Wolfgang Haubrichs
Fulrad von St, Denis und der Frühbesitz der Cella Salonnes in
Lotharingien. Toponomastische und besitzgeschichtliche
ÜBERLEGUNGEN
I.
Fulrad von St. Denis (f784), der aus dem Saar-Mosel-Raum stammende bedeuten¬
de Abt und Erzkaplan König Pippins (|768), der auch unter dessen Nachfolger Karl
dem Großen seinen Einfluß am Hofe zu wahren wußte, hat im Jahre 777 in der
Pfalz zu Herstal in einem testamentum über seinen Gesamtbesitz verfügt, „indem er
für den Todesfall das Kloster St. Denis zum Erben einsetzte“1. Dieses Testament
liegt in drei Ausfertigungen vor. Zwei davon, A und B, hat Fulrad eigenhändig
unterzeichnet2. Eine dritte Ausfertigung (C) wurde gleichzeitig oder etwas später -
mit wenigen Zusätzen versehen - nach einer A nahestehenden Vorlage von einem
Mönch von St. Denis geschrieben3. In seinen Urkunden von 777 teilt Fulrad auch
mit, daß er in Salonnes (Dep. Moselle, Ct. Chäteau-Salins) - im lothringischen
Seillegau an der Petite Seille gelegen4 - eine Marienkirche gegründet und sie mit
Reliquien des hl. Märtyrers und Bischofs Privatus (von Mende)5 und des hl.
Bekenners und Bischof Hilarus (von Mende bzw. Javols im Gevaudan)6 sowie mit
mancherlei Besitz ausgestattet habe7:
1 M. Tangl, Das Testament Fulrads von Saint-Denis, in: NA 32 (1907), S. 167-217.
2 M. Tangl, (wie Anm. 1), S. 207ff.; jetzt neu mit Faksimile und diplomatischem Abdruck in: Chartae
Latinae Antiquiores (zukünftig: ChLA), Bd. XVI, Nr. 623 (A) und 622 (B).
3 M. Tangl (wie Anm. 1), S. 212ff.; ChLA XVI, Nr. 624.
4 Wie aus mehreren frühmittelalterlichen Urkunden (s.u. Anm. 32, 34, 74) hervorgeht, war Salona der
Name der Petite-Seille. Vgl. zum Namen P. LEBEL, Principes et méthodes d’hydronymie française,
Dijon 1956, S. 324.
5 Vgl. G. MATHON, in: Bibliotheca Sanctorum X (1968), Sp. 1126f.
6 Vgl. G. MATHON, in: Bibliotheca Sanctorum VII, (1966), Sp. 753f. Hilarus scheint vor 815 nach
St. Denis zurückgebracht worden zu sein; in Mende glaubte man an einen erfolgreichen furtus sacer
des hl. Privatus noch in der Karolingerzeit. Die Probleme, die sich damit für die kultische Existenz
und Stabilität von Salonnes auftun, bedürften noch genauerer Erörterung.
7 Vgl. zu der neuen cella oder abbatia, dem späteren Priorat Salonnes vor allem: H. D’ARBOIS de
jubainville, Note sur trois chartes carlovingiennes originales, l’une de Charlemagne (777), la
seconde de Charles-le-Simple (896), la troisième de Louis d’Outremer (950), conservées aux Archives
du département de la Meurthe, in: Journal de la Société d’Archéologie et du Comité du Musée
Lorraine 1 (1852/53), S. 161-163; Abbé G. PIERSON, Le prieuré de Salonne, in: Mémoires de la
Société d’Archéologie Lorraine 20 (1870), S. 116-138; J. Fleckenstein, Fulrad von Saint Denis und
der fränkische Ausgriff in den süddeutschen Raum, in: Forschungen zur oberrheinischen Landesge¬
schichte 4 (1957), S. 9-39; M. PARISSE, Saint-Denis et ses biens en Lorraine et en Alsace, in: Bulletin
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