gestelltengewerkschaft, abhängig war, eine Interessengemeinschaft ein. Die beiden
Verlage fusionierten im Mai 1932 zum Langen Müller Verlag, der 1933 dem
NSDAP-Zentralverlag Franz Eher angegliedert wurde. Auf diese traurige Weise en¬
dete ein Stück deutscher Verlagsgeschichte, das so hoffnungsvoll Ende des 19. Jahr¬
hunderts mit der Gründung eines europäisch orientierten Verlags in Paris begonnen
hatte.
Was den Simplicissimus betrifft, so blieb er insofern den Intentionen seines Schöp¬
fers treu, als sich seine Darstellung des Nachbarlandes Frankreich bis zum Ersten
Weltkrieg weitgehend von Animositäten freihielt.19 Als der Krieg ausbrach, stellten
die Zeichner, selbst die Mitarbeiter der ersten Stunde wie Th. Th. Heine, ihre Feder
ohne zu zögern in den Dienst der Propaganda. Diese bedingungslose Indienstnahme
der satirischen Presse durch die Kriegspropaganda läßt sich auf ähnliche Weise jen¬
seits des Rheins feststellen. Seit 1916 bemühten sich allerdings einige Simplicissi-
mus-Zeichner darum, zwischen dem leidenden französischen Volk und den Kriegs¬
gewinnlern zu unterscheiden.
Der März, das konstruktive Pendant zum Simplicissimus, von Langen als Forum ei¬
ner deutsch-französischen Annähemng gegründet, hat auch während des Krieges sei¬
ne ursprünglichen Ideen nicht ganz verleugnet. Das ist in erster Linie dem schwäbi¬
schen Liberalen Conrad Haußmann zu verdanken, der von der ersten bis zur letzten
Nummer an der Zeitschrift mitarbeitete und durch dessen Vermittlung Theodor Heuß
im Sommer 1913 Chefredakteur wurde. Durch ihre ‘unzeitgemäße’ Haltung verlor
die Zeitschrift allerdings immer mehr Abonnenten, während die auf der Welle des
Nationalismus und Chauvinismus mitschwimmenden Süddeutschen Monatshefte
steigende Abonnentenzahlen verbuchen konnten. Aus finanziellen Gründen mußte
der März 1917 sein Erscheinen einstellen. Der Simplicissimus existierte noch bis
1944, was ihm nicht unbedingt zur Ehre gereicht.
Während des Ersten Weltkriegs geschah etwas, was Langen, der sich so eifrig darum
bemüht hatte, den Simplicissimus auf der anderen Rheinseite bekanntzumachen, in
höchstes Erstaunen versetzt, aber sicher nicht gefreut hätte. Die Franzosen importier¬
ten nun auf einmal freiwillig Simplicissimus-Zeichnungen aus Langenschen Zeiten.
Warum? Die Antwort fällt nicht schwer. In der französischen Propaganda-Abteilung
arbeiteten viele Elsässer, seit November 1915 beispielsweise auch der Zeichner und
Karikaturist Hansi (Jean Jacques Waltz). Die deutschen satirischen Blätter, allen vor¬
an der Simplicissimus, waren diesen Männern wohlbekannt. Sie verstanden es, ihre
profunden Kenntnisse geschickt im Sinne der Kriegspropaganda zu nützen. Wie oft
hatten die deutschen Zeichner in den Spalten des Simplicissimus über ihre unkulti¬
vierten Landsleute gespottet, deren ‘Unkultur’ vor allem in Konfrontation mit den
‘kultivierten’ Franzosen gezeigt wurde, wie oft hatten sie die preußischen Offiziere
und Leutnants dem Hohngelächter preisgegeben, von den Persiflagen des Kaisers
ganz zu schweigen. Kein Wunder also, daß der Simplicissimus in der französischen
Kriegspropaganda, sei es auf Postkarten (Abb.5, 6), Flugblättern oder in satirischen
19 Vgl. zu diesem Thema H. Abret, “Antifranzösische Zeichnungen machen wir nicht.” Der
‘Simplicissimus’ und Frankreich 1896-1914. In: H. Abret/M. Grunewald, Visions alleman¬
des de la France (1871-1914), Frankreich aus deutscher Sicht ( 1 871 -1914), Bern etc. 1995
(Contacts: Sér. 2, Gallo-Germanica, vol. 15), S.233-262.
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