in St. Ingbert, war deren Hauptkassierer41. Der Historiographie des Abstimmungs¬
kampfes blieb dieser syndikalistische Beitrag zur Anti-Hitler-Front bisher völlig
verborgen42.
Zwar erstattete die Stapo-Stelle Saarbrücken in ihrem Lagebericht für das Jahr
1937 über die Anarcho-Syndikalistische Bewegung durchaus zutreffend Fehlanzei¬
ge'43, dennoch wäre der Eindruck falsch, als hätten sich die verbliebenen syndikali¬
stischen Überbleibsel ganz ohne Gegenwehr in die Diktatur gefügt44. Denn
Spurenelemente des Widerstandes lassen sich gleichwohl feststellen: 1933/34
fungierte der Homburger Bauarbeiter Friedrich Oberdörfer als Verbindungsmann
zur FAUD in Ludwigshafen45. Auch der Wellesweilerer Hüttenarbeiter Johann
Gräber und der Stennweilerer Bergmann Nikolaus Franz leiteten illegalisierte
Druckschriften von Amsterdam an die vergleichsweise starken Organisationsreste
der FAUD im badisch-hessischen Raum weiter46. Alle drei wurden 1935 festge¬
nommen, mußten aber nach Rekursen des Obersten Abstimmungsgerichtshofes in
Saarbrücken wieder freigelassen werden, da ihnen auf Reichsgebiet kein Gesetzes¬
verstoß nachzuweisen war. Schlimmer traf es das Dudweilerer FAUD-Mitglied
Nikolaus Gärtner, der im April 1935 wegen Beleidigung des „Führers“ festgenom¬
men wurde und danach 21 Monate in Esterwegen und Sachsenhausen verbrachte47.
Für Franz Schlager, einen St. Ingberter Fensterputzer, endete der Spott sogar
tödlich: Angezeigt von einem ehemaligen Kommunisten, der der NSDAP beigetre¬
ten und von Schlager deswegen verhöhnt worden war, wurde er im Januar 1940
nach Sachsenhausen verschubt, im November 1944 dann in das SS-Strafregiment
Dirlewanger zwangsrekrutiert; einen Monat später starb er in einem slowakischen
Feldlazarett48.
Insgesamt war Syndikalismus im Saargebiet - wie weitestgehend auch anderswo in
Deutschland - gleichwohl ein Phänomen mit episodischem Charakter ohne tiefgrei¬
fende Prägekraft. Seine Attraktivität blieb begrenzt auf die Phase unmittelbar nach
41 LAS, LEA D 790.
42 P. Von zur Mühlen, „Schlagt Hitler an der Saar!“ Abstimmungskampf, Emigration und Widerstand
im Saargebiet 1933-1935, Bonn 1979, S. 147 f., 156 f.; P. Lempert, „Das Saarland den
Saarländern!“ Die frankophilen Bestrebungen im Saargebiet 1918-1935, Köln 1985, S. 241, 256 f.
43 BAK, R 58/319, Bl. 200.
44 Zusammenfassend W. HAUG, „Eine Flamme erlischt“. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands
(Anarchosyndikalisten) von 1932 bis 1937, in: IWK 25 (1989), S. 359-379; regional R. Theissen/P.
Walter/J. Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand an Rhein und Ruhr, Meppen 1980;
aufschlußreich im Vergleich J. FOITZIK, Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und
Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40 unter besonderer
Berücksichtigung des Exils, Bonn 1986.
45 Bezirksamt/Zweibrücken an Bezirksamtsaußenstelle/Waldmohr v. 4.1.1934, Landesarchiv Speyer, H
38/1427, Bl. 119; LAS, LEA 1293, B 1142.
46 Bericht Stapo-Stelle/Darmstadt (Undatiert/1936), BAK, R 58/318, Bl. 72 ff.; Urteil Volksgerichtshof
v. 28.8.1936, Stadtarchiv Mannheim, 16.74.30-Lösch; LAS, LEA 6995, 8193; ausführlich dazu A.
Ulrich, Zum Widerstand der Freien Arbeiter-Union Deutschlands gegen den Nationalsozialismus.
Ihr konspiratives Verbindungsnetz in Hessen und im Raum Mannheim/Ludwigshafen, in: Nassauische
Annalen 99 (1988), S. 153-171.
47 Tagesbericht Stapo-Stelle/Saarbrücken v. 5.4.1935, Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam, P.St.3/81,
Bl.70; Oberstaatsanwalt/Saarbrücken an Generalstaatsanwalt v. 25.4.1935, LAS, Generalstaatsanwalt
86, Bl. 36; ebd., LEA 7194.
48 LAS, LEA 9752.
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