. 183
-Johannes (XXIII.) 110
689
Paris 31, 61, 72, 155, 159f., 163, 165, 167ff,
172, 174f., 179, 422, 483, 489f., 492, 513,
567, 573, 581,585, 587
- Metzger 15, 156, 162
- Parlament 63, 158, 160, 187
- Universität 42, 122
- s. auch Bourgeois de -
Parroy (Perroie), Dép. M-et-M, Ct. Lunéville
s. Friedrich v. -
Passavant-en-Argonne, Dép. Marne, Ct. Ste.
Menehould 178
Patay, Dép. Loiret, Arr. Orléans, Schlacht
180, 187
Paulinus v. Nola 637
Pegnault de Chartres, Rat Kg. Karls VII. v.
Frankreich 181
‘Perceval’ 517
Perrin de Mordacey 76
Peter, Gf. v. Genf 51,177
- seine Gatdn Margarethe v. Joinville s. dort
Peter von Freysen, Pfr. zu Steinwenden 37,
595
Peter Frispach 135
Peter Kranche v. Kirchheim 61
Peter v. Merode, Domherr zu Lüttich,
Stiftsherr zu Köln 544
Peter v. Neumünster, Burggf. zu Ottweiler
150
Peter v. Rittenhofen, n-sbr. Amtmann zu
Kirchheim 62, 85, 87f., 94, 104f., 148
- seine Gattin Grede von Nassau 62, 151
Peter v. Schiffweiler, Rentmeister in
Saarbrücken 149
Peter v. St. Wendel gen. Spic^kop 85
Peter v. Wederath, Bildhauer 599
Peter, Bote des Johann v. Kriechingen 311,
387
Peter s. auch Pierre
Pfaffenhofen, Dép. Bas-Rhin, Ct. Bouxwiller,
s.Gerhard v. -,
Pfalz, Kurfürstentum 108, 555
Pfalz, Landesteil von RP 556, s. auch
Westpfalz
Pfalz-Simmern, Hzg. v. - s. Friedrich
Pfalz-Zweibrücken, Hzgg. v. - s. Ludwig,
Stephan
Philibert v. Châtelet 85, 137
Philipp II. August, Kg. v. Frankreich 161, 481
Philipp III., Kg. v. Frankreich 37
Philipp IV. der Schöne, Kg. v. Frankreich
161, 187
Philipp v. Bar 165
Philipp Benßheimer, n-sbr. Rentmeister 93,
149
Philipp, Kaplan zu Bolchen 537
Philipp d. Gute, Hzg. v. Burgund 34, 74, 76,
105, 108, 160, 164, 168f., 178, 180,182-
189, 202,384, 461, 472f., 531
- seine Gattin Isabella v. Portugal 185
Philipp der Kühne, Hzg. v. Burgund 160,
170, 648
Philipp v. Daun, Herr zu Oberstein 87, 225,
259f., 361,384
Philipp v. Geispitzheim, n-sbr. Amtmann zu
Kirchheim 151
Philipp v. Heinsberg, Erzbf. v. Köln 633
Philipp I., Gf. v. Nassau-Saarbrücken, Herr
zu Commercy u. Merenberg 11, 51, 53f.,
56, 61 ff, 66, 68f, 76f, 79, 81-84, 86ff,
97f, 100, 102, 106,11 Off, 114, 120, 124,
126, 137, 146, 148f, 151 ff, 155-158,
167, 177, 180, 189, 201, 204, 207, 254f,
386, 390f, 473, 528, 603, 652f.
- seine 1. Gattin Anna v. Hohenlohe 55f, 111
- seine 2. Gattin Elisabeth v. Lothringen-
Vaudemont (Nachweise nicht
ausgeworfen)
Philipp v. Nassau-Saarbrücken, Sohn Philipps
I. aus 1. Ehe 56
Philipp II, ältester Sohn Elisabeths, Gf. v.
Nassau-Saarbrücken-Weilburg 36, 40, 49,
53, 55, 60-65, 97f, 102, 104,106, 109,
lllf, 122f, 141,143, 146,148, 155, 201,
238, 245, 249, 253, 390
- seine Gattin Margarethe v. Loen-Heinsberg
53,102,112
Philipp, Gf. v. Nassau-Saarbrücken-Weilburg
(fl 559) 584
Philipp v. Nassau, Bastard 61 f, 87, 116, 151,
259f, 386
Philipp v. Norroy 83, 141, 320ff, 387
Philipp de Remi, frz. Dichter,
‘La Manekine’ 424
Philipp, Pfalzgf. bei Rhein 30
690
Philipp v. Saarbrücken, Amtmann zu
Commercy 151
Philipp v. Sötern 94
Philipp v. Vigneulles, Metzer Chronist 105,
114
Picardie 51
Piémont, Gf. v. - s. René v. Anjou
Pierre v. Clermont, Cleremont, Clefmont (?),
Dép. Haute Marne, Arr. Chaumont 69,
83, 106, 132, 245, 247f., 313, 315, 330-
344, 384
Pierre Salmon, Maler
‘Réponses à Charles VI/ 613
Pierrefort, Burg bei Martincourt, Dép. M-et-
M, Ct. Domèvre-en Haye 55, 66ff, 74,
137-141, 197, 362f., 365f., 380
- Herr v. - s. Heinrich v. Bar
‘Pligerschaft des träumenden Mönchs’ vgl.
Guillaume de Digulleville
Pippin, frk. Kg. 24
Pittingen, LUX, Herren v. - s. Kriechingen
Pitz, Georg Philipp, Maler 629f.
Pitz, Johann Caspar, Maler 629
Plutarch, grch. Philosoph 484
Poitiers, Dép. Vienne 174, 423
- Schlacht bei - s. Maupertuis
- Universität 174
Poix, Herr v. -, Gouverneur in Ligny 93, 130
Pompeji, IT 488
Pont-à-Mousson, Dép. M-et-M 97, 107, 140,
143, 147f., 152, 244, 252f., 303£, 306,
308, 380
- Markgf. v. - s. Ludwig, René v. Anjou
- Markgfsch. 68, 74, 157,166ff, 175f, 182,
185
Poton de Xaintrailles, frz. Heerführer 107,
187
Potsdam, Brandenburg 42
Preußen 520
‘Prise d’Orange’ 465
Proust, Marcel 425
Provence, Gf. v. - 174, 183, s. auch René v.
Anjou
Prudentius, röm. Dichter 411
Prüm, Benediktinerabtei, RP, Krs. Bitburg
554, 560
Pürglitz/Krivoklat, Tschechien 19, 428f., 459,
471 f., 498, 563, 592
Püterich v. Reichertshausen s. jakob -
Püttlingen/Puttelange-aux-Lacs (Hesiber-
Püttlingen), Dep. Moselle, Ct. Sarralbe
- Goldschmied 81, 83
Püttlingen, SAL, Stadtverb. Saarbrücken 114,
310f., 380, s. Dietrich v. -
Puisaye, Dep. Eure-et-Loir, Ct. Senonches,
Herr v. - s. Johann v. Bar
Pulci Luigi, Autor 416
Pulligny, Dep. M-et-M, Ct. Vezelise 130,
242f., 293f£, 298, 380
Puy-en-Velay, Burg bei Le Puy, Dep. Loire
173
Quatrevaux, Gehöft zwischen Toul u.
Vaucouleurs 187
Quevedo y Villegas, Francisco Gomez de -,
span. Schriftsteller
- ‘Suenos’ 582
Quierschied, SAL, Stadtverbd. Saarbrücken,
Burg 140
Raoul v. Coucy, Bf. v. Metz 109
Raoul/Rudolf, Hzg. v. Lothringen 63, 634,
650
- seine Gattin Marie v. Blois 37, 63, 120
Ravensberg, Burg bei Borholzhausen, NRW,
Krs. Gütersloh s. Adolf, Hzg. v. Berg
Raville s. Rollingen
Redelingen, s. Matthis v. -
Regensburg, BY 61
Reichsromania 51, 55, 60, 62, 65f£, 77, 79f,
87, 93, 97, 107, 124, s. auch mische lande
Reims (Dep. Marne) 161, 181, 187, 189
- Kathedrale 156, 180
Reinhard v. Heimstatt, Bf. v. Speyer 92, 144
Reinheim, SAL, Saarpfalzkrs., Gde. Gersheim
555
- Einwohner:
- Niclas Rode 81
-- Grede Hansen 81
Remenauville, Dep. M-et-M, Ct. Thiaucourt
55
691
Rémilly {Kernelach), Dép. Moselle, Ct. Pange
56, 73
Remscheid, NRW, 561
René (Reinhard) v. Anjou, König v. Neapel,
Sizilien, Jerusalem, Aragon, Valencia u.
Mallorca, Hzg. v. Bar-Lothringen,
Markgf., Markgf. v. Pont à-Mousson, Gf.
v. Barcelona, Provence, Forcalquier u.
Piemont 23, 30, 37f., 64, 66f., 69f., 74ff.,
78, 85, 91£, 97f, 105, 107f., 115, 118,
121, 127, 130£, 138, 140f, 144, 152, 166,
168,170,176-183,189, 201£, 204, 210,
215f£, 232-237, 239£, 242-246, 250, 253,
275, 288, 303-307, 310-314, 317, 338£,
342, 358, 362£, 367, 383, 390f£, 394£,
399, 402f£, 477, 481
- seine 1. Gattin Elisabeth von Lothringen 37,
67£, 70, 74, 85, 87, 92, 94, 119, 125-131,
135,137,139,152,176, 204-219, 225f£,
235-238, 241-244, 250-253, 259£, 264f£,
274£, 285-290, 293f£, 303£, 306£, 310£,
362-367, 372, 383, 391 £, 394£, 397f£,
401-405, 477
- seine 2.Gattin Jeanne Lavalle 118
- Werke:
- - ‘Le Livre du Cuer d’Amours espris’ 118,
477
- - ‘Manuel du parfait organisateur de
tournois’ 118
- - ‘Mortifiement de vaine Plaisance’ 118
- - ‘Régnault et J eanneton’ 118
René IL, Hzg. v. Bar u. Lothringen 182
Rhaban v. Heimstatt, Erzbf. v. Trier 84
Rhein, FL 98, 102, 104, 188, 244, 253, 296,
305, 381, 556 s. auch Oberrhein
Rhein, Pfalzgff. bei -, Hzgg. v. Bayern 244,
296, 299£, 302, s. auch Friedrich,
Ludwig III., Philipp, Rupprecht
Rheinau, s. Walther v. -
Rheingrafen s. Eva, Johann
Ribeiro,Joào Sebaldo 425
Richard IL, Kg. v. England 161, 481
Richard v. Apremont, n-sbr. Amtmann zu
Commercy 151
Richecourt, Herr zu -, s. Johann v. Vergy
Richemont, Connétable v. - s. Arthur III.,
Hzg. v. Bretagne
Riemenschneider, Tilmann, Bildhauer 649
Rigny (Rigney), Dep. Meuse, Ct. Vaucouleurs,
s. Etienne de -
Rimbaud, Arthur, frz. Dichter 425
Ringoltingen s. Thüring
Rittenhofen, SAL, Stadtverb. Saarbrücken,
Gde. Heusweiler, Adelsgeschlecht s.
Eva, Hans, Nikolaus, Peter, Thilemann
Ritter von Seyfried, Komponist 484
Robert, Hzg. v. Bar 63
Robert v. Baudricourt, Amtmann zu
Vaucouleurs 67, 79, 175f£, 179£, 187,
301£,383
Robert v. Saarbrücken, Gf. v. Roucy u.
Braine, Herr zu Commercy 66£, 70,
74f£, 78£, 93, 105f£, 126f, 140£, 178,
187
Rode, Johann, Mitsiegler in Urkunde
Elisabeths 103
Rodemachern/Rodemack, Dep. Moselle, Ct.
Cattenom 100
Rodemachern, Herren v. - 69, 534, 537 s.
auch Gerhard, Johann II.,
Rodenhausen, Heylke v. 2. Gattin des Hans
v. Rittenhofen 99, 148
Roethe, Johann, Germanist 42
Roland 413-416, s. ‘Chanson de Roland’
Rolin, Nicolas s. Nicolas Rolin
Rollingen/Raville (Ru Idingen), Dep. Moselle,
Ct. Pange 56, 65, 73, 91, 114, 140-142,
319, 381
- Herren v. - 91, 387, s. auch Georg (Jorge),
Jakob, Johann
Rom, IT, 14, 467, 487, 638
- S. Giovanni in Laterano 650
Roncevaux (Roncesvalles), Paß in den westl.
Pyrenäen (Navarra) 413£
Roßbrücken/Rosbruck, Dep. Moselle, Ct.
Forbach, s. Johann v. -, n-sbr. Schreiber
Roßendale, Kellner zu Ottweiler 150
Roth, Johann Ferdinand, Pastor in Nürnberg
- ‘Geschichte der Thronbesteigung Hugo
Kapets’ 583ff.
Rothenkirchen, Prämonstratenserstift, RP,
Donnersbergkrs. 111
Rotselaer, BL, s. Johanna v. -
Rottenburg, BW, Krs. Tübingen 118, 461
692
- Pfalzgräfin v. - s. Mechthild
Roucy, Dep. Aisne, Ct. Neufchatel-sur-Aisne,
Gf. v. - s. Robert v. Saarbrücken
Rouen, Dep. Seine Maritime 169, 173, 189
Rousseau, Jean Jacques, Philosoph 46f.
Rudolf, Hzg. v. Lothringen s. Raoul
Rudolf, Hzg. v. Schwaben 633
Rügen, Jörg, Unterherold 529
Rulman Merswin, Kaufmann u. Schriftsteller
560
Rumigny, Dep. Sommes, Ct. Boves, Herr zu -
s. Ferry I., Gf. v. Vaudemont
Ruprecht III., Pfalzgf. bei Rhein, dt. Kg.
156f.
Ruprecht, Gf. v. Virneburg 181
Ruprecht Ludwig von Lutern, Bürger u.
Schöffe zu Saarbrücken
Saar, Fl. 53, 55, 60, 62, 67, 71, 73, 79, 81 f.,
91, 106, 124, 148
Saaralben/Sarralbe, Dep. Moselle, Arr.
Sarreguemines 553
Saarbrücken, SAL 30, 32, 60, 64, 72, 80, 86,
98ff, 103f., 107ff., 1 Uff., 117, 119,122,
124, 127f, 131, 133ff, 137-140,143f.,
146, 148,151, 210, 242, 245ff., 249,
254ff, 259ff., 263, 268f., 284, 289f, 292,
313ff., 319, 323-326, 328, 330-333, 338,
340, 346f., 349f., 352f, 357, 359-364,
381, 402, 482, 555£, 559, 562, 593, 603
- Badstube 148
- Bürger u. Einwohner:
- Gelen Hans von Roßbrücken 90
- Ruprecht Ludwig von Lutern 90
- Burg 53, 66, 88, 99f., 102, 104, 146, 152
- Burgkapelle 111, 116
- Kaplan 65
- Bruder Lienhart 117
- Deutschordenskommende 116
- Kapelle St. Nikolaus (Vorgängerbau der
Schloßkirche) 63, 66, 110, 112, 120, 645
- Frühmesser 65
Saarbrücken, Gff. v. - 35, 636 s.auch Johann
I., Johann II., Johanna, Simon
Saarbrücken, Gfsch. 53, 55, 60, 63, 72, 80,
87f., 102ff., 175, 184, 189, 202, 244, 246,
251, 254ff, 262, 271f., 288, 313-316,
341 f., 381,392, 402
- Amdeute 146f.
- Albrecht v. Castel 73, 85, 88, 94, 147 f.
- Johann Faust v. Diebach 76f., 81, 85, 87,
97, 101, 116, 146£, 151, 224, 237£, 251£,
259£, 275, 280f, 322, 384
- Konrad Kolb v. Geispitzheim 85, 88, 146f.
- Simon Mauchenheimer 85, 88, 98, 104,
106, 144, 147
- Kanzlei 204f£, 208£, 229f, 251, 282, 390
- Rentmeister
- Peter v. Schiffweiler 149
- Philipp Benßheimer 93, 149
- Schreiber (secretarius) Johann v. Roßbruck
88£
- Schultheiß 147£
- Hans v. Rittenhofen 65, 67, 85, 87-90, 93£,
97, 99,104, 106, 116,128,136, 138,
147£, 195, 204, 227, 237, 239ff, 246,
249, 251-254, 259f, 266, 275-283, 322,
327£, 330f£, 345£, 368, 371, 387
- Hans v. Saarbrücken 149
- Hans Schaumberger 149
Saarbrücken v. Herren zu Commercy s.
Robert
Saarbrücken , niederer Adel
- Hamann (Hermann) v. -, Simon
Saargemünd/Sarreguemines, Dep. Moselle
134, 139
- Amt 82, 106£, 135, 144
- Amüeute/Burggf. 134f,
- Archipresbyter 139
- Kapelle 81
Saarland 553, 556, 559, 564
Saarlouis, SAL, 553, 556, 559, 628
Saarwerden/Sarrewerden, Dep. Bas-Rhin, Ct.
Sarre-Union, Gfsch. 55
- Schaffner Nikolaus v. Dorsweiler 136
Sachs, Hans, Dichter 423, 580f.
- ‘Comedia .. .von Hugo Schapler’ 423
Sachsen, Kurfst.v. - 526
Sachsen-Gotha, Hzg. v. - 584
Sachsenheim, s. Hermann v. -
Salisbury, Gf. v. -, engl. Gouverneur der
Champagne 175, 178
693
Salm, Gff. v. - 79, 83 s. Beatrix, Johann,
Simon
Sampigny, Dep. Meuse, Ct. Pierrefitte-sur-
Aire 105
- Arnold v. - 67
Saint, Sainte, San, Sankt, Santo siehe St. -
Saran, Franz, Germanist 42
Sarralbe s. Saaralben
Sartre, Jean Paul, Philosoph 569
Satder, Gabriel, Schreiber 527
Saturn, röm. Gott 488
Saul, israelit. Kg. 582
Savigny, Dep. Vosges, Ct. Charmes, s. Ferry
II.v. -
Savoyen, 177, 461 s. auch Margarethe v. -
Sayn, Burg bei Bendorf, RP, Krs. Mayen-
Koblenz, Gf. - s. Gerhard II.
Sayn-Wittgenstein, Gff. v. - 536, 538, 600
s.auch Eberhard
Schaumberger, Hans, Schultheiß zu
Saarbrücken 149
Schaumberger Hof, wüst auf Bann von Alt-
Saarbrücken 149
Schaumburg, Burg bei Tholey, SAL, Krs. St.
Wendel,
- Amtmann Johann Studigel v. Bitsch 132,
140
Scheidt, Kaspar, Übersetzer 559
Scheüing, Friedrich Wilhelm Joseph v. -,
Philosoph 43
Schiffweiler, SAL, Krs. Neunkirchen 71, 73,
s. auch Peter v. -
Schlegel, Dorothea v. - 17, 587
- Friedrich v. - 17, 587
Schmelz, SAL, Krs. Saarlouis 563
Schmidt, Erich, Germanist 42
Schmitt, Johann Hermann, Pfarrer in St.
Arnual 628
Schmitt, deutscher Mechaniker 584
Schnauß, Cyriakus, Dichter 578
Schondoch, Dichter 21, 485, 489
- ‘Königin von Frankreich’ 21, 485, 593
- ‘Schürebrand’ 560
Schulz, Eberhard, Germanist 47
Schulzendorf, Brandenburg, Krs. Ruppin 42
Schumann, Valentin, Kompilator von
Unterhai tungsliteratur
- ‘Nachtbuechlein’ 582
Schwab, Gustav 587f.
Schwaben, Landschaft in BW 530
Schwalbach, SAL, Krs. Saarlouis 107, s. auch
Hans v. -
Schwarzburg, THÜ, s.Günther, Gf. v. -
Schweiz 556
Schweizer 107, s. auch Eidgenossen
Sebastian, Hl. 509
Seeland, Gfsch. 184
Seelbach bei Nassau, HE 64
Septfontaines s. Siebenborn
Serrières (Seriere),Dép. M-et-M, Ct. Nomeny,
s. Huscins v. -
Si bei, Kellner zu Ottweiler 150
Sibille v. Issey, Gattin des Albrecht v.
Zweibrücken 153
Siebenborn/Septfontaines, LUX, Herren zu -
s. Rollingen, Herren v. -
Siegerland 559f.
Siegfried v. Eppstein, Erzbf. v. Mainz 636
Sierck, Dép. Moselle, Arr. Thionville-Est 555,
559, Adelsgeschlecht s. Adelheid,
Arnold, Jakob, Johann
‘Sigenot’ 605
Sigmund, Ks. 66, 97, 157, 166, 181f., 184
Sigmund, Hzg. v. Tirol 461
- seine Gattin Eleonore v. Schottland 461
Simmel, Georg, Philosoph 42
Simmern-Sponheim, s. Pfalzgf. Friedrich
Simon Mauchenheimer, Amtmann zu
Saarbrücken 85, 88, 98, 104,106,144,
147
Simon, Gf. v. Saarbrücken, Sohn Johanns I.
55
Simon v. Saarbrücken, Domherr zu Metz 81,
83, 138
Simon, Gf. v. Salm 92, 138
- seine Gattin Johanna v. Rotselaer 92
Simon le Coustellier gen. Caboche 162
Simrock, Karl, Germanist 17f., 587ff.
Sizilien, Kg. v. - 36, s. auch René v. Anjou
- Kgr. 183, 186, 391
Sluis bei Brügge, BL 185
Sluter, Claus, Bildhauer 650
Sötern, SAL, Krs. St. Wendel s. Philipp v. -
694
Sofie v. Württemberg, Gattin Hzg. Johanns I.
v. Lothringen
Soissons, Dep. Aisne 157
Solingen, NRW, 561
Solceuvre s. Zolvern
Sonnenberg, Burg bei Wisbaden 64
Spanien 481
‘Speculum munanae salvationis’ 536
Speyer, RP 93
- Bf. 30
- Reinhard 92, 144
- Kaufmann Konrad 139
‘Spiegelbuch’ 533, 541, 599
Spittel (3^/^//)/L’Hopital, Dep. Mos., Ct. St.
Avoid 143
Sponheim, Benediktinerabtei, RP, Krs. Bad
Kreuznach 595
Sponheim, Gf. v. - 35, 139 s. auch Lise v. -
Spurk, Ortsteil von Wadgassen, SAL, Krs.
Saarlouis 131
St. Arnual, Kollegiatstift, SAL, Stadtteil von
Saarbrücken 11, 30, 53, Ulf., 116, 123,
623-656
- Dekan Thilemann v. Rittenhofen 148
- Stiftsherr Johann Bungen von Herbitzheim
116
- Pfarrer Johann Hermann Schmidt 628
St. Avoid (St. Nabor), Dep. Moselle, Arr.
Forbach 91, 133, 239, 271, 323, 326, 330,
345-349
- Bürger bzw. Einwohner:
- Anselm 327f., 330, 388
- Zienchel 271, 394
St. Avoid (St.Nabor), Benediktinerabtei 568
St. Avoid (St.Nabor), Vogtei 54, 65, 80, 249,
271,381
St. Denis, Benediktinerabtei, Dep. Seine-
StDenis 101,120, 573
- Abt Suger 161
- Cantor Michel Pintoin 161
- Mönch Jean Chartrier 171, 181
Santo Domingo 425
St. Gallen, Benediktinerabtei, CH, Ct. St.
Gallen
- Abt Ulrich Rösch 603
- Mönch Gallus Kemli 596
St. Jakob an der Birs, CH 107
St. Johann, SAL, Stadtteil von Saarbrücken
72, 80, 86, lllf., 148, 645
St. Medard, Dep. Moselle, Ct. Dieuze 567
St. Mihiel, Dep. Meuse, Arr. Commercy 106,
178, 365£, 381
- Bellistum 68, 70
San Millän de la Capella, Kl. in Nordspanien
413
St. Nabor s. St. Avold
St. Nicolas-de-Port, Dep. M-et-M, Arr.Nancy
110, 178
St. Ouen, Orden von - 185
St. Pol-sur-Ternoise, Dep. Pas-de-Calais, Arr.
Arras, Frau v. - 79
St. Vrain-en-Perthois, Dep. Marne, Arr. Vitry,
Ct. Thieblemont 76
St. Wendel, SAL, 555f, 559, 561
- Amtmann Johann v. Oberstein 87, 259f.,
387
- Basilika St. Wendalinus 631
Ste. Menehould, Dep. Marne 77
Stauf, Herrsch., RP, Donnersbergkrs. 55f.,
62, 64, 66, 80, 104, 146
Stauffenberg, BW, Krs. Offenburg, Wersieh v.
-,(Adliger ?), s. auch Friedrich Wydergrin
v. - Wiegerich v. - 85, 135, 1370, 388
Steinwenden, RP, Krs. Kaiserslautern
- Pfarrer Peter von Freysen 38, 595
Stephan, Hzg. v. Pfalz-Zweibrücken 64, 81 ff.,
91 f., 103, 142, 144, 473
Stiebner, Verleger in Nürnberg 583
Stirpenich, LUX 537
Stolberg, Sachsen-Anhalt, Gf.v. 122
Strahlenheim, Freiherr Henning v. - 628
Straßburg, Dep. Bas-Rhin 18, 21, 72, 93, 143,
245, 411, 524, 528, 556, 559f., 574, 598,
640
- Bf. 148
- Friedrich v. Blankenheim 63
- Kaufmann Ruleman Mersmn
- Offizin Grüninger 18f£, 22
- Patrizier Nikolaus Roeder v. Tiersberg 636
- Stift St. Thomas 636
Straubing, BY, 647
- Bürger Achatius Zeller 647
Strauch, Philipp, Germanist 42f.
Stricker, Dichter
695
- ‘Karl’ 37, 595
Stumpf, Johann, Chronist 556
Suchenwirt, Peter, Spruchdichter 526
Suchier, Walther, Romanist 42
Süddeutschland 72
Südfrankreich 481
Suftgen/Zoufftgen, Dep. Moselle, Ct.
Cattenom 555
Suger, Abt v. St.Denis 161
Symel Aldemeiger zu Varsberg 71, 238
Taintrux, Dep. Vosges, Ct. St. Die 388
Tauler, Johannes, Prediger u. Mystiker 559
Taunus, HE, Gebirge zwischen Lahn u.Main,
53, 60
Teck, Burg bei Kirchheim unter Teck, BW,
Krs. Esslingen 35
Teichner 526
Theobald, Bastard von Neufchätel 77
Theobald (Thiebaut) v. Blämont 65, 92, 383
- seine Gattin Margarethe v. Vaudemont 52,
65, 92, 245, 357, 383
- seine Tochter Walburga 92
Thierry v. Lunecourt, Bellis von Vitry 115
Thilemann v. Rittenhofen, Dekan zu St.
Arnual 148
Thilemann v. Schwalbach 144
Thionville s. Diedenhofen
Tholey, SAL , Krs. St. Wendel 556
Thomas Larer
- ‘Schwäbische Chronik’ 530
Thüring v. Ringoltingen, Übersetzer
- ‘Melusine” 27
Thüringen 72
- Landgf.v. - 473
Tieck, Ludwig, Dichter 587
Titus, röm Ks. 114
Titurel 522
Toledo, SP, 507, 608, 616
Torcheville s. Dorsweiler
Toul, Dep. M-et-M, Bf.v. 79, 141
- Ludwig v. Haraucourt 105
Tour, s. Henri u.Wancelin de la -
Tours, Dep. Indre-et-Loire 175, 179, 188, 411
Trier, RP 20, 37, 86, 93, 181, 559, 561, 563,
596-599, 603, 640
- Augustinerkloster 597
- Augustinerinnenkloster St. Agnes 536f.
- Dom 597, 649
- Dominikanerkloster 20, 558, 593ff.
- Franziskanerkloster 599
- Graue Schwestern 538
- Liebfrauenkirche 641
- St. Christoph, Kirche 538
- St. Hilarius, Kirche 538
- St. Matthias, Benediktinerabtei 596, 598
- Abt Anton Lewen 596
- St. Maximin, Benediktinerabtei 536, 595ff.
- Mönch Jakob Stefelt 596
- St. Quintin Kirche 538
Trier, Elekt Ulrich v. Manderscheid 65, 84
Trier, Erzbff./Kurfst. 65, 84
- Balduin v. Luxemburg 599
-Jakob v. Sierck 640
-Johann II. v. Baden 649
- Johann VI. v. Schöneberg 595
- Kuno v. Falkenstein 599
- Rhaban v. Heimstatt 84
- Werner v. Königstein 652
‘Tristan de Nanteuil’ 417
Troisfontaines, Zisterzienserabtei, Dep.
Haute-Marne, Ct. Wassy, Mönch
Alberich 470
Troyes, Dep. Aube, Vertrag 168ff., 172-175,
177, 180f., 184, 205, 489
Tübingen, BW,
- Stiftskirche 643, 649
- Universität 122, 583
Turme, s. Wentzlin vom (Ancelin/ Waincelin de
la Tour), Herr zu Conflans
Uchtelfangen, SAL, Krs. Neunkirchen, Gde.
Illingen 83
Uffenbach, Zacharias Conrad v. -,
Büchersammler 534f., 538
- ‘Wappenbuch’ 534
Uhland, Ludwig, Dichter 583
Ulrich v. Breitenbach 81
Ulrich v. Etzenbach - ‘von Wenden’ 38, 595
Ulrich Fuetrer s. Fuetrer
Ulrich v. Manderscheid, Elekt v. Trier 65, 84
Ulrich Rösch, Abt v. St. Gallen 603
Ulrich, Hzg. v. Württemberg 649
Ungarn 486
696
- Kg. v. 486f.
Unger, Rudolf 44
Urach, BW, Krs. Reutlingen 121
Urley, Burg bei Ürzig, RP, Krs. Wittlich
- s. Wilhelm v. -
Usingen, HE 53
Utrecht, NL, Dompropst Jakob v. Sierck 92,
140, 183
Vaihingen an der Enz, BW, 559
Valdes, Begründer der Waldenserbewegung
412
Valencia, König v. - s. René v. Anjou
Valenciennes, Dép. Nord, Bibliothek 412
Varennes-en-Argonne, Dép. Meuse, Arr.
Verdun 76
Varize (Waibelskirchen) Dép. Moselle, Ct.
Boulay 555
Varsberg, Burg bei Ham, Dép. Moselle, Ct.
Boulay 56, 69-72, 83, 87, 98,104, 127,
134,136ff., 143, 201 f., 223, 231-252,
256, 259ff, 266, 268, 271, 276-280, 285-
295, 303, 305f., 309ff., 313f., 317, 319-
329, 331-343, 345-358, 361-365, 369,
381 f., 388, 394, 405ff.
- Burggf. Wilhelm v. Mynnenbach gen. Scheffer
71
- Haupdeute 70 s. auch Nicola de Vienne
- Meier SymellX
- s. auch Groß-Varsberg und Klein-Varsberg
Vaucouleurs, Dép. Meuse, Arr. Commercy
175, 177ff., 187
- Amtmann Robert v. Baudricourt 67, 175
Vaudémont (Wiedemont), Ort und Burg, Dép.
M-et-M, Ct. Vézelise 52, 54, 100, 546
- Stiftskirche St. Johann Bapt. 652, 656
Vaudémont, Gff.v. 71, 74, 114, 126
- s. Anton, Ferry L, Ferry IL, Margarethe
Vaudémont, Gfsch. 51 ff., 60, 85, 181, 331 f.,
335f., 338f., 342f., 382
- Bellis 387
- Gerhard von Pfaffenhofen 237, 241 f., 273,
289ff., 338L, 343, 387
Veldenz, RP, Krs. Bernkastel-Wittlich, s. Gf.
Friedrich v.
Velving, Dép. Moselle, Ct. Boulay 555
Venedig, IT 185
Verdun, Dép. Meuse 179
- B ff. 70
- Ludwig v. Bar 168
- Bistum 179, 366, 382
Vergy, Dép. Côte d’Or, Arr. Beaune, s.
Anton, Gf. v. - Johann , Bastard v. - 92,
301 f.
Verissey, Dép. Saone-et-Loire, Ct. Montret
(?) 301 f.
Verneuil-sur-Avre, Dép. Eure, Arr. Evreux
175
Verona, IT
- Sta. Maria Matricolare 414
- San Zeno 414
Veronika, Hl. 643
Vespasian, röm. Kaiser 114
Vézelise, Dép. M-et-M, Arr. Nancy 52L, 61,
91,100, 130, 152, 220L, 235, 242ff.,
252f, 290, 292L, 295-304, 306, 308,
313f, 340f., 343f, 382, 482, 536, 546
Vic-sur-Seille, Dép. Moselle, Arr. Château-
Salins 91, 100,130, 133, 136, 242L, 246f,
249, 293ff., 298, 320ff, 326-329, 334,
350L, 352f., 382, 405f.
Vienne, Dép. Isère, Dauphin v. - (= später
Kg. Karl VII. v. Frankreich) 169
Vienne-le-Château, Dép. Ardennes, Ct. Ville-
sur-Tourbe 76
Vienne, s. Nicola de -, Hauptmann in der
Burg Varsberg
Vignoles, s. La Hire
Vignot {Vignoj), Dép. Meuse, Ct. Commercy
77ff, 83, 105L, 135,140, 144
Viktor, Hl. 114
Villard de Honnecourt, Architekt u.
Baumeister 639
Villers-Bettnach (Weiler-Bettnach),
Zisterzienserabtei, Dép. Moselle, Ct.
Vigy, Gde. St. Hubert 568
Villiers, s. Jean de -
Virneburg, RP, Krs. Mayen-Koblenz, Gf. v. -
70, s. auch Ruprecht
Vit, Jean, sergent 107
Vitry-le-François , Dép. Marne 55
Vitry-en-Perthois, Dép.Marne, Ct. Vitry-le-
François 55, 77
-Bellis 70, 79,115,188
697
- Henri de la Tour 77
- Thierry de Lunécourt 115
- Wentzlin vom Turme 70
- Bellistum 55,79
- Prévôté 76, 147
- Statthalter Etienne de Rigny 77
Viviers, Dép. Moselle, Ct. Delme 138
Völklingen, S AL, Stadtverb. Saarbrücken 71,
101, 107
Volkringen/Volkrange, Dép. Moselle, Ct.
Hayange 538, 555
Vollradt von Greifenklau, rheingauisches
Adelsgeschlecht, s. Friedrich
Volmeringen/Volmerange-lès-Boulay, Dép.
Moselle, Ct. Boulay 555
Volperswilre s. Folpersweiler
Voretzsch, Karl, Romanist 42
‘Voyage de Charlemagne’ 464
Vümpel\ Bote des Johann von Kerpen 280f.,
388
Wadgassen, Prämonstratenserstift, SAL, Krs.
Saarlouis 54, 100, 112, 508
Waetzoldt, Wilhelm, Kunsthistoriker 44
Waibelskirchen s. Varize
Walburga v. Blâmont, Tochter des Thiebaut
v. - 92
Waldeck, HE, Krs. Waldeck-Frankenberg,
Gf. Heinrich d. Eiserne
Waldenser 412, 570
Wallemeix/ Walmel, s. Gerhard v.
Wallerfangen, SAL, Krs. Saarlouis 106
- Geleitsleute 131, 245
Walram IL, Gf. v. Zweibrücken 153
Walther v. Rheinau, Übersetzer 560
Wancelin de la Tour s. Wentzlin vom Turme
Warndt, Waldgebiet links der mittleren Saar
69, 72, 82
Wartenstein, Burg, RP, Krs. Bad Kreuznach,
Gde. Oberhausen 56
Wauquelin, Jean
‘Girard de Roussillon’ 481
Wehrden, SAL, Stadtverb. Saarbrücken, Stadt
Völklingen 71, 82, 132
Weilburg, HE 53, 122, 584
-Stift 112
Weiler-Bettnach s. Villers-Bettnach
Weimar, THÜR 484
Weingarten, Liederhandschrift 529
Wellingen, SAL, Stadt u. Krs. Merzig 563
Welschland (mische lande) 62, 69, 79, 81, 88,
98, 103ff., 106, 112, 116,135, 141, 151f.
Wendalinus, Hl., 631
Wentzlin vom Turme (Ancelin, Wancelin de la
Tour), Belüs zu Vitry, Herr zu Conflans
u. La Creche 70, 79, 93, 136, 144, 247f,
331 f., 337, 356, 388
Wenzel, dt. Kg. 156f., 161
Werner v. Fleville 143
Werner v. Königstein, Erzb. v. Trier 652
Werner, Zacharias, Dramatiker 43
Wernigerode, Sachsen-Anhalt 122
Westerwald, Waldgebiet in RP, westlich der
Lahn 556, 559
Westfrankenreich 411
Westpfalz 560
Westrich, Landschaft am Westhang von
Pfälzer Wald u. Vogesen 34, 36, 97, 101
Wetterau, Landschaft in HE zwischen
Taunus u. Vogelsberg 56
Weygand Han, Buchdrucker in Frankfurt 580
Wich s. Vic
Wickram 559
Wiebelskirchen, SAL, Krs. u. Stadt
Neunkirchen, Eisenschmiede 62
Wiedertäufer 629
Wien, AU, Stephansdom 529, 647
Wiesbaden, HE, s. Biebrich u. Klarenthal
‘Wigalois’ 525
Wigerich (Werisey, Wersieh, Wirsich) v.
Stauffenberg 85, 301 f., 362f., 365f.
Wild- u. Rheingrff. 93
- Konrad, Erzbf. v. Mainz 61, 64, 384
Wilhelm v. Gennep, Erzbischof v. Köln 638
Wilhelm, Hzg. v. Jülich 121
Wilhelm v. Mynnebach gen. Scheffer, n-sbr.
Burggraf in Varsberg 71, 238
Wilhelm v. Urley 361, 388
Wilhelm Philippi v. Trymmerstorff
(Fremersdorf, welches ?) 108
Wilhelm Winterbächer 83
Wilhelm s. auch Guillaume
Wilhelm Heinrich, Fst. v. Nassau-
Saarbrücken 49
698
Wilhelm Ludwig, Gf. v. Nassau-Saarbrücken
634
Winnemar v. Gymnich 537
Wintringer Hof, SAL, Gde. Kleinblittersdorf,
Stadtverbd. Saarbrücken 645
Wirich III. von Daun, Herr zu Oberstein 37,
527
Wirich VI. v. Daun-Oberstein 535
Wirich v. Homburg 143
Wirich (Winrich) v. Püttlingen 534, 537
Wittelsbach 35, 56
Witdch v. Jordan 605
Wittlich, RP, Krs. Bernkastel-Witdich 90,
561, 563
Wölfflin, Heinrich 42
Wöllstein, RP, Krs. Alzey-Worms 66, 104
Wolf, Kellner zu Bucherbach 150
Wolfram v. Eschenbach 480, 522
- ‘Parzival’517, 523, 561
- ‘Willehalm’ 38, 595
Wolfstein, RP, Krs.Kusel, s. Johann,
Katharina v. -
Wolgemut 593
Worms, RP, 93, 556
- Bf. 66
Württemberg 36, 180,
- Gff. u. Hzgg. v. - s. Christoph, Eberhard,
Elisabeth, Mechthild, Sophie, Ulrich
Würzburg, BY 593
- Bf. Johann 61
- Dompropst Jakob v. Sierck 92, 140, 183
Xaintrailles, Dép. Lot-et-Garonne, Ct.
Lavardoc, s. Poton, Herr v.
Yankton College, South Dakota 46
Yolande v. Anjou, Gattin Ferrys IL v.
Vaudémont 134, 182, 246, 248, 333-336,
383
Yolande v. Aragon, Gattin Hzg. Ludwigs II.
v. Anjou 167f.
Yolande v. Bar (die Ältere), Gattin Kg.
Johanns v. Aragon 167
Yolande v. Bar (die Jüngere), Gattin Hzg.
Adolfs v. Berg 166
Yolande v. Flandern, Gattin Heinrichs IV.,
Gf. v. Bar 63, 166f.
Zell bei Gmunden 560
Zeller, Achatius, Bürger von Straubing 647
Zienchel, Bürger von St. Avold 271, 388, 394
Zolvern/Solceuvre, LUX, Herr zu - s. Johann
v. Bolchen
Zoufftgen s. Suftgen
Zweibrücken,. Gff. v. - 36, s. auch Walram
II., sein unehelicher Sohn Albrecht,
dessen Tochter Katharina
Zweibrücken-Bitsch, Gff. v. - 72, 91, s. auch
Friedrich, Heinrich
699
Elisabeth von Lothringen, Gräfin von Nassau Saarbrücken besitzt ihren
besonderen Rang in der deutschen Literaturgeschichte als Autorin der ersten
Prosaromane in deutscher Sprache.
Geboren in den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts aus einer Nebenlinie des
lothringischen Herzogshauses, heiratet sie jung den Repräsentanten eines
mittleren deutschen Territoriums, mit Besitz von der Maas über die Saar und
den Mittelrhein bis nach Hessen. Sie gebiert zwei Söhne und eine Tochter
(Margarethe von Rodemachern) - wie sie eine Freundin der Bücher. In den
Jahren ihrer Witwenschaft und Regentschaft - erstaunlich genug - übersetzt
sie vier französische Heldenlieder (Chansons de geste), die um die Entstehung
des deutschen Kaiserreiches und des französischen Königtums und die Geburt
der neuen Dynastie der Kapetinger in Frankreich kreisen, in deutsche Prosa.
1456 stirbt sie; ihr Sohn setzt ihr ein Denkmal nicht nur in Gestalt einer
prächtigen Tumba in der Saarbrücker Stiftskirche zu St. Arnual, sondern auch
in Gestalt dreier mit Buchmalerei üppig ausgestalteter Handschriften, die ihr
Werk enthalten.
Die Arbeiten dieses Bandes vergegenwärtigen nicht nur den literarischen Rang
dieser bedeutenden Vermittlerin zwischen Frankreich und Deutschland, werten
nicht nur ihre oft farbigen und vitalitätsgesättigten Schilderungen kultur- und
mentalitätsgeschichtlich aus, sondern bieten auch die bisher ausführlichste
Biographie dieser bedeutenden Frau mit kritischer Würdigung ihrer Politik als
Landesherrin und beginnen zugleich eine erste Aufarbeitung der literarischen
und künstlerischen Nachwirkungen bis hin zur Wissenschaftsgeschichte der
Elisabeth-Forschung. Die Edition eines Teiles ihrer deutsch und französisch
geführten Korrespondenz eröffnet Einblicke in die Form von Urkunden und
Briefen der nassau-saarbrückischen Kanzlei und in ihre Welt zwischen den
Sprachen und Kulturen.
ISBN 3-86110-319-2