VERÖFFENTLICHUNGEN DER
KOMMISSION FÜR SAARLÄNDISCHE LANDESGESCHICHTE
UND VOLKSFORSCHUNG
Die alte
Diözese Metz
L'ancien Diocèse de Metz
Referate eines
Kolloquiums in
Waldfischbach-Burgalben
vom 21. bis 23. März 1990
herausgegeben von
Hans-Walter Herrmann
KOMMISSIONSVERLAG:
SAARBRÜCKER DRUCKEREI UND VERLAG GMBH
SAARBRÜCKEN 1993
DIE ALTE DIÖZESE METZ
L'ANCIEN DIOCÈSE DE METZ
Veröffentlichungen
der Kommission für Saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung
19
Die alte Diözese Metz
L’ancien diocese de Metz
Referate eines Kolloquiums
in Waldfischbach-Burgalben
vom 21. bis 23. März 1990
herausgegeben von Hans-Walter Herrmann
Saarbrücken 1993
Kommissionsverlag: SDV Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH, Saarbrücken
Die Deutsche Bibliothek - CIP- Einheitsaufnahme
Die alte Diözese Metz : Referate eines Kolloquiums in Waldfischbach-Burgalben
vom 21. bis 23. März 1990 - L’ancien diocèse de Metz / hrsg. von Hans-Walter
Herrmann. - Saarbrücken : Saarbrücker Dr. und Verl., 1994
(Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und
Volksforschung; 19)
ISBN 3-925036-75-X
NE: Herrmann, Hans-Walter (Hrsg.); L'ancien diocèse de Metz; Kommission für
Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung: Veröffentlichungen der
Kommission ...
Alle Rechte Vorbehalten.
© Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung.
Herstellung: Neunkirchener Druckerei und Verlag, Neunkirchen
Printed in Germany
ISBN-Nr. 3-925036-75-X
ISSN-Nr. 0454-2533
Inhalt
Vorwort ...................................................................... 7
Reinhard Schneider, Saarbrücken
Einführung in die Tagungsthematik / Introduction ............................. 8
Max Pfister, Saarbrücken
Über den Zusammenhang von Bistumsgrenzen und Sprachgrenzen
in Frankreich, der Schweiz und dem Alpenraum ................................. 15
Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken
Die Ausbildung der Grenze zwischen den Diözesen Metz, Speyer und Worms
aus der Perspektive von Toponymie und Siedlungsgeschichte..................... 33
Michel Parisse, Göttingen
Remarques sur le destin des assises territoriales de l'évêché de Metz
(8e - 13e s.) ................................................................ 73
Franz Staab, Landau
Zur kirchlichen Raumerfassung im Spätmittelalter. Archidiakone,
Chorbischöfe und Archidiakonate im Bistum Metz bis ins 13. Jahrhundert ....... 85
Hans-Walter Herrmann, Saarbrücken
Die Kollegiatstifte der Diözese Metz......................................... 113
Jean Luc Fray, Trier
Sarrebourg und der obere Saargau im Licht der Zentralitätsforschung.
Ein Beitrag zur Geschichte der mittelgroßen lothringischen Städte
im Mittelalter............................................................... 147
Hans-Günther Marschall, Saarbrücken
Romanische Architektur im Bistum Metz........................................ 165
Johann Friedrich Gerhard Goeters, Bonn
Die Reformation in Pfalz-Zweibrücken und die Entstehung der
evangelischen Landeskirche .................................................. 191
Gérard Michaux, Metz
Die tridentinische Reform in der Diözese Metz ................................ 207
Louis Châtellier, Nancy
Les missions et le changement religieux des campagnes aux
XVIIe - XVIIIe siècles au pays de Sarrebourg.................................. 211
5
Wolfgang Läufer, Saarbrücken
Die erste Visitation des Metzer Bischofs im östlichen Teil der
Diözese Metz nach dem Westfälischen Frieden .............
225
Olivier Billuart, Metz
La restauration matérielle et religieuse dans l'archiprêtré de Sarrebourg
1689- 1789................................................................ 251
Bernhard H. Bonkhoff, Großbundenbach
Das kirchliche Leben in einer evangelischen Gemeinde in der Westpfalz
im 17. /18. Jahrhundert .................................................. 269
Hans Ammerich, Birkweiler
Auswirkungen des Simultaneums im kirchlichen Alltag, dargestellt an
Beispielen aus dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken........................... 277
Günter Volz, Bergzabern
Anton Baur (1780 - 1840), Prämonstratenser in Wadgassen, Pfarrer der
konstitutionellen Kirche in Saargemünd, Kreissteuereinnehmer in Ottweiler. 293
Hans-Walter Herrmann, Saarbrücken
Schlußwort / Conclusion ................................................. 304
Verzeichnis der Abkürzungen............................................... 312
Verzeichnis der Autoren .................................................. 316
6
Vorwort
Die alte Diözese Metz in ihren bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts gültigen Grenzen
umfaßte auch Gebiete, die heute zu den Diözesen Speyer, Straßburg und Trier ge-
hören, und Gebiete, die seit dem 16. Jahrhundert durch Übertritt zum lutherischen
oder reformierten Bekenntnis aus der Jurisdiktion der Metzer Bischöfe ausschieden.
Daher bietet sich die alte Metzer Diözese in besonderer Weise als Gegenstand einer
von deutscher und französischer, evangelischer und katholischer Seite betriebenen
Forschung an. Die Anregung zu einer die heutigen Diözesan-, Landes-, Sprach- und
Konfessionsgrenzen überschreitenden Tagung ging von dem Speyerer Domdekan
Erwin Diemer aus und wurde in einer gutbesuchten Veranstaltung im Haus Maria
Rosenberg in Waldfischbach-Burgalben, scharf am Ostrand der alten Diözese Metz
gelegen, vom 21. bis 23. März 1990 in gemeinsamer Trägerschaft der Bistumsgruppe
Speyer der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, des Vereins für pfäl-
zische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde und der Kommission für saarlän-
dische Landesgeschichte und Volksforschung verwirklicht. Leider konnte Prälat
Domdekan Ludwig Erwin Diemer die Tagung, deren Planung er mit gestaltet und
deren Vorbereitung er so tatkräftig gefördert hatte, nicht mehr erleben. Er starb am
31. Januar 1990.
Der starke Tagungsbesuch, zeitweise 120 Teilnehmer/innen, bestätigte nicht nur das
lebhafte Interesse an der gewählten Thematik, sondern regte auch zur Veröffentli-
chung der Ergebnisse an. Der hiermit der Öffentlichkeit vorgelegte Band enthält alle
Referate, manche in einer für den Druck erheblich erweiterten Form, ergänzt durch
neu gezeichnete, teilweise auch neu entworfene Kartenbeilagen. Die Reihenfolge
der Referate im Band weicht leicht von der Tagung selbst ab.
Die Träger der Tagung haben auch die Finanzierung der vorliegenden Veröffentli-
chung gemeinsam übernommen. Von seiten der Kommission für saarländische Lan-
desgeschichte und Volksforschung ist der Bistumsgruppe Speyer der Gesellschaft für
mittelrheinische Kirchengeschichte und dem Verein für pfälzische Kirchengeschichte
und religiöse Volkskunde zu danken, daß sie sich mit dem Erscheinen des Bandes in
der Reihe der Veröffentlichungen der Kommission einverstanden erklärten. Dank zu
sagen ist auch den Autoren für die Überlassung der druckreifen Fassungen ihrer
Referate und allen, die sich für ein Gelingen der Tagung im Haus Maria Rosenberg
und für das Zustandekommen dieser Publikation einsetzten.
Saarbrücken, im Herbst 1992 Hans-Walter Herrmann
7
Reinhard Schneider
Einführung in die Tagungsthematik
Gute Gründe, sich in intensiver Form wissenschaftlich mit „der alten Diözese Metz“
zu befassen, gibt es viele, und die Tatsache, daß man sich zu einer Tagung in Maria
Rosenberg im Sprengel der alten Metzer Diözese traf, zeigt, daß allen Beteiligten und
gerade auch den Veranstaltern bewußt war, wie viele gute Gründe es für das gewähl-
te Thema und für eine solche Tagung gibt. Der von Bourgeat und Dorvaux 1907 in
Metz publizierte „Atlas historique du diocèse de Metz“ verzeichnet auf Blatt IV den
Sprengel der alten Diözese Metz, der etwas über Rodalben hinausreichte, Blatt XI
(Archiprêtré de Neumünster) ist noch detaillierter gefaßt: Es weist aus, daß Burg-
alben mit der Papiermühle, der Muschel-Mühle und Sinn-Mühle sowie „Ste. Marie -
Rosenberg“ gerade noch zur Archiprêtré de Neumünster und damit zum Bistum
Metz gehörten. Die Bistumsgrenze bildete der Schwarzbach, und Abt- bzw. Wald-
fischbach gehörte schon zum Dekanat Landstuhl - und damit zum Bistum Worms -
das jedoch 1805 erlosch; seither wurde Speyer hier Rechtsnachfolger.
Damit wurden auch die zitierten Karten zeitlich auf das Ende des 18. Jahrhunderts
eingegrenzt, und die Karten der Diözese Metz für die Jahre 1823, 1832, 1899 und
1906 weisen diesen schönen Landstrich als speyerisch aus.
Nach den Vorstellungen der Zeit vor 1800 fand die Tagung daher statt an der Grenze
der Bistümer Metz und Worms und in unmittelbarer Nähe zur alten Speyerer Diöze-
sangrenze (die etwa bei Merzalben verläuft). Grenzbegegnungen, Treffen an und auf
Grenzen haben uralte Tradition und oft große Bedeutung: Sie charakterisieren aber
zugleich auch das Trennende, das Grenzen bedeuten, und postulieren deren (- in der
Regel nur partielle -) Überwindung, vielleicht auch den möglichen Umgang mit den
Grenzen, eine „vernünftige“ Einstellung zum Leben mit Grenzen, an Grenzen, in
Grenzräumen.
Solche Bemerkungen sollten den Tagungsteilnehmern verdeutlichen, wie intensiv
Mitglieder der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes die Saar-
brücker Lage an einer (politisch-staatlichen) Grenze empfinden, thematisieren und
seit längerer Zeit in einem Schwerpunkt erforschen. Denn es gibt nach wie vor große
Forschungsdefizite, die in gemeinsamer Arbeit verringert werden sollen: Was bedeu-
ten Grenzen? Wie wurden sie gezogen, markiert, empfunden und beachtet? Welche
Funktionen hatten sie, welche erfüllten sie unbeabsichtigt, welche nicht? Was grenz-
ten sie ab, was grenzten sie aus? Wie sieht das Leben an der Grenze - hüben wie drü-
ben - aus? Wie das Leben mit der Grenze, trotz der Grenze usw.?
Die wissenschaftlichen Fragestellungen führen tief in die politische Geschichte, die
Sprachgeschichte, Kultur- und Sozialgeschichte, selbstverständlich in die Handels-
8
Reinhard Schneider
Introduction
Il y a de bonnes raisons de s’occuper d’une manière intense de l’«Ancien diocèse de
Metz», et le fait d’avoir choisi Maria Rosenberg comme lieu de congrès démontre que
tous les participants et notamment les organisateurs en ont conscience. L'Atlas histo-
rique du diocèse de Metz, publié à Metz en 1907 par Bourgeat et Dorvaux, montre sur
le feuillet № IV l’ancien diocèse de Metz qui dépassait un peu la ville de Rodalben.
Le feuillet № IX (Archiprêtré de Neumunster) est encore plus détaillé : il prouve que
Burgalben avec les moulins dits Papiermiihle, Muschel-Mühle, Sinn-Mühle et Marie-
Rosenberg avait encore appartenu à l'Archiprêtré de Neumunster et donc à l’évêché
de Metz. Le Schwarzbach marquait les confins du diocèse : Abt-Fischbach et Wald-
fischbach faisaient déjà partie du Doyenné de Landstuhl - et par conséquent de
l’évêché de Worms, éteint cependant en 1805; l’évêché de Spire devint son succes-
seur.
Ainsi les cartes citées s’étaient bornées à la fin du XVIIIe siècle et les cartes du dio-
cèse de Metz des années 1823, 1832, 1899 et 1906 caractérisent cette belle contrée
comme pays spirois. D'après les appréciations avant 1800 le congrès se tenait là où se
touchent les évêchés de Metz et de Worms tout près des anciens confins de l’évêché
de Spire à peu près sur la hauteur de Merzalben. Les rencontres frontalières ont une
tradition extrêmement vieille et souvent une grande importance : en même temps
elles symbolisent la séparation et postulent en même temps l’abolition, en général
partielle, des frontières, peut-être aussi quelques règles de comportement vis-à-vis de
la frontière et une attitude «raisonnable» de vivre avec la frontière, à la frontière et
dans les pays limitrophes.
De tels propos devaient démontrer aus participants du congrès avec quelle intensité
les membres de la Faculté des Lettres de l’Université de la Sarre vivent la situation
particulière de Sarrebruck. ville frontalière, et leurs efforts de faire de la frontière un
sujet central de leurs recherches. Car il existe toujours de grands déficits scientifiques
qu’on doit réduire en commun : La question de savoir ce que signifient les frontières.
Comment ont-elles été établies, marquées, senties et respectées? Quelles étaient leurs
fonctions, quelles fonctions ont-elles remplies involontairement, lesquelles non?
Qu’ont-elles délimité, qu’ont-elles mis à l’écart? Comment vit-on des deux côtés de la
frontière? Comment vit-on avec la frontière, malgré la frontière etc?
La formulation des sujets scientifiques conduit à l’histoire politique, linguistique, cul-
turelle et sociale, évidemment à l'histoire commerciale et économique, et également
d’une façon saisissante à l’histoire des mentalités; elle mène dans la sphère de la psy-
chologie, de la démence, des querelles et des guerres.
9
und Wirtschaftsgeschichte, in aufregender Weise auch in die Mentalitätsgeschichte, in
Bereiche der Psychologie, des Wahns, der Auseinandersetzungen und Kriege.
Welche Rolle spielen aber die Kirchengeschichte und zumal die Grenzen eines
Bistums und innerhalb des Kirchensprengels? Zwei Andeutungen mögen genügen:
Im Mittelalter und in früher Neuzeit sind in der Regel Bistumsgrenzen sehr dauerhaft
gewesen, oft erheblich beständiger als Grenzen anderer Art. Im Ausnahmefall haben
sie sogar heute noch politisch-staatliche Bedeutung: Eine holländische Provinz deckt
sich recht genau mit der Utrechter Diözese, und das heutige Bundesland Salzburg ist
räumlich identisch mit dem alten Salzburger Sprengel bzw. dem Fürstbistum Salz-
burg.
Noch größere historische Kontinuität kommt im allgemeinen den Pfarreien zu: Seit
dem 4. Jahrhundert gibt es Pfarreien, in Westeuropa seit dem 6. Jahrhundert. Sie sind
im Regelfall die dauerhafteste, beständigste allgemeine Verfassungsinstitution über-
haupt - weisen also über kirchliche/kirchenpolitische Dauerhaftigkeit und Bedeutung
zum Teil weit hinaus. Da Geschichte in hohem Maße kontinuierlich verläuft, tun min-
destens alle historischen Teil- und Spezialdisziplinen gut daran, kirchliche Institutio-
nen aufmerksam zu betrachten: Also Bistümer beispielsweise in ihren Gliederungen,
in ihren Grenzen und mit ihren Grenzen.
Damit soll ein roter Faden des Rosenberger Tagungsprogramms und des vorliegen-
den Bandes angesprochen werden. Freilich gibt es viele andere und ähnlich bedeutsa-
me Kontinuitätslinien, zusätzlich auch interessante thematische Ausweitungen.
Wer sich mit Grenzen und Grenzräumen forschend beschäftigt, wird immer mit
besonderem Interesse die Entstehung und Wirkung von Grenzen beachten: War ihre
Ausbildung unausweichlich? Lehnten sie sich an Vorgaben ethnischer, naturräumli-
cher, kultureller und zumal sprachlicher Art an, oder waren sie mehr oder weniger
zufällig entstanden, gar willkürlich gezogen worden? Solche Fragen gelten auch für
die Entstehung von Diözesangrenzen - im allgemeinen und im Metzer Fall. Korre-
spondierte die Bistumsgrenze in Teilen oder wenigstens einigen Binnengliederungen
mit der Sprachgrenze? Wie lassen sich Wechselwirkungen, wie Auswirkungen fas-
sen? Haben weltliche Organisationsformen und Verwaltungsstrukturen einen beson-
deren Einfluß - oder eher bischöflicher Besitz, bischöfliche Gerichtsbarkeitsberei-
che? - Wenn sich in solchen und ähnlichen Fragen Aufschluß ergeben sollte, ließe
sich mit größerer Sicherheit sagen, welche Grenzen und Abgrenzungsformen über-
flüssig sind, welche unausweichlich, vielleicht sogar sinnvoll sind. Vor allem aber
braucht man historische Erfahrungswerte für Haupt- und Nebenwirkungen von
Grenzen und Grenzräumen, muß man wissen, wie unvermeidbare Grenzen in ihrer
Funktion „begrenzt“ gehalten werden können, welche Anlehnungen man riskieren
kann, welche sehr gefährlich oder vielleicht völlig sinnlos sind. Doch mit solchen
Andeutungen soll nicht irritiert werden, auch darf den Einzelthemen nicht vorgegrif-
fen werden. Ein zusätzlicher Aspekt sei aber knapp gestreift: Die Geschichte vieler
Gebiete im Bereich der heutigen deutsch-französischen Grenze ist längst noch nicht
10
Quel était le rôle de l’histoire écclésiastique et quelle était la signification des frontiè-
res d’un évêché ou de celles dans un diocèse? Deux allusions doivent suffire : au
Moyen Age et à l’auhe de l’époque moderne les frontières des diocèses étaient en
général très stables, souvent beaucoup plus durables que d’autres frontières. En cas
exceptionnel elles ont gardé jusqu’à nos jours une signification politique et admini-
strative : une province néerlandaise est identique au diocèse d’Utrecht et le Bundes-
land Salzbourg en Autriche à l’ancien diocèse ou évêché-principauté de Salzbourg.
En général, les paroisses ont une continuité historique encore plus longue : depuis le
IVe siècle existent des paroisses, en Europe occidentale depuis le VIe siècle.
Généralement elles sont l’institution la plus durable qu'il y ait - elles dépassent donc
en partie largement la persistance et l’importance de l’église ou de la politique ecclé-
siastique. Comme l’histoire a gardé une certaine continuité tout en se développant,
toutes les disciplines particulières et spécifiques des sciences historiques feraient bon
d'observer attentivement ces institutions ecclésiastiques : c’est-à-dire les évêchés dans
leurs structures, leurs frontières intérieures et extérieures.
Voilà un des fils rouges du congrès à Maria Rosenberg et de ce volume. Il y a bien sûr
beaucoup d’autres exemples d’une continuité d'une importance semblable, et égale-
ment d’intéressants élargissements thématiques.
Celui que fait des recherches sur les frontières et les régions frontalières tiendra tou-
jours compte de l’origine et de l’efficacité des frontières : Etaient-elles inévitables?
Suivaient-elles les prémisses ethniques, géographiques, culturelles et avant tout lin-
guistiques, ou bien s’étaient-elles formées plus ou moins par hasard ou étaient-elles
même le résultat d'un acte arbitraire? Les mêmes questions se posent en ce qui con-
cerne les origines des frontières diocésaines : tout en général et en particulier pour le
cas de l’évêché de Metz. La frontière de l’évêché correspondait-elle partiellement ou
au moins par quelques structures intérieures à la frontière linguistique? Comment
peut-on concevoir les interactions et leurs effets? Y a-t-il une influence spécifique des
structures de l’organisation et de l’administration séculières - sur les origines ou
plutôt sur l’étendu du patrimoine et de la juridiction épiscopale? Si l'on trouve les
réponses à ces ou à de semblables questions, on sera probablement en état de dire
avec plus de sécurité, quelles frontières et quelle formes de délimitation sont super-
flues, inévitables, ou peut-être même raisonnables. Il nous faut surtout des valeurs
empiriques historiques pour analyser les conséquences principales et secondaires des
frontières et des régions frontalières; il faut savoir comment on peut «délimiter» dans
leurs fonctions les frontières inévitables, quelles comparaisons on peut risquer,
quelles frontières sont très dangereuses et lesquelles sont peut-être complètement
irraisonnables. Mais ces sortes d’allusions ne doivent pas irriter et il ne faut surtout
pas anticiper les sujets. Nous voulons néanmoins effleurer un aspect supplémentaire :
L’histoire d’un grand nombre de régions de la frontière franco-allemande n’est pas
encore suffisamment explorée. Ce n’est pas seulement le particularisme territorial
pour ne pas dire le démembrement domanial ou politique qui rend les recherches dif-
ficiles, il y a parfois les «barrières linguistiques» et surtout l’embarras par rapport au
décernement des compétences. Convient-il par exemple aux historiens français ou
11
hinreichend erforscht. Nicht nur die territoriale Vielgliedrigkeit, um nicht von herr-
schaftlicher bzw. politischer Zerstückelung zu reden, erschwert den forschenden
Zugriff. Hinzu kommen mitunter „Sprachbarrieren“, vor allem aber Befangenheiten
in der Zuerkennung von Zuständigkeiten. Gehört zum Beispiel Lothringen oder
Lotharingien bzw. la Lotharingie oder la Lorraine in den Bereich deutscher For-
schungszuständigkeit oder zum dominanten Arbeitsfeld französischer Gelehrter -
und ggf. ab wann? Fragen dieser Art spiegeln nationale Sehweisen, national-staatli-
che Aufgabenfelder und ähnliche Probleme thematischer Abgrenzung. Verstehbar
und nachvollziehbar sind sie in manchen Teilen, und doch sind sie mindestens wissen-
schaftlich unbefriedigend. Ganz absurd beispielsweise war eine wissenschaftspoliti-
sche Grundentscheidung des 19. Jahrhunderts. Das verdienstvolle Editionsunterneh-
men „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ konzentrierte
sich nämlich vor allem auf die Reichsstädte, sparte jedoch die Freie Reichsstadt Metz
aus, weil die Mehrzahl ihrer Chroniken in französischer Sprache verfaßt war. Mit die-
ser kritikwürdigen Entscheidung hängt es weitgehend zusammen, daß Metzer Chro-
niken längst nicht vollständig und wenn, dann nicht immer befriedigend, ediert sind.
Andererseits ist die Orientierung wissenschaftlicher Unternehmungen an modernen
Staats- und Verwaltungsbereichen durchaus verständlich; denkt man an die notwen-
dige Forschungsfinanzierung, ist sie oft sogar vernünftig. Diese Gedanken sollen
indes nicht weiter verfolgt werden, stattdessen darf betont werden, daß die gewählte
Veranstaltungsform, das gemeinsame Engagement und vor allem auch die getroffene
Themenverabredung während der Tagung als durchweg positiv empfunden wurden.
Für alle Vorträge waren Diskussionsmöglichkeiten fest vorgesehen; sie sind intensiv
genutzt worden.
Mit der Publikation der Tagungsreferate erhoffen sich die Veranstalter, daß die wei-
tere Erforschung der „alten Diözese Metz“ gefördert wird und neue Impulse erhält.
Diese Zuversicht hegen der Verein für Pfälzische Kirchengeschichte und Religiöse
Volkskunde, die Bistumsgruppe Speyer der Gesellschaft für mittelrheinische Kir-
chengeschichte und die Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volks-
forschung. Eine intensive Tagungsteilnahme von Gästen und Referenten aus dem
benachbarten Lothringen zeigte bereits in Maria Rosenberg, wie fruchtbar ein viele
Grenzen übergreifendes Thema ist, wenn es sowohl „interdisziplinär“ als auch in per-
soneller Hinsicht „grenzübergreifend“ gestaltet werden kann.
12
aux historiens allemands de faire des recherches sur la Lorraine ou la Lotharingie ou
de choisir leur histoire pour champ d'activité privilégiée - et, le cas échéant, à partir
de quelle époque? De telles questions reflètent des vues nationales, des ressorts
nationaux et des problèmes semblables d’une délimitation thématique. En partie on
peut même comprendre ces problèmes, mais ils sont peu satisfaisants au moins du
point de vue de la science. Une décision prise au XIXe siècle qui était motivée par la
politique de science de ce temps-là avait été par exemple complètement absurde :
L’édition méritoire des Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert
(Chroniques des villes allemandes du XIVe au XVIe siècles), qui se concentrait avant
tout sur les villes impériales, avait omis la ville impériale libre de Metz, parce que la
majorité de ses chroniques était écrite en langue française. C’est principalement à
cause de cette décision critiquable que les chroniques messines sont loin d'être inté-
gralement éditées ou bien ne sont accessibles que dans des éditions peu satisfaisantes.
D’autre part il est tout à fait compréhensible que les entreprises scientifiques s’orien-
tent vers les structures politiques et administratives modernes des Etats; si l’on pense
à leur financement nécessaire, c’est souvent même raisonnable. Cependant nous ne
voulons pas poursuivre plus longuement ces réflexions mais plûtot insister sur le fait
que la forme choisie du congrès, l’engagement commun et surtout l’accord sur les
sujets pendant la durée de ce congrès ont été favorablement accueillis. Il y avait la
possibilité de discuter sur tous les exposés, beaucoup de participants en ont profité.
Les organisateurs du congrès, à savoir le Verein für Pfälzische Kirchengeschichte und
Religiöse Volkskunde, la section de l’évêché de Spire de la Gesellschaft für mittel-
rheinische Kirchengeschichte et la Kommision für Saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung espèrent que la publication de ces rapports favorise les recher-
ches sur l’ancien diocèse de Metz et leur donne des impulsions neuves. La participa-
tion active d’un grand nombre d’invités et de rapporteurs venant de la Lorraine à
Maria Rosenberg démontrait la fécondité d’un sujet multinational, si ce sujet peut
être traité à la fois par plusieurs disciplines et par des savants venus de deux côtés de
la frontière.
13
: • ?•
Max Pfister
Über den Zusammenhang von Bistumsgrenzen und
Sprachgrenzen in Frankreich, der Schweiz und dem Alpenraum
Unsere Problematik wurde erstmals behandelt von Heinrich Morf in einer Akade-
mieschrift aus dem Jahre 1911: „Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs“1. Bei der
Besprechung der Lautgrenze zwischen ve und vä (ALF 1369), die Pikardisch von
Normannisch trennt, schreibt Morf [S. 6]: „Besonderes Interesse erweckt zunächst
das pikardisch-normandische Stück dieser scharfen Lautgrenze, vom Meer bis vor
Pontoise (südlich von P. 246). Sie verläuft völlig in der Richtung der Grenze, die das
Bistum Rouen von den Bistümern Amiens und Beauvais scheidet. Hier scheint also
die Bistumsgrenze zugleich Lautgrenze zu sein. Dieser Umstand sowie die unerschüt-
terte Schärfe dieser Grenze läßt auf ihr hohes Alter schließen. Und wirklich scheint
in der Normandie schon im 12. Jh. die Umbildung des e zu ä begonnen zu haben,
denn bei normandischen Dichtern jener Zeit begegnen wir bekanntlich nicht selten
Reimverbindungen, die sich durch den annähernden Gleichklang der beiden Nasal-
vokale erklären.“
Morf hat in seiner Untersuchung wichtige Isophonenbündel untersucht, die das
Pikardische vom Französischen trennen. Die Ursache dieser Mundartgrenze glaubte
er in der alten kirchlichen Einteilung des Raumes zu entdecken. Die West-, Süd- und
Ostgrenze der Pikardie wird durch die Grenzbistümer Amiens, Beauvais, Noyon und
Cambrai gebildet, welche diese Bistümer von den Landschaften Normandie, Ile-de-
France und Champagne scheiden. Anhand dieser scheinbar gesicherten Ergebnisse
aus der Pikardie nahm Morf Verallgemeinerungen vor, die auch andere Sprachgebie-
te der Galloromania und der übrigen Romania betreffen [S. 28]: „Und was hier fest-
gestellt werden konnte, wird sich zweifellos für andere Gegenden nicht nur Galliens,
sondern der Romania überhaupt erweisen lassen: die uralte kirchliche Einteilung des
Landes ist stark beteiligt an der sprachlichen Gliederung des Landes. - Daß das Fran-
koprovenzaljsche die Sprache der alten Bistümer Lyon und Vienne sei, habe ich
früher schon ausgesprochen.“
In den letzten 80 Jahren haben sich verschiedene Romanisten mit der Ausgliederung
der Sprachiandschaften der Galloromania und auch der übrigen Romania beschäf-
tigt: die These Morfs, welche die alte kirchliche Gliederung als sprachlich konstitutiv
ansieht, hat dabei keine begeisterten Anhänger mehr gefunden. Walther von Wart-
burg hat 1950 in seiner „Ausgliederung der romanischen Sprachräume“2 die These
von Morf zum Einsturz gebracht [S. 70]: „Dieser ganze Aufbau ist mit sprachge-
schichtlichen Tatsachen zu wenig unterbaut, und manches ist von Morf überhaupt
' H. Morf, Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs, Berlin 1911.
2 W. von Wartburg, Die Ausgliederung der romanischen Sprachräume, Bern 1950.
15
unrichtig dargestellt.“ Morf ist sicher zu kritisieren, wenn er z. B. den pikardischen
Sprachraum nur ahhand der Palatalisierung ka verschieden von chat\ fyel verschieden
von ciel und ve verschieden von vä charakterisiert; dies sind Lauterscheinungen, die
früh- und hochmittelalterlich sind und über die Entstehung einer alten Sprachgrenze
nicht aussagekräftig sind.
Was die Bedeutung der alten Bistümer Lyon und Vienne für die Entstehung des fran-
koprovenzalischen Sprachraums betrifft, habe ich bereits 1972 die Bedeutung der
Morfschen These relativiert: „Ausschlaggebend für die sprachliche Sonderstellung
des Frankoprovenzalischen scheinen mir verschiedene Gründe gewesen zu sein, z. B.
die Sonderstellung des Regionallateins von Lyon, wie sie in verschiedenen Arbeiten
von Gardette herausgearbeitet wurde. Vielleicht ist auch die Existenz einer Art Kir-
chenstaat in Lyon im 7. und 8. Jahrhundert für die sprachliche Sonderstellung und die
Entwicklung des Frankoprovenzalischen von Bedeutung. Zu berücksichtigen sind
ebenfalls mögliche Einflüße der frühmittelalterlichen Diözesaneinteilung, die territo-
riale Ausdehnung des Königreichs Hochburgund mit seiner strategischen Bedeutung
im Hinblick auf die Westalpenpässe, der savoyardische Herrschaftsbereich im Hoch-
und Spätmittelalter und die geographisch bedingte Randstellung innerhalb der Gallo-
romania.“
Nach der Kritik von Wartburg, nach den Habilitationsschriften von Schmitt1 und
Wüest3 4, vor allem aber auch nach den Studien von Theodor Frings für den germani-
schen Sprachraum scheint mir die Zeit gekommen zu sein, den Einfluß der Bistums-
grenzen - oder vielleicht allgemeiner gefaßt von kirchlichen Grenzen - auf Sprach-
und Mundartgrenzen objektiver würdigen zu können. Wartburg benötigte mit seiner
vernichtenden Kritik eine tabula rasa, um seine germanische Superstrattheorie auf-
bauen zu können. Heute scheint sich bei der Herausgliederungsdiskussion die
Ansicht durchzusetzen, daß nicht mehr nur eine monogenetische Ursache zu berück-
sichtigen ist, sondern daß ein ganzes Bündel von Entstehungsfaktoren ausschlagge-
bend gewesen ist. Mein Referat will zeigen, welche Teile der These Morfs aus dem
Jahre 1911 heute noch Bestand haben und sogar weiter ausgebaut werden können
und welche nicht. Die Grundaussage: „die uralte kirchliche Einteilung des Landes ist
stark beteiligt an der sprachlichen Gliederung des Landes“ läßt sich in dieser absolu-
ten Form nicht aufrecht erhalten. Ein schlagender Gegenbeweis ist gerade die Diöze-
se Metz mit ihrer Ausdehnung auf beiden Seiten der Sprachgrenze: Sprachgrenze
und Bistumsgrenze fallen und fielen hier sicher nicht zusammen. Schon in seiner Ent-
stehungsphase umfaßte das Bistum Metz beide Sprachgebiete, vermutlich sogar
große Zonen von zweisprachigen Gebieten, die noch während Jahrhunderten bilingu-
al waren und vielleicht erst zwischen dem 8. und 9. Jh. Sprachgrenzzonen oder noch
später Sprachgrenzen erkennen lassen.
3 Chr. Schmitt, Die Sprachlandschaften der Galloromania. Eine lexikalische Studie zum Pro-
blem der Entstehung und Charakterisierung (Heidelberger Beiträge zur Romanistik, Bd. 2),
Bern/Frankfurt 1974.
1 J. Wüest, La dialectalisation de la Gallo-Romania. Problèmes phonologiques, Bern 1979.
16
Wenn wir freilich die Grenze der Erzbistümer Köln und Trier vergleichen mit der
sprachgeographischen Gliederung der deutschen Dialekte, so scheint auch für einen
Nicht-Germanisten ein Zusammenhang der Erzbistum-Grenze Köln - Trier und der
sprachlichen Eifel-Schranke naheliegend zu sein5. In diesem Raum verläuft z. B. die
Grenze zwischen Dorp/Dorf; Wing/Wein und anderen einschneidenden sprachlichen
Merkmalen. Die Eifel-Schranke trennt Moselfränkisch und Rheinfränkisch, den
Sprachraum Triers von demjenigen von Köln.
Kirchenprovinzen (aus: Frings, Sprache und Geschichte, S. 121, Karte 15)
Die Karte 1 zeigt deutlich, daß sich der sprachliche Einfluß der Diözese Trier auch
auf die östliche Rheinseite erstreckt bis in den Raum Limburg/Marburg; diese rechts-
rheinische Diözesangrenze geht in die späte Merowingerzeit zurück und ist völlig
Vgl. Th. Frings, Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache, Halle 1957, Karte
7a. Derselbe, Sprache und Geschichte, Mitteldeutsche Studien I, Halle 1956, Karte 15; W.
Will, Saarländische Sprachgeschichte, Saarbrücken 1979, S. 34; W. König, dtv-Atlas zur
deutschen Sprache, Tafeln und Texte, München 1978, S. 76. Ich danke meinem germanisti-
schen Kollegen und Freund Wolfgang Haubrichs für verschiedene Hinweise.
17
unabhängig von der Verwaltungseinteilung des römischen Reiches. Im Gegensatz
dazu ist die westlich des Rheins gelegene Eifelbarriere neben Erzbistum-Grenze auch
Grenze zwischen Ripuarien und Moselherzogtum, und zur römischen Zeit stießen
hier die Provinzen Germania inferior und Germania superior aufeinander.
Morf hat zu Recht den Bistumsgrenzen eine große Bedeutung zugemessen, da die
alte kirchliche Gliederung auf die römischen civitates zurückgeht und diese wiederum
auf den gallischen gentes beruht, d. h. auf einer frühen ethnischen Gliederung des
Landes. Morf schrieb [S. 32]: „Die französischen Bistümer sind also - erst weltliche,
dann kirchliche - Verwaltungseinheiten, die durch achtzehnhundert Jahre ohne
erhebliche Änderungen bestanden haben. Die Bistumsgrenzen sind demnach Ver-
kehrsgrenzen, die während fast zweitausend Jahren Frankreich durchfurcht haben,
während die politischen Grenzen unaufhörlich wankten und wechselten.“ Diese
Ansicht übernimmt auch Christian Schmitt [S. 310]: „Die einzige, das römische Welt-
reich überdauernde und dennoch dessen Prinzipien stets treu gebliebene Konstante
stellt die Römische Kirche dar, ihre Bistumsgrenzen fallen in Frankreich, von gerin-
gen Ausnahmen abgesehen, mit den Verwaltungsgrenzen der alten römischen civita-
tes und provinciae und damit wiederum mit den Gaugrenzen der vorromanischen
Völker Galliens zusammen.“ Diese Konstanz der Bistümer als sprachliche Einheit
war auch im Mittelalter bekannt. So schreiben z. B. die Leys d’amors den südfranzö-
sischen Dichtem vor, daß sie sich in Fällen zweifelhaften Sprachgebrauchs an jene
Formen halten sollen, die in einer ganzen Diözese verwendet werden: ([11.210]) quar
cove que per tota una diocezi sian acostumat de dire, E quar per totz los locz general-
men que son en la diocesi de Tholoza hom non ditz aytals motz, per so nos nols devem
dire6.
Betrachten wir zunächst drei Beispiele für den Zusammenfall von kirchlichen und
von sprachlichen Grenzen:
Mein Lateinlehrer Franz Fankhauser7 hat in seiner hervorragenden Dissertation über
das Val d’Illiez, ein frankoprovenzalisches Seitental der Rhone im Unterwallis,
gezeigt, daß in diesem abgelegenen Bergtal die beiden Hauptdörfer Val d’Illiez und
das Nachbardorf Troistorrents sprachlich durch ein Isophonenbündel voneinander
getrennt sind, das nicht weniger als 21 Isophonen umfaßt; dazu kommen noch 13
morphologische und eine ganze Reihe lexikalischer Unterschiede. Nach Morf ist der
Grund in der verschiedenen kirchlichen Zugehörigkeit zu sehen [S. 31]: „Val d'Illiez
und Troistorrents waren jahrhundertelang kirchlich getrennt zwischen dem Bistum
von Sitten und dem von Genf.“ Fankhauser schreibt weiter [S. 12 s.]: „Denn der
Gegensatz zwischen Val d’Illiez und Troistorrents, welch beide in weltlicher und
kirchlicher Beziehung nie unter dem gleichen unmittelbaren Herren gestanden hat-
ten, konnte nur verstärkt werden durch den Umstand, dass Val d’Illiez an eine aus-
serhalb der DiÖcese Sitten gelegene Abtei kam“ [an die Abtei Abondance im Zeit-
raum 1331 - 1608] und dazu die Anmerkung 6: „Die Erklärung der grossen
6 M. Gatien-Arnoult, Las Flors del Gay Saber, estiers dichas Las Leys d’Amors, 3 voll.,
Tolosa 1841-43.
7 F. Fankhauser, Das Patois von Val d’Illiez (Unterwallis), Halle 1911.
18
Verschiedenheit in der Mundart der beiden Dörfer möchte ich ausschliesslich in
ihren verschiedenen historischen Bedingungen suchen. Ob dabei die weltliche oder
kirchliche Grenze mehr Einfluss gehabt, kann in diesem Fall nicht entschieden wer-
den; die starke Differenzierung der zwei durch keine Terrainschwierigkeiten getrenn-
ten Nachbardörfer dürfte aber gerade dem Zusammenwirken des weltlichen und
kirchlichen Gegensatzes zu verdanken sein.“
Das zweite Beispiel stammt aus den Vogesen und wird auch von Morf erwähnt
[S. 31]. Passy hat 1892 darauf hingew'iesenH, „daß Plombières vom Val-d’Ajol durch
eine scharfe Dialektgrenze geschieden sei, für die eine Erklärung sich weder in der
Topographie noch in der Geschichte finden lasse“.
Passy schreibt [S. 149]: „Mais ce qui (le) rend plus curieux [ce fait], c’est que la limite
dialectale ne coïncide, ni avec une frontière naturelle, ni avec un groupement naturel
de population, ni avec des limites politiques anciennes ou modernes. ... D’ou vient
donc la limite dialectale que nous avons constaté? Je pose la question, je ne peux pas
même essayer de la résoudre.“ Die überzeugende Erklärung dieser Mundartunter-
schiede von Plombières und dem Val d’Ajol stammt von Morf [S. 31]: „Die kirchliche
Einteilung gibt diese Erklärung: Plombières gehört zum alten Bistum Toul, Val
d’Ajol zur Diözese Besançon.“ Dazu kommt bei Val d’Ajol seine abgeschiedene
Lage, in der Oskar Bloch in seinen „Parlers des Vosges méridionales“ (1917)9 auch
einen Grund seiner sprachlichen Besonderheiten sah [S. 320]: „Cependant le Val-
d’Ajol doit à sa situation excentrique un nombre appréciable de particularités.“
Das dritte Beispiel stammt aus dem Tessin: In großen Teilen dieses Kantons finden
wir - wenigstens noch zu Beginn unseres Jahrhunderts - den sogenannten Rhota-
zismus, d. h. intervokalisches -/- > -r-, so z. B. ALA „Flügel“ > ara; CANDELA
„Kerze“ > candera; SCHOLA „Schule“ > scöra (waagerecht schraffiertes Gebiet). In
den weiß ausgesparten Zonen Valle Maggia und Misox (Valle Mesolcina) bleibt hin-
gegen -/- erhalten: ala, candela, scola. Der Ursprung dieser Lauterscheinung (liguri-
sches Substrat oder nicht) ist für unsere Belange irrelevant. Interessant ist aber die
Tatsache, daß das schraffierte Gebiet kirchlich vom Erzbistum Mailand abhängig ist,
d. h. dem ambrosianischen Ritus angehört; das Maggiatal aber (weiße Zone) zum
Bistum Corno gehört und das ebenfalls weiß gezeichnete Gebiet der Mesolcina zum
Bistum Chur; d. h., eine sprachliche Lauterscheinung (hier der Rhotazismus) ist ein-
deutig abhängig von der kirchlichen Gliederung. Die genaue Karte der sogenannten
ambrosianischen Territorien umfaßt zwar nicht den gesamten Raum des heutigen
Rhotazismus, in den ursprünglich ausgesparten nicht ambrosianischen Zonen (Luga-
no und Bellinzona) hat aber ein Ausgleich stattgefunden, d. h. dank der Vorrangstel-
lung von Mailand hat sich der Rhotazismus auch in den dazwischenliegenden Gebie-
ten ausgebreitet. Die zu den Bistümern Chur und Corno gehörenden Randzonen hat
diese Lauterscheinung nicht mehr erreicht.
P. Passy, Notes sur quelques patois vosgiens, in: Revue de philologie française et provença-
le 6 (1892), S. 149; vgl. auch O. Bloch, Une frontière linguistique entre les Vosges et la
Haute-Saône, in: Festschrift für Ernst Tappolet, Basel 1935, S. 42-48.
’ O. Bloch, Les parlers des Vosges méridionales, Paris 1917.
19
Insgesamt gesehen sind aber lautliche Erscheinungen, die mit kirchlichen Raumorga-
nisationen in einem direkten Zusammenhang stehen, relativ selten. Ich kann Ihnen
deshalb auch keine Beispiele aus der Diözese Metz vorlegen. Dagegen glaube ich,
daß in zwei Bereichen eindeutige Zusammenhänge zwischen kirchlicher Verwal-
tungseinheit und Spracherscheinungen nachweisbar sind: bei Kirchenpatrozinien und
in der Kirchensprache, Kirchenpatrozinien sind im Zusammenhang zu sehen mit der
mittelalterlichen Heiligenverehrung und mit dem Reliquienkult. Wenn im Tessin das
Nazarius-Patrozinium verbreitet ist, steht dies sicher in Verbindung mit dem Erzbis-
tum Mailand, da Celsus und Nazarius die Stadtheiligen von Mailand sind, beides
Schöpfungen des hl. Ambrosius10. Hingegen weisen die Patrozinien von Lucius und
Florinus, den beiden Landesheiligen Graubündens, auf das Bistum Chur hin10. Ähnli-
ches gilt für andere Lokalheilige, z. B. für den sanctus Vedastus, der vom hl. Remigius
wenige Jahre nach der Taufe Chlodwigs in Arras als Bischof eingesetzt wurde und
der die Re-Evangelisation in Nordfrankreich durchführte. Es wundert deshalb nicht,
wenn wir das Saint-Vast-Patrozinium vor allem in Diözesen der Pikardie und der
Normandie antreffen. Avitus und Sigismundus dagegen sind als Patrozinien in der
Diözese Genf verbreitet (Jud S. 230)".
Als zweiten und wichtigsten Bereich für Zusammenhänge zwischen kirchlicher
Raumorganisation und sprachlichen Reflexen betrachte ich die Kirchensprache, und
zwar vor allem Bezeichnungen von Kirchenfesten und Ausdrücken, die mit dem Kir-
chenkalender oder dem Ritus im Zusammenhang stehen. Wichtige Anregungen für
die Ausarbeitung dieses Kapitels enthalten zwei Studien von Jakob Jud: „Zur
Geschichte der bündnerromanischen Kirchensprache“ und „Sur l’histoire de la termi-
nologie ecclésiastique de la France et de l’Italie.11"
Eines der ältesten christlichen Feste ist Epiphanias (6. Jh.), die im 2. Jh. von Ägypten
ausging, wo sie in Erinnerung an die Geburt und die Taufe Christi begangen wurde.
Aus lat. epiphania sind z. B. die italienischen epifania/pifania-Formen entstanden. Im
ital. Nordosten und in Sizilien lauten die entsprechenden Bezeichnungen tofania und
gehen somit auf eine Grundform theophania zurück.
Jud hat als erster erkannt, daß diese geographische Verbreitung mit der Kirchenpro-
vinz des Patriarchats von Aquileia im Zusammenhang steht. Dazu paßt der Hinweis
von Morin12, daß theophania die offizielle Bezeichnung des Epiphaniastages in Aqui-
leia vor der Zeit Karls des Großen war. Thierbach [S. 33] schreibt zu Recht, daß theo-
phania der von der griechischen Kirche aus propagierte Typus war und daß nach der
Aufnahme eines besonderen Weihnachtsfestes zur Erinnerung an die Taufe Christi
dem Epiphaniastag eine besondere Bedeutung zukam13. Wenn man die heutige Ver-
breitung des Worttypus theofania ansieht oder auch wenn man die mittelalterlichen
Belege mitberücksichtigt, kann man nicht ohne weiteres Rückschlüsse über die geo-
10 K. Huber, Rätisches Namenbuch III/l, Bern 1986, S. 395 und 370segg.
11 J. Jud, Romanische Sprachgeschichte und Sprachgeographie, Zürich 1973,161-211.
12 P. Morin, L'année liturgique à Aquiiée antérieurement à l’époque carolingienne d’après le
Codex Evangeliorum Rehdigeranus, in: Revue Bénédictine 19,1902, 4.
13 A. Thierbach, Untersuchungen zur Benennung der Kirchenfeste in den romanischen
Sprachen, Berlin 1951.
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graphische Ausdehnung des Einflußbereiches des Patriarchats Aquileia ziehen: tofä-
nia z. B. kommt im Val di Non (AIS 772, p. 320) vor. Dieses Tal im nördlichen Tren-
tino unterstand aber nie der Metropolitangewalt von Aquileia, wenn auch die Raetia
II seit dem 5. Jh. dazu gehörte. Wie für die zentralladinischen Formen haben wir in
diesem Fall vielmehr mit einer sekundären Ausstrahlung dieser Festbezeichnung
durch die spätmittelalterliche Republik Venedig zu rechnen: altvenez. tofania „Epi-
phanias“ (Ende 15. Jh., SBrendanoNovati), lad.anaun. (anaun.) tofania Quaresima.
altvenez. pasqua tofania (1356, Frey), altveron. pasqua tofania (15. Jh., MerloEpif.
268), altfriaul. pasca tefania (Gemona 1360, Thierbach 20)
lad.ates. (Arabba) päska tofäna (AIS 772, p. 315), Penia pgskä tofenä (ib., p. 313),
friaul. Pasche tafänie PironaN, bellun. santa tafänia Pasqualigo.
Ähnlich gelagert ist das zweite Beispiel, die Bezeichnung des Samstags, ebenfalls ein
aus der Kirchensprache stammendes Wort. Im Friaul lautet die Form sähide oder
säbeda und ist feminin. Der Kartenausschnitt mit den eingekreisten Formen, die ins
Zentralladinische und vereinzelt bis ins Val di Fiemme (p. 323) reichen, zeigt wieder-
um den Ausstrahlungsbereich des Patriarchensitzes Aquileia.
AIS 334: sabaio Samstag1
Bezeichnung des Samstags (aus: M. Pfister, Ethnogenese)
Lat. sabbata, -orum n., z. B. in einem Brief des Augustus, wurde im späteren Latein
zu sabbata feminin. In der christlichen Kirchensprache existierte seit Tertullian das
Neutrum sabbatum. In den romanischen Sprachen leben sowohl das ältere heidnisch
profane sabbata wie das christliche sabbatum (>it. sabbato) weiter: vgl. Görz säbida f.
21
(Ive S. 157), Pola ~ ib. und die friaul. Formen mit dem slow. Lehnwort sobota
(Schmid. VRom. 11, 334). Diese istrischen Formen erinnern daran, daß Aquileia 798
zu den friauiischen Bistümern auch die Metropolitangewalt über die istrischen
erhielt.
Auffallend sind auch die zentralladinischen sada-Formen: lad.ates. (gard.) säda f.
Lardschneider, Wolkenstein säda (p. 312), Kolfuschg säbda (p. 314), bad.sup. säbeda
Pizzinini, säbda ib., San Vigilio säbada (p. 305), Arabba säbeda (p. 315), livinal. säbe-
da Tagliavini, AFass. säbeda Eiwert 55, Moena zäbeda Heilmann 87, Penia säbada
(p. 313), lad.cador. (Zuei) säbeda (p. 316), comel. säbda Tagliavini. Pädola ~ (p. 307)
und lad.fiamm. (Predazzo) säbeda (p. 323); AIS 334.
Die Karte 14 in „Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache“ von Theo-
dor Frings zeigt die Kölner Kirchenprovinz und England, die bei heidnischem Saturni
dies, Zaterdag, Saturday bleiben im Gegensatz zu griechisch-mittelmeerisch christli-
chem sabbatum und einem südosteuropäisch-orientalischem sambaton mit m-Epen-
these. Die Grenze zwischen Zaterdag und Samstag/samedi wird dabei durch die Gren-
zen der Erzdiözesen Köln und Trier gebildet. Auf der Karte von Frings wird dem
primären Gegensatz zwischen sabbata und sabbatum keine Rechnung getragen und
somit rätorom. samda zwar angegeben, aber nicht im Reliktzonen-Zusammenhang
gesehen, der das östliche Südfrankreich, die Rätoromania, das Sellagebiet und das
Friaul umfaßt.
Sofern man für zentrallad. säbeda nicht wie bei tofania venezianischen Einfluß im
Spätmittelalter annehmen will, könnte man einen Zusammenhang mit dem Bistum
Säben vermuten, das ja im Etsch- und Pustertal verankert ist und von dort aus (Klo-
ster Sonnenburg) zwischen dem 10. und 12. Jh. die Urbarmachung der Sellatäler
betrieb. Da aber das Bistum Säben im Jahre 798 aus dem Patriarchatsverband von
Aquileia gelöst und dem Erzbistum Salzburg zugeschlagen wurde, muß die Grund-
lage zu späterem sabda f. im 8. Jh. schon vorhanden gewesen sein.
Zu beachten sind vor allem die bündnerromanischen Formen mit femininem Genus.
Diese Formen weisen feminines Genus auf, zeigen aber auch die m-Epenthese, die
mit deutsch Samstag in Zusammenhang steht. Bündnerroman, sämda zeigt eine Son-
derentwicklung der rätoromanischen Kirchensprache, die sich weder nach den kirch-
lichen Zentren Mailand noch nach Aquileia ausrichtet.
Von Wartburg interpretiert die bündnerromanischen Formen richtig, wenn er
schreibt: (ZrP 66, 221) „der Unterschied zwischen den beiden Stämmen sabb- und
samb- überlagert hier sicher sekundär den alten Gegensatz zwischen sabbata und sab-
batum.u Zusammen mit provenz. sapta nimmt die profane feminine Form eine Rand-
lage ein und entspricht der älteren Schicht, während christliches sabbatum von Mai-
land ausstrahlte und als Neuerung interpretiert werden kann, welche weder das
Bündnerromanische noch die Kirchenprovinz Aquileia erfaßte. Die kirchensprachli-
che sabbata-Einhek in den Ostalpen reicht bis ins Fleimstal und findet sich auch im
ladino cadorino (pp. 307, 316), im Zwischengebiet zwischen Friaul und dem Zentral-
ladinischen.
Für die Bezeichnung des Weihnachtsfestes haben wir in Frankreich eine Dreiteilung:
den Typus kalendas im östlichen Okzitanischen und im Frankoprovenzalischen, nata-
22
lis im westlichen Okzitanischen und notale (> fr. Noël) in Zentral- und Nordfrank-
reich. Uns interessiert in diesem Zusammenhang die Karte III von Jud, welche die
Westgrenze der Diözesen Lyon - Genf - Lausanne gegenüber der Diözese Basel
angibt. Grosso modo stimmt mit dieser Diözesangrenze die Grenze zwischen Calen-
das im Osten und Noël im Westen überein.
Verbreitungsgebiete der Bezeichnungen calendas und noël für Weihnachten (aus:
Jud, Roman. Sprachgeschichte und Sprachgeographie, Karte III).
***** Grenzen der Diözesen Lausanne, Genf und Lyon gegen die Diözesen Basel
und Besançon
*-*'* jetzige Grenze der Verwendung von calendas und noël
...... frühere Grenze der Verwendung von calendas und noël nach mittelalterlichen
Urkunden.
Freilich handelt es sich dabei für die Diözese Lyon um die mittelalterliche Grenze,
weil die modernen Belege des lyonesischen Sprachatlas (Karte VI) alle die regional-
französische Form noyel aufweisen.
Für das Dep. Ain erwähnt Jud [S. 234 N 20] chalendes-Be\ege aus den „Documents
linguistiques publiées par Philipon“14. Die „Documents linguistiques de la France,
14 E. Philipon, Documents de la Bresse, in: P. Meyer, Documents linguistiques du Midi de
la France, Paris 1909, S. 1-169.
23
Lyonnais II“ (1975)15 enthalten leider kein Wortregister, das für den zweiten Teil-
band angekündigt ist. Eine oberflächliche Durchsicht bringt für die Zollstelle {péage)
von Rochetaillée 1388 - 1391 die Form la veilli de Chalendes [143] und für 1320-1324
für Lyon lo sando davant Chalendes [doc 47, 30]. Jud schreibt [278]: „Si, au Ve siècle,
Lugudunum propageait dans l’étendue de son diocèse calendas comme nom de la fête
appelée natalis à Rome, on voit la métropole du Sud-Est abandonner dès le XVIe
siècle la tradition séculaire en sacrifiant son ancien tsalende au profit du français noël
déguisé sous la forme patoise nqyç que la ville moderne va imposer à sa grande ban-
lieue.“
Besonders interessant sind jene kirchensprachlichen Bezeichnungen, die eine
bestimmte Diözese oder Kirchenprovinz charakterisieren: Bei der Redaktionsarbeit
am etymologischen Wörterbuch der italienischen Sprache (Lessico etimologico italia-
no) bin ich auf ein solches Kirchenwort des Erzbistums Mailand gestoßen. Es handelt
sich um die Bezeichnung von Christi Himmelfahrt. In frühchristlicher Zeit standen
sich ASCENSA und ASCENSIO gegenüber. Im Sacramentarium des Gelasius und
bei Gregor im 6. Jh. steht ASCENSA, bei Irenaeus (4. Jh.) und in den „Concilia Aevi
Merovingici“ findet sich ASCENSIO, das sich später in Frankreich mit Ascension
durchsetzt. Das Erzbistum Mailand verwendet eine Kontaminationsform: ascensia.
Die Belege stimmen auffallend mit den Grenzen des Bistums überein15“.
Die Feststellung von Kirchenwörtern und deren Vergleich mit der Ausdehnung von
kirchlichen Raumstrukturen kann aber auch Schwierigkeiten und Tücken enthalten.
Dies zeigt das Beispiel von regionalfr. moti < fr. montier. Da dialektales moti (= fr.
moûtier) in der Bedeutung „église de n’importe quelle paroisse“ in Lothringen, in
den Vogesen, Franche-Comté und in einem Teil der Westschweiz vorkommt, nahm
Jud [S. 230] an, daß dieses Wort vom berühmten Vogesenkloster Luxeuil und im
Osten von Metz ausgestrahlt sein könnte: „moti au sens d\église de n’importe quelle
paroisse’ paraît avoir son point de départ dans l’organisation de l’Eglise chrétienne
que dirigeaient, dans les Vosges et dans le Jura, le célèbre Monastère de Luxeuil et,
dans l’Est, le moutier fondé par saint Chrodegang“.
Jänicke schreibt in dem 1969 publizierten FEW-Kommentar s. v. monasterium: „Vor
allem in der nördlichen Galloromania hat sich früh aus der ursprünglichen bed. ,klo-
ster’ die bed. ,kirche‘ entwickelt. Dieser bed. wandel von ,kloster‘ zu ,(kloster)kirche‘
kann sich nur im Sprachgebrauch christlicher laien vollzogen haben. Für sie war die
klosterkirche, die sie zum gottesdienst aufsuchten, der wichtigste und allein zugängli-
che teil des klosters. Verallgemeinernd konnte moutier dann auch auf jede beliebige
kirche übertragen werden ... In neuerer zeit lebt das wort nur noch in Lothringen
und der Westschweiz fort, und zwar in der bed. ,pfarrkirche1.“ Bei Jänicke noch nicht
berücksichtigt ist der 1968 von Paul Aebischer zu monasterium publizierte Beitrag in
15 P. Durdilly, Documents linguistiques de la France, Lyonnais II (1975), Paris 1975.
,5a Lei 3,1542.
24
„Linguistique romane et histoire religieuse“ 243-25416. Im Gegensatz zu Jud sieht
Aebischer in moutier „Pfarrkirche“ keine semantische Neuerung, die aus den Räu-
men Metz - Gorze - Luxeuil stammen könnte, sondern einen Archaismus, der auch
in frühen altfranzösischen Texten in dieser Bedeutung vorkommt, z B. im Alexius-
Lied (11. Jh.) oder im Rolandslied (ca. 1148): [S. 248] „force nous sera de conclure
que son extension primitive est bien plus étendue que ce qu'il en reste aujourd’hui, et
que l’origine de ce mot, avec ce sens, ne doit rien aux moines luxoviens ou messins“
... [S. 248] „le passage sémantique de moustier .monastère1 à .église quelconque1 est
trop répandu, trop général, pour qu’on puisse l’attribuer uniquement à l’influence des
moines de Luxeuil et de Metz“. Aus diesen Gründen betrachte ich moutier nicht als
Leitwort für die Metzer Diözese.
Auf sicherem Boden bewegen wir uns aber bei der Bezeichnung des Pfingstfestes
tschungqueismas (<quinquagesima) im Bistum Chur im Gegensatz zur griechischen
Bezeichnung pentecoste im Erzbistum Mailand. Quinquagesima wurde nie in den offi-
ziellen Kirchenkalender aufgenommen. Die Latinisierung von Pentecoste hat sich
aber in den Randgebieten des Imperium Romanum durchgesetzt, in jenen Gebieten,
in denen nach dem Germaneneinfall zwischen dem 6. - 8. Jh. eine Art Neu-Christia-
nisierung nötig wurde: in Nordfrankreich (bedingt durch die Franken), in Nordspa-
nien (bedingt durch die Westgoten), in Graubünden (z. T. bedingt durch die Aleman-
nen). Der politischen Umorientierung nach Norden, bedingt durch die
Herrschaftsstellung der rätischen Familie der Viktoriden, folgte in Graubünden eine
kirchliche Umorientierung nach dem merowingischen und fränkischen Norden, die
im 7. Jh. begann und im Jahre 847 einen definitiven Abschluß fand mit der Eingliede-
rung des Bistums Chur in die Mainzer Kirchenprovinz. Bündnerromanisch tschun-
queismas statt lombardisch pentecoste bedeutet aber mehr als nur eine sprachliche
Loslösung vom Erzbistum Mailand und den Beginn der Herausbildung einer eigenen
Sprache, eben der rätoromanischen. Gleichzeitig handelt es sich um die Eingliede-
rung Graubündens in den galloromanischen Nordosten, wenigstens im Bereich der
Kirchensprache, ein Zusammengehen mit Lothringen - Wallonie - Pikardie. Im Falle
von quinquagesima können wir diese Sprachschicht - Jud nennt sie vorfränkische -
nachweisen: altpik. chinqueme „Pentecôte“ (Saint-Omer 1250/53, Jud 275), chuinkes-
me (14. Jh., FEW 2/11, 1479b), ciunckesme (Lille 1290, Jud 273), ciunkesme (Tournai
1320, Gdf 9,95c), altlütt, cinquesme (1376, Haust, ib.).
Neu dazugekommen sind folgende Belege: altwallon. cinquesme (La Gleize 1541,
RemacleDocLex.), altflandr. chunqueme (Gand 1259, Mantou). Dazu gehören auch
altfläm. cincksen, sincksen, mndl. cinxene, fläm. schinksen De Bo. Im galloromani-
schen Gebiet scheinen jedenfalls die Diözesen Lüttich, Tournai und Thérouanne
diese Bildung gekannt zu haben.
Abschließend spreche ich über die Kirchensprache des Nordostens der Galloromania
und zähle dazu Pikardie, Flandern, Wallonie und Lothringen. Die Pikardie umfaßt
16 P. Aebischer, Linguistique romane et histoire religieuse (Biblioteca filologica historica
XXIV), Barcelona 1968.
25
die Diözesen Thérouanne, Tournai, Arras, Cambrai, Noyon, Amiens und Beauvais
und gehört zum Erzbistum Reims. Die Wallonie mit dem Liégeois und dem Namu-
rois gehört zur Diözese Tongres, die vor der französischen Revolution der Kirchen-
provinz Köln eingegliedert war. Die Bistümer Verdun, Toul und Metz gehörten zur
Kirchenprovinz Trier.
Jud vermutete, daß in diesem gesamten nordöstlichen Bereich der Namenstag des
heiligen Remigius von Reims, der im Diözesankalender am 1. Oktober festgesetzt ist,
als Zahltag für eine ganze Reihe von Abgaben galt, und zwar nicht nur für die Kir-
chenprovinz Reims, sondern auch für diejenigen von Trier und Köln.
Als typisches Wort des lothringischen, pikardischen und wallonischen Sprachraums
verzeichnet FEW 1, 167 ATRIUM in der Bedeutung „Friedhof“. Dank der Freund-
lichkeit des jetzigen Leiters J.-P. Chambon dieses bedeutendsten etymologisch ausge-
26
richteten Wörterbuch-Unternehmens der Galloromania konnte ich die noch nicht
publizierte, von Wartburg ca. 1970 verfaßte provisorische Neufassung dieses Artikels
einsehen. Daraus ergibt sich, daß die spätmittelalterlichen und modernen Dialektbe-
lege ATRIUM in der Bedeutung „Friedhof“ eindeutig als ein Kirchenwort des gallo-
romanischen Nordostens (Lothringen, Wallonie, Pikardie) ausweisen, wenn auch ein-
zelne afr. Belege, z. B. im Rolandslied, und toponomastische Hinweise für eine in afr.
Zeit weitere Verbreitung dieses Kirchenwortes sprechen: Afr.mfr. aitre „cimetière“
(Roland, TL; lütt. 1353, HaustReg 1; CentNouv), atre „(généralement près de l’égli-
se)“ (13. - 14. jh,, Gdf; TL), attre (1372, Tournay, Gdf; Mons 1401, RuelleActes), estre
(JMarot, Li), astre f. (16. jh., Hu), lattre m. (1567, Jun 331), latre (MistSQ; 1577, Jun
220; 1606, Jun 27; Cotgr 1611), Malm, et m.lütt. ête (m.f.), wallon, et m. (p 193, 197,
190, 184, 186), f. (p 196), nam. et, Jupille ête m. BSLW 19, 263, rouchi, flandr. atre, St-
Omer latte, lattre, boul. atre (Mén 1650; 1810), PCal. lat (p 288), Meuse aître. - Ablt.
St-Hubert êtriy, Bouillon aitrie, laitrie, etriey Brun 325, Meuse atri (p. 164), ätrie m.
latri. Meurthe M. atri f. (p. 162), atrçy m.(p. 170), atrey (p. 171), Moselle ätrey ALF
288.
Ergänzen kann man zwei weitere, seither publizierte Belege aus Flandern und aus
der Wallonie: altflandr. attre (Fretin 1268, Mantou 53)17, altwallon. aytre (La Gleize 2e
moitié 16e s., RemacleDocLex. s. v. ête).
Dazu der provisorische Teil-Kommentar von Walther von Wartburg, den er kurz vor
seinem 1971 erfolgten Tod verfaßt hat: „In der terminologie der christlichen kirche
wurde atrium zur bezeichnung einer Vorhalle, oft eines grossen, mit säulengängen ein-
geschlossenen vorhofs der kirche verwendet. In der bed. ,platz vor der kirche1 ist es
noch heute in ortsbezeichnungen erhalten, besonders im pik.norm.lothr. Vgl. in
Rouen l’aître de la cathédrale (oben 1). In diesen vorhöfen wurden früher und werden
zum teil noch heute die toten, besonders die vornehmer abstammung, begraben. Dar-
aus entstand allmählich die bed. Jriedhof (oben 2). Im mittelalter war diese bed. im
lothr.wallon.pik. stark verbreitet. Heute hat es fast ganz dem fr. cimetière platz
gemacht. Über die durch Ortsnamen belegte weite Verbreitung von atrium im sinn von
.friedhoP s. Thierbach Z 59, 328“.
Über den Ortsnamen Laitte, der 1654 im elsässischen Val d’Orbey belegt ist, schreibt
Wulf Müller [S. 31] „Peu de mots ont une histoire aussi captivante. L'ATRIUM latin
désignait d’abord le vestibule de la maison romaine, ensuite le parvis d’une église et
enfin le cimetière. Le vocable était répandu en Lorraine où de nombreux toponymes
subsistent.“18
Für die Bezeichnung des Epiphaniasfestes verzeichnet Jud erbwörtlich entwickelte
Formen für die Diözesen Limoges und Périgueux: altlim. hreffanie „Epiphanias“
(Limoges 1490, Lv), breffania ib., brefania (Sarlat 1331, Lavergne, R 37, 425), ~ (Mar-
17 R. Mantou, Le vocabulaire des actes originaux rédigés en français dans la partie flamin-
gante du comté de Flandre, in: Bulletin de la Commission Royale de Toponymie et Dialecto-
logie, 1972.
18 W. Müller, Noms de lieux et patois, in: Société d’histoire du canton de Lapoutroie Val
d’Orbey, Bulletin no. 6, 1987, S. 28-33.
27
tel, RPFL 8, 284), périg. brefanias (Daniel, s.v. épiphanie) , Saint-Pierre-de-Chignac
brefanias pl. (FEW 3, 231a).
Entsprechende Formen existieren aber auch in der Metzer Kirchensprache: altmess.
bruvenie (Cart. Saint-Vincent-de-Metz, ThomasMél. 38), ~ (ca. 1300, Bonnardot, Doc.
pour servir à l’histoire du droit coutumier de Metz 21), brevenie ib. 22.
Eine ähnliche geolinguistische Verteilung zeigt paroffe „Pfarrkirche; Kirchspiel“ mit
der Entwicklung von gr. -chia- > û mit Lautsubstitution zu paroffe, ähnlich wie Mat-
haeus zu it. Maffeo. Jud bezeichnet altlim. parofia „paroisse“ als typisch limousinisch:
„Limoges semble avoir été le centre d’où rayonna parofia ,paroisse’ qui est restreint
aux documents limousins .. .“[266].
Diese Lauterscheinung ist aber ebenfalls für den Nordosten charakteristisch: altpik.
profie f. „église paroissiale“ (Douai 1219, GysselingDocAnc, Drüppel 88)l9, parofe
„paroisse“ (Douai? 1229/30, BEC 34, Drüppel 88),proffre (Flines 1279, Drüppel 89),
proffe (Flines 1293, ib.), profe (ib. 1292), althain. porofte (Tournai 1222/23), Gysse-
lingDocAnc, Drüppel 88), porofe (ib. 1225, Drüppel 88; ib. 1226), pourophe (Chiè-
vres 1070, copie 1300 ca., ib.), porofre (Tournai 1288, ib. 89), altwallon. pouroffe
(Namur 1284, ib. 89).
Die offizielle Bezeichnung für Palmsonntag ist in Frankreich dimanche des Rameaux.
Am Sonntag vor Ostern wurde der in Jerusalem einreitende Jesus vom Volk mit
Palmzweigen empfangen. In Frankreich feierte man etwa seit dem Jahre 800 dieses
Fest mit Prozession und Weihe der Palmenzweige. Im römischen Sakramentarium ist
dominica in palmis verzeichnet. Mit der Missionstätigkeit von Bonifatius wurde in
den Rheinlanden die römische Liturgie - und nicht etwa diejenige der gallikanischen
Kirche - eingeführt, zuerst in Metz und in Köln. Deshalb betrachtet Jud [S. 254] die
wallon, und lothr, Belege vom Typus Palmes als Latinismen der liturgischen Sprache
von Trier und Köln, welche den altlothr. und altwallon. Formen entsprechen: altlothr.
Palmes „Palmsonntag“ (1230, Wailly, Coli. Lorraine, Notices et Extraits, t. 28, p. 19),
Pames (1272, ib. 110; 1295, ib. 250), altlütt, les Pâmes pl. (1256, Cart. Eglise Saint-Lam-
bert 2, 89), altlothr. les palmes (ca. 1190, FEW 7, 515a), les pames (1270-1295, ib.), les
paulmes (1331, ib.), Moselle le pôm ib., südvog. le pworm ib., altlothr. jor des palmes
SSBern, jour des paumes (14. Jh., RF 5, 594), altchamp. jour des palmes (ca. 1400,
FEW 7, 515a).
Möglicherweise steht ein weiterer kirchensprachlicher Ausdruck aus dem Walloni-
schen mit der Kölner Kirchenprovinz im Zusammenhang: FEW 5, 78 s. v. Jupiter ver-
zeichnet: altwallon. blanc dioès „le jeudi avant la quinquagésime“ (12. - 14. Jh.), mfr.
blanc jeudy (vor 1525, JLemaire), lütt. blanc djûdi FEW 5, 78, nam. blanc djwèdi ib.,
Mons le Blanc Joëdi ib.
w Chr. J. Drüppel, Altfranzösische Urkunden und Lexikologie. Ein quellenkritischer Beitrag
zum Wortschatz des frühen 13. Jahrhunderts (ZrP-Beihefte Bd. 203), Tübingen 1984.
28
Zu ergänzen: althain. blancdivés (1294, Jud 271), blancdiwes (Mousket, Chronique?
cités par Cachet, op. cit. 546), altpik. blandioefs (Chron.artés. 1295-1304, Coll, de tex-
tes pour servir à l’histoire de France III, 25, 65), altpik. (le jeudi du) Blandies (Pont-
hieu 1286, BEC 36, 211).
„Blanc jeudi“ erinnert an die Verteilung des Weißbrotes an die Armen am Tage des
Abendmahles. Altwallon. blan judi (La Gleize 1571, RemacleDoclex), blan jutty (ib.
1606), St. Pol blàdyû ,,1’argent qu’il est d’usage de donner le jeudi saint aux valets du
meunier qui, pendant l’année, rapportaient aux particuliers la farine du moulin, ou
aussi au valet chargé de conduire et de soigner les chevaux d’une ferme“ [Jud 271].
Eine weitere Lehnübersetzung aus dem Niederdeutschen und dem Mittelniederländi-
schen ist: altnam. tremedi m. „Epiphanias“ (1276, FEW 13/11, 236a), altlütt, treisme
(1244-1516, ib.,) treme (1342, ib.), treyme (1395, ib.).
Wartburg führt diese Formen unter tredecimus „der dreizehnte“ im FEW auf und
kommentiert: „Die bezeichnung des Dreikönigstages als des dreizehnten tages (näm-
lich nach Weihnachten) hat das wallon, mit dem rhein. und dem ndl. gemeinsam, vgl.
altfläm. derthiendage, mndl. dertendach. Jud RLiR 10,53 sieht in den wallon. Wörtern
und in dem anschliessenden apik. traisime (s. TREDEC1M) eine Übersetzung aus
dem m. ndl. wort. Der grund zu dieser lehnübersetzung läge darin, dass diese gebiete
im Mittelalter zu der erzdiözese Köln gehörten:“ Altfr. tresime „Epiphanias“ (St-
Omer 1299, FEW 13/11, 234b), trezime (Béthune 13. Jh., ib.), traisime (Tournai 1311,
ib.).
Zu ergänzen: altlütt, treme (Huy 1297, R 18, 22), ~ (Val Benoit 1275, Jud 270), ~ (1244.
Cart. Saint-Lambert, ib.; 1304, ib.), altwallon. Tryme (La Gleize 1528, Remacle-
DocLex. s. v. trème)20, Rhein.Wb. 1,1474: Drüekzihndedag, Drütendendag.
In diesen Zusammenhang gehört auch das romanische Lehnwort Paschen statt
Ostern im germanischen Teil der Kölner Kirchenprovinz.2’
Ebenfalls als nordöstliches typisch gallikanisches Kirchenwort betrachte ich die
Faschingbezeichnung apik. quaresmel „mardi-gras“. Bekannt sind in Frankreich qua-
rem prenant oder im frpr. und im okzit. caresmentran. Die nicht zusammengesetzte
Simplexform, versehen mit dem Suffix -ellu22 kommt nur im Pikardischen und im
Wallonischen vor: altpik. quaresmel m. „mardi-gras“ (TL; JBodel; BaudSeb.), alt-
flandr. quarmiel Roisin, quaremiel „dimanche Estomihi“ (Tournai 1280, RF 25, 192),
altpik., altflandr. quaresmeaux „carnéval“ (13. - 17. Jh., Gdf; CentNouv; Chastell;
Molin; Huls 1614), pik. carémieux pi., carnavieux pl., Malm, kwarmç, wallon, quer-
meail pl. (La Gleize 1547, RemacleDocLex), carmeau m. (1628, ib.). „Le type cares-
mel survit, selon les renseignements que m’a donnés M. Haust, dans les arrondisse-
20 L. Remacle, Documents lexicaux extraits des archives scabinales de Roanne (La Gleize)
1492-1794, Paris (Les Belles Lettres) 1967.
21 Vgl. Frings, Grundlegung, (wie Anmerkung 5), Karte 17.
22 Altflandr. quarmiel scheint mir Jud recht zu geben, daß es sich um das Suffix -ellu handelt,
und nicht um -ale (FEW 2/II, 1390b).
29
ments de Tournai et d’Ath (12 points), à Malmédy (kwarmè) et vient de disparaître
dans l’Ardenne liégeoise (Jud 259 N 63)“,
Für die alte Diözese Metz von besonderem Interesse ist die Bezeichnung für Mariä
Lichtmess, für den 40. Tag nach Weihnachten, im Französischen fête de la Purificati-
on de Notre-Dame. Da an diesem Festtag die Kirche mit einer großen Anzahl von
Kerzen erleuchtet wird, lautet die volkstümliche Bezeichnung festa candelarum
„Chandeleuroder im Osten und Südosten auch ehandelouse/chandeleuse. Die
Bezeichnung chandeleuse ist charakteristisch für die Erzdiözesen Besançon und Vien-
ne und im Nordosten für das Wallonische.
Nördlich an Besançon anschließend in den uns interessierenden Diözesen Toul und
Metz finden wir keine Spur von chandeleuse, dafür aber chandelles: Altlothr, les chan-
doiles (1254 - 15. jh, FestsGam 57), Nostre Dame des chandoiles (1285, FEW 2,179b),
Moselle sàdœl pl., Meurthe M., Vosges sâdol, bress. chandêle, Jodoigne, Gemblouxö
tsâdçl ,à la Chandeleur' Haust. „Aux chandelles se dit aussi dans le Brabant oriental
(6 points), au nord de l’arrondissement de Namur (6 points) et dans l'arrondissement
de Waremme (à Pellaines) (communie, de M. Haust)“ [Jud 238].
Auffallend ist auch die entsprechende pik. Form candeler ,Chandeleur'. Jud rechnet
sie der zweiten Christianisierungswelle zu, die nach dem Frankeneinfall im 6. Jh.
anzusetzen sei. Es handelt sich um eine lautgerechte Entwicklung von festa candela-
rum im Gegensatz zu fr. Chandeleur, das wie zentral- und süditalienisch candeloru auf
analogisch umgebildeten {festa) candelorum zurückgeht, entsprechend gesta Fran-
corum, gesta paganorum. Die offizielle Form festa candelarum konnte sich nur in die-
sen neu missionierten Gebieten Hennegau, Flandern, Wallonien und Pikardie durch-
setzen, vgl. in Ergänzung zu Jud: altwallon. chandeler ,Chandeleur' (13. Jh.,
Cistercienserinnen-Regel, RF 10, 637); altpik. candeler (Hainaut, Flandre, 13.-15.
Jh., Gdf; Roisin; Tournai 1236, DocLingHainaut 1,3B; 1272, RLR 41, 389), Mons can-
delée f. Dl, rouchi id., hain. kâdle m., Nord këdle (p. 272). „Le type candele(r), chan-
dele(r) couvre, d’après une communication de M. Haust, la zone picarde de la Belgi-
que: arr.ts de Tournai, d’Ath, de Mons et de Joignies, y compris une bande des arr.ts
de Nivelles et Charleroi (14 points)“ [Jud 269].
Nach diesem Rundgang vom Wallis ins Tessin, Friaul, Zentralladinische, Rätoroma-
nische zur Pikardie, Wallonie und Lothringen lassen Sie mich schließen mit fünf
zusammenfassenden Feststellungen:
1. Morfs These, welche die alte kirchliche Gliederung als konstitutiv ansieht für die
Ausgliederung der Galloromania und der Romania, läßt sich in dieser Form nicht
aufrecht erhalten. 23
23 Documents linguistiques de la Belgique Romane I, Hainaut, publiés par J. Monfrin avec
le concours de L. Fossier, Paris 1984.
30
Bezeichnung des Lichtmeßfestes = festum purificationis Marie (aus: Jud, Roman.
Sprachgeschichte und Sprachgeographie S. 221)
♦♦♦♦♦ Westgrenze der Kirchenprovinzen Lyon und Besançon
...... Westgrenze des Verbreitungsbereiches der Bezeichnung chandeleuse
31
2. Morf hat aber recht, wenn er die alten Diözesangrenzen als Konstanten ansieht,
die auf die römischen Civitates, ja sogar bis auf ethnische gemes-Gliederungen der
vorrömischen Zeit zurückgehen.
3. Dialektgrenzen, die auf Diözesangrenzen zurückgehen, gibt es: die Diözese Metz
ist aber gerade ein Gegenbeispiel dazu, das zeigt, daß kirchliche Raumgliederung
und sprachliche Differenzierungen nicht zusammenfallen müssen. Dagegen
beweist das Bistum Chur, daß politische und kirchliche Umorientierungen (von
Mailand nach Mainz), begünstigt durch die geographische Randlage, sehr wohl
ihre Bedeutung haben für die Konstituierung von Sprachräumen, z. B. des Rätoro-
manischen. Ähnliches gilt für das Patriarchat Aquileia, dessen sprachliche Randla-
ge und kirchliche Einheit zur Herausbildung der friulanischen Sprache beigetragen
hat.
4. Kirchenpatrozinien können mit der Diözesangliederung in Zusammenhang stehen,
vor allem, wenn es sich um bekannte Lokalheilige handelt wie Vedastus oder Luci-
us und Florinus in Graubünden.
5. Wörter der Kirchensprache, vor allem Bezeichnungen christlicher Feste wie Weih-
nachten (calendas), Dreikönigstag (epiphania, theophania, tredecimas), Mariä
Lichtmess (candelas, candelarum), Palmsonntag (Palmas), Pfingsten (quinquagesi-
ma), Himmelfahrt (ascensia), liefern eindeutige Beispiele, die einen unbestreitba-
ren Zusammenhang nachweisen lassen zwischen der geolinguistischen Verbreitung
einer Festbezeichnung und der kirchlichen Raumstruktur.
32
Wolfgang Haubrichs
Die Ausbildung der Grenze zwischen den Diözesen
Metz, Speyer und Worms aus der Perspektive von Toponymie
und Siedlungsgeschichte
Wer die Grenzbildung der alten Diözesen Metz, Speyer und Worms im Bereich des
Westrichs etwa zwischen Kaiserslautern und Pirmasens verstehen will, muß mit der
Beschreibung dieser Grenzen beginnen1. Quellen für die Rekonstruktion dieser
Grenzen besitzen wir in Pfarrverzeichnissen der einzelnen Diözesen, die aus Grün-
den der Steuerkontrolle bzw. der Pfarrvisitation im späten Mittelalter angelegt wur-
den. Frühmittelalterliche Quellen dieser Art besitzen wir nicht. Wir fassen also in der
hier zu besprechenden Grenzstruktur den Stand des 14. und 15. Jahrhunderts:
- für Metz nach Verzeichnissen des Jahres 1361, des 15. Jahrhunderts und des Jahres
1540, die später noch genauer zu besprechen sind2;
- für Speyer nach der Bistumsmatrikel des Bischofs Matthias Ramung aus den
Jahren 1468-14703;
- für Worms nach dem Synodale vom Jahre 14964.
Nach diesen Quellen läßt sich östlich von Waldmohr im Bereich der Metzer Pfarrei
Vogelbach im Landstuhler Bruch unmittelbar an der großen West-Ost-Straße, die
von Metz über Saarbrücken und Kaiserslautern nach Worms bzw. Mainz zog, mit
dem Punkt, an dem die Diözesen Mainz, Worms und Metz zusammenstießen, be-
ginnen (vgl. Karte Nr. 5). Von diesem Punkt aus gewann die Metz-Wormser Grenze,
im wesentlichen nach Süden gerichtet, erst die Sickinger Höhen, um dann entlang der
Wallhalbe bis zu deren Einmündung in den Schwarzbach und sogar noch einige Kilo-
meter über diesen Punkt hinaus zu ziehen und dann nach Osten auf die Rodalbe zu
schwenken. Grenzpfarreien waren hier auf Metzer Seite Lambsborn, Wiesbach, Win-
1 Nur wenige der einschlägigen Darstellungen und Handbuchartikel zu den Bistümern Metz,
Speyer und Worms befassen sich bisher mit den Grenzen der Diözesen: vgl. Das Reichsland
Elsaß-Lothringen, Straßburg 1901/03, Bd. Ili, S. 674; G. Wolfram, Zur kirchlichen Ent-
wicklung des Bistums Metz, in: Elsaß-Lothringischer Atlas, Frankfurt a.M. 1931, Beiheft,
S. 37-39 (äußerst problematisch); C. Pöhlmann, Die älteste Geschichte des Bliesgaues,
Speyer 1953, Bd. 2, S, 7f.; L. St amer, Kirchengeschichte der Pfalz, Speyer 1936, S. 34ff.; V.
Rödel, Das Landdekanat Weyher (= Palatia Sacra, Tl. I, Bd. 4). Mainz 1988, S. Xf. (mit Hin-
weis auf Kartierungen der Grenzen); M. Schaab. Die Diözese Worms im Mittelalter, Frei-
burger Diözesan-Archiv 86 (1966), S. 94-219 (passim).
2 N. D or vaux, Les anciens pouillés du diocèse de Metz, Nancy 1902, S. 22ff.; A. Lon-
gnon/V. Carrière, Les Pouillés de la province de Trêves, Paris Î915, S. XXXIIff.
F.X. Glasschröder: Die Speierer Bistums-Matrikel des Bischofs Mathias Ramung, in:
MHVPf 28 (1907). S. 75-126.
4 [X] v. Weech, Das Wormser Synodale von 1496, in: ZGO 27 (1875) S. 227-326. 385-454; H.
Eberhardt, Die Diöcese Worms am Ende des 15. Jahrhunderts nach den Erhebungslisten
des <Gemeinen Pfennigs> und dem Wormser Synodale von 1496 (= Vorreformations-
geschichtliche Forschungen 9), Münster i.W. 1920; H. Meyer, Topographie der Diözese
Worms im Mittelalter, in: Archiv für Hessische Geschichte NF 17 (1932), S. 1-92.
33
terbach. Maßweiler und Nünschweiler, auf Wormser Seite Ruppach (Wüstung bei
Bruchmühlbach), Labach, Wallhalben, Horbach und Thaleischweiler. Bei Rodalben
begegnen sich die Diözesen Metz und Speyer. Die Grenze zwischen beiden verlief
zunächst nach Nordosten, südlich der Speyrer Pfarreien Burgalben und Waldfisch-
bach, um dann den Oberlauf des Schwarzbachs zu gewinnen, dem sie bis zur Quelle
folgte, um dann in scharfem Knick nach Süden zu streben. Weiter südlich folgte sie
dem Oberlauf der Wieslauter bis zur Einmündung des Salzbachs bei Hinterweiden-
thal, strebte diesem bei Lemberg ein Stück aufwärts nach, um dann über die Berge -
das obere Tal der Sauer, hier Saarbach genannt, kreuzend - nördlich von Nie-
dersteinbach auf die Straßburger Diözese zu treffen. Auf Speyrer Seite begrenzten
hier die Pfarreien Hofstätten, Wilgartswiesen und Dahn, auf Metzer Seite Rodalben,
Pirmasens, Walschbronn und der Klosterbezirk der Zisterze Stürzelbronn5.
Betrachtet man die angesprochenen Diözesangrenzen näher, so fällt auf, daß sie sich
nicht etwa an die Wasserscheiden im Pfälzer Wald und im Haardt-Gebirge halten,
also nicht an den Verlauf der Bachtäler, sondern auf mannigfache Weise davon ab-
weichen. So reicht die Diözese Worms südlich Kaiserslautern zwischen Trippstadt,
Labach und Thaleischweiler erheblich in das Flußsystem der Blies hinein; das gilt in
gemindertem Umfang auch für die Diözese Speyer am oberen Schwarzbach. Es gilt
umgekehrt im Süden des Gebietes für die Diözese Metz, welche nach Osten in das
Flußgebiet der oberen Wieslauter und der Sauer hineinreicht.
Gerade diese Überschreitung der Gebirgskämme ist zudem mit zwei auffälligen
Formeigentümlichkeiten der Diözesen Speyer und Worms verbunden. Wie ein
Schlauch reicht die Diözese Worms, von ihrer Basis am Rhein ausgehend, einge-
klemmt zwischen den geistlichen Bezirken von Mainz und Speyer, im Bereich der
Kaiserslauterner Senke und des südlich anschließenden Berglandes nach Westen. An
der Nahtstelle zwischen rheinischem Aitsiedelland und dem Waldgebiet bei Alsen-
born ist sie nur eine Pfarrei breit. Eine ähnliche, aber kleinere sackartige Ausbuch-
tung kennt die Diözese Speyer unmittelbar südlich anschließend mit den Pfarreien
Burgalben und Waldfischbach, die mit dem Hauptgebiet der Speyrer Diözese, die
sonst auf breiter Front den Osten der Pfälzer Haardt erfaßt hat, nur durch eine 2 km
breite Brücke, einen Bergkamm zudem, zusammenhängt. Bei einer genetischen
Betrachtung der Diözesangrenzen scheinen diese Formationen und Gegebenheiten
am stärksten erklärungsbedürftig.
Beim Mangel direkter Quellen läßt sich der Formationsprozeß der Diözesen als
Organisatoren des Raumes nur indirekt fassen. Wir versuchen daher hier, diesen Pro-
zeß auf drei Wegen, auf denen bei der Organisation des Raumes konkurrierende und
kongruierende Kräfte begegnen, nachzuvollziehen:
1. der Siedlungsgeschichte
2. der Pfarrgeschichte
3. der Besitzgeschichte.
5 Vgl. J.B. Kaiser, Die Abtei Stürzelbronn, Straßburg 1937.
34
1. Siedl ungsgeschichte
Flächendeckende Quellen für die Siedlungsgeschichte eines Raumes im früheren
Mittelalter sind urkundliche Erstnennungen von Siedlungen (leider allzuselten), Sied'
lungsnamentypen und archäologische Funde. Dazu vermögen hier und da wertvolle.
* Reihengräber — ungefährer Verlauf der wichtigsten Römerstraßen
Die Verbreitung merowingerzeitlicher Grabfunde im Saar-Mosel-Raum.
( nach F Stein,in: Archaeotogia Mosellana 1 (1989 ) S. 139 )
35
aber vereinzelte erzählende Quellen und auch juristische, den Rechtsvorgang der
Aufsiedlung erläuternde Quellen zu treten.
Die archäologischen Quellen sind auf Grund ihrer bereits weit gediehenen feinchro-
nologischen Erschließung die wertvollsten; leider bricht die weitaus am häufigsten
auftretende Denkmälergruppe, die Reihengräberfunde, aus Gründen des Brauch-
tumswechsels um 680/700 ab6. Wie weit die Siedlung damals im Westen, in den Lan-
den um Mosel und Saar gediehen war, vermag eine großräumige Kartierung der Rei-
hengräberfunde (Karte 1) aufzuzeigen7 8 *: Man erkennt, wie sich die frühen fränkischen
Siedlungen, denen die Friedhöfe zuzuordnen sind, in den fruchtbaren Gaulandschaf-
ten drängen: im Norden zwischen Mosel und unterer Saar, in der Mitte nördlich und
südlich von Metz, um Nancy und Toul und auch im Osten an mittlerer Saar und Blies,
im sog. Bliesgau. Aber auch sonst finden sich im Saar-Moselraum nahezu überall,
wenn auch dünner, fränkische Siedlungsinseln. Völlig fundleer ist jedoch das Wald-
und Bergland - von Süden nach Norden - der Vogesen, der Pfälzer Haardt und des
Pfälzer Waldes, sowie des Hunsrückvorlandes an oberer Blies, Nahe, Glan und der
eigentliche Hunsrück*. Bei mikroskopischer Betrachtung sehen wir, daß im Bliesgau
die Siedlung exakt an einem Nebenflüßchen der Blies, der Bickenalb, auf der Linie
Altheim - Rimlingen, haltmacht; ein Tal weiter im Osten, im Schwalb-Tal, wo später
das Kloster Hornbach gegründet werden wird, gibt es keine Funde mehr1'. Im Osten,
in der Rheinebene, im Hinterland der Bischofsstädte Worms und Speyer, ist das Bild
ganz ähnlich: Die merowingischen Funde versiegen am Rande der Haardt, am Steil-
abfall des Berglandes10.
Die zweite siedlungsgeschichtliche Quellengruppe, die zu befragen ist, die Siedlungs-
namen, ergeben ein durchaus ähnliches Bild. Es muß zur Erläuterung vorausge-
schickt werden, daß sich Siedlungsnamen (SN) nach Typen ordnen lassen. Eine
Grundunterscheidung betrifft dabei sogenannte primäre und sekundäre Siedlungs-
namen. Primäre Siedlungsnamen bezeichnen vom Zeitpunkt ihres Entstehens an eine
Siedlung: hierher gehören die Namen mit dem Grundwort -heim „Hofstatt“, -weiter
„Hof“, -hausen „Häuser“, -dorf „Hofstatt, Landgut, Dorf“, -hofen usw. Daneben gibt
es sekundäre Siedlungsnamen, die aus ehemaligen Gewässernamen, Bergnamen,
6 Zur merowingerzeitlichen Archäologie in Lothringen, Saarland und Pfalz vgl. F. Stein, Die
Bevölkerung des Saar-Mosel-Raums am Übergang von der Antike zum Mittelalter. Über-
legungen zum Kontinuitätsproblem aus archäologischer Sicht, in: Archaeologia Mosellana 1
(1989), S. 89-195; H. Potenz, Katalog der merowingerzeitlichen Funde in der Pfalz, 2 Bde„
Stuttgart 1988, passim.
7 Die Karte 1 beruht auf Abb. 6 bei Stein (wie Anm. 6), S. 139.
8 Auch wenn der Mangel an merowingischen Funden, vor allem Reihengräberfunden, nicht in
allen Fällen auch Siedlungsleere indiziert, sondern auf Brauchtumsdifferenzen beruhen kann
(vgl. Anm. 26), muß man doch für Gebiete, für die auch Kontinuität anzeigende Ortsnamen-
zeugnisse in höherer Verdichtung fehlen, von einer weitgehenden Verwaldung in Spätantike
und frühem Mittelalter ausgehen. Vgl. bereits R. Hachmann, Kelten, Römer und Germa-
nen an der Saar, in: Homburger Hefte 1968/69, S. 21; ferner J. Schumacher, in: Führer zu
archäologischen Denkmälern in Deutschland 18: Saar-Pfalz-Kreis, Stuttgart 1988, S. 125.
’ Zu angeblichen Funden in Zweibrücken vgl. Polenz (wie Anm. 6) S. 442.
10 Vgl. Karte bei Polenz (wie Anm. 6).
36
Flurnamen übernommen werden, wenn eben an betreffender Stelle eine Siedlung
entsteht: hierher gehören die vielen Namen auf -hach, -born, -berg, -thal, -feld,
-scheid, -schied und mehr. Sie sind grundsätzlich undatierbar, da sie zu jeder Zeit aus
gegebenen Flurnamen geboren werden können. Die primären Siedlungsnamentypen
dagegen lassen sich in gewissem Rahmen datieren; ihre Grundwörter bedeuten -
wie schon eben implizit zu hören war - stets ungefähr das gleiche, sind also seman-
tisch nur gering differenziert, stehen damit in steter Konkurrenz und folgen sich in
ihrer Beliebtheit - wie bei einer Mode - in der Zeit". Der älteste Siedlüngsnamenty-
pus, gewissermaßen der merowingische Typus, wird von den Namen auf -heim reprä-
sentiert12. So etwa finden sich bei nahezu allen Orten auf -heim im Bliesgau - Alt-
heim, Gersheim, Wittersheim, Ponsheim usw. - merowingische Reihengräber13. Auch
die Namen auf -ingen beginnen zweifellos früh in der Merowingerzeit - zu Güdingen
bei Saarbrücken gehören Gräber des 6. Jahrhunderts14 -, doch haben neuere For-
schungen gezeigt, daß sich dieser Typus auch massiert in Kleinlandschaften findet,
die von Merowingerfunden frei sind, daß sich zudem Grundbesitzernamen noch des
frühen 8. Jahrhunderts in ihnen auffinden lassen, so etwa im lothringischen oberen
Saargau bzw. an der Kanner nw. von Metz15. Demnach wird man mit -ingen-Namen
auch noch als Indikatoren frühkarolingischer Siedlung rechnen müssen. Dem ent-
spricht das Bild, das die Kartierung der Namen auf -heim (samt verwandter Typen)
und auf -ingen für den Raum zwischen Rhein und Blies ergibt.
Der heim-Typus reicht im Osten vom Rhein bis zum Haardtrand (vgl. Karte 2)16. In
ebenso perfekter Übereinstimmung mit dem archäologischen Befund reichen die
/ze/m-Namen im Westen mit Peppenkum, Medelsheim, Altheim und Ixheim bis an
die Bickenalb. Der z/igen-Typus drängt sich dagegen im Osten am Gebirgsrand und
fällt in den rheinnahen Gegenden aus, was entweder als Reflex der gegenüber den
" Vgl. zur Toponymie grundsätzlich A. Bach, Deutsche Namenkunde, Bd. II, 1-2: Die deut-
schen Ortsnamen, Heidelberg T981; G. Bauer, Namenkunde des Deutschen, Bern 1985;
D.P. Blök, Ortsnamen (= Typologie des sources du moyen âge occidental, fase. 54), Turnh-
out 1988; G. K o ß, Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik, Tübingen 1990,
12 Vgl. zu den SN auf -heim vor allem Bach (wie Anm. 11), § 581ff. u.ö.; Ders., Zur Frankoni-
sierung des deutschen Ortsnamenschatzes, in: F. Petri (Hg.), Siedlung, Sprache und Bevöl-
kerungsstruktur im Frankenreich, Darmstadt 1973, S. 191.
13 Vgl. zuletzt W. Reinhard, in: Führer . . . Saar-Pfalz-Kreis (wie Anm. 8) S. 172ff (mit
Karte).
14 W. Schähle, Merowingerzeitliche Frauengräber aus Güdingen, in: Ber. der Staatl. Denk-
malpflege im Saarland 8 (1961), S. Uff.; Stein (wie Anm. 6) S. 143f. mit Anm. 326; vgl. fer-
ner S. 149 mit Anm. 362.
15 W. Haubrichs, Siedlungsnamen und frühe Raumorganisation im oberen Saargau. Ortsna-
menlandschaften in Lothringen und im Elsaß und die Weißenburger Gründersippen I, in:
Ders./H. Ramge, Zwischen den Sprachen. Siedlungs- und Flurnamen in germanisch-
romanischen Grenzgebieten, S. 259ff.; Ders., Wüstungen und Flurnamen. Überlegungen
zum historischen und siedlungsgeschichtlichen Erkenntniswert von Flurnamen im lothrin-
gisch-saarländischen Raume, in: R. Schützeichel, Gießener Flurnamenkolloquium 1984,
Heidelberg 1985, S. 481-527.
16 Vgl. E. Christmann. Die Siedlungsnamen der Pfalz, Tl III: Siedlungsgeschichte der
Pfalz . . ., Speyer 1958, S, 21 ff.; M. Dolch/A. Greule, Historisches Siedlungsnamenbuch
der Pfalz, Speyer 1991, passim, bes. S. 513f.
37
-ftci'w-Namen jüngeren Zeitstellung oder als Reliktlage zu interpretieren ist17. Auch
im Westen haben sie sich weiter ins Bergland hineingeschoben und finden sich auf
den ja von Bodengestalt und Bodenart (Muschelkalk) her gegenüber dem Osten des
Berglandes deutlich siedlungsgünstigeren Westricher Hochflächen. Wir werden gera-
de diese Vorschübe aus dem Westen als Reflexe frühkarolingischer Siedlung (etwa
des 8. Jahrhunderts) interpretieren müssen18.
War denn nun das Waldgebirge zwischen Blies und Rheinebene vor 700 völlig sied-
lungsleer? Im großen ganzen werden wir dies bejahen müssen - mit einer Ausnahme,
17 Christmann (wie Anm. 16), S. 28f. Christmanns Interpretation als Reliktnamen in der von
einer die Rheinebene überflutenden Welle von SN auf -heim ist zwar zu sehr an dialekt-
geographischen Vorstellungen orientiert, könnte aber hinsichtlich des Alters eine Stütze
durch die Interpretation des in den zwischen Haardt-Rand und Bienwald gelegenen -ingen-
Namen enthaltenen archaischen Personennamenbestandes gewinnen, wovon an anderer Stel-
le zu handeln ist.
18 Unter diesen östlichen -ingen-Namen des Bliesgaus sind auffallend viele Wüstungen und
Kleinsiedlungen, was den Risikocharakter dieser Siedlungsversuche unterstreicht. Vgl. z.B.
Christmann (wie Anm. 16), TI. I (Stichnamen Böhlingen, Brückingen, Gerlingen, Geich-
lingen, Leiningen, Herfingen, Hölzlingen), dazu Haubrichs, Wüstungen (wie Anm. 15),
S. 483f. Christmann interpretierte diese Namen z. T. als mit dem sekundären Suffix -lingen
zusammengesetzte ursprüngliche Flurnamen. Dolch/Greule (wie Anm. 16) haben diese
problematische Interpretation teilweise übernommen, in Fällen, in denen die Wüstungs-
indikation offenbar nur auf den Namenzeugnissen beruhte, die Namen ganz gestrichen.
38
es hat im Norden der fränkischen Siedlungskammer noch eine dünne, gegenüber
Lothringen sehr dünne, Restbesiedlung mit Galloromanen gegeben, Reflexe der
einstmals blühenden römischen Besiedlung um den vicus Schwarzenacker. Auch in
Schwarzenacker endete römisches Leben nicht mit den Katastrophen des 3. Jahrhun-
derts, sondern reichte in Arealen bis in die Spätantike und vielleicht darüber hinaus19.
Wichtiger jedoch, da sicherer Anzeiger einer (wenn auch geringen) Kontinuität, sind
zwei bis drei vorgermanische Siedlungsnamen römischer und keltischer Provenienz:
1. Contwig im Schwarzbachtal östlich Zweibrücken, am Zusammenfluß zweier
Bäche, < gall. *Condäte vicus „Dorf am Zusammenfluß“2";
2. Beeden, Stadtteil von Homburg, < kelt. GwN *Beda „Graben, Bächlein“, das
u.a. auch in Beda vicus, d.i. Bitburg (Eifel) vorliegt21;
3. Kirkel, wie Beeden, aber weiter westlich, an der großen Straße Metz - Worms
gelegen, sicher aus lat. circulus „Kreis, Ring“ abzuleiten, was dem kreisrunden
Kirkeler Burgberg entspricht; doch ist der Beleg unsicher, da es Anzeichen dafür
gibt, daß das Wort kirkel auch als Lehnwort in pfälzischen und lothringischen
Mundarten lebte, somit der Siedlungsname auch später entstanden sein könnte22 23.
Zu diesen drei Ortsnamen stellen sich als Zeugen romanischer Kontinuität bisher
einige wenige (vielleicht) vorgermanische Bachnamen um Contwig21 und ein in der
Gewässernamengebung des Westrichs erfolgreiches Lehnwort: albe < lat. *alba „kla-
res, helles Gewässer, Gebirgsbach?“, erhalten etwa in den Namen der Bickenalb,
19 A. Kolling, Funde aus der Römerstadt Schwarzenacker und ihrer nahen Umgebung, Hom-
burg 1971, S. 68; Stein (wie Anm. 6), S. 108f. Anm. 95; 183 Nr. 75.
30 M. Buchmüller/W. Haubrichs/R. Spang, Namenkontinuität im frühen Mittelalter.
Die nichtgermanischen Siedlungs- und Gewässernamen des Landes an der Saar, in: ZGSaarg
34/35 (1986/87), S. 113; Dolch/Greule (wie Anm.16) S. 92f. Die Ableitung von *Condäte
vicus ist überzeugend, die Annahme einer haplologischen Kürzung > *Condevicus und der
Verschiebung von [d] > [t j > 1272 Cuntwich ist jedoch unnötig; die Verschiebung von [t] > [ts]
ist bei vorgerm. Ortsnamen des Saar-Mosel-Raums nicht nachzuweisen, so daß sich als Zwi-
schenform *Condet(e)wich, mit Abschwächung und Synkope des Mittelsilbenvokals und
Hebung des fo] > [u] vor folgendem [i] später Cun(d)wich ergibt. Vgl, W. Haubrichs,
Lautverschiebung in Lothringen. Zur althochdeutschen Integration vorgermanischer Topony-
me der historischen Sprachlandschaft zwischen Saar und Mosel, in: R. Bergmann/H. Tie-
fenbach/L. Voetz (Hgg.), Althochdeutsch, Bd. II, Heidelberg 1987, S. 1373ff. mit Karte
5.
21 Buchmüller/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20), S. 77f. Nr. 118; M. Dolch/A. Greu-
le. Die Westricher Hochfläche als gallorömische Reliktzone, in: Jb. Gesch. von Stadt u.
Landkreis Kaiserslautern 24/25 (1986/87), S. 17.
22 Buchmüller/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20), S. 74 Nr. 105; für Namenkontinuität:
Dolch/Greule (wie Anm. 21), S. 15ff.
23 Dolch/Greule (wie Anm. 21), S. 22ff.; vgl. dazu die entsprechenden Artikel in Dolch/
Greule (wie Anm. 16). Doch bedarf hier noch manche Ableitung der Diskussion. Unpro-
blematisch erscheint mir bisher nur die Ableitung des GwN 1547 Blümmell < *Prümele <
alteurop. GwN *Promila. Als Siedlungszeugnisse von Romanen, ahd. Walaha werden auch
einige sog. Walchennamen um Zweibrücken und Contwig angesehen; Dolch/Greule (wie
Anm. 21), S. 37ff. Doch scheint auch hier nicht alles zweifelsfrei. Bestand scheint mir die
Zuordnung von 1) Wahlcrtal, Wahlerhof, bei Tilmann Stella 1564 Wähler Grund, 1615 der
thall in Wahlen, Stadt Zweibrücken, Ortsteil Hengstbach; 2) +Walbach bei Contwig
< *Walahobach „Bach der Romanen“ zu haben. Vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16),
S. 47If.
39
Schwalb, Wallhalbe, Felsalbe, Steinalbe usw24 25. Daß sich trotz dieser Indizien für eine
gewisse romanische Restsiedlung im Umkreis von Schwarzenacker keine archäologi-
sche Hinterlassenschaft dieser Bevölkerung der Merowingerzeit bisher hat auffinden
lassen23, ist weniger beunruhigend, als es zunächst scheint. In bestimmten Regionen
sind romanische Gruppen des frühen Mittelalters nicht zur fränkischen Beigabensitte
(Schwerter, Schmuck) im Bestattungsbrauch übergegangen; ihre Gräber können
daher kaum datiert und eingeordnet werden. So ist auch die durch Siedlungsnamen
und historische Zeugnisse klar belegte romanische Bevölkerung des Metzer Umlan-
des und des Hunsrückvorlandes zwischen Tholey und St. Wendel bisher nicht in
archäologischen Funden zu fassen26.
Doch bleibt dominant die Tatsache des großen siedlungsleeren Waldes27. Wie in einer
Momentaufnahme fassen wir nun die um 200 Jahre fortgeschrittene Erschließung die-
ses Waldes, wenn wir auf Karte 3 die Namen auf -ingen, auf -weiler, -hausen und
-hofen sowie andere bis 900 belegte Namen zu den früheren Namentypen hinzu mon-
tieren.
Die Siedlung ist im Bliesgau weit nach Osten fortgeschritten, von der Bickenalb bis
an die Rodalbe, also etwa 25 km; im rheinischen Speyergau ist sie von Weißenburg
im Lautertal und von Godramstein im Queichtal rund 14 km weit ins Innere der
Haardt eingedrungen. Auch das Gebiet des nördlichen Bliesgaus (an der oberen
24 Vgl. zur Lehnwortfrage E. Christmann, Alba, Elbe, Elf und die pfälzischen ,,-alb“, in:
Pfälzer Heimat 7 (1956), S. 41-47; Buchmüller/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20),
S. 113ff. (mit Karte); Dolch/Greule (wie Anm. 21), S. 22ff.; Dolch/Greule (wie Anm.
16), S. 86 [Bergalben], 110 [Dudelbingen], 140 [+Felsalben], 197 [+Heidelfingen, Heidelbinger
Hof], 216 [+Hirscharrenl, 239f. [+Imshalbenl, 283f. [+Leichelbingenl, 306 [Merzalben], 393f.
[Rodalben, Rodalberhof], 427f. [+Schwalben], 447 [Steinalben], 461 [Trulben], 475 [Wallhal-
ben]. Die Annahme von Dolch/Greule, daß es eine Westricher „Ur-Alb“ < alteurop.
GwN *Alba gegeben habe, deren Name auf die Nachbarbäche erst später übertragen wurde,
ist angesichts der bereits um 742 (urkundliche Neufassung ± 815) überlieferten beiden Exem-
plare Suabalba und Trobulba [< -*alba], 796 K. Drualba, angesichts der hohen Anzahl der
Übertragungsfälle und angesichts der um Kusel erneut mehrfach auftretenden „Alben-1 recht
problematisch. Wenn sie annehmen (S. 33), daß Wallhalben < ahd. *Walah-alba „Bach, an
dem Walche, d.s. romanisierte Gallier, leben-- abzuleiten ist, so scheint dieser (gut vertretba-
re) Ansatz die Existenz eines ahd. Lehnwortes *alba vorauszusetzen, eine Übertragung bloß
des Grundworts, wie die Autoren postulieren, aber doch eher auszuschließen. Gestrichen
werden muß jedoch aus der Liste der „Alben“ die Hirschalb; fraglich sind aus Christ-
manns Liste *Dudenalb, Felsalb, *Hedenalb, Imsalb und *Leichalb.
25 In der Literatur wird auf das spätrömische Gräberfeld und einen burgus (?) bei Niederauer-
bach hingewiesen: Kolling (wie Anm. 19), S. 68; H. Schulze, Zur Interpretation der
handgemachten Keramik aus merowingerzeitlichen Gräbern der Pfalz. Bemerkungen zum
Problem der Kontinuität vorfränkischer Bevölkerung, Diss. Teildruck Mainz 1977, S. 13
Abb. 5.
26 Vgl. dazu F. Stein, Franken und Romanen in Lothringen, in: Studien zur vor- und frühge-
schichtlichen Archäologie. Festschrift J. Werner, TI II, München 1974, S. 579ff.; Dies, (wie
Anm. 6), S. 167ff; W. Haubrichs, Warndtkorridor und Metzer Romanenring. Überlegun-
gen zur siedlungsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen Bedeutung der Doppelnamen
und des Namenwechsels in Lothringen, in: R. Schützeichel (Hg.), Ortsnamenwechsel,
Heidelberg 1986, S. 264ff.; Buchmüller/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20), S, 131 ff.
27 Vgl. auch J. Hess-Gotthold, Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raum des
heutigen Pfälzer Waldes, Kaiserslautern 1962, S. 3ff.
40
Blies) ist nun mit Siedlungen durchsetzt28, ebenso das Land am oberen Glan nördlich
der Kaiserslauterner Senke29. Aus dem Lorscher Reichsurbar lernen wir noch für die
erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, daß in dieser bruchigen Region an der Straße drei
28 Einen Einblick in die im Umbruch begriffene Siedlungslandschaft und Organisationsstruktur
im nördlichen Bliesgau gibt die Gründungsurkunde des Bischofs Adventius, der die An-
wesenheit von predia sancti Stephani, also der Metzer Kirche, betont, zugleich aber die absen-
tia pastoris, also die wohl schwach ausgeprägte Pfarrorganisation, beklagt. Vgl. W. Hau-
brich s, Die bliesgauischen Ortsnamen des Fulrad-Testamentes und die frühe
Pfarrorganisation der Archipresbyterate St. Arnual und Neumünster im Bistum Metz II, in:
Jb. f. westdt. Landesgesch. 3 (1977), S. 38ff., bes. S. 55f. [in manchen hier nicht relevanten
Einzelheiten überholungsbedürftig].
29 Für das Kuseler „Remigiusland“ gibt es sichere Zeugen einer begrenzten, vielleicht durch
westfränkische, Reimser Zuwanderung getragenen romanischen Kontinuität. Vgl. Buch-
müller/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20), S. 132ff.; R. Post, Galloromanische Relikt-
wortareale und Grenzentlehnungen im Pfälzischen, in: Sprache - Literatur - Kultur. Studien
zu ihrer Geschichte im deutschen Süden und Westen, Festschrift W. Kleiber, Stuttgart 1989,
S. 161-174; Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 32 [Albessen], 39 [Altenglan], 99 [+Dersch-
bach], 232f. [Hundheim, +Glena], 265 [Körborn], 266f. [Konken], 271 [Kusel], 235f. [Nieder-
alben], 346 [Oberalben mit Hinweis auf die drei zusammenhängenden Bäche Kur-, Toten-
und Steinalb], 366 [Patersbach], 366 [Pelsbach], 367f. [Pettersheim], 368 [Peychnillenbach],
463 [Ulmet]. Vgl. ferner u. Anm. 128 zu Queidersbach.
41
Königshöfe Lautern, Landstuhl und Waldmohr samt einer gewissen Anzahl zugehöri-
ger Bauerngüter existierten30.
In dieser Ausbaulandschaft durchdringen sich verschiedene Ortsnamentypen, deren
Herkunft und Chronologie noch aufzuklären bleibt:
Von Osten kamen die SN auf -hausen. Orte mit Namen auf -hausen findet man
rechtsrheinisch noch gelegentlich mit Reihengräbern korreliert, womit sie also in
ihren Anfängen noch ins 7. Jahrhundert zurückreichen müssen31 32. Im Elsaß erscheinen
-hausen-Ox\t seit der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts in den Urkunden12. Für das
Mittelrheingebiet haben uns die Lorscher Urkunden und die Forschungen von Franz
Staab gezeigt, daß die hausen-Ovie einer wesentlich dem 9. Jahrhundert zugehörigen
Siedlungswelle angehören, deren grundherrliche Träger wir in den Urkunden und in
den Ortsnamen zugleich finden: Graf Liuther z.B. als Besitzer von 877 Liutheres-
huson, Leutershausen im Lobdengau33. Nach 828 wird eine inzwischen wüst gefallene
Siedlung namens Huorunhuson im oberen Queichtal bei Wilgartswiesen genannt34.
Auch im Westen, im Bliesgau, dürfte kein -hausen-Ort vor das 9. Jahrhundert zurück-
reichen.
30 Vgl. u. Anm. 53. Für den wichtigsten der drei Königshöfe (Kaiserslautern) wird die Existenz
zusätzlich durch den spätestens ins 8. Jh. zurückreichenden Fernbesitz des Stiftes St. Ursula
zu Köln, die für merowingisch-karolingischen Königsbesitz typische Martinskirche und den
seit dem 8. Jh. belegten Friedhof gestützt. Vgl. K.H. Roth-Lutra: Das Gräberfeld im
Bereich der Barbarossaburg zu Kaiserslautern, in: Jb. z. Gesch. von Stadt u. Landkreis Kai-
serslautern 7 (1969), S. 1-7; K.P. Westrich, Die Königspfalz Lautern im 12. und 13. Jahr-
hundert und ihre Bedeutung für die Ministerialität des pfälzischen Raumes, in: Ministerialität
im Pfälzer Raum, Speyer 1975, S. 76; K. B ö h n e r, Villa Lutra. Zu den Anfängen Kaiserslau-
terns, in: Festschrift M. Graßnick, Kaiserslautern 1987, S. 23ff.
31 Vgl. z.B. R. Christlein, Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, Stutt-
gart/Aalen 21979, S. 162 Nr. 286 [Pliezhausen, LK Reutlingen: 2. H. 7. Jh.l, 163 Nr. 298 [Rom-
melshausen, Gde. Kernen, Rems-Murr-Kreis: 2. H. 7. Jh.], 169 Nr. 348 [Stuttgart-Zazenhau-
sen: 7. Jh.].
32 Vgl. z.B. K. Glöckner/A. Doll (Hgg.): Traditiones Wizenburgenses: Die Urkunden des
Klosters Weißenburg 661-864, Darmstadt 1979, Nr. 52 [742 Kutzenhausen b. Sulz], Nr. 52 [742
Wintershausen sw. Hagenau], Nr. 59 [782 Schaffhausen sw. Hochfelden], Nr. 173 [826 Gera-
reshusa, Wüstung sö. Hagenau] usw. Im nördlich anschließenden Speyergau erscheinen
Namen auf -hausen zuerst 817 mit der Wüstung +Grazolfeshusen bei Landau (Codex Laures-
hamensis Nr. 2162): Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 172.
33 Vgl. F. Staab, Untersuchungen zur Gesellschaft am Mittelrhein in der Karolingerzeit,
Wiesbaden 1975, S. 313ff.; W. Haubrichs, Der Codex Laureshamensis als Quelle früh-
mittelalterlicher Siedlungsnamen, in: R. Schützeichel (Hg.), Ortsname und Urkunde.
Frühmittelalterliche Ortsnamenüberlieferung, Heidelberg 1990, S. 155.
34 Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 234f. Die von Westen her am weitesten vorgeschobene
-/ißusen-Siedlung ist +Wershausen (Würschhauserhof) nw. Herschberg (VG Wallhalben, Kr.
Pirmasens) zum PN Warin, der in der Familie der Hornbacher Gründer, der Widonen, häufi-
ger vorkommt (vgl. ebd. S. 487). Einige hausen-Namen wie das auf Friedrich von Bitsch
zurückgehende Hunthus (+Hundhausen, Gde. Philippsburg ö. Bitsch) sind sicherlich erst
hochmittelalterlich.
42
Dagegen finden wir SN auf -hofen im 8. Jahrhundert sowohl im Elsaß als auch in
Lothringen um Diedenhofen15. Ob wir freilich den einzigen -hofen-Oxi des Westrich,
Käshofen, bereits dieser Zeit bzw. besser dem 9. Jahrhundert zuschreiben sollten,
muß vorläufig dahingestellt bleiben16.
Klarer sehen wir dagegen wieder für die bedeutsame Gruppe der Namen auf -weiter'1.
Dieser Typus kam aus dem Westen. Die Archäologie hat zeigen können, daß sowohl
im oberen Saargau (zwischen Saaralben und Sarrebourg in Lothringen) als auch im
Bliesgau weiter-Orte wie Ratzwiller, Ottwiller, Seyweiler merowingische Funde auf-
weisen, also ins 7. Jahrhundert zurückreichen müssen38. Im östlich davon gelegenen
Speyergau dagegen gibt es keine -weiler-Orte mit Reihengräbern11'. Auch urkundliche
Belege aus Weißenburger Quellen zeigen, daß einige Orte auf -weiler noch im 7.
Jahrhundert gegründet worden sein müssen40. Die Urkunden des Klosters Weißen-
burg lassen auch wiederum ganz deutlich Übereinstimmungen zwischen Grundbesit-
zerfamilien und den in den SN enthaltenen Personennamen (PN) erkennen: so etwa
bei Audoinouillare, dem späteren Ottwiller, das dem Sohn eines 699/700 bereits ver-
storbenen Grafen Audoin gehört41. Aus anderen günstig gelagerten Fällen lernen wir,
daß -wei/er-Namen noch am Ende des 8. Jahrhunderts in der Nähe von Saargemünd
gegeben wurden: dort heißt ein später im Besitz des Klosters St. Denis bei Paris
erscheinender Ort namens Farschviller 1125 Fardulvilre nach dem Ende des 8. Jahr-
hunderts wirkenden Abt Fardulf von St. Denis, der einen für die Lande nördlich der
15 Diedenhofen/Thionville (Dep. Moselle) ist zuerst 751 belegt, als -hofen-Name (Thiodenho-
von) 836. Auch im Nordelsaß erscheint der erste -hofen-Uame mit Königsgut um Marlenheim
liiert: Westhoffen (Dep. Bas-Rhin), zuerst 739, aber mit um die Mitte des 7. Jhs. zu datieren-
den Reihengräbern einer fränkischen Familie. Vgl. Glöckner/Doll (wie Anm. 32) Nr. 17.
159. 5. 112. 204. 254; Christlein (wie Anm. 31), S. 173 Nr. 382; C. J och um, Die orien-
tierten Siedlungsnamen auf -heim, -hausen, -hofen und -dort' des frühdeutschen Sprachrau-
mes in ihrem Verhältnis zur fränkischen Fiskalorganisation, Diss. (Masch.) Saarbrücken 1991,
Nr. 375. Im Speyergau erscheinen zuerst 769 Edenkoben (südliche Weinstraße) und 773
+Zusenkoben nö. Lustadt. Kr. Germersheim, beides ursprüngliche Namen auf -ingen, denen
-hofen analogisch zugesetzt wird, ferner +Appenhofen, Gde. Billigheim-Ingenheim (Südliche
Weinstraße). Vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16) S. 44, 114f.. 505f. Im alamannischen
Raum sind -hofen-Orie auch mit Reihengräbern korreliert: vgl. Christlein (wie Anm. 31)
S. 140 Nr. 87 [Ebenhofen, Gde. Bießenhofen, LK Ostallgäu: 2. H. 7. Jh.], 146 Nr. 144-146
[Grimmeishofen, Stadt Stühlingen, LK Waldshut: 2. H. 7. Jh.], 166 Nr. 322 [Solnhofen, Lk
Weißenburg-Gunzenhausen: Saalkirche des 7. Jhs.].
36 Der SN ist wohl mit dem Appellativum *kessen < gallorom. *cassinus, cassanus „Eiche“
zusammengesetzt. Vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16) S. 247. Bechhofen b. Zweibrücken
ist ein unechter -hofen-Name (ebd. S. 54).
37 Die vom Bliesgau her am weitesten nach Osten vorgeschobenen -weiler-Orte sind Rupperts-
weiler (vgl. Anm. 48) bei Pirmasens; Münchweiler < *Munichowilari „Siedlung der Mönche
(hier des Klosters Hornbach)“; + Stransweiler (VG Waldfischbach-Burgalben, Kr. Pirma-
sens); +Hertensweiler w. Geiselberg, ebd. (vgl. Anm. 45).
38 Vgl. W. Haubrichs, Zur Datierung eines Ortsnamentypus. Die Chronologie der Sied-
lungsnamen auf -weiler im mittelrheinisch-moselländischen Raum, in: Palaeogermanica et
Onomastica. Festschrift J.A. Huisman, Amsterdam 1989, S. 76f. Für den Breisgau am Ober-
rhein weist Christlein (wie Anm. 31). S. 146 Nr. 141 [Göschweiler, Gde. Löffingen] auf
Funde vom Ende des 7. Jhs. hin.
M Das ist das Ergebnis eines interdisziplinären Kolloquiums über den frühmittelalterlichen
Speyergau. das im WS 1990/91 an der Universität des Saarlandes stattfand (freundliche Mit-
teilung von Frauke Stein, Saarbrücken). In 145 Lorscher Speyergau-Urkunden begegnet
nicht ein einziger mit einem Bestimmungswort versehener -vra7er-Ort.
411 Haubrichs (wie Anm. 31), S. 71 ff.
41 Haubrichs (wie Anm. 15), S. 266ff., bes. Nr. 44.
43
Alpen singulären, weil langobardischen Namen trug42. Wieder weiter östlich, am
Donnersberg, sehen wir, wie 891 bereits ein weiter-Ort, Winnweiler nämlich, existier-
te, andere Nachbarorte wie etwa Gundersweiler, erst im Entstehen begriffen sind: sie
heißen novalia, Neubrüche oder Rodungen, so novale Guntharii. . ,43
Die wei/er-Ortsnamen haben also zwischen dem späten 7.Jahrhundert und dem Ende
des 9. Jahrhunderts in unseren Landschaften eine weitgespannte chronologische
Extension44. Für die Westricher Platte um Zweibrücken muß man sie sicherlich ins 8.
und 9. Jahrhundert setzen. Dafür sprechen auch Gleichungen zwischen den Namen
führender Personen und in Ortsnamen enthaltenen Namen45 wie die zwischen
1. Entersweiler bei Kaiserslautern, 863/64 Nanterswilre zum Grundherrn und
dux Nantheri, Gründer des Klosters Münsterdreisen, in dessen Besitz der Ort sich
damals auch befindet46;
2. Nünschweiler bei Zweibrücken, zum PN Nandin, einer Kurzform von Nantha-
ri; Nanthari hieß der Sohn des weltlichen Gründers von Kloster Hornbach um 740,
des Klosters, dem später der Ort gehörte47;
3. Ruppertsweiler bei Pirmasens, zum PN Ruotbert; ein Graf Ruotbert mit
wormsgauischem Hintergrund war 823 als ortskundiger Zeuge in einem Prozeß
42 Haubrichs (wie Anm. 28), TI I, ebd. 2 (1976), S. 61f.; Ders. (wie Anm. 38), S. 79f.
43 W. Haubrichs, Der Prestarievertrag des Bischofs Theotelach von Worms mit dem Grafen
Erinfrid vom Jahre 891. Edition und Untersuchungen zur Onomastik und Siedlungsgeschich-
te in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 16 (1990), S. 1-83, bes. S. 77f.
44 Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 519 denken sogar an Fruchtbarkeit des Grundworts bis
ins 10. Jh„ wahrscheinlich zu Recht.
45 Auch bei weiteren Ortsnamen des Raumes ist gelegentlich an einen Zusammenhang mit
namentlich bekannten Grundherren zu denken. Für das extrem weit ins Waldland vorgescho-
bene +Hertensweiler (Anm. 37), 1284 Hertingisuuilre käme als Eponym der 959 in einer
Hornbacher Urkunde genannte Bliesgaugraf Harting in Frage: vgl. A. Neubauer, Die
Regesten des ehemaligen Benediktiner-Klosters Hornbach, (= MHVPf 27), Speyer 1904, Nr.
24. Für Walshausen bei Zweibrücken, ± 1443 Or. Walshusen < *Walahes- und Walschbronn
bei Bitsch (Dep. Moselle), 1080/90 Galesburas < *Walahesbur(a) (vgl. Anm. 156) käme ein
Angehöriger des mit den Widonen verwandten rheinisch-moselländischen Grafengeschlechts
der Walahonen in Betracht: vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 475; ebenso bei dem
828 im Queichtal genannten Gewässernamen Walesqueicha < *Walahes- (Neubauer Nr. 14).
Die auffällig zahlreichen „Weidentäler“ - 828 Widendail (Seitental der Queich bei Ann-
weiler-Saarnstall); Hinterweidenthal (VG Hauenstein, Kr. Primasens), 1285 (Or.) Widendal;
Vorderweidenthal (VG Bad Bergzabern, Südliche Weinstraße), 1313 (Or.) Widental; Wei-
denthal (VG Lambrecht, Kr. Dürkheim a.d. Weinstraße), 1279 Wydentail - können statt auf
mhd. wide „Weidenbaum“ genausogut auf den für das Hornbacher Gründergeschlecht
charakteristischen PN Wido zurückgeführt werden: vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16),
S. 214f. 469. 479. Den SN Hermersberg bei Waldfischbach, 1371 (K.) Hermansperg samt
zugehörigem GwN 1180 (Or.) Hermannesbach (vgl. Anm. 140) in einem von Anfang an dem
bliesgauischen Grafengeschlecht der Folmare zugeordneten Gebiet, kann man mit dem Ende
11. Jh. als Vogt von Hornbach tätigen Hermann, Sohn des Grafen Folmar 111. von Metz, in
Verbindung bringen: vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 206; H.W. Herrmann,
Geschichte der Grafschaft Saarwerden, Bd. 1 Saarbrücken 1962, S. 646; A. Doll, Das Pir-
minskloster Hornbach. Gründung und Verfassungsentwicklung bis Anfang des 12. Jhs., in:
Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 5 (1953), S. 134 Anm. 162.
46 Haubrichs (wie Anm. 43), S. 50. 78 [Lit.]. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 330.
47 Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 344.
44
zwischen dem Fiskus und dem von Pirmin geistlich gegründeten Kloster Hornbach
um die Hornbacher Klostermark tätig4*. Ruppertsweiler aber lag in der Pirmins-
mark um Pirmasens41'.
Man darf sich sicherlich von dieser durch die genannten Ortsnamentypen vornehm-
lich repräsentierten Ausbausiedlung des 8. und 9. Jahrhunderts keine allzu übertrie-
bene Vorstellung machen, es werden überwiegend Einzelhöfe gewesen sein, die da-
mals die Täler und Höhen des Westrichs zu erschließen begannen. Im Lorscher
Reichsurbar - um 830/50 entstanden - gehören zu den Königshöfen von Kaiserslau-
tern50, Landstuhl51 und Waldmohr52, die ein weites Territorium erschlossen, nicht
mehr als 247: Bauerngüter - zu Lautern sieben, zu Landstuhl zwölf und zu Waldmohr
5 72; dazu kamen noch 39 Forsthufen, die keine Abgaben zahlten53. Daß die
Erschließung nicht nur landwirtschaftlich orientiert war, zeigt die Angabe des Ur-
bars, daß dem Fiskus jährlich aus den Pechöfen Waldmohrs 32 Fuhren Pech zu lie-
fern waren. Auch Kusel und das Remigiusland lieferten an Reims vorwiegend Pech54.
Der wohl in einem - wie wir noch sehen werden - älteren Fiskalbezirk um Waldmohr
gelegene Ort Bechhofen hält die Bedeutung der Pechgewinnung in seinem Namen
fest55.
48 Neubauer (wie Anm. 45), Nr. 11. 12. Wir werden damit auf das bedeutende rheinische
Adelsgeschlecht der Robertiner, der Vorfahren des französischen Königshauses der Kapetin-
ger, verwiesen: vgl. K. Glöckner, Lorsch und Lothringen, Robertiner und Capetinger, in:
ZGO 89 (1937), S. 301-354. Ein weiterer, gegen Ende des 9. Jhs. lebender Ruotbertus comes,
Bruder des Grafen Megingaud, gehört in die an Hornbach attachierte Familie der Walahonen
(Anm. 45) und besitzt damals praedia in der Nähe des Remigiuslandes um Kusel (Miracula S.
Maximini, c. 13, MGSS IV 232). Zum Namen vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 407f.
49 Vgl. E. Christ mann, St. Pirminius und Pirminiuslande im Licht der Namenforschung, in:
Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 5 (1953), S. 85ff. Zum 1198 genannten, bis dahin Horn-
bach gehörigen nahegelegenen Rupprechtisberc vgl. K. Pöhlmann, Entstehung der Burg
Lemberg bei Pirmasens, in: Westpfälzische Geschichtsbll. 18 (1914), S. 22L; Neubauer
(wie Anm. 45) Nr. 48; E. G u t h, Lemberg, 1984, S. 32ff.
50 Vgl. o. Anm. 30.
51 Im Lorscher Reichsurbar, Codex Laureshamensis, ed. K. Glöckner, Bd. III, Nr. 3674a,
S. 176 wird davon berichtet, daß ein gewisser Guntfrid zur Zeit des Grafen Rupert (vgl. Anm.
48), also wohl zwischen 796 und 825, den hominibus qui ibi manent die dominica terra, also
das königliche Herrenland, gegeben habe. Dieses interessante Detail des damals in vollem
Gange befindlichen Siedlungsausbaus läßt sich noch durch die Analyse des SN ergänzen:
830/50 (K.) Nannenstul ist zu ahd. stuol „Hochsitz, Thron, Gerichtssitz“ zu stellen und
bezeugt damit die organisatorische Stellung des Ortes im Königsland. Der PN Nanna ist als
Kurzform von Nanthari aufzufassen, womit ein Bezug zur Familie der Hornbacher Gründer
des 8. Jhs. und dem zu Anfang des 9. Jhs. mit Hornbach im Streit liegenden gleichnamigen
Fiskalbeamten, actor dominicus des Fiskus Frankfurt, hergestellt werden kann. Vgl. Anm.
47f. 55f.; Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 276f.; Metz (wie Anm. 53), S. 30.
52 Vgl. zur Identifizierung Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 473f. Zur Bedeutung und ver-
kehrsmäßigen Anbindung vgl. W. Haubrichs, Basenvillare - Königsort und Heiligengrab.
Zu den frühen Namen und zur Frühgeschichte von St. Wendel, in: ZGeschSaarg 28 (1980),
S. 80. 85 mit Anm. 278; Ders., Drei Miszellen zu Siedlungsnamen und Geschichte der
frühmittelalterlichen Saarlande, in: ZGeschSaarg 29 (1981), S. 41 ff.
53 Zum Lorscher Reichsurbar vgl. R. Kraft, Das Reichsgut im Wormsgau, 1934, S. 54-116; A.
Doll, Das Reichsland Lautern im Mittelalter, in: Jb. z. Gesch. von Stadt u. Landkreis Kai-
serslautern 3 (1965) S. 24ff. W. Metz, Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, Darm-
stadt 1971, S. 28ff.; Ders., Zum Lorscher Reichsurbar, in: Hist. Jb. 106 (1986), S. 413.
54 Vgl. zur Bedeutung des Remigiuslandes für Reims G. Schneider, Reims und das Remigi-
usland, in: ZGO 119 (1971), S. 471-480; Haubrichs (wie Anm. 42) I, S. 68L; Buchmül-
ler/Haubrichs/Spang (wie Anm. 20), S. 134; korrigierend dazu Dolch/Greule (wie
Anm. 16) S. 53f. \Bechehem], 368 [+Peychnillenbach\.
55 Vgl. Anm. 36.
45
Das Kloster, das in diesem Waldland um 740 gegründet wurde, von einer Familie,
welche als Leitnamen die Namen Wernharius und Nantharius trug5*' und die zur Vor-
fahrenschaft der Klosterherren des 9. Jahrhunderts, der Widonen, gehörte56 57, hat uns
in der Vita des geistlichen Gründers seiner Gemeinschaft, des heiligen Pirmin, die im
früheren 9. Jahrhundert entstand, in einer Passage einen literarischen Reflex der
Siedlungsgeschichte jener Zeit hinterlassen:58 Am Zusammenfluß der beiden Bäche
Schwalb und Trulb bzw. Hornbach, wo das Kloster erstehen sollte, fand Pirmin erst
einige Hütten, welche die Jäger des Grundherrn und Klosterstifters Wernhari erbaut
hatten59. Schweinehirten durchstreiften den Wald mit ihren Herden für die Eichel-
mast. Als aber der Heilige die Gebäude für seine Gemeinschaft errichtet hatte und
wohl auch eine Mark für sich abgesteckt hatte - die Vita erwähnt, daß noch etwa
hundert Jahre später die damals eingehaunen Marken an den Bäumen sichtbar wa-
ren - kamen aus der Umgegend, wohl dem Bliesgau, und aus anderen Gauen zahl-
reiche Menschen zu ihm. Der Klosterherr Wernharius und andere schenkten auf bei-
den Seiten des Waldes Wasego Güter an die Neugründung; vor allem aber gab der
Klosterherr eine Waldmark, in der Nähe des Ortes, der später Pirmini Seusna, Pirma-
sens genannt wurde, deswegen, „weil dort damals die Katen der Schweinehirten des
hl. Pirmin standen . . .60 Der Wásegus umriß aber in jener Schenkung einen weiten
Raum. Deswegen begannen die praepositi und andere Diener des Heiligen, welche in
der Waldwüste zu tun hatten, dort die Fundamente von villae an dafür geeigneten
Orten zu legen, schickten servi (.Leibeigene1) und liberi (.Freie1) dorthin, damit sie
auf verschiedene Arten rodeten und mit göttlicher Hilfe zahlreiche novalia pulchra
(.schöne Neubrüche1) anlegten. Aber wie bis dahin schon dieser Wald für die
menschlichen Bedürfnisse ertragreich war, erbauten die genannten procuratores
(.Verwalter1) an dafür geeigneten Orten zum Dienste des Heiligen [d.h. des Klosters]
jetzt Stallungen für Stiere und Farmen für andere Nutztiere“.
Wir erfahren hier etwas über den Vorgang der Aufsiedlung im Umkreis von Horn-
bach: Rodung, Hofbau. Viehzucht, das ganze geleitet von procuratores des Klosters
oder des Klosterherrn, ausgeführt von Unfreien und Freien zugleich. Das entspricht
56 Vgl. zum Hornbacher Gründer Warnharius und seinem Sohn Nantharius, der bereits die um
742 anzusetzende Gründungsurkunde bezeugt. Doll (wie Anm. 45) S. 142; Ders. (wie Anm.
52), S. 22ff.; Haubrichs (wie Anm. 43), S. 48ff. [Lit.]. Mit dem Sohn des Gründers von
Hornbach wird jener Nantherius identisch sein, der 748 von Papst Zacharias unter anderen
Kirchenstiftern in Germania genannt wird (MG Epp. III Nr. 83, S. 364f.).
57 Vgl. H. Büttner, Die Widonen, in: Saarbrücker Hefte 3 (1956), S. 33-39; E. Boshof, Die
Salier, Stuttgart 1987, S. 7ff.; H. Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom. Wegstationen
und Lebensspuren der Salier, Sigmaringen 1991, S. 20ff.; St. Weinfurter, Herrschaft und
Reich der Salier, Sigmaringen 1991, S. 13ff.
58 MG SS XV, S. 27f. Vgl. zur ,Vita Pirminii' A. Angenendt, Monachi Peregrini, München
1972, S. 24ff.; St. Flesch, Die monastische Schriftkultur der Saargegend im Mittelalter,
Saarbrücken 1991, S. 96ff.
59 Daß offenbar am Orte der Gründung doch mehr als eine Gruppe Jagdhütten stand, zeigt die
Schenkung des Warnharius in der Gründungsurkunde: Gamundias in illa sala mea et illo sola-
rio a parte Oriente ... Es muß also einen Saalhof und einen östlich davon gelegenen Wohn-
turm gegeben haben. Gamundias ist ferner ein locus, den der Stifter selbst in pago blesinse er-
baute, so daß auch die Siedlungstätigkeit der Grundherren belegt ist.
60 Der Name Pirmasens muß also - entgegen der gängigen Ableitung - etwas mit der Schweine-
mast zu tun haben. Vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 370f.
46
ganz den in der Konstitution Ludwigs des Frommen von 822 für die forestarii und
Forsthufen des Vosagus angetroffenen Verhältnissen und den in späteren Horn-
bacher Urkunden sichtbar werdenden Rechtszuständen61 62 * *. Servi und liberi wirken
nebeneinander und werden bei der Landerschließung teilweise von Abgaben befreit.
Die Hornbacher Urkunden zeigen aber auch, daß die Landerschließung, welche Klo-
sterherr und Kloster Vornahmen, auf Königsland vor sich gingen02. Es kam zu zahlrei-
chen Konflikten zwischen Fiskus und Kloster. So wird man die Angaben der Pirmins-
vita nicht ganz wörtlich nehmen dürfen: Die Erschließung des Landes in dem durch
die -weiler, -hofen und -hausen-Orte gebildeten Halbkreis um Hornbach herum war
nicht nur ein Werk des Klosters, sondern vollzog sich wohl in einem zunächst nicht
genau abgrenzbaren Miteinander von Fiskus, von mit Königsland belehnten Ange-
hörigen der Gründerfamilien, von procuratores und Kloster selbst. Erst 823 kam es ja
zu einer Abteilung des Landes, in dem Hornbach wirkte, zwischen dem Kloster und
dem Fiskus entlang einer Altstraße, die auf Wilgartswiesen, auf das Queichtal zielte1’3.
Der Ausbau der Siedlung bildet auch die Grundlage der Extension der Gaue in das
Waldgebirge hinein. Dabei kam zunächst im Westen nur der Bliesgau in Frage, der
im Süden bis in die Region der Eichel, eines rechten Zuflusses der oberen Saar, ex-
pandierte, und nach Osten in die Region der Tributärbäche der Blies vorstieß. Auf
Karte 4 läßt sich der Prozeß der Raumorganisation für das Waldgebiet noch deutli-
cher beobachten.
Für das gesamte Waldland zwischen Rhein und Blies galt seit der Antike der kelti-
sche Name Vosagus, in germanischer Lehnform Wásego (verballhornt später Was-
gau), Wasichen, frz. Vosges, in gelehrter Bildung VogesenM. Die Belege reichen im
Osten bis Weißenburg, umschließen den Bienwald südlich Bergzaberns und ergreifen
61 MG Formulae 319f. Nr. 43; BM 764: Die freien forestarii werden von allen Abgaben und
Diensten außer einer Steuer, der stoffa, befreit, während die fiskalinen wie die kirchlichen
servi Dienste und Abgaben für ihre munsi leisten. Vgl. Doll (wie Anm. 52), S. 24f. Die
Abgaben der homines ingenui auf Hornbacher Klosterland, die vorher dem Fiskus gebührten,
werden seit König Pippin (751/52-768) dem Kloster selbst geschuldet, nicht aber die der servi.
Vgl. Neubauer (wie Anm. 45>) Nr. 10 (Ludwig der Fromme 814); Nr. 15 (Lothar I. 833);
Nr. 28 (Otto III. 993?); MG DD Lothar I Nr. 15; Th. Zotz. Beobachtungen zur königlichen
Grundherrschaft, in: W. Rosen er (Hg.), Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittel-
alter, 1989, S. 102.
62 Die Schenkung der Fiskalabgaben der Hornbacher ingenui homines durch Pippin, Ludwig
den Frommen, Lothar 1. und Otto III. setzen die fiskale Herkunft dieser Gruppen voraus
(Anm. 61), Daß Widonen und Kloster Königsland an sich gebracht hatten, zeigen weitere
Urkunden, auch solche, die Konflikte zwischen Fiskus und Kloster behandelten: Neubauer
(wie Anm. 45) Nr. 11 (819); 12 (823); Nr. 16 (833) Vgl. Doll (wie Anm. 52), S. 23f., der dar-
auf aufmerksam macht, daß sich der an Hornbach gekommene alte Widonenbesitz vorwie-
gend und kaum zufällig an der Südgrenze des Kaiserslauterer Reichslandes massiert. Die
Konflikte zwischen Fiskus und Kirche wiederholen sich beim Reimser Remigiusland um
Kusel: vgl. H ine mar, Vita S. Remigii, MG SS rer. Mer. III 257. 323.
M Vgl. u. Anm. 177.
M Zu unserem Abschnitt des Vosagus vgl. O. Gödel, Vosegus-Inschrift von Busenberg, in:
Pfälzer Heimat 31 (1980), S. 121 f.; E. Mensching, Vosegus und die Vogesen. Die Vogesen
als geographischer Begriff in römischer und frühmittelalterlicher Zeit, ebd. 33 (1982), S. 7-19;
Doll (wie Anm. 53) S. 21; H. Werle, Wald und Herrschaft. Studien zur Geschichte der
Reichswaldgenossenschaft Kaiserslautern, in: Jb. z. Gesch. von Stadt u. Landkreis Kaiserslau-
tern 8/9 (1970/71 ) S. 35-66, bes. S. 42ff.
47
noch das Tal des Speyerbachs bis Lambrecht und Neustadt. Im Westen lagen noch
Hornbach und Bitsch im Vosagus. Es ist aber deutlich zu sehen, wie sich sowohl im
Osten wie im Westen die Gaue vorschieben, sich z. T. mit den Lageangaben nach
dem Waldgebirge, der forestis Vosagus, überlappen. Wohl in der zweiten Hälfte des
9. Jahrhunderts hat der Speyergau in dem durch eine bedeutsame West-Ost-Straße
ausgezeichneten Queichtal Wilgartswiesen erreicht65. Im Westen, an derselben Straße
65 Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 14; Historia et commentationes Academiae Electoralis . . .
Theodoro-Palatinae, vol. VI historicum, Mannheim 1789, S. 252ff. Nr. VI: Gegen das Datum
(828) und die Echtheit der Urkunde in der vorliegenden Form können Bedenken erhoben
werden; Die Urkunde der Wiligart aus dem Geschlecht der Klostergründer gibt vor, von Kai-
ser Ludwig dem Frommen in Ingelheim abgezeichnet worden zu sein, was sicherlich unge-
wöhnlich wäre. Die Ausstellerin hat im Text bereits betont: a supradicto Imperatore Ludowi-
co impetravimus sigilli sui impressione assignari, so daß der Text erst nach der kaiserlichen
Zeichnung verfaßt sein will. Der angeblich „oben genannte“ Kaiser kommt aber im vorherge-
henden Text nicht vor. Die confirmatio der Urkunde soll unter dem Grafen Siggerus vorge-
nommen worden sein und zwar im Lutramsforst, der als Sitz des gräflichen Gerichts sonst nur
im 10. Jh. vorkommt. Auch die Lokalisierungsformel der Güter in pago Spirensi in comitatu
Siggeri comitis mit der Nennung des personalen Comitats neben der in pago-Formel gehört
eher ins späte 9. oder gar 10. Jh. Vgl. Doll [wie Anm. 45], S. 110, der die Urkunde als
„Empfängerausfertigung“, die ein Zitat der Hornbacher ,Vita Pirminii I’ verwertet, betrach-
tet, sie aber doch offenbar letztlich für echt hält; Böhmer-Mühlbacher Reg. Imperii 2. Aufl.
Nr. 852a halten (im Anschluß an Th. v. Sickel) wohl zu Recht die Bestätigung durch den Kai-
ser für eine spätere Interpolation, zumal Ludwig der Fromme zum angeblichen Bestätigungs-
datum (16. IV.) noch nicht in Ingelheim war.
48
gehört jenseits von Hornbach 888 das Gebiet der Felsalbe zum Bliesgau66. Nördlich
davon, im Flußsystem der Nahe, am oberen Glan und im eigentlich zur Blies gerich-
teten Ostertal, dringt der Nahegau vor: 918 in Niederkirchen im Ostertal67, 937 in
Neunkirchen am Potzberg66, 945 in Reichenbach südlich Kusel69, 956 in +Neunkirchen
zwischen Kübelberg und Waldmohr70. In der Kaiserslauterner Senke und auf den
Sickingerhöhen, im Einzugsgebiet von eigentlich zum Flußsystem der Blies gerichte-
ten Bächen erscheint im späten 10. Jahrhundert der Wormsgau etabliert: 976 in Quei-
dersbach71, 985 in Kaiserslautern72. Dieses Vordringen von Siedlungsbezirken und
Grafschaften, also Verwaltungseinheiten seit dem späteren 9. Jahrhundert ist bemer-
kenswert und für die Erklärung und Datierung der Diözesangrenzen im Auge zu
behalten.
2. Pfarrgeschichte und Besitzgeschichte
Man wird die Pfarrgeschichte, die kirchliche Organisationsgeschichte des Westrich-
raumes zwischen Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken nicht schreiben kön-
nen, ohne die Grundlage der Siedlungsgeschichte, man wird sie aber auch nicht
schreiben können, ohne die dominierende Kraft, die vom Kloster Hornbach zwischen
dem 8. und 11. Jahrhundert ausging, zu beachten. So wie das Metzer Stift St. Arnual
zur Titelkirche jenes Archipresbyterates wurde73, welches das Altsiedelland des Blies-
gaus organisierte, so wie das kurz vor 871 gegründete Metzer Stift Neumünster-Ott-
weiler das nördliche Ausbauland des Gaus betreute74, so wurde Hornbach Titelkirche
des östlichen Ausbaulandes. Der Metzer Bischof erkannte damit, obwohl er nicht im
Besitze dieser Titelkirche war, die dominierende Stellung dieses Klosters in der Regi-
on an.
Das Archipresbyterat Hornbach umfaßte - offenbar als Organisationsbasis - einige
Pfarreien im Altsiedelland, an der bereits genannten Bickenalb-Linie, der merowingi-
schen Siedlungsgrenze, vornehmlich Kirchheim bei Breitfurt, Mimbach gegenüber
Blieskastel, Ixheim bei Zweibrücken, Altheim, Medelsheim und Bedbur (heute Bett-
willer) bei Rimlingen in Lothringen. Von ihnen gehörten vier Pfarrkirchen dem Klo-
M MG DD Arnulf Nr. 33.
67 Acta Academiae Theodoro-Palatinae (wie Anm. 65), Bd. V, S. 175ff. Nr. III.
“ MG DD Otto I Nr. 10. 51. Die Identifizierung ergibt sich aus dem Besitzrecht des Wormser
Hochstifts an der mit Wormser Pertinenzpatrozinium (St. Cyriacus) ausgestatteten Kirche.
69 MG DD Otto I Nr. 71.
70 MG DD Otto I Nr. 178. Die Urkunde plaziert zur Unterscheidung von Neunkirchen am Potz-
berg (Anm. 68) prope Cheuilunbahc in loco qui dicitur Niuunchiricha.
71 MG DD Otto II Nr. 127. 246.
72 MG DD Otto III Nr. 9.
73 Vgl. H.W. Herrmann/E. Nolte, Zur Frühgeschichte des Stiftes St. Arnual und des Saar-
brücker Talraumes, in: ZGSaarg 19 (1971), S. 52-122; Haubrichs (wie Anm. 28), TI. II,
S. 5ff.
74 Hau/Schütz, Neumünster-Ottweiler, 1934; Herrmann/Nölte (wie Anm. 73), S. 78ff.;
Haubrichs (wie Anm. 28), TI. II, S. 48ff.
49
ster Hornbach75; hinzu kommt die sicherlich aus der Hand der Klostergründer, der
Widonen, an St. Maximin in Trier gelangte villa Ixheim, deren Pfarrkirche - zumin-
dest seit dem Hochmittelalter - ebenfalls dem Kloster im Bliesgau gehörte76. Diese
Besitzlage kann kein Zufall sein, sondern spiegelt erneut die Organisationslage. Der
weitaus größte Teil der Pfarreien des Archipresbyterats findet sich jedoch im Aus-
bauland.
Das erste Pfarrverzeichnis des Archipresbyterats liegt im Rahmen eines Steuerver-
zeichnisses der Diözese Metz von etwa 1360 vor und enthält 21 Pfarreien77. Das sind
nachweislich nicht alle zu diesem Zeitpunkt existierenden Kirchen mit pfarrähnlichen
Rechten. Das nächste, aus dem 15. Jahrhundert stammende Verzeichnis zählt dage-
gen schon 42 Kirchen auf*. Dieses Verzeichnis enthält zweifellos Kirchen, die es nie
zum Zentrum einer Pfarrei gebracht haben. Es bezieht sich vielleicht auf jene Kir-
chen, an denen im 15. Jahrhundert ein Priester wirkte. Dagegen fällt bei dem Ver-
75 Im Metzer Pouillé von etwa 1540 sind der Abtei Hornbach die Pfarrkirchen Bedbur (Bettwei-
ler), Medelsheim und Altheim zugewiesen, für Mimbach jedoch präsentieren quamplures
nobiles. Vgl. Longnon/Carrière (wie Anm. 2), S. 244. 286f. Da Mimbach jedoch wie
Bliesransbach, wo die Pfarrkirche ebenfalls Hornbach gehörte, 796 von Wido an sein Eigen-
kloster übergeben wurde, kann auch hier die Pfarrkirche nur von Hornbach aus gegründet
worden sein, wofür auch das Patrozinium spricht. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 6f.;
Haubrichs (wie Anm. 28) Tl. II, S. 27. Die alte Pfarrkirche St. Martin zu Bettweiler (1155
mit Priester) war kirchliches Zentrum des Königsgutbezirks um den Hof Rimlingen (vgl. u. S.
67), wo Karl der Große das Kloster durch eine Schenkung engagiert hatte. Auch der Erwerb
der Pfarrkirche wird früh anzusetzen sein, bezeugt ist die Zugehörigkeit zum Kloster zuerst
1313. Vgl. F.X. Remling, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe von Speyer, Bd. 1,
Mainz 1852, Nr. 93; Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 19. 182. 195. 364. 873; MG DD Lothar II
Nr. 24 (865); Haubrichs (wie Anm. 28), Tl. II, S. 44f. In Medelsheim gelangt nach 888
(MG DD Arnulf Nr. 33) eine Königshufe an Hornbach, auch hier ist die Zugehörigkeit der
Pfarrkirche zum Kloster erst 1313 bezeugt. Das Apostelpatrozinium spricht wie bei Mimbach
kaum für eine Gründung vor dem 10. Jh. Vgl. Neubauer, Nr. 181; Haubrichs (wie
Anm. 28) Tl. II, S. 17. In Altheim verfügte Hornbach über einen 1357 bezeugten Hof und
auch über die 1275 genannte Pfarrkirche mit wohl recht altem Andreaspatrozinium. Altheim
dürfte zu dem in der Frühzeit nicht beurkundeten Altbesitz der Abtei aus widonischer Schen-
kung gehören, zu den zahlreichen Gütern, die nach der Vita Pirmins (Anm. 58) in der Umge-
gend der villa Gamundias-Hornbach geschenkt wurden. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr.
194; S. 216f. (mit Hinweisen auf die Zugehörigkeit von Brenschelbach oder zumindest Teilen
des Ortes, von +Riesweiler. Peppenkum, Seyweiler, Hengstbach und Böckweiler).
76 In Ixheim (Stadt Zweibrücken) besaß Hornbach die Pfarrkirche St. Petrus sowie eine Meierei
und Zehnten: Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 362. 416; S. 231f. Die Grundherrschaft (villa)
ist dagegen seit spätestens 1026 für das Kloster St. Maximin in Trier bezeugt. Doch ist auch
bereits die 940 (Or.) aufscheinende Besitzbestätigung . . . quidquid in pago Blesensi visus est
sanctus Maximinus habere . . . mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Ixheim zu beziehen. Vgl.
MG DD Otto I. Nr. 31; Konrad II. Nr. 48; Mittelrh. UB I Nr. 452 (1125); Nr. 516 (1140) u.ö.;
C. Pöhlmann, Das Kloster St. Maximin bei Trier als Grundbesitzer in Ixheim, in: Trierer
Zeitschr. 1 (1926), S. 33-35; E. Wisplinghoff, Untersuchungen zur frühen Geschichte der
Abtei St. Maximin bei Trier von den Anfängen bis etwa 1150, Mainz 1970, S. 112; H. Dell-
wing/H.E. Kubach, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des ehemaligen Landkreises
Zweibrücken, 1981, Bd. 1, S. 372ff. Der Fernbesitz des Trierer Klosters läßt sich durch eine
Schenkung der widonischen Familie, die im frühen 8. Jh. die Trierer Kirche beherrschte,
erklären, wobei dann auch die Vergabung der Peterskirche an das Eigenkloster Hornbach gut
passen würde.
77 Vgl. Longnon/Carrière (wie Anm. 2), S. XXXII. 211; C. Pöhlmann, Das Archipres-
byterat Hornbach vor der Reformation, in: Westpfälz. Gechichtsbll. 14 (1910), S. 2-4; 45-46;
Ders., (wie Anm. 1), S. 21-23.
78 Dorvaux (wie Anm. 2), S. 22ff. 29f. Der 1630 schreibende Kopist des Textes hat die aufge-
führten Kirchen als ecclesiae parochiales bezeichnet, doch ist es fraglich, welches Vertrauen
man dieser Bezeichnung entgegenbringen soll.
50
zeichnis von ± 1360 auf, daß gerade die Kirchen aufgezählt werden, die auch nach
anderen Kriterien wie Patrozinium oder Besitzgeschichte oder Umfang der Pfarrei
usw. Organisationszentren gewesen sein müssen™. Es stellt sich die Frage, ob nicht
das Verzeichnis von 1360 entweder einen älteren Zustand festhält oder etwa gerade
die im 14. Jahrhundert existenten ecclesiae matrices, die Mutterpfarrkirchen, ver-
zeichnet. Allerdings ist die Hornbacher Kirche nicht im Verzeichnis genannt, ebenso
nicht die drei zugehörigen Pfarrkirchen Hornbach, Althornbach und St. Johann’";
jedoch ist das ebensowenig im Nachbararchipresbyterat bei St. Arnual der Fall. Man
hat hier bereits an ein exemtes Kleinarchidiakonat der Stiftspfarreien gedacht, was
sich analog auf den unmittelbaren Klosterbezirk von Hornbach übertragen ließe81.
Zu den Hornbacher Pfarrkirchen im Ausbauland gehörten - man mag Karte 5 ver-
gleichen - Brenschelbach südlich Hornbach*2, Contwig*3, Nünschweiler*4, Pirmasens*5
und die Doppelpfarrei im Lambsbacher Tal, deren frühes Zentrum wohl in Kirrberg,
79 Eine brauchbare Synopse der Verzeichnisse von 1360, des 15. Jhs. und von etwa 1540 findet
sich bei Pöhlmann, Hornbach (wie Anm. 77), S. 46.
*° Für Althornbach, das sicherlich zum undokumentierten Frühbesitz der Abtei gehörte (vgl.
Anm. 75) und 1331 zuerst als Pfarrei bezeugt ist, erübrigen sich nähere Angaben. Vgl. Neu-
bauer (wie Anm. 45) Nr. 377. 566. 804. Hornbach, das alte Gamundias, 1155 mit Priester
bezeugt, wurde - mit einer Mark versehen (vgl. u. S. 68) - in der Gründungsurkunde von
± 742 geschenkt. Vgl. Doll (wie Anm. 45), S. 141 f.; R e m 1 i n g (wie Anm. 75), Bd. 1, Nr. 93.
St. Johann, vielleicht die älteste Pfarrkirche im Hornbacher Raum, wurde 1290 dem Stift St.
Fabian zu Hornbach inkorporiert. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 139; F.X. Glas-
schröder, Urkunden zur pfälzischen Kirchengeschichte, 1903, Nr. 698; Dellwing/
Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 652ff.; P. Moraw, Das Stift St. Fabian in Hornbach, in:
AmrhKG 16 (1964), S. 110-138. Zur evtl, zum Hornbacher Bezirk gehörigen Pfarrei Bren-
schelbach vgl. Anm. 82.
81 Hermann/Nolte (wie Anm. 73), S. 76f. 98f.; Haubrichs (wie Anm. 28), TI II, S. 45
Anm. 365
82 Die 1314 bezeugte Pfarrei Brenschelbach gehörte wie St. Johann (Anm. 80) zur Ausstattung
des Hornbacher Stifts St. Fabian. Vgl. Moraw (wie Anm. 80), S. 130. Bereits 959 schenkte
ein Diuring bei +Riesweiler, das zur Pfarrei B. gehörte und wo damals bereits Hornbach
begütert war, umfangreichen Besitz. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 24; o. Anm. 75.
83 Der Hof Contwig gehört sicherlich zum undokumentierten Frühbesitz Hornbachs (Anm. 75).
Die zuerst 1272 genannte Pfarrei Contwig wird 1309 dem Kloster inkorporiert. Vgl. Neu-
bauer (wie Anm. 45) Nr. 160. 172. 179. 180; Dell wing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S.
453ff. 823ff. Zum Contwiger Pfarrbezirk gehörte die 1382 bezeugte Filialkirche Niederauer-
bach. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 180. 309; K. Pöhlmann/A. Doll, Regesten
der Grafen von Zweibrücken . . ., Speyer 1962, Nr. 900. 901; Dorvaux (wie Anm. 2), S.
668. In Niederauerbach ist noch 972 Reichsgut bezeugt (MG DD Otto II Nr. 424). Zur archai-
schen Zentralstellung des Hofes Contwig in einem bis nach Waldfischbach reichenden
Rechtszug vgl. Anm. 139.
84 Nünschweiler gehört sicherlich zum undokumentierten Frühbesitz Hornbachs (Anm. 75).
Zum auf die Hornbacher Gründersippe verweisenden Ortsnamen vgl. o. S. 44. Die 1296
zuerst genannte Pfarrei wird 1309 dem Kloster inkorporiert. Zur Pfarrei gehörten die Filial-
kirchen von Dellfeld und wohl auch Meisenbach und Groß-Steinhausen; Vgl. Neubauer
(wie Anm. 45) Nr. 151. 171. 433; Dellwing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 490ff. 826ff.;
Dorvaux (wie Anm. 2) S. 674. Wichtig für die Ausdehnung der großen Pfarrei ist das Kir-
chenweistum von 1606: Westpfälz. Geschichtsbll. 14 (1910), S. 12.
85 Pirmasens nimmt seinen Ausgang von der nach der Vita Pirminii I vom Gründer dem Kloster
geschenkten Waldmark im Vosagus. Vgl. Christ mann (wie Anm. 49), S. 85ff.; K. H off-
mann, Pirminius - Pirminsland - Pirmasens, in: Pfälzer Heimat 32 (1981), S. 97-99; E.
Guth, Lemberg, Dorf und Burg im Wandel der Zeit, Pirmasens 1984, S. 14ff. Die Pfarrei
wird 1225 dem Kloster Hornbach inkorporiert. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45), Nr. 64. 79.
151. 207. 383; Glasschröder (wie Anm. 80), Nr. 721. 757; Dorvaux (wie Anm. 2), S.
371 f.
51
später aber in Lambsborn nördlich von Homburg lag86. Hinzugerechnet werden müs-
sen wohl Pfarrkirchen, die später im Besitz der Grafen von Saarbrücken und Zwei-
brücken, der Vögte von Hornbach seit dem 12. Jahrhundert, bezeugt sind87. Freilich
sind darunter kaum frühe Kirchen. Mit Waldfischbach besaß Hornbach auch eine
Pfarrei, die in der Diözese Speyer lag88; schon im 9. oder 10. Jahrhundert war die basi-
lica von Wilgartswiesen an das Kloster gekommen89, an sie schlossen sich östlich im
Queichtal noch evtl. Queichhambach90, wo Hornbach Zehntherr war, und Godram-
stein91 an.
“ Auch das Lambsbacher Tal gehörte wohl zum undokomentierten Frühbesitz der Abtei Horn-
bach (vgl. Anm. 75). Als Besitzer der Pfarrkirche ist 1277 noch das Kloster genannt, 1289 er-
hält das Stift St. Fabian vom Kloster die Pfarreien St. Johann (Anm. 80) und Lamespuren
samt der Kapelle Kirrberg; 1290 werden beide Pfarreien dem Stift inkorporiert. Vgl. Neu-
bauer (wie Anm. 45), Nr. 117. 139; S. 222; Glasschröder (wie Anm. 80), Nr. 698; C.
Pöhlmann, Das ältere Kopialbuch der Familie Mauchenheimer von Zweibrücken im
Staatsarchiv zu Darmstadt, Zweibrücken 1967, Nr. 20. Die Zehnten und der Besitz im Lambs-
bacher Tal verbleiben jedoch weiterhin bei der Abtei: Neubauer Nr. 517. 807. Zum Pfarr-
und Zehntbezirk vgl. A. Neubauer, Regesten des Klosters Werschweiler Nr. 92. 108. 126.
985; C. Pöhlmann, Zur Heimatgeschichte von Lambsborn, in: Westricher Heimatbll. 2
(Kusel 1938), S. 59-62. 69-72; F.X. Glasschröder, Neue Urkunden zur pfälzischen
Kirchengeschichte im Mittelalter, Speyer 1930, Nr. 397; Dellwing/Kubach (wie Anm.
76) S. 440f., Bd. II, S. 725ff.; B. Bonkhoff, Zur Ortsgeschichte von Mörsbach, in: Pfälzer
Heimat 30 (1979) S. 21-23. Anscheinend im Pfarrbezirk errichten die Grafen von Saarwerden
und Homburg 1212 ein hospitium an der Straße Metz-Worms mit einer Kapelle, die Sonder-
rechte besaß und für die 1317 ein Priester bezeugt ist: Pöhlmann (wie Anm. 77) S. 46; A.
Eckhardt/G. Torsten, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Kaiserslau-
tern, München 1942, S. 469ff. Die Grenzen des ursprünglich zum Reichsgut gehörigen Vier-
herrenwaldes umschlossen auch das Lambsborner Tal; in den Gemeinden der Pfarrei galt
noch später das Maßsystem des Reichshofes Kaiserslautern. Vgl. C. Pöhlmann, Die Süd-
westgrenze des Reichslandes von Kaiserslautern, in: ZGO, NF 51 (1938), S. 590f.; H.W.
Herrmann, Die Grafen von Homburg. Beiträge zur Geschichte eines Westricher Adelsge-
schlechtes, in: MHVPf 77 (1979), S. 31. Die Einheit des Pfarrbezirks Kirrberg-Lambsborn
geht auch daraus hervor, daß die beiden Pfarrorte in Metzer Kirchenverzeichnissen niemals
nebeneinander erscheinen. Für die Priorität von Kirrberg spricht die Etymologie des Namens,
die aus ahd. kirihha „Kirche“ abzuleiten ist; die Kirche von Lambsborn trägt freilich ein
Hornbacher Apostelpatrozinium (St. Philippus und Jacobus).
87 Hier ist an die aus einem Großbezirk um Waldfischbach herausgewachsenen Pfarrkirchen von
Burgalben (Anm. 141) und Thaleischweiler (Anm. 143) zu denken.
88 Vgl. Anm. 139).
89 Zur problematischen Datierung dieser Urkunde vgl. o. Anm. 65. Doch scheint der sachliche
Kern, der den widonischen Vorbesitz des Ortes aufweist, vertrauenswürdig, zumal karolingi-
sche Siedlungsspuren in der Gemarkung und in der Nähe bei Hauenstein gefunden wurden,
woran sich eine ottonisch-salische Burg anschloß. Vgl. W. Ehescheid, Die Wiligartaburg
bei Wilgartswiesen, W. 1989, S. 11. 19; H. Bernhard/D. Barz, Frühe Burgen in der Pfalz,
in: H.W. Böhme (Hg.). Burgen der Salierzeit, TI. 2, Sigmaringen 1991, S. 129f. 155ff. ; K.H.
Debus. Kirchlicher Fernbesitz, in: Pfalzatlas, Textbd. II, Speyer 1971 ff., S. 893 Nr. 710.
90 A. Doll, Beobachtungen zu den Anfängen des Zisterzienserklosters Eußerthal und zur Ent-
wicklung der Haingeraide, in: MHVPf 68 (1970), S. 210ff. Hornbach gehörte der Pfarrsatz in
Queichhambach mit den Filialen Gräfenhausen, Mettenbach, Rotenbach. Der terminus sancti
Pirminii, in dem die Zisterze Eußerthal gegründet wird, ist eine ursprünglich auf Godram-
stein (Anm. 91) orientierte Waldmark, die östlich an den widonischen Bezirk von Wilgarts-
wiesen anschließt und mit dem Ortsnamen Gräfenhausen, 1189 Grevenhusen („bei den Häu-
sern des Grafen“) die Herkunft aus (wohl auch widonischem) Amtsgut verrät. Es ist an einen
von Godramstein im 10. Jh. vorgetragenen Rodungsvorschub zu denken. Vgl. Debus (wie
Anm. 85) S. 893 Nr. 698.
91 Rödel (wie Anm. 1), S. 64ff; W. Weizsäcker, Pfälzische Weistümer, Bd. 2, Speyer
1962ff., S. 672ff. Aus Königsgut gelangte 900 ein bedeutsamer Hof an Hornbach, die Kirche
trägt das Pertinenzpatrozinium St. Pirmin (MG DD Ludwig das Kind Nr. 5).
52
In den Pfarrkirchen, die Hornbach selbst gründete, wozu sicher nicht Wilgartswiesen,
kaum die Martinskirche von Bedebur („Bethaus“), d. i. Bettviller bei Rimlingen92
gehörten, lassen sich typische Patrozinien feststellen:
Am wenigsten und anscheinend nur außerhalb der Diözese Metz wurde der Reliqui-
en- und Pertinenzpatron Pirmin vergeben93 - im Rheingebiet z.B. in Eimsheim,
Godramstein, Osthofen, im Westrich vielleicht in Waldfischbach. Charakteristischer
für den Hornbacher Heiligenkult sind zwei andere Phänomene.
Zunächst einmal der Anschluß an den ja auch sonst im Frankenreich seit dem späte-
ren 8. Jahrhundert zu beobachtenden italisch-römischen Märtyrerkult, der durch
massiven Reliquienimport der Prälaten und auch des kirchengründenden Reichsadels
gestützt wurde94. Hier werden sich die um die Widonen gruppierten Gründerfamilien
nicht anders verhalten haben als etwa der Verwandtschaftsverband um Bischof Chro-
degang von Metz oder bodenseeorientierte Adlige. Ich möchte hier einmal das
(ansonsten rätselhafte) Juliana-Patrozinium von Pirmasens einordnen, wobei nach
dem wichtigen Hornbacher Kalendar des späten 10. Jahrhunderts wohl Juliana
von Cumae gemeint sein muß95. Weniger deutlich wird das zweifellos reliquienbe-
dingte Patrozinium der Märtyrer Cantius, Cantianus und Cantianilla von
Aquileja in Böckweiler, das später als Hornbacher Priorat auftritt96. Da die Märtyrer
auffälligerweise im Kalendar des Klosters nicht vertreten sind, wird man den Über-
gang der Böckweiler Kirche an Hornbach nicht zu früh ansetzen dürfen: die Erst-
erwähnung - zugleich mit Angabe des Patroziniums - stammt von 114997. Ganz sicher
lagen spätestens 865 - und wohl schon in eigener Kirche - Reliquien des römischen
Märtyrerpapstes F a b i a n u s, eines der ersten Blutzeugen der decischen Christen-
verfolgung, in Hornbach; das Kalendar feiert ihn (allerdings erst unter den Zusätzen)
mit Oktav98. Mit Fabianus gewann ein ohnehin schon hochverehrter Blutzeuge der
decischen Christenverfolgung, der römische Archidiakon Laurentius, an Vereh-
rung in Hornbach. Das Kalendar feiert nicht nur den Tag (10. August) mit Messe und
Officium und die Oktav mit Officium - das ist für das 10. Jahrhundert nicht unge-
92 Vgl. Anm. 75.
93 H. Schmitt, Die Patrocinien der Kirchen und Kapellen im ehemaligen Bistum Worms, in:
Wormatia Sacra. Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Bistums Worms, Worms 1925,
S. 117; Schaab (wie Anm. 1) S. 122. Vgl. ferner Anm. 91.139.
94 F. Prinz, Stadtrömisch-italienische Märtyrerreliquien und fränkischer Reichsadel im Maas-
Mosel-Raum, in: Hist. Jb. 87 (1967), S. 1-25; Haubrichs (wie Anm. 28), TI. II, S. 46ff.
95 J.E. Gugumus, Das Kalendar der Abtei Hornbach, in: AmrhKG 25 (1973), S. 179-201;
Haubrichs (wie Anm. 28), TI. II, S. 43f.; Ders. (wie Anm. 43), S. 54. Reliquien der hl. Juli-
ana sind auch 847/56 in einem Altar des Hornbacher Nebenklosters St. Philipp in Zell depo-
niert: MG Poetae II 232f.; P. Moraw, Das Stift St. Philipp zu Zell in der Pfalz, Heidelberg
1964, S. 65. Auch die Patronin von St. Julian (VG Lauterecken, Kr. Kusel), 1290 apud Sanc-
tam Julianam (mit einer Relique os.s. Juliane virginis bedacht) ist in diesen Zusammenhang
zu stellen. Vgl. Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 413f.
96 C. Schenk, Die Klosterkirche von Böckweiler, in: 6. Ber. der Staatl. Denkmalpflege im
Saarland 1953, S. 57-82; Haubrichs (wie Anm. 29), TI. II, S. 16f. (Lit.). 47.
97 Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 38.
98 Gugumus (wie Anm. 95), S. 187; Moraw (wie Anm. 80), S. 11 Off.; Dellwing/Kubach
(wie Anm. 76), Bd. 2, S. 616ff.; Haubrichs (wie Anm. 28), TI. II, S. 47; Haubrichs (wie
Anm. 43), S. 54.
53
wohnlich -, sondern auch die Vigil mit Messe und Officium". Um Laurentius hatte
sich in Rom ein Märtyrerroman ausgebildet, der andere prominente Blutzeugen des
3. Jahrhunderts in das Geschehen, ja in den Sippenverband des Laurentius mit einbe-
zog, so Papst Fabianus, Papst Sixtus II. und - sehr eng - den Märtyrer Cyriacus.
Es ist sicherlich kein Zufall, wenn in einem eng beschriebenen Bezirk Hornbacher
Einflusses, in zwei nebeneinanderliegenden Pfarrkirchen und zugehörigen Filialen
sich Laurentius- und Cyriakuspatrozinien häufen: Laurentius in Contwig und
Nünschweiler und der Filialkirche Delbeld1011, Cyriakus in der Contwiger Filiale Nie-
derauerbach, in der Nünschweiler Filialkirche der Wüstung +Meisenbach, eines
Hornbacher Hofes bei Thaleischweiler, und im südlich von Nünschweiler liegenden,
eigentlich zum Pfarrbezirk von Walschbronn gehörenden, aber gerade für die Kirche
unter Hornbacher Einfluß stehenden Groß-Steinhausen10'. Solcher Kult kann sich
langsam nach innen entfaltet haben, aber zumindest für das m. E. älteste Pfarrzen-
trum des Raumes am Schwarzbach, Contwig, möchte ich die Anfänge in die Nähe des
Hornbacher Fabianus-Kultes im 9. Jahrhundert setzen.
Ganz unzweifelhaft ist für Hornbach eine wohl gegenüber dem Märtyrerkult sekun-
däre, vielleicht an das Petrus-Patrozinium des Klosters anknüpfende, außerordentlich
deutliche Schicht der Apostelverehrung, die m. E. die Patroziniengebung in den
Eigenkirchen des Klosters im 11 ./12. Jahrhundert bestimmt, wobei einige Peterskir-
chen schon einer älteren Schicht angehören dürftenlfß. Die Beispiele betreffen die
Kirchen von Hornbach (Petrus), Althornbach (Matthias), Ixheim (Petrus), Altheim
(Andreas), Medelsheim (Jakobus maior), Bliesransbach (Lucas evangelista), Bren-
schelbach (Bartholomäus), Mimbach (Simon und Juda), Lambsborn (Philippus und
Jakobus), Winterbach (Matthäus) u.a.103. So ist wohl auch die Andreaskirche von
Wiesbach, bei unterliegendem Besitz des Pirminsklosters und seiner Vögte, der Gra-
fen von Zweibrücken, bzw. von Lehnsleuten der Grafen von Homburg, die ebenfalls
Hornbacher Vogteigut an sich brachten, dem Einfluß der Abtei zuzuschreiben"14.
w Gugumus (wie Anm. 95), passim.
100 Zu den Patrozinien vgl. Dorvaux (wie Anm. 2), S. 668. 674; Dellwing/Kubach (wie
Anm. 76), Bd. 2, S. 457f. 469. 490ff., die für Contwig ein ursprüngliches Patrozinium St. Tho-
mas angeben. Doch ist angesichts der starken Verehrung des römischen Blutzeugen in Horn-
bach und der filialen Ausbreitung des Patroziniums doch eher damit zu rechnen, daß der
Contwiger Laurentius-Kult alte Wurzeln besitzt. Bei dem belegten (?) Thomas-Patrozinium
mag es sich um ein Conpatrozinium handeln, das gut zur späteren Schicht des Hornbacher
Apostelkults paßt.
Dell wing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 1, S. 392ff.; Bd. 2, S. 545f. Das Alter des Patrozini-
ums in Groß-Steinhausen ist nicht völlig gesichert. Vgl. u. Anm. 154.Cyriakus ist übrigens
bereits 847/56 Reliquienpatron neben Fabianus im Hauptaltar des Hornbacher Nebenklo-
sters St. Philipp zu Zell; Moraw (wie Anm. 95), S. 64.
IU2 Vgl. Haubrichs (wie Anm. 28) TI. II, S. 46.
103 Zu erwähnen sind noch vor allem die Conpatrozinien (?) Thomas in Contwig und Jakobus
Maior in Nünschweiler, welche die dortigen Laurentiuspatrozinien ergänzen, ferner die
auffälligen Bartholomäuspatrozinien in Langwieden (VG Bruchmühlbach-Miesau, LK Kai-
serslautern), Bottenbach (LK Pirmasens) und Wiesweiler (Dép. Moselle). Im Wiesweiler Fi-
lialort Wölflingen sind Hornbacher Güter nachzuweisen. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45)
Nr. 134. 468. 861. 875.
104 Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 99. Vgl. u. Anm. 118.
54
Unmittelbar nördlich jenes Einflußbezirkes, den zunächst Hornbach und später die
Grafen von Zweibrücken dominierten, wird im Hochmittelalter ein Einflußbereich
sichtbar, in dem vorwiegend die Grafen von Homburg Herrschaftsaufbau betrieben,
der aber auch von Rechten der Grafen von Saarwerden - man denke an deren Grün-
dung des Zisterzienserklosters Werschweiler der Grafen von Blieskastel und der
Herren von Kirkel durchsetzt ist105. Wie H.-W. Herrmann und M. Parisse gezeigt
haben106, sind alle diese Geschlechter auf eine lothringische Hochadelsfamilie des
10./11. Jahrhunderts, welche häufig die Grafschaften im Blies- und Saargau und den
comitatus von Metz innehatten, zurückzuführen, die man nach einem häufig auftre-
tenden Namen die Folmare nennen mag107.
Dieser Familie, spätestens dem gemeinsamen Ahnherrn Gottfried III. von Blieskastel
(1075-1098), gehörte auch der später aufgeteilte Bezirk des Vierherrenwaldes, in dem
etwa Kirkel und Homburg lagen, und der nach hochmittelalterlichen Quellen
Reichslehen war108. Nach Besitzlage und Rechtsqualität ließe er sich auf eine der im
10. und 11. Jahrhundert mehrfach aus dem Waldland des Vosagus herausgeschnitte-
nen forestes zurückführen, nach Lage der Dinge wohl auf den Bezirk und die Perti-
nenzen des ehemaligen, im 9. Jahrhundert genannten Königshofes Waldmohr109. Den
Erwerb dieser forestis wird man nicht zu früh ansetzen dürfen, denn gerade im
Bereich der Pfarreistruktur deutet manches, vor allem die Patrozinien St. Martin in
10? Herrmann (wie Anm. 86), S. 29ff.
106 Herrmann (wie Anm. 45), Bd. 1, S. 40ff. und Beilage 1; Ders., in: Geschichtliche Landes-
kunde des Saarlandes, hg. v. H.W. Herrmann/K. Hoppstädter, Bd. 2, Saarbrücken
1977, S. 244ff. 266ff.; Ders. (wie Anm. 86), S. 27ff.; M. Parisse, La noblesse lorraine, 1976,
S. 182ff.; W. Haubrichs, Gelenkte Siedlung des frühen Mittelalters im Seillegau. Zwei
Urkunden des Metzer Klosters St. Arnulf und die lothringische Toponymie, in: ZGesch-
Saarg. 30 (1982), S. 13f. Anm. 31 (Lit.).
107 Hornbacher Beziehungen der Familie scheinen in der Tatsache auf, daß die Schenkung
König Arnulfs vor 888 an den nobilis vir Folcuin, der zur Familie gehörte, in den Orten St.
Ingbert, Altheim, Medelsheim, Felsalben und im Rosselgau (?), später an Hornbach gelangte
(MG DD Arnulf Nr. 33).
"* Herrmann (wie Anm. 86), S. 31ff.
109 Vgl. o. S. 45. Zur Bewertung wäre auch der den ,Vierherrenwald’ tangierende bzw. in ihn
hineinreichende Besitz der Metzer Kirche (und evtl, der Zweibrücker Grafen) mitzuberück-
sichtigen. Jedoch zeichnet sich eine von Herrmann (wie Anm. 86), S. 37f. bereits deutlich
gesehene, für das 11. Jahrhundert noch einheitliche und letzten Endes auf karolingisches
Königsgut zurückgehende, dann an die Folmare gelangte Besitzstruktur im Raum zwischen
Kirkel und Bruchmühlbach, Waldmohr und Ernstweiler ab, zu der auch Rechte an den Pfarr-
kirchen von Kirkel-Volkerskirchen (Anm. 115), Waldmohr (Anm. 112), Niederbexbach, Bee-
den (Anm. 111), Reiskirchen (Anm. 116), Ingweiler und Ernstweiler (Anm. 113) gehörten.
Vgl. Haubrichs (wie Anm. 52), S. 41 f. 49ff.
55
Limbach und Umgebung110, St. Remigius in Beeden111 und St. Georg in Waldmohr"2
und Ernstweiler"3 bei Zweibrücken, auf eine ältere, bis in die Ottonen- und vielleicht
noch frühe Salierzeit reichende Organisation durch das Königtum"4. Daneben stellen
sich freilich Eigenkirchen der Folmare in +Volkerskirchen bei Kirkel115 und Reiskir-
chen bei Homburg"6.
Auch im östlich unmittelbar an den Vierherrenwald anschließenden Bereich hatten
die Folmar-Gruppe und andere Besitz, der nach besitz- und organisationsgeschichtli-
chen Indizien auf den Fiskus zurückweist, so in Großbundenbach"7, Wiesbach"8, Win-
110 Haubrichs (wie Anm. 28), Tl. II, S. 50ff. mit Anm. 323. Hier bedarf freilich manches einer
neuen und korrigierenden Analyse; auch die dort vorgenommene Einbettung der Limbacher
Pfarrei in einen ursprünglichen Zusammenhang mit Wiebelskirchen ist zu überdenken.
111 Die Kirche zu Beeden gelangte aus dem Besitz der Grafen von Homburg vor 1248 an das
Zisterzienserkloster Werschweiler; wegen der 1272 verzichteten Patronatsrechte Reinharts
von Hohenecken, Schultheiß zu Kaiserslautern, können auch Reichsrechte an der Kirche
erwogen werden. Vgl. Neubauer (wie Anm. 86) Nr. 135. 183. 184. 185. 216. 229. 280. 290.
Der Zehntbezirk der Pfarrkirche umfaßte neben B. auch Homburg, Kleinottweiler, +Weni-
gen-Werschweiler und den Vierherrenwald jenseits des Bichtelbachs. Vgl. ebd. Nr. 424. 1047.
1138; ferner Herrmann (wie Anm. 86), S. 35; Haubrichs (wie Anm. 28), Tl II, S. 43 mit
Anm. 297.
112 Vgl. Herrmann (wie Anm. 86), S. 34; Haubrichs (wie Anm. 28),Tl. II, S. 51 Anm. 323.
Das Georgspatrozinium läßt sich hier wie bei Ernstweiler auf das ottonisch-salische König-
tum oder auf die Folmare, die etwa auch in Lunéville eine Georgskirche errichteten, zurück-
führen.
1,3 Vgl. Herrmann (wie Anm. 86), S. 36; Haubrichs (wie Anm. 52), S. 35ff.
114 Zum Königsgutcharakter des Hofes Ernstweiler im 10. und 11. Jh. vgl. Haubrichs (wie
Anm. 109), S. 42f. 46ff. Für das Jahr 1009 ist ein Aufenthalt Heinrichs II. in vico Ernestwillare
cum omni . . . exercitu belegt. Mit dieser Stützpunktfunktion von Ernstweiler ist vielleicht
die im Pfarrbezirk gelegene Turmburg zu Einöd in Verbindung zu bringen. Vgl, H.W.
Böhme, Burgen der Salierzeit in Hessen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland, in: Ders.
(Hg.), Burgen der Salierzeit, TI. 2, Sigmaringen 1991, S. 48f.; negativ zur Identifizierung (mit
m.E. nicht durchschlagenden kunstgeschichtlichen Argumenten) St. Flesch, Die monasti-
sche Schriftkultur der Saargegend im Mittelalter, Saarbrücken 1991, S. 104f.
115 Herrmann (wie Anm. 86), S. 32. 37; Haubrichs (wie Anm. 28) Tl. II, S. 34ff. Vgl. Anm.
117.
116 Herrmann (wie Anm. 86), S. 35 mit Anm. 67; dazu Neubauer (wie Anm. 86), Nr. 25;
Haubrichs (wie Anm. 28), Tl. II, S. 51 Anm. 323.
117 Graf Ludwig von Saarwerden schenkt 1206 die Kirchen von Volkerskirchen und Bontenbach
samt Zehnten an Kloster Wörschweiler. Vgl. Neubauer (wie Anm. 86) Nr. 21. 25. 60. 362.
363. 373. 374. 386. 445; Herrmann (wie Anm. 45), Bd. 1, Reg. Nr. 91. Zum Pfarrbezirk vgl.
Dorvaux (wie Anm. 2), S. 681 f.; Dellwing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 508ff.;
B.H. Bonkhoff, Großbundenbach - Kleinbundenbach - Mörsbach. Ein Dorfbuch, Mei-
senheim 1981, S. 62. 356.
118 Im J. 1297 hat das Reich ein officium in Labach und in Wiesbach; die 1279 getätigte Schen-
kung der Kirche zu Wiesebach an das Deutsche Haus zu Einsiedel bei Kaiserslautern durch
die Reichsministerialen von Hohenecken, Schultheißen zu Kaiserslautern, dürfte damit auch
auf Reichsbesitz zurückweisen. Damit ist Hornbacher Besitz (als wohl aus Reichsgut gewon-
nenem widonischem Besitzsubstrat) in Verbindung zu bringen, der aufscheint, als 1269 der
Graf von Zweibrücken seine Pirminsleute im Tal von Wiesbach, in Winterbach und in Käs-
hofen verpfändet. Das Apostelpatrozinium der Pfarrkirche (vgl. S. 54 spricht für Hornbacher
Einfluß, kaum aber für eine frühe Kirche. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45), Nr. 99; Pöhl-
mann/Doll (wie Anm. 83) Nr. 192; C. Pöhlmann, Südwestgrenze (wie Anm. 86), S.
592; H. Friedei, Hohenecken. Geschlecht - Burg - Dorf. Ein Beitrag zur Stadtgeschichte,
Kaiserslautern 1984, S. 30; Dorvaux (wie Anm. 2), S. 681f.; Dellwing/Kubach (wie
Anm. 76). Bd. 2, S. 829ff. 842f.; B.H. Bonkhoff, Kirchengeschichte von Wiesbach bis zum
Untergang der Pfarrei 1635, in: Bll. f. Pfälz. Kirchengesch. u. Religiöse Volkskde. 49 (1982),
S. 5-9.
56
terbachm, Rieschweiler12" und davon wieder abhängigen Orten. So wird man die Saar-
werdener Martinskirche von Großbundenbach und vielleicht auch die als Saar-
werdener Lehen aufscheinende Martinskirche in Rieschweiler noch auf fiskale Grün-
dung zurückführen wollen. Die Kirche von Maßweiler ist dagegen eindeutig als
Filiale in der Pfarrei von Rieschweiler bezeugt119 120 121. Die Kirche von Battweiler - mit
jungem Margarethenpatrozinium und 1371 im Besitz Lauterer Burgmannen - dürfte
ebenfalls aus diesem Pfarrbezirk herausgewachsen sein122.
Die Folmare hatten aber auch Hornbacher Güter und Rechte an sich gebracht. Das
wird besonders deutlich jenseits der Metzer Diözesangrenze in den westlichsten Tei-
len der Diözesen Worms und Speyer. So verfügten die Grafen von Homburg zwi-
schen der Wallhalbe und der Steinalbe bzw. Moosalbe über einen großen Bezirk, zu
119 Im J. 1269 erscheinen hier wie in Wiesbach (Anm. 118) Leute des Klosters Hornbach, über
die der Graf von Zweibrücken verfügt; so wird auch das 1489 aufscheinende Patronat der
Pfalzgrafen von Zweibrücken über die Kirche auf Hornbacher Rechte zurückgehen. Spuren
ehemaliger Zugehörigkeit zum Fiskalland könnten in der Verwendung von Lauterer Maß in
der Filiale Biedershausen faßbar werden. Daneben finden sich Besitz der Grafen von Hom-
burg, der 1284 an die Zweibrücker übergeht, und Güter Homburger Dienstmannenge-
schlechter am Ort bzw. in den Filialen Biedershausen, Oberhausen, Niederhausen, Schmitts-
hausen. Angesichts des Hornbacher Apostelpatroziniums ist kaum mit einer frühen Kirche
zu rechnen. Der Turm des Kirchenbaus entstand in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Vgl. Pöhlmann (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 23; Ders., Südwestgrenze (wie Anm. 86), S. 591;
Ders. Kopialbuch (wie Anm. 86), Nr. 39; Glasschröder (wie Anm. 80) Nr. 745; Ders.
(wie Anm. 86), Nr. 389; Dellwing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 692. 779ff. 849ff.
120 Pfarrkirche und Zehnten waren seit dem späteren 12. Jh. als Lehen der Grafen von Saarwer-
den vergeben. Dazu kommt ein Zehntanteil der Saarwerdener Gründung Werschweiler. Da-
neben scheint Besitz der Reichsministerialen von Hohenecken auf, 1489 gilt Lauterer Maß.
Der Turm des Kirchenbaus entstammt frühestens dem Ende des 12. Jhs. Ob man angesichts
des identischen Martinspatroziniums und des identischen Saarwerdener Patronats evtl, mit
einer ursprünglichen Filiation von Bundenbach (Anm. 117) rechnen muß ? Vgl. Herrmann
(wie Anm. 45), Bd. 2, S. 82; Reg. Nr. 1186; Glasschröder (wie Anm. 86), S. 590; Dell-
wing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 804ff. 820ff.; Friedel (wie Anm. 118),
S. 28.
121 Neubauer (wie Anm. 86) Nr. 994, Glasschröder (wie Anm. 80) Nr. 751. Der Kirchen-
bau entstammt der Mitte des 13. Jhs.: Dellwing/Kubach (wie Anm. 76), Bd. 2, S. 759ff.
Wie in Rieschweiler ist die Geltung des Maßsystems des Lauterer Reichshofes bezeugt. Vgl.
Pöhlmann, Südwestgrenze (wie Anm. 86), S. 591.
122 F.X. Remling, Urkundliche Geschichte der Abteien und Klöster der Pfalz im jetzigen
Rheinbayern, Bd. 1, Neustadt a.d. Haardt 1836, Nr. 90; Glasschröder (wie Anm. 80) Nr.
724. Auch hier galt Lauterer Maß. Vgl. Pöhlmann, Südwestgrenze (wie Anm. 86) S. 591.
57
dem auch drei Pfarrkirchen, nämlich die Peterskirchen von Labach121 und Horbach124
sowie die Täuferkirche von Kirchenarnbach125, gehörten126. Die Allerheiligenkirche
von Wallhalben war im Besitz der Herren von Hohenecken, Lauterer Reichsministe-
rialen, zugleich aber auch Homburger Lehnsträgern, ist auf jeden Fall aber später
anzusetzen127. Zumindest der Ostteil dieses Bezirks, vielleicht aber auch ursprünglich
der gesamte Bereich ist identisch mit dem Hofbezirk von Queidersbach (sö. Land-
stuhl), der um 981 auf Vermittlung des Klosterherrn, des Salierherzogs Otto, aus
123 Vgl. zu diesem Wormser Pfarrort samt seinen Filialen Langwieden, Martinshöhe und Nieder-
labach v. W e e c h (wie Anm. 4), S. 315ff.; H. Meyer, Topographie der Diözese Worms im
Mittelalter, in: Archiv f. Hess. Gesch. NF 17 (1932), S. 38; Dellwing/Kubach (wie Anm.
76). Bd. 2, S. 706ff. 733ff. Der Turm der Filialkirche zu Langwieden stammt aus dem 12. Jh.,
so daß man für die Pfarrkirche ein höheres Alter vermuten kann. 1297 besteht ein officium
des Reichs in Labach (Anm. 118).
124 Vgl. zum 1190 mit Priester genannten Pfarrort H. (mit seinen Filialen Bann, Hermersberg,
Weselberg, Linde, Queidersbach, Krickenbach, +Hockenstein und halb Kindsbach u.a.), der
Zentrum für die größte Rodungspfarrei in diesem Bereich war , v. Weech (wie Anm. 4),
S. 323; Meyer (wie Anm. 123), S. 37; Schaab (wie Anm. 1), S. 126; H. Boos, Quellen
zur Geschichte der Stadt Worms, Bd. 1, Berlin 1886, Nr. 92; Neubauer (wie Anm. 45) Nr.
411; Neubauer (wie Anm. 86) Nr. 60; Pöhlmann/Doll (wie Anm. 83), Nr. 304. 647.
780; J. Weber, Die geschichtliche Bedeutung der Pfarrei und St. Peterskirche zu Horbach,
in: Deutsche Gaue, Sonderheft 64 (1907), S. 1 ff. Die Besitzrechte an der Pfarrkirche und im
Pfarrbezirk sind im Hoch- und Spätmittelalter geteilt zwischen den Grafen von Homburg (für
den Hofbezirk Queidersbach: Anm. 128) und dem Reich (Herrschaft Nannstein/Landstuhl).
Da 1225 auch Besitz der Herren von Kirkel aufscheint, wird der Besitz der Nachkommen der
Folmar-Gruppe mindestens bis auf Gottfried III., Graf von Blieskastel und Kirkel (1075-
1098) zurückreichen. Die Kirche von H. dürfte die Mutterkirche des Hofbezirks Queiders-
bach darstellen. Vgl. Anm. 128.
125 Zur Pfarrkirche K. und dem kleinen, 1496 ohne Filialdörfer erscheinenden Pfarrbezirk, der
kaum über die beiden Ambach und einige Höfe hinausreichte, vgl. v. Weech (wie Anm. 4),
S. 323; Meyer (wie Anm. 123), S. 38; Glasschröder (wie Anm. 86), Nr. 262. 295. 387;
Eckardt/Torsten (wie Anm. 86), S. 261ff. Der Kirchenbau bewahrt Baureste des 14.
Jhs.; da erst 1309 ein presbiter de Arinbach genannt ist, mag dies den ersten Bau bezeugen.
Das Patronat der Kirche lag bei den Grafen von Homburg. Im Urbar der elsässischen Abtei
Maursmünster (Ende 10. Jh.) findet sich eine Notiz, die Ch. Per rin und H.W. Herrmann
mit der anderweitig bezeugten Nachricht, daß Folmar, Graf im Blies- und Saargau, 982 eine
bedeutende Schenkung an Maursmünster gemacht habe, ansprechend kombiniert haben: In
Annenbache mansa III. - in Dirtenwilare mansa III. - in Mittelenbrunna mansum I Die Orte
lassen sich mit Arnbach und dem nahen Mittelbrunn identifizieren, das onomastisch unmög-
liche Dirten- zu *Dieten- heilen und dann auf Dittweiler (VG Schönenberg-Kübelberg, LK
Kusel) beziehen. Vgl. Herrmann (wie Anm. 86), S. 44; Dolch/Greule (wie Anm. 16),
S. 105.256.310.
126 Herrmann (wie Anm. 86), S. 38ff.
127 Im Jahre 1271 schenkt Reinhart von Hohenecken das Patronatsrecht zu W. dem Prämonstra-
tenserkloster Kaiserslautern. Vgl. Th. Kaul, Beiträge zur Geschichte der evangel. Pfarrei
Wallhalben, in: Bll. f. Pfälz. Kirchengesch. 17 (1950), S. 65-82, bes. S. 66; Ders., Das Verhält-
nis der Grafen von Leiningen zum Reich ..., in: MHVPf 68 (1970), S. 244; Glasschröder
(wie Anm. 80) Nr. 561; Ders. (wie Anm. 86) Nr. 255; Pöhlmann, Südwestgrenze (wie
Anm. 86), S. 591. Im Jahre 1589 saßen auch in W. Pirminsleute (Anm. 128).
58
Königsbesitz an Hornbach gelangte128. Die Bliesgaugrafen werden diesen Bezirk im
späten 11. Jahrhundert, entweder unmittelbar von Hornbach oder als Lehen der
Salier, erworben haben, als ein Angehöriger ihrer Familie zwischen 1070 und 1100
Vogt von Hornbach war129. Für zeitweise enge Beziehungen zwischen den Folmaren
und Kloster Hornbach spricht auch, daß Teile der Schenkungen, die ein zur Familie
gehöriger nobilis vir Folcuin 888 vom König erhielt und die wohl am Beginn des
Engagements der Familie im Bliesgau stehen130, später an Hornbach gelangten131.
Doch läßt sich der Hornbacher Einfluß für die Peterspatrozinien im Bezirk von Quei-
dersbach nicht eindeutig sichern. Es muß auch mit einer eventuell schon älteren
Organisation durch eine andere Peterskirche, durch die Bischofskirche von Worms,
gerechnet werden. Als 985 der König den Königshof Lautern und die dazugehörige
Vosagus-Forestis in Nahe- und Wormsgau an den Salier Otto gab, wurden davon aus-
drücklich die an St. Salvator in Frankfurt gegebenen Nonen und die an Worms gege-
benen (grundherrlichen) Zehnten ausgenommen112. Die Nonen waren bereits 882 an
das Frankfurter Stift gelangt133. Meinrad Schaab ist zu Recht davon ausgegangen, daß
die Nonen eine Art zweiter Zehnt sind und „dieser Schenkung schon die Vergabung
des Zehnten vorausgegangen sein muß'*, Worms also bereits vor 882 in der Umge-
bung von Kaiserslautern engagiert war134. In den Zusammenhang eines damit dem
12,1 MG DD Otto II. Nr. 246: Der Kaiser schenkt sex mansos regales (Königshufen) in villa Qui-
deredesbach nominara sitos, die in nemore nostro, d.h. also dein forastus Vosagus liegen. Dazu
kommt das Recht der Schweinemast in Wald und Hofland sowie Bauholzrechte in eodern
nostro forasto. Obwohl Königshufen eine über den normalen Hufenumfang hinausgehende
Größe besaßen, kann nicht damit gerechnet werden, daß die verschenkten mansi den gesam-
ten Umfang der villa Queidersbach ausmachten. Das beweist auch die Schenkung von 2
Hufen in Quideredesbach durch Otto an einen Vasallen namens Biso oder Giso im J. 976
(MG DD Otto II Nr. 127). Noch 1309 (vgl. weiter Anm. 123) gibt es Reichsbesitz in Horbach
und Labach, darunter auch scabini forestarii in parrochia Horbach (MG Constitutiones IV, 1,
S. 245. 248). Wie umfangreich der Hornbacher Hofbezirk ursprünglich war, läßt sich also nur
schwer ermitteln. 1457 kommen die Schöffen des Hofes aus Qu., Hermersberg, Bann,
Krickenbach und Weselberg, was ungefähr, aber nicht ganz der Ausdehnung der Pfarrei Hor-
bach (Anm. 124) entspricht. Dabei werden auch Rechte der Inhaber der Herrschaft Land-
stuhl sichtbar. Im J. 1589 findet man Pirminsteute in Qu., Oberheim, Saalstadt, Hettenhau-
sen, Oberarnbach, Kirchenarnbach, Krickenbach und Wallhalben. Einen Hinweis auf die
frühe Gründung des Hofes gibt der dezidiert westfränkische (mit romanischer Lautung [kw]
für germ. [w] aufscheinende) Personenname Quidu-red, der im Ortsnamen durchscheint. Mit
Romanen, die im Ausbau des Vosagus tätig sind, kann wohl nach dem 9. Jh. kaum noch
gerechnet werden. Vgl. Neubauer (wie Anm 45), S. 236ff. 243ff.; J. Konrad, Queiders-
bach. Geschichte des Dorfes . . ., Speyer 1940; Th. Knocke/G.E. Riehl, Mittelbrunn
750 Jahre. Beiträge zur Ortsgeschichte 1230-1980, Mockenbach 1980, S. 26f.; Dolch/Greu-
le (wie Anm. 16), S. 374.
129 Herrmann (wie Anm. 106), S. 246; Herrmann (wie Anm. 86), S. 45.
1311 Vgl. Anm. 107. Die Vergabe der 6 Königshufen an Folcwin ließe sich als Organisationsauf-
trag im Bliesgau auffassen; man kann die Übergabe von 6 Königshufen durch Otto I. an
einen gewissen Franco vergleichen, die später an St. Maximin kamen (MG DD Otto I. Nr.
71).
131 Vgl. Anm. 130. Die Urkunde gelangte mit der Schenkung an Hornbach in das Archiv des
Bliesgauklosters. Einige der verschenkten Güter lassen sich später im Besitz der Abtei nach-
weisen.
132 MG DD Otto III. Nr. 9.
133 MG DD Karl III. Nr. 65.
134 Schaab (wie Anm. 1), S. 125. Vgl. J. Hess-Gotthold, Hausmacht und Politik Friedrich
Barbarossas im Raum des heutigen Pfälzer Waldes, Otterbach/Kaiserslautern 1962, S. 48ff.;
W. Metz, Die mittelalterliche Königsgastung und ihre Organisatiom im Bereich der späte-
ren Pfalz, in: MHVPf 68 (1970), S. 184.
59
Bistum gegebenen Organisationsauftrages gehören die Wormser Zehnt- und Pfarr-
rechte135 im Bereich der Pfarreien Alsenborn, Hochspeyer (mit Filiale Fischbach) und
Aschbach (mit Filiale Mölschbach)116. Man könnte also mit Schaab auch an die
Wormser Grenzpfarreien Erfenbach, Horbach und Labach mit Petruspatrozinium als
ursprünglich Wormser Gründungen auf Königsgut denken137, zumal sich weitere Hin-
weise auf Wormser Peterskult und Pertinenzanzeige durch das Dompatrozinium im
Petersberg bei der Wormser Kirche von Neunkirchen am Potzberg (nördl. Land-
stuhl) und im Peterswald bei Kübelberg138 finden. Doch sei dies dahingestellt.
135 Zehntrechte im Bereich der Kosagws-Forestis erhielt Worms auch 897 und zwar de Guzenfur-
dium usque in media Lutra (MG DD Arnulf Nr. 154), wobei das Gebiet westlich des Don-
nersbergs gelegen haben muß, obwohl seine genaue Lokalisierung bisher noch nicht gelungen
ist. Auch über den Salzehnt des fiskalischen Herrenlandes konnte Worms nach dieser Urkun-
de in den Besitz von Zehnten der Rodungspfarreien im fiskalen Waldland gelangen, wurden
diese Novalzehnten doch dem grundherrlichen Vermögen zugeschlagen und vom Grund-
herrn den herrschaftlichen Kirchen zugewiesen, wobei ohnehin die benachbarten Kirchen,
hier im Umland der Königshöfe Kaiserslautern und Landstuhl eben Worms, die Sorge für die
Fiskalkirchen trugen, wie es auch Notker Balbulus am Ende des 9. Jhs. bezeugt. Vgl. A.
Pösch 1, Der Neubruchzehnt, in: Archiv f. kath. Kirchenrecht 98 (1918), S. 50f. 188.
136 Im J. 1229 kauft der Nonnenkonvent zu Enkenbach die Zehntgerechtigkeit des Wormser
Domkapitels in der Mark von Alsenborn. Vgl. P. Stock, Das ehemalige Wartenberger
Gebiet, in: Nordpfälzer Geschiehtsverein 1911, S. 65f. Für die Pfarrkirche von Hochspeyer
lagen Zehntgerechtigkeit und Pfarrsatzrecht vor 1222 beim Wormser Kapitel St. Paul. Vgl.
Remling (wie Anm. 122), S. 53f. 323ff. Nr. 7. 8; Eckardt/Torsten (wie Anm. 86),
S. 227ff. Die Kirche hat das Wormser Pertinenzpatrozinium St. Cyriakus, wie ähnlich die
Wormser Kirche Neunkirchen am Potzberg, die 937 aus der Hand des Königs mit einer Kö-
nigshufe an Worms kam (MG DD Otto I. Nr. 10). Vgl. weiter zu diesem Patrozinium
Schaab (wie Anm. 1), S. 123f. Die Filialkirche B.M.V. zu Fischbach übergab Bischof Hein-
rich II. von Worms 1221 dem Kloster Höningen. Vgl. S. 202. Die Pfarrkirche St. Blasius von
+Aschbach (Aschbacher Hof bei Trippstadt) war die zentrale Kirche der Herrschaft Wilen-
stein und ist 1320 mit Priester belegt. Die Wormser Zehntrechte im Pfarrbezirk schimmern
noch durch, wenn 1221 zusammen mit denen von Hochspeyer auch die Zehnten des Fi-
lialortes Mölschbach im Besitz des Wormser Stiftes St. Paul sind (s.o.). Der Pfarrbezirk von
Aschbach ist wohl aus dem von Hochspeyer herausgewachsen.
137 Schaab (wie Anm. 1) S. 126. Wenig wahrscheinlich erscheint mir die Vermutung von F.
Staab, Episkopat und Kloster. Kirchliche Raumerschließung in den Diözesen Trier, Mainz,
Worms, Speyer, Metz, Straßburg und Konstanz im 7. Jahrhundert durch die Abtei Weißen-
burg, in: AmrhKG 42 (1990), S. 38 Nr. 14-16, der die Peterspatrozinien von Erfenbach, Hor-
bach und Labach auf Gründungen der Abtei Weißenburg zurückführt.
138 Die pfarrkirch uff sant Petersberg genant zum Denssberge wird 1481 erwähnt, 1520 Nunkir-
chen hinter Sant Petersberg gelegen; es handelt sich um die Pfarrkirche von Theisberg, wo
Worms 992 (MG DD Otto III. Nr. 85) mehrere Hufen erlauschte. Vgl. Heintz, Verscholle-
ne Ortsnamen, in: MHVPf 5 (1875), S. 98; E. C h r i s t m a n n, Die Siedlungsnamen der Pfalz,
Bd. 2, Speyer 1964, S. 473; Schaab (wie Anm. 1), S. 154. Der Peterswald bei Kübelberg,
1411 houstede an sant peters walde gelegen tuschen Mimsouwe (Miesau) und Kebelnberg,
gelangte 956 aus Reichsgut an Worms (MG DD Otto I. Nr. 178) und löste einen umfangrei-
chen Landesausbau mit Gründung eines Marktzentrums aus, der jedoch nicht mehr dazu
führte, daß Worms diesen Bereich in seine Diözese eingliedern konnte. Vgl. Schaab (wie
Anm. 1), S. 153f.; Dolch/Greule (wie Anm. 16), S. 269f. 333f.
60
Im schmalen Westzipfel der Diözese Speyer waren die Homburger Grafen Vögte des
Hornbacher Hof- und Pfarreibezirks Waldfischbach, des sog. ,Holzlandes“39; die
stammverwandten Grafen von Saarwerden besaßen den hierzu gehörigen Lauber-
wald um den heutigen Lauberhof140. Doch war die Pfarrkirche von Waldfischbach
stets in den Händen des Klosters geblieben. Wie Auseinandersetzungen des hohen
Mittelalters zeigen, war der Bezirk von Burgalben, der aus Saarbrücker Hand an
deren Hauskloster Wadgassen gelangte, ursprünglich wohl mit dem Hornbacher
139 Der Waldfischbacher Hofbezirk ist zweifellos Rodungsland, das urkundlich vielleicht auch
deswegen nicht früh genannt ist, weil es als Waldmark einer anderen Einheit zugeordnet war.
1272 gehören in den Hofbann neben W. Steinalben, Burgalben, +Diedersbach (ö. Burgalben)
und Heltersberg; im Weistum von 1369 stammen die Schöffen des Hofes aus Steinalben,
Schmalenberg, Schopp, Heltersberg, +Tiefenthal (Tiefenthalerhof) und W., 1418 kommt
noch Geiselberg hinzu. Das entspricht den Angaben des Lehensverzeichnisses des Grafen
Arnold von Homburg von 1371 für das Nuweland, das Rodungsland um W.: nur +Hertens-
weiler (b. Geiselberg) wird zusätzlich genannt (vgl. Anm. 45). Gegenüber dem Zustand des
13. Jhs. waren Neubrüche hinzugekommen, aber auch die Besitzstücke um das inzwischen
dem Kloster Wadgassen gehörige Burgalben (Anm. 141) endgültig ausgeschieden. Der
archaische Rechtszug. der noch in den späten Weistümern den Hof W. mit den Höfen +Mei-
senbach (bei Hohfröschen) und Contwig verbindet, darf als Hinweis darauf verstanden wer-
den, daß das gewaltige Waldland ursprünglich als Wald- und Weidemark zu diesen Hornba-
cher Höfen gehörte. Eine gewisse Siedlungstätigkeit im .Holzland’ wird sichtbar, wenn im
8./9. Jh. die Torbefestigung der spätrömischen Burganlage Heideisburg bei W. noch einmal
ausgebaut wird. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 88. 104. 146. 353; ebd. S. 224ff. 226ff.;
K. H. Spieß, Das älteste Lehnsbuch der Pfalzgrafen bei Rhein v. J. 1401, Stuttgart 1981,
S. 121; Herrmann (wie Anm. 86), S. 40ff.; W. Brückner, Die Velmann’sche
Beforchung des Holzlandes aus dem J. 1600, in: Heimatkalender 1981. Das Pirmasenser und
Zweibrücker Land, S. 79-83; G. Feh ring, Kirche und Burg, Herrensitz und Siedlung . . .,
in: 132. Protokoll der Arbeitsgemeinschaft für Geschichtl. Landeskunde am Oberrhein e.V.
5. V. 1972, S. 37. Zur 1182 ersterwähnten und 1319 der Abtei Hombach inkorporierten Pfarr-
kirche (St. Pirmin?) vgl. Neubauer Nr. 47. 53. 122. 131. 196. 233; Rödel (wie Anm. 1),
S. 146 (zur Filialkirche St. Mauritius in Schmalenberg). Der Zehntbezirk umfaßte 1345 u.a.
W., Steinalben, +Homberg (nö. Schopp), Schopp, das Minsternthal, +Heimbach, +Tiefenthal,
+Hertensweiler sowie die Mühlen Hühnerscherr und Hundsborn, 1182 auch den Lauberwald
(Anm. 140). Die Orte des engeren Hofbezirks waren offenbar unter W. einbegriffen.
140 Zwischen 1174 und 1180 übergibt Graf Ludwig der Jüngere unter Zustimmung seines Bru-
ders sein predium . . . in confinio Vosagi quod vocatur Loyben (zu mhd. loup „Laubwald“)
tribus rivulis, scilicet Hermannesbahc, Mosalben et Burhcalben ac monte qui nominatur Hane-
berc inclusum an das Zisterzienserkloster Eußerthal. Aus einem Vertrag von 1182 wird klar,
daß L. in den Zehntbezirk von Waldfischbach gehört und dem Besitz der Grafen von Saar-
werden Hornbacher Besitzsubstrat unterliegt. Angesichts der Rechte der Grafen von Hom-
burg muß der Erwerb des Komplexes Waldfischbach-Lauberwald durch die Folmare bis in
die Zeit des Bliesgaugrafen Gottfried III. (1075-1098) zurückreichen, dessen Vetter Hermann
II. zwischen 1070 und etwa 1100 Vogt von Hornbach war (vgl. Anm. 45). Vgl. Roth v.
Schreckenstein, Aus dem Select der ältesten Urkunden, in: ZGO 31 (1879), S. 285-314;
L. Molitor, Urkundenbuch zur Geschichte der ehemals Pfalzbayerischen Residenzstadt
Zweibrücken, Zw. 1888, Nr. 2; Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 44. 47. 53. Herrmann (wie
Anm. 45), Bd. 1, S. 645f. Beilage II; Reg. Nr. 55. 65. 66; Ders., (wie Anm. 86), S. 41 f.; Doll
(wie Anm. 53), S. 28; Werle (wie Anm. 64), S. 62f.; W.W. Scherer, Untersuchungen zur
Personen- und Besitzgeschichte des Zisterzienserklosters Eußerthal. Speyer 1983, S. 57ff.
61
Besitz Waldfischbach verbunden gewesen'41. Die Grafen von Saarbrücken als Vögte
des Klosters konnten hier wohl einen Teil des Klosterguts im frühen 12. Jahrhundert
an sich bringen; ähnlich könnte sich - als Usurpation auch später noch sichtbarer, aus
dem Hofbezirk Queidersbach resultierender Rechte142 - der Besitz der Zweibrücker
Grafen und der Leininger. die das Erbe der Saarbrücker antraten, an dem benach-
barten südlichsten Zipfel der Wormser Diözese, an der Kirche und in der Pfarrei
Thaleischweiler erklären141.
141 In einer Besitzbestätigung für die Prämonstratenserabtei Wadgassen, einer Gründung der
Grafen von Saarbrücken, wird 1152 die Schenkung eines Allods durch einen Grafen Sigebert
in Burgalba genannt. Mit diesem Grafen könnte der seit 1080 und vor 1118 faßbare Saargau-
graf dieses Namens, der aus dem Elsaß gekommene Stammvater des Saarbrücker Hauses,
dessen Bruder Winither um 1078 Abt in Hornbach war, gemeint sein, aber auch dessen
gleichnamiger Sohn, der das elsässische Erbe der Familie antrat und zum Stammvater der
Grafen von Werd wurde. Da noch 1225 die Grafen von Zweibrücken als Erben der Saar-
brücker Rechte in B. haben, der aus der Hornbacher Vogtei vermittelte Besitz also nicht
gesamthaft an Wadgassen gelangte, nehme ich an, daß der zweite Sigibert gemeint war. Das
auf das elsässische Kloster Neuweiler verweisende Patrozinium St. Adelphus der Kirche von
B. paßt gut zur Herkunft der Familie de Alsatia. Vgl. Pöhlmann/Doll (wie Anm. 83) Nr.
78. 80; J. Burg, Regesten der Prämonstratenserabtei Wadgassen bis zum Jahre 1571, Saar-
brücken 1980, Nr. 11. 21. 47. 97. 103; Th. Kaul, Burgalben und die Abtei Wadgassen, in:
Bll. f. Pfalz. Kirchengesch. 19 (1952), S. 1-11; H. Werte, Die Machtstellung des Saar-
brücker Hauses am Mittel- und Oberrhein im 12. Jh., in: Saarbrücker Hefte 5 (1957), S. 36f.;
H.W. Herrmann, in: Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2 (wie Anm.106),
S. 65ff; K. Hoppstädter, ebd., S. 279ff. Zu Pfarrkirche und Hof- bzw. Pfarrbezirk, der im
Weistum von 1522 B., Donsieders und +Diedersbach umfaßte vgl. Rödel (wie Anm. 1), S.
10ff.; Burg Nr. 53. 286: Glasschröder (wie Anm. 80) Nr. 66; A.H. Jungk. Regesten zur
Geschichte der ehemals Nassau-Saarbrückischen Lande (- Mitt. d. Hist. Ver. d. Saargegend
13/14), Saarbrücken 1914/19, Nr. 1185. Die ursprüngliche Verklammerung der Hornbacher.
Wadgasser und Eußerthaler Rechte im Raum Burgalben-Waldfischbach-Lauberwald läßt
sich aus Verträgen des. 13. Jhs. über Bannzwänge, Waldgerechtigkeiten und Nutzungsrechte
rekonstruieren. Vgl. Neubauer (wie Anm. 45) Nr. 104. 122; Burg Nr. 29. Die archaische,
den seit Jahrhunderten etablierten Verhältnissen ganz zuwider laufende Rechtsweisung im
Weistum von 1522, maß unnd gesey in Queichhambach, und wenn nicht da, im Hornbacher
freyhoff zu Godramstein zu holen, ist nur aus den Hornbacher Filiationen und Bindungen der
drei Höfe zu erklären und weist vielleicht auf karolingische Villikationen zurück. Wie sich bei
Waldfischbach Beziehungen zu Contwig zeigten (Anm. 139), so nun hier eine frühe
Verklammerung mit dem Speyergauer Besitz des Klosters: L. Kampfmann, Weistümer
über Burgalben, in: Pirmasenser Geschichtsbll. 5 (1930), S. 29-31.
142 Ein frühes Ausgreifen aus dem Queidersbacher Hofbezirk ins benachbarte Waldland läßt
sich vielleicht im Namen des zum Hofbezirk Waldfischbach gehörigen Ortes Geiselberg, 1299
Gisenberg, zum PN Giso, fassen. Giso (kaum Biso, wie eine Variante will) hieß der fidelis,
der 976 von Otto II. zwei Königsmansen in Qu. empfing (Anm. 128).
143 Der Kirchensatz von T. (Pfarrkirche St. Margaretha) gehört 1308 zur einen Hälfte den Gra-
fen von Zweibrücken, 1319 zur andern Hälfte der Linie Zweibrücken-Bitsch. Bereits 1214
verfügt Graf Friedrich von Leiningen, Sohn des Grafen Simon II. von Saarbrücken (1182-
1207), über ein praedium in T., das ihm von seinem Onkel (patruus), dem Probst von St. Pau-
lin zu Trier, d.i. Simons II. Bruder Adalbert, vermacht worden war. Ein später aufscheinen-
der Wadgasser Anteil an T. stammte ebenfalls aus einer Schenkung der Leininger. So muß
der Erwerb von E. spätestens unter Graf Simon I. von Saarbrücken (1135 - etwa 1182) statt-
gefunden haben. Daß das Engagement der Saarbrücker in T. jedoch wahrscheinlich noch
weiter in die erste Zeit des Fußfassens der Familie in Saar- und Bliesgau zurückreicht, dafür
spricht die gewaltige spätsalische Burganlage (spätes 11. Jh.), das .Steinenschloß’ auf einem
Bergsporn über dem Zusammenfluß von Rodalbe und Schwarzbach in der Gemarkung von
T. , das wohl der Sicherung des Saarbrücker Besitzkomplexes in T„ Burgalben und Rodalben
dienen sollte. Vgl. Pöhlmann/Doll (wie Anm. 83) Nr. 483. 510; Remling (wie Anm.
122), TI. II. S. 323 Nr. 6; Burg (wie Anm. 141) Nr. 854; Böhme (wie Anm. 114), S. 55ff.
62
Südlich von Hornbach und Pirmasens, südlich der auf das Queichtal zulaufenden
West-Ost-Straße144 begegnen wir einer dichten, zumeist im Hochmittelalter aufschei-
nenden Einflußzone der Lothringer Herzoge, welche die Grenze des Metzer Bistums
markiert145. Im äußersten Südosten dieses Gebiets gründete der lothringische Herzog
Simon 1135 die Zisterzienserabtei Stürzelbronn146; im Zentrum entsteht das castrum
Bitis, Bitsch, nach dem diese lothringische Herrschaft künftig benannt wird147. Im
Zusammenhang mit der Abteigründung und in den aus dem 12. Jahrhundert mehr-
fach überlieferten Beschreibungen der Herrschaft Bitsch sprechen die Herzoge auch
von ihrer forestis Vosagusl4<!. Wir fassen hier also eine dritte forestis, nach dem ,Vier-
herrenwald4 und der salischen forestis um Kaiserslautern: Sie ist im Osten geprägt
144 Diese Straße wird nach 828 (Anm. 65) bei Wilgartswiesen als publica platea genannt und ist
hier (Bahnhof Hauenstein), aber auch sonst in Teilstücken (auch für Verzweigungen)
archäologisch nachgewiesen. Vgl. Christmann (wie Anm. 49), S. 79ff.; Ders., Flurnamen-
zeugnisse für Altstraßen im Zweibrücker Land, in: Westricher Geschichtsbll. 1 (1961) Nr. 1
(11. VIL); F. Sprater, Die Pfalz in der Vor- und Frühzeit, Speyer 1948, S. 78; K.
Kaiser/L. Kilian, in: MHVPf 68 (1970), S. 154 Nr. 438; S. 157 Nr. 450: H. Bernhard,
Fundkarten Römerzeit, in: Pfalzatlas, Textband II, Speyer 1971 ff., S. 1184. 1186 (römische
Straßenstation Großsteinhausen); Ders., in: MHVPf 81 (1983), S. 151 Nr. 324; 84 (1986),
S. 185. Vgl. jetzt auch zu den Straßen im Raum der Queich H.H. D i e h 1 m a n n, Die Falken-
burger Steige bei Willgartswiesen, in: MHVPf 88 (1990), S. 87-137.
144 Jenseits der Grenze hatte auf Speyrer Gebiet offenbar der Bischof (in königlichem Auftrag?)
selbst die Pfarrorganisation des Vosagus gesteuert, wie wir aus den Patronatsverhältnissen in
Dahn (mit Erfweiler, Schindhard. Hinterweidenthal, Bruchweiler) und der Filiale Fischbach
sowie in Hauenstein, wo die Rechte jeweils vom Bischof zu Lehen gingen, schließen können.
Das (allerdings nicht ganz gesicherte) Laurentiuspatrozinium in Dahn könnte in die otto-
nisch-salische Zeit weisen. Karolingisch-ottonische Siedlungsspuren und ottonisch-salische
Befestigungsanlagen sind bei Hauenstein nachgewiesen. Vgl. R. Engels, Der Landdekanat
Herxheim (= Palatia Sacra 1,3), Mainz 1988, S. 38ff. 52f. 70f.
146 Vgl. Reichsland (wie Anm. 1), Tl. III, S. 103ff.; Kaiser, (wie Anm. 5); M. Parisse,
Lothringen - Geschichte eines Grenzlandes, dt. Ausgabe v. H.W. Herrmann, Saar-
brücken 1984, S. 180f.
147 J.G. Lehmann, Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, Bd. 2, Mann-
heim 1863, S. 179ff.; Reichsland (wie Anm. 1), Tl. III, S. 1093f.; C. Pöhlmann, Abriß der
Geschichte der Herrschaft Bitsch, Zweibrücken 1911, S. 4ff.; M. Grosdidier de
Matons, Le Pays de Bitche, in: Bull, de la Section de Géographie du Comité des Travaux
Historiques 1927, S. 31-46.
,4* Herzog Simon spricht 1138 (in späterer französischer Übersetzung des lothringischen
Geschichtsschreibers В. Picart) von seiner forêt de Vasgaër (< *Vasgawe ?), Herzog Matthäus
I. 1170 von der forestis que Wasego vocatur. Vgl. E. Duvernoy, Catalogue des actes des
ducs de Lorraine de 1048 à 1139 et de 1179 à 1220, Nancy 1915, Nr. 82; Ders., Le duc de Lor-
raine Matthieu Ie' (1139-1176), Paris 1904, Nr. 71. Ohne daß das genaue Verhältnis dieser
forestis (als eines Wild- und Waldbanngebiets) zu den Grenzbeschreibungen der Herrschaft
Bitsch von 1139/76, um 1150, 1170 und 1196 hier geklärt werden könnte, darf doch ein
Zusammenhang im Grenzverlauf, vor allem im Osten, angenommen werden. 1139/76 ist nur
die Nordgrenze genauer beschrieben, wobei die Angaben über die enthaltenen villae Ergän-
zungen bringen: die Grenze läuft von Pirmasens quer durchs Land über Örmingen (Dép.
Bas-Rhin), Gersheim a.d. Blies zur Schwalb, dann per medium forum Hornbach und vor Ge-
munde (+ Gemünden, nö. Dietrichingen bei Zweibrücken) überquerend, läuft sie wieder auf
Pirmasens zu. Die genauere Beschreibung von 1196 ergänzt die Ostgrenze im Bereich von
Salzwoog (sw. Pirmasens), Fischbach (bei Dahn), +Peterlingen (bei St. Ulrich), Niederstein-
bach, Liesbach bis hin zum Breitenstein (Zwölfapostelstein) wesentlich, wozu noch die de-
taillierte Grenzbeschreibung des Abteigebietes von Stürzelbronn vor 1196 hinzuzufügen ist.
Das Rimlinger Weistum von 1483, das die ungefähr gleichen Grenzen für die Herrschaft
Bitsch weist und den Hoff zue Rimlingen zugleich als Gerichtsstätte der Herrschaft etabliert,
legt einen Zusammenhang mit dem ehemaligen Königshof Rimlingen nahe. Vgl. Duver-
noy, Matthieu I., Nr. 46. 71; Ders., Ducs de Lorraine, Nr. 165; F.J. Mo ne, Urkunden über
Lothringen vom 12. bis 16. Jh.,in: ZGO 13 (1861) S. 56ff. Nr. 1; Herrmann (wie Anm. 45)
Bd. 1, Reg. Nr. 56; S. 649 Beilage VII; Bd. 2, S. 41; Lehmann (wie Anm. 147), S. 179f.;
Pöhlmann (wie Anm. 147), S, 14ff.; Pöhlmann (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 132. 141 f.;
Remling (wie Anm. 75), Nr. 115; Kaiser (wie Anm. 5), S. lf.
63
durch zwei Großpfarreien, die zudem kaum früh entstanden sein dürften. Ganz im
Süden liegt die Pfarrei Schorbach: aus ihr ist die komplexe und aufschlußreiche
Weiheinschrift der Kirche anläßlich der Vollendung des erhaltenen Steinbaus von
1143 überliefert: sie dürfte aber schon - wie die Analyse zeigt - für einen anzuneh-
menden Vorgängerbau gegolten haben149. Die Kirche war nämlich der Gottesmutter,
dem hl. Kreuz, Remigius (dem späteren Hauptpatron), den Märtyrern Laurentius,
Leodegar und Vincentius, den Bischöfen Herard, Gerhard und Hildulf sowie dem
Papst Leo VIII. geweiht. Die lothringischen Bezüge sind mit den heiligen Bischöfen
von Toul und des lothringischen Herzogsklosters Moyenmoutiers, der auch im Her-
zogskloster Bouzonville/Busendorf aufscheinenden Kreuzverehrung sowie dem an
die durch Wipo bezeugte Rückführung des Geschlechts auf die reges Trojanorum, die
nach alter fränkischer Sage sub beato Remigio confessore das Christentum annahmen,
anknüpfende Remigiuspatrozinium unverkennbar150. Am aussagekräftigsten für die
Chronologie ist jedoch das seltene Patrozinium des 963-965 regierenden Papstes Leo
VIII. Er besaß nur in der Zeit des Investiturstreits unter Heinrich IV. (1056-1106)
eine größere Bedeutung, als man sogar auf seinen Namen und seine Autorität fälsch-
te151. Man wird also die Schorbacher Kirche und die Organisation der Großpfarrei in
die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts setzen dürfen152, wie ja auch die Herzogsurkunden
149 Vgl. Abel, Inscriptions de l’église de Schorbach et de Rodemack, in: Bull, de la Soc.
d’Archéologie et d'Histoire de la Moselle 2 (1859), S. 164-166.
150 Wipo, Gesta Chuonradi c. 2, MG SS XI 258. Für die zeitgenössische Kreuzverehrung ist
auch die Sequenzendichtung Gottschalks von Limburg (+ 1098) zu vergleichen, die er
vorwiegend der Gottesmutter und dem signum salutis, Patrozinien des salischen Hausklosters
Limburg, widmet.
151 Vgl. G. Schwaiger, in: LThK2 VI (1961), Sp. 949 (Lit.).
152 Die Pfarrkirche (Bau des 12. Jhs.) war Zentrum einer außerordentlich ausgedehnten paro-
chia, die noch im 19, Jh. u.a. Hanwiller, Lengelsheim, Bitsch-Kalhausen, Mouterhausen,
Eguelshardt und Haspelscheidt umfaßte. Es muß überlegt werden, ob nicht ursprünglich
auch der Waldbezirk, in dem die Abtei Stürzelbronn gegründet wurde, mit dem Hof +Fauen
dazugehörte. Vgl. Reichsland (wie Anm. 146), Sp. 1014; Dorvaux (wie Anm. 2), S. 655f.
Die frühen Rechtsverhältnisse an der Pfarrkirche sind kompliziert, aber aufschlußreich: Das
Patronatsrecht der Pfarrkirche kam 1200 durch Graf Eberhard von Eberstein an Stürzel-
bronn, der es iure fundatorum, also als Erbe der Eigenkirchenherren und Gründer, besaß.
Die Zehnten gingen über seine Erbtochter Agnes an die Grafen von Zweibrücken, die sie
später ebenfalls der Zisterzienserabtei überließen. Anteil am Pfarrsatz besaß aber auch bis
1313 das 1243 von einer Gräfin aus dem Hause Blieskastel gegründete Kloster Gräfinthal,
ebenso die verwandten Herren von Kirkel. Diese Besitzverhäftnisse hat bereits C. Pöhl-
mann dahingehend gedeutet, daß die Ebersteiner Rechte aus einer Heiratsverbindung mit
einem Zweig der Folmare (evtl, dem Hause Saarwerden?) stammen. Man muß den Schorba-
cher Verhältnissen aber auch die bereits 1155 aufscheinenden Besitzverhältnisse in +Rans-
brunn (nö. Eppenbrunn, LK Pirmasens! und in dem (etymologisch auf romanisch fagus
„Buche" zurückgehenden) Hof +Fauen (nö. Ludwigswinkel, ebd!) vergleichen: Dort besitzt
eine Hälfte Herzog Matthäus von Lothringen, ein Viertel jeweils Graf Folmar I. von Blies-
kastel und Graf Tneoderich von Huneburg, Stammvater der Grafen von Homburg. Auch in
der Klostermark, ja in der gesamten Walamark von Salzbrucken (Salzwoog) bei Pirmasens
bis zum Breitenstein (Zwölfapostelstein) herrschten dieselben Besitzverhältnisse. Die Kaste-
ler, Kirkeler, Huneburger und Ebersteiner Rechte haben gewiß einen gemeinsamen
Ursprung, der sich beim gemeinsamen Stammvater, dem Bliesgaugrafen Gottfried I. von
Blieskastel und Kirkel (um 1098 bis vor 1118) festmachen läßt. Angesichts des sonstigen Alt-
besitzes des lothringischen Herzoghauses, der Matfridinger, in der Umgegend, der minde-
stens bis ins frühere 11. Jh. zurückreicht, hat M. Parisse wohl zu Recht auf eine Heirat des
Bliesgaugrafen mit einer Tochter Herzog Simons (Sigimunds) I. geschlossen, welche den Fol-
maren das Waldland zubrachte. Vgl. Kaiser (wie Anm. 5), S. 52f.; C. Pöhlmann, Zur
Frühgeschichte der Grafen von Eberstein, in:ZGO, NF 46 (1933), S. 269f.; Ders. (wie Anm.
1), Bd. 2, S. 21; Pöhlmann/Doll (wie Anm. 83), Nr. 190. 191. 366. 424; Lehmann (wie
Anm. 147), S. 196f.; Remling (wie Anm. 75), Bd. 1, Nr. 93. 115; Parisse (wie Anm. 106),
S. 187f. 853.
64
den Besitz des Bitscher Landes bzw. der forestis zurückführen bis auf den zweiten
Herzog aus matfridingischem Geschlecht, Herzog Gerhard (1048-1070), den Mitbe-
gründer von Bouzonville151.
Die Kirche der nördlich anschließenden Großpfarrei Walschbronn154, ebenfalls im
Besitz der Lothringer Herzoge, weist das zweifellos monastisch geprägte Patrozinium
des hl. Benedikt auf. Ich möchte auch dieses bei einer Laienkirche wohl überaus sel-
tene Patrozinium in das 11. Jahrhundert setzen, und zwar in die Zeit, als die Herzoge
von Lothringen enge Beziehungen zu der 1075 streng benediktinisch gegründeten
Reformabtei Molesme entwickelten und ihr die Erbauung und Betreuung ihrer Kir-
che zu Nancy übertrugen155. Zur Unterstützung erhielten die Mönche von Molesme
Besitz eben in der herzoglichen Domäne Walschbronn (Galesburas)156. Natürlich ist
auch ein Einfluß der von den Herzogen gegründeten Benediktinerabtei Bouzonville
nicht ausgeschlossen.
Unmittelbar westlich des Pfarrbezirks von Walschbronn hatte Herzog Theoderich II.
(1070-1115) Teile der Domäne von Loutzwiller an der Schwalb an Bouzonville
geschenkt157. Seine Söhne gaben 1117 die Kirche der villa hinzu158; sie trug das sicher-
153 Grenzbeschreibung der Herrschaft Bitsch 1139/76 bei Herrmann (wie Anm. 45), Bd. 1, S.
649: Hos terminos comes Gerardus moriens Teoderico fdio suo iure hereditario reliquit. [Qui
Teoderijcus Teoderico fdio suo comiti Flandrie transmisit, idem Teodoricus comes Flandrie
Simundo fratri suo duci Lotaringie predictos terminos dedit. . .
154 Der gewaltige Pfarrbezirk von W. umfaßte noch 1607 (neben einigen nicht eigens aufgeführ-
ten Höfen) in Lothringen Bousseviller, Waldhouse, Hanviller (?), Liederschiedt, Dorst und
Roppeviller, in der Pfalz Eppenbrunn, Hilst, Schweix, Simten (mit 1196 genanntem +Buchen-
scheid und Rodalberhof), Riedelberg, Vinningen und Trulben, wo eine Filialkirche bestand.
Man wird auch das 1610 zum Trulber Gericht gehörige Kröppen hinzurechnen müssen.
Schon 1155 besitzt der sacerdos von Walschbronn Rechte über +Ransbrunn: vgl. Remling
(wie Anm. 75), Bd. 1, Nr. 93. Auch Großsteinhausen (vgl. Anm. 101), wo vor 1257 die Abtei
Hornbach Grund und Boden für die Stiftung einer capella bereitstellte, war (mit Botten-
bach?) der ecclesia in Walsborn 1267 incorporata. Vgl. Remling, Nr. 301. 348; Dorvaux
(wie Anm. 2), S. 663f., 680; Dellwing/Kubach (wie Anm. 76), S. 544ff.; Reichsland (wie
Anm. 1), Sp. 1177f.; Kaiser (wie Anm. 5), S. 92f.; P.E. Glath, Le premier livre paroissi-
al ... de Walschbronn, in: Cahiers Sarregueminois 6 (1968), S. 278f. Die Grundherrschaft
Walsburn gehörte 1080/90 und 1170 zur Herrschaft Bitsch; 1196 gab Friedrich von Bitsch die
Pfarrei an die Abtei Stürzelbronn, 1204 wurde sie inkorporiert; 1295 schenkte Herzog Fried-
rich III. die Zehnten in W. an das Kloster. Vgl. Dorvaux, S. 663; Kaiser, S. 48-50.
155 Ch. Pfister, Histoire de Nancy, Bd. 1, Paris/Nancy 1902, S. 5f. 77ff.; J. Laurent (Hg.),
Cartulaires de l’abbaye de Molesme, Bd. 2. Paris 1911, S. 73 Nr. 64.
156 Die Verschriftung Galesburas mit <g> für germ. [w] ist romanisch; anzusetzen ist *Walahes-
bur(i) „Haus des Walah“ > *Walesbur > 1170 Walsburn, zum PN Walah.
157 Vgl. Duvernoy, Ducs de Lorraine (wie Anm. 148), Nr. 47.51; Ch.E. Perrin, Recherches
sur la seigneurie rurale en Lorraine d’après les plus anciens censiers (IXe-XIIe siècles), Paris
1935, S. 478ff.; Die villa Luzwire gehörte 1139/76 zur Herrschaft Bitsch; erst 1205 verzichtete
Friedrich von Bitsch auf die Vogtei und alle Rechte in L. zugunsten der Abtei Bouzonville
(ebd. S. 483f. 7301).
158 Der Pfarrbezirk umfaßte Schweyen, Opperding, Ohrenthal, Olsberg, Rolbing und Breiden-
bach, das Friedrich von Bitsch 1172 an die Zisterzienserabtei Neuburg bei Hagenau gegeben
hatte. Da der Hof der Abtei Bouzonville auch über Güter in Eschwiller verfügte, das zum
Pfarrbezirk Wolmünster gehörte, ist ein Herauswachsen der Pfarrei aus dieser parochia
(Anm. 160) nicht unwahrscheinlich.
65
lieh ebenfalls reform-monastische Trinitätspatrozinium und ist daher keinesfalls früh
anzusetzen159.
Die Abwesenheit alter Pfarreien im Osten der späteren Herrschaft Bitsch läßt die
Frage nach dem frühen kirchlichen Zentrum dieses doch immerhin bis zum oberen
Schwarzbach, also bis etwa auf die Höhe von Bitsch mit -ingen und -weiter-Orten
durchsetzten, also wenn auch schwach, so doch immerhin in karolingischer Zeit
besiedelten Gebietes aufkommen. Hierfür bietet sich nur eine Kirche an: St. Peter zu
Wolmünster16". Sie war, da +Nunkirchen, die „neue Kirche“, bei Hottweiler sicher
und Lutzwiller wahrscheinlich aus ihrem Pfarrbezirk herauswuchsen161, die älteste
Kirche südlich Hornbach im Schwalbtal. Der Name -münster hält fest, daß hier einst-
mals eine - wenn auch noch so kleine und wohl bald eingegangene - geistliche
Gemeinschaft existierte162. Sie gehört ferner zu jenen wenigen frühen Zentren, die
sich dem übermächtigen widonischen und Hornbacher Einfluß entziehen konnten
und der 870 als Königsabtei genannten, aber schon Ende des Jahrhunderts im Besitz
der Matfridinger, der Familie, der das Haus der lothringischen Herzoge entstammte,
befindlichen Abtei Herbitzheim gehörten163: zu diesem Kloster gehörte Kirchheim
(St. Martin), die einzige Kirche im Altsiedelland des Archipresbyterats Hornbach,
die nicht der Pirminsabtei gehörte164; dazu gehörte an der Metzer Diözesangrenze
gegen Speyer Rodalben, sicherlich eine weit nach Osten reichende Herbitzheimer
159 Vgl. zum Kult der hl. Dreifaltigkeit seit dem 10./11. Jh. A. Klaus, Ursprung und Verbrei-
tung der Dreifaltigkeitsmesse, Werl 1938, S. 114f.; P. Br owe, Zur Geschichte des
Dreifaltigkeätsfestes, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 1 (1950), S. 67ff. Einer der Förderer
war Bischof Stephan von Lüttich (t um 920), Abt der nahen Abtei Herbitzheim, und sein
Nachfolger Richar, Abt von Prüm; beide stammen aus dem matfridingischen Verwandtenver-
band, dem auch die lothringischen Herzoge entwuchsen.
16,1 Der Pfarrbezirk umfaßte Eschwiller, Epping, Dollenbach, Weisskirch, Urbach, Ormerswiller
und Noussewiller. Die villa von Wilmunstere gehört 1139/76 zur Herrschaft Bitsch; für den
Anfang des 11. Jhs. und später ist Besitz der Abtei Herbitzheim gesichert (Cod. Paris B.N.
lat. 259, fol. 143v). Man kann daran denken, daß dieser Besitz auf Schenkungen der Mat-
fridinger an ihre Abtei zurückgeht. Erst durch Graf Adalbert von Dagsburg (t 1209) gelangte
die ecclesia de Welemunstere an die Abtei Herbitzheim. Woher den Grafen von Dagsburg die
Kirche zukam. bleibt unklar. Da der Bischof von Metz der Schenkung zustimmen muß, könn-
te es sich um ein Metzer Kirchenlehen der Dagsburger handeln. Vgl. Reichsland (wie Anm.
1), S. 1229; Dorvaux (wie Anm. 2), S. 664; Jungk (wie Anm. 141), Nr. 546. 621. 631. 632.
776. 1088; J. Levy, Geschichte des Klosters, der Vogtei und Pfarrei Herbitzheim, Straßburg
1892, S. 15f. 17; C. Pö hl mann, in: Westpfälz. Geschichtsbll. 27 (1928), S. 2. 6. 9.
161 Vgl. Anm. 158. Bei -i-Nunkirchen/Neunkirch nahe Hottwiller handelt es sich um eine späte
Rodungspfarrei: 1491 präsentiert Albrecht von Bitsch auf sie. Wahrscheinlich gehörte Siers-
thal (1396 selbständig) weiter oben im Tal, auf das ebenfalls die Herren von Bitsch präsen-
tierten, ursprünglich gleichfalls zu diesem Pfarrverband. (Vgl. C. Pöhlmann, Zwei Ver-
zeichnisse von Urkunden über die Herrschaft Bitsch, in: Westpfälz. Geschichtsbll. 27 (1928),
S. 6; Ders. (wie Anm. 77), S. 46.
162 F. Kluge/E. Seebold, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin/New
York 2T989, S. 493.
163 Levy (wie Anm. 160), S. 7ff.; E. Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-
Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im
9., 10. und 11. Jh., Saarbrücken 1969, S. 45ff.; Parisse (wie Anm. 106), S. 45ff.; Haub-
richs (wie Anm. 43), S. 60ff.
164 Haubrichs (wie Anm. 28),TI. II, S. 14ff.
66
Waldmark165, in der das Kloster eine Kirche mit dem Pertinenzpatrozinium der Got-
tesmutter errichtete166; dazu gehörte schließlich Wolmünster.
Für Wolmünster tun sich aber noch weitere Aspekte auf: Der Name 1139/76 Wilmun-
stere, 11. Jh. Wilmonstre, 1272 Wilminstre lehrt uns, daß dieses monasterium die
Gründung eines Wil(l)o war. Die Herbitzheimer Besitzungen ebenso wie Wolmün-
ster konnten sich dem an der Bickenalb schon bis Rimlingen, einem für 865 als
Königshof und 954 als Stützpunkt Konrads des Roten, Herzogs von Lothringen,
belegten Fiskalzentrum167, vorgedrungenen Hornbacher Einfluß entziehen. Das
spricht dafür, daß ihre Initiativen und Besitzrechte der widonischen Gründung zu-
mindest gleichzeitig waren. Der seltene Name Willo kommt im Umkreis von Speyer-
gau, Bliesgau und oberem Saargau im 8. und 9. Jahrhundert nur zweimal vor - und
beide Träger sind miteinander verwandt. Der ältere ist zwischen 755 und 788 in
Weißenburger Urkunden mit Besitz in Orten in der Nähe von Neuweiler im Elsaß
belegt1“. Er gehört einem Kreis um die bedeutende Weißenburger Schenkerfamilie
der Brüder Ratbald und Wicbald und ihrer Söhne an169, schenkt bei Neuweiler zu
deren Seelenheil170. Er ist eng verwandt mit dem Ratranmus episcopus, wohl einem
165 Östlich der Herbitzheimer Waldmark um Rodalben ist bereits im 9. Jh. widonischer Besitz in
Wilgartswiesen faßbar, der mit Kirche an Hornbach gelangt (Anm. 65). Der Pfarrbezirk von
Wilgartswiesen umfaßte W., Rinnthal und Spirkelbach. Es handelt sich hier sicherlich um
Königsgut, das die Gründerfamilie von Hornbach als Lehen innehatte oder entfremdete.
Dazu paßt, daß die unmittelbar nördlich anschließende Pfarrei Hofstätten (Kirche St. An-
dreas), welche die Frankenweide im Vosagus betreute, vor 1300 zur Reichsburg Falkenburg
gehörte. Vgl. Engels (wie Anm. 145), S. 271 ff.; Rödel (wie Anm. 1), S. 91 f. Da die Her-
bitzheimer Waldmark im Südwesten vom Hornbacher Land um Pirmasens, im Osten von
widonischem Gut um Wilgartswiesen und im Norden vom Hornbacher Holzland um Wald-
fischbach umgeben war, ist auch hier der Erwerb früh, wohl im 8./9. Jh. anzusetzen. Vgl.
Herrmann (wie Anm. 86), S. 42f.
166 Der Herbitzheimer Bezirk um R. umfaßte als Filialdörfer Kaltenbach, Münchweiler rechts
des Bachs, Leimen, Gräfenstein und wohl auch das zur leiningischen Burg Gräfenstein
gehörige Merzalben. Der Herbitzheimer Bezirk ist um die Mitte des 12. Jhs. in voller Auflö-
sung begriffen. Die Grafen von Saarbrücken als Vögte des Klosters hatten Besitz in Leimen,
Kaltenbach und Münchweiler an Wadgassen gegeben; der Rest ging wohl im Erbgang an die
Grafen von Leiningen. Vgl. Dorvaux (wie Anm. 2), S. 223f. 671 f.; St. Lederer, Urkund-
liche Geschichte der christlichen Religionsausübung im Amte Gräfenstein und seiner Nach-
barschaft, Pirmasens 1902, S. 14ff. 24ff.; Remling (wie Anm. 75), Bd. 1, Nr. 214; Jungk
(wie Anm. 141), Nr. 1245; Pöhlmann/Doll (wie Anm. 86) Nr. 788; Pöhlmann (wie
Anm. 1), TI. II, S. lllf.; Burg (wie Anm. 141), Nr. 11. 21. 47; Glasschröder (wie Anm.
80), Nr. 725; Ders. (wie Anm. 86), Nr. 388; Herrmann (wie Anm. 86), S. 42; V. Bern-
hard, in: 750 Jahre Gräfensteiner Land 1237-1987, Pirmasens 1987, S. 15ff. Die Zugehörig-
keit der Pfarrkirche von Rodalben und des Burgbezirks von Gräfenstein zur Diözese Metz
wird auch deutlich, als 1381 der päpstliche Legat Pileus Burg und Dorf aus dem Parochialver-
band des dem Gegenpapst Clemens VII. anhängenden Metzer Bischofs löst und dem „näher
gelegenen Bistum Worms“ unterstellt. Vgl. J. Mötsch, Regesten des Archivs des Grafen
von Sponheim 1065-1437, TI. 2, Koblenz . . ., Nr. 1917.
167 MG DD Lothar II. Nr. 24; Adalberti Continuatio Reginonis, ad a. 954, ed. A. Bauer/R.
Rau (Hgg.), Quellen zur Geschichte der Sächsischen Kaiserzeit, Darmstadt 1971, S. 210.
Glöckner/Doll (wie Anm. 32), Nr. 58. 60. 65. 102. 190. 221. Vgl. E.E. Stengel (Hg.),
Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1, Marburg 1958, Nr. 163f. 176.
169 Vgl. W. Alter, Studien zur mittelalterlichen Siedlungs- und Volksgeschichte der mittleren
Vorderpfalz, TI. II: Die in den Klosterkodizes genannten Personen, insbesondere die
Angehörigen der Familie Ratbald-Wicbald, in: MHVPf 57 (1959), S. 39-87; Haubrichs
(wie Anm. 15), S. 257ff.
170 Glöckner/Doll (wie Anm. 32), Nr. 102.
67
Metzer Chorbischof, der an der Spitze des Konvents des Metzer Eigenklosters Neu-
weiler erscheint171. Zu diesem Verwandtenkreis gehört wiederum auch Bischof Sigi-
bald von Metz, der Gründer von Neuweiler und St. Avold, der auch seine Zustim-
mung zum Hornbacher Gründungsakt gab172. Der jüngere Wilo erscheint in den
zwanziger Jahren des 9. Jahrhunderts im Umkreis von Neuweiler als Schenker für
einen Angehörigen dieser Weißenburger Familie173; er erscheint auch anläßlich der
Translation des hl. Adelphus von Metz nach Neuweiler durch einen ebenfalls den
Weißenburger Gründerfamilien entstammenden Chorbischof von Metz174. Weitere
Beziehungen tauchen auf, wenn ein erneut in den Kreis des Chorbischofs gehöriger,
zwischen 838 und 860 tätiger Grundherr Eto 838 Wälder im Umkreis von Bitsch an
Weißenburg schenkt175. In dieses zwischen Metz und Weißenburg gespannte Bezie-
hungsnetz könnte auch der Eponym von Wolmünster gehören. Das Peterspa-
trozinium paßt zu Weißenburg, aber auch zu den Gründungen des Bischofs Sigibald,
der Neuweiler dem Apostelfürsten, St. Avold Petrus und Paulus weihte und vielleicht
in Hornbach Pirmins Marienpatrozinium Petrus hinzufügte176.
Die Gründung Wolmünsters vollzog sich im Königsland und wohl nicht ohne Spitze
gegen Hornbach. Die Verhältnisse an Schwalb, Trulb und Hornbach waren wohl im
8. Jahrhundert noch unklar. Erst im Jahre 823 teilt eine kaiserliche Kommission die
Mark von Hornbach entlang Altstraßen zwischen Kloster und Fiskus auf, wie bereits
erwähnt177. Man darf diese Grenze in der Nordgrenze der späteren forestis Vosagus
der Matfridinger und des Bitscher Landes wiederfinden, die auffälligerweise mitten
durch den bei der wohl ältesten Hornbacher Pfarrkirche St. Johann gelegenen Markt,
171 Vgl. Haubrichs (wie Anm. 33), S. 161f.
172 Doll (wie Anm. 45), S. 142.
173 Glöckner/Doll (wie Anm. 32), Nr. 175.
174 G. Wei 11, Le rayonnement d’un pèlerinage alsacien au IXe siècle, in: Revue d’Alsace 96
(1957) S. 136; vgl. W. Haubrichs, Die Weißenburger Mönchslisten der Karolingerzeit, in:
ZGO 118) S. 37 Anm. 134.
175 Glöckner/Doll (wie Anm. 32), Nr. 273; vgl. Nr. 49 (860), 151 (841). Der Grundherr Eto
besitzt jeweils die Hälfte folgender Wälder: Ludlinhard (Lützelhardt w. Obersteinbach),
Langenhard (ö. Bitsch ?), Okeresbuhil (Otterbiehl n. Bitsch), Sconinberc (Schönberg s.
Bitsch) und Vvassartbuhil (Wasenberg w. Bitsch). 1472 findet sich im Hornbachtal beim
Otterbiehl auch ein Öttenböhel, der den PN Eto festhalten könnte. Vgl. Pöhlmann (wie Anm.
161), S. 6 Nr. 47.
176 Nach der Vita Pirminii I, c. 6, MG SS XV, S. 27, besitzt die erste Kirche, die Pirmin errichtet,
ein altare in honorem Dei genetricis Mariae.
177 Historia et Commentationes Academiae (wie Anm. 65), S. 250ff. Nr. V; Neubauer (wie
Anm.45), Nr. 12. Der actor dominicus des Fiskus Frankfurt mit dem (durchaus widonischen)
Namen Nantcharius hatte dem Eigenkirchenherrn und Grafen Lantbert terras et silvas et
prata super marcham sita[s], quo est ex monasterio suo, quod dicitur Orombach zugunsten des
Fiskus entzogen. Die kaiserliche Kommission findet, daß jener Nantcharius zu Unrecht ipsam
investituram de potestate praedicti monasterio abstulisset, daß zwischen dem fiskalen Teil und
dem Klosterteil der Mark eine Teilung vorzunehmen sei und daß die marcha zu teilen sei in
via, quae dicitur Taianweck, et inde ad Geroldisphad, deinde ad Wiligartaweck. Doll (wie
Anm. 45), S. 128 hat den Weg zur rechten Interpretation dieser Mark als der Klostermark
gewiesen; die Altstraßen, welche die Abgrenzung leiten, lassen sich schwer identifizieren;
eine weist jedoch sicherlich auf die zur Widonenfamilie gehörige Wiligarta, die Wilgartswie-
sen den Namen gab (Anm. 65). Es könnte sich also um die westliche Verlängerung der
Queichtalstraße (Anm. 144) handeln. Der Vorsitzende der kaiserlichen Kommission ist kaum
zufällig der inluster vir Matfrid, Stammvater der Matfridinger.
68
per medium forum Hornbach zog'™. Von diesem südlichen Teil des alten Fiskalgebie-
tes wird manches nach 870 an die Matfridinger und von diesen an die Abtei Her-
bitzheim gegangen sein, die sie besaßen. Im Jahre 906 ist bei der Rebellion der Gra-
fen Gerhard und Matfrid die Rede davon, daß sie ein castrum im Bliesgau und
zahlreiche Güter besaßen, die ihre Vasallen und Abhängigen bewirtschafteten178 179.
Diese Güter wird man wohl zu einem guten Teil in diesem auch später matfridingi-
schen Landstrich zu suchen haben.
3. Besitzgeschichte und Diözesangrenzen
So unsicher manches bleibt, überall weisen dort, wo sich später die Diözesangrenzen
etablierten, im Waldland des Vosagus die Indizien auf Besitzsubstrat des Fiskus, des
Königs zurück. Dieses Königsland gelangte in verschiedenen Schüben in die Hände
großer Adelsfamilien, von Klöstern und geistlichen Institutionen. An den im Laufe
dieses Prozesses geschaffenen Einheiten orientierten sich die Diözesangrenzen, kei-
nesfalls aber in diesem noch in der Merowingerzeit nahezu siedlungsleeren Waldland
an antiken Verwaltungseinheiten'80.
Im Süden folgte die Grenze der spätestens im 11. Jahrhundert durch die matfridingi-
schen Herzoge von Lothringen übernommenen forestis um Bitsch; ihr stand das wohl
in salischer Zeit an die Bischöfe von Speyer gekommene Gebiet der bis Hauenstein
reichenden Großpfarrei Dahn gegenüber181. Im Norden muß mit früherem Festwer-
den der Grenze gerechnet werden. Als 985 der Königshof Lautern an die Salier
gelangt, ist die dortige forestis bereits auf Nahegau und Wormsgau aufgeteilt. Schon
178 Kaiser (wie Anm. 146), S. 72, weist auf einen sehr alten, die Angaben der Bitscher Grenz-
beschreibungen aber bestätigenden Rechtsbrauch: Anläßlich des Jahrmarkts bei St. Johann
zu Hornbach wird darauf verwiesen, daß die Kirche teils auf Bitscher, teils auf Hornbacher
Seite liege. Der Marktzoll kam zur Hälfte Hornbach, zur anderen Hälfte der Herrschaft
Bitsch zu.
m Regino von Prüm, Chronicon, ed. R. Rau, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte,
Bd. 3, Darmstadt 1966, S. 314: Cuonradus comes filium suum Cuonradum misit cum arma-
torum non modica manu, ut irruerunt super Gerardum et fratrem eius Matfridum, eo quod
honores suos et Gebehardi fratris, videlicet possessionem sancti Maximini et sanctae Mariae ad
Horrea (Klöster St. Maximin und Oeren in Trier), violenter invasissent; quibus exercitus ex
regno Lotharii sociatus est. Pervenerunt autem usque in pago Blesaco (Bliesgau), rapinis et
incendiis hereditatem et possessionem supra dictorum fratrum et satellitum eorum depopulan-
tes. Porro Gerardus et Matfridus a castro, in quo se communierant, legationem mittentes pacem
petierunt . . Das castrum der matfridingischen Brüder konnte bisher nicht befriedigend
identifiziert werden. Vgl. Hlawitschka, Lotharingien und das Reich an der Schwelle der
deutschen Geschichte, 1968, S. 191; Haubrichs (wie Anm. 28),TI. II, S. 21ff.
1811 Es darf im Bereich des Vosagus nicht an Verhältnisse wie im westlichen Gallien, etwa bei
Verdun, gedacht werden, wo civitas, Diözese, Gau und (mit gewissen Einschränkungen)
Comitatus nahezu zusammenfallen. Vgl. W. Haubrichs, Die Urkunde Pippins des Mittle-
ren und Plectruds für St. Vanne in Verdun (702). Toponomastische und besitzgeschichtliche
Überlegungen zum frühen Besitz der Pippiniden-Arnulfinger und zum Königsgut im Verdu-
nois, in: Francia 13 (1985), S. 22ff. mit Anm. 140 und Karte Nr. 2.
181 Vgl. o. Anm. 145.
69
Frühe Besitzstrukturen und Diözesangrenzen im Westrich
f KÖNIGSHÖFE UND FISKALGUT, ©HORNBACHER PFARREIEN UNO PRIORATE, ©ZWEIBRÜCKER/SAARBRÜCKER PFARREIEN,
O HORNBACHER FRÜHBESITZ. ■ ALTPFARREIEN IM BESITZ DER FOLMARE, C HOMBURGER/SAARWERDENER PFARREIEN,
□ SONSTIGER FRÜHBESITZ DER FOLMARE, AhERBITZHEIMER PFARREIEN, ALOTHRINGERlMATFRIDINGISCHEIPFARREIEN UND KLÖSTER,
A LOTHRINGER FRÜHBESITZ, •»•••VOSAGUS-FORESTES, XXX DIÖZESANGRENZEN, ^"GRENZPUNKTE OES REICHSLANDES LAUTERN,
s HORNBACHER WALDMARKEN, ||||||| HERBITZHEIMER WALDMARK AN DER RODALBE,
die Gaunennungen des frühen 10. Jahrhunderts zeigten uns, daß der Nahegau in die
Gebiete am oberen Glan und seinen Zuflüssen vorgerückt war, während einige Jahr-
zehnte später Orte südlich davon, in der Kaiserslauterner Senke, an der großen West-
Ost-Straße, zum Wormsgau gehörten182. Offensichtlich machte die Diözesangrenze
182 Vgl. o. S. 182. Wenn es 985 notwendig ist, die Erstreckung des forastus Vvasago und der Per-
tinenzen der curtis Luthara (Kaiserslautern) durch die Angabe der Gaue Wormsfeld und Na-
hegau zu spezifizieren, so setzt dies auch eine wenigstens ungefähre Abgrenzung der Gaue
gegeneinander voraus (MG DD Otto 111. Nr. 9 ). Das gleiche gilt wohl auch schon 945 für die
nähere Bestimmung von Orten in forasto nostro Lutara durch in pago Nahgouue nominato in
comitatu Cuonradi (MG DD Otto I. Nr. 71).
70
zwischen Mainz und Worms an dieser Gaustruktur fest183. Sie zog mitten durch die sa-
lische forestis des 10. Jahrhunderts und das spätere Reichsland Kaiserslautern. Wie
wir gesehen haben, war noch vor Erscheinen der Wormsgaunennungen Worms im
Bereich des Fiskalgebietes kirchenorganisatorisch tätig geworden, sicherlich im Auf-
trag des Königtums184. Ob nun die Diözese Worms sich an einer fiskalen Grenze, oder
umgekehrt ein neuorganisierter Königsgutbezirk im 10. Jahrhundert sich an Gau-
grenze und Diözesangrenze orientierte, läßt sich nicht mehr sicher ausmachen. Der
Zusammenhang der Grenzen des Reichslandes Lautern, wo sie bei allem ungenügen-
den Forschungsstand punktuell faßbar werden, mit den Grenzen der Diözese Worms
ist jedoch unabweisbar185.
Die Grenze nach Süden und Westen wird dem Reichsland wie der Diözese Worms
zunächst durch die wohl zum Königshof Waldmohr gehörige forestis des Vierherren-
waldes, dann aber vor allem durch den Besitz des Kloster Hornbachs und das ältere
widonische Besitzsubstrat gesetzt, wobei es bezeichnend ist, daß der spät zu Horn-
bach gekommene Hofbezirk Queidersbach diese Grenzen nicht mehr zu ändern ver-
mochte. Dagegen blieb das nur teilweise, wenn auch kräftig mit Hornbacher Besitz
durchsetzte Gebiet zwischen Vierherrenwald und Wallhalbe bei Metz.
183 Die Schenkung einer Königshufe samt basilica in +Neunkirchen bei Kübelberg im J. 956 in
pago Nahgouve, zugleich in forasto nostro Wasago, könnte als königlicher Organisationsauf-
trag an Worms aufgefaßt werden (vgl. Anm. 70). Durchgesetzt hat sich Worms jedoch hier
nicht mehr. Die Diözesangrenze wurde vielmehr ungefähr an der Wasserscheide zwischen
Nahe und Blies fest. Die zur Nahe ziehenden Bachtäler sind von Mainz erfaßt worden mit
Ausnahme des unmittelbaren Bereichs des Landstuhler Bruchs und der Königshöfe Kaisers-
lautern und Landstuhl. Dem entspricht die Erstreckung des Nahegaus bis hin zu +Neunkir-
chen am Kübelbach. Mainz hatte im Nahegau, im Remigiusland um Kusel und sogar im
Gefolge dieser Beziehungen im zur Blies hin ausgerichteten Ostertal im 9. Jh. Fuß gefaßt.
Daß hier ein systematischer Zugriff erfolgte, hat K. Heinemeyer, Das Erzbistum Mainz
in römischer und fränkischer Zeit, Bd. 1, Marburg 1979, S. 152ff., dessen Frühdatierungen auf
Grund siedlungsnamentypologischer Schlüsse ich im übrigen nicht teile, an der Gestalt von
Pfarreibezirken im Gebiet von Glan und Lauter gezeigt: die Pfarrzentren liegen im Norden
an den Unterläufen, der Ausbau erstreckt sich bachaufwärts nach Süden.
184 Vgl. o. S. 59.
I8i Die Diskussion um die Grenzen des Reichslandes beruht vornehmlich auf dem Lauterer
Reichsspruch von 1357 und einigen spätmittelalterlichen Weistümern (Glanmünchweiler,
Landstuhl, Wallhalben); doch beschreiben letztere - aus eigenen Interessestandpunkten
(Weide- und Waldberechtigungen, Freizügigkeit usw.) heraus - die Grenzpunkte sehr
ungleichgewichtig, deren Identifizierungen sich zudem in vielen Fällen schwierig gestaltet
und nicht als abgeschlossen gelten kann. Vor allem die Südwestgrenze des Reichslandes
bleibt unklar: am deutlichsten ist noch der Reichsspruch von 1357, unbeschadet der
grundsätzlichen Probleme, die eine Rückprojektion linearer Grenzvorstellungen auf frühmit-
telalterliche Verhältnisse aufwirft. Vgl. D. Häberle, Das Reichsland bei Kaiserslautern,
Kaiserslautern 1907, S. 154ff.; E. Christmann, Ein Glanmünchweilerer Weistum aus dem J.
1461 mit Reichsland-Grenzbeschreibung, in: Pfälzer Heimat 11 (1960), S. 97-101; W. Weiz-
säcker, Pfälzische Weistümer, Bd. 2, Speyer 1962, S. 641ff. Zur Südwestgrenze vgl. ferner:
D. Häberle, Der Bremer Hof und das frühere Stiftsgut, in: Pfälzische Heimatkunde 1
(1905), S. 84-86; Ders., Zur älteren Geschichte des Stadtwaldes von Kaiserslautern, in: Pfälzi-
sche Geschichtsblätter 1 (1905), S. 21-23: Ders., Die Wälder des Stiftes zu Kaiserslautern im
J. 1600 nach der Beforschung des kurfürstlichen Forstmeisters Ph. Velmann, in: MHVPf 33
(1913), S. 93-182; Pöhlmann, Südwestgrenze (wie Anm. 86), S. 586-594; E. Christ -
mann, Von „Staffelsteinen“ auf fränkischen Dingstätten, in: Pfälzer Heimat 3 (1952), S. 97-
101; Doll (wie Anm. 53), S. 27f.; H. Friedei u.a., Der Reichswald bei Kaiserslautern,
1989, S. 47f.
71
Im Bereich des Schwarzbachs und der Queichtalstraße zeigt die Karte starkes widoni-
sehes Besitzsubstrat beiderseits der Diözesangrenze, nur unterbrochen durch den
Pfarrbezirk Rodalben. Die Grenze richtete sich hier nicht nach dem widonischen
Besitz, sondern nach der Waldmark des tief im Metzer Bistum gelegenen Klosters
Herbitzheim und dem Hornbacher Altbesitz. Der erst im 9. Jahrhundert an Horm
bach gekommene und ja bezeichnenderweise bereits zum Speyergau gehörige Bezirk
Wilgartswiesen vermag die Grenze nicht mehr zu ändern.
Nur die auffällige sackartige Ausbuchtung der Speyrer Diözese bei Waldfischbach
und Burgalben scheint nicht so alt zu sein. Das Waldfischbacher Weistum hat uns
außerordentlich archaische Weiderechte und Rechtszüge der Hornbacher Höfe von
Contwig und Meisenbach in der Waldmark nördlich des oberen Schwarzbachs be-
wahrt186. Im Contwiger Pfarrbezirk, in Niederauerbach, existierte noch in ottonischer
Zeit Königsgut, 972 ein Markt187. Es ließe sich denken, daß sich in den Zusammen-
hängen zwischen Contwig und Waldfischbach - zwischen Hof und louba, dem „Laub-
mastwald“188 - eine früh zerbrochene Fiskalorganisation entlang des Schwarzbachs
spiegelte. Die neue Ostbindung im Bereich von Waldfischbach wird erst entstanden
sein, als Eigenkirchenherr von Hornbach und Diözesanherr von Speyer identisch
wurden189. Vielleicht ist an Bischof Johannes von Speyer nach 1090 zu denken, der
auch sonstwo die Speyrer Diözese erweiterte190. Später war dies kaum noch möglich,
da die Besitzrechte im Bezirk von Waldfischbach bereits im 12. Jahrhundert außeror-
dentlich partikularisiert waren.
Ansonsten jedoch scheinen mir die Verhältnisse an der Grenze zwischen den Diöze-
sen Metz, Worms und Speyer ins 8./9. Jahrhundert zu weisen, in jene Zeit, als - wie
oben gezeigt - die Aufsiedlung der Westricher Hochfläche in vollem Gange war. Zu
Metz kam gewissermaßen aller Siedlungszuwachs der Karolingerzeit; doch reicht die-
ses Kriterium, da die Diözesangrenze über die karolingische Besiedlungsgrenze nach
Osten hinaus führte, nicht aus. Es müssen zur Erklärung auch die Besitz- und Herr-
schaftsverhältnisse der ottonisch-salischen Epoche herangezogen werden.
186 Vgl. o. Anm. 139.
187 MG DD Otto I. Nr. 424.
188 Die Waldbezeichnung findet sich in der Pfalz in drei Siedlungsnamen, bezeichnenderweise
zweimal im .Reichsland’ und ein drittes Mal beim Königshof Eisenberg. Vgl, Dolch/
Greule (wie Anm. 16) S. 279f.
Das Problem des Speyrer Vorschubs’ in diesem Bereich läßt sich nicht durch den gern gege-
benen Hinweis auf die Dynamik des Reformklosters Eußerthal lösen. Das Zisterzienserklo-
ster besaß nur einen kleinen Teil des Speyrer Westzipfels, den Lauber Wald (Anm. 140).
Daneben aber gab es Hornbacher Rechte in Waldfischbach und im Hochmittelalter auch
Saarbrücker Rechte an Burgalben. Weiter führt vielleicht ein Hinweis auf den archaischen
Rechtszug von Burgalben nach Queichhambach und Godramstein, der sich auf ein frühes
Organisationsschema schon des Bliesgauklosters beziehen muß. Das Bistum Speyer erreicht
dann 1087 die Schenkung der abbacia nomine Hornbach durch Heinrich IV,, die 1100 in
erweiterter Form (Einbezug der Vogteirechte) bestätigt wurde: Remling (wie Anm. 75),
Bd. 1, Nr. 66. 71. Vgl. Doll (wie Anm. 53), S. 27f.; Rödel (wie Anm, 1), S. Xf.
190 Vgl. H. Büttner, Zur Vogteientwicklung des Stiftes Hördt, in: ZGO NF 49 (1936), S. 341-
370, bes. S. 354 Anm. 1: 1099 Lösung der Abtei Sinsheim aus dem Wormser Diözesanver-
band.
72
Michel Parisse
Remarques sur le destin des assises territoriales
de l’évêché de Metz (8e - 13e s.)
Toute étude d’un temporel médiéval, qu’il soit laïc ou ecclésiastique, conduit à
s’interroger sur le problème des sources, et il faut bien admettre qu’à méconnaître
cette question, on finit par répéter ce qu'ont dit les prédécesseurs et par laisser croire
qu’on sait beaucoup plus de choses qu’on ne le dit. En réalité l’assurance de l’exposé
cache souvent mal de graves lacunes. Il est alors des moments où l’on ressent le
besoin d’engager la recherche à partir de la base et de ne pas se contenter de repren-
dre ce qui se dit et s’écrit d'une décennie à l’autre, d’un livre à l’autre. C’est ainsi
qu’aujourd’hui, à propos du patrimoine de l’église de Metz au Moyen Age, je vou-
drais poser des questions, quitte à n’y apporter que peu de réponses. L’histoire de ce
temporel a été écrite par deux élèves de l’Ecole nationale des Chartes de Paris. Clau-
de Sibertin-Blanc en a retracé l’histoire depuis les origines et a conduit son étude
jusqu’au XIe siècle; longtemps après lui, Michèle Depoux a repris l’enquête en par-
tant des conclusions de son prédécesseur. Ces deux thèses sont demeurées manuscri-
tes; elles peuvent cependant être consultées aux Archives départementales de la
Moselle sous forme de microfilms. Toutefois Claude Sibertin-Blanc a repris au moins
une petite partie de son travail pour donner deux articles sur les biens messins du
Wormsgau et leur destin. Hormis ces études fondamentales qui ont rassemblé toutes
les sources disponibles, des allusions ou des présentations brèves ont été faites à
¡’occasion, par Robert Folz en 1966 au moment où fut célébrée la mémoire de l’évê-
que Chrodegang, par moi-même dans ma thèse sur la noblesse lorraine. Aucune car-
tographie précise du patrimoine messin n’est disponible, sauf pour une période très
tardive, à l’époque des Trois-Evêchés entre 1648 et 1766. Il ne sera pas question ici de
pallier ce manque, qui supposerait une reprise critique complète des sources, mais
seulement de retracer les grandes lignes de la formation de ce temporel, en sou-
lignant les interrogations.
F La constitution du patrimoine messin.
Les sources dont on peut faire état sont les Gesta episcoporum Metensiurn, dont la
rédaction a commencé à la fin du VIIIe siècle. Elles comprennent aussi les documents
conservés dans les chartriers des abbayes. Une fois cela consulté, il reste une grande
quantité de lacunes et d’ignorances; c’est ainsi qu’on est amené à découvrir des pos-
sessions messines pour des époques très postérieures à celle de leur acquisition, sans
qu’on soit en mesure de répondre aux questions qui viennent à l'esprit. Il faut donc
d’emblée admettre que nous savons trop peu de choses, et que les hypothèses, même
fondées, demeureront des hypothèses.
73
Pour l’époque carolingienne, on peut prendre appui sur l’exposé de Robert Folz, qui
tentait en 1966 une description de la puissance messine à l'époque de saint Chrode-
gang (742-766). On doit se souvenir d’abord que Metz a fait partie du royaume
d'Austrasie, dont elle fut même la capitale durant plusieurs décennies, au moins de
575 à 650. Cela signifie qu’elle était résidence royale et qu’elle fut naturellement
bénéficiaire des largesses des souverains. A cette époque. l’Austrasie s’étendait de la
Champagne à la Thuringe, de la basse vallée du Rhin au Jura, mais l’Austrasie avait
des prolongements en Aquitaine. Les églises de Lorraine ont ainsi pu disposer de
biens dans le Massif Central et dans la vallée du Rhône. Eugen Ewig s’est penché
longuement sur les conséquences qu’ont eues pour Metz, Toul et Verdun l’apparte-
nance à l'Austrasie d’une partie de l’Aquitaine. Metz a eu sa part de biens lointains,
jusque et y compris le diocèse d’Arisitum, au bord des Cévennes. Tout cela lui a pro-
gressivement échappé, mais pourquoi n’aurait-elle pas gardé elle aussi longtemps
quelques biens comme le fit sa voisine de Verdun qui comptabilisait encore au XIe
siècle Saint-Amand de Rodez dans le patrimoine de l’abbaye Saint-Vanne? Or de
tout cela on n'a plus de trace. Et déjà nous devons retenir que Metz a possédé parfois
pendant des décennies, voire des siècles, des territoires dont on n’a pas connaissance.
D'une façon générale, les plus anciennes possessions ont été acquises sans laisser de
traces dans les sources écrites. L’origine de quelques concessions nous est malgré tout
connue: Saint-Trond, ou plutôt le bien de Sarchinium où fut bâtie l’abbaye de Saint-
Trond. fut donnée à l’église de Metz par le noble Trudon qui avait reçu son éducation
sur les bords de la Moselle. Dugny et les agglomérations des alentours, au sud de
Verdun, sont venues à Metz par la même voie. Charlemagne donna à l’archevêque
Angelram et à l’église messine l’abbaye bavaroise de Chiemsee et l’abbaye vosgienne
de Senones. Au siècle suivant, Chiemsee fut échangée contre Luxeuil. Quand Luxeuil
fut-elle perdue? On l’ignore.
Revenons à Chrodegang. Il fonda Gorze vers 750, à tout le moins avant 757, établit
pour les moines la règle bénédictine et dota le monastère. On trouve dans le cartu-
laire écrit vers 1170 le détail de la dotation primitive de Gorze dans les deux premiè-
res chartes donnée par le saint évêque. Malheureusement ces pièces sont des faux.
On y trouve trop soigneusement énumérées et classées des donations qui furent faites
en différents endroits de la Lorraine, jusqu’en Champagne et dans le Wormsgau; en
réalité la véritable charte de fondation ne comporte aucune mention de la dotation
primitive, ce qui est conforme aux pratiques de ce temps. Pourtant il est indubitable
que des dons furent faits, dont sans doute la trace écrite s’était gardée. Il faut alors
admettre que, plus tard, on les a regroupées, toutes ou quelques-unes, dans ces
chartes qui furent mises sous le nom de Chrodegang. Si ces donations furent réelles,
on ne peut dire en revanche que l’évêque-archevêque de Metz en fut l’auteur. Or
c’est en se fiant à ces chartes fausses qu’on en vient volontiers à croire que Chrode-
gang a donné à son église son patrimoine familial du Wormsgau, d’où il était très
sûrement originaire, et on lui attribue aussi du même coup la possession des biens
champenois de Gorze. Un tel raisonnement est fondé sur la tradition qui veut que
bien des évêques aient abandonné leur patrimoine à leurs églises et aient ainsi contri-
bué à constituer le temporel des évêchés. La générosité des rois aurait fait le reste, les
74
particuliers, nobles en général, ayant ajouté leurs aumônes. En tout cas il est risqué
de prendre appui sur le cartulaire de Gorze pour juger de la générosité de Chrode-
gang. Dans le même temps il est indéniable que, quelque soit la voie de l’enrichisse-
ment de Gorze, tout ce qu'elle possédait contribuait à constituer le patrimoine mes-
sin, car elle était une abbaye épiscopale.
Gorze ne fut pas la seule abbaye fondée à Metz ou dans ce diocèse. 11 faut lui ajouter
Saint-Martin devant Metz, Glandières et Saint-Nabor, Saint-Pierre et Sainte-Glos-
sinde dans la cité. Toutes n’ont pas une situation équivalente, et par exemple Saint-
Martin, abbaye fondée par Sigebert III, n’a jamais fait partie des biens de l’église de
Metz. Il en fut de même à partir d’une certaine époque pour Saint-Pierre-aux-Non-
nains. Les possessions de Sainte-Glossinde, de Glandières et de Saint-Avold à l’in-
verse ont sans doute partiellement été prises sur le patrimoine diocésain. Metz a reçu,
à une date qu’on ne saurait préciser, Marmoutier et Neuwiller en Alsace. Saint-
Arnoul a sûrement obtenu des aristocrates pippinides ces grosses villae, pour lesquel-
les les moines ont confectionné plus tard des actes faux, destinés à pérenniser leur
donation. La cartographie des biens de ces abbayes épiscopales permet de dessiner en
filigrane le réseau messin. On sait que des prolongements existaient dans les hautes
vallées de la Meurthe et de la Moselle, mais on en ignore là encore en grande partie
l’origine. La donation de Senones ne permet pas d’expliquer à elle seule l’ampleur
des biens messins sur le bord occidental des Vosges. Pour la région d’Epinal. qui resta
messine jusqu’au XVe siècle, on imagine que Dognéville, centre d’une vaste paroisse
sur le territoire de laquelle fut fondée la ville d’Epinal, sortait du patrimoine de
l’épouse de saint Arnoul, Doda (Dodavilla = Dodiniacavilla). Hypothèse ingénieuse
qui suppose que Doda ait justement fondé cette bourgade en lui donnant son nom.
Cette explication est un artifice pour cacher une simple ignorance.
Puisqu’on ne peut, pas plus pour Metz que pour la plupart des cités, savoir clairement
comment s’est forgé son patrimoine ancien, il paraît plus simple d’admettre que la
fonction de capitale de Metz lui a valu de recevoir des rois de nombreux territoires
dispersés en Austrasie, et même situés parfois loin du diocèse, jusque sur la rive
droite et la rive gauche du Rhin, et aussi jusqu’en Champagne, et vers le sud, jusque
dans le diocèse de Toul. Une cartographie postérieure attentive fait apparaître que
les évêques ont réussi à contrôler parfois loin de la cité, des passages, gués, cols,
ponts, et des carrefours économiques, ou des relais sur des voies de commerce, le tout
très largement dispersé aux points importants de l’espace lorrain, ou plutôt dans la
province de Trêves, car il ne peut être encore question de Lorraine. Prenons l’exem-
ple de la vallée de la Meuse: Metz tenait Dugny, au sud de Verdun, puis Commercy
et Pont-sur-Meuse; par Dugny les Messins se dirigeaient vers leurs biens argonnais,
par Commercy vers leurs terres des bords de la Marne. Ne prête-t-on pas à l’évêque
de Metz un échange selon lequel il a donné au comte Wulfoald le passage de la
Meuse où se fixera Saint-Mihiel? Si l'on jette un coup d’oeil du côté des Vosges, on
voit l’autorité messine présente depuis le col du Bonhomme jusque dans la vallée de
la Sarre moyenne, et plus tard Otton III a couronné le tout en lui léguant la forêt du
Warndt et Sarrebruck. L’ampleur des biens messins dans la seconde moitié du pre-
75
mier millénaire ne peut s’expliquer que par son rôle dans le royaume d’Austrasie,
mais il faut renoncer à chercher dans quelles conditions, à quelles dates, à qui, par qui
les donations, les concessions furent faites.
A l’époque ottonienne et salienne est intervenue la consolidation des territoires accu-
mulés jusque là. Pour les Xe et XIe siècles, des diplômes ont été conservés, et leur
contenu nous renseigne sur la générosité royale. Mais ils ne suffisent pas encore à
tout expliquer, et bien des faits se comprennent à la lumière de l’histoire des évêchés
environnants. On sait que de nombreux diplômes citent les donations faites par les
souverains aux évêques d’empire en abbayes, comtés, forêts, et droits comtaux. Tel
fut le cas de Metz, qui reçut d’Otton III Sarrebruck, et de Henri II une vaste réserve
entre Moselle et Seille. Tout cela est encore bien peu de choses à côté de l'accroisse-
ment d’autorité du prélat. En ce qui concerne l’acquisition des droits comtaux dans la
ville et dans certains Gaue, à défaut de diplôme de concession, comme on en possède
pour Cambrai par exemple, on résoud le problème en parlant d’usurpation. Qu’il y
ait eu ou non diplôme, le résultat est incontestable, c’est la mainmise domaniale de
l’évêque sur une grande partie de son diocèse.
Il faut à l’évidence procéder par comparaison, ainsi comprendra-t-on ce qui se passe à
Metz à la lumière de ce qui advient à Liège ou à Cambrai ou à Cologne. Rien n’est
clair pour aucune des cités impériales, et l’on ne commence à voir clair que longtemps
après que les concessions ont été faites. Aux Xe et XIe siècles s’opèrent des modifica-
tions fondamentales, a lieu Sa vraie naissance de la principauté messine, comme celle
des autres principautés épiscopales d’empire. Le roi donne aux évêques des pouvoirs
souverains, ou bien ceux-ci les exercent spontanément. Pourquoi parler d’usurpation
alors que la dévolution tacite a eu lieu dans la plupart des endroits? Ainsi voit-on les
évêques frapper monnaie, ce qui est un privilège important, vu les avantages écono-
miques que cela comporte; pourtant l’on connaît peu de concessions royales du droit
de frapper monnaie, là où rien n’existait. Tous les évêques se sont mis à peu près en
même temps à frapper au nom du roi puis en leur nom propre, quelques abbés l’ont
fait, les princes laïcs ont suivi beaucoup plus tard. La monnaie est le signe le plus visi-
ble de l’accaparement général de droits royaux, en matière économique, judiciaire,
militaire, c’est-à-dire dans tous les domaines où une autorité de seigneur pouvait
s’exercer avec profit. Car l’économie, le commerce, la perception de taxes étaient
fondamentales pour la construction d’une principauté. C’est bien tout cela qui se
résume dans l’expression de droits comtaux, les comtes ayant eu de fait à exercer
dans les pagi et Gaue le pouvoir souverain au nom du roi. Il a donc suffi que les
évêques se substituent aux comtes pour qu’ils puissent imposer leur autorité sur des
territoires entiers de leur diocèse. Il ne s’agit plus ici de dénombrer des possessions
une à une, en fonction de donations circonstanciées, il s’agit de comprendre l’évolu-
tion institutionnelle et politique qui a permis un rapide enrichissement des évêques
soutenus par le roi. L’évêque de Verdun prit en mains le comté de Verdun, la tradi-
tion en attribua le don à Otton III, les évêques de Metz et de Toul firent de même.
Seulement il y a des différences notables: comté et diocèse de Verdun se confondent,
ce qui donne au prélat une importance toute nouvelle et réduit le comte au rôle
76
d’avoué; le comté de Toul était en revanche tout petit et l’évêque du lieu ne gagna
pas grand chose en devenant seul maître. Le comté de Metz était dans une situation
intermédiaire; il n’aurait pas suffi à enrichir l’évêque, si celui-ci n’avait fait la même
opération de conquête pacifique sur la plupart des comtés, pagi et gaue, de son dio-
cèse, annexant de la sorte la vallée de la Moselle, tout près de la cité, et celle de la
Sarre à l’autre extrémité, et entre les deux le Saulnois et son sel. La donation de Mul-
cey par Otton II à l’évêque de Strasbourg en 978 semble bien en effet être la dernière
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Le temporel de l'evêché de Metz ou Moyen-Age
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OD autres lieux y/tw? di0Cl*s* Metz
77
trace du contrôle royal sur le sous-sol salin de la Lorraine. Par la suite l’évêque de
Metz en disposa seul, et cela fut une source de richesse considérable. Dans son dio-
cèse, il ne lui échappait alors plus que les biens patrimoniaux des familles comtales et
ducales, comme par exemple ce qui servit de base de départ à la partie septentrionale
du duché de la maison d'Alsace, autour de Bouzonville et de Bitche.
L'eau va au moulin. A l’évêque de Metz dont la richesse surpassait largement celle de
ses voisins, Otton 1er offrit l’abbaye de Waulsort, encore un point sur la Meuse moy-
enne. Quand l’évêque de Toul fonda l’abbaye de Bouxières, il dut se tourner vers son
collègue messin, dont dépendaient la plupart des paroisses de la rive droite de la
Meurthe en descendant vers le sud, jusqu’à Varangéville loin dans le diocèse de Toul.
Toutes ces possessions nous sont connues parce qu’on les trouve plus tard entre les
mains des abbayes messines concurrentes: Saint-Arnoul, Sainte-Glossinde, Gorze,
qui avaient des villages à Lay et Champigneulles, Dommartin sous Amance, Agin-
court, Leyr, Moivron, Essey, Tomblaine, Art, jusqu’à la confluence du Sanon avec la
Meurthe. Enfin nul n’ignore plus aujourd’hui que le duc Gérard Ier en plantant son
château de Nancy s’installait sur des terres des moniales messines de Saint-Pierre-
aux-Nonnains dont il était l’avoué, donc le protecteur; en faisant cela il rééditait ou
préparait le coup qu’il fit à Prény, plus au nord, toujours sur les terres des mêmes
moniales. Metz était partout, et il faut prendre à la lettre les termes admiratifs du
chroniqueur de Saint-Trond faisant état de la puissance redoutable de l’évêque de
Metz au milieu du XIe siècle. Mais même alors on est incapable de tracer les contours
du patrimoine messin, car les précisions sont insuffisantes. Pour en avoir cependant
une idée générale, il convient de tenir compte de ce qui fut assurément donné et dont
on a trace, puis de ce que l’évêque détenait plus tard et dont on devine que cela ne lui
fut pas donné après l’an Mil; il faut y ajouter les patrimoines des abbayes épiscopales.
L’ensemble était effectivement considérable. C’est au moment où celui-ci fut l’objet
d’attaques de la part des laïques qu’on commence à avoir une idée un peu plus nette
de ce qui le constituait. Nous entrons alors dans la phase féodale, qui marque une
nouvelle remise en cause de l’ensemble et impose un nouveau mode de consolidation
par la vassalité.
2° La gestion du patrimoine messin.
Autour de l’an Mil les Gesîa episcoporum Mettensium changent de ton, pour adopter
celui qu’on rencontre dans les Vitae des évêques rédigées à cette époque: là on ne
parle plus tant de villae que de châteaux. Adalbéron II, dont on peut douter des qua-
lités militaires, fit mettre à bas, apprend-on, les tours de Vandœuvre, Autrey et Lan-
froicourt. C’est lui qui reçut le castrum de Sarrebruck avec tout le territoire forestier
alentour. Avant lui Thierri Ier avait fait bâtir le château d’Epinal. Le changement est
surtout sensible à la fin du XIe siècle. La Querelle des Investitures allait marquer une
coupure importante dans l'histoire du patrimoine messin.
78
A. L’évêque, ses châteaux et ses vassaux.
Peu après que la puissance de l’évêque et de l’évêché de Metz eut été reconnue et
soulignée, les princes laïcs s’y attaquèrent en profitant de l’affaiblissement passager
de prélats qui appartenaient au camp pontifical contre l’empereur, et à qui manquait
désormais l'appui du souverain. Les adversaires de l'évêque se jetèrent sur ses biens
éloignés, comme Epinal et Deneuvre, et sur le Saulnois, riche en sel. Les Gesta. qui
forcent un peu la note, déclarent qu’à la fin il ne restait plus à Etienne de Bar, devenu
évêque en 1120, que la cour de Remilly. La reconquête du patrimoine commença très
vite; Etienne coiffa le casque et partit réoccuper les châteaux qui lui échappaient. Il
mit à la raison des avoués-châtelains, quitte à faire de longs sièges, comme celui de
Pierre-Percée, et n'hésita pas à affronter le duc de Lorraine et les soldats du comte de
Bar, son frère. Il fit la guerre contre des forteresses aussi solides que Dieulouard et
Prény. L’énoncé de ses hauts faits conduit le rédacteur des Gesta à nommer dix-sept
châteaux et forteresses, auxquels il eut affaire. Les successeurs d’Etienne ne furent
pas en reste, et achetèrent d’autres châteaux, Haboudange, Varsberg, Raville, inter-
vinrent à propos de Sierck et de Conflans, se firent confirmer Sarrebruck.
Durant tout le XIIe siècle il semble que l’évêque attaque autant qu’il se défend, qu’il
se place sur un pied d’égalité avec les grands laïcs qui bâtissent leurs seigneuries. Et
pourtant l’évêque a alors fort à faire dans ses fonctions de chef du diocèse au moment
où le clergé séculier prend conscience de son rôle, au moment où tant de nouveaux
monastères sont fondés, quand les paroisses changent de patrons pour passer aux
moines et aux chanoines. Assimilant son combat à celui des princes et des barons,
l’évêque use des voies vassaliques pour gouverner. Il ne peut éviter de confier cer-
tains de ses territoires en fief à des comtes et des avoués. Très vite une distinction
importante doit être faite entre les vassaux qui gèrent de façon indépendante le fief
qu’ils ont reçu et ceux qui demeurent des agents dociles, comme châtelains et avoués.
Les châteaux et territoires lointains ont été cédés à des vassaux indépendants qui
créent des comtés: Sarrebruck, Blieskastel, Sarrewerden, Salm, ou des seigneuries:
Commercy, Apremont. De toutes ces inféodations on n’a que deux traces très brèves:
une notice tardive et inscrite par hasard dans un livre liturgique a conservé le souve-
nir de l’inféodation d'Apremont fait à un ministérial de Verdun, qui devint seigneur
du lieu et fonda une seigneurie dans la Woëvre. Une mention fugitive indique que
Hermann de Luxembourg et de Salm est devenu le miles (entendons vassal) de
l’évêque de Metz, et l’on peut penser que le fief reçu était l'abbaye de Senones sur le
territoire de laquelle fut érigé plus tard le château de Salm en Vosges. On peut imagi-
ner que les comtes de Blieskastel ont succédé aux comtes du Bliesgau et que l’évêque
est devenu leur suzerain; pour Sarrebruck, il n’y pas d'explication analogue. Tout au
long du XIIe siècle, alors que régulièrement des hommages ont dû être prêtés, rien ne
filtre des relations féodo-vassaliques contrôlées par le prélat. A lire les actes des
évêques de Metz de cette époque, on croirait qu’ils se sont tenus hors du régime
féodal.
79
L’évêque n'a pas inféodé tous ses biens. Dans beaucoup de cas, pour beaucoup de
châteaux assez proches de la cité ou peut-être facilement contrôlables il a choisi la
solution de l'avouerie, pour les châteaux, pour les abbayes et les prieurés. Et ces
avoués, qui sont en fait des châtelains, ne parviendront pas à transformer leurs fiefs
en biens de familles, même si leur fonction fut d’emblée héréditaire. L’évêque avait
donc choisi une gestion double, celle de fiefs et celle de seigneuries directes.
On ne doit pas oublier dans ce panorama la place tenue par la cité. L’évêque en était
devenu peu à peu le maître absolu au Xe siècle. A la différence de certaines cités
françaises, il n’avait auprès de lui aucun seigneur ou comte concurrent, qui pût dres-
ser un château contre sa résidence. La cité fortifiée était la résidence de l’évêque et il
n’y avait de tours que celles de l’enceinte. La cité était un centre économique impor-
tant, le premier de Lorraine. Elle généra une classe de bourgeois, commerçants et
artisans, qui réclamèrent de plus en plus de libertés pour gérer ieurs affaires, furent
dirigés par un maître échevin, puis créèrent des institutions dont ils étaient les maî-
tres. Après une longue période de gestation et de prudence (peut-être obligée), les
choses se précipitèrent et dans le premier tiers du XIIIe siècle la bourgeoisie messine
et l’élite des paraiges parvinrent à rejeter l’autorité de l'évêque et à s’emparer des
leviers de commande, politiques, économiques, militaires, judiciaires. Sur tous les
plans alors, l’évêque recula.
B. Les méfaits de la féodalité.
L’épiscopat de Bertram (1180-1212) est marqué par les progrès réalisés par la bour-
geoisie messine. L’évêque continue de s’occuper de ses châteaux, il participe même à
des opérations militaires contre le comte de Bar. Conrad, chancelier de Frédéric II,
évêque de Metz et de Spire à la fois, n’eut guère le temps de défendre la position
épiscopale. Jean d’Apremont qui lui succéda en 1224 et avait abandonné le siège de
Verdun pour celui de Metz fut confronté très vite aux ambitions du duc et des com-
tes. Il fit la guerre aux bourgeois et aux princes laïcs, il ménagea une politique matri-
moniale destinée à lier Sarrebruck et Apremont à Metz. Il sut récupérer les fiefs mes-
sins que les comtes de Dabo détenaient depuis longtemps et qui tombèrent en
quenouille. Avec Jacques de Lorraine, évêque de Metz de 1139 à 1160, pour la pre-
mière fois on a le sentiment de se trouver au centre des problèmes féodaux. Il se com-
porta en véritable seigneur, exigeant les hommages de ses grands vassaux et rappe-
lant ce qu’étaient les fiefs de l’évêché. Le cartulaire de l’évêché contient enfin des
actes d’hommage, et il y en eut sans doute plus que ceux qu’on peut y lire. A cette
occasion, il est possible de vérifier quels étaient les grands vassaux, comtes et
seigneurs déjà nommés, héritiers des premiers vassaux de l’évêque au XIe siècle, ou
membres de leurs branches cadettes. Quant au cœur du diocèse il tenait bon, ou à
tout le moins semblait tenir bon. Mais la cité échappait presque totalement au prélat,
qui allait se réfugier de plus en plus souvent dans la ville de Vic-sur-Seille, en atten-
dant d’y demeurer en permanence, chassé de la ville dont les riches bourgeois lui
80
affermaient la monnaie et les salines, c’est-à-dire les vraies sources de richesse de
l’église messine.
Cette reprise en mains de la féodalité épiscopale fut en fait un baroud d’honneur. On
ne voit pas que les hommages aient été suivi de services d’ost et de conseil. Si la vas-
salité était réelle, elle ne pesait pas en fait sur les vassaux, qui disposaient d'autres
fiefs et avaient de nombreux autres seigneurs, qui étaient des seigneurs maîtres de
leur politique. Les évêques avaient beaucoup de mal à intervenir dans la politique de
leurs vassaux. La fin du XIIIe siècle fut marquée par des guerres de succession, dans
lesquels intervinrent les princes laïcs dont les vassaux étaient communs avec ceux de
l’évêque, affaires de Sarrebruck et de Blieskastel. L’évêque Laurent de Lichtenberg
essaya de s’en tirer tant bien que mal, il le fit plutôt mal que bien. Toute une cou-
ronne de fiefs messins furent près de se détacher de la grande principauté épiscopale:
Apremont, Commercy, Salm, Sarrewerden, Blieskastel, Kirkel, Deux-Ponts, Sarre-
bruck, Hombourg, auxquels s’ajoutaient une foule de petits fiefs confiés à des sei-
gneurs et des chevaliers. Il n’est pas possible de suivre en détail une histoire compli-
quée où tout s’enchevêtre. Un seul élément nous paraît significatif. Si l’on dénombre
vers 1250 les châteaux qui devaient directement ou indirectement relever de l’évêque
comme seigneur et suzerain, on peut approcher le chiffre de 80; or en 1296 Bouchard
d'Avesnes, confiant à Godeman de Torcheville les forteresses de sa principauté en
énumère seulement 18. C’étaient les points forts définitifs de l’évêché ou du moins ce
qu’il en restait: Condé aux portes de Nancy, que convoitaient le duc et le comte de
Bar, Epinal, devenu ville, Rambervillers, Deneuvre, Moyen, les châteaux du Saulnois.
C’est l’époque où l’évêque retrouva un réflexe perdu depuis l’époque franque, l’acca-
parement de l’abbatiat de Gorze pour en absorber les ressources. Déjà il lui avait
fallu se battre contre le comte de Salm, qui voulait à son seul profit exploiter des sali-
nes à Morhange et des mines de fer au Framont. A ce jeu l’évêque était perdant, car il
ne pouvait se transformer constamment en homme de guerre et en politicien. Le
patrimoine demeurait fort si l’évêque l’était, mais l’inverse pouvait aussi se dire.
La gestion du patrimoine se précisa et suivit les voies tracées depuis la France;
l’évêque se fit aider d’un bailli et mit en place des prévôts, lesquels remplaçèrent les
châtelains et les avoués du XIIe siècle. On s’achemina lentement vers une administra-
tion directe assurée par des agents choisis pour leur capacité et non plus par des vas-
saux plus ou moins dociles. A cette date l’évêché avait stoppé son déclin et il allait
conserver longtemps ce qu’il avait réussi à sauver du naufrage féodal. Au début du
XIVe siècle, l’évêque se battit encore pour conserver ses salines face au duc qui
entendait s’installer en plein Saulnois et parvint à s’incruster à Château-Salins. Il
s’était réfugié à Vie où il avait sa chancellerie. Quand il se mêla aux participants de la
Commune Trêve de Lorraine en 1343, il avait une place encore forte, qui lui donnait
la prééminence sur ses pairs de Toul et de Verdun et il parlait d’égal à égal avec le
duc et le comte de Bar; il contrôlait encore les villes de Sarrebourg, d’Epinal, de Vie
et de Marsal. Il avait perdu la cité, qui était restée un centre vital de ia Lorraine, mais
aux mains des patriciens. Tel qu'elle était alors, telle allait se maintenir la principauté
messine, pour constituer un des principaux éléments des futurs Trois-Evêchés.
81
Conclusion
L'histoire des assises territoriales de l’évêché de Metz se déroule donc en trois
phases, qui correspondent aussi aux étapes de l’histoire de l’espace lorrains. La pre-
mière phase correspond à l'histoire de l’Austrasie et du royaume franc, dans lequel
Metz avait une place d’honneur et grâce auquel la cité s’est forgé un patrimoine éten-
du et largement distribué hors du diocèse. La seconde phase correspond à l’histoire
de la Lotharingie et au rayonnement impérial. L’évêque est devenu maître de sa ville,
il a perdu des terres lointaines mais a renforcé ses positions locales, jusqu’à devenir
seigneur de la quasi totalité du diocèse, avec en plus de solides appuis extérieurs.
L’évêque est alors plus puissant que les laïques aux Xe et XIe siècles. La troisième
phase qui dure deux siècles comme les précédentes, correspond à celle de la féodalité
triomphante et déclinante des XIIe et XIIIe siècles. Prince comme les autres,
l’évêque donne des fiefs, mais il n’en reçoit pas. Sa fonction ecclésiastique l'accapare.
Il doit faire face aux revendications des bourgeois dans sa cité. D'un patrimoine lor-
rain riche hérité de ses prédécesseurs, il voit se détacher un à un les fiefs et doit se
contenter de sauvegarder ce qu'il administre directement ou avec l’aide d'agents bien
contrôlés. Un point commun se maintient sans faille tout au long de ces six siècles
d’histoire de ce patrimoine, c’est l’apport décisif que représente la richesse de la ville
et de la vallée, augmentée de celle des sources salées du Saulnois. La perte de la ville,
l’affermage des biens et des salines ont fait du prince- évêque de plus en plus un clerc.
Après 1400, quand on dit Metz, on ne pense plus évêque, mais maître-échevin. Cela
ne signifie pas que l’évêque de Metz a tout perdu et que sa puissance morale et poli-
tique est anéantie, cela veut dire seulement qu’elle a perdu ses points forts et qu’elle
a perdu la bataille face aux princes laïcs.
Bibliographie:
Gesta episcoporum Mettensium, MGH, Scriptores, X, p.534-547.
Victor Châtelain, Le comté de Metz et la vouerie épiscopale du VIIIe au XIIIe
siècles, Jahrbuch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde
X (1898), p.72-119, XIII (1901), p.145-311.
Michèle Depoux, La seigneurie épiscopale de Metz, ses variations territoriales de
962 à 1415, Thèse de l’Ecole des Chartes, 1954.
Robert Folz, Metz dans la monarchie franque au temps de saint Chrodegang, Saint
Chrodegang, Metz, 1967, p.11-24.
Paul Marichal, Le cartulaire de l’évêché de Metz, dit le «Troisième registre des
fiefs» avec un essai de reconstitution du «Vieil registre» 1’ et du «Second registre des
fiefs» (Mettensia IV-V), Paris, 1903-1908.
Michel P a r i s s e, La noblesse lorraine, XIe-XI I Ie s., 2 vol., Lille, Paris, 1976.
Jean Schneider, Bourgeois et officiers épiscopaux. La fin de l’avouerie et de la
ministérialité épiscopale à Metz (XIIIe et XIVe siècles), Annuaire de la Société
d’Histoire et d’Archéologie de Lorraine, 48 (1947), p.75-94.
82
Jean Schneider, Notes sur quelques documents concernant les cités lorraines au
Moyen Age, Revue Historique de la Lorraine, 87 (1950), p.1-38.
Claude Sibertin-Blanc, Le temporel de l’évêché de Metz des origines à 962.
Formation de la seigneurie ecclésiastique. Thèse de l’Ecole des Chartes. 1935.
Claude Sibertin-Blanc, Les anciennes possessions de l'évêché de Metz dans le
pays de Worms. Annuaire de la Société d’Histoire et d'Archéologie de la Lorraine,
49 (1947), p.33-73.
83
Franz Staat
Zur kirchlichen Raumerfassung im Mittelalter.
Archidiakone, Chorbischöfe und Archidiakonate
im Bistum Metz bis ins 13. Jahrhundert
1. Zur Entstehung von Archidiakonaten in der Diözese Metz
und im allgemeinen
Bei einem ersten Blick in die Literatur bietet die Geschichte der Metzer Archidiako-
nate, abgesehen davon, daß alle anderen Themen der Metzer Kirchengeschichte sich
bei weitem interessanter auszunehmen und sehr viel eher eine nähere Beschäftigung
zu verdienen scheinen, nichts Außergewöhnliches. In der von Henri Tribout de
Morembert 1970 herausgegebenen kurzen Geschichte der Diözese skizzierte Michel
Parisse Ausdehnung und Gliederung ihres Sprengels, zählte dabei neben Metz die
drei anderen Archidiakonatssitze Vic, Marsal und Saarburg auf mit der Bemerkung,
diese Gliederung habe bereits im 12. Jahrhundert ihre feste Ausformung gehabt, die
Zeit ihrer Entstehung sei jedoch nicht mehr zu ermitteln1. Er wiederholte damit im
Grunde eine Ansicht, die bereits Armand d’Herbomez entwickelt hatte, als er 1898
die Urkunde Nr.156 des von ihm herausgegebenen Kartulars von Gorze kommentier-
te. In dieser Urkunde des Bischofs Stephan von 1143 erscheinen als die ersten Zeu-
gen vier Archidiakone, von denen d’Herbomez meinte, da es im Metzer Bistum
bekanntlich nur vier Archidiakone gebe, den von Metz, von Marsal, von Vic und von
Saarburg, fände man hier erstmals deren vollständige Aufzählung2.
In seinem grundlegenden Bericht über unsere gegenwärtigen Kenntnisse vom Bistum
Metz im Mittelalter von 1963 hat Hans-Walter Herrmann auch den kurzen Aufsatz
von Julien Ledere von 1959 analysiert, der versucht hatte, die Anfänge der Metzer
Archidiakonate nachzuzeichnen. Dabei stimmte Herrmann dieser Darstellung im
großen und ganzen zu. Ledere hatte gezeigt, daß vom 8. Jahrhundert bis 858 Chor-
bischöfe in der Diözese erscheinen, für die sich zumindest in Hornbach ein fester Sitz
herauszuheben scheint. Im Jahr 886 würden nun erstmals vier Archidiakone neben-
einander genannt, während früher, seit dem 6. Jahrhundert, immer nur ein Archidia-
kon aufgetreten war. Im 10. Jahrhundert hätten sich dann in Anlehnung an die Graf-
schaften zwei Archidiakonate im deutsch- und zwei weitere im französischsprachigen
1 Michel Parisse, La vie religieuse du XIIe au XIVe siècle, in: Le diocèse de Metz, ed. Henri
Tribout de Morembert (Histoire des diocèses de France), Paris 1970 S. 68. Beste kartographi-
sche Darstellung der Metzer Archidiakonate bei G. Bourgeat und N. Dorvaux, Atlas
Historique du diocèse de Metz. Montigny, Metz 1907
2 Cartulaire de l’abbaye de Gorze. Ms.826 de la Bibliothèque de Metz, ed. Armand d’Herbo-
mez (Mettensia 2), Paris 1898 S.557, vgl. Nr. 156 S. 280.
85
Teil des Bistums entwickelt. Hauptzentren der Diözesanorganisation auf dem flachen
Land seien jedoch immer noch die alten Abteien, wie Hornbach und St. Avold, gewe-
sen. Erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sei man endlich zur seitdem
ungebrochen bestehenden Benennung nach den Hauptorten Metz, Vic, Marsal und
Saarburg übergegangen, nach Orten also, die zugleich - Metz ausgenommen - auch
wichtige Stützpunkte der weltlichen Macht des Bischofs geworden waren. Herrmann
kritisierte allerdings an der Arbeit von Ledere, daß Vergleiche im größeren Rahmen
unterblieben waren und er für die Abgrenzung der Archidiakonate zu sehr mit Ein-
flüssen der weltlichen Landesgliederung rechnete, obgleich über diese ihrerseits nicht
allzu viel bekannt ist. Allerdings war in der kirchenrechtlichen Literatur um 1900 all-
gemein ein enger Zusammenhang zwischen Grafschafts- und Gaugrenzen einerseits,
sowie kirchlichen Grenzen andererseits vorausgesetzt worden. Georg Wolfram hatte
diesen Grundsatz 1927 auch auf die Metzer Diözese angewendet, hinsichtlich der
Archidiakonatsgrenzen aber zugleich die Einwirkung von Sprachgrenzen zwischen
Romanen, Franken und Alamannen, die seiner Auffassung nach in der Völkerwan-
derungszeit entstanden waren, in Anschlag gebracht. Die Interpretation Leclercs
stand also durchaus ganz in der Metzer kirchenhistorischen Lehrmeinung unseres
Jahrhunderts3.
Im Grunde würde sich ein solcher Entwicklungsgang, wie der von Ledere dargestell-
te, gewiß auch ohne Schwierigkeiten in die heute allgemein akzeptierten Anschau-
ungen über die Entstehung von Archidiakonaten einordnen lassen. Man leitet den
Archidiakon gewöhnlich vom Bischofsdiakon, dem persönlichen Gehilfen des
Bischofs, her. Nachdem dieser Vertreter des Bischofs in der Verwaltung und
Gerichtsbarkeit und damit auch Vorgesetzter des niederen Klerus geworden sei, habe
er den herausgehobenen Titel Archidiakon erhalten. Er sei grundsätzlich Repräsen-
tant des Bischofs in der ganzen Diözese gewesen, habe auch im 9. Jahrhundert, als
zum ersten Mal in verschiedenen Diözesen mehrere Archidiakone zugleich auftraten,
noch keinen festen Amtssprengel gehabt. Die Einrichtung von solchen Bezirken bil-
dete sich dann seit dem 10. Jahrhundert heraus. Aber auch auf dieser Stufe seien die
Archidiakone immer noch Mandatare ihres Bischofs geblieben, konnten nicht selb-
ständig tätig werden und sogar, was ein ganz wesentliches Moment ist, keine eigenen
Urkunden ausstellen. Bis zu diesem Punkt spricht man gewöhnlich von „Archidiako-
nen erster Ordnung“. Sobald die Archidiakone aber urkunden und selbständig ihre
Archidiakonatssynoden, den Send, abhalten, ist die Phase der „Archidiakone zweiter
Ordnung“ erreicht, die etwa in der Mainzer Erzdiözese im späten 11. Jahrhundert
3 Julien Ledere, Origine des archidiaconés messins, in: Annuaire de la société d’histoire et
d’archéologie de la Lorraine 59 (1959) S.27-36, Hans-Walter Herrmann, Zum Stande der
Erforschung der früh- und hochmittelalterlichen Geschichte des Bistums Metz, in: Rhein.
Vierteljahrsbl. 28 (1963) S.159f., Georg Wolfram, Zur Geschichte der Einführung des Chri-
stentums und der Bildung der Archidiakonate in Lothringen, in: Historische Aufsätze, Aloys
Schulte zum 70. Geburtstag gewidmet von Freunden und Schülern. Düsseldorf 1927 S.18-29,
besonders S.24-26.
86
beginnen soll4. Wendet man dieses Entwicklungsmodell auf Lothringen an. wäre der
Übergang vom „Archidiakon erster Ordnung“ zu dem „zweiter Ordnung“ in Metz
allerdings mit dem 13. Jahrhundert verhältnismäßig spät erfolgt. Die Entwicklungs-
stufen als solche würden sich jedoch auch in der Metzer Diözese wiedererkennen las-
sen: zunächst ein einzelner Archidiakon seit dem 6. Jahrhundert, dann 886 erstmals
vier Archidiakone, zu denen man sich jedoch noch keine festen Sprengel vorstellen
dürfte, dann eine langsame Herausbildung dieser Sprengel, bis endlich im 13. Jahr-
hundert deren Hauptorte hinzukamen, die den Archidiakonen den nötigen Rückhalt
boten, damit sie zu „Archidiakonen zweiter Ordnung“ aufsteigen konnten.
Schwierigkeiten bereiten in einem solchen Modell indessen die Chorbischöfe des 8.
und 9. Jahrhunderts. Auch bei ihnen unterscheidet man solche älterer und jüngerer
Ordnung: erstere waren ordinierte Bischöfe und sind insofern den viel späteren
Weih- oder Suffraganbischöfen vergleichbar, letztere hatten keine Bischofsweihe
mehr und führten nur noch den Titel eines Chorbischofs, ln fränkischer Zeit waren
Chorbischöfe älterer Ordnung nichts Ungewöhnliches. Auch gibt es Indizien dafür,
daß den Chorbischöfen etwa in der Mainzer Erzdiözese schon feste Bezirke zugeteilt
waren. Man begegnet hier also bereits subdiözesanen Sprengeln, die nach der gelten-
den Lehre erst im 10. Jahrhundert entstanden sein sollen. Vor den in die reguläre
Diözesanstruktur eingegliederten Chorbischöfen kannte die Merowingerzeit auch
noch die von Bonifatius so heftig bekämpften episcopi vagantes, Klosterbischöfe iri-
scher Prägung, deren Bindung an den zuständigen Ortsbischof nur lose gewesen ist5.
Die Chorbischöfe der Karolingerzeit könnten nun sehr gut als direkte Vorläufer der
späteren Archidiakone gelten, wenn es nicht einen unübersehbaren Bruch in der Ent-
wicklung dieser Einrichtung gegeben hätte.
Während des 9. Jahrhunderts wurden nämlich im fränkischen Episkopat Bedenken
laut, die Einheit der Ortskirche sei durch die Aufsplitterung in Chorepiskopate, das
Wirken mehrerer Bischöfe nebeneinander gefährdet, widerspreche dem biblischen
Modell vom einen Hirten und einer Herde. Gerade in Lothringen wurde diese Dis-
kussion mit großer Anteilnahme geführt. Noch als Abt von Fulda hat Hrabanus Mau-
4 Vgl. Georg May, Die Organisation der Erzdiözese Mainz unter Erzbischof Willigis, in: Wil-
ligis und sein Dom. Festschrift zur Jahrtausendfeier des Mainzer Domes 975-1975, hg. von
Anton Ph. Brück (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte,
24), Mainz 1975 S.48-60, beachte dort auch S. 35f. Anni. 15-16 die ausführlichen Literaturüber-
sichten. May (vgl. S.41 Anm. 37) übernimmt hier ein Modell, das auf Friedrich Ge sch er,
Der kölnische Dekanat und Archidiakonat in ihrer Entstehung und ersten Entwicklung. Ein
Beitrag zur Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter (Kirchenrechtliche
Abhandlungen, 95), Stuttgart 1919, einen Schüler von Ulrich Stutz, zurückgeht. - Weiträumi-
ger Überblick bei Josef Semmler, Mission und Pfarrorganisation in den rheinischen, mosel-
und maasländischen Bistümern (5.-10. Jahrhundert), in: Cristianizzazione ed organizzazione
ecclesiastica delle campagne nell’alto medioevo. Espansione e resistenze, 10-16 aprile 1980
(Settimane di studio del Centro Italiano di studi sull’alto medioevo, 28/2), Spoleto 1982 S. 875-
879
5 May, Organisation (wie Anm.4) S.41; zur Entwicklung des Chorepiskopats allgemein vgl.
Theodor Gottlieb, Der abendländische Chorepiskopat (Kanonistische Studien und Texte,
1), Bonn, Köln 1928, Nachdr. Amsterdam 1963 passim, auch Semmler, Mission und
Pfarrorganisation (wie Anm. 4) S. 872f.
87
rus Erzbischof Drogo von Metz um 830/42 eine eigene Schrift gewidmet, in der er das
Institut des Chorepiskopats verteidigte, was er wohl nicht allein deshalb tat, weil es
ihm als einem Meister der Unterscheidung verschiedener Begriffsebenen unzulässig
erscheinen mochte, aus einer Transponierung der Symbolik ,Hirt und Herde1 solche
Konsequenzen für die Kirchenorganisation abzuleiten, sondern auch, weil die bonifa-
tianische Tradition und die große Ausdehnung des Mainzer Sprengels ihm die Ver-
wendung von Chorbischöfen als ganz natürlich und gut bewährt erscheinen ließh.
Dennoch wurde allenthalben der Chorepiskopat abgeschafft. Die Trierer Provinzial-
synode, die am 1. Mai 888 in St. Arnulf bei Metz stattfand, bestätigte schon einen
älteren, nicht genau datierbaren Beschluß, wonach Kirchen, die von Chorbischöfen
geweiht worden waren, nicht als gültig geweiht galten und vom Ortsbischof erneut
konsekriert werden mußten. Demnach war in der Trierer Kirchenprovinz die tradi-
tionelle Funktion des Chorepiskopats zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelaufen6 7.
Nur Mainz wollte noch bei der alten Regelung bleiben, wofür sich Erzbischof Liut-
bert 887/888 Rückendeckung bei Papst Stephan V. holte8 *. Im 10. Jahrhundert begeg-
nen aber auch hier keine Chorbischöfe älterer Ordnung mehr, während sich der Titel
Chorbischof für einen Archidiakon aber vielerorts noch recht lange hielt-. Für Metz
muß jedoch spätestens mit dem Jahr 888 eine Umorganisation in der Weise ange-
nommen werden, daß an die Stelle von Chorbischöfen älterer Ordnung nun Archi-
diakone traten.
2. Besonderheiten der Metzer Bistunisorganisation und Methode der Untersuchung
einer vermuteten Archidiakonatsstruktur
Schon der bisherige Einblick in die Materie zeigt, daß die Struktur der geistlichen
Verwaltung selbst im gleichen Zeitraum bei verschiedenen mittelalterlichen Bistü-
mern stark voneinander abweichen konnte. Das trifft jedoch nicht allein für die
6 Hrabani epistolae Nr. 25, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 5, Berlin 1898/99 S.431-439 Nr.
25. - Zu den Mainzer Chorbischöfen, die Hraban sehr schätzte vgl. Franz Falk, Die Mainzer
Weihbischöfe (Chorbischöfe) des 9. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 28 (1907) S. 570-
577. - Exponent der Kampagne gegen die Chorbischöfe war Hinkmar von Reims, vgl.
Semmler, Mission (wie Anm. 4) S. 874f.
7 Statuta synodalia, ordinationes et mandata archidioecesis Trevirensis 1, ed. Johann Jakob
B lat tau, Trier 1844 S. 4 Nr. 1 cap. 5. Bischof Ruotpert von Metz (883-917) war damals
offenbar nicht in der Stadt, da er an der Synode nicht teilnahm und die Angelegenheiten sei-
ner Kirche vom Primicerius Guntbert (ebd. cap. 4) vertreten wurden; zu dessen Namen vgl.
unten Anm. 60. Zum cap. 5 vgl. Hubert Bastgen, Die Entstehungsgeschichte der Trierer
Archidiakonate, Trier 1906 (Theol.Diss. Breslau) S. 28-30, Gottlieb, Chorepiskopat (wie
Anm. 5) S. 134f.
8 Provincia Maguntinensis, pars IV: S. Bonifatius, archidioecesis Maguntinensis, abbatia Fulden-
sis, bearb. von Hermann Jakobs (Regesta Pontificum Romanorum, Germania Pontificia
4/4), Göttingen 1978 S.68 Nr. 43; vgl. auch oben Anm. 6.
5 G o 111 i e b , Chorepiskopat (wie Anm. 5) S. 141-143, vgl. auch May, Organisation (wie
Anm. 4) S. 42-48.
88
Abschaffung des Chorepiskopats zu. Vergleicht man etwa eine beliebige Urkunde
eines Trierer Erzbischofs und eines Metzer Bischofs, seines Suffragans, aus dem 12.
Jahrhundert, so ergibt sich bereits aus den Titeln des Kathedralklerus in den Zeugen-
listen, daß beide Kirchen, wenngleich engstens miteinander verbunden, doch recht
verschieden organisiert waren.
Trier 1137 November 24
Erzbischof Albero von Trier
bestätigt der Abtei Gorze einen
Weinbergzehnten in Briedel
an der Mosel
Ego Adelbero, archiepiscopus
Treverorum, subscripsi.
Ego Arnoldus, Treverorum
archidiaconus. Ego Godefridus,
majoris domus prepositus,
subscripsi. Ego Folmarus,
majoris domus decanus,
subscripsi..
(Schluß der Zeugenliste)10.
Metz 1143
Bischof Stephan von Metz bestätigt
der Abtei Gorze die ihr von
der Abtei St. Symphorian bestrittene
Brigittenkapelle in Plappeville
(Moselle, arr., cant. Metz)
domnus Teodericus, primicerius
et archidiaconus;
domnus Philippus,
decanus et archidiaconus;
magister Walterus, archidiaconus
(Es folgen Metzer Äbte,
dann wieder Angehörige
des Weltklerus:)
Albero, custos Sancte Marie;
Warnerus, episcopi capellanus;
Drogo, Folcardus presbiteri;
Theodericus, presbiter de Sye;
Wiricus, monachus et prepositus
de Sye....
(Es folgen weltliche Zeugen)11.
Es hat hier den Anschein, als habe die Trierer Kirche nur einen einzigen Archidia-
kon. Die Einzigkeit des Amtes wird sogar dadurch unterstrichen, daß der Inhaber
sich nach dem Vorbild des Erzbischofs Archidiakon der Trierer nennt. Dom-
propst und Domdekan scheinen keine archidiakonalen Funktionen zu haben. Gleich-
10 Cartulaire de Gorze (wie Anm. 2) Nr. 154 S. 277. D’Herbomez hat S. 276 den Ortsnamen
nicht erkannt und predjalibus] ergänzt. Auch das von Bischof Adventius von Metz gegründe-
te Stift Neumünster bei Ottweiler hatte Besitz in Briedel, vgl. Urkundenbuch zur Geschichte
der, jetzt die Preußischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen
Territorien 1, ed. Heinrich Beyer, Koblenz 1860 (Neudr. Aalen 1974; künftig: Mrh. UB 1)
S. 141 Nr. 134 zu 893 Februar 17; zu weiteren Metzer Gütern in diesem Bereich vgl. Eugen
Ewig, Der Fernbesitz von St. Arnulf/Metz in den alten Diözesen Trier und Köln, in: Rhein.
Vierteljahrsbll. 50 (1986) S. 17f.
11 Cartulaire de Gorze (wie Anm. 2) Nr. 156 S. 280.
89
zeitig heißt der Metzer Dompropst primicerius, und er wie auch der Domdekan und
der Domscholaster führen zusätzlich den Titel eines Erzdiakons. Beide Urkunden
stammen übrigens aus derselben Überlieferung, aus dem Kartular des späten 12.
Jahrhunderts der Abtei Gorze. Erzbischof Albero I. von Trier war vorher Primicerius
von Metz gewesen, mußte sich also in Trier auf eine andere Art der Funktion der
Dignitäre des Domkapitels umstellen. Er scheint aber auf eine Änderung in der Titu-
latur gedrungen zu haben. Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß die Trierer Erzdiö-
zese im 12. Jahrhunderts sehr wohl in mehrere Archidiakonate aufgeteilt war, daß
deren Inhaber meist chorepiscopus, seltener archidiaconus genannt wurden. Unter
Erzbischof Albero wird der Titel archidiaconus bevorzugt, häufig werden auch meh-
rere Archidiakone nebeneinander genannt, aber daß neben dem Dekan noch andere
Dignitäre des Domkapitels gleichzeitig das Amt eines Archidiakons wahrnehmen,
wie in Metz, läßt sich in anderen Urkunden Alberos ebensowenig erkennen. Tatsäch-
lich ist jedoch die rhetorische Darstellung des Archidiakonats, als handle es sich um
einen einzigen, von Albero so gewollt gewesen, denn auch in den übrigen Urkunden
erscheint Arnold (häufig auch Arnolf geschrieben) als der hauptsächliche Archidia-
kon der Trierer Kirche. Dies ist sicherlich als Ausdruck einer Reform der Kirchen-
organisation zu werten, die Albero von Montreuil als Exponent der päpstlichen
Reformpartei seiner Zeit anstrebte12.
Mit den von den Kirchenrechtshistorikern der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhun-
derts geschaffenen Begriffen der Archidiakone und Chorbischöfe älterer und jünge-
rer Ordnung ist bei solchen Befunden gar nichts anzufangen. Sie bilden gewiß ein in
sich schlüssiges Lehrgebäude, das bei der Metzer Kirche allerdings, und nicht allein
bei ihr, der historischen Realität nicht entspricht.
Es ist auch in der Metzer Urkunde nicht von den Archidiakonatssprengeln Metz, Vic,
Marsal und Saarburg die Rede, obwohl sie doch schon fest etabliert gewesen sein sol-
len. Die drei genannten Archidiakone werden nicht diesen Sprengeln, oder Stiftskir-
12 Vgl. allgemein Bastgen, Trierer Archidiakonate (wie Anm. 7) S.33-44; er hat jedoch den
Gebrauch der Titel und die in den Urkunden ablesbare Stellung der Archidiakone oder
Chorbischöfe gegenüber dem Trierer Erzbischof nicht systematisch untersucht. Es würde zu
weit führen, dies hier nachzuholen. Folgende Abstufungen der Titel werden gebraucht: a)
Dompropst und Domdekan werden nur als solche tituliert, ihre Funktion als Archidiakon
bloß ausnahmsweise genannt, b) nach ihnen folgen die übrigen Archidiakone in fester Rei-
henfolge, c) der Titel chorepiscopus ersetzt den des archidiaconus, oder einem Archidiakon
wird ein Chorbischof nachgeordnet. Arnold/ Arnolf ist durchgehend eindeutig als erster
Archidiakon nach Dompropst und Domdekan herausgestellt, vgl. Mrh. UB 1 Nrn. 477, 482,
486. 487, 489, 491, Cart. Gorze Nr. 154, Mrh. UB 1 Nrr. 494, 502, 504, 505, 512, 508,
511 (= DK. III. 26), 513, 514, 515, 523, 526, 527, 529, 534, 535, 537, 554. - Zur Charakteristik
Erzbischof Alberos als Reformer vgl. Lebensbeschreibungen einiger Bischöfe des 10.-12.
Jahrhunderts, übers, von Hatto K all fei z (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte
des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, 22), Darmstadt 1973 S. 545-549 mit
Literaturangaben; sein Wirken als Primicerius von Metz stellt dar die Vita Theogeri abbatis
S. Georgii et episcopi Mettensis II, 129, ed. Philipp Jaffé, MGH SS 12, Hannover 1856
S. 466-479; zu seiner Trierer Tätigkeit vgl. zuletzt Egon Boshof, Eine bisher unbekannte
Papsturkunde zur Auseinandersetzung um die Reichsunmittelbarkeit der Abtei St. Maximin
in Trier, in: Ex ipsis rerum documentis. Beiträge zur Mediävistik. Festschrift für Harald Zim-
mermann zum 65. Geburtstag, hg. von Klaus Herbers, Hans Henning Kortüm und
Carlo Servatius, Sigmaringen 1991 S. 295-305 (Literatur).
90
chen in ihnen zugeordnet, sondern als Dignitäre des Domkapitels allein dem Dom-
stift. Daher scheint es mir nützlich, die Entwicklung der oberen Metzer Bistumsver-
waltung von den Anfängen wenigstens bis ins frühe 12. Jahrhundert noch einmal aus
den Quellen nachzuzeichnen. Dabei soll nicht allein auf das kirchenrechtlich Vorge-
schriebene, sondern mehr noch auf das historisch Gewachsene und Nachweisbare in
diesem sehr traditionsreichen Bistum geachtet werden. Ebenso wären vorschnelle
Rückprojektionen späterer Zustände auf frühere zu vermeiden, damit nur schwach
erkennbare Unterschiede nicht von vornherein wieder zugedeckt werden. Die
Wandlungen seit etwa der Mitte des 12. Jahrhunderts können dann aufgrund der
gründlichen Vorarbeiten von Michel Parisse kurz skizziert werden.
3. Spuren der ältesten Metzer ßistumsorganisation
bis zu Erzbischof Chrodegang
Bekanntlich geht das Bistum Metz bis auf die Spätantike zurück, wobei wir uns hier
nicht mit der Frage der Entstehungszeit auseinandersetzen müssen11. Wenn der alte
Elauptort der Mediomatriker auch nicht im Frontgeschehen der Völkerwanderung
lag, so erlitt er doch im Hunnensturm von 451 erhebliche Verwüstungen. Gregor von
Tours berichtet, dabei seien alle Kirchen der Stadt zerstört worden, bis auf die Basili-
ka des hl. Stephan, die der Katastrophe auf wunderbare Weise entging und deshalb
später zur Kathedrale erhoben wurde13 14. Immerhin brauchte Metz, ähnlich wie Trier,
aber im Gegensatz zu den unmittelbar am Rhein gelegenen Städten keine Unterbre-
chung der Bischofssukzession hinzunehmen. Daß aber auch für Metz die Errichtung
des großfränkischen Reiches durch Chlodwig I. (482 - 511) die Lage entscheidend
verbesserte, steht ganz außer Zweifel. Bald nach der Mitte des 6. Jahrhunderts führte
Bischof Vilicus ein gastliches Haus. Seiner Tafel, besonders der an ihr servierten
13 Vgl. Wolfram, Einführung des Christentums (wie Anm. 3) passim, Tribout de
Morembert, La diocèse de Metz (wie Anm.l) S. llf. mit Bibliographie S. 297f., Nancy
G aut hier, L’évangélisation des pays de la Moselle. La province de Première Belgique
entre Antiquité et Moyen-Age (IIIe-VIIIe siècles), Paris 1980 S. 16-25.
14 Gregor von Tours, Libri Historiarum 11,6, ed. Bruno K rusch und Wilhelm Le vison,
MGH SS rer. Merov. 1/1, Hannover 1937-51 S. 47f., Paulus Diaconus, Gesta episcoporum
Mettensium, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2. Leipzig 1829 S. 262f.; vgl. Carol
Heitz, Le groupe cathédral de Metz au temps de Saint Chrodegang, in: Saint Chrodegang.
Communications présentées au colloque tenu à Metz à l’occasion du douzième centenaire de
sa mort, Metz 1967 S. 123-131, Konrad Weidemann, Zur Topographie von Metz in der
Römerzeit und im frühen Mittelalter, in: Jb. d. Römisch-Germanischen Zentralmuseums
Mainz 17 (1970, erschienen 1972) S. 147-171, Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13)
S. 117. - Eine eigene Überlieferung über die Zerstörung von Metz durch die Hunnen, der
auch St. Aposteln-St.Arnulf zum Opfer fiel, muß noch in St. Arnulf bewahrt worden sein, vgl.
Eugen Ewig, Fernbesitz von St. Arnulf (wie Anm. 10) S. 22, Dieter Heckmann, Andrey
Voey de Ryneck. Leben und Werk eines Patriziers im spätmittelalterlichen Metz, Saar-
brücken (phil. Diss.) 1986 S. 47. Obwohl diese Tradition von St. Arnulf erst mit dem sog. klei-
nen Kartular nachweisbar ist, dürfte sie doch älter und die Grundlage der Darstellung des
Paulus Diaconus gewesen sein, vgl. unten Anm. 21; zum kleinen Kartular vgl. Pierre Sal-
mon, Les manuscrits du „petit cartulaire“ de l’abbaye de Saint-Arnould de Metz, in: Revue
bénédictine 44 (1932) S. 260-262. Es ist nicht mehr erhalten vgl. Herrmann, Stand der
Erforschung (wie Anm. 3) S. 163 Anm. 212, Voey de Ryneck hat es gewissenhaft ausgewertet.
91
guten Moselfische (die hier zum Ausdruck kommende asketische Haltung des
Fleischverzichtes sollte man dabei nicht übersehen), gedachte Venantius Fortunatus
mit dankbaren Versen'5. Der Dichter rühmte seinen Gastgeber aber auch als Wieder-
hersteller der Metzer Kirchen: Culmina templorum renovasti Vilice cultor'b. Die kirch-
liche Infrastruktur auf dem Lande wirkte allerdings auf den reisenden Schöngeist
weniger anziehend. Bei der Fahrt moselabwärts nach Trier bemerkte er im Tal die
Rauchgebirge der Herdfeuer über den Dürfen, villarum fumantia culmina'1, die ihn
offensichtlich nicht zu einem Besuch lockten.
Etwa für das Jahr 568 ist uns ein Brief des austrasischen Hausmeiers Gogo an Bischof
Petrus von Metz, den Nachfolger des Vilicus erhalten1*. Gogo bittet darin den
Bischof, auch den höheren Metzer Klerus von ihm zu grüßen und nennt dabei acht
Personen. Diese Liste umfaßt sicherlich nicht die gesamte Leitungsgruppe, die dem
Metzer Bischof zur Verfügung stand, aber es dürften doch die allermeisten wichtigen
Personen genannt sein. Die Grüße Gogos gelten zunächst einem gewissen Johannes,
der von ihm als rector domus ecclesiae singularis gepriesen wird. Diese Titulatur ist
nicht sehr spezifisch, sie betont den Amtscharakter der Funktion und war sicherlich
auf eine Reihe von Ämtern anwendbar15 * 17 18 19. Da jedoch in den Urkunden des 7. Jahrhun-
derts der Begriff rector gern als Synonym oder Wechselbegriff für Abt gebraucht
wird20, wird man in ihm den Leiter des Kathedralklerus sehen dürfen, den Vorläufer
des späteren Primicerius, der vielleicht schon diesen Titel trug. Der nächste ist Abt
Theodulf, dessen Spiritualität mit der des hl. Domitian verglichen wird. Darauf wer-
den die übrigen Äbte nicht mehr einzeln namentlich genannt21. Auf diese folgt Flito-
15 Lib. III 13 d, MGH Auct. ant. 4,1 ed. Friedrich Leo, Berlin 1881, S. 66f.
14 Lib. III 13, ebd. S. 66 Z. 39. Aus diesem Vers mit G aut hier, L’évangélisation (wie Anm.
13) S. 211, zu schließen, daß Bischof Vilicus nur repariert habe, ohne planend tätig zu sein,
scheint mir übertrieben. Sie nimmt offenbar das Ausmaß der Zerstörungen durch die Hunnen
in Metz nicht ernst und versucht eine poetische Formulierung, gerade das Wort cultor ist sehr
positiv zu verstehen, vgl. Thesaurus linguae latinae 4, Leipzig 1906-09, Sp. 1317-19, in die
Richtung ihrer etwas überheblichen Kapitelüberschrift „Égaux dans la médiocrité“ (S. 209)
zu pressen.
17 Lib. X 9 (wie Anm. 15) S. 242 Z. 17.
18 Epistolae Austrasicae Nr.22, ed. Wilhelm Gundlach, MGH Epp. 3, Leipzig 1892 S.134f.
Weshalb Leclerc, Origine (wie Anm.3) S.2 abweichend vom Herausgeber auf das Jahr 583
datiert, ist mir nicht ersichtlich.
19 Vgl. J. F. Niermeyer, C. Van de Kieft, Mediae Latinitatis Lexicon minus, Leyden
1976 S. 892f., Beispiele dafür auch bei Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 212
Anm. 21.
20 Vgl. Niermeyer / Van de Kieft (wie Anm. 19) S. 893 Nr.7. Wenn Gauthier,
L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 212, wegen der Allgemeinheit des Begriffs in Johannes
eine Art Hausmeier des Bischofs sehen will, der sogar Laie gewesen sein könnte, so mißach-
tet sie die eindeutige Hierarchie der Aufzählung, die an dieser ersten Stelle nur den ersten
Kleriker nach dem Bischof erwarten läßt.
21 Domitian, den Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 213, nicht identifizieren konn-
te, ist wohl der in Huy sehr verehrte Bischof von Tongern; zu seinen Viten vgl. Philippe
George, Vies et miracles de Saint Domitien, évêque de Tongres-Maastricht (535-549), in:
Analecta Bollandiana 103 (1985) S. 305-531. Der Brief Gogos ist das erste Zeugnis einer
besonderen Beziehung Domitians zu Metz, der um 1500, wohl aufgrund einer Überlieferung
in St. Arnulf, der Metzer Ratsherr Andre Voey de Ryneck in seiner Chronik von St. Arnulf
gedenkt, vgl. Heckmann, Voey de Ryneck (wie Anm. 15) S. 40. Da Paulus Diaconus hin-
sichtlich der Beziehungen der Bischöfe von Tongern zu Metz nur auf die Weissagung der Zer-
störung durch die Hunnen eingeht, die Servatius von Tongern zuteil wurde, hat er damit ver-
mutlich bloß einen Auszug aus einer reichhaltigeren Überlieferung in St. Arnulf, die auch von
Domitian wußte, wiedergegeben.
92
mer, der unter dem Vorgänger actionem ecclesiae laudabiliter gubernavit. Der näch-
ste ist der Archidiakon Mactarich, ein sehr würdiger Mann, der sich um die bauliche
Erhaltung der Metzer Kirche bemühe, für ihre materiellen Dinge zuständig sei. Mac-
tarich tut jetzt also anscheinend das, was früher die Aufgabe von Flitomer war, der
demnach als pensionierter Archidiakon anzusehen ist, wobei diese Funktion ganz als
die eines Verwaltungsassistenten des Bischofs erscheint. Letztlich wäre also die
Erneuerung der Metzer Kirchen, für die Venantius Fortunatus den Bischof Vilicus
lobte, von Flitomer beaufsichtigt worden22. Mit dem notarius Avolus endet dann
zunächst einmal die Gruppe der Verwaltungsleute, die Gogo nennt.
Die nächsten beiden sind Sänger: Sinderich, der für den morgendlichen Psalmenge-
sang zuständig ist, und Theodosius, dessen schöne Stimme gerühmt wird, ohne daß
Gogo sich über seinen Anteil am Gottesdienst äußert; vielleicht handelte es sich bei
ihm um den zweiten Vorsänger. Die Tradition des in der Karolingerzeit so hoch
gerühmten Metzer Kirchengesangs23 reicht also weit zurück. Die Namensliste der zu
Grüßenden schließt mit Theodemund, der als praesidium civium, fidei fundamentum
gepriesen wird. Dies klingt wieder recht unspezifisch, aber es zeichnet sich doch ab,
daß hier eine Art Verbindungsmann des Bischofs zur Bürgerschaft der Stadt gemeint
ist24. Insgesamt tritt uns in dem Brief Gogos bereits eine personell recht gut ausgestat-
tete Bistumsleitung entgegen. Ein spezielles Referat für die Christen auf dem Lande
gab es in diesem Team allerdings noch gar nicht.
Als Émile Morhain 1960 den Anfängen des Christentums in Metz und im Moselraum
nachging, bedauerte er sehr, daß es für dieses Gebiet keine Nachrichten über die
Errichtung von Landkirchen gibt, wie wir sie etwa für Martin von Tours oder Victri-
cius von Rouen besitzen25. An Überschneidungspunkten der ältesten Patrozinien mit
größeren römischen Fundkomplexen oder Straßenkreuzungen glaubte er die frühsten
Metzer Landkirchen erschließen zu können, so etwa in Saarburg, Ober-Jeutz (Haute-
22 Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 213, möchte in Flitomer den Hausmeier des
vorigen Bischofs Vilicus sehen. Doch dann erhebt sich die Frage, weshalb er nicht neben
Johannes, den sie ja als den gegenwärtigen Hausmeier ansieht (vgl. Anm. 20), sondern neben
dem Archidiakon Mactarich genannt ist.
23 Über den von Chrodegang begründeten Metzer Kirchengesang vgl. Walther Lipphardt,
Der karolingische Tonar von Metz (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, 43),
Münster 1965 S. 1-6 mit Literatur, Iégor Reznikoff, Le chant des Gaules sous les Carolin-
giens, in: Haut Moyen-Age. Culture, éducation et société. Études offertes à Pierre Riché, hg.
von Michel Sot, Paris 1990 S. 323-342, speziell zur von Erzbischof Angilram eingeführten
zusätzlichen Bezahlung der Sänger auch Carol Heitz, Metz au temps de Charlemagne, in:
La chanson de geste et le mythe carolingien. Mélanges René Louis, publiées par ses collègues,
ses amis et ses élèves à l’occasion de son 75e anniversaire 1, St-Père-sous-Vézelay 1982 S. 64.
24 Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 213, hält ihn für das weltliche Stadtober-
haupt, was auch möglich ist. Zur Frage des nicht namentlich genannten Wallfahrers, Erbauers
einer Kirche an der Mosel, Lehrers der Könige, dem Gogo ebenfalls Grüße ausrichten lassen
wollte, vgl. ebd.
25 Émile Morhain, Les origines du christianisme à Metz et en Moselle, in: Annuaire de la
société d’histoire et d’archéologie de la Lorraine 60 (1960) S.42.
93
Yutz; arr. und cant. Diedenhofen), Bussingen (Gern. Gandringen, arr, Diedenhofen,
cant. Groß-Moyeuvre), Kattenhofen (Cattenom; cant. in arr. Diedenhofen), Hayin-
gen (Hayange; cant. Diedenhofen), Fentsch (Fontoy; cant. Diedenhofen), Mörchin-
gen (Morhange; arr. und cant.), Halsdorf (Halstroff; arr. Diedenhofen, cant. Sierck),
Geblingen (Gueblange; arr. Forbach, cant. Saaralben), Rimlingen (Rimling; arr.
Saargemünd, cant. Wolmünster), Saaralben, Remilly (arr. und cant. Metz) oder Ban-
Saint-Pierre mit Villers und Stoncourt (beide arr. Metz, cant. Pange)26.
Auch wenn Zeugnisse darüber fehlen, wird man jedoch annehmen dürfen, daß es in
der Diözese Metz ebenso wie im benachbarten Trierer Sprengel über den einzelnen
Dorfkirchen schon in der Spätantike und im frühen Mittelalter eine Zwischenstruk-
tur in Form der sogenannten „Landmonasterien“ gab, also Klerikergemeinschaften
(Benediktiner sind damit nicht gemeint) an bedeutenderen Orten, die den verstreu-
ten Landkirchen und ihrer Geistlichkeit als Ausbildungs- und Beratungszentren die-
nen konnte27. Solche Kleininstitute sind wohl vor allem an den Orten zu suchen, an
denen bereits Morhain die ältesten Kirchen im Metzer Bistum vermutete. Auf solche
bezieht sich gewiß die Vita des Abtes Johannes von Gorze aus dem 10. Jahrhundert,
in der es heißt, Bischof Adalbero I. (929 - 962) habe auch in kleinen geistlichen
Gemeinschaften von acht oder weniger Personen, in denen ländliche Kleriker nur die
Worte des Offiziums beteten, ohne eine geistliche Formung des Lebens zu pflegen,
die Kleidung und die Gewohnheiten der Mönche eingeführt28. Jedoch fand Adalbero
I. sicher nicht mehr die Zustände der Merowingerzeit vor, sondern es ist anzuneh-
men, daß dort in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Kanonikerregel Chrode-
gangs eingeführt worden war, welche dieser ausdrücklich für mit der Seelsorge befaß-
te Klerikergemeinschaften entworfen hatte. Adalbero I. hielt diese Art der vita
communis nun offenbar nicht mehr für ausreichend; vielleicht waren inzwischen aber
auch Mißstände eingerissen, die nach einer Erneuerung riefen.
Es ist sogar vorauszusetzen, daß die Metzer Diözese ein verhältnismäßig dichtes Netz
solcher Landmonasteria besaß, denn es fällt auf, daß die Metzer Bischöfe sich im 7.
Jahrhundert nicht so stark für Klostergründungen nach kolumbanischem Muster ein-
setzten, wie etwa ihre benachbarten Amtsbrüder Numerian von Trier oder Dragobod
26 Ebd. S.411., vgl. auch Marcel Lutz, Le peuplement du pays de Sarre et Blies dans l’antiquité
d’après les sources archéologiques, in: Annuaire (wie Anm. 25) 67/68 (1969) S. 63 zu einer
Reihe von anderen Orten.
27 Zur Strukturierung der Diözesen mit Landmonasterien vgl. zusammenfassend Eugen Ewig,
Frühes Mittelalter (Rheinische Geschichte 1/2), Düsseldorf 1980 S. 58-62. - Die Gründung
des Stiftes St. Arnual durch Bischof Arnoald um 600, vgl. ebd. S. 60, gehört noch in den Hori-
zont der vorkolumbanischen Landmonasterien.
28 Johannes von St. Arnulf, Vita Johannis abbatis Gorziensis cap. 41, ed. Georg Heinrich Pertz,
MGH SS 4, Hannover 1841, S. 341 Z. 19-21: quoque cellulas longius ritu vago dispersas, in qui-
bus vix octo aut certe minoris numeri clerici rurales nuda verborum reddebant officia,
monachorum habitu et observationibus insignivit. Die Verbreitung der Klosterreform durch
Adalbero wird am besten beschrieben von Henri Tribout de Morembert, Adalbéron
Ier, évêque de Metz (929-962), in: Biographie Nationale du Pays de Luxembourg depuis ses
origines jusqu’à nos jours, fase. 6, Luxemburg 1954 S. 258-262.
94
von Speyer. Gerade bei der Stiftung von St. Die in der Diözese Toul um 666 durch
Numerian ist, zumal die Bischöfe Chrothari von Straßburg, Dragobod von Speyer
und Chrodoald von Worms zugegen waren, die Abwesenheit von Ebroin von Toul,
Gisloald von Verdun und eben auch von Chlodulf von Metz, denen die Gründungsur-
kunde zugeschickt werden mußte, sehr auffallend.29 30 31 Ein Bedarf an damals modernen
benediktinisch-kolumbanischen Klöstern, die auch die Betreuung von Landkirchen
übernehmen konnten, war im Metzer Sprengel offenbar noch nicht vorhanden.
Dabei kann das seelsorgliche Potential der Metzer Kirche nicht gering gewesen sein.
Unter Sigibert 1.(561 - 575) rückte Metz zur Hauptstadt Austrasiens auf, und die
Bischöfe kamen als Hofgeistliche in den Genuß von großzügigen Landschenkungen,
die über die gesamte Ausdehnung des Teilreichs von Aquitanien bis an den Rhein
verstreut waren.3" Dies brachte mit dem Besitz von Eigenkirchen auch Verpflichtun-
gen in der Seelsorge mit sich, die den Rahmen des Bistums weit überschritten und
doch erfüllt werden mußten. Bischof Arnulf hielt die Möglichkeiten seiner Diözese
trotzdem sogar für hinreichend, um eine Art Missionsreise nach Thüringen zu unter-
nehmen11. Erst Bischof Sigibald (um 708 - 741) hat den Anschluß an die Klostergrün-
dungswelle des 7. Jahrhunderts gesucht und, wie Paulus Diaconus berichtet, die Klö-
29 Zu Förderung des kolumbanischen Klosterwesens durch Numerian von Trier vgl. Ewig,
Trier im Merowingerreich (wie Anm. 27) S.130-33, ders., Zu Wimpfen und Worms, St. Dié
und Trier im 7. Jahrhundert, in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 1 (1975) S. 1-9. G aut hi er,
L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 299-302, verwirft das Eschatokoll der Gründungsurkunde
Numerians für St. Dié, weil sie auf die Art ihrer Überlieferung (im nachmerowingischen Stil
normalisierte Kopie) keine Rücksicht nimmt und sich mit den Arbeiten von Ewig, obwohl in
ihrer Bibliographie summarisch erwähnt (S. XXXII), nicht auseinandersetzt. Die Abwesen-
heit von Chlodulf von Metz in St. Dié ist um so auffallender, als er vor seiner Erhebung auf
den Metzer Bischofsstuhl schon als Klostergründer hervorgetreten war und in Metz Trudo,
den Gründer von St. Trond in der Lütticher Diözese ausbildete, vgl. Manfred Van Rey,
Die Lütticher Gaue Condroz und Ardennen im Frühmittelalter. Untersuchungen zur Pfarror-
ganisation (Rhein. Archiv, 102) S. 208, 267f., Semmler, Mission und Pfarrorganisation (wie
Anm. 4) S. 855-857. - Zu Dragobod von Speyer vgl. Franz Staab, Speyer im Frankenreich
(um 500 bis 918), in: Geschichte der Stadt Speyer 1, hg. v. Wolfgang Eger, Stuttgart 1982 S.
183-185, ders., Episkopat und Kloster. Kirchliche Raumerschließung in den Diözesen Trier,
Mainz, Worms, Speyer, Metz, Straßburg und Konstanz im 7. Jahrhundert durch die Abtei
Weißenburg, in: Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 42 (1990) S. 13-24.
30 Wilhelm Le vison, Metz und Südfrankreich im frühen Mittelalter, Die Urkunde König Sigi-
berts III. für die Kölner und Metzer Kirche, in: ders., Aus rheinischer und fränkischer Früh-
zeit, Düsseldorf 1948 S. 139-163 (früher in: Jb. d. elsaß-lothring. wissenschaftlichen Gesell-
schaft zu Straßburg 11, 1938, S. 92-122), Claude Sibertin-Blanc, Les anciennes
possessions de l’évêché de Metz dans les pays de Worms 1-2, in: Annuaire de la société
d’histoire et d’archéologie de la Lorraine 48 (1947) S. 33-73, 50 (1950) S. 63-112, Alois G er-
lich, Der Metzer Besitz im Wormsgau, in: Bll. f. Pfalz. Kirchengesch. 18 (1951) S. 97-115,
Karl Heinz Debus, Früher kirchlicher Fernbesitz (Pfalzatlas, Heft 23), Speyer 1975 S. 866-
869, Ewig, Fernbesitz St. Arnulf (wie Anm. 10) S. 11-31.
31 Vita s. Arnulfi cap. 12, ed. Bruno Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, Hannover 1888 S. 436
(zur Chronologie ebd. S. 426); vgl. auch Reiner Butzen, Die Merowinger östlich des mittle-
ren Rheins. Studien zur militärischen, politischen, rechtlichen, religiösen, kirchlichen, kultu-
rellen Erfassung durch Königtum und Adel im 6. sowie 7. Jahrhundert (Mainfränkische Studi-
en, 38), Würzburg 1987 S. 99f.
95
ster Hilariacum, später St. Avold, und Neuweiler gestiftet32. In den Pontifikat Sigi-
balds fällt aber auch die Gründung des Pirminsklosters Hornbach, die er mit seiner
Zustimmung unterstützte, im östlichen Teil der Diözese. Außerhalb hat Sigibald fer-
ner das Kloster St. Trond in der Diözese Lüttich gefördert33. Chrodegang stiftete 748
sein Reformkloster Gorze. Ein zweite Klostergründung im Moseltal errang keine ver-
gleichbare Bedeutung34. Aber Chrodegang konnte sich 764 zusätzlich das neugegrün-
dete Kloster Lorsch in der Diözese Mainz übertragen lassen, um dort den Konvent
mit Mönchen aus Gorze aufzubauen35. Doch damit genug; es kam mir nur darauf an
zu beleuchten, wie die Metzer Klostergründungen erst im 8. Jahrhundert einsetzen.
Somit hat bis dahin die alte Landmonasterien-Struktur anscheinend ausgereicht.
Das Verhältnis zwischen dem Bischof und dem Archidiakon, seinem Verwaltungsas-
sistenten, wie es Mactarich im 6. Jahrhundert in Metz gewesen ist, war naturgemäß
nicht immer ganz spannungsfrei. Dies kann zum Beispiel eine Geschichte illustrieren,
die Gregor von Tours von Brictius, dem Bischofsdiakon des hl. Martin erzählt. Der
junge Adlatus soll sich danach sehr vorlaut über seinen alternden und gerne im
Gebet versunkenen Herrn geäußert haben, worauf ihn Martin mit der Ankündigung
zurechtwies, nach seinem Tod werde Brictius als sein Nachfolger zur Strafe viel lei-
den müssen36. Bekannt ist auch im Blick auf die römische Kirche, die am längsten an
einem einzigen Archidiakon als dem Assistenten des Bischofs festgehalten hat, der
32 Paulus diaconus, Gesta episcoporum Mettensium, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2,
Hannover 1829, S.267 Z. 37-42; vgl. Gauthier, L’évangélisation (wie Anm. 13) S. 395-397.
Sie setzt den Beginn des Pontifikats Sigibalds aufgrund einer 1093 kopierten Urkunde aus
dem Bestand von St. Mihiel, Chronique et chartes de St. Mihiel, ed. André Lesort (Metten-
sia 6), Paris 1909-12, Nr. 2 S. 50-52, mit 707/08 sehr früh an. Die Datierung lautet: Datum
mensis decembris die vicesimo, anno quarto decimo regni domni nostri Childeberti régis. Da
Childebert III. vor dem Juni 711 nach 17 Regierungsjahren starb, vgl. Gustav Richter,
Annalen des fränkischen Reiches im Zeitalter der Merovinger vom ersten Auftreten der
Franken bis zur Krönung Pippins, Halle 1873, S. 182, erstreckte sich sein erstes Regierungs-
jahr von vor dem Juni 694 bis vor dem Juni 695, sein vierzehntes demnach von vor dem Juni
708 bis vor dem Juni 709, so daß die besagte Urkunde jedenfalls auf 708 XII 20 zu datieren ist,
der Pontifikatsantritt Sigibalds davor im Jahr 708 anzugeben wäre. - Literatur zu St. Avold
bei Stefan Fl esc h, Joachim Conrad und Thomas Bergholz, Mönche an der Saar. Die
mittelalterlichen Ordensniederlassungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum, Saar-
brücken 1986, S. 27.
33 Vgl. Anton Doll, Das Pirminskloster Hornbach, in: Archiv f. mittelrhein. Kirchengesch. 5
(1953) S. 142, Eugen Ewig, Saint Chrodegang et la réforme de l’église franque, in: ders.,
Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973) 2, ed. Hartmut
Atsma (Beihefte der Francia 3/2), München 1979 S. 237 (früher in: Saint Chrodegang, wie
Anm. 14), Josef Semmler, Chrodegang, Bischof von Metz 747-766, in: Die Reichsabtei
Lorsch. Festschrift zum Gedenken an ihre Stiftung 764, hg. von Friedrich Knöpp, Darm-
stadt 1973 S. 234, ders., Pirminius, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 87
(1989) S. 104-107. - Literatur zu Hornbach bei Flesch, Conrad und Bergholz, Mön-
che an der Saar (wie Anm. 32) S. 30f.
34 Paulus diaconus, Gesta episcoporum Mettensium (wie Anm. 32) S. 268 Z. 14-17, vgl. Ewig,
Chrodegang (wie Anm. 33) S. 233.
35 Semmfer, Chrodegang (wie Anm. 33) S. 234f., Ewig, Chrodegang (wie Anm. 33) S. 234f.
36 Gregor von Tours, Libri historiarum X (wie Anm. 14) S. 37. Bei Sulpicius Severus, Dialogus
II 15, ed. Karl Halm (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 1), Wien 1866 S. 213f.,
wird Brictius noch negativer, aber auch reumütig geschildert. Keine der beiden Quellen nennt
ihn ausdrücklich Bischofs- oder Archidiakon, aber da er nach ihrem Zeugnis als Verwalter
Martins zu dessen Mißvergnügen auch Pferde unterhielt und Sklaven kaufte, muß er dieses
Amt innegehabt haben.
96
übermächtige Einfluß des Archidiakons Hildebrand, des späteren Gregor VII., auf
Alexander II.37
So wie noch Chrodegang in seiner Kanonikerregel, also in Metz, nur den einzigen
Archidiakon, den Bischofsassistenten kannte, so klingt bei ihm auch etwas von der
Problematik dieses Amtes durch. Für ihn ist der Archidiakon der persönliche Beauf-
tragte des Bischofs, der Primicerius der Vorsteher des Kathedralklerus. Beide kön-
nen als Stellvertreter des Bischofs wirken, haben disziplinarische Kompetenzen und
sind als Inhaber höherer Funktionen vom Küchendienst in der Gemeinschaft
befreit.3* Aber Chrodegang verlangt auch nachdrücklich, daß ein Archidiakon oder
Primicerius dem Bischof immer treu und gehorsam sein muß, nicht hochmütig, wider-
spenstig oder herablassend, persönlich tugendhaft, daß er den Kathedralklerus in
Liebe zu korrigieren, ihm ein Vorbild zu sein hat. Wenn sie sich jedoch etwas zu-
schulden kommen lassen, auf Ermahnung nicht hören, sich durch Strafen nicht bes-
sern, so sollen sie degradiert und durch Würdigere ersetzt werden.39 Für die Aufsicht
über die ländlichen Kirchen hatte ein solcher Archidiakon noch keinen speziellen
Auftrag. Bei der Aufteilung der Zehnten, der Beschäftigung von Priestern in beson-
deren Funktionen, der Anstellung von Priestern an nichtbischöflichen Eigenkirchen
ist dieser Archidiakon noch nicht tätig.40
Bis zu Chrodegang waren also in Metz die Aufgaben des Archidiakons traditioneller
Art: er blieb Assistent des Bischofs und leitete zusammen mit dem Primicerius den
Kathedralklerus. Gegenüber dem 6. Jahrhundert ist nur eine geringe Veränderung
eingetreten. Das Amt des rector domus ecclesiae, in dem wir den Primicerius oder sei-
nen Vorläufer erblicken möchten, war schon damals getrennt von dem des Archidia-
kons. Chrodegang aber scheint beide Ämter so einzusetzen, daß sie sich weitgehend
gegenseitig vertreten können. Die Aachener Regel von 816, die aus derjenigen Chro-
37 Tilmann Schmidt, Alexander II. (1061-1073) und die römische Reformgruppe seiner Zeit
(Päpste und Papsttum 11), Stuttgart 1977 S. 195-216.
38 S. Chrodegangi Metensis episcopi (742-766) Regula Canonicorum, aus dem Leidener Codex
Vossianus Latinus 94 mit Umschrift der tironischen Noten, ed. Wilhelm Schmitz, Hanno-
ver 1889, cap. 24 S. 16 : ut nullus excusetur a quoquine officium ... Archidiaconus vero et primi-
cerius vel celerarius seu illi tres custodes ecclesie, unus de sancto Stefano, alias des sancto Petro,
tercius de sancta Maria, qui in maioribus utilitatibus occupati sunt; ceteri autem sibi sub karita-
tem invicem serviant. Die Edition von Schmitz ist wieder abgedruckt bei Jean Baptiste Pelt,
Études sur la cathédrale de Metz. La liturgie I (Ve-XIlIe siècle). Metz 1937 S. 7-28. Es würde
zu weit führen, die vielen Stellen anzugeben, an denen Archidiakon und Primicerius neben-
einander als diejenigen genannt sind, denen Fragen vorgetragen werden, die dann Entschei-
dungen treffen, besonders bei Abwesenheit des Bischofs. Die Rolle des Archidiakons als
Bischofsdiakon ist besonders deutlich in cap. 30, ebd. S. 20, weil hier der Archidiakon die
Festtagsbewirtung, die der Bischof seinem Kathedralklerus schuldet, auszurichten hat. Gera-
de die cap. 30 und 32 seiner Regel hat Chrodegang ganz nach den Bedürfnissen seiner Kathe-
drale konzipiert, vgl. Fritz Grimme, Die Kanonikerregei des hl. Chrodegang und ihre
Quellen, in: Jb. d. Gesell, f. lothr. Gesch. und Altertumskde. 27/28 (1915/16) S. 43. - Daß dem
Primicerius vor allem die disziplinarische Aufsicht über die Kanoniker zukommt, ergibt sich
zudem aus der Parallele des speziellen Primicerius der Matrikelarmen, qui super eos curióse
agit, cap. 34 S. 25 Z, 17. Das entspricht auch dem militärischen Ursprung dieses Titels, vgl.
Henri Leclercq, Primicier, in: Dictionnaire d’archéologie chrétienne et de liturgie 14/2,
Paris 1948, Sp. 1779-1781, an einem speziellen Beispiel Heinz Bellen, Der primicerius
Mauricius, in: Historia 10 (1961) S. 238-247.
59 Regula canonicorum cap. 25, ed. S c h m i t z S. 16f.: De archidiácono vel primicerio.
40 Die Chrodegang-Regel erwähnt solche Dinge nicht.
97
degangs abgeleitet ist, bevorzugte dann allerdings den Ausdruck praepositus für den
Vorsteher einer Klerikergemeinschaft auch an einer Kathedrale, wobei die Adaption
der Regel Chrodegangs dadurch erleichtert wurde, daß er die Begriffe Archidiakon
und primiciarius beinahe synonym zu gebrauchen schien41. Der Titel des Primicerius
blieb aber eine Lothringer Regionalbesonderheit und wurde trotz des weitreichenden
Einflusses der Chrodegang-Regel nicht über diesen Raum hinaus gebräuchlich.
4. Archidiakon und Chorbischöfe ini 8. und 9. Jahrhundert
In den Urkunden Chrodegangs kommt der Titel Archidiakon nicht vor. Wohl treten
hier auch Mitglieder des Kathedralklerus als Zeugen auf, doch dient bei ihnen nur
der Weihegrad, nicht der Amtstitel als unterscheidende Bezeichnung; nach Weihe-
graden hatte er ja auch die Tischordnung im Refektorium eingerichtet42 43, ln einer
Urkunde Angilrams erscheint dann zum erstenmal 768/69 nach mehreren Äbten in
der Zeugenliste ein Fredalius, peccator corepiscopus, der unterschreibt. Auf ihn fol-
gen ein Priester Stephan und vier nicht näher bezeichnete Personen, die ebenfalls
unterschreiben und wohl für Angehörige des Kathedralklerus gehalten werden müs-
sen. Sie sind klar zu unterscheiden von anderen Zeugen, die nur mit ihrem Signum
aufgeführt werden4'. Selbstverständlich gehört auch ein gewisser Wasco, der die
Urkunde niedergeschrieben hat, zum Metzer Klerus, doch soll auf die Notare hier
nicht eingegangen werden. In einer anderen Urkunde Angilrams aus derselben Zeit
kommt unser Chorbischof Fredalius nicht mehr vor, es wird aber ein Arthecarius
archidiaconus aufgeführt, und von den hier verzeichneten vier Klerikern sind immer-
41 Vgl. oben Anm. 39. - Zum Einfluß der Chrodegang-Regel auf die Aachener vgl. Rudolf
Schieffer, Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland (Bonner historische For-
schungen, 43), Bonn 1976 S. 233-241. Im übrigen sollte man die Chrodegang-Regel nicht in
die Geschichte der seit dem 11./12. Jahrhundert aufblühenden Augustinerchorherren einord-
nen, wie es in dem sonst sehr verdienstlichen Buch von Flesch, Conrad und Berg holz,
Mönche an der Saar (wie Anm. 32) S. 125-127, geschieht. Die Traditionsträger der Chrode-
gang-Regel waren die späteren Kollegiatstifte, vgl. auch Bernd Schneidmüller, Verfas-
sung und Güterordnung weltlicher Kollegiatstifte im Hochmittelalter, in: Zeitschr. f. Rechts-
gesch., kan. Abt. 103 (1986) S. 119-124.
42 Cart. Gorze (wie Anm. 10) Nr. 2 S. 7; zur Datierung vgl. Heinrich Reumont, Zur Chrono-
logie der Gorzer Urkunden aus karolingischer Zeit, in: Jb. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. u.
Altertumskde. 14 (1902) S. 274: 755 V 25. Da die Urkunde nur kopial überliefert ist, läßt sich
die Standeszugehörigkeit der Zeugen aus der Anordnung in der Zeugenliste nicht ganz zwei-
felsfrei erkennen: Chrodegangus episcopus. Signum Gaisone; signum Zacharie; + Norgaudo; +
Teuderico; + Agnardo abbas; + Jacob abbas; + Bonciolo abbas; + Childradus; + Gondulfus; +
Raginardus; + Dodo; + Milo; + Anglemaro, subdiaconus; + Andreas, subdiaconus; + Trumber-
tus, subdiaconus; + Chrodingo + ... Ego Richerus, ac si indignus diacomis ... (letzterer als
Notar der Urkunde). - Die Tischordnung Chrodegangs sah folgende Tische vor: 1) für den
Bischof, seine Gäste, Pilger, den Archidiakon und wen der Bischof noch hinzubat, 2) für die
Priester, 3) für die Diakone, 4) für die Subdiakone, 5) für die restlichen Weihegrade, vgl.
Regula canonicorum cap. 21 (wie Anm. 38) S. 14. Der Primicerius, der hier nicht eigens
erwähnt wird, hatte wohl der Priestertafel vorzusitzen.
43 Cart. Gorze Nr. 12 S. 31; zur Datierung vgl. R e u m o n t, Chronologie S. 276: 768 X 9 - 769
98
hin zwei aus der früheren Angilram-Urkunde bekannt44. Arthecarius leistete bereits
als einfacher Kleriker in einer Urkunde Chrodegangs von 757/58 Zeugendienst45. In
den Jahren 801/02 bis 811/12 begegnet in Gorzer Urkunden der Abtbischof Magulf46.
Dazu kennen wir im 8. Jahrhundert den Hornbacher Klosterbischof Jakob, dessen
Nachfolger allerdings nicht mehr als Bischöfe auftreten, wenngleich der zweite von
ihnen, Amalhart, noch Episkopalhandlungen vorgenommen zu haben scheint47 48. Auch
die in Chrodegangs Urkunden genannten Äbte Agnard und Bonciolus dürften Abt-,
beziehungsweise Chorbischöfe gewesen sein'“. Demnach haben in dieser Phase die
Metzer Chorbischöfe nicht zu dem in der Stadt lebenden Kathedralklerus gehört,
sondern außerhalb in einigen Klöstern der Diözese residiert. Damit wäre auch zu
erklären, weshalb Angilrams Chorbischof Fredalius im Gegensatz zu seinen Mitzeu-
gen in anderen Metzer Bischofsurkunden nicht wiederzufinden ist: er war dieses eine
Mal aus einem besonderen Grund anwesend, hielt sich aber ansonsten nicht im
Kathedralklerus oder beim Gefolge des Erzbischofs auf. In der zweiten Hälfte des 8.
Jahrhunderts war demnach das Chorbischofswesen noch nach dem kolumbanischen
System organisiert. Bischof Sigibald muß es, wie sich aus den oben angesprochenen
Klostergründungen ergibt, eingeführt, sein unmittelbarer Nachfolger Chrodegang
aber ausgebaut haben.
Zu diesem System gehört es auch, daß die Abtbischöfe ihre Pontifikalhandlungen
nicht auf das Gebiet der Metzer Diözese beschränkt haben, sondern im Rahmen des
Eigenkirchenbesitzes ihrer Klöster auch darüber hinaus. Dies läßt sich jedenfalls bei
Hornbach beobachten. Die Grundlage der Amtsbereiche solcher Chorbischöfe war
also nicht eine Einteilung der Diözese in Bezirke, sondern der Eigenkirchenbestand
ihrer Klöster. Der Auftrag für Episkopalhandlungen wurde trotzdem, soweit sich dies
44 Cart. Gorze Nr. 13 S. 34; in beiden Urkunden Nr. 12 und 13, die vom gleichen Schreiber
Wasco ausgefertigt wurden, unterschreiben Andreas und Herimaudus/Harimodus, der in
Nr.13 zusätzlich notarius genannt wird. - Zur Datierung vgl. Reumont, Chronologie S. 277:
768 X 9 - 769 X 8.
45 Cart. Gorze Nr. 5 S. 15, hier auch Angclramn, der spätere Nachfolger Chrodegangs, und An-
dreas; zur Datierung vgl. Reumont, Chronologie S. 288: 757 XI - 758 XI. Zu Angelramn
vgl. auch Schieffer, Entstehung von Domkapiteln (wie Anm. 41) S. 144.
441 Cart. Gorze Nr. 41-44; zur Datierung vgl. Reumont, Chronologie S. 278f., 288: Nr. 41 zu
801 XII 25 - 802 X 8 oder 802 XII 25 - 803 X 8, Nr. 42 zu 804 II 28, Nr. 43 zu 804 II 28, Nr. 44
zu 811/12 IV 19. - Magulf ist an einem 26. V. gestorben, vgl. Martyrologium Hieronymianum
(Cod. Bernensis 289), ed. Giovanni Battista De Rossi und Louis Duchesne, in: Acta
Sanctorum Nov. 2/2. Paris 1894 S. 66, vgl. zu ihm Otto Gerhard Oexle, Die Karolinger und
die Stadt des hl. Arnulf, in: Frühmittelalterl. Studien 1 (1967) S. 281f.
47 Andreas Neubauer, Regesten des ehemaligen Benediktiner-Klosters Hornbach, in: Mit-
teilungen des Historischen Vereins der Pfalz 27 (1904) Nr. 4-8, S. 2f„ vgl. Ledere, Origine
(wie Anm.3) S. 2. Abt Jakob erscheint als Zeuge in Urkunden Chrodegangs, vgl. oben Anm.
42, sowie Cart. Gorze (wie Anm. 10) Nr. 4 S. 13, wird im Totenbund von Attigny ausdrücklich
Bischof genannt, vgl. Neubauer Nr. 4. Das Verbrüderungsbuch der Reichenau, ed. Paul
Piper, MGH Libri confr., Leipzig 1884, S. 252 col. 343 Z, 1, Faksimile: Verbrüderungsbuch
der Reichenau, ed. Johanne Autenrieth, Dieter Geuenich, Karl Schmid, MGH
Libri mem. N.S. 1, Hannover 1979, S. 88 Al, Bl, kennt nur noch die auf Dodo folgenden
Äbte Amalhart und Wirund, sowie im Nachtrag S. 253 col. 343 oben, bzw. S. 88 Dl den Abt
Heribr(eht), der möglicherweise nicht nach Hornbach gehört; zu Dodo, Amalhart und
Wirund vgl. Neubauer Nrn. 5-13,15-18.
48 Vgl. oben Anm. 42. In ihnen sind vielleicht die Äbte von St. Avold und Neuweiler zu sehen.
99
feststellen läßt, vom Ortsbischof erteilt; wobei die Initiative allerdings auch vom
Klosterbischof ausgehen konnte49.
Um die Mitte des 9. Jahrhunderts sieht es ganz anders aus. Für diesen Zeitraum wis-
sen wir verhältnismäßig viel über den Chorbischof Lantfrid, der übrigens gewöhnlich
etwas zu früh auf die Zeit um 825 datiert wird50. Lantfrid gehörte zu einer reichen
Adelsfamilie, die mit Weißenburg eng verbunden war, förderte nach Kräften das
Metzer Eigenkloster Neuweiler in der Diözese Straßburg, in das er die Reliquien des
Metzer Bischofs Adelphus überführen und in dem er sich auch selbst begraben ließ.
Lantfrid, der 830 in einer Weißenburger Urkunden zum ersten Mal als einfacher
Priester auftritt51, gehörte offenbar immer noch nicht dem Metzer Kathedralklerus
an52, war aber auch wegen seines Eigenbesitzes kein Mönch und kein klösterlicher
Chorbischof älteren Stils mehr. Während für die Chorbischöfe in Hornbach und
Gorze, wie auch für die nicht näher lokalisierbaren Agnard, Bonciolus und Fredalius,
mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sie Pontifikalhandlungen für die
Eigenkirchen ihrer Standortklöster ausübten und somit einen in etwa definierten
Sprengel hatten, sind Vermutungen darüber, welche Regelungen für das Tätigkeits-
feld Landfrids getroffen waren, nicht in dieser Eindeutigkeit möglich. Es ist sowohl
denkbar, daß er die Gegend um Saarburg betreute, die ja auf dem Weg von Metz zu
seinem geliebten Neuweiler lag, als auch, daß er ein wechselndes Tätigkeitsfeld zur
Unterstützung des Metzer Bischofs hatte, vielleicht sogar Drogo, der sich häufig bei
Hof aufhalten mußte, generell vertrat53. Wenn wir hier keine genaueren Ermittlungen
anstellen können, so vor allem deswegen, weil die überlieferten Weißenburger
Urkunden Lantfrid nur als Privatmann in Sachen seiner eigenen Güterverwaltung
zeigen, während er in den ohnehin seltenen Metzer Urkunden dieser Epoche gar
49 Neubauer, Regesten Hornbach (wie Anm.47) Nr. 8; darin schlägt Abt Amalard dem Erz-
bischof Richolf von Mainz den Priester Macharius für eine in der Mainzer Diözese gelegene
Hornbacher Eigenkirche vor und weist ihn darauf hin, daß dieser sich mit Bischof Bernhari
von Worms wegen einer Dienstleistung für ihn zerstritten hatte, also vorher in dessen Diözese
tätig war. Die Priesterweihe aber scheint Macharius von seinem Abt empfangen zu haben,
nicht von einem Diözesanbischof. - Vgl. auch die Bitte eines Abtbischofs um ein Arbeitsge-
biet, Formulae Senonenses Nr. 17, ed. Karl Zeumer, in: MGH Formulae, Hannover 1882-
86 S. 220.
50 Vgl. Gott lieb, Chorepiskopat (wie Anm. 5) S. 61 f., Franz St aab, Zur Methode der Iden-
tifizierung karolingerzeitlicher Ortsnamen in Lorscher und Fuldaer Überlieferung, in: Hess.
Jb. f. Landesgesch. 30 (1980) S.88 Anm. 233. Zum Adelphuskult in Neuweiler vgl. Joseph M.
B. Clauss, Die Heiligen des Elsaß in ihrem Leben, ihrer Verehrung und ihrer Darstellung
in der Kunst (Forschungen zur Volkskunde 18/19), Düsseldorf 1935 S. 26-28, 18f., Georges
W e i 11, Le rayonnement d’un pélérinage alsacien au IXe siècle, in: Revue d’Alsace 96 (1957)
S. 133-144.
51 Vgl. Staab, Methode (wie Anm. 50) mit den Quellenangaben.
52 Lantfrid fehlt auffallenderweise in der Liste des Metzer Kathedralklerus im Reichenauer Ver-
brüderungsbuch, vgl. Libri confr. (wie Anm. 47) S. 251 col. 333-340, Faksimile (wie Anm. 47)
S. 87/1, ebenso im Nekrolog des Metzer Martyrologium Hieronymianum (vgl. Anm. 46),
wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, daß dieses mit dem 21. XI. abbricht.
53 Vgl. allgemein zur Vertretung des Bischofs durch einen Chorbischof Gottlieb, Chorepi-
skopat (wie Anm. 5) S. 83-101. Daß die Metzer Chorbischöfe im 9. Jahrhundert den bei Hof
weilenden Bischof vertreten mußten, vermutete wohl mit Recht auch P e 1 t, Études (wie
Anm. 38) S. 48.
100
nicht begegnet. Immerhin wird deutlich, daß er über seinen Besitz völlig selbständig
verfügte, darin in keinerlei Abhängigkeit von seinem Ordinarius stand.
Für 858/59 besitzen wir dann wieder eine ausführliche Zeugenliste in einer Urkunde
des Bischofs Adventius. Hier finden wir den Primicerius Hubald, den Chorbischof
Hilthari, den Dekan Merduuin und vier Priester, keinen Archidiakon.54 Allein aus
dem Metzer Nekrolog des Codex Bernensis 289 kennen wir auch einen Angilmar als
Chorbischof5, der etwas älter als Hilthari gewesen sein muß, denn beide begegnen
bereits in der von Erzbischof Drogo um 824 an die Reichenau übersandten Liste des
Metzer Kathedralklerus. Angilmar stand darin an erster Stelle hinter Drogo, war also
wohl schon damals Chorbischof, Hiltcheri an fünfter Stelle und dürfte deshalb erst
später zu dieser Würde erhoben worden sein56. Wegen des erwähnten Mangels an
Metzer Urkunden aus der Zeit Drogos lassen sich keine weiteren Stufen der Lauf-
bahn dieser beiden Dignitäre innerhalb des Metzer Kathedralklerus feststellen.
Es erscheint indessen bemerkenswert, wie Drogo das Institut des Hilfsbischofs abge-
wandelt hat. Es gibt nun nicht mehr den Abtbischof der Chrodegang-Zeit, wenn-
gleich Lantfrid, obwohl kein Mönch, in mehrfacher Hinsicht als der letzte Vertreter
dieser Gattung gelten mag (Residenz außerhalb von Metz, nicht zum Kathedralklerus
gehörig, vermögensrechtlich vom Ordinarius unabhängig). Die Chorbischöfe Angil-
mar und Hilthari sind vollkommen in den Kathedralklerus integriert. Damit muß
auch die herkömmliche Zuständigkeit für Eigenkirchen von Standortklöstern aufge-
geben worden sein. Der Chorbischof erscheint somit als Ad-hoc-Vertreter des Ordi-
narius. Daß sich dies gerade unter Drogo beobachten läßt, ist wohl nicht zufällig,
denn der ihm von Hraban gewidmete Traktat57 beweist das Interesse Drogos an den
theologischen Grundlagen und Möglichkeiten des Chorepiskopats.
Unter Bischof Ruotpert aber erscheint ums Jahr 886 die Leitungsgruppe des Kathe-
dralklerus geradezu drastisch reduziert. Sie bestand damals aus dem Primicerius
54 Cart. Gorze Nr. 59 S. 106, zur Datierung vgl. Reumont, Chronologie (wie Anm. 42) S. 280:
858 IX 29 - 859 IX 857. Die Zeugenliste beginnt mit dem Abt Ragimari von Gorze, dann folgt
der genannte Kathedralklerus, an den sich die Konventualen von Gorze anschließen, an ihrer
Spitze Dekan und Propst. - Todestag des Ubaldus presbyter ac primicerius war der 1. IV., der
des Hilcharius corepiscopus der 14. VIII., vgl. Martyrologium Hieronymianum (wie Anm. 46)
S. 39, 106, vgl. G o 111 i e b, Chorepiskopat (wie Anm. 5) S. 64.
55 Todestag des Angilmarus ... corepiscopus war der 31. VII., vgl. Martyrologium Hieronymia-
num (wie Anm. 46) S. 98, vgl. G o 111 i e b, Chorepiskopat (wie Anm. 5) S. 64.
56 Wie Anm. 52. Zur Anlagezeit des Reichenauer Verbrüderungsbuchs und damit zum Zeit-
punkt der Übersendung der Metzer Liste vgl. Karl Schmid in der Faksimileausgabe (wie
Anm. 47) S. LXV-LXVIII. - Der an zweiter Stelle hinter Drogo genannte Richart wurde mit
dem Todestag 28. I. als Richardus primicerius im Metzer Martyrologium Hieronymianum
(wie Anm. 46) S. 14 verzeichnet. Er war also offenbar schon zur Zeit der Übersendung der
Liste zur Reichenau Primicerius.
57 Vgl. oben S. 88 mit Anm. 6.
101
Gonbert (Guntbert), dem Dekan Maintard (Meinhard), dem Kantor Gereman58. Hier
fehlen also sowohl der Archidiakon, als auch ein Chorbischof. Man muß diesen
Rückgang, die ungefähr in diese Zeit fallende Abschaffung des Chorepiskopats sei
zunächst außer acht gelassen, wohl auf die Normannennot jener Zeit zurückführen.
Als Bischof Walo zusammen mit seinem Metropoliten Bertulf von Trier und dem
Grafen Adalhard 882 den heidnischen Invasoren entgegenzog und auf dem Schlacht-
feld blieb59, ist wohl auch ein Teil seiner Klerus-Elite umgekommen, so daß Ruotpert
die Metzer höhere Geistlichkeit, wie sich auch an den späteren Urkunden und einer
Liste für das Gebetsgedenken erkennen läßt, von unten erst wieder aufbauen mußte.
Der Primicerius Guntbert hat wenig später seinen Ordinarius 888 in Metz selbst bei
der schon behandelten Trierer Provinzialsynode vertreten, bei der die Abschaffung
des Chorepiskopats bestätigt wurde60.
Bevor wir nun auf das 10. Jahrhundert übergehen, muß noch kurz eine Urkunde
Angilrams von 787 für St. Avold behandelt werden, die Augustin Calmet in seiner
Kirchen- und Profangeschichte Lothringens 1728 mitgeteilt hatte. Nach ihr hätte es
damals in Metz neben Dekan und Propst zwei Archidiakone gegeben61. Nun war
schon Calmet mit dieser Urkunde nicht ganz zufrieden, denn aus ihrer Datierung
muß das Inkarnationsjahr 797 errechnet werden, das nicht mehr in den Pontifikat
58 Cart. Gorze Nr. 77 S. 141. Hier ist nach dem Primicerius eine Reihe von drei Metzer Äbten
eingeschoben. Auf den Kantor der Kathedrale folgen als Vertreter von Gorze der Propst
Wilerding und ein Priester, dann, angeführt von dem Grafen Segold die Laienschaft. Mit die-
ser Interpretation weiche ich von d’Herbomez ab, der auf die Binnengliederung der Zeu-
genlisten nicht achtete. - Zu Fragen der Datierung und Echtheit (die mir die Zeugenliste
nicht zu berühren scheinen) vgl. Reumont, Chronologie (wie Anm. 42) S. 285f., zur Gra-
phemik der Namen vgl. unten Anm. 60. Etwas später erscheint der Primicerius Gonbert allein
als Vertreter des Kathedralklerus unter Konventualen von Gorze, Cart. Gorze S. 137 Nr. 75,
zur Datierung vgl. R e u m o n t S. 284, 289 (datiert auf 884, aber sowohl von d’Herbomez
als auch von Reumont später angesetzt, von Reumont sogar bis auf 894 (er vermutet
die Auslassung einer X im Kartular). Der mitgenannte Dekan Seguin gehört nicht dem Dom-
stift, sondern dem Konvent von Gorze an, wie sich aus Cart. Gorze S. 156f. Nr. 86 zu 903
ergibt.
59 Regino, Chronicon a.882, ed. Friedrich Kurze (MGH Scr. rer. Germ.), Hannover 1890
S. 119, vgl. Robert Parisot, Le royaume de Lorraine sous les carolingiens (843-923), Paris
1898 S. 460f.
60 Vgl. oben S. 88 mit Anm. 7. Die orthographische Fassung der Namen in der Gorzer Urkunde
(oben Anm. 58) zeigt, daß der Kopist, vielleicht schon der Notar des Originals, die althoch-
deutschen Namen in romanischer Aussprache wiedergab. In der Edition der Akten der Pro-
vinzialsynode von 888 gab Blattau den Namen des Primicerius als Guntherus wieder (vgl.
oben Anm. 7). Jedoch zeigt die ältere Edition von Johann Friedrich Schannat und Joseph
Hartzhe im, Concilia Germaniae 2, Köln 1760 S. 381, die Variante Guntbertus, Metensis
Ecclesiae primicerius, die dem Gonbertus der Gorzer Urkunden entspricht. Außerdem wird
unter Adalbero I. zwischen 934 und 941 Gontbertus primicerius unter den verstorbenen Met-
zer Klerikern aufgezählt, vgl. David M i s o n n e, Les membres du chapitre cathédral de Metz
au Xe siècle. Une liste destinée au „Liber Memorialis“ de Saint-Amand?, in: Clio et son
regard. Mélanges d’histoire, d’histoire de l’art et d’archéologie offerts à Jacques Stiennon, hg.
von Rita Lejeune und Joseph Deckers, Lüttich 1982 S. 497f. Der Guntherus bei Blat-
tau ist daher als eine Hyperkorrektur anzusehen. - Ein besonderes Problem stellt der Dekan
Maintard dar. In der erwähnten Liste der Mitglieder des Metzer Domkapitels erscheint dieser
Name weder unter den Lebenden, noch unter den Verstorbenen, wohl aber ein Mainfridus
unter den Verstorbenen, Misonne S. 497. Trotzdem scheint es mir nicht geboten, den
Maintard der Gorzer Urkunde entsprechend zu emendieren, denn auch der Name des Kan-
tors Gereman ist in der Liste nicht zu finden; vielleicht haben beide an einem anderen Dom-
kapitel eine neue Stelle angenommen, so daß für ihr Gedächtnis dann dort zu sorgen war.
61 Augustin Calmet, Histoire ecclésiastique et civile de Lorraine 1, Nancy 1728 Preuves
Sp. 293.
102
Angilrams fällt, weshalb Calmet einen Schreibfehler in der Datierung annahm, eine
X daraus entfernte und so auf 787 kam. 1932 nahm sich Tribout de Morembert des
Problems nochmals an und konjizierte stattdessen das Jahr 79162. Trotzdem hat
Michel Parisse 1984 das Stück als unecht behandelt63, und dies mit vollem Recht: Es
handelt sich hier um die Abschaffung der Untervögte für St. Avold. die Regelung der
Rechte des Vogtes Wolmer, in dem man unschwer einen hochmittelalterlichen Fol-
mar aus dem Haus der Grafen von Metz-Lunéville erkennt, um eine Entschädigung
für den Vogt, damit er in Zukunft keine überhöhten Ansprüche mehr an das Klosters
stellt. Dies sind nun Einzelheiten, die für die Karolingerzeit einen Anachronismus
darstellen, dagegen aus den Vogteiregelungen für St. Maximin aus der Zeit um 1100
wohlbekannt sind64. Ebenso ist auch die Urkunde von angeblich 886 für St. Avold als
eine Fälschung für unsere Problematik nicht verwendbar65.
Es bleibt dabei, daß die Metzer Kirche im 9. Jahrhundert noch nicht mehr als einen
Archidiakon, eben den alten Bischofsdiakon, kannte, daß bis über die Jahrhundert-
mitte hinaus jetzt auch ein Chorbischof zum Kathedralklerus gehörte, der jedoch
noch vor dem erwähnten Trierer Provinzialkonzil von 888 außer Gebrauch gekom-
men sein muß.
5. Der Metzer Archidiakonat von Adalbero I. (929 - 962)
bis zu Adalbero III. (1047-1072)
In seiner Lebensbeschreibung des Johannes von Gorze schildert Johannes von St.
Arnulf Bischof Adalbero I. als einen sehr tatkräftigen Reformer. Wir haben bereits
davon gehört, wie er sogar in den kleinsten Metzer Landmonasterien die Benedik-
tinerregel einführte. Die Sehnsucht nach klösterlicher Lebensweise erfaßte damals
auch den Metzer Kathedralklerus. Ein gewisser Angilramn aus reicher und angesehe-
ner Familie, zuerst Primicerius in Toul, dann in Metz, nahm in Gorze die Kutte66.
Nach einer schweren Krankheit wählte der Archidiakon Blidulf den gleichen Weg,
stieg zum Abt in Gorze auf und beschloß sein Leben in nochmals gesteigerter Askese
als Einsiedler67. In dieser Zeit starker religiöser Impulse hat Adalbero 1. außerdem
seine Bistumsleitung verändert. In der für die Klosterreform in Lothringen richtung-
® Henri Tribout de Morembert, Inventaires des titres de l’abbaye de Saint-Avold, in:
Revue bénédictine 44 (1932) S. 250.
63 Michel Parisse, Les règlements d’avouerie en Lorraine au XIe siècle, in: Publ. de la section
historique de l’Institut G.-D. de Luxembourg 98 (1984) S. 160 Nr. 1.
64 Vgl. Theo K ö 1 z e r, Zu den Fälschungen für St. Maximin in Trier, in: Fälschungen im Mittel-
alter (MGH Schriften 33/3), Hannover 1988 S. 315-326, ders., Studien zu den Urkundenfäl-
schungen des Klosters St. Maximin vor Trier (10.-12. Jahrhundert), (Vorträge und Forschun-
gen, Sonderband 36), Sigmaringen 1989 S. 261-303.
65 Tribout de Morembert, Inventaires (wie Anm. 62) S. 250, aus den gleichen Gründen;
noch von Semmler, Mission (wie Anm. 4) S. 875, als echt verwertet.
66 Vita Johannis abbatis Gorziensis cap. 57 (wie Anm. 28) S. 353, vgl. auch unten Anm. 68.
67 Ebd. cap. 69 S, 356.
103
weisenden Restitutionsurkunde für Gorze von 936 führt er seinen gesamten Kathe-
dralklerus vor: den Primicerius Everin, den Archidiakon Folcrad, den Küster Sigi-
boddo, den Kantor Waldrad, elf Priester, sechs Diakone, vier Subdiakone, drei Ako-
lythen68 69, eine starke, in ihrer Struktur jedoch noch ganz traditionelle Besetzung.
Wahrscheinlich hat Adalbero I. nicht, wie es von Adalbero II. (984 - 1005) berichtet
wird*”, annähernd tausend Priester geweiht, aber recht fleißig in dieser Beziehung
muß auch er schon gewesen sein. Bis 942 hatte er nämlich die Bistumsleitung gründ-
lich reformiert. Damals werden genannt: der Primicerius Everin, zwei Archidiakone
Godefrid und Nanter, der Küster Sigeboddo, der Dekan Enaluus, der Kantor Wald-
rad, zwölf Priester, neunzehn Diakone, acht Subdiakone und vier Akolythen70. Die
Umgestaltung muß radikal gewesen sein. Von den neuen Dignitären ist nach Ausweis
der Urkunde von 936 und der erwähnten Gedenkliste nur der Dekan Enaluus aus
dem Metzer Kathedralklerus hervorgegangen, die beiden Archidiakone Godefrid
und Nanter muß Adalbero I. von auswärts her bestellt haben.
Mit der Zweiteilung des Archidiakonats war gewiß die alte Funktion des Archidia-
kons als des Verwaltungsassistenten des Bischofs nicht mehr vereinbar. Dieses neue
System Adalberos I. sieht ganz danach aus, und hier scheint mir Julien Ledere voll-
kommen recht zu haben, daß zwei Verwaltungsbezirke für die Kontrolle der Pfarrei-
en geschaffen worden sind, die im übrigen vielleicht schon durch das frühere Ämter-
paar von Archidiakon und Kathedralchorbischof im 9. Jahrhundert unter Adventius
vorgebildet waren. Jetzt, da beide den gleichen Titel führen, gewinnt eine derartige
Geschäftsverteilung an Wahrscheinlichkeit. Welche geographische Ausdehnung die
mutmaßlichen Archidiakonatsbezirke hatten, muß allerdings offenbleiben. In diesem
Punkt wird man der Kritik von Hans-Walter Herrmann an den Hypothesen Leclercs
nur zustimmen können.
Rein theoretisch ließ sich eine klare Grenzziehung für solche Amtsbereiche mit den
Mitteln des 10. Jahrhunderts durchaus festlegen. Die schon mehrfach zitierte Vita des
Abtes Johannes von Gorze erwähnt zum Beispiel beiläufig, daß Vendiere bei Pont-ä-
Mousson teils in der Metzer Diözese, teils in der von Toul gelegen war71. Die Grenze
ist hier also die Mosellinie gewesen. In seiner Gründungsurkunde für das Kloster
Vergaville von 966 erwähnt Graf Sigerich die Grafschaften Saarburg und Destrich
68 Cart. Gorze Nr. 96 S. 179. Einen Teil dieser Mannschaft erkennt man bereits in seiner Urkun-
de von 933 für Gorze: Everin war damals noch Küster der bischöflichen Kapelle und zugleich
Abt von Gorze, Sigeboddo war bereits Domküster und Waldrad Kantor, der Primicerius
Angelramn sonnte sich kurzfristig beim Reformeifer dieser Zeit im Titel eines abbas, Cart.
Gorze Nr. 172 Nr. 92, vgl. M i s o n n e, Le chapitre cathédral (wie Anm. 60) S. 500-502. - Zu
den Anfängen der Gorzer Reform vgl. Kassius Hallinger, Gorze-Kluny. Studien zu den
monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter 1 (Studia Anselmiana, 22-
23), Rom 1950 S. 51-59, zu ihrem Entwicklungsgang jetzt sehr instruktiv Michel M argue,
Aspects politiques de la „Réforme“ monastique en Lotharingie. Le cas des abbayes de Saint-
Maximin de Trêves, de Stavelot-Malmédy et d’Echternach, in: Revue bénédictine 98 (1988)
S. 31-61.
69 Vita Adalberonis Mettensis cap. 24, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841
S. 667 Z. 24
70 C a 1 m e t (wie Anm.53) Preuves Sp.349.
71 Vita Johannis abbatis Gorziensis cap. 9 (wie Anm. 28) S. 339 Z. 40-41.
104
(cant. Mörchingen), nach denen er seine Schenkungsgüter geographisch definiert72.
So war jedenfalls das Instrumentarium vorhanden, um in der Diözese Metz zwei
Archidiakonatsbezirke linear zu umschreiben. Unter der Voraussetzung, daß sich die
späteren vier Archidiakonate gewissermaßen als Zellteilungen aus den zwei von
Adalbero I. eingeführten verstehen lassen, wäre sogar eine ungefähre geographische
Rekonstruktion rein hypothetisch möglich, doch scheint es mir verfrüht, etwas derar-
tiges zu versuchen.
Zumindest halte ich es jedoch nicht für wahrscheinlich, daß Adalbero I., als er seine
zwei Archidiakonate einrichtete, auf die Sprachgrenze Rücksicht genommen hätte,
wie Ledere annahm. Abgesehen davon, daß sie damals noch keineswegs linear ver-
lief, wie wir aus neueren Forschungen gerade auch von Wolfgang Haubrichs und sei-
nen Saarbrücker Mitarbeitern und Kollegen wissen73, war das Sprachenproblem für
die Kirche, die den Gläubigen ihren Gottesdienst und die Sakramente ohnehin nur in
lateinischer Sprache anbot, damals wohl kaum von größerer Bedeutung. Für die
Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie auch der Unterstützung des Bischofs in seinen
Pflichten gegenüber dem mit Metz eng verbundenen ottonischen Kaiserhaus mußte
der Metzer Kathedralklerus ohnehin sowohl die romanische wie die fränkische
Volkssprache beherrschen.
Es kommt noch hinzu, daß auch die Diözesangrenzen, die den Rahmen für die Archi-
diakonate bilden mußten, ihrerseits im Frühmittelalter nicht von stammesmäßiger
Siedlung (damit von der Verteilung der Sprachen) oder gar von der Gaueinteilung
abhängig waren. Wie Paul Pitzer meine Erachtens schlüssig für die Bistumsgrenze
zwischen Trier und Metz dargelegt hat, war die maßgebende Grundlage hier die alte
Scheidelinie der civitates der gallorömischen Zeit, die von der Kirche als gegeben bei-
behalten wurde74. Alle diese Voraussetzungen waren nicht so gelagert, daß eine
Grenzziehung nach modernen nationalstaatlichen Prinzipien denkbar gewesen wäre.
Möglicherweise gibt ein kurzer Mirakelbericht einen Hinweis auf die von Adalbero I.
eingeführte Arbeitsteilung der beiden Archidiakonate. Sein Nachfolger Dietrich I.
(965 - 984) beabsichtigte, die Reliquien des ersten Metzer Bischofs Clemens von St.
Clemens (ursprünglich St. Felix) in die Kathedrale zu transferieren. Dem widersetz-
ten sich die Mönche von St. Clemens auch literarisch, indem sie die Wundergewalt
ihres Patrons und sein Eintreten für ihre Kirche propagierten. Zur Zeit des Abtes
72 Calmet (wie Anm. 53) Preuves Sp. 379.
73 Vgl, besonders Wolfgang Haubrichs, Wamdtkorridor und Metzer Romanenring. Überle-
gungen zur siedlungsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen Bedeutung der Doppelnamen
und des Namenwechsels in Lothringen, in: Ortsnamenwechsel. Bamberger Symposion, 1. bis
4. Oktober 1986, hg. v. Rudolf Schützeichel (Beiträge zur Namenforschung N.F., Beiheft
24), Heidelberg 1986 S. 264-300, Monika Buchmüller, Wolfgang Haubrichs, Rolf
Spang, Namenkontinuität im frühen Mittelalter. Die nichtgermanischen Siedlungs- und
Gewässernamen des Landes an der Saar, in: Zeitschr. f. d. Gesch. d. Saargegend 34/35
(1986/87) S. 24-163.
74 Paul Pitzer, Entstehung und Entwicklung der mittelalterlichen Pfarreien an der mittleren
Saar unter besonderer Berücksichtigung der Bistumsgrenzen Trier-Metz, phil. Diss. Inns-
bruck 1954 (masch.) S. 70-77.
105
Kadroe (t 975) sei ein in der zur Kathedralgruppe gehörigen Marienkirche (heute
Notre-Dame la Ronde) aufgebahrter Archidiakon in der Nacht vom hl. Clemens
gegen Dämonen verteidigt worden, wie man durch Traumgesichte erfahren habe,
und man habe ihn deswegen auch in St. Clemens bestattet. Weil der leider nicht
namentlich genannte Archidiakon in diesem Bericht als archidiaconus sancti Stephani
bezeichnet wird7', darf man wohl annehmen, daß sein Amtsbezirk auf die Kathedrale
als Zentrum bezogen war. Weitere Schlüsse auf die räumliche Ausdehnung sind
damit jedoch nicht möglich.
Im weiteren Verlauf des 10. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 11. Jahrhun-
derts treten die Metzer Archidiakone in den Urkunden etwas zurück76. 1070 lehnte
sich Adalbero III. mehr an die Trierer Struktur dieser Zeit an: es werden der Dekan
Heinrich, ein Chorbischof Geruold, der Kantor Adelard. der Küster Johannnes und
zwei Kanoniker genannt77. Die Trierer Urkunden dieser Zeit nennen ja noch bis ins
frühe 12. Jahrhundert beharrlich einen Chorbischof, der aber kein geweihter Bischof
mehr war und die Funktion eines Archidiakons als Aufsichtsbeamter für Landkir-
chen hatte™. Als einen solchen Archidiakon mit dem Titel Chorbischof darf man auch
Geruold ansehen. So scheint die von Adalbero I. ins Leben gerufene Archidiakonats-
organisation wieder in Fluß geraten zu sein.
75 Gedruckt in der Vorrede von J. R. Dieterich zu Hecelinus monachus, Translatio et mira-
cula sancti Clementis, MGH SS 30/2, Leipzig 1934 S. 894f., das Zitat S. 894 Z. 3; zur Quelle
vgl. Baudouin de Gaiffier, Notes sur le culte des SS. Clément de Metz et Caddroë, in:
Analecta Bollandiana 85 (1967) S. 21-43. Das Vorhaben Dietrichs I. setzt das Chronicon S.
Clementis Mettense, ed. Georg Waitz, MGH SS 24, Hannover 1879 S. 499, ins Jahr 981.
Zum Wirken Dietrichs I. vgl. jetzt Robert Folz, Un évêque ottonien. Thierry I de Metz
(965-984), in: Media in Francia. Recueil de mélanges offert à Karl Ferdinand Werner, Paris
1989, S. 139-156, François Heber-Suffrin, L'œuvre architecturale des évêques de Metz
autour de l’an mil, in: Haut Moyen-Age. Culture, éducation et société. Études offertes à
Pierre Riché, hg. von Michel Sot, Paris 1990 S. 412-415, Franz S t a a b, Eine Metzer Minia-
tur des heiligen Willigis aus dem 12. Jahrhundert, in: 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Fest-
schrift, hg. von Helmut Hinkel (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kir-
chengeschichte, 63), Mainz 1990 S. 41-45, ders., Die Verehrung des heiligen Stephan, in: ebd.
S. 178-180. - Der Titel archidiaconus sancti Stepphani ist noch im 12. Jahrhundert für den
Kanzler und Dekan Philipp nekrologisch bezeugt, vgl. Peter Acht, Die Cancellaria in Metz.
Eine Kanzlei- und Schreibschule um die Wende des 12. Jahrhunderts (Schriften des wissen-
schaftlichen Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt, N.F. 25),
Frankfurt am Main 1940 S. 26. Acht konnte diesen Archidiakon Philipp nicht einordnen; in
Urkunden ist er aber sehr wohl nachweisbar, vgl. Cart. Gorze Nrn. 156 (1143), 176 (1138/63),
180 1152/60), 182 (1152/60), 189 (1164/70); Mrh. UB 1 (wie Anm. 10) Nr. 524 (1142).
76 Cart. Gorze Nr. 123 S. 222 zu 1007: ... S. Wigerici primicerii; Gengulfi, prepositi; Heidemodi
decani ... - Vgl. unter Adalbero III., Cal met (wie Anm. 53) Preuves Sp. 447 zu 1056:
...favente Folmaro comite, omnique nostri palatii senatu, signantibus subscriptis testibus. Sign.
Alberti primicerii. Sign. Folmari archidiaconi. Sign. Joannis thesaurarii. Sign. Gervoldi archica-
pellani... - Nach dem Chronicon S. Clementis Mettense (wie Anm. 75) S. 499 Z. 7 war Wige-
rich bereits 981 Primicerius gewesen. Unter Dietrich I. (965-985) hatte er nacheinander die
Ämter des Kantors und des Kustos bekleidet, vgl. de Ga if fier, SS. Clément de Metz et
Caddroë (wie Anm. 75) S. 33f., 39f.
77 C. Van de Kieft, Note sur une charte-censier du domaine d’Eppelsheim, dépendant de la
collégiale Saint-Sauveur de Metz (1070), in: Le Moyen Age 68 (1962) S. 317-320; ältere,
unvollständige Edition bei Ludwig Baur, Hessische Urkunden 5, Darmstadt 1860 Nr. 1
S. 1-4. - Zur Urkunde vgl. Heinrich Büttner, Ein unbeachtetes Hofrecht des 12. Jahrhun-
derts, in: Festschrift Edmund E. Stengel zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1949 darge-
bracht, Münster, Köln 1952 S.31-39. - Eine weitere übersehene Urkunde Adalberos III. von
1070 hat Voey de Ryneck übersetzt, vgl. Heck mann (wie Anm. 14) S. 51,186 Anm. 174.
78 Vgl. Bastgen, Trierer Archidiakonate (wie Anm. 7) S. 44. Seine Untersuchung bedarf
jedoch dringend einer Überprüfung.
106
6. Reorganisation unter Bischof Hermann (1073- 1090)
Es ist dann Bischof Hermann, der hier eingriff und eine Reform durchführte, die
Bestand haben und zukunftweisend sein sollte. Hermann, der vor allem als treuer,
aber auch langer Ermutigungen bedürftiger Anhänger Gregors VII. bekannt ist79, hat
dabei jedoch nichts völlig Neues geschaffen. Vielmehr lehnte er sich an eine Organi-
sationsform an, die zuerst in der Diözese Verdun nachweisbar scheint. Dort gab es
bereits 1032 drei Archidiakone neben dem Primicerius80. 1055 werden die Verhältnis-
se noch deutlicher erklärt: auch der Primicerius ist ein Archidiakon, zu dem noch
weitere drei treten, und es wird erzählt, ein Archidiakon verwalte eine parrochia, in
welcher sich die Kirche St. Martin von Amei (dep. Meuse, arr. Montmedy, cant. Spin-
court) befinde, zu deren Übertragung an Gorze er auch seine Zustimmung geben
mußte81. Wir haben es hier also erstmals mit der Art eines Archidiakons zu tun, wie
sie aus dem späteren Mittelalter wohlbekannt ist; allerdings mußte dieser Kirchenbe-
amte die Ausstellung der genannten Urkunde noch seinem Bischof überlassen.
Diese aus Verdun bekannte Organisation führt nun Hermann auch in Metz, nachdem
er zunächst noch 1073 mit den hergebrachten zwei Archidiakonen gearbeitet hatte82,
sehr bald danach ein, modernisierte sein Leitungsgremium, das bereits Adalbero III.
1056 anspruchsvoll als nostri palatii senatus bezeichnet hatte83. Wie in Verdun blieb
der Primicerius Adalbero im Nebenberuf noch Archidiakon, der schon 1065 bezeugte
Archidiakon Gervold wurde ebenfalls beibehalten, und als neue Archidiakone traten
79 Vgl. André Dantzer, La querelle des investitures dans les évêchés de Metz, Toul et Ver-
dun de 1075 au concordat de Worms 1122, in: Annales de l’Est 6 (1902) S. 90-95, Siegfried
Salloch, Hermann von Metz. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Episkopats im
Investiturstreit (Schriften des Wiss. Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Univer-
sität Frankfurt, N.F. 2), Frankfurt a. M. 1931, Henri-X. Arquillière, La IIe lettre de Gré-
goire VII à Hermann de Metz (1081), in: Mélanges Jules Lebreton 2 (Recherches de science
religieuse, 40,1951/52), Paris 1952 S. 231-242.
“ Cart. Gorze Nr. 126 S. 227.
81 Cart. Gorze Nr. 129 S. 230f.
82 C a 1 m e t (wie Anm. 53) Preuves Sp. 475 zu 1073: Sign. Alberonis primicer. Sign. Richeri deca-
ni et archidiaconi. Sign. Walonis abbatis sancti Arnulfi. Sign. Gervoldi archidiaconi. Sign.
Johannis aerarii ...; Gervold war bereits 1065 unter Adalbero III. Archidiakon, vgl. Rudolf,
Gesta abbatum Trudonensium, ed. Georg Waitz, MGH SS 10, Hannover 1852, S. 325, 1055
unter ihm aber Erzkaplan, vgl. Cal met. Preuves Sp. 447. - Bischof Hermann selbst war
Archidiakon in Lüttich gewesen, vgl. Benno Morret, Stand und Herkunft der Bischöfe von
Metz, Toul und Verdun im Mittelalter (Diss. Bonn), Düsseldorf 1911 S. 23.
83 Vgl. oben Anm. 76. Schon die Vita Johannis abbatis Gorziensis cap. 98 (wie Anm. 28) S. 366
Z. 44 nennt einen cubicularius des Bischofs Adalbero I. Dieser Titel stammt aus der königli-
chen Palastorganisation, vgl. Franz Staab, Palatium in der Merowingerzeit. Tradition und
Entwicklung, in: Die Pfalz. Probleme einer Begriffsgeschichte vom Kaiserpalast auf dem
Palatin zum heutigen Regierungsbezirk (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaften in Speyer 81), Speyer 1990 S. 60-62. - Zu den Bestrebungen
Adalberos III. vgl. Franz-Reiner Erkens, Die Trierer Kirchenprovinz am Vorabend des
Investiturstreits, in: Bll. f. dt. Landesgesch. 125 (1989) S. 147f.
107
zunächst der Dekan Richer und Uodelrich, später aber Ruocelin und Matfrid ein84.
Daß diese nun auch feste Sprengel hatten, läßt sich mit Gründen nicht mehr bezwei-
feln, wenn es für uns auch erst 1109 urkundlich faßbar wird. Damals tritt der Primice-
rius Adalbero als Archidiakon auf, greift in den Streit zweier Herren um eine Eigen-
kirche ein, belegt vorübergehend eine Partei mit dem Bann, revidiert aber dann sein
Urteil in einem Send, einer typischen Archidiakonatssynode: Quod ubi archidiaconus
prudenter intellexit, in judicio presbiterorum qui ibi aderant posuit, ecclesiastico more,
eis precipiendo ut neque ad dexteram neque ad sinistram declinarent in judicando, sed
hanc rem diffinirent omnino justo judicio*5. Es gibt übrigens doch noch einen feinen
Unterschied zu späteren Archidiakonsurkunden. In dem zitierten Stück tritt der Pri-
micerius und Archidiakon nicht etwa als Aussteller auf, sondern der Text ist in Form
einer Notitia, als eine nicht persönlich, sondern objektiv formulierte Niederschrift
abgefaßt86.
84 Eduard Müsebeck, Die Benediktinerabtei St. Arnulf vor Metz in der ersten Hälfte des
Mittelalters, in: Jb. d. Gesell, f. lothr. Gesch. u. Altertumskde. 13 (1901) S. 232 Nr. 6:... Sig-
num primicerii Adelberonis; S. Richeri archidiaconi; S. Gervoldi archidiaconi; S. Uodelrici
archidiaconi; S. Johannis aerarii (undatiert, von Müsebeck zu etwa 1088 gestellt, doch ist hier
der Archidiakon Ruoselin noch nicht genannt, der bereits 1084 vorkommt, vgl. unten Anm.
85. Diese Urkunde für St. Arnulf muß also zwischen 1073 und 1084 datiert werden). -
Cal met (wie Anm. 53) Preuves Sp. 395 (obgleich mit dem Inkarnationsjahr 1090 datiert,
hier irrtümlich zu a. 991 gestellt!),Eduard Müsebeck, Zoll und Markt in Metz in der ersten
Hälfte des Mittelalters, in: Jb. d. Gesell, f. lothr. Gesch. u. Altertumskde. 15 (1903) S. 28: ...
Adalbero archidiaconus. Gervoldus archidiaconus. Ruocelinus archidiaconus. Matfridus archi-
diaconus ... Zur Sache (Translation des hl. Clemens) vgl. de Gaiffier, SS. Clément de
Metz et Caddroë (wie Anm. 75) S. 37-41, zur materiellen Entschädigung für St. Clément vgl.
Jean Luc Fray., Recherches sur la seigneurie banale au XIIe siècle, d’après le vocabulaire
des actes des Évêques de Metz (1058-1210), in: Publications de la Section Historique de
l’Institut G.-D. de Luxembourg 102 (1986) S. 79 Nr. +5. Allerdings ist nur eine der beiden
Fassungen gefälscht; die Entschädigung wurde bereits 1123 von Kalixt II. bestätigt, vgl. Georg
Wolfram, Ungedruckte Papsturkunden der Metzer Archive, in Jb. d. Gesell, f. lothr.
Gesch. u. Altertumskde. 15 (1903) S. 279 Nr. 1. - Cart. Gorze Nr. 140 S. 247 zu 1095 unter
Bischof Poppo nach den Äbten: Adalbero, archidiaconus; Emicho, archidiaconus; Rotcelinus,
archidiaconus; Arnulfus, thesaurarius, vgl. Parisse, Les règlements d’avouerie (wie Anm.
63) S. 163 Nr. 17.
85 Cart. Gorze Nr. 146 S. 256; geistliche Zeugen: Adelbero archidiaconus; Hecelinus clericus;
Herrandus, Andreas, Heribertus, Hameredus, presbiteri. Bereits ein Gütertausch, der 1084
zwischen St. Arnulf in Metz und St. Kunibert in Köln über dem Altar von St. Arnulf abge-
schlossen wurde, wobei der Metzer Rucelinus archidiaconus anwesend war, Dedicationes
ecclesiae S. Arnulfi (Petit cartulaire de St. Arnould), ed. Georg Waitz, MGH SS 20, Han-
nover 1879, S. 548 Z. 43, vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter 1, bearb.
v. Friedrich Wilhelm Oediger (Publ. d. Gesell, f. Rhein. Gesch., 21/1), Bonn 1954 S. 350
Nr. 1160, setzt voraus, daß dieser Archidiakon für die betroffenen Dörfer Wahlen, Mallingen,
Kerlingen und Kedingen zuständig war. Von diesen lagen nur Kedingen und Wahlen in der
alten Diözese Metz und im Archidiakonat Marsal, ersteres nahe bei der Grenze zum Erzbis-
tum Trier, wo die beiden anderen genannten Orte dem Archidiakonat Tholey angehörten,
vgl. N. Dorvaux, Les anciens pouillés du diocèse de Metz (Mémoires de la société
d'archéologie et d’histoire de la Moselle, 18), Nancy 1902 S. 159, 164f., S. 685f. Rucelin war
also für das nachmalige Archidiakonat Marsal zuständig. Er ist von einem späteren Archidia-
kon Rocelin zu unterscheiden, der 1137/38 bezeugt ist und vorher, 1133-37, als Metzer Kano-
niker genannt wird, vgl. Étienne de Bar 1120-1162, ed. Michel Parisse (Actes des princes
lorrains, 2e série: Princes ecclésiastiques 1 B - préédition), Nancy o.J. S. 77 Nr. 33, S. 87 Nr.
39, S. 90 Nr. 40, S. 97 Nr. 42; auch Cart. Gorze Nrn. 156,163,171,180,182.
86 Zum Verhältnis von ,Carta‘ und ,Notitia‘ allgemein vgl. Heinrich Fichtenau, Das Urkun-
denwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert (Mitteilungen des Instituts für
österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 23), Wien, Köln, Graz 1971 S. 73-80.
108
Noch also hat der Archidiakon, obwohl er in diesen Streit selbständig eingreift, sogar
den Bann verhängen kann, nicht die Jurisdiktionsgewalt, auch eine Urkunde auszu-
stellen. An diesem Beispiel läßt sich einmal mehr erkennen, wie das Lehrgebäude der
Kirchenrechtler vom Übergang vom Archidiakon älterer Ordnung zu dem jüngerer
Ordnung der Wirklichkeit nur grob holzschnitthaft entspricht. Die Entwicklung hatte
vielmehr zahlreiche feine Zwischenstufen. Was die Gewalt des Archidiakons angeht,
den Kirchenbann auszusprechen, so ist dies für Metz um 1100 gewiß nicht neu.
Bereits Chrodegang sah sich in seiner Regel veranlaßt, seinen Kathedralklerikern
(dabei können nur die Dignitäre gemeint sein) zu verbieten, daß sie sich gegenseitig
exkommunizieren87. Somit verfügte der Metzer Archidiakon bereits sehr lange über
dieses äußerste disziplinarische Mittel, 1109 auch über die Möglichkeit, über dessen
Anwendung eine Art Protokoll niederschreiben zu lassen, jedoch noch nicht über die
Befugnis, eine carta, also eine dispositive Urkunde jurisdiktionellen Inhalts auszustel-
len.
7. Die Metzer Archidiakonate im 12. und 13. Jahrhundert
Durch die Vorauspublikationen der Metzer Bischofsurkunden des 12. Jahrhunderts
von Michel Parisse wird die Quellenlage für die Folgezeit dankenswerterweise sehr
viel besser und klarer als bisher. An diesem Material erweist sich, daß die Zahl der
vier Archidiakonate nun fest bleibt, daß sich sogar ihre Sprengel, wie Parisse in sei-
nen Anmerkungen immer wieder gezeigt hat, auf die späteren der Archidiakonate
Metz, Vic, Marsal und Saarburg festlegen lassen. Bei dem Archidiakon Hugo von
Bar, Archidiakon seit 1158, Primicerius seit etwa 1170, gestorben 1200, dem Parisse
eine eigene Studie widmete, beobachten wir dann auch regelrechte, persönlich for-
mulierte Archidiakonsurkunden88. Wenn ich gesagt habe, daß im 12. Jahrhundert die
Sprengel der Archidiakone schon die späteren von Metz, Vic, Marsal und Saarburg
waren, so scheint mir jedoch hier eine kleine Vorsicht angebracht. Diese Namen sind
noch nicht nachweisbar, die Archidiakone werden alle deutlich weiter als Angehörige
des Kathedralklerus bezeichnet, haben vielleicht das eine oder andere Propstamt
nebenher, aber keineswegs eine Propstei, die mit dem Archidiakonatssitz fest ver-
bunden wäre. Vielmehr ist es so, daß sogar die Dignitäten Primicerius, Dekan, Kan-
tor, Thesaurarius mitnichten fest mit je einem der vier Archidiakonate gekoppelt
87 Regula canonicorum cap. 12 (wie Anm. 38) S. 9.
181 Michel Parisse, Une carrière ecclésiastique au XIIe siècle, Hugues de Bar, in: Annuaire de
la société d’histoire et d’archéologie de la Lorraine 64 [78] (1965) S. 85-111; zur Entwicklung
des kirchlichen Urkundenwesens vgl. außerdem Acht, Cancellaria (wie Anm. 75) passim
und Parisse, Lex chartes des évêques de Metz au XIIe. Étude diplomatique et paléogra-
phique, in: Archiv für Diplomatik 22 (1976) S. 272-316. - Zu geistlichen Laufbahnen auch
ders.. Les princiers messins au XIIe siècle. Questions généalogiques et chronologiques, in:
Annuaire (wie oben) 71 [85] (1971) S. 23-28; für das 13. Jahrhundert Charles McCurry,
Religious careers and religious devotion in thirteenth-century Metz, in: Viator 9 (1978) S. 324-
334,
109
gewesen wären. Die Funktion des Archidiakons war ein Nebenamt der ersten Dig-
nitäre des Domkapitels.
Die letzte Ausbildung des Systems brachte erst das 13. Jahrhundert, als den Archidia-
konaten feste Sitze zugeteilt wurden. Dies geschah im Vergleich zu anderen Diözesen
im Reich sicherlich recht spät. Das Zeitalter der Versuche einer Seelsorgsorganisati-
on auf der Grundlage von regulierten Chorherrenstiften war damals längst vorbei, es
hatte in Lothringen nur Institute gezeitigt, die den Frömmigkeits- und Versorgungs-
bedürfnissen des Adels, nicht einer ausgebreiteten Seelsorge dienten*1'.
8. Zusammenfassung
Die Entwicklung des Archidiakons und seines Amtes nahm also in Metz einen beson-
deren Verlauf, der sich mit der herkömmlichen Lehre der Kirchenrechtler nicht in
Einklang bringen läßt. Die erste Periode, in der die Aufgabe des Archidiakons noch
die alte eines Assistenten des Bischofs war, reichte in Metz bis ins 9. Jahrhundert.
Hilfe bei der Erfüllung bischöflicher Aufgaben auf dem flachen Land leisteten seit
Sigibald (um 708 - 741) die Chorbischöfe der Klöster, deren Arbeitsgebiete sich
jedoch nicht an der Ausdehnung der Diözese, sondern an der Lage der klösterlichen
Eigenkirchen orientierten. Erst um die Mitte des 9. Jahrhunderts begegnen wir Chor-
bischöfen, die dem Domkapitel und damit stärker dem Ordinarius zugeordnet waren.
Diese Organisationsform wurde obsolet, als noch vor 888 in der Trierer Kirchenpro-
vinz der Chorepiskopat aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abgeschafft wurde.
Außerdem brachte der Untergang Bischof Walos 882 in der Normannennot einen
erheblichen Einschnitt, eine Reduktion auch in den oberen Rängen des Metzer Kle-
rus.
Die von Adalbero I. (929 - 962) geführte Reformbewegung beschränkte sich nicht
auf das Klosterwesen, sondern resultierte auch in einer Neuorganisation des
Führungspersonals an der Kathedrale. Seit 942 läßt sich eine Zweiteilung des Archi-
diakonats beobachten, die offenbar zugleich mit der Abgrenzung von zwei Sprengeln
einherging. Damit erhielt auch die alte jurisdiktionelle Befugnis des Archidiakons
(seit Chrodegang das Recht, den Bann zu verhängen), die bislang allein durch den
Auftrag des Bischofs bestimmt war und von ihm aus gesehen eine Art Aushilfs-
charakter besaß, mit einer geographischen Definition des Aufgabenbereichs ein
selbständigeres Gewicht.
Diese Struktur fand Hermann (1073 - 1090) noch bei seinem Pontifikatsantritt vor,
führte jedoch schon bald eine weitere Auffächerung ein: der Primicerius und der 89
89 Vgl. Michel Parisse, Les chanoines réguliers en Lorraine. Fondations, expansion (XP-XIIe
siècles), in: Annales de l’Est 20 (1968) S. 347-388, Franz-Reiner Erkens, Narratio et exor-
dium monasterii de Sanctipetrimonte. Über die Anfänge des Kanonikerstiftes St. Pierremont
in der Diözese Metz, in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 12 (1986) S. 41-61.
110
Dekan sollten außerdem die Aufgaben von Archidiakonen erfüllen, ihnen traten
zwei weitere Archidiakone zur Seite, so daß die Metzer Diözese seitdem deren vier
besaß. Sie hatten Amtssprengel, die freilich nicht etwa fest mit bestimmten Dignitä-
ten im Domkapitel verbunden waren. Sie übten ihre Jurisdiktion selbständig aus,
waren allerdings noch nicht in der Lage, eigene Urkunden auszustellen. Diese Befug-
nis erwarben sie erst im Lauf des 12. Jahrhunderts, wobei sie weiterhin Angehörige
des Domstifts blieben. Die Entwicklung ging schließlich so weit, daß 1230 Bischof
Johann die Mitbesieglung seines Archidiakons benötigte, um die Schenkung des
Patronatsrechtes von Willingen an das Kloster Fraulautern bestätigen zu können''".
Betrachtet man die Entwicklung in Langzeitperspektive, so hatten die Archidiakone
am Ende derart einschneidende Befugnisse, daß sie der Einheit von Hirt und Herde
viel eher Abbruch taten, als es einstmals den wegen dieser Gefahr abgeschafften
Chorbischöfen möglich gewesen wäre.
Auffallend erscheint in der Entwicklung der Metzer Seelsorgsorganisation die starke
Traditionsgebundenheit, die sich gegenüber Neuentwicklungen anderer Ortskirchen,
etwa gegenüber den benediktinisch-kolumbanischen Klöstern des 7. Jahrhunderts,
den Kollegiatstiften des 10./11. Jahrhunderts, den Chorherrenstiften des 12. Jahrhun-
derts als sehr resistent erwies. Gefestigt hat diese Traditionsgebundenheit sicherlich
Adalbero I., indem er im Zuge der Gorzer Reform in allen Konventen seiner Diözese
die Einführung der Benediktinerregel erzwang, so daß als einziges weltliches Stift
praktisch nur das Domstift übrigblieb. Dies war wohl der Hauptgrund für die große
Verzögerung bis zur Einrichtung von Kollegiatstiften als Archidiakonatssitzen.
Es wäre jedoch grundfalsch, darin eine Schwäche, einen Mangel, einen unzeit-
gemäßen, minderen Rang der Metzer Bistumsorganisation vom 11. bis frühen 13.
Jahrhundert diagnostizieren zu wollen. Vielmehr bot die eigenständig weiterent-
wickelte Metzer Tradition seit Bischof Sigibald auch vor dem Anschluß an das Kolle-
giatstiftssystem offenbar effektive Möglichkeiten einer guten Führung und Kontrolle
des christlichen Lebens auf dem flachen Land. Im Gegenteil war es, solange die vier
Archidiakone nur Dignitäre des Domkapitels, nicht Pröpste von archidiakonalen
Stiften waren, leichter möglich, die diözesane Jurisdiktion einheitlich und im engen
Einvernehmen mit dem Bischof zu praktizieren. Die Gefahr der Verselbständigung
von Archidiakonen, die zugleich Stiftspröpste waren, hatte im Metropolitanbistum
bereits im 12. Jahrhundert böse Früchte getragen , so daß sich Papst Hadrian IV. am
11. Mai 1157/59 veranlaßt sah, den Trierer Archidiakonen zu verbieten, Niederkir-
chen ohne Wissen und Einverständnis ihres Erzbischofs zu besetzen, sie auch ganz
allgemein an die gute Ordnung und debitam in omnibus subiectionem et reuerentiam
gegenüber ihrem Ordinarius erinnern mußte"1. Ein solche Fehlentwicklung konnte in
dem älteren Metzer System, wie es bis ins 12. Jahrhundert gehandhabt wurde, nicht
so leicht eintreten. 90 91
90 E. Ausfeld, Die Anfänge des Klosters Fraulautern bei Saarlouis, in: Jb. d.. Gesell, f.
lothr. Gesch. u. Altertumskde. 12 (1900) S. 26 Nr. 14.
91 Mrh. UB 1 (wie Anm. 10) Nr. 601, JL. 10523.
111
""ü '
Hans-Walter Herrmann
Die KoHegiatstifte in der alten Diözese Metz
Peter Moraw begreift die Stiftskirche bzw. das Kollegiatstift „als eine der interessan-
testen Stätten der für das Mittelalter grundlegenden Begegnung von Kirche und
Welt“1. Bei einer solchen Würdigung ist es erstaunlich, daß die Herausarbeitung
gemeinverbindlicher Grundzüge dieser kirchlichen Lebensform erst in letzter Zeit
eine stärkere Aufmerksamkeit der Forschung gefunden hat2. Die Vielfalt der inneren
Struktur der einzelnen Stifte und die daraus resultierenden Schwierigkeiten verglei-
chender Untersuchungen sowie eine für die Frühzeit spärliche Quellenlage dürften
dabei hemmend oder gar entmutigend gewirkt haben. In den beiden letzten Jahr-
zehnten ist die Zahl der sich auf einzelne Stifte beziehenden Arbeiten gewachsen. In
dem Erzbistum Trier als nördlich angrenzender Nachbardiözese wurden im Rahmen
der Arbeiten der Germania Sacra die beiden größeren Stifte St. Paulin/Trier3 und St.
Kastor/Karden4 und die kleineren Stifte Oberwesel. Boppard, St. Goar5 und St. Flo-
rin/Koblenz6 aufbereitet und die Quellen des Koblenzer Stiftes St. Kastor7 und eini-
ger Stifte an der unteren Lahn* in regestenartiger Aufarbeitung ediert. Ferdinand
Pauly^ unterscheidet in der Zusammenfassung seiner Ergebnisse über Siedlung und
Pfarrorganisation in der alten Diözese Trier sechzehn KoHegiatstifte einer älteren
und sechs einer jüngeren Gruppe, wobei er die Trennungslinie bei der Jahrtausend-
wende ansetzt, skizziert ihre Gründungsgeschichten und schenkt ihrer Stelle im
System der Pfarrorganisation besondere Beachtung. In der alten Diözese Metz in
ihrer bis ins späte 18. Jh. gültigen Ausdehnung hat neuerlich nur das kleine und kurz-
lebige Stift St. Blasius in Saarwerden eine ausführlichere Behandlung erfahren. Eine
nicht vollständige Übersicht der ehemals vorhandenen Stifte findet sich in dem im
' Peter Moraw, Hessische Stiftskirchen im Mittelalter, in: Archiv für Diplomatik, Schrift-
geschichte, Siegel- und Wappenkunde 23, 1977, S. 425-458, hier S. 427.
2 vgl. Artikel „Kanoniker“ von R. Schieffer im Lexikon des Mittelalters Bd. 5 Sp. 904 f. mit
weiterführender Literatur; Artikel „Kapitel“ von H. J. Becker, ebenda Bd. 5 Sp. 938 f.;
Bernd Schneidmüller, Verfassung und Güterordnung weltlicher KoHegiatstifte im Hoch-
mittelalter, in: Ztschr. f. Rechtsgesch. kan. Abt. 103, 1986, S. 119-124; Josef Siegwart, Die
Chorherren- und Chorfrauengemeinschaften in der deutschsprachigen Schweiz vom 6. Jh. bis
1160 (= Studia Friburgensia NF 30, Freiburg i. Ue. 1962).
3 Franz-Josef Hey en, Das Stift St. Paulin vor Trier, Berlin - New York 1972 (Germania Sacra
NF Das Erzbistum Trier 1).
4 Ferdinand Pauly, Das Stift St. Kastor in Karden an der Mosel, Berlin - New York 1986
(Germania Sacra NF Das Erzbistum Trier 3).
5 Ferdinand Pauly, Die Stifte St. Severus in Boppard, St. Goar in St. Goar, Liebfrauen in
Oberwesel, St. Martin in Oberwesel, Berlin - New York 1980 (Germania Sacra NF, Das Erz-
bistum Trier 2).
6 Anton Diederich, Das Stift St. Florin in Koblenz, Göttingen 1967 (Studien zur Germania
Sacra).
7 Aloys Schmidt, Quellen zur Gesch. des St. Kastorstiftes in Koblenz, 1. Band; Urkunden
und Regesten (857-1400), Bonn 1953-55; derselbe, Quellen zur Wirtschafts- und Sozialge-
schichte des Stiftes St. Kastor in Koblenz, 2 Bde., Koblenz 1975-1978.
8 Wolf Heino Struck, Quellen zur Gesch. der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn
bis zm Ausgang des Mittelalters. 5 Bde., Wiesbaden 1956-1983, betr. folgende Stifte: St. Geor-
gen/Limburg (Bd. 1), Dietkirchen, Diez, Gemünden, Idstein, Weilburg (Bd. 2 u 5).
84 Ferdinand Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier, Zusammenfas-
sung und Ergebnisse, Koblenz 1976, S. 395-429.
113
18. Jh. von Dom Tahouillot und anderen Benediktinern zusammengestellten Polium,
das Nicolas Dorvaux kritisch edierte und annotierte9. Michel Parisse geht in seinem
für einen größeren Leserkreis geschriebenen Buch „La Lorraine monastique“10 11 nicht
auf die Kollegiatstifte ein.
Peter Moraw hat im Jahre 1980 nach Beschäftigung mit einzelnen Kollegiatstiften"
den Versuch einer Typologisierung der Stifte, ihrer zeitlichen Schichtung und ihrer
geographischen Verbreitung vorgelegt12. Im Folgenden möchte ich versuchen, einen
Überblick über die im Mittelalter in der Diözese Metz bestehenden Kapitel von
Kanonikern (Kollegiatstifte, Chorherrenstifte) zu geben13 und zu prüfen, inwieweit
sie sich in die Morawsche Typologisierung einordnen lassen bzw. wo deutliche
Abweichungen von seinen vornehmlich anhand rechtsrheinischer Verhältnisse
gewonnenen Grundzügen zu erkennen sind. Freilich versteht sich mein Referat nur
als ein erster Versuch, der in dem Maße korrekturbedürftig werden wird, wie die Edi-
tion hoch- und spätmittelalterlicher Quellen aus dem Bereich der alten Metzer Diö-
zese fortschreitet und die Geschichte einzelner Kollegiatstifte eine gründliche Aufar-
beitung, nicht zuletzt nach prosopographischen Gesichtspunkten, erfahren wird.
Ausgespart bleibt die unter dem Eindruck der gregorianischen Reform aufkommen-
de strengere Richtung der Regularkanoniker14, die in der Diözese Metz zunächst in
St. Pierremont15 auftritt, im weiteren Verlauf des 12. Jhs. dann in einigen Prämonstra-
tenserkonventen sich äußert16.
Für die Zeit vor 816 ist bekanntlich eine klare begriffliche Unterscheidung zwischen
Stift und Kloster nicht möglich. Die Gesetzgebung Karls des Großen unterschied
zwar schon zwischen canonici clerici, die in domo episcopali leben, denen, die in
monasterio, die vita communis pflegten, und den Geistlichen, deren Obere nur pres-
byteri waren, und ein Kapitulare von 805 forderte vom Klerus entweder monastice
oder canonice zu leben17. Doch erst die Aachener Reformsynoden der Jahre 816, 817
9 Nicolas Dorvaux, Les anciens pouillés du diocèse de Metz, Nancy 1902, S. 260-269.
10 Michel Parisse, La Lorraine monastique au moyen âge, Nancy 1981.
11 Peter Moraw, Klöster und Stifte im Mittelalter, in: Pfalzatlas, Textband Im Speyer 1964, S.
19-31, vgl. auch Anm. 1.
12 Peter Moraw, Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen
Mittelalter, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, Göttingen 1980 (= Veröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68, Studien zur Germania Sacra 14) S. 9-37.
13 Im Anhang sind die wichtigsten Daten zu Gründung, Statuten, Dignitären, Quellen und Lite-
ratur zu den einzelnen Stiften zusammengestellt.
14 Michel Parisse, Les chanoines réguliers en Lorraine. Fondations, expansion XIe - XIIe
siècles, in: Annales de l’Est 20, 1968, S. 347-388; Stefan Weinfurter, Neuere Forschungen
zu den Regularkanonikern im deutschen Reich des 11. und 12. Jhs., in: Hist. Ztschr. 224, 1977,
S. 379 ff.; derselbe, Reformkanoniker und Reichsepiskopat im Hochmittelalter, in: Hist. Jb.
97/98, 1978, S. 158 ff.; Franz-Reiner Erkens, Die Kanonikerreform in Oberlothringen, in:
Hist. Jb. 107. 1987.
15 Franz-Reiner Erkens, Narratio et exordium monasterii de Sancti Petrimonte. Über die
Anfänge des Kanonikerstiftes St. Pierremont in der Diözese Metz, in: Jb. westdt. Landes-
gesch. 12,1986 S. 41-61, insbesondere S. 55 ff.
16 Parisse (wie Anm. 10) S. 63-70.
17 Josef Semm 1er, Mönche und Kanoniker im Frankenreiche Pippins III. und Karls des
Großen, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift (wie Anm. 12) S. 78-111, hier insbesondere
S. 98 f.
114
und 818/19 stellten der rein benediktinischen consuetudo, die sie für alle monasti-
schen Gemeinschaften zwingend vorschrieben, eine Lebensordnung gegenüber, auf
die sich alle verpflichteten, qui in canonica professione militant. Auf Jahrhunderte
überließ dadurch der monastische Ordo Mission und Seelsorge den clerici canonici
unter der Führung der Diözesanhierarchie18. In Metz traf diese Entwicklung auf die
Tradition der von Erzbischof Chrodegang19 ausgearbeiteten Regeln für den Kathe-
dralklerus, die von seinem Nachfolger Angilram in Details ergänzt worden waren20.
Mit der an den Tod Erzbischofs Angilrams anschließenden, rund zwanzigjährigen
Sedisvakanz in Metz mag Zusammenhängen, daß bei den Aachener Reformbeschlüs-
sen keine Metzer Mitwirkung zu erkennen ist.
Moraw hat auf die Schwierigkeiten der Erfassung der Gründungsumstände eines Stif-
tes hingewiesen, zumal meist erst seit dem 13. Jh. die Überlieferung stärker einsetzt,
und auch darauf, daß infolge der engen Zusammenhänge zwischen Stiftsverfassung
und Stiftsüberlieferung die Quellen erst seit dem 13. Jh. reichlicher fließen. Der
Gründungsvorgang eines Stiftes erstreckt sich in der Regel über einen längeren Zeit-
raum, wie dies auch Fälle aus der Metzer Diözese zu veranschaulichen vermögen. Für
die Zeit vor 816 spricht Moraw nicht von gegründeten, sondern von gewachsenen
Klerikergemeinschaften21. Eine ihrer Wurzeln sind Gruppenbildungen an Märtyrer-
gedenkstätten und an Ruhestätten anderer Heiligen, zu denen in den gallischen und
rheinischen Bischofsstädten meist die ersten Bischöfe zählten. Metz besaß wie jedes
Bistum spätantiken oder frühmerowingischen Ursprungs Cömiterialbasiliken, die
über den Gräbern der frühen Bischöfe entstanden waren, vor allem bei den frühen
Kirchen St. Felix, dessen Patrozinium später durch das des ersten Metzer Bischofs
Clemens verdrängt wurde, und St. Aposteln, das das Patrozinium des bekannten
Metzer Bischofs Arnulf annahm22 *. Von der bei St. Arnulf lebenden Klerikergemein-
schaft (clerici) wird berichtet, daß Erzbischof Drogo (t 855) sich erfolglos bemüht
habe, sie durch Mönche zu ersetzen21. Es ergibt sich im Gegensatz zu Trier der Fall,
daß alle alten Cömiterialbasiliken bei der Bischofsstadt mindestens seit der Mitte des
9. Jhs. in Benediktinerabteien umgewandelt sind und daß damals in Metz außer dem
Domkapitel keine andere in die Zeit vor 816 zurückreichende Kanonikergemein-
schaft mehr besteht.
18 Ebenda S. 109 ff.
” vgl. Artikel „Chrodegang“ in Lexikon des Mittelalters Bd. 2, 1983 Sp. 1949 f. mit weiteren
Literaturangaben; Fritz Grimme, Die Kanonikerregel des hl. Chrodegang und ihre Quellen,
in: Jb. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. u. Altertumskde. 27/28, 1915/16 S. 1-44; Gaston Hoc-
quard, La Règle de Saint Chrodegang. Etat de quelques questions, in: Saint Chrodegang.
Communications présentées au colloque tenu à Metz à l’occasion du douzième centenaire de
sa mort, Metz 1967 S. 55-89.
20 Se mm 1er (wie Anm. 17) S. 101.
21 Moraw (wie Anm. 12) S. 14.
22 Nancy Gauthier, Topographie chrétienne des cités de la Gaule des origines au milieu du
VIIIe siècle, I: Province ecclésiastique de Trêves (Belgica Prima), Paris 1986, S. 49 f.
21 vgl. Semmler (wie Anm. 17) S. 89 Anm. 61.
115
Keine Anhaltspunkte liegen vor, daß die später innerhalb der Kathedralgruppe vor-
handenen Kollegiatstifte St. Peter maior und St. Maria rotunda bis in die karolingi-
sche Zeit zurückreichen. In der Regel Chrodegangs und in dem Stationsverzeichnis
Metzer Kirchen aus dem späten 8. Jh.24 werden zwar im Kathedralbereich die Kirchen
Sancti Petri veteris, Sancti Petri maioris infra episcopium (später Sancti Petri ad yma-
gines genannt), Sancti Pauli supra claustrum und Sancta Maria erwähnt, aber eben
nur als Kirchen, nicht als Sitz von Klerikergemeinschaften. Ersterwähnung einer Kir-
che und Ersterwähnung eines Kapitels sind streng voneinander zu trennen. Die in
St. Petrus maior gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aufgedeckten Chorschranken25
trennten in ähnlicher Weise wie in der frühen Metzer Kathedrale einen für die Kleri-
ker bestimmten Chorraum (presbyterium) von dem für das Kirchenvolk bestimmten
Raum ab, aber er dürfte eher für die im Rahmen der Prozessionen und aus anderen
Gründen hierher kommenden Kathedralgeistlichen bestimmt gewesen sein als für ein
eigenes, vom Domkapitel unterschiedenes Stiftskapitel.
Ein anderer Ansatz zur Bildung von Kollegiatstiften ergab sich bekanntlich aus dem
Zusammenwirken und -leben mehrerer Kleriker in Stützpunkten auf dem flachen
Land, von denen aus sie die seelsorgerliche Betreuung und die kirchlich-organisatori-
sche Erfassung der Bevölkerung angingen.
Als ältestes Kollegiatstift der Diözese Metz außerhalb der Stadt betrachte ich St.
Arnual, heute in der Landeshauptstadt Saarbrücken gelegen. Vor zwei Jahrzehnten
habe ich gemeinsam mit Erich Nolte26 versucht, aus Nachrichten des 17. und frühen
18. Jhs. über die Errichtung einer Klerikergemeinschaft durch den Metzer Bischof
Arnualdus in dem ihm von dem Merowingerkönig Theudebert II. geschenkten Dorfe
Merkingen an der Saar einen historischen Kern herauszuschälen. Zeigenössisch wird
die Existenz des Stiftes St. Arnual erstmals für das frühe 12. Jh. belegt durch die
Nachricht in der Vita des Albero von Montreuil, daß er vor seiner Wahl zum Erzbi-
schof von Trier Propst von St. Arnual gewesen sei27. Die seitdem im Zusammenhang
mit der Sanierung der Stiftskirche vorgenommenen Grabungen führten zur Auf-
deckung von mindestens vier Vorgängerbauten des heutigen gotischen Baues, u.a.
wurden dabei die Fundamente eines karolingerzeitlichen dreischiffigen Langhauses
mit einer Achsenlänge von gut 20 m freigelegt28. Dies sind Dimensionen, die weit
24 Gauthier (wie Anm. 22) S. 44, dort auch genaue Angaben zur Lage.
25 C. Heitz, Metz et son groupe épiscopal à l’époque pré-carolingienne et carolingienne. Egli-
ses de Metz dans le haut-moyenage, Paris - Nanterre 1982, S. 5-13 (= cahier 4 du Centre de
recherches sur l’Antiquité tardive et le haut Moyen Age).
26 Hans-Walter Herrmann - Erich Nolte, Die Frühgeschichte de Stiftes St. Arnual und die
politische und kirchliche Erschließung des Saarbrücker Talraumes, in: Ztschr. f. d. Gesch. d.
Saargegend 19,1971, S. 52-123.
27 Gesta Alberonis, in: MGH SS Bd. 8 S. 247; vgl. zu Albero: H. J. Krüger, Albero, Erzb. v.
Trier, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 1 Sp. 283 und die Kurzbiographie von Michel Pa risse
in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’arch. de Lorraine 85,1971, S. 26.
28 Emanuel Roth, Die Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken, die vorgotischen Anlagen nach
dem Stand der Grabungen Ende 1985, in: Deutsche Kunst- und Denkmalpflege 44, 1986,
S. 109-118. Vgl. neuerdings: Vorromanische Kirchenbauten. Katalog der Denkmäler bis zum
Ausgang der Ottonen, Nachtragsband bearb. von W. Jacobsen, L. Schäfer, H. R. Senn-
hauser, München 1991 S. 354-355 mit teilweise abweichender Datierung der dreischiffigen
Anlage „Vom Typus her ottonisch“.
116
über die einer Pfarrkirche hinausgehen. Ich sehe darin eine archäologische Stütze für
das Bestehen einer Klerikergemeinschaft in St. Arnual in karolingischer Zeit. Für ein
hohes Alter des Stiftes St. Arnual spricht auch die Tatsache seiner Exemtion von der
Zuständigkeit des Archidiakons von Saarburg und des Archipresbyters. Erstmals
belegt wird dies 1252 durch die Beurkundung, daß die Kapelle in Thedingen Öl und
Chrisma nicht von dem zuständigen Archipresbyter, sondern vom Dekan des Stiftes
St. Arnual zu beziehen habe, er und nicht der Archipresbyter das Sendgericht halte
und ihm das cathedraticum zu entrichten sei29. Ich sehe auch in der 1372 erstmals
bezeugten Benennung als secunda sedes der Metzer Bischöfe, von der ausdrücklich
gesagt wird, daß sie in alte Zeiten zurückgehe30, eine Bestätigung für das hohe Alter
und den besonderen Rang des Stiftes St. Arnual. Secunda sedes könnte bedeuten, daß
St. Arnual nach dem Domkapitel das älteste Stift der Diözese war und seit dem
frühen 7. Jahrhundert ein Bischofsgrab besaß31, nämlich das des Arnualdus.
Weitere Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts belegen, daß die dem Stift St. Arnual
gehörenden und von ihm zu versorgenden sogenannten Stiftsgemeinden einen Klein-
archidiakonat bildeten. Im Bereich des Bistums Trier konnte Ferdinand Pauly32 für
die Stiftskirchen Münstermaifeld, Karden. St. Castor und St. Florin in Koblenz und
Boppard und die von ihnen versorgten Pfarrkirchen die Exemtion von der Jurisdikti-
on des Archidiakons aufzeigen. Sie beruht nach seiner Ansicht auf einer Delegation
von Rechten des Bischofs an die Pröpste der Kollegiatstifte.
Über die Anfänge eines weiteren Stiftes auf dem flachen Lande sind wir dank einer
günstigen urkundlichen Überlieferung besser unterrichtet. Bischof Adventius (858 -
875) wurde durch die bei einer Visitationsreise in den nordöstlichen Teil seiner Diö-
zese angetroffenen Mißstände veranlaßt, auf Bischofsgut im Bliestal in der Nähe der
heutigen Stadt Ottweiler eine cella, in der Kanoniker leben sollten, zu gründen, ließ
einen Kirchenbau errichten, weihte ihn der hl. Dreifaltigkeit, ließ die Gebeine eines
seiner Vorgänger, des als heilig verehrten Terentius, dorthin überführen und stattete
das so gegründete Stift mit Grundbesitz im Bliesgau und im Wormsgau und einer
Kirche in der unmittelbaren Nachbarschaft aus. Wir besitzen zwar nicht die Grün-
dungsurkunde des Bischofs Adventius, sondern nur die Bestätigung durch König
Ludwig den Deutschen vom Jahre 87133, aus der sich ein Terminus ante quem für die
29 August Hermann Jungk, Regesten zur Geschichte der ehern, nassau-saarbrückischen Lande
(bis zum Jahre 1381), Saarbrücken 1914/1919 Reg. Nr. 377 (= Mitt. d. Hist. Ver. f. d. Saarge-
gend Heft 13 u. 14).
30 Petens propterea et maxime cum predicta ecclesia dicatur initialiter esse secunda sedes episco-
patus Metensis, gedruckt bei Johann Martin Kremer, Genealogische Gesch. d. alten Arden-
nischen Geschlechtes Bd. 2: Codex diplom. 1785, S. 531 Nr. 249 und bei J. P. Kirch , La collé-
giale de Saint Arnoual, Nancy - Paris - Strasbourg 1929 S. 199f.
31 Argumente für seine Bestattung in St. Arnual bei Herrmann -Nolte (wie Anm. 26). Bei
keiner der zahlreichen Grablegen, die bei den Ausgrabungen zwischen 1982 und 1989 aufge-
deckt wurden, ergaben sich Hinweise auf eine mögliche Identifizierung der Gebeine des
Bischofs Arnualdus.
32 Ferdinand Pauly, Kleinarchidiakonate und exemte kirchliche Jurisdiktionsbezirke im alten
Erzbistum Trier, in: Rhein. Vierteljahresbll. 24, 1959, S. 157-194; Joseph Weier, Exemte
Jurisdiktionsbezirke im Archidiakonat Dietkirchen, in: Arch. f. mrh. Kirchengesch. 21, 1969
S. 35-58.
33 MGH DD ex stirpe Karolinorum Bd. 1,2. Aufl. 1956 S. 192f. Nr. 138.
117
Errichtung des Stiftes ergibt. Sein Nachfolger Rodbert vermehrte auf Bitten der
Kanoniker im Jahre 893 den Besitz durch die Zuweisung der Mutterkirche in Illingen
und der Kapelle in Schiffweiler und weiteren Grundbesitzes14. Die Stiftsgründung in
dem Nordostzipfel der Diözese in exponierter Grenzlage zu den benachbarten Bistü-
mern Trier und Mainz veranschaulicht, wie der Metzer Bischof hier seinen Einfluß
gegenüber den beiden Nachbardiözesen zu stärken versuchte. Eine längere Blütezeit
war dem Stift an der Blies nicht beschieden, seine weitere Entwicklung wurde seit der
Wende vom 1. zum 2. Jahrtausend durch ein Frauenkloster beeinträchtigt, das
Bischof Adalbero II. (984 - 1005) in unmittelbarer Nähe des Stiftes gründete und
dem er einen Teil des Stiftsvermögens übertrug. Unter dem Namen Neumünster
erscheinen seitdem Stift und Frauenkloster15, letzteres konnte sich Zuwendungen der
Metzer Bischöfe und des regionalen Adels erfreuen, während das Stift seit dem 11.
Jh. eine rückläufige Entwicklung nahm, aber doch bis ins 16. Jh. bestand16. Leider
fehlen nähere Nachrichten über das Verhältnis zur Äbtissin.
In dem Stift Neumünster begegnet uns eine Variation des von Moraw vorgestellten
Typs des am Klosterort und vom Kloster selbst gegründeten, in seinen Funktionen
vornehmlich auf die Seelsorge ausgerichteten Stiftes. In der Art und Weise, wie das
Stift Neumünster hinter dem gleichnamigen Kloster zurücktritt und, nach den weni-
gen Quellen zu urteilen, Propst und Kanoniker Weisungen von der Äbtissin erhalten,
entspricht es durchaus dem Morawschen Typ des Minderstiftes34 35 36 37 38 klösterlicher Grün-
dungsinitiative. Es unterscheidet sich aber durch seine Gründungsgeschichte - denn
im Falle Neumünster wurde zuerst das Stift auf bischöfliche Initiative errichtet - und
dadurch, daß noch im 16. Jh. der Bischof von Metz das Besetzungsrecht der Pfründen
ausübte bzw. beanspruchte373.
Eine reinere Form dieses Morawschen Typs finden wir in dem St. Fabiansstift in
Hornbach3'1. Es wird 1149 erstmals erwähnt39, Moraw setzt mit guten Gründen seine
Entstehung in die letzten Jahrzehnte des 10. Jhs. und möchte die Gründungsmotive
denen der ebenfalls von Hornbach aus um 975/76 erfolgten Stiftung von St. Philipp in
Zell in der Wormser Diözese annähern40. Deutlicher als bei Neumünster wird bei
dem Fabiansstift in Hornbach die Einwirkung der Abtei auf die Stiftsverfassung und
die Reduzierung der Dignitäten, die im 14. Jh. zum Wegfall von Propst- und Dekans-
amt führte.
34 Mittelrhein. Urkundenbuch Bd. 1 Nr. 134 S. 141.
35 vgl. Anhang „Neumünster“.
36 Johannes Hau - Karl Schütz, Neumünster - Ottweiler, 1934 S. 40.
37 Moraw, Typologie (wie Anm. 12) S. 17.
37a Im Polium des 16. Jhs. (Dorvaux, Pouillés S. 67f.) erscheint unter der Rubrik Beneficia aä
collationes reverendissimi patris illustrissimique principis Episcopi metensis spectantia auch
canonicatus et prebendas de Novomonasterio, während unter den Collationes abbatisse de
Novomonasterio (S. 92) zehn Pfarrkirchen, darunter ecclesia de Novomonasterio aber nicht
die Pfründen der Stiftsherren genannt sind.
38 Vgl. Anhang.
39 Andreas Neubauer, Regesten des ehern. Benediktiner-Klosters Hornbach, Speyer 1904,
S. 15 Nr. 38 (= Mitt. d. Hist. Ver. d. Pfalz 27).
40 Peter Moraw, Das Stift St. Philipp zu Zell in der Pfalz. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kir-
chengeschichte, Heidelberg 1964 (= Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte
und Landeskunde 9),
118
Bevor ich mich den im Hoch- und Spätmittelalter in der Metzer Diözese entstande-
nen Kollegiatstiften zuwende, möchte ich darauf hinweisen, daß es außer den durch
schriftliche Quellen und archäologische Befunde gesicherten Kollegiatstiften einige
toponymische Hinweise auf Klerikergemeinschaften gibt, die sich anscheinend so
früh zurückgebildet haben, daß sie weder in der mittelalterlichen Geschichtsschrei-
bung noch im Geschäftsschriftgut erscheinen. Ich denke hier an Ortsnamen, die sich
von „monasterium“ herleiten und in der französischen Sprache zu Moutier oder Mon-
tier weiterentwickelt haben, z. B. Moutier-en-Argonne oder Montier-en-Der, in der
deutschen zu Münster, Beispiel Münster im Gregoriental (Elsaß), oder auch in ellipti-
scher Form als Münstermaifeld, Münstereifel, Münsterdreisen begegnen. Diese Orts-
namen weisen auf Gemeinschaften von Klerikern hin, die mit der Verwaltung von
Großpfarreien beauftragt waren41. Bei manchen läßt sich belegen, daß sie sich teilwei-
se zu Kollegiatstiften oder zu Gemeinschaften monastischer Lebensform weiterent-
wickelten, andere nahmen eine rückläufige Entwicklung und lösten sich im Laufe der
Zeit auf, nachdem aus grundherrlicher Initiative gegründete neue kleine Pfarreien
sich von der alten Großpfarrei abgespalten und verselbständigt hatten und damit das
Aufgabenfeld der Klerikergemeinschaft der Großpfarrei sich verringerte. Die Exi-
stenz solcher „Landmonasteria“ im 10. Jh. in der Diözese Metz wird in der Vita des
Johann von Gorze erwähnt42. Es liegt nahe, sie mit den entsprechenden Ortsnamen in
Verbindung zu setzen. In der Diözese Metz finden wir außer dem schon genannten
Neumünster folgende Ortsnamen dieses Typs:
- Moutier bei Briey,
- Münster am Rothbach zwischen Albe und oberer Saar,
- Valmünster im Niedbogen,
- Wolmünster unweit Bitsch.
Die Entstehung von ahd. munistiri wird von Achim Masser in das 7. Jh. gesetzt,
belegt ist das Wort im Deutschen erst seit der zweiten Hälfte des 8. Jhs.43.
Die urkundliche Ersterwähnung der vier Orte liegt verhältnismäßig spät.
Valmünster: in villa Walamonasterii in der ältesten um die Mitte des 10. Jhs. zu datie-
renden Schicht des Mettlacher Urbars44.
Wolmünster: villas eciam nos respicientes scribamus . .. Wilmunstere in der zwischen
1139 und 1176 entstandenen Grenzbeschreibung der Herrschaft Bitsch45 *.
Münster: in der Bestätigung der Übertragung des Patronatsrechtes in Münster, durch
den Herrn von Malberg-Finstingen, an das von ihm neu gegründete St. Nikolausstift
(1262 Monstre, 1270 Munstre, 1271 Monasterium)*.
41 Vgl. auch Paul y (wie Anm. 32).
42 Vita Gorziensis, vgl. auch den Beitrag von Franz S taa b in diesem Band.
44 Achim Masser, Die Bezeichnungen für das christliche Gotteshaus in der deutschen Sprache
des Mittelalters, Berlin 1966, S. 70-83 zu „munistiri“.
44 Hartmut Müller, Die Mettlacher Güterrolle, in: Ztschr. f. d. Gesch. d. Saargegend 15, 1965,
S. 177.
45 Hans-Walter Herr mann, Gesch. d. Grafsch. Saarwerden bis zum Jahre 1527, Bd. 1 Saar-
brücken 1957, S. 649 Beilage VII.
* Vgl. Anhang „Münster“.
119
Moustier: 1239 Moustiers47, 1360 de Monasterio4*.
Die vier monasterium-Orte besitzen alte Pfarrkirchen. Ihre Patrozinien gehören der
ältesten Schicht an, wie sie hierzulande bereits in merowingischer Zeit verwendet
wurden:
St. Martin in Moutier49
St. Peter in Wolmünster50
St. Johannis der Täufer in Valmünster51
St. Paul in Münster am Rothbach52 53.
Angesprochen werden muß die geographische Lage der vier monasterium-Orte der
Diözese Metz, denn sie zeigt deutlich eine Grenzlage zu den Nachbardiözesen: Mou-
tiers zur Diözese Verdun und Valmünster zur Diözese Trier. Wolmünster liegt am
westlichen Rande des wenig siedlungsgünstigen Waldlandes der Nordvogesen, das
einen breiten Grenzsaum zur Diözese Straßburg bildete. Für Münster am Rothbach
scheint diese Grenzlage auf den ersten Blick nicht zuzutreffen. Orientieren wir uns
aber nicht an der spätmittelalterlichen Bistumsgrenze, sondern betrachten den
bischöflichen Temporalbesitz, so liegt es am östlichen Rande des vor dem 10. Jh. fest-
legbaren Bischofsgutes. Der östlich davor liegende Landstrich an der oberen Saar
und an der Eichel war im Frühmittelalter im Besitz des Adels, der ihn zum größeren
Teil an die Klöster Weißenburg, Remiremont und Herbitzheim veräußerte”. Das
Wirken des Abtei Weißenburg zur Verbesserung der Niederkirchenorganisation, das
von Franz Staab kürzlich herausgearbeitet wurde54, könnte die Wahl des Ortes zur
Anlage eines „Landmonasteriums“ bedingt haben.
Insofern könnte man die Gründung von Klerikergemeinschaften in den vier monaste-
rium-Orten durchaus als Parallele zur Gründung des St. Terentiusstiftes an der obe-
ren Blies, über die wir dank einer Urkunde Ludwigs des Deutschen informiert sind,
sehen, nämlich als bewußte Maßnahme der Bischöfe zur Sicherung ihres Einflusses
gegenüber den Nachbardiözesen durch die Anlage kirchlicher Stützpunkte in Form
von Klerikergemeinschaften. Freilich ergeben die spätmittelalterlichen Patronats-
rechte an den monasterium-Orten keine direkten Hinweise auf bischöflichen Einfluß.
Das Patronatsrecht in Valmünster im Niedbogen gehörte der Abtei Mettlach55, in den
47 1239 Moustiers, Pfarrei im Archipresbyterat Hatrize, M. de B o u t e i 11 e r, Dictionnaire topo-
graphique de l’ancien département de la Moselle, Paris 1874 S. 182.
48 Dorvaux (wie Anm. 9), S. 17.
49 Ebenda S. 60, 95,174, 583f.
50 Ebenda S. 30,179f„ 664.
51 Ebenda S. 470.
52 Franz C u n y, Reformation und Gegenreformation im Bereich des früheren Archipresbytera-
tes Bockenheim, Metz 1937, Bd. 1 S. 99f.
53 Hans-Walter Herrmann, Die Besiedlung des Landes an Saar und Blies vom 4.-10. Jh.
anhand historischer Quellen, in: Cahiers Sarregueminois Nr. 6, avril 1968, S. 260-268, insbe-
sondere S. 264 ff.
54 Franz Staab, Episkopat und Kloster. Kirchliche Raumerschließung in den Diözesen Trier,
Mainz, Worms, Speyer, Metz, Straßburg und Konstanz im 7. Jahrhundert durch die Abtei
Weißenburg, in: Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 42,1990, S. 13-56.
55 Wie Anm. 51.
120
drei anderen Orten dem Adel: Graf von Dagsburg in Wolmünster56, Herren von Mal-
berg-Finstingen in Münster57, Familie Chievresson in Moutier56. Die Wahl des Stan-
dortes zur Gründung von Kollegiatstiften vor der Jahrtausendwende im Grenzbe-
reich der Diözese ist Ferdinand Pauly auch für die Diözese Trier aufgefallen5*8.
Das Aufgeben der monastischen Lebensform und die Reduzierung einst vorhande-
ner, blühender Benediktinerabteien zu Kollegiatstiften in der zweiten Hälfte des 9.
und der ersten Hälfte des 10. Jhs. unter den Einwirkungen äußerer und innerer Fak-
toren (Normannen- und Ungarneinfälle, Institut der Laienäbte) finden wir auch in
der Metzer Diözese, belegt ist dies für
- St. Arnulf (869 canonici ipsius monasteriiw), später sogar die Kanonikerregel aufge-
geben60,
- Salonne, Kanoniker 950 erwähnt61, aber schon 896 Klostergut in Pfründen aufge-
teilt62,
- eventuell auch Gorze63.
Man sollte dies aber nicht als ein Indiz für einen allgemeinen kirchlichen Niedergang
in Lotharingien werten. Jacques Choux64 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die
ersten Kräfte der lothringischen Reform aus der intellektuellen Elite der Kapitel
kamen, er sieht darin Anzeichen einer Nachwirkung der großen Reformsynoden der
Zeit Ludwigs des Frommen. In dem Maße, wie die lothringische Klosterreform sich
ausbreitete, wurde wieder die Benediktinerregel, nun meist in der besonderen, von
Gorze ausgehenden Observanz, angenommen65. In St. Arnulf stellte man sich
anscheinend am längsten dieser Entwicklung entgegen. Jedenfalls beschwerten sich
Kleriker von St. Arnulf bei Otto I., daß man sie zur Wiederaufnahme des monasti-
schen Ordo dränge658.
Es ist bekannt, daß sich die Klosterreform unter der geistlichen Führung der Gorzer
Reformgruppe und unter tatkräftiger Mitwirkung Bischof Adalberos 1. von Metz in
Lothringen durchsetzte. Der Ansicht von Franz Staab66, daß Adalbero in allen Kon-
venten seiner Diözese die Einführung der Benediktinerregel erzwungen habe und als
56 Papst Bonifaz bestätigt am 2. März 1297 der Abtei Herbitzheim das Patronatsrecht in Wol-
münster, das ihr von dem Grafen Albert von Dagsburg geschenkt wurde (Jungk, [wie Anm.
29] Nr. 776).
57 Wie Anm. 52.
58 Wie Anm. 49.
588 P a u 1 y (wie Anm. 8a) S. 428.
59 MGH DD ex stirpe Karolinorum Bd. 3 S. 144-145 Nr. 99.
60 MGH DD Otto I S. 130 Nr. 45 vom 10. 1.942.
61 Philippe Lauer, Recueil des Actes de Louis IV roi de France 936-954, Paris 1914 S. 79 f.
Nr. 36.
62 Recueil des actes de Charles III le Simple S. 10-12 z. J. 896.
63 Jacques Choux, Décadence et Reforme monastique dans la Province de Trêves 855-859, in:
Revue bénédictine 1960 S. 204-223, Nachdruck in: La Lorraine chrétienne au moyenâge,
Recueil d’études, Metz 1981 S. 53-72, S. 62 f.
M Ebenda.
65 Vgl. Artikel „Gorze“ von Michel Parisse in: Lexikon des Mittelalters Bd. 4 Sp. 1565 ff.
653 Wie Anm. 60.
66 Vgl. den Beitrag von Franz Staab in diesem Band.
121
einziges weltliches Stift nur das Metzer Domkapitel übriggeblieben sei, möchte ich
mich nicht anschließen. Ich nehme an, daß die drei Stifte im Ostteil der Diözese -
Neumünster, St. Arnual und St. Fabian/Hornbach - fortbestanden.
Neugründungen im Hochmittelalter
„Die große Zeit der Stiftskirchengründungen des Episkopates“ sieht Moraw „in
erstaunlicher chronologischer Exaktheit mit dem Zeitalter des ottonisch-salischen
Reichskirchensystems“67 68. Für den Zeitraum zwischen 960 und 1060 zählt er in den
beiden Diözesen Köln** und Lüttich69 je sieben Neugründungen. In demselben Zeit-
raum entsteht die gleiche Zahl von Stiften allein in der Stadt Mainz und ihrer unmit-
telbaren Umgebung (St. Peter, St. Stephan, St. Gangolf, St. Viktor, St. Maria im Feld,
St. Johann, Mariengreden). Für die Diözese Metz lassen sich in diesem Zeitraum
lediglich zwei bischöfliche Neugründungen nennen, und zwar die Stifte St. Salvator
(Saint Sauveur) und St. Peter. Kurz vor 1070 richtete Bischof Adalbero III. in der
Stadt Metz bei der schon mindestens seit der zweiten Hälfte des 9. Jhs. bestehenden
Salvatorkirche, in der Bischof Wala (gefallen in der Normannenschlacht des Jahres
882 bei Remich) beigesetzt worden war, ein verhältnismäßig großes Stiftskapitel ein,
dessen ungenügende materielle Ausstattung dann 1154 zur Reduzierung der Pfrün-
den auf zwanzig zwang. Ein Priester von St. Salvator und ein Diakon als sein Schüler
werden in der Vita des Johannes von Gorze genannt70, aber als Andeutung einer bei
St. Salvator schon im 10. Jahrhundert bestehenden Klerikergemeinschaft kann dies
nicht gewertet werden.
Ein Kollegiatstift St. Petrus nahe bei der Kathedrale mit Propst und vier Kanonikern
wird erstmals in einer um 1130 anzusetzenden Urkunde Bischof Stephans erwähnt.
Die Bezugnahme auf Maßnahmen seiner Vorgänger für diese Kanoniker71 * * * * erlaubt
seine Anfänge mindestens in das 11. Jh. zu setzen.
Wir sehen in der Spärlichkeit der Gründung von Kollegiatstiften aus bischöflicher
Initiative in ottonisch-salischer Zeit einen deutlichen Unterschied von Metz zu den
rheinischen Diözesen und auch zu Lüttich, während in der Diözese Toul es bei einer
bischöflichen Neugründung, nämlich St. Gangulf, im gleichen Zeitraum bleibt.
Noch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich Lothringen von den Ergebnissen,
die Moraw in den deutschsprachigen Diözesen gewonnen hat: Es fehlt hierzulande
67 Moraw, Typologie (wie Anm. 12) S. 21.
68 St. Ewald, St. Aposteln, St. Maria ad Gradus, alle in Köln, St. Patroclos in Soest, St. Martin in
Kerpen, St. Adalbert in Aachen, St. Martin in Zifflich.
60 St. Paul, St. Martin, Hl. Kreuz, St. Dionysios, St. Johannes Ev., St. Bartholomäus, alle in Lüt-
tich, St. Gangulf in Florennes.
70 Vita Johannis Gorziensis in: MGH SS IV S. 342-343.
71 Dilectus siquidem noster Adalbero, cum in ecclesia iam dicta prepositus esset et quatuor canoni-
cos ibidem ab antecessoribus nostris ad serviendum. Deo deputatos circa debitum officium
minus curiosos attenderet, negligentie causam diligentius prescrutatus hanc esset reperit . . .
(Michel Pa risse, Actes des princes Lorrains, 2^me série: Princes ecclésiastiques I.: Les évê-
ques de Metz B: Etienne de Bar 1120-1162 [Pré-édition] Nancy o. J. S. 57 Nr. 26).
122
völlig der Typ des Pfalz- und Burgstiftes72. Daß königliche Pfalzstifte hierzulande
nicht begegnen, läßt sich für die ottonische Zeit mit den hier fehlenden Hausmachtin-
teressen erklären, für die salische Zeit dann mit dem rasch fortschreitenden Ausver-
kauf des Königsgutes. Erinnert sei, daß 1080 die königliche villa Wadgassen von
Heinrich IV. als letztes Königsgut diesseits von Pfälzer Wald und Vogesen veräußert
wurde71. Interessanter erscheint mir, daß sich aber auch kein Beleg für die Gründung
eines Stiftes bei oder in Burgen des Adels finden läßt. Michel Parisse74 hat mit einer
Fülle von Beispielen verdeutlicht, daß zu derselben Zeit in Lothringen bei Burgen
Priorate der Benediktiner oder Cluniazenser entstehen. Für den Zeitraum von 1070
bis 1120 zählt er 26 derartige Gründungen auf, davon in der Diözese Metz Thi-
court/Diedersdorf, Viviers und Lixheim, hinzuzufügen ist Wörschweiler als mit Horn-
bacher Benediktinern besetzte Gründung der Grafen von Saarwerden75.
Die von Südfrankreich und Italien ausgehende Kanonikerreform70, die den Stiftsher-
ren neben dem gemeinsamen Leben auch die völlige Besitzlosigkeit auferlegte,
erreichte in den neunziger Jahren des 11. Jahrhunderts auch die drei oberlothringi-
schen Diözesen, fand aber ihren geringsten Widerhall in der Diözese Metz. Hier kam
es nicht zur Reform bestehender Kollegiatstifte, sondern es wurde versucht, die
neuen Ideale in Neugründungen zu verwirklichen, zunächst in Entwicklung eigener
Formen mit materieller Unterstützung der Markgräfin Mathilde von Tuszien in Stan-
dalmont bei Briey, später St. Pierremont genannt. Die angebliche Mitwirkung des
Propstes von St. Salvator/Metz steht auf unsicherer Basis77.
Als Augustinerchorherrenstift wird das Stift St. Arnual bei Saarbrücken mitunter in
der Lokalliteratur bezeichnet78 und so auch in der Umgangssprache genannt. In den
mittelalterlichen Quellen findet sich keine Stütze einer solchen Behauptung. Dage-
gen wies Norbert Backmund79 darauf hin, daß das Kapitel von St. Arnual sich 1123
für kurze Zeit den „Gebräuchen“ des Prämonstratenserordens angeschlossen hatte.
Lange Lebensfähigkeit zeigten die Neugründungen des Prämonstratenserordens in
der Diözese80: Justmont bei Diedenhofen, Salival im Seilletal und Hl. Kreuz/Metz.
77 Jean-François Lemarignier, Aspects politiques des fondations des collégiales dans le
royaume de France au XIe siècle (La vita commune 1) S. 19-40; Patrick Corbet, Les collé-
giales comtales de Champagne (v. 1150 v. 1230) in: Annales de l'Est 29, 1977 S. 195-241; Ursu-
la Lewald, Burg, Kloster, Stift, in: H. Patzke (Hrg.), Die Burgen im deutschen Sprach-
raum 1, 1976 (= Vorträge und Forschungen 19,1 S. 155-180).
73 Eine Erfassung des Königsgutes in der alten Diözese Metz steht noch aus, neben allgemeinen,
aber nicht vollständigen Auflistungen vgl. die Angaben über die ins heutige Saarland ragen-
den Teile der Diözese in: Kurt Hoppstädter - Hans-Walter Herrmann, Geschichtl.
Landeskde. d. Saarlandes Bd. 2, 1977, S. 72-80, Wolfgang Haubrichs, Die bliesgauischen
Ortsnamen des Fulrad-Testamentes und die frühe Pfarrorganisation der Archipresbyterate
Sankt Arnual und Neumünster im Bistum Metz, in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 2, 1976, S. 23-
76 und 3,1977, S. 5-60.
74 Parisse (wie Anm. 10) S. 27-31.
75 Herrmann, Saarwerden (wie Anm. 45) Bd. 1 Reg. Nr. 44 und Beilage I S. 643 f.
76 Vgl. Anm. 14.
77 E r k e n s (wie Anm. 15) S. 55 ff.
78 Ruppersberg,St. Arnual S. 4 (vgl. Anhang „St. Arnual“ Literaturangaben).
79 Norbert Backmund, Monasticon Praemonstratense Bd. 3, S. 102.
80 Parisse (wie Anm. 10), S. 67-75.
123
Erstaunlicherweise hat die Refomrichtung von Springiersbach81, die auf Merzig, viel-
leicht auch Wadgassen am Südrande der Trierer Diözese, also im Grenzraum zu
Metz, einwirkte und in die Diözesen Köln, Lüttich, Mainz, Worms, Salzburg, wahr-
scheinlich auch Halberstadt ausstrahlte, keine erkennbaren Einflüsse in der Metzer
Diözese gezeigt. Auch die von dem elsässischen Marbach82 ausgehenden Reformen
wurden hier nicht aufgenommen.
Im 12. und 13. Jahrhundert entstehen aber neue Kollegiatstifte auf Initiative der Met-
zer Bischöfe oder durch ihre Mitwirkung. Dabei sind zwei Gruppen zu unterscheiden,
einmal die Neugründungen in der Diözesanhauptstadt, dann in den Titelorten der
Archidiakonate.
Die Neugründungen in der Stadt Metz
An der Gründung eines kleinen Stiftes in unmittelbarer Nähe der Kathedrale, näm-
lich des Marienstiftes, ist Bischof Stephan unmittelbar beteiligt. Im Jahre 1130
bestimmt er in Übereinstimmung mit dem Primicerius und dem Kustos des Domkapi-
tels sechs Kanoniker zum Dienst an der heruntergekommenen Marienkapelle und
sorgt für eine angemessene Dotierung83. Die Form des bald in Angriff genommenen
Kirchenbaues trug dem Kapitel den Beinamen Sancta Maria Rotunda/Notre Dame la
Ronde ein84.
Die Anstöße zur Gründung von St. Theobald gingen nicht direkt vom Bischof aus.
Einige Kleriker baten die Äbtissin des Klosters St. Glossindis um die Überlassung
der außerhalb der Metzer Stadtmauern gelegenen Kapelle St. Maria-St. Theobald als
Mittelpunkt eines gemeinsamen Lebens. Äbtissin und Konvent entsprachen diesem
Wunsche unter der Voraussetzung, daß die Wahl des Propstes der Zustimmung der
Äbtissin von St. Glossindis bedürfe und er von ihr die Investitur zu empfangen habe.
Bischof Stephan billigte dieses Statut im Jahre 1 16385. Bischof Bertram beschränkte
die Zahl der Kleriker auf sechzehn86.
Die Existenz eines gelegentlich in der Literatur genannten Kapitels St. Paul87 ist zu
verneinen. Den Chordienst in der am Domkreuzgang liegenden Kirche St. Paul88 ver-
81 Wolfgang Peters, Springiersbach und die Anfänge des Prämonstratenserstiftes Wadgassen,
in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 7,1981, S. 1-16, dort weiterführende Literaturangaben.
82 J. Siegwart, Die Consuetudines des Augustinerchorherrenstiftes Marbach im Elsaß (12.
Jh.), Freiburg/Schweiz 1965 (= Spicilegium Friburgense 10).
83 Pa risse (wie Anm. 71) S. 65 ff. Nr. 29.
84 Reichsland Elsaß-Lothringen Bd. 3 S. 663.
85 Pa risse (wie Anm. 71) S. 239 ff. Nr. 107. .. . proinde karissimi in Christo filii, qui in ecclesia
sancte Dei genitricis Marie sanctique Theobaldi, que extra muros civitatis nostre sita est, sub
titulo canonice professionis divino vacare servicio nostris temporibus pie incepistis...
86 Ebenda S. 265 f. Nr. 125.
87 z. B. Grimme im Register zu den Metzer Bannrollen des Dreizehnten Jahrhunderts, 3. Teil,
Metz 1912 S. 561 „S. Pol, Stiftskirche innerhalb des Domklosters“, zum hohen Alter der Kir-
che - nicht des Stiftes - St. Paul vgl. G a u t h i e r (wie Anm. 22) S. 44 f.
88 Dorvaux (wie Anm. 9) S. XIII.
124
sahen die Mitglieder des Domkapitels, bei der Trennung zwischen Bischofs- und
Kapitelgut wählte das Kapitel den Heiligen Paulus als seinen Patron, infolgedessen
erscheint der Besitz des Domkapitels als bien de Saint Paul und seine Besitzer als les
sires de Saint Paul, dies ist aber nur eine andere Bezeichnung für das Domkapitel89 90.
Von den verschiedenen nun in der Stadt Metz oder in ihrer unmittelbaren Umgebung
vorhandenen Stiften standen in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten St.
Salvator und St. Theobald in engen Beziehungen zur Stadt. Zwar wurden sie nicht an
der Wahl des Schöffenmeisters beteiligt, diese Mitwirkung blieb dem Primicerius der
Kathedrale, den Äbten von St. Arnulf, St. Clemens, St. Symphorian und St. Vinzent
und dem Abt von Gorze Vorbehalten*, aber mit der Beteiligung an den Einkünften
der städtischen Hanf- und Wollwaage war St. Theobald mit dem städtischen Wirt-
schaftsleben verknüpft91.
Die Neugründungen in den Titelorten der Archidiakonate
In einigen Diözesen bestehen Beziehungen von Kollegiatstiften zur Archidiakonats-
verfassung. In Köln, Mainz und Speyer waren die Pröpste bestimmter Kollegiatstifte
der Bischofsstadt von amtswegen Archidiakone bestimmter Archidiakonate. Auch
für die Diözese Speyer sei auf die Funktionen des Dompropstes und der Pröpste von
St. Guido, St. German und Allerheiligen als Archidiakone der vier Archidiakonate
hingewiesen92, ln Trier wurden die Archidiakone vom Erzbischof aus der Mitte des
Domkapitels frei ernannt, aber als Amtsgut ihnen die Propsteien der Kollegiatstifte
St. Lubentius/Dietkirchen, St. Castor/Karden, St. Agatha/Longuyon zugewiesen. Im
Archidiakonat Trier treffen wir den Dompropst, den Domdekan oder die Pröpste
von St. Paulin, St. Simeon oder Pfalzel in der Funktion des Archidiakons. Den Son-
derfall des Archidiakonats Tholey versuchte Ferdinand Pauly zu erklären93.
Auch in Metz gehören die vier Archidiakone dem Domkapitel an, sind zuweilen Di-
gnitäre, wie Primicerius oder Domdekan, oder haben im Domkapitel ihre Pfründen94.
89 Pierre Mendel, Les Atours de la ville de Metz, Metz 1932, S. 421 Anm. 14; Jean Schnei-
de r, La ville de Metz aux XIIIe et XIVe siècles, Nancy 1950, S. 49 Anm. 92.
90 Zur Wahl des Schöffenmeisters vgl. Mendel (wie Anm. 89) S. 441 Nr. 122.
91 Urkunde Bischof Stephans (wie Anm. 85), Mendel, Atours S. 417 Nr. 2, Bestätigung durch
Papst Coelestin III. vom 9. Dez. 1194 (Hermann Meinert, Papsturkunden in Frankreich,
1. Bd.: Champagne und Lothringen, Berlin 1933, S. 403 Nr. 295), Schneider (wie Anm. 89)
S. 87 Anm. 92.
92 Alois Seiler, Studien zu den Anfängen der Pfarrei- und Landdekanatsorganisation in den
rechtsrheinischen Archidiakonaten des Bistums Speyer, Stuttgart 1959, S. 175ff.
93 Ferdinand Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier. Das Landkapitel
Wadrill, Trier 1965, S. 113 ff. Aus der Frage, ob Tholey in der Frühzeit Kloster oder Stift
gewesen sei, entwickelte sich eine Kontroverse mit Wolfgang Haubrichs: Ferdinand Pauly,
Germanisches Eigenkirchenrecht und Bistumsorganisation, in; Arch. f. mittelrhein. Kirchen-
gesch. 38, 1986, insbesondere S. 41-46; Wolfgang Haubrichs, Die Tholeyer Abtslisten des
Mittelalters, Philologische, onomastische und chronologische Untersuchungen, Saarbrücken
1986 (= Veröffentlichungen der Kommission f. saarlde. Landesgesch. u. Volksforschung Bd.
XV); derselbe, Um die Frühgeschichte der Abtei Tholey. Eine Entgegnung, in: Arch. f. mit-
telrhein. Kirchengesch. 40, 1988, S. 387-391.
94 Jean-Baptiste Pelt, Textes extraits principalement des registres capitulaires (1210-1790),
Metz 1930 (Etudes sur la cathédrale de Metz) S. XIV.
125
Die Ausstattung von Dignitären des Metzer Domkapitels mit Pfründen der Stiftskir-
chen der Titelorte der drei Archidiakonate Vic, Marsal und Saarburg konnte ich da-
gegen bisher nicht feststellen. Dem entspricht, daß die Kollegiatstifte in den Titel-
orten jünger sind als die Amtsbereiche der Archidiakone. Seit 1090 begegnen vier
Archidiakone im Metzer Bistum95. Stiftskirchen in den Titelorten der Archidiakonate
entstanden erst in dem Zeitraum zwischen ca. 1160 und 1256.
Die Archidiakone residierten nicht in den Titelorten ihrer Amtsbezirke, sondern in
der Stadt Metz. Eine Anregung des Bischofs von Metz, sie sollten ihre curia nach Vic
verlegen, wird in der Beschwerdeschrift des Domkapitels von 1308 ausdrücklich geta-
delt96. In den Titelorten saßen im Spätmittelalter die in jedem Archidiakonat entstan-
denen Offizialate. Prosopographische Untersuchungen könnten klären, inwieweit das
geistliche Personal der Offizialate mit Pfründen der dortigen Stifte ausgestattet war.
Der Zeitpunkt der Gründung des Stiftes St. Stephan in Vic ist nicht bekannt, er darf
in den frühen 1160er Jahren angesetzt werden. Eine Stephanuskapelle wird in einer
undatierten Urkunde des Trierer Erzbischofs Hillin, deren Ausstellung zwischen
1158 und 1162 anzusetzen ist, erwähnt97. 1 166 erscheint dann ein Willermus canonicus
sancti Stephani de Vico9S, Bischof Bertram von Metz bestätigte die Gründung des Kol-
legiatstiftes, leider trägt die Urkunde kein Ausstellungsdatum und läßt sich nur in
seine Amtszeit 1180 - 1212 datieren99. Der Bau einer Kirche neben der älteren am
Ort vorhandenen, dem hl. Marianus geweihten Kirche100 zog sich bis ins 13. Jahrhun-
dert hin. Im Jahre 1239 bat Bischof Jakob von Metz alle Gläubigen seiner Diözese,
durch Almosen die Fertigstellung der Kirche St. Stephan in Vic zu ermöglichen"11.
Die Gründung des Stiftes Marsal liegt einige Jahrzehnte später. In den Jahren 1183
und 1195 wird mehrfach ein Johannes pastor ecclesie de Marsal'02 als Zeuge genannt.
Ich bin geneigt, daraus zu schließen, daß zu diesem Zeitpunkt ein Stiftskapitel noch
nicht bestand, weil doch sonst eher einer der Dignitäre zur Bezeugung von Rechtsge-
schäften herangezogen worden wäre als der Ortspfarrer. Im Jahre 1222 erfolgte dann
unter tatkräftiger Mithilfe der Äbtissin von Neumünster die Dotierung des neuen
Stiftes, dem auch die Pfarrkirche St. Leodegar überlassen wird unter einer ähnlichen
95 Vgl. den Beitrag von Franz S t a a b in diesem Band.
96 Histoire de Metz par les Bénédictins, preuves Bd. 3 S. 292, weitere Belege für den Sitz in
Metz bei Dorvaux (wie Anm. 9) S. XII Änm. 3 zum Jahr 1364 und 1434.
97 A. d’Herbomez, Cartulaire de l’abbaye de Gorze, Paris 1898 S. 301 f. Nr. 172 (-Mettensia
H).
98 Michel Parisse, La carrière ecclésiastique de Hugues de Bar, in: Annuaire de la Soc. d'hist.
et d’archéol. de Lorraine 78,1964 S. 95 Nr. 2.
99 1180-1212, Bischof Bertram bestätigt Kollegiatstift St. Stephan zu Vie AD M-et-M G 868.
100 J. Barthélémy, Le tympan de Vic-sur-Seille, in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’archéol. de
Lorraine 73,1959, S. 37-43.
101 Monique Arveiler-Ferry, Catalogue des actes de Jacques de Lorraine, évêque de Metz,
(1239-1260), Metz 1957 Nr. 80.
102 Vgl. verschiedene Erwähnungen bei Michel Parisse, Complément au catalogue des actes
de Bertram évêque de Metz (1180-1212), in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’arch. de Lorraine
77,1963, S. 40-46 Nr. 6, 7, 22,25 aus den Jahren 1183-1195.
126
Auflage wie im Fall St. Theobald/Metz, nämlich der Investitur des Dekans durch die
Äbtissin von Neumünster nach der Wahl durch das Kapitel110.
Auch im Fall Saarburg treffen wir einen längeren Zeitraum der Gründung an. Das in
der Literatur immer wieder genannte Datum 1256 kennzeichnet den Abschluß einer
sich über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckenden Entwicklung. In einer Urkunde
von Schultheiß und Geschworenen der Stadt Saarburg aus dem Jahre 1232 erschei-
nen unter den Zeugen auch Andree archipresbiteri et totius capituli in Sarburc,04. Es
könnte dabei freilich auch an die Gemeinschaft der Pfarrer des Archipresbyterates
gedacht sein, die zusammen das Landkapitel bildeten. Analoge Bezeichnungen für
den Klerus anderer Archipresbyterate sind allerdings nicht bekannt. Die Bezeich-
nung einzelner Archipresbyterate105 nach Titelorten verfestigte sich in der Diözese
Metz erst im Laufe des 14. Jahrhunderts'1*. Zunächst wurden die Archipresbyter nach
der Pfarrei benannt, deren Inhaber sie sind. Im Jahre 1327 liegen bei 17 von insge-
samt 20 Archipresbyteraten die Titelorte fest. Für eine frühe Herausbildung von
Saarburg als Titelort nicht nur eines Archidiakonats, sondern auch eines Archipres-
byterats spricht die Nennung eines Archipresbyters von Saarburg im Jahre 1225, der
damals schon ein eigenes Siegel führte107. Auffällig ist die Zeugenreihe derselben
Urkunde: confratres Simon, Bartolomeus, Bern, Johannes de Hibera, Reimboldus,
Folmarus, Rufus, Ludowicus presbiteri de Sarburc. Handelt es sich hier um Pfarrer
des Archipresbyterats oder die Mitglieder eines noch nicht kanonisch errichteten
Stiftes? Sie erfolgte im Jahre 1256 durch Bischof Jakob von Metz, aber noch fehlte
dem Stift eine eigene Kirche. Erst nachdem die Grafen von Saarwerden auf ihr Patro-
natsrecht an der Stephanskirche zugunsten des Stiftes verzichtet hatten"*, war die
Gründungsphase abgeschlossen.
Das Muster des Gründungsvorganges ist bei den vorgestellten hochmittelalterlichen
Stiften St. Peter maior, St. Maria rotunda, St. Salvator, St. Theobald, St. Stephan/Vic,
St. Leodegar/Marsal und St. Stephan/Saarburg sehr ähnlich. Immer ist die Mitwir-
kung des Metzer Bischofs erkennbar, nicht nur, daß er die Neugründung bestätigt,
sondern von ihm geht die Initiative aus, und/oder er beteiligt sich an der Dotierung.
Die Tatsache, daß in den Fällen St. Theobald/Metz und St. Leodegar/Marsal die
Frauenabteien St. Glossindis bzw. St. Terentius/Neumünster beteiligt sind, sollte
Vgl. die Urkunde der Äbtissin und des Konventes von Neumünster vom August 1222 und
des Bischofs Konrad von Metz vom 29. September 1222, beide ediert von Calmet, Histoire
de Lorraine, Bd. 2 preuves col. 432 f.
104 AD Bas-Rhin G 5432.
105 Dorvaux (wie Anm. 9) S. XIII f. und S. 4 (Polium von 1327).
106 Zum Beispiel: 1231 archipresbyter de Bolai, später Archipresbyterat Varize (Mittelrhein.
Urkundenbuch Bd. 3 S. 351 f. Nr. 446); 1236 W. archipresbyter de Vinstinga, später Archiprsb.
Bockenheim (Jungk, wie Anm. 29 Nr. 323); 1270 archipresbyter de Bexobesheym (= Bischmis-
heim) später Archiprsb. St. Arnual (Paris BN, Collection de Lorraine Tome 975 fol. 7); 1302
archipresbyter de Sancto Engelberto (- St. Ingbert) später Archiprsb. St. Arnual (ebenda
Tome 98, fol. 108), 1316 archipresbytero de Wadrike (=Vaudreching) später Archiprsb.
Kedingen (Jb. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. 7,2,1895 S. 151 Nr. 40).
107 AD Moselle H 4696, 1.
108 Druck der Zustimmung Friedrichs von Saarwerden in: Jb. f. lothr. Gesch. u. Altertumskde. 9,
1897 S. 262; Herrmann, Saarwerden I Nr. 130,131.
127
nicht zu hoch veranschlagt werden, denn beide Abteien standen in enger Beziehung
zu den Metzer Bischöfen. Neumünster verdankte ihnen sogar seine Entstehung.
In allen Fällen bildete den geistlich-kirchlichen Ansatzpunkt ein schon vorhandenes
Gotteshaus, meist ohne pfarrkirchlichen Charakter. St. Leodegar/Marsal und St. Ste-
phan/Saarburg bilden hier die Ausnahme. Der Fall St. Stephan/Saarburg, wo die gräf-
liche Familie von Saarwerden das Patronatsrecht an der Pfarrkirche erst nach der
kanonischen Errichtung des Stiftes durch den Metzer Bischof übertrug, läßt vorauf-
gegangene längere, vielleicht sogar schwierige Verhandlungen vermuten.
Errichtung von KoIIegiatstiften aus territorialpolitischen
und dynastischen Interessen
Wir haben also keine konkreten Hinweise für die Ausstattung der Archidiakone mit
Pfründen der Kollegiatstifte in den Titelorten der Archidiakonate, und institutioneile
Zusammenhänge zwischen dem Amt des Archipresbyters und den KoIIegiatstiften in
den Titelorten der Archipresbyterate lassen sich nicht feststellen. Es sind dies die vier
Stifte Neumünster, Hornbach, Marsal und Saarburg109, was nicht ausschließt, daß
gelegentlich ein Stiftsherr Archipresbyter sein konnte110. Ich halte es nicht für wahr-
scheinlich, daß neu bekannt werdende Quellen zu einer völlig gegenteiligen Aussage
führen können. Allenfalls dürfte sich die Dotierung von Personal der Archidiako-
natsverwaltung, vor allem der Offiziale, mit Pfründen der Kollegiatstifte der Titelorte
belegen lassen.
Die Motive zur Gründung der Stifte in Vic, Marsal und Saarburg sind für mich mehr
territorialpolitischer Art. In ihrer Gründung sehe ich eine Maßnahme der Metzer
Bischöfe zur Förderung der Zentralität der drei wichtigsten Orte ihres Territoriums,
nachdem sie unter dem Druck der zunächst nach Beteiligung an der Stadtverwaltung,
dann nach Selbständigkeit strebenden Metzer Bürgerschaft111 sich veranlaßt sahen,
sich aus der Bischofsstadt zurückzuziehen.
Saarburg und Vic hatten schon in gallo-romanischer Zeit den Charakter von Vici.
Ebenso wie Marsal lagen sie an dem südlichen Ast der wichtigen Straße vom Pariser
Becken über Metz - Zabern zum Oberrhein. Zu dieser verkehrsgeographischen Aus-
zeichnung addiert sich bei Marsal und Vic die Lage in dem für die damalige Wirt-
schaft hoch bedeutenden Salinengebiet des oberen Seilletales.
109 Das Stift St. Arnual habe ich hier nicht genannt, zwar hat ein Archipresbyterat der Diözese
Metz den Titelort St. Arnual, aber das Chorherrenstift und die Stiftspfarreien (vgl. Herrmann
- Nolte [wie Anm. 26] S. 98-116) gehörten nicht zu diesem Archipresbyterat, sondern bilde-
ten einen eigenen Klemarchidiakonat.
1,0 Pelt (wie Anm. 94) S. 379.
111 Jean Schneider (wie Anm. 89).
128
Seit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert bauten die Bischöfe von Metz Vic
bewußt aus und wählten es schließlich als Residenz"2. Von daher stellt sich auch die
Frage nach einer stärkeren Heranziehung der Kanoniker von St. Stephan in Vic zu
der Verwaltung des hochstiftischen Territoriums. Beantwortet werden kann sie bei
dem derzeitigen Forschungsstand noch nicht.
Saarburg"3 hatten eine Zeitlang die Grafen von Dagsburg als bischöfliches Lehen
besessen. Nach dem kinderlosen Tod der Dagsburger Erbtochter"4 (t 1225) fiel es an
die Bischöfe zurück, die einiges unternahmen, um ihre Macht dort zu festigen. So
bestätigten (und erweiterten?) sie 1229 die schon von den Dagsburgern den Saarbur-
ger Bürgern verliehenen Freiheiten"5. In diesen Zusammenhang fügt sich die Grün-
dung einer neuen, direkt von den Bischöfen abhängigen geistlichen Institution gut
ein.
Ganz deutlich wird das territoriale Interesse der Bischöfe bei der Gründung des Stif-
tes Oberhomburg im Zuge der Anlage einer neuen befestigten Stadt auf einem
Bergsporn oberhalb des Rosseltales und nahe bei dem nördlichen Ast der großen
West-Ost-Verbindung vom Pariser Becken zum Oberrhein"6.
Die Errichtung der bischöflichen Stifte im Ostteil der Metzer Diözese ist auch zu
sehen im Zusammenhang mit einer neu organisierten, besseren Wahrnehmung und
Ausübung der dem Bischof zustehenden Patronatsrechte an Pfarrkirchen seiner Diö-
zese. Anstelle der bisher unmittelbar durch den Bischof erfolgen Besetzung ist nun
eine mittelbare durch die bischöflichen Stifte St. Arnual, St. Stephan/Vic, St. Ste-
phan/Saarburg und St. Stephan/Oberhomburg getreten. Deutlich wird die Systematik
erst in dem Polium des 16. Jahrhunderts"7. Die Verleihung ihrer Kanonikate und
Pfründen (canonicatus et prebendas) ebenso wie die der Stifte St. Leodegar/Marsal
und Neumünster steht dem Bischof zu, dem damit eine mittelbare Einwirkung und
Möglichkeit auf die Besetzung der Pfarrkirchen bleibt, und zwar unabhängig vom
Domkapitel. Es fällt auf, daß das Stift Oberhomburg als jüngstes die größte Zahl von
Kollaturen besitzt, nämlich an 13 Pfarrkirchen: St. Medard im Archipresbyterat
Metz, Failly im Archipresbyterat Noisseville, Landorf im Wechsel mit der Äbtissin
von Neumünster im Archipresbyterat Mörchingen, Beningen, Buschborn und Ober-
homburg im Archipresbyterat Varize/Waibelskirchen, Forbach, Bebelsheim, Püttlin-
gen und Saaralben im Archipresbyterat St. Arnual, Berg und Wolfskirchen im Archi-
presbyterat Bockenheim und Desslingen im Archipresbyterat Vergaville/ 112 113 114 115 116 117
112 Eine den heutigen Anforderungen genügende Stadtgeschichte von Vic liegt leider nicht vor.
113 Vgl. den Beitrag von Jean Luc F r a y in diesem Band.
114 Zu den Grafen von Dagsburg vgl. Hans-Walter H e r r m a n n in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 1,
1975, S. 142-147.
115 Hans-Walter Herrmann, Städte im Einzugsbereich der Saar bis 1400, in: Les petites villes
en Lotharingie. Die kleinen Städte in Lotharingien. Actes des 6es Journées Lotharingiennes
1990, Luxembourg 1992, S. 253 und 300.
116 Die Salutatio der Urkunde Bischof Jakobs von Metz (vgl. Anhang) richtet sich an Homburgo
canonicis. Der Bischof formuliert weiterhin: monasterium apud Hombourg castrum aedificare
incepimus et tredecim canonicos qui Deo inibi sub regula canonica perpetuis temporibus mili-
tarent, intitulavimus\\g\. auch Arveiler-Ferry (wie Anm. 101) Nr. 225.
117 Dorvaux (wie Anm. 9) S. 68 u. 93 f.
129
Wiedersdorf. Ausweislich des Poliums des 16. Jahrhunderts stand das Patronatsrecht
an Pfarrkirchen nur noch in zwei Fällen - Geblingen (Archipresbyterat Mörchingen)
und Rurange (Archipresbyterat Rombas) - unmittelbar dem Bischof zu. So zeigt sich
auch aus dieser Struktur, daß die Neugründungen bischöflicher Stiftskirchen außer-
halb der Stadt Metz im 12. und 13. Jh. mehr in den Kontext der Verwaltung des
bischöflichen Territoriums, näherhin der dem Bischof verbliebenen Rechte kirchen-
herrschaftlicher Art gehören als in die Struktur der Diözesanverwaltung in Form von
Archidiakonaten und Archipresbyteraten.
Adlige als Gründer von Kollegiatstiften begegnen hierzulande erst seit dem frühen
13. Jahrhundert. Bruno von Malberg errichtete zwischen 1212 und 1224 in dem Ort
Münster bei einer schon vorhandenen Pfarrkirche ein Stift. Der Neubau der Stiftskir-
che wurde im Februar 1254 durch die Verleihung eines Ablasses gefördert. Das Auf-
treten eines aus der Eifel stammenden Adligen in dem Landstrich zwischen oberer
Saar und Albe mag erstaunen, aber Bruno war auch Vogt des an der oberen Saar
gelegenen Besitzes der Abtei Remiremont, aus der sich die reichsunmittelbare Herr-
schaft Finstingen, nach der sich Brunos Nachkommen benannten, entwickelte. Seine
Motive entsprangen wohl mehr seiner eigenen Frömmigkeit, insbesondere der Förde-
rung einer Nikolausverehrung mit Wallfahrt, als territorialpolitischem Denken.
Graf Eduard I. von Bar richtete im Jahre 1331 an der Katharinenkapelle in seiner
Burg Briey unter Mitwirkung einiger Burgmannenfamilien ein Stift ein und dotierte
es entsprechend. Es handelt sich um die einzige Gründung eines Burgstiftes in der
Metzer Diözese, sie erfolgte im Vergleich mit anderen Diözesen mit erheblicher Zeit-
versetzung.
In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden das Stift St. Peter in Finstingen und
das St. Blasiusstift in Saarwerden, das entgegen den Zielvorstellungen seines Erbau-
ers Graf Nikolaus von Mörs-Saarwerden nicht mit Augustinerchorherren, sondern
mit Kanonikern besetzt wurde117“. Bei Finstingen läßt sich noch einmal die der kano-
nischen Einrichtung voraufgehende Gründungsphase fassen. Johann, Herr von Fin-
stingen, erwarb schon 1461 und 1464 Güter und Gefälle zur Ausstattung eines von
ihm geplanten Kollegiatstiftes und begann mit den notwendigen Bauarbeiten118. Nach
seinem Tod führte seine Witwe Beatrix von Ogeviller die Vorarbeiten fort, unter-
stützt von ihren beiden Schwiegersöhnen Nikolaus Graf von Mörs-Saarwerden und
Ferdinand von Neufchätel. Am 27. Mai 1475 beurkundeten sie gemeinsam die Stif-
tung, die am gleichen Tag von dem Metzer Bischof Georg von Baden und zwei Jahre
später vom Papst bestätigt wurde119.
117a Herrmann, Saarwerden Bd. 1 Nr. 1323.
118 Notwendige Baumaßnahmen hatte schon Johann von Finstingen (t 1467) begonnen. Am 6. 9.
1468 bat seine Witwe Beatrix den Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken, eine Ladung
Schiefer für den von ihrem Ehegatten begonnenen Bau des Stiftes zollfrei passieren zu lassen
(LA Saarbrücken Best. Nassau-Saarbrücken II Nr. 6926).
119 Herrmann, Saarwerden Bd. 1 Nr. 1252.
130
St. Peter in Finstingen und St. Blasius in Saarwerden haben wir als typische Residenz-
stifte anzusehen, deren Kirchen der Stifterfamilie als Grablege dienten und deren
Kanoniker - möglichst als mit Stiftsherrenpfründen dotierte Juristen120 - bei Verwal-
tungsaufgaben helfen sollte. Freilich waren die zugehörigen Territorien - die Herr-
schaft Finstingen und die Grafschaft Saarwerden - zu klein und die territorialpoliti-
schen Gegebenheiten einer repräsentativen Ausbildung dieses Stiftstyps wenig
förderlich. Ausgeprägter findet er sich im St. Georgsstift in der lothringischen Haupt-
stadt Nancy in der Nachbardiözese Toul.
Die Gründung des Stiftes Mars-la-Tour kurz vor 1502 im äußersten Westen der Diö-
zese durch Gérard d’Avillers ist um eine Stufe niedriger anzusetzen, insofern sein
Stifter nicht dem reichsunmittelbaren Adel, sondern dem landständischen angehörte
und von daher nicht als Territorialherr eingestuft werden kann.
Die Existenz eines Kollegiatstiftes in Mörchingen/Morhange schloß Léon Maujean
aus der Nennung von magister Reynerus rector scolarum de Moranges, Johannes
Dominicas Trague prepositus et Reynerus celerarius eiusdem loci, die im Jahre 1271
eine testamentarische Verfügung eines Stecelo beurkundeten121. Zweierlei spricht
meiner Ansicht nach gegen die Annahme eines Stiftes, einmal, daß Titulierung und
Reihenfolge der eventuellen Dignitäre ungewöhnlich sind, als erster wird ein rector
scolarum vor einem prepositus genannt, noch schwerer wiegt aber, daß die drei Aus-
steller der Urkunde weder über ein persönliches noch ein institutionelles Siegel ver-
fügen, sondern den Archipresbyter von Haboudange um Besiegelung bitten121.
Stiftsgründungen, die aus städtischer oder bürgerlicher Initiative entstanden, gab es
in der Diözese Metz nicht. Die Anstöße zur Errichtung des kleinen Stiftes Ste. Rei-
nette in der Stadt Metz gingen vom Domkapitel, nicht vom Patriziat aus.
Reformen und Veränderungen gegen Ende des Mittelalters
Ein einziger Fall zeigt das Ausgreifen der Windsheimer Reform in die Metzer Diöze-
se, er veranschaulicht zugleich am Beispiel des Kollegiatstiftes St. Stephan/Saarburg,
daß die Lebenskraft der alten Stifte erschöpft war, um neue Aufgaben zu überneh-
men. Im Januar 1446 hatte sich die Äbtissin des Frauenklosters Hessen122 mit den
Grafen von Leiningen als Rechtsnachfolgern der Kiostergründer aus dem Hause
Dagsburg über die künftige Verwaltung von Hessen durch das Stift St. Stephan/Saar-
burg, über die Übernahme der aufgelaufenen Schulden des Klosters und über Woh-
120 Vgl. einige Nachweise bei Wi Iber t - Sch wart z (Anhang Saarwerden) S. 96.
121 Léon Maujean, Histoire des Seigneurs et de la ville de Morhange, in: Annuaire de la Soc.
d’hist. et d’arch. de Lorraine 33, 1924, S. 87 f. und 39,1930, S. 460 f.
122 Soweit nichts anders angegeben vgl. dazu Hermann Kuhn. Hesse, son ancienne abbaye, son
prieuré, son église et ses annales, Nancy 1872 S. 31-35.
131
nung und Unterhalt der noch vorhandenen Nonnen in Saarburg geeinigt123. Im Okto-
ber 1447 hatte Bischof Georg von Baden mit Zustimmung des Archidiakons von
Saarburg Ponceletus de Villare das Kloster dem Stift inkorporiert124. Bald aber zeigte
sich, daß das Stift nicht einen ordnungsgemäßen Gottesdienst in beiden Kirchen
gewährleisten konnte. Der Metzer Bischof hatte vorgesehen, daß zunächst vier Prie-
ster in Hessen leben sollten und ihre Zahl bei Zunahme des Klostervermögens noch
zu erhöhen sei125. Durch die Vermittlung der regulierten Chorherren von Höningen
bei Altleiningen erreichten die Saarburger Kanoniker im Jahre 1483 eine Übernahme
von Hessen durch die Windsheimer Kongregation, der auch die Grafen von Leinin-
gen und der Metzer Bischof Georg von Baden zustimmten126.
Das Aufgeben der Benediktinerregel und der Übergang zu den freieren Formen
eines Kollegiatstiftes, wodurch traditionsreiche Benediktinerklöster am Oberrhein
den Reformbestrebungen innerhalb ihres Ordens zu entgehen suchten, z. B. St.
Alban in Mainz (1419), Klingenmünster (1491), Seltz (ca. 1481), St. Peter und
Paul/Neuweiler (1497), Weißenburg im Elsaß (1524), findet in der Metzer Diözese
keine Parallele.
Geographische Verteilung in der Diözese
Die vorgestellten Kollegiatstifte verteilen sich auch nicht annähernd gleichmäßig
über die gesamte Diözese, sondern lassen eine Häufung im östlichen und südlichen
Teil erkennen. Dies wird noch deutlicher, wenn man die beiden späten Adelsgrün-
dungen Briey und Mars-la-Tour abstrahiert. Die bischöflichen Gründungen außer-
halb der Stadt richten sich an den beiden großen Straßen zum Oberrhein aus. An der
nördlichen Trasse mit dem Saarübergang oberhalb von Saarbrücken war im Frühmit-
telalter das Stift St. Arnual als kirchlicher und territorialer Stützpunkt der Metzer
Bischöfe angelegt worden. Nachdem die nahe gelegene Burg Saarbrücken und die
großen Waldgebiete beiderseits der mittleren Saar als Lehen an die Grafen von Saar-
brücken vergeben worden waren127 und die Vogtei über St. Arnual an sie gekommen
war, baute Bischof Jakob von Metz bald nach der Mitte des 13. Jhs. den Ort Ober-
homburg zu einer Territorialstadt aus und gründete dort das St. Stephans-Stift.
An der verkehrsgeographisch und wirtschaftlich ebenso wichtigen südlichen Trasse
reihten sich die Titelorte der drei Archidiakonate Vic, Marsal und Saarburg auf, von
denen jeder ein Stift in seinen Mauern barg.
123 Fürstl. v. d. Lciningisches Archiv in Amorbach Urkunde von 1446 Januar 30, wahrscheinlich
nach Metzer Stil datiert, also 1447 unserer Rechnung.
124 Ebenda Urkunde von 1447 Okt. 5.
125 Ebenda Urkunde von 1447 Okt. 13. Am 5. Mai 1452 bestätigt der Abt von St. Maximin/Trier
als Beauftragter des Kardinallegaten Nikolaus die Vereinigung der Abtei Hessen mit dem
Stift St. Stephan in Saarburg (AD M-et-M B 742 Nr. 22).
126 Urkunde von 1483 April 23 AD M-et-M 742 Nr. 68.
127 Kurt Hoppstädter - Hans-Walter Herrmann (Hrsg.), Geschichtliche Landeskunde des
Saarlandes Bd. 2, S. 82 und 165-169.
132
Das Stift Neumünster hatte eine weniger günstige Lage. Ich habe seine Entstehung
vor allem mit der Sicherung des bischöflichen Einflusses im Grenzgebiet gegen die
Diözesen Trier und Mainz erklärt, eine ähnliche Funktion darf dem St. Fabiansstift in
Hornbach gegenüber dem Bistum Speyer zuerkannt werden; denn trotz der im Spät-
mittelalter so deutlich ausgeprägten Abhängigkeit von der an demselben Ort gelege-
nen Abtei sollte ihm doch für die ottonisch-salische Zeit eine grenzsichernde Funkti-
on zuerkannt werden, besonders wohl in jenen Jahrzehnten, als die Abtei Hornbach
den Bischöfen von Würzburg und von Speyer gehörte12*.
ln der Lage der adligen Gründungen an der oberen Saar spiegeln sich die politisch-
territorialen Verhältnisse des Spätmittelalters, ln dieser Zeit ist auch St. Arnual nicht
mehr als bischöflicher Stützpunkt an dem oben genannten Saarübergang anzusehen,
sondern als das Kollegiatstift innerhalb des nassau-saarbrückischen Territoriums, was
sich noch heute augenfällig in der Erbgrablege ausdrückt.
Auffällig ist, daß in dem westlich der Mosel gelegenen Teil der Diözese und im
gesamten Abschnitt nördlich der Linie Metz - Oberhomburg kein einziges Stift
bestand. Für eine Sicherung von Einflußbereichen im Frühmittelalter gegenüber den
Nachbardiözesen erinnere ich an meine Andeutungen über mögliche Funktionen der
Klerikergemeinschaften in Moutier und Valmünster. Für das Hochmittelalter und
erst recht für das Spätmittelalter entnehme ich die Begründung für das Fehlen von
Stiften der Territorialstruktur. Die Metzer Bischöfe verfügten in dieser Zeit nicht
mehr über nennenswerten Besitz nördlich der Straße Metz - Saarbrücken, so daß die
Dotation eines in diesem Teil ihrer Diözese neu zu errichtenden Stiftes Schwierigkei-
ten bereitet hätte. Andererseits wäre auch zu fragen, welche Funktion eine bischöfli-
che Neugründung in einem Gebiet, in dem die kirchliche Verwaltungsorganisation
sich bereits verfestigt hatte und Aktivitäten einer bischöflichen Territorialpolitik der
materiellen Grundlagen entbehrten, hätte haben sollen. Die administrativen Schwer-
punkte der hier begüterten Herren - also der Herzoge von Lothringen und der Gra-
fen, späteren Herzoge von Luxemburg - lagen in anderen Gegenden, so daß sich
auch für sie in diesem Landstrich kein Anreiz zum Ausbau von Territorialstädten
und deren Ausstattung mit Stiftsgründungen ergab.
Beziehungen zwischen einzelnen Stiften
Zur Aufdeckung des Beziehungsgeflechtes der Kollegiatstifte der Metzer Diözese
untereinander, zum Domkapitel und zu den Bischöfen bedarf es noch eingehender
prosopographischer, verfassungsgeschichtlicher und kanzleigeschichtlicher Untersu- 128
128 Anton Doll, Kloster Hornbach und der Königshof Lautern im Besitz des Bistums Würz-
burg, in: Pfälzer Heimat 4, 1953 S. 100-102; derselbe. Das Pirminskloster Hornbach. Grün-
dung und Verfassungsentwicklung bis Anfang des 12. Jhs., in: Arch. f. mittelrhein. Kirchen-
gesch. 5,1953, S. 108-142.
133
chungen, die ich in Vorbereitung meines Referates nicht erbringen konnte. Ich
beschränke mich daher auf die Wiedergabe einiger Lesefrüchte aus Literatur und
Quellen:
Personelle Verbindungen zum Domkapitel ergeben sich nicht nur von den beiden zur
Kathedralgruppe gehörenden Stifte St. Petrus129 130 maior und St. Maria rotunda, son-
dern auch von den beiden anderen Metzer Stiften St. Salvator und St. Theobald110.
Insbesondere die Pröpste von St. Salvator131 und St. Maria rotunda begegnen häufig
als Inhaber von Domherrenpfründen, aber ohne daß eine institutionalisierte Perso-
nalunion von Stiftspropstei und Domkanonikat bis jetzt festgestellt werden konnte,
wie überhaupt das Kapitel von St. Maria rotunda trotz seiner räumlichen Nähe zum
Domkapitel - mit dem es sich die Benutzung des Gebäudes der heutigen Kathedrale
teilte - sich bis in die Frühneuzeit herein seine Eigenständigkeit bewahrte und nicht,
wie Moraw es anderenorts festgestellt hat, zu einem Minderstift absackte. Eher könn-
te man dies von dem Kapitel von St. Petrus maior sagen.
Die Statuten des Domkapitels wurden von Bischof Adalbero IV. 1115 auf das Stift St.
Salvator übertragen132 133. Die Statuten von St. Theobald legte Bischof Jakob von Metz
seinen beiden Neugründungen St. Stephan in Oberhomburg und St. Stephan in Saar-
brücken zugrunde. Authoritas und jurisdictio des Cantors von St. Stephan/Oberhom-
burg sollten sich nach denen des Cantors von St. Salvator ausrichten. Die Dignität
des Propstes von St. Stephan/Oberhomburg und von St. Stephan/Saarburg sollte laut
Stiftungsurkunden nur einem Mitglied des Metzer Domkapitels übertragen werden113.
Bei seinen kanzleigeschichtlichen Untersuchungen hat Peter Acht134 den Propst Wil-
helm von St. Salvator als Kanzleichef unter Bischof Bertram und Gründer der Metzer
Kanzleischule herausgestellt. Michel Parisse135 konnte dem bischöflichen Kaplan Lie-
bald, Kanoniker von St. Salvator, in der ersten Hälfte des Episkopats Stephans von
Bar eine führende Rolle in der bischöflichen Kanzlei zuweisen. Rund eineinhalb
Jahrhunderte später treffen wir wieder einen Propst von St. Salvator in enger Bezie-
129 z. B. Simon Noiron (Pelt wie Anm. 94) S, 395.
130 Pfründen im Domkapitel und im Stift St. Theobald besaßen Jean Ernst, Hartwig Henezlin,
Jean de Heu, Gérard de Sorreviile, Thierry de la Tour, Jean de Tournai (Pelt [wie Anm. 94]
S. 379,389,420 *.).
131 Hugo Primicerius des Domkapitels und Propst von St. Salvator 1196/99 (Parisse wie Anm.
98) S. 107 f. Nr. 19, 20, 21; Hagano (Parisse in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’Arch, 77,
1963 S. 56 Nr. 52); Bertrand, Domthesaurar und Propst von St. Salvator {Le Mercier de Mor-
rière, Actes de Mathieu II, duc de Lorraine 1220-1251, Nancy 1893 S. 161 Nr. 152; Arvei-
ler-Ferry (wie Anm. 101 Nr. 84) vgl. die Angaben bei Pelt S. 389, 409, 414 f. und 419 ff.
zu Alard de Thiaucourt, Pierre Careti, Jean de Raigecourt, Nicole Bertrand, Laurent Coulon,
Jacques Fessai, Joffroy Cœur de Fer, Didier Langard, Claude Margereti.
132 AD Moselle G 1559.
133 So jeweils die Gründungsurkunden.
134 Peter Acht, Die Cancellaria in Metz. Eine Kanzlei- und Schreibschule um die Wende des
12. Jahrhunderts. Diplomatische Beziehungen zum Mittel- und Niederrhein und zum franzö-
sischen Westen, Frankfurt am Main 1940, insbesondere S. 23-33.
135 Michel Parisse, Les chartes des évêques de Metz au XIIe siècle. Etude diplomatique et
paléographique, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 22,
1976, S. 272-316, insbesondere S. 278 ff., 296-299, 302-305.
134
hung zum Bischof, nämlich Jean de Raigecort (f 1349) als Generalvikar des Bischofs
Henri Dauphin1'6.
In diesen Einzelangaben werden in Ansätzen Beziehungen erkennbar, die weiterver-
folgt werden sollten.
Schlußbemerkungen
Trotz der wiederholt angesprochenen Forschungsdefizite wage ich schon jetzt einige
mir auffallende Eigentümlichkeiten bei der Entstehung von Stiften in der Metzer
Diözese zu formulieren:
1. Die Diözese Metz ist im Vergleich zu den angrenzenden rheinischen Diözesen arm
an Kollegiatstiften, hier haben die alten Benediktinerabteien bis zum Ende des Mit-
telalters eine starke Stellung behalten und durch die Bildung neuer Priorate im
Hochmittelalter eine stärkere Breitenwirkung entfaltet.
2. Eine Mitwirkung des Königtums bei der Gründung von Stiften fehlt in der Diözese
Metz ganz. Die Mitwirkung des Adels setzt erst im frühen 13. Jahrhundert ein. Das
Patriziat der Stadt Metz engagiert sich überhaupt nicht bei der Gründung von Kolle-
giatstiften, ebensowenig die Bürgerschaft der mittleren und kleineren Territorialstäd-
te, denen freilich dafür die materiellen Voraussetzungen fehlten. So lag die Initiative
vornehmlich bei kirchlichen Institutionen, und zwar mehr bei den Bischöfen als bei
den Klöstern.
3. Die Verbindung der Diözesanverwaltung mit Kollegiatstiften durch Dotierung von
Archidiakonen und/oder Archipresbytern mit Pfründen der Stifte in den Titelorten
war deutlich schwächer als in den Nachbardiözesen Trier und Speyer.
Diese knapp skizzierten Aussagen ergeben deutliche Abweichungen zu der von Peter
Moraw erstellten Typologie. Ein tieferes Eindringen in die Materie würde gewiß
noch mehr Unterschiede aufzeigen und spezifisch metzische Entwicklungen und
Stukturen noch deutlicher werden lassen. 136
136 Pelt (wie Anm. 94) S. 414.
135
DI b Z ES E
136
Anhang
Briey (Dép. Meurthe-et-Moselle, Arr. Briey)
St. Georg/St. Georges
Zeit der Errichtung: 1331
(Stiftungsurkunde): 27. April 1331, bestätigt durch Bischof Ademar von Metz am 18.
Juli 1331, gedruckt bei Calmet, Histoire de Lorraine Bd. Il, preuves col.
583-585.
Gründer/Stifter: Graf Eduard I. von Bar gemeinsam mit Burgmännern zu Briey.
Jahr der Aufhebung: 1539 verlegt.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 6 Kanoniker, 1699 - 4 Pfründen.
Dignitäre: Propst
Statuten: in Stiftungsurkunde
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 267 u. 485. Alice Lavallée-Becq, Briey à travers les
siècles, Metz 1937, S. 167 f.
Finstingen - Fénétrange (Dép. Moselle, Arr. Sarrebourg)
St. Peter/St. Pierre
Zeit der Errichtung: 1464-1475
(Stiftungsurkunde): 27. Mai 1475, Druck bei Cuny Bd. 1 S. 285 Nr. 28, Herrmann,
Saarwerden, Bd. I Nr. 1252
Gründer/Stifter: Beatrix, Frau von Finstingen und Ogéviller, mit ihren beiden
Schwiegersöhnen Nikolaus, Graf von Mörs-Saarwerden, und Ferdinand,
Herr von Neufchätel.
Jahr der Aufhebung: 1571 nach Donnelay verlegt, im 17. Jh. Versuche zur Wiederan-
siedlung in Finstingen.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 6 Kanoniker
Dignitäre: Dekan, Custos, Cantor.
Statuten: in Stiftungsurkunde enthalten.
Archivalische Quellen: AD Meurthe-et-Moselle G 961-987 ab dem Jahr 1212 und 1 F
182 betr. die Zeit 1475-1771; AD Moselle G 275-278 betr. die Zeit von
1496-1776, G 1440 ter v. J. 1768; AN Paris Série E Nr. 3126 - 3131
Literatur: Franz Cuny, Reformation und Gegenreformation im Bereich des frühe-
ren Archipresbyterates Bockenheim, 1. Bd.: Das Archipresbyterat
Bockenheim in der Vorreformationszeit, Metz 1937, S. 112-125; Dorvaux,
Pouillés S. 265.
137
Hombach (Krs. Pirmasens-Zweibrücken)
St. Fabian
Zeit der Errichtung: 975/980 (?)
Gründer/Stifter: Abt von Hornbach
Jahr der Aufhebung: 1559
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 11 Kanoniker
Dignitäre: Propst, Dekan, Custos, Cantor
Statuten: vom 6. Juni 1369 von Abt Hugo von Hornbach erlassen, ediert von An-
dreas Neubauer, Regesten des ehern. Benediktinerklosters Hornbach.
Speier 1904, S. 218-224 nach im 2. Weltkrieg zerstörter Vorlage.
Archivalische Quellen: Archiv nicht erhalten, einige wenige Betreffe im Archiv des
Benediktinerklosters
Literatur: Peter Moraw, Das Stift St. Fabian in Hornbach (Pfalz), in: Arch, f. mittel-
rhein. Kirchengesch. 16, 1964, S. 110-138; Carl Pöhlmann, Die älteste
Geschichte des Bliesgaues, Teil 2, Speier 1953, S. 63-65; Herbert Dellwing
- Erich Kubach, Die Kunstdenkmäler der Stadt u. d. ehern. Landkreises
Zweibrücken, Bd. 2, München 1981, S. 616-640.
Mars-Ia-Tour (Dép. Meurthe-et-Moselle, Arr. Briey)
St. Martin
Zeit der Errichtung: 1502
(Stiftungsurkunde): 12. Juni 1502
Gründer/Stifter: Gérard d’Avillers, Herr von Mars-la-Tour
Jahr der Aufhebung: 1790
Zahl der Kanoniker und Pfründen: 1502: 5 Kanoniker und Propst, 7 Pfründen;
1710: 3 Kanoniker
Dignitäre: Propst
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1443-1499, umfassend die Zeit von 1462-1792.
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 263, 582; Paul de Mardigny in: Austrasie 1853
S. 134-166.
Marsal (Dép. Moselle, Arr. Château-Salins)
St. Leodegar/St. Leger
Zeit der Errichtung: kurz vor 1222
(Stiftungsurkunde): 15. August 1222 gedruckt bei Calmet, Histoire de Lorraine
Bd. II. preuves col. 432 f.
Gründer/Stifter: Bischof von Metz mit Äbtissin von Neumünster
138
Jahr der Aufhebung: 1773 mit Stift St. Stephan in Vic vereinigt.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 7 Kanoniker
Dignitäre: Propst
Statuten: einige Bestimmungen in Stiftungsurkunde
Archivalische Quellen: AD Meurthe-et-Moselle G 911-927 aus der Zeit von 1222-
1772 und 1 F 181 betr. die Zeit 1656-1773.
Literatur: Reichsland Elsaß-Lothringen Bd. 3 S. 630: Franz Xaver Kraus. Kunst und
Alterthum in Lothringen, Straßburg 1889, S. 301-305; Dorvaux, Pouillés
S. 263 f. u. 381 f.
Metz
St. Maria Rotunda/Notre Dame la Ronde
Zeit der Errichtung: 1130
(Stiftungsurkunde): 1130 (nach Juni) ediert von Michel Parisse, Les Actes des princes
Lorrains, les évêques de Metz: Etienne de Bar 1120-1162, Nancy o. J. Nr.
29 S. 65 ff.
Gründer/Stifter: Bischof Stephan von Metz
Jahr der Aufhebung: Stiftsvermögen 1741 dem Séminaire St. Simon, Metz
zugewiesen.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 6 Pfründen, später 9
Dignitäre: Propst bis 1513, Dekan.
Statuten: 1257 bestätigt durch Papst Gregor IX. (gedruckt in Jb. f. lothr. Gesch. u.
Altertumskunde 1,1889, Nr. 63), durch Alexander IV. (ebenda Nr. 84).
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1188-1262 betr. die Zeit von 1130-1759, Cartu-
lar (14. Jh.) in Paris, BN, Ms. lat. 10026
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 265 f.; Kraus, Kunst u. Alterthum in Lothringen,
S. 705
Metz
St. Maria und St. Theobald/Ste. Marie et St. Thiebault
Zeit der Errichtung: um 1158
Gründer/Stifter: Äbtissin von St. Glossindis
Jahr der Aufhebung: 1790
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 1204: 16 Pfründen (Histoire de Metz Bd. IV,
S. 168), 18 Jh. - außer Propst und Dekan 8 Kanoniker
Dignitäre: Propst, Dekan, Scholaster, Thesaurar.
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1789-1903 aus der Zeit von 1162-1790, Cartu-
lar AD Moselle 2 G 65; 22 Urkunden von 1266-1540 in Paris, BN Collec-
tion de Lorraine Tome 983, ebenda Tome 91 beitr. Besitz in Remelfangen
139
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 261; Chronique du doyen de S. Thiébaut de Metz,
ediert von Calmet, Histoire de Lorraine, 2. Aufl. Bd. V preuves Sp. 5-
1117; Franz Xaver Kraus, Kunst und Alterthum in Lothringen, Bd. 3,
S. 483-486 u. 739; Histoire de Metz Bd. 2 S. 281-286.
Metz
St. Petrus maior (ad ymaginem, S. Pierre a Vout)
Zeit der Errichtung: 11. Jh.
Gründer/Stifter: Bischof von Metz
Jahr der Aufhebung: Ende 18. Jh.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 1130 - 4 Kanoniker, 1185 - 6 Kanoniker, so auch
in der 2. Hälfte des 15. Jhs. (AD Moselle G 1539)
Dignitäre: Propst
Statuten: um 1130 (ediert von Michel Parisse, Actes des princes Lorrains, Les Evê-
ques de Metz: Etienne de Bar 1120-1162, Nancy o. J. S. 57 f, Nr. 26)
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1500-1542 aus der Zeit von 1126-1789.
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 262; Histoire de Metz Bd. 1, S. 387-392; Kraus, Kunst
und Alterthum in Lothringen S. 715-718.
Metz
Sancta Regineta/Ste. Reinette
Zeit der Errichtung: vor 1328
Gründer/Stifter: Grandaumonier des Domkapitels, Verbindung zum Spital St. Niko-
laus in Metz.
Jahr der Aufhebung: ?
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: keine echten Pfründen, sondern Bursen für arme
Studenten.
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1543 aus der Zeit von 1442-1749.
Literatur: Dorvaux, Pouilles S. 266 Anmerkg.; Abel, in: Memoire de la Soc. d’arch.
et d’hist. de la Moselle 1860 S. 69-75; Kraus, Kunst und Alterthum in
Lothringen S. 732 f.
Metz
St. Salvator/St. Sauveur
Zeit der Errichtung: kurz vor 1070
Gründer/Stifter: Bischof Adalbero III. von Metz
140
Jahr der Aufhebung: 1790/91
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 1154 auf 20 Pfründen festgesetzt, 1565 auf 12
Pfründen beschränkt (Or. AD Moselle G 1545 Druck Meinert PU Nr. 70
S. 262f., Histoire de Metz IV, S. 119 vgl. auch Urkunde des Elekten Diet-
rich von Metz (Michel Parisse, Actes des princes Lorrains, Les évêques de
Metz: Thierri III, Ferri, Thierri IV 1163-1179, Nancy o. J. Nr. 34).
Dignitäre: Propst, Dekan, Custos, Cantor, Scholaster, Thesaurar.
Statuten: von Bischof Adalbero IV. gleiche Regel wie Domkapitel eingeführt (AD
Moselle G 1559), 1265 ediert in Histoire de Metz Bd. 3 preuves S. 217,
weitere Texte in AD Moselle G 1546.
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1544-1791 aus den Jahren 1065-1791, Cartular
Paris, BN, Ms. lat. Nr. 10029 (13./17. Jh.); dito Ms. lat. nouvelles acquisiti-
ons Nr. 2287 (Urkunde Innozens IV.), dito Ms. français Nr. 11849 Zinsen
und Rechte in Xanrey; 1520 Nekrolog 14. Jh., 1944 vernichtet, Abschrif-
ten in AD Moselle 18 J 20 und 19 J 344 (Parisse, Nécrologe de Gorze
S. 52).
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 260 f., Gallia Christiana Bd. 13 S. 818-826 mit
Namensliste der Pröpste und Dekane; Histoire de Metz Bd. 2 S. 169-173;
Charles Edmond Perrin, Recherches sur la seigneurie rurale en Lorraine
d'après les plus anciens censiers (IXe-XIIe siècle), Paris 1935 S. 365-373
betr. Urbar von Xanrey; Heinrich Büttner, Ein unbeachtetes Hofrecht
des 12. Jhs., in: Festschrift Edmund E. Stengel, Münster - Köln 1952
S. 31-39 (Betr. eine auf den Namen Adalberos von Metz titulierte und auf
das Jahr 1070 datierte Fälschung, die zwischen 1150 und 1180 hergestellt
wurde unter Verwendung älterer Vorlagen); G. van de Kieft, Note sur
une charte-censier du domaine d’Eppelsheim, dépendant de la collégiale
Saint-Sauveur de Metz (1070) in: Moyen Age 1962 S. 293-320; Alois Ger-
lich. Der Metzer Besitz im Wormsgau, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. u.
religiöse Volkskde. 18, 1953, S. 106 f. u. 313; Kraus, Kunst und Alterthum
in Lothringen S. 733 f.
Munster (Dep. Moselle)
St. Nikolaus/St. Nicolas
Zeit der Errichtung: zwischen 1212 und 1224
(Stiftungsurkunde): nicht erhalten, aber wichtige Daten in Bestätigung durch Papst
Innozens IV. vom 9. April 1251 (ediert in Jb. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch.
u. Altertumskde. 4, 2,1892 S. 222 Nr. 80).
Gründer/Stifter: Bruno, Herr von Malberg-Finstingen
Jahr der Aufhebung: 1594 mit Stift St. Stephan in Vic vereinigt
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 13 Pfründen
Dignitäre: Dekan, Custos, Cantor, rector scolarum.
141
Statuten: bestätigt von Papst Innozens IV. am 28. Febr. 1254, auszugsweise
gedruckt in: Jb. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. u. Altertumskde. 4, 2, 1892
S. 224 Nr. 89; neue Statuten 1445.
Archivalische Quellen: AD Meurthe-et-Moselle G 870, 883, 928-929, aus der Zeit ab
1270 ff.
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 268 f.; Cuny, Bockenheim Bd. 1, S. 99-109; Emile
Duvernoy, La date de l’église de Munster, in: Cahiers Lorrains 1924 S.
66f.; E. Paulus, Note sur les fondateurs et la date de fondation de la collé-
giale de Munster, in: Mémoires de l’Académie de Metz 1893-94 S. 57-85.
Neumünster (heute Stadtteil von Ottweiler/Saar)
St. Trinitatis, später St. Terentius
Zeit der Errichtung: kurz vor 871
Gründer/Stifter: Bischof Adventius von Metz
Jahr der Aufhebung: Mitte 16. Jh.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 2 Kanoniker
Dignitäre: Propst, bis 1518 belegt (Hau-Schütz S. 40)
Archivalische Quellen: Archiv nicht erhalten, wenige Hinweise im fragmentarisch
überlieferten Archiv der gleichnamigen Benediktinerinnenabtei LA Saar-
br. Bestände Nassau-Saarbrücken II u. Neumünster (früher LHA
Koblenz Best. 22 u. 146).
Literatur: Dorvaux, Pouilles S. 5, 8, 42, 68, 266 u. 672 Anm. 3; vereinzelt Hinweise in
den Darstellungen der Geschichte der Benediktinerinnenabtei: Johannes
Hau - Karl Schütz, Neumünster-Ottweiler, Saarbrücken 1934; Carl Pöhl-
mann. Die älteste Geschichte des Bliesgaues Teil 2, Speier 1953, S. 89.
Oberhomburg/Homburg-Haut (Dép. Moselle, Arr. Forbach)
St. Stephan/St. Etienne
Zeit der Errichtung: 1254
(Stiftungsurkunde): ediert von Raymond Dupriez, Charte de Fondation de la Collé-
giale de Saint-Etienne de Hombourg-l’Evêque, Metz 1879; Meurisse,
Histoire des Evêques de l’Eglise de Metz S. 459 f.; Gallia Christiana Bd.
XIII, col. 411
Gründer/Stifter: Bischof Jakob von Metz
Jahr der Aufhebung: Stiftsvermögen 1743 dem Séminaire St. Simon, Metz, zugewie-
sen.
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 9 Kanoniker, 16 Pfründen; im 17. Jh. 11 Pfründen
Dignitäre: Propst, Dignität am 9. Mai 1436 von Papst Eugen IV. aufgehoben auf
Wunsch des Kapitels (Dupriez S. 8), Dekan, Custos, Cantor, Scholaster.
142
Statuten: Statuten von St. Theobald/Metz.
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1119-1187 betr. die Zeit von 1257-1761; Paris
BN, Collection de Lorraine Tome 98 fol. 101, Tome 971 fol. 11, Tome 972
fol. 120; LA Speyer Best. Grafschaft v. d. Leyen Nr. 2-19 betr. Patronats-
recht in Bebelsheim und Wittersheim.
Literatur: Raymond Dupriez, Etude sur l'Histoire de la ville et de la collégiale de St.
Etienne de Hombourg-l’Evêque, Metz 1879; derselbe. Notice historique
sur l'ancienne collégiale de Hombourg, in: Mémoires de l’Académie de
Metz 1878/79 S. 113-128; Dorvaux, Pouillés S. 267 f.; Reichsland Elsaß-
Lothringen Bd. 3 S. 793 f.; Images du Patrimoine-Cantons de Freyming-
Merlebach et Saint-Avold, Nancy 1983, S. 37-43; Stefan Flesch - Joachim
Conrad - Thomas Bergholz, Mönche an der Saar, Saarbrücken 1986
S. 136 f.; Vincent Vion - André Schmitt, Hombourg-Haut. La ville et ses
habitants de 1585 à 1662, Hombourg-Haut 1990, S. 34-37.
Saarburg/Sarrebourg (Dep. Moselle, Arr. Sarrebourg)
St. Stephan/St. Etienne
Zeit der Errichtung: ca. 1225-1258
(Stiftungsurkunde): 1256, gedruckt in Gallia Christiana Bd. XIII col. 411 f. und bei
Meurisse, Histoire des Eveques S. 460 f.
Gründer/Stifter: Bischof Jakob von Metz
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 6 Kanoniker
Dignitäre: Propst (bis 1605), Dekan, Custos, Cantor, Scholaster, Thesaurar.
Statuten: von St. Theobald/Metz
Archivalische Quellen: AD Moselle G 1903 bis-ter betr. die Jahre 1162-1790; Paris,
BN, Colletion de Lorraine Tome 173; zahlreiche Nennungen von Di-
gnitären und Kanonikern im Archiv der Deutschordenskommende Saar-
burg, AD Moselle H 4685-4766; AD Bas-Rhin 19 J 180 betr. Altarstiftung
v. J. 1411; HStA München, Geh. Hausarchiv 40/4 Nr. 21 v. J. 1457; Nekro-
log (14./15. Jh.) AD Moselle 19 J 344.
Saarwerden/Sarrewerden (Dep. Bas-Rhin, Arr. Saverne)
St. Blasius/St. Blaise
Zeit der Errichtung: bald nach 1482 (Herrmann, Saarwerden I, Nr. 1323).
Gründer/Stifter: Nikolaus, Graf von Mörs-Saarwerden
Jahr der Aufhebung: 1559
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 6 Kanoniker
Dignitäre: Propst
143
Literatur: Joseph Levy, L’ancienne collégiale de Sarrewerden, Rixheim 1897; der-
selbe, Die Kollegialkirche St. Blasien von Saarwerden, Zabern 1900;
Franz Cuny, Das Kollegiatstift St. Blasien zu Saarwerden 1481-1557, in:
Arch. f. els. Kirchengesch. 1933, S. 241-258, Jean-Louis Wilbert - Jean
Louis Schwartz (Hrg.) L’Eglise Collégiale Saint-Biaise de Sarrewerden,
Saverne 1987 (= Société) d’histoire et d’archéologie de Saverne et Envi-
rons Cahier 138 bis), dort auch weitere Literatur.
St. Arnual (Stadtteil von Saarbrücken)
St. Arnual
Zeit der Errichtung: 1. Hälfte 7. Jh. (?)
Gründer/Stifter: Bischof von Metz
Jahr der Aufhebung: 1569
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 7 Kanoniker
Dignitäre: Propst (bis 1437), Dekan, Custos, Cantor, Scholaster, Thesaurar
Statuten: Eine Bestätigung vom 28. Februar 1254 durch Papst Innozens IV. für das
Stift Münster wurde von Ruppersberg (s. u.) fälschlich auf St. Arnual
bezogen.
Archivalische Quellen: Reste des Archivs im LA Saarbrücken Bestände Nassau-
Saarbrücken II u. Stift St. Arnual (früher LHA Koblenz Best. 22 u. 165),
Depositum Stift St. Arnual (Eigentum des Ev. Stiftes St. Arnual)
Literatur: Johann Peter Muth, Das Kollegiatstift St. Arnual, die Generalkirchen-
Schaffnei der Grafschaft Saarbrücken und die Bruderschaftsgüter der
Ortskirche St. Johann, in: Dt. Zschr. f. Kirchenrecht 15, 1905 S. 91; dersel-
be, Das ev. Stift St. Arnual in Saarbrücken, Straßburg 1908; Herbert du
Mesnil, Das Stift St. Arnual bei Saarbrücken in seiner Rechtsentwicklung,
Bonn 1911; R. Jüngst, Das Stift St. Arnual. Eine kurze Darlegung der
geschichtlichen Verhältnisse, Bonn 1911; J. P. Kirch, La collégiale de
Saint-Arnoual, Nancy - Paris - Straßburg 1919; Albert Ruppersberg, St.
Arnual, Geschichte des Stiftes und des Dorfes, Essen 1930; Carl Pöhl-
mann, Die älteste Geschichte des Bliesgaus II. Teil, Speyer 1953, S. 65-71;
Hans-Walter Herrmann/Erich Nolte, Die Frühgeschichte des Stiftes St.
Arnual und die politische und kirchliche Erschließung des Saarbrücker
Talraumes, in: Zt. f. d. Gesch. d. Saargegend 19, 1971 S. 52-123; Hans-
Walter Herrmann, Forschungsaufgabe St. Arnual, in: Saarheimat 27,
1983, S. 120-124; Alfons Kolling, Heidnisches und Heiliges um die Stifts-
kirche St. Arnual, in: Saarheimat 27, 1983, S. 209-212; Walther Zimmer-
mann, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Saarbrücken,
Düsseldorf 1932, Nachdruck Saarbrücken 1975, S. 141-180; Peter Volkelt,
Inschriften im Turm von St. Arnual zu Saarbrücken, in: Zt. f. d. Gesch. d.
Saargegend 9, 1959 S. 284-287; ders.. Die Stiftskirche St. Arnual in Saar-
brücken (= Rheinische Kunststätten Heft 89) Neuss 1978; H.-J. Böker,
144
Zur Datierung der Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken, in: 22. Bericht
d. Staatl. Denkmalpflege im Saarland, 1975 S. 39-43; Stefan Flesch - Jo-
achim Conrad - Thomas Bergholz, Mönche an der Saar, Saarbrücken
1986, S. 128-132.
Vie (Dép. Moselle. Arr. Château-Salins)
St. Stephan/St. Etienne
Zeit der Errichtung: zwischen 1158 und 1166
Gründer/Stifter: Bischof von Metz?
Jahr der Aufhebung: 1790
Zahl der Kanoniker oder Pfründen: 11 Pfründen, 1620 - 12 Kanoniker (AD Moselle
G 280), 1775 - Dekan, Sousdoyen u. 6 Kanoniker
Dignitäre: Dekan
Archivalische Quellen: AD Meurthe-et-Moselle G 868-910, aus der Zeit 1187-1789,
darunter Nekrolog 14./17. Jh. G 896, Einkünfteverzeichnis 1431/32 - G
897; AD Moselle G 280.
Literatur: Dorvaux, Pouillés S. 264.
145
Jean Luc Fray
Sarrebourg und der obere Saargau im Lichte
der Zentralitätsforschung. Ein Beitrag zur Geschichte
der mittelgroßen lothringischen Städte im Mittelalter
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts fügte die Hand eines anonymen Kanonikers oder
Klerikers des Stefansstifts in Sarrebourg auf Folio 153 verso des Nekrologs die fol-
gende historiographische Notiz ein:1
Anno bis millesimo ante Christum natum
Treverense oppidum fuit aedificatum
Anno vero centesimo post urbem treverensem
Wygewonenses extruserunt urbem Sarburgensem. . . .
Der Autor beruft sich in der Folge auf eine mythische Abstammungssage der Germa-
nen, nennt Tuiscus als „Vater der Germanen“ und Nachfahren Noahs, Mannus als
ersten König der Germanen, schließlich Wygewon als zweiten Germanenkönig, der
zur Zeit des Patriarchen Isaac regiert haben soll. Dessen Nachfahren, die Wygewo-
nenses, hätten Sarrebourg ein Jahrhundert nach der Gründung Triers errichtet, also
gemäß der Chronologie des Mythos um 1900 vor Christus.
Hieran möchte ich drei Beobachtungen knüpfen:
1. In einer erst spät schriftlich fixierten Überlieferung, die aber offenkundig schon
lange in Sarrebourg im Umlauf war, liegt hier schlichtweg der Versuch vor, der Stadt
zu einer Gründungslegende zu verhelfen, in der auf ihre angeblich antike Vergangen-
heit Bezug genommen wird.
1 A. D. MM G 1903 bis, f° 153 v°. Diese Handschrift scheint jünger zu sein als diejenige, von der
eine auf 1609 datierte Notiz auf f1 56v° des Nekrologs stammt. Handelt es sich dabei um den
Schreiber, der auf F 60r° zur Schenkung Herzog Karls von Lothringen an das Stift glosiert hat
und offenbar unsicher war, ob es sich um Karl II. oder „un Charles Ier“ handelte? In seinem
Werk „Sarrebourg, notices historiques sur la ville de Sarrebourg depuis les temps les plus
reculés“, Sarrebourg, 1890, S. 3) schreibt J.-F. Wagner: „Nous citerons, à titre de curiosité,
des opinions émises dans les documents mêmes de la ville: sur un manuscrit du treizième
siècle, on trouve une note écrite postérieurement, paraissant devoir être attribuée à un chanoi-
ne de l’antique collégiale et affirmant que la fondation de la ville de Sarrebourg remonte à un
siècle après celle de Trêves, c’est à dire, selon la même note, deux mille ans avant la naissance
du Christ: cette fondation serait due à une peuplade germanique, les Wygwones, gouvernée
par un roi du nom de Wygwon II“ (sic). „Suivant une autre note écrite au XVII° siecle par
Michel Senger, chapelain de la collégiale, et sur la foi d’un ouvrage imprimé en langue germa-
nique, la construction de Sarrebourg remonterait à 1300 ans avant J.-C. .“ Die von Wagner
erwähnte Aktennotiz stammt dabei allem Anschein nach aus dem Nekrolog des Stifts; die
Herkunft der zweiten zu ermitteln, war uns nicht möglich. Zur Anspielung auf das „livre
imprimé en langue germanique“, vgl. Anm. 6.
147
2. Durch die fiktive Genealogie der ersten Germanenkönige wird der Versuch unter-
nommen. die Geschichte Sarrebourgs in eine biblische Tradition zu stellen, indem
man Tuiscus. den „Vater der Germanen“ zum Urenkel Noahs deklarierte. Ihr hohes
Alter und ihre biblischen Wurzeln sollen die Kaufmannsstadt2 Sarrebourg in eine
sakrale Tradition hineinstellen, wie sie seit dem frühen Mittelalter greifbar ist, aller-
dings sonst nur für die Bischofsstädte und nicht für Orte mittlerer Größe, die ledig-
lich Sitz eines Archidiakonats waren.3
3. Es fällt auf. daß der Sarrebourger Autor aus den diversen Traditionen, die Städte-
gründungen auf gleichnamige Heldengestalten zurückführen, das Trierer Beispiel
herausgreift, und nicht das Metzer, obgleich das doch in mehreren Werken des 14.
und 15. Jhs. dargestellt ist. Es scheint paradox, daß man im Hauptort eines Metzer
Archidiakonats und Sitz eines Stifts, das dem Bistumspatron geweiht ist, die Mutter-
stadt übergeht und stattdessen den Ursprung Sarrebourgs in eine germanische Tradi-
tion stellt. Der Metzer Chronist Philippe de Vigneulles seinerseits scheint umgekehrt
diese Sarrebourger Tradition nicht zu kennen, wohl aber die kurzen Gründungsbe-
richte über Trier, die drei lothringischen Bischofsstädte sowie Diedenhofen/Thion-
ville, Mousson, Scarpone und Vaucouleurs4 5.
Ich überlasse es meinen auf neuere Geschichte spezialisierten Kollegen, zu untersu-
chen, ob der Zugriff der Herzoge von Lothringen auf die Stadt, de facto ab 1464, de
jure ab 1562, oder gar die Einbeziehung Sarrebourgs in das französische Königreich
1661 bei der plötzlichen Wiederbelebung dieses historischen Bewußtseins eine Rolle
gespielt haben können.
Auch wenn dieser kurze Text nur in einer späten Fassung überliefert ist, scheint er
mir doch in wenigstens zwei Punkten für Mediävisten von Belang zu sein:
Erstens spiegelt er ein ausgeprägtes städtisches Bewußtsein wider, für das man mittel-
alterliche Wurzeln annehmen darf.
Zweitens sind das Fehlen eines Bezugs zur natürlichen Metropole Metz und die Ent-
scheidung für eine rein germanische Tradition bemerkenswert. Letztere wurde durch
2 Der älteste Beleg für die Bezeichnung „Kaufmannsaarburg“ stammt aus dem Jahre 1418 (H.
Hiegel, Dictionnaire étymologique des noms de lieux de la Moselle, Sarreguemines, 1986):
opidum de Sarburgo vulgariter nomination Kaufman Sarburg.
5 A. Haverkamp, „Heilige Städte“ im hohen Mittelalter , in: „Mentalitäten im Mittelalter“
(Hrsg. Fr. Graus), Sigmaringen 1987 (= Vorträge und Forschungen, XXXV), S. 119-156.
4 Philippe de Vigneulles, Chronique (Ed. Ch. Bruneau, Metz 1927), Bd. I, S. 8ff.
5 Erst 1213 wird der populus sarreburgensis urkundlich erwähnt: AD Mos., G 1636. 1222 beur-
kunden die Bürger von Sarrebourg, daß sie einige Jahre zuvor mit ihren Spenden ein Hospital
in ihrer Stadt erbaut haben, und siegeln die Urkunde mit dem Stadtsiegel (AD Mos. H 4688).
Sechs Jahre später schließen sie einen Vertrag mit den Bürgern von Straßburg (vgl. Anm. 15).
148
rheinische Chroniken'1 vermittelt, so daß nach der Stellung Sarrebourgs in der mittel-
alterlichen lothringischen Städtelandschaft zu fragen ist, sowohl nach ihrem Rang
innerhalb der Städtehierarchie als auch danach, in welche Richtungen ihre Bewohner
sich vorzugsweise orientierten.
Die folgende Untersuchung gehört in den größeren Rahmen einer Erforschung des
mittelalterlichen Städtenetzes von Lothringen. Die Analyse von Zentralitätskriterien
und Ausstrahlungskreisen wird denn auch im Zentrum meines Referats stehen. Der
Blick richtet sich dabei mehr auf die historische Geographie als auf die Kirchenge-
schichte - die Zuhörerschaft möge mir verzeihen -, aber diese Sichtweise gibt, wie
mir scheint, über gewisse Aspekte des Archidiakonats Sarrebourg besseren Auf-
schluß.
Wenn man sich mit der kirchlichen Raumgestaltung dieses Gebietes im Mittelalter
beschäftigt, so fällt einem sofort die Besonderheit der Lage ins Auge: Das Archidia-
konat gehört zur Diözese Metz und grenzt an sechs weitere Diözesen, von denen vier
der benachbarten Mainzer Kirchenprovinz angehören (Mainz, Worms, Speyer, Straß-
burg). So liegt es an der Grenze zwischen einem System territorialisierter Archidia-
konate (Diözesen Metz, Toul und Trier) und zentralisierter Archidiakonate (Mainzer
Kirchenprovinz), deren Sitz eng mit einem Kanonikerstift verbunden ist, das aber
nicht im Archidiakonat selbst, sondern in der Bischofsstadt liegt. Das große (171
Pfarreien im Pouillé des 16. Jhs.), fast rein deutschsprachige Archidiakonat Sarre-
bourg verfügt auch über eine relative natürliche Einheit, denn das Gebiet seiner
sechs Archipresbyterate entspricht in etwa dem durch den Oberlauf der Saar, die
Blies und ihre Nebenflüsse gebildeten Becken. Sarrebourg selbst liegt innerhalb des
Archidiakonats exzentrisch und soll nun genauer betrachtet werden.
Die mittelalterliche Geschichte Sarrebourgs läßt sich in der Tat gemäß den Kriterien
der Zentralitätstheorie6 7 in drei große Perioden einteilen:
1. Relative Isolierung (10. - Ende 12. Jh.)
Gegenwärtig entsteht an der Universität Trier im Rahmen des Sonderforschungsbe-
reichs „Zwischen Maas und Rhein“ ein systematisches Kartenwerk zu den Zentra-
litätskriterien und der städtischen Ausstattung Lothringens um 1000, 1100 und 1200.
6 Die Sarrebourger „Gründungslegende“ scheint eine weitere Fassung des Mythos vom bibli-
schen Ursprung der Germanen zu sein, der in Deutschland, ausgehend von einem Text des
Pseudo-Berosius, vor allem durch den italienischen Humanisten Annius von Viterbo (1432-
1502) Verbreitung fand. Hierzu: F. Staab, Quellenkritik im deutschen Humanismus am Bei-
spiel des Beatus Rhenanus und des Wilhelm Eisengrein, in: „Historiographie am Oberrhein im
Spätmittelalter und in der Frühneuzeit“ (Hrsg. K. Andermann), Sigmaringen 1988 (=
Oberrheinische Studien, 7), S. 155-164. Prof. Staab danke ich hier für seine Anmerkungen
und bibliographischen Hinweise.
7 E. Meynen (Hrsg.), „Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsfor-
schung“, Münster 1979 (Städteforschung, Reihe A, Bd. 8).
149
Daraus wird ersichtlich, daß der alte gallorömische Vicus Sarrebourg im frühen Mit-
telalter über eine nicht unerhebliche städtische Ausstattung verfügte: seine histori-
sche und topographische Kontinuität reicht bis in die Antike zurück, später erscheint
dann Sarrebourg als befestigter Hauptort einer gleichnamigen Grafschaft, als bischöf-
liche Zoll- und Münzstätte und schließlich als Archidiakonatshauptort. Es nimmt
somit schon um das Jahr 1100 einen nicht unbedeutenden Rang in der Städtehierar-
chie des lothringischen Raumes ein. Natürlich liegt es weit hinter den lothringischen
Bischofsstädten (Sarrebourg kommt auf 4 Stadtkriterien. Metz dagegen auf 20, Trier
auf 19, Verdun auf 16, Toul auf 12), aber zu den rheinischen Bischofsstädten ist der
Abstand schon weniger groß (Speyer und Worms 12, Straßburg 9, Basel 5).
Eine weitere Besonderheit Sarrebourgs besteht in seiner relativ isolierten geographi-
schen Lage: Im Mosel- und in geringerem Maße auch im Maastal liegen Orte mit
hohen Zentralitätskoeffizienten in jeweils weniger als 35 km Abstand voneinander
wie an einer Perlenschnur aufgereiht (hier Luxemburg, Diedenhofen, Metz,
Dieulouard und Toul sowie Epinal, Remiremont und Luxeuil, dort Verdun und St.
Mihiel). Sarrebourg dagegen liegt zwar 40 km von Vic und Marsal. aber 95 km von
Metz, 73 km von Saarbrücken, 66 km von Straßburg und 53 km von Lunéville ent-
fernt - wobei diese Aufzählung nur die Orte umfaßt, deren Kriterienanzahl die Sarre-
bourgs erreicht oder übertrifft. Diese isolierte Lage zieht sich als Konstante durch die
hochmittelalterliche Geschichte Sarrebourgs: Das Land am Oberlauf der Saar liegt
im rheinfränkischen Dialektgebiet, isoliert zwischen dem Alemannischen im Osten
und dem Romanischen im Westen. Es wird kaum von der benediktinischen Grün-
dungswelle erfaßt, die dort nur zur Gründung schwach ausgestatteter Frauenklöster
von geringerer Ausstrahlungskraft (Hessen/Hesse, Vergaville, Herbitzheim) sowie
einiger weniger und zum Teil später Priorate (Lixheim, Lörchingen/Lorquin, St. Qui-
rin, Finstingen/Fénétrange8) führt. Diese Randlage des Landes an der oberen Saar
könnte einige Phänomene erklären, die die Pouillés, wenn auch ein wenig später, ans
Licht bringen. Zu nennen wäre hier etwa der noch im 16. Jh. sehr hohe Anteil weltli-
cher Kollatoren: Im Archidiakonat Sarrebourg haben 40 % der Pfarreien einen welt-
lichen Kollator, in dem von Marsal dagegen nur 27 %, in dem von Vic 12 %. Vor
allem die geistlichen Kollatoren aus dem romanischsprachigen Lothringen sind klar
unterrepräsentiert: 5 % der Pfarreien im Archidiakonat Sarrebourg gegenüber 56 %
für Marsal und 75 % für Vic. Die geistlichen Institutionen der Bischofsstadt sind
kaum vertreten: Metzer Abteien und Stifte sowie das Domkapitel haben das Patro-
natsrecht in der Hälfte der Pfarreien der Archidiakonate Vic und Marsal, aber nur in
7 der 171 Pfarreien des Archidiakonats Sarrebourg. Da also dieses Phänomen im
benachbarten, nahezu in ebensolchem Maße deutschsprachigen Bezirk Marsal nicht
auftritt, ist wohl zu folgern, daß hier die in bezug auf die Bischofsstadt isolierte geo-
graphische Lage eine größere Rolle spielt als die Sprachgrenze9. Die Zahlen relativie-
8 Das letztgenannte Priorat erscheint erst 1252 als von der Benediktinerabtei Saint-Mihiel
abhängig in den Quellen (M. Parisse, La Lorraine monastique, Nancy 1981, S.133).
9 Pouillé aus dem 14. Jh. in einer Fassung von 1540, in: A. Longnon und V. Carrière,
Pouillés de la province ecclésiastique de Trêves, Paris 1915 (= Recueil des historiens de la
France, Pouillés, V), S. 215ff.
150
ren jedenfalls die Bindungen zwischen Metz und Sarrebourg im Mittelalter, auch in
kirchlicher Hinsicht.
Dies war freilich nicht immer so: Im Frühmittelalter war die direkte oder indirekte
Abhängigkeit des Landes an der oberen Saar von Metz weitaus stärker: Die Abteien
Neuweiler bei Zabern/Neuwiller-les-Saverne und Maursmünster/Marmoutier gehör-
ten zwar zur Diözese Straßburg, aber Neuweiler war im 8. Jh. vom Metzer Bischof
Sigebald gegründet und von dessen Nachfolger Drogo 826 mit den aus Metz transfe-
rierten St.-Adelphus- Reliquien ausgestattet worden. Diese Abtei besaß südlich von
Sarrebourg die Grundherrschaft und die Peterskirche in Weltringen. Derselbe Drogo
hatte die niedergebrannte Abtei Maursmünster wieder aufgebaut, von der wiederum
das um 966 gegründete Priorat St. Quirin abhing. Die Benediktiner der in der Diöze-
se Toul gelegenen, weltlich aber zum Bistum Metz gehörigen Abtei Senones besaßen
südlich von Sarrebourg Güter, auf denen 1128 das Priorat Lörchingen errichtet
wurde. Seit dem 10. Jh. aber ließen einige dieser Bindungen nach, sei es daß die Mut-
terabtei selbst sich jetzt anders orientierte (Remiremont), sei es daß die Grundherr-
schaft von Auflösungsprozessen betroffen war (so im Falle Maursmünsters, dessen
drei Urbare aus dem 10. Jh., Anfang des 11. Jhs. und Ende des 11. Jhs. die Auflösung
des Herrschaftskomplexes von St. Quirin aufzuzeigen scheinen). Schließlich haben
sich, wie überall, seit dem 12. Jh. lokale weltliche Machthaber auf dem Umweg über
die Vogtei auf Kirchengut festgesetzt: Die Herren von Malberg haben die Vogtei
über die Güter der Abtei Remiremont inne, woraus dann die Herrschaft Finstingen
hervorgeht; die Herren von Gerolseck sind Vögte der Güter von Maursmünster; die
Grafen von Saarwerden erwerben die Vogtei über die Güter einer anderen großen
elsässischen Abtei, die jedoch ohne Bindungen an Metz ist: St. Peter in Weißen-
burg/Wissembourg10 11. So erklärt sich, warum der Metzer Bischof Stefan von Bar
(1120-1162), der die weltliche Herrschaft seiner Kirche nach den Wirren des Investi-
turstreits kraftvoll wiederherstellte, mit solcher Sorgfalt die Rechte und Güter der
Abtei Maursmünster oder der Priorate St. Quirin und Lörchingen schützte und
erneut bestätigte (sechs bischöfliche Urkunden zwischen 1123 und 1141"). Aber es
fällt auf, daß sich keine dieser Urkunden - und sehr wenige andere des 12. Jhs. - auf
den wichtigsten Ort an der oberen Saar, nämlich Sarrebourg, beziehen.
Auf politischer Ebene sind die Bindungen des Sarrebourger Landes zu seinem
bischöflichen Herrn kaum besser greifbar: eine anonyme Münzprägung in Sarrebourg
zur Zeit des Bischofs Hermann (1072-1090), dann noch einmal eine Münzprägung
10 H.-W. Herrmann, Geschichte der Grafen von Saarwerden bis zum Jahre 1527, Bd.I: Quel-
len, Saarbrücken, 1957; Bd. 11: Darstellung, Saarbrücken. 1959 (= Veröffentlichungen der
Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung I). Hier: Bd. II,
S. 42-46.
11 „Etienne de Bar (1120-1162)“ (Hrsg. M. Parisse), Nancy 1980 (= Actes des princes lorrains,
2ème série, Princes ecclésiastiques, I, B) n° 1, 8, 14, 17, 45, 54.
151
durch das Domkapitel zur Zeit Alberos IV. (1104-1115)12. Kürzlich ist darauf hinge-
wiesen worden, daß Sarrebourg nicht in den Urkunden der Metzer Bischöfe Dietrich
III. und Friedrich auftaucht und sich erst 1173 wieder ein Metzer Prälat für Sarre-
bourg zu interessieren scheint und im Westtor der Stadt ein Hospiz einrichtet11. Sarre-
bourg und das obere Saartal mit den Burgen Saareck und Türkstein/Turquestein, der
Vogtei der Abteien Hessen und Haute-Seille und dem Priorat St. Quirin sind nämlich
Anfang des 13. Jhs. in die Hände der Grafen von Dagsburg/Dabo geraten, ebenso
wie ja auch Saaralben/Sarralbe, die Vogtei der Abtei Herbitzheim und - auf elsässi-
scher Seite - Burg Herrenstein. Bekanntlich ermöglicht erst das Aussterben des Hau-
ses Dagsburg nach 1225 den Metzer Bischöfen, ihre Autorität in Sarrebourg erneut
auszuüben, wie es denn auch Johann von Apremont (1224-1238) und Jakob von
Lothringen (1239-1260) so energisch tun. Aber dieser erneute Zugriff mag den Met-
zer Bischöfen zwar notwendig erschienen sein, sollte sich aber als Illusion erweisen,
denn wahrscheinlich seit dem Ende des 12. Jhs., sicher aber seit dem Anfang des 13,
Jhs. geriet das jetzt auch zur Kaufmannsstadt avancierte bischöfliche Sarrebourg
zunehmend in den Einflußbereich des aufstrebenden, benachbarten Elsaß.
2. Die Hinwendung zum Rheinland und die Herausbildung eines
„Sarrebourger Landes“ (13. / 14. Jh.)
Die Geschichte Sarrebourgs im 13. und 14. Jh. scheint mir durch vier Grundcharakte-
ristika geprägt:
- eine rapide Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wachstums
der Stadt
- ein deutlicher Zugriffsversuch seitens des Bischofs in der ersten Hälfte des 13. Jh.
- eine immer massivere Ausrichtung auf das Elsaß und speziell auf Straßburg
- schließlich das Entstehen eines „Sarrebourger Landes“, das auf die kleine Stadt als
Zentralort ausgerichtet ist.
In der Tat mehren sich um die Wende zum 13. Jh. recht plötzlich die Anzeichen für
eine städtische Entwicklung Sarrebourgs und zugleich für seine Funktion als Han-
delsstadt: 1173 wurde durch den Metzer Bischof hier ein Hospiz gegründet11, um die
12 K. Petry, Monetäre Entwicklung, Handelsintensität und wirtschaftliche Beziehungen, der
Oberlothringischen Raum vom Anfang des 6. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, Phil. Diss.,
Trier 1988 (im Druck). Im Jahre 1136 bestätigt Papst Innocenz II. dem Dekan und den Dom-
herren von Metz das Münzrecht zu Sarrebourg (M. Pa risse, Bullaire de la Lorraine, in:
„Annuaire de la Société d’histoire et d’Archéologie de la Lorraine“, 69 (1969), S. 5-102, hier
n° 165).
11 „Thierry III, Frédéric, Thierry IV (1163-1179)“, (Hrsg. M. Parisse) Nancy 1978 (= Actes
des princes lorrains, 2ème série, I, C) n° 40.
152
Wende zum 13. Jh. durch Graf Albert von Dagsburg und Metz ein Hospital14. Schon
1229 sind die Bürger von Sarrebourg in der Lage, einen Handelsvertrag mit denen
von Straßburg abzuschließen.15 Der Text erwähnt ausdrücklich Kaufleute aus Sarre-
bourg, gegenseitigen Marktbesuch in beiden Städten, den Zoll in Sarrebourg16 und
schließlich Stadtgräben, was die Existenz einer ersten Stadtbefestigung noch vor den
unter Johann von Apremont 1230-1240 durchgeführten Arbeiten beweist.
Diese wirtschaftliche Entwicklung ist auch an der Verbesserung der sakralen Aus-
stattung der Stadt im Laufe des 13. Jahrhunderts ablesbar: Vor 1222 wird eine
Deutschherrenkommende gegründet, der die Bewohner die Verwaltung des Hospi-
tals übertragen und die kurz darauf in Hof/Hoff, nördlich der Stadt, ein Leprosen-
haus errichtet17. Um 1265, vielleicht schon 1256, lassen sich Franziskaner in Sarre-
bourg nieder.1” Ferner wird zwischen 1250 und 1276 ein Dominikanerinnenkloster in
Weyerstein/Viviers gegründet,19 und vor allem läßt sich dort schon um 1232 eine
Säkularkanonikergemeinschaft nieder, die 1256 durch Jakob von Lothringen in ein
Stift umgewandelt wird2'1. Nachdem sich die Franziskaner mit Unterstützung der Stadt
und finanzieller Hilfe durch den Sarrebourger Bürger Jakob Stollo in der alten, schon
1117 erwähnten Liebfrauen-Pfarrkirche niedergelassen hatten, wird eine neue Pfarr-
kirche mit dem Nikolauspatrozinium gebaut21 22. Sie wird bald zum Zentrum des Kauf-
mannsviertels. Der Nekrolog des 15. Jhs. erwähnt in ihrer unmittelbaren Umgebung
die Bäcker- und die Kürschnerhalle sowie verschiedene Wechselbänke dicht bei oder
innerhalb des Atrium beati Nicolar2. Es sei daran erinnert, daß Sarrebourg neben
14 Die Gründung dieses Hospitals durch den „Grafen von Metz“ wird in der Bulle Innozenz III.
vom 10. Januar 1209 bestätigt (AD Mos. H 4687). Dies steht jedoch im Gegensatz zu der
Urkunde von 1222 (vgl. Anm. 5), in der die Sarrebourger Bürger, als sie das Hospital an die
Deutschherren übertragen, von hospitalem ejusdem villae quod jamdudum construximus de
elemosinis nostris ad suscipiendos pauperes pro remedio animarum nostrarum et parentium
nostrorum . . . contulimus ad domum teotunicam transmarinam sprechen, ohne die Gründung
durch Albert von Metz-Dagsburg (t 1211) zu erwähnen. R. Schmidt, Die Deutschordens-
kommenden Trier und Beckingen 1242-1794, Marburg 1979 (= Quellen und Studien zur
Geschichte des Deutschen Ordens, 9) S. 12, Anm. 51, schließt daraus auf die Existenz zweier
Hospitäler, nicht so dagegen J. Demarolle in „Histoire de Sarrebourg“ (unter Feder-
führung von Y.-F. Le M oigne), Metz 1981, S. 85 und 93f.
15 Urkundenbuch der Stadt Straßburg. Bd. I, Straßburg 1879, n° 216.
16 Der Zoll zu Sarrebourg wird zuerst in der als falsch erkannten Bulle Leos IX. für die Abtei
Hessen.im Jahre 1050 erwähnt: M. Parisse, Bullaire de la Lorraine, (wie Anm. 12) hier nu
36. Der numismatische Befund weist das Münzatelier für das Ende des 11. Jhs. nach (vgl.
Anm. 12). Die Erwähnung des Zolls zu Sarrebourg ist, auch wenn es sich bei der Urkunde um
eine Fälschung handelt, für jene Zeit nicht auszuschließen.
17 „Histoire de Sarrebourg“ (wie Anm. 14), S. 93f.
18 Ebenda (wie Anm. 14), S. 97-99. M. Parisse, La Lorraine monastique (wie Anm. 8 ),
S. 105f.
19 Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14 ), S . 96f.
20 In einer Urkunde der Abtei Neuweiler wird schon 1232 das Stift von Sarrebourg unter den
Besieglern erwähnt (AD Bas-Rhin, G 5432). Die Urkunde Jakobs von Lothringen: AD Mos.
G 467. M. Arveiller-Ferry, „Catalogue des actes de Jacques de Lorraine, évêque de
Metz (1239-1260)“, Metz 1957 (= Mémoires des Annales de l’Est, 20), n° 269. Das Grün-
dungsdatum wird diskutiert in Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 88. Die Stefanskirche
selbst wird 1189 in einer Urkunde der Abtei Haute-Seilie erwähnt (AD MM, H 632). Die
Urkunde Jakobs von Lothringen schreibt zwar nicht die Zahl der Kanoniker, wohl aber die
der Amtsträger auf fünf fest. Zu keinem Zeitpunkt scheint es dort jedoch mehr als insgesamt
acht Kanoniker gegeben zu haben.
21 Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 97.
22 AD Mos. G 1903 bis, f °49r° , 55r° , 59r°, 62r°.
153
Diedenhofen der einzige Ort in der Diözese Metz ist, der im 13. und 14. Jh. Bettelor-
den aufgenommen hat, und daß außerhalb der Bischofsstädte sonst nur Neufchäteau,
ebenfalls eine Kaufmannsstadt, in der Lage ist, zwei Bettelordensgemeinschaften zu
unterhalten.
Mit diesen zwei Bettelordensklöstern2’, dem Stift sowie zwei oder drei Hospitälern
macht Sarrebourg einen deutlichen Sprung nach vorn in der Klassifizierung der Städ-
te im mittelalterlichen Lothringen nach Zentralitäts- und Ausstattungskriterien, näm-
lich von 5 Kriterien im Jahre 1150 auf 8 im Jahre 1200, 12 im Jahre 1250, 14 im Jahre
1300 und 15 in der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Angesichts dieser Sachlage versteht man, daß die Metzer Bischöfe im 13. Jh., nach-
dem sie sich von der Hypothek der Dagsburger Vogtei befreit hatten, der Stadt
erneut ihre Unterstützung gewährten. Davon zeugen:
- die Gewährung eines Stadtprivilegs durch Johann von Apremont 122923 24
- die schon erwähnte Erneuerung der Stadtbefestigung25
- und vor allem die Gründung (um 1232?) und dann die endgültige Organisation des
Stefansstiftes durch Jakob von Lothringen 1256. Diese ist sicher kein Einzelfall
(Jakob gründet 1254 auch das Homburger Stefansstift und erneuert das von Vic),
gewinnt hier aber doch besondere Bedeutung: Die Namensgebung, die dem Kapi-
tel auferlegte Verpflichtung, seinen Propst stets aus dem Metzer Domkapitel zu
wählen, die innere Organisation des Sarrebourger (wie auch des Homburger) Stifts
nach dem verbindlichen Modell des Stifts St. Thiebaut in Metz - all das belegt den
Willen, die Bindungen zwischen der Bischofsstadt und dem am weitesten von ihr
entfernten Archidiakonatssitz und zugleich zwischen der Stadt Sarrebourg und
ihrem weltlichen Herrn auszubauen26.
Geographisch, vor allem wirtschaftlich und vielleicht auch sprachlich wendet sich
Sarrebourg von nun an verstärkt dem Elsaß zu, wo es ab der Mitte des 12. Jhs. zu
einer explosionsartigen Vermehrung der Städte kommt. Mit Hagenau/Haguenau,
Brumath, Zabern/Saverne, Molsheim, Rosheim usw. entwickelt sich die Stadtland-
schaft hier - wie auch an der Saar - spät, aber um so kraftvoller. Ist es nicht bemer-
kenswert, daß eine der ersten überlieferten Erwähnungen der Bürgergemeinde von
Sarrebourg eben der Vertrag von 1228 mit der großen elsässischen Metropole ist?
Gewiß lassen sich auch für die vorangehenden Jahrhunderte Bindungen zwischen
dem Land an der oberen Saar und dem Oberrhein feststellen: Wenn etwa die Abtei
23 Zur Bedeutung der Bettelorden für die Stadtentwicklung vgl. J. Le Goff, Ordres mendi-
ants et Urbanisation dans la France médiévale, Etat de l’enquête, in: Annales E.S.C., 1970,
S. 924-946.
24 Stadtarchiv Sarrebourg, 1 L. S. 3.
25 Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 103f.
26 Zur Gründung des Stifts in Hombourg: M. Arveiller-Ferry (wie Anm.20),
n° 225 (1254). Erwähnung des Wiederaufbaus des Stifts zu Vic, ebenda, n° 80 (1239). Vgl.
auch den Beitrag von H.-W. Herrmann in diesem Band.
154
Hessen Beziehungen zum Kloster Ste.-Foix in Conques im Bistum Rodez hat, so
durch die Vermittlung des Priorats, das Ste.-Foix in Schlettstadt/Selestat27 besitzt. Das
Priorat Lixheim schließlich wurde von Graf Folmar von Metz um 1100 den Benedik-
tinern von St. Georg im Schwarzwald unterstellt28. Auch die Kunstgeschichte hat
elsässische und baslerische Einflüsse auf die romanische Abteikirche von Hessen
nachgewiesen29, und der Zugriff der Dagsburger Grafen auf Sarrebourg und sein
Umland hatte die Bindungen mit den Gebieten jenseits der Vogesen sicher noch ver-
stärkt.
Aber erst im Laufe des 13. Jhs. nehmen die Zeugnisse über diese Bindungen an Zahl
und an Bedeutung zu: Das Sarrebourger Franziskanerkloster wird sogleich der Fran-
ziskanerprovinz Straßburg angegliedert, und der Hl. Bonaventura beruft dort 1271
das Provinzialkapitel ein. Die Dominikanerinnen Weyersteins stammen aus dem
Elsaß (Finkweiler bei Straßburg), die Sarrebourger Priorin Dina gehört einer Straß-
burger Senatorenfamilie30. Auch die Siegeikunde gibt Aufschluß darüber, daß man
sich vorzugsweise nach Osten hin orientierte: Das Sarrebourger Stadtsiegel steht stili-
stisch dem Straßburger nahe. Das Siegel des Sarrebourger Stifts wiederum verkörpert
einen völlig anderen Typus als das des Stefansstifts zu Vic, das aus der gleichen Zeit
stammt und die Steinigung des Protomärtyrers in einer Art und Weise darstellt, die
man auch von Metzer Beispielen kennt31.
Die Bindungen an Metz scheinen im 13. Jh. sehr schwach ausgebildet zu sein: Die von
Charles-Edmond Perrin untersuchten Einwandererlisten aus Metz wie auch die Met-
zer Bannrollen zeigen, daß das Archidiakonat im allgemeinen und das Sarrebourger
Land im besonderen wenig zur Erneuerung der Metzer Bevölkerung im 13. und zu
Beginn des 14. Jhs. beigetragen haben. Umgekehrt belegen Sarrebourger Urkunden,
daß sich das gesamte 13. und 14. Jh. hindurch32 nur wenige Metzer an der Saar nieder-
gelassen haben. Straßburger Quellen hingegen weisen für die Zeit von 1229 bis 1266
immerhin 11 Namen in der elsässischen Metropole ansässiger Sarrebourger Einwan-
derer aus, für den Zeitraum 1266 bis 1322 sind es deren 20 (gegenüber nur 3 für Saar-
brücken und 4 für Saaralben33). Hinzuzufügen wäre schließlich noch, daß Bezüge zu
Sarrebourg auch in den Metzer Chroniken und Klosternekrologen des 14. und 15.
Jhs. kaum auftauchen.
27 AD MM, H 592 (1267): Die Abtei Sainte-Foy de Conques überträgt ihre Besitzungen in Bet-
teling (Gern. Buhl-Lorraine, Moselle, Arr. und Kanton Sarrebourg) der Abtei Hessen.
28 H.J. Wollasch, Die Anfänge des Klosters St . Georgen im Schwarzwald, Freiburg i. Br.
1964 (= Forschungen zur Oberrhein. Kirchengesch. 14).
29 D. Gaignoux, Les ordres mendiants et l’introduction du style gothique dans le pays sarre-
bourgeois, in: Patrimoine et culture en Lorraine (Hrsg. F.-Ÿ. Le Moigne), Metz 1980,
S.185-205.
30 Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 96.
31 H. Collin, Sceaux de l’histoire lorraine, in: Lotharingia, (1988) Siegel n° 199 und 248-252.
32 Ch.-Ed. Perrin, Le droit de bourgeoisie et l’immigration rurale à Metz au XIII° siècle, in:
Annuaire de la Société d’histoire et d’Archéologie de la Lorraine, XXX (1921), S. 513-640.
K. Wichmann, Die Metzer Bannrollen des dreizehnten Jahrhunderts, Metz 1908-1912
(= Quellen zur lothringischen Geschichte, Bd. V-V1I). G. Dosdat, Rôles des bans 1323,
1335-1336-1337-1338, Diss. Nancy II 1980.
33 Urkundenbuch der Stadt Straßburg, 7 Bde., Straßburg 1879-1900.
155
Ende des 13. Jhs. erweist sich die sprachliche, wirtschaftliche und soziale Anziehungs-
kraft des Elsaß als vorherrschend und wiegt so die weltliche und geistliche Zuge-
hörigkeit zu Metz wohl auf. Im Herbst 1305 etwa besucht der Träger der Totenrollen
der Abtei St. Pierremont bei Briey im Bistum Metz systematisch die Benediktiner-
und Benediktinerinnenabteien und -priorate sowie die Zisterzienser- und Prämon-
stratenserniederlassungen in den Tälern der Mosel, der oberen Meurthe und der
Maas. Ist es Zufall, daß er dabei das Saartal (und das Archidiakonat Sarrebourg) aus-
läßt, obwohl er doch die nahegelegenen Klöster Marsal und Haute-Seille aufsucht,
bevor er nach Süden zu den Vogesenabteien hin abbiegt14? Und ist der seltsame lap-
sus calami eines herzoglichen Schreibers aus dem Anfang des 14. Jhs. eventuell ein
Hinweis dafür, daß man von Nancy aus Sarrebourg ebenfalls als quasi-elsässische
Stadt ansah? Beim Abschreiben einer Pfändungsurkunde von 1250, die einen Sarre-
bourger Bürger Burghard (Burchardus dictus Schelp, civis de Sarburc) betraf,
schreibt nämlich unser Mann versehentlich in die Überschrift dieser Passage des
Lothringer Kartulars lettre de wagiere . . . Broachart citain de Strasbourch15,
Der pagus sarroensis ist in den Quellen seit dem Ende des 7., der comitatus Saraburg
seit Mitte des 10. Jhs. belegt. Die Existenz eines „Sarrebourger Maßsystems“, das sich
von den Maßsystemen von Blämont im Süden, Bockenheim/Bouquenom und Saar-
werden im Norden und Marsal im Westen unterschied, belegt wohl - wie andernorts
auch - die Existenz alter Fiskalbezirke, unter die die Grafschaft an der oberen Saar
im Frühmittelalter aufgeteilt wurde*. Die Verpflichtung, beim Wiederaufbau der
Stadtmauern mitzuwirken, die Bischof Johann von Apremont um 1230-1240 22 Dör-
fern des Umlandes von Sarrebourg auferlegt, ist sicher ein Relikt desselben Phäno-
mens34 35 36 37.
Jedoch ist es erst für das 13. und vor allem 14. Jh. möglich, einen „Sarrebourger
Raum“ genauer zu kartieren, der nicht mehr systematisch und ausschließlich durch
alte herrschaftliche und kirchliche Grenzen bestimmt ist, sondern durch die verschie-
denen Formen des Einwirkens der kleinen Stadt auf ihr Umland.
Neben dem Kriterium der Verwendung des Sarrebourger Maßsystems und der Sarre-
bourger Münze (zu der allerdings im 13. und 14. Jh. Metzer und Straßburger Münzen
34 Paris, BN, MS. Lat. 9204. Der Träger der Totenrolle ist am 13. September in Bouxieres-aux-
Dames (bei Nancy), Lay und Vic, am 14. in Salival und Marsal, am 15. in Haute-Seille, am 16.
in Saint-Sauveur-en-Vosges, am 17. in Senones und Moyenmoutier, am 18. in Saint-Die und
am 19. in Epinal.
35 AD Meuse, B 256, f° 174v°.
36 H.-W. Herrmann (wie Anm. 10), Bd. II, S. 42-43. Das Maßsystem von Bockenheim wird
im Jahre 1344 für die Dörfer Eschweiler/Eschwiller und Isch/Ische (Bas-Rhin, Saverne, Dru-
lingen) erwähnt (ebenda, Bd. I, n° 343).
37 Das Sarrewerdener Maßsystem wird 1333 in Rimsdorf (Bas-Rhin, Saverne, Sarre-Union)
(Herrmann, wie Anm. 10, I, n° 277) und 1334 in Pistroff (Bas-Rhin. Saverne, Drulingen)
(ebenda, n° 290) erwähnt. Das Sarrebourger Maßsystem wird 1349 in Kirrberg (Bas-Rhin,
Saverne, Drulingen) (ebenda, n° 393) sowie 1344 für die Mühle von Wiedelfing (Flurname,
Gern. Vieux-Lixheim, Moselie, Sarrebourg, Fenetrange) erwähnt (ebenda, n° 343).
156
in Konkurrenz treten) ist eines der ältesten Zeugnisse des Einflusses Sarrebourgs auf
sein Umland kunsthistorischer Art, nämlich die sehr bemerkenswerte Ähnlichkeit
des Baustils der Franziskanerkirche in Sarrebourg, die um 1260-80 und in enger
Anlehnung an elsässische Vorbilder (Niederhaslach und die beiden Dominikaner-
klöster in Colmar und Straßburg) errichtet wurde, mit den Landkirchen von Hof und
Eich innerhalb der Bannmeile Sarrebourgs, aber auch mit den Kirchen von Oberstin-
zel. St. Johann von Bassel/St.-Jean-de-Bassel und Niederstinzel, die jeweils 10 bis 15
km nördlich Sarrebourg liegen-1*.
Die Toponymie ist für die deutschsprachigen Gebiete weniger hilfreich als für die
romanischsprachigen, in denen die Verwendung der Präposition -les- die räumliche
Abhängigkeit eines Ortes von einem anderen dokumentiert. Immerhin finden sich
entsprechende Bezeichnungen für Lixheim schon 1142 in einer Urkunde Stefans von
Bar (ad sanctum Georgium juxta Saleburc qui vocatur Luchisin) und für Hessen im
15. Jh. (claustrum Hessen situm circa Sarburg, 1457)38 39.
Die ökonomische Anziehungskraft Sarrebourgs auf die benachbarten Abteien und
Priorate manifestiert sich ab Ende des 12. Jhs. durch den Erwerb von Häusern, Kel-
lern und Scheunen innerhalb der Stadt. Dies gilt für die Zisterzienser von Haute-
Seille schon 1184 (ein späterer, auf 1332 datierter Text zeigt, daß dieser Hof von
Haute-Seille in Sarrebourg hinter der Nikolauskirche im Kaufmannsviertel lag), für
die Benediktiner von Senones im Jahre 1240 sowie für das von der elsässischen Abtei
Neuweiler 1232 bzw. 1332 erworbene Haus40 mit Scheune. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß die Einrichtung dieser Klosterhöfe in der Stadt Sarrebourg in Verbindung mit
der Entwicklung der Schafzucht in dem lothringischen Vorvogesengebiet steht41.
Die Karte der Orte, in denen die Deutschordenskommende Sarrebourg im Mittelal-
ter Güter oder Rechte besaß (bearbeitet von R. Schmidt), zeigt eine völlige Überein-
stimmung zwischen dieser Zone und den Grenzen der drei Archipresbyterate Sarre-
bourg, Bockenheim und Vergaville42.
38 D. Gaignoux (wie Anm. 29). Zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang ferner an das
bedeutende Keramik- (Figuren zum religiösen Bedarf sowie Geschirr) und Pflastersteinge-
werbe in Sarrebourg um die Mitte des 14. Jh. („Maîtres céramistes sarrebourgeois du XIX°
siècle, Catalogue de l’exposition du Musée régional de Sarrebourg,“ Sarrebourg 1964). Im
Nekrolog des Stifts finden sich zudem zahlreiche undatierte Hinweise auf Sarrebourger Stein-
metze (lapicidae) und auf eine fossa lapicidum, die in f° 66v° erwähnt wird. Ein Steinmetz
wird auch in einer Urkunde von 1349 genannt (H.-W. Herrmann, wie Anm. 10, I,
n° 394).
39 Paris, BN, Coli. Lorraine, Bd. 977, n° 3 (Lixheim) und AD MM, H 592 (Hessen).
40 AD. Bas-Rhin, G 5432 (Neuweiler, 1232), AD MM, H 632 (Haute-Seille, 1189 und 1332),
Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 88 (Neuweiler, 1332).
41 1155 erhalten die Zisterzienser von Haute-Seille das Recht, ihre Herden, welcher Gattung
auch immer, auf dem gesamten Gebiet der Grundherrschaft Maursmünster zu weiden (AD
MM, H 594), ebenso 1159 für die Grafschaft Dagsburg (ebenda), 1185 für die Grafschaft
Sarrewerden (ebenda), und schließlich 1196 für „toute la terre des Vosges dépendant de
l’évêche de Metz“ (AD MM, H 596). Der Text der Urkunde von 1155 deutet an, daß der
Bischof und der Graf von Dagsburg diese Rechte bereits in früheren Urkunden verliehen hat-
ten. Der Text von 1185 erwähnt ferner, daß die Mönche von Haute-Seille Eisenerz durch die
Grafschaft Sarrewerden transportierten.
42 R. Schmidt , wie Anm. 14.
157
Wenn man schließlich die Herkunftsnamen der im Sarrebourger Nekrolog erwähnten
Personen kartiert, so wird daraus ersichtlich, daß diese ausschließlich aus dem
deutschsprachigen Teil Lothringens und aus eben diesen drei bereits erwähnten
Archipresbyteraten stammen: 49 Erwähnungen für Sarrebourg, 15 für Bockenheim
und 9 für Vergaville. Bemerkenswerterweise konzentrieren sich 75 % der Hinweise
auf einen 15-km-Umkreis um die Stadt, innerhalb dessen die Sarrebourger Bürger
Ende des 13. und im 14. Jh. auch den größten Teil ihres Grundbesitzes, ihrer Zehnt-
rechte und ihrer Grundrenten erwerben. Als Geldleiher treten sie vor allem für die
Dagsburger und Saarwerdener Grafen auf.
So zeichnet sich in dem Dreieck zwischen den Diözesen Toul und Metz im Südwesten
sowie Metz und Straßburg im Osten ein Raum ab, der je nach den gewählten Kriteri-
en auf unterschiedliche Weise auf Sarrebourg als zentralen Ort ausgerichtet ist: Im
Bereich der Ortsnamen ist der Einfluß am schwächsten und auf einige nahe gelegene
Orte beschränkt. Die Untersuchung des Nekrologs des Stefansstifts erweitert den
Einzugsbereich Sarrebourgs auf etwa 15 km und überschreitet somit kaum die Gren-
zen des Archipresbyterats. Diesem Raum scheint auch das Gebiet des Sarrebourger
Maßsystems zu entsprechen. Die Güter der Kommende und des ihr angeschlossenen
Hospitals liegen in einem weiteren Umkreis, der die Archipresbyterate Sarrebourg
und Vergaville ganz und Bockenheim zu einem guten Teil umfaßt.
Drei ergänzende Bemerkungen scheinen mir an dieser Stelle angebracht:
1. Welche Raumeinheit auch immer man hier in Betracht zieht, sie überschreitet nur
sehr selten die Sprachgrenze, die hier allerdings zusätzlich durch die Diözesangrenze
gestützt wird.
2. Durch den so greifbaren Sarrebourger Raum zeichnet sich eine Dreiteilung der
östlichen Hälfte des Bistums Metz ab: Im Süden bilden die Archipresbyterate Sarre-
bourg und Vergaville das Sarrebourger Umland. Die nördlichen Archipresbyterate
Neumünster, Hornbach und St. Arnual scheinen nur in sehr begrenzten Beziehungen
zum Archidiakonatshauptort zu stehen. Das Archipresbyterat Bockenheim im Zen-
trum, das herrschaftlich ungefähr dem Wirkungsbereich der Grafen von Saarwerden
entspricht, nimmt eine Zwischenstellung ein. So kommt man kaum umhin, an eine
Vorwegnahme der räumlichen Gegebenheiten an der oberen Saar zur Zeit der
Reformation zu denken.
3. Wenn man darüber hinaus den geringen Einfluß bedenkt, den die Stadt Marsal auf
ihr Archidiakonat ausübt, ist man versucht, zu folgern, daß die Funktion des Archi-
diakonats, selbst wenn es durch ein Kanonikerstift gestützt wird, von geringer Bedeu-
tung für die Zentralität eines Ortes ist. Das Gegenbeispiel Vic erklärt sich allein aus
der Funktion als - seit der Mitte des 14. Jhs. nahezu permanente - bischöfliche Resi-
denz und Verwaltungszentrum der Diözese.
Durch die Entwicklungen am Ende des 14. und im 15. Jh. wird diese Raumgestaltung
des Sarrebourger Landes kaum berührt. Die Fernbeziehungen Sarrebourgs jedoch
158
ändern sich, vor allem dadurch, daß neue politische Partner auf der Bildfläche
erscheinen, deren Ambitionen und Interessen weit über den lokalen Rahmen des
Landes an der oberen Saar hinausgehen .
3. Zwischen Elsaß, Burgund, Lothringen und Metz (Ende 14. - Ende 15. Jh.)
Diese letzte Periode der mittelalterlichen Geschichte der Saarstadt ist gekennzeich-
net durch die massive Zunahme von Aufständen gegen den Bischof: 1350, 1373-76
und vor allem 1389-92. 1357 griff auf Bitten des Bischofs Kaiser Karl IV. ein, um den
Vertrag zwischen der Stadt und dem unterelsässischen Landvogt Ulrich von Finstin-
gen zu annullieren43. Finanzen, Handel, Politik - in jeder Hinsicht scheint sich Sarre-
bourg am Ende des 14. Jhs. zunächst nach Osten zu wenden. Man erbittet auch die
Hilfe Straßburgs: 1388, 1398, 1405, 1407, 1444, 1449, 1454, 1459 werden für jeweils
drei bis sechs Jahre Bündnisverträge zwischen beiden Städten unterschrieben oder
erneuert. Die elsässische Metropole legt offenbar Wert darauf, gute Beziehungen zu
einer Stadt zu unterhalten, die den Vogesenübergang und die Straße zu den Salinen
des Saulnois kontrolliert. Es kommt zu einem regelmäßigen Briefwechsel zwischen
beiden Stadträten: Aus der Zeit von Juli 1388 bis Oktober 1407 sind 23 Missiven
erhalten, 18 davon aus der Zeit zwischen Oktober 1396 und Dezember 1398, dem
Zeitpunkt der Erneuerung des Bündnisses44 45.
Mit dem Herzog von Lothringen kommt jedoch ein neuer Partner ins Spiel, der bis
dato in dieser Region wenig präsent war15. Der Vertragstext des Bündnisses von 1388
zwischen Sarrebourg und Straßburg schloß bereits den Herzog als möglichen Gegner
aus46. Herzog Johann (1346-1390), Reichsvikar in Lothringen und sehr darauf
bedacht, seine gesamten mit der Herzogs- und der Markgrafenwürde verbundenen
Prärogativen mit neuem Leben zu erfüllen, betrieb seine aktive Friedenspolitik in der
komplexen und konfliktträchtigen Situation in der Gegend an der oberen Saar und
am elsässischen Vogesenhang47. Diese zunehmend in Richtung Elsaß und Oberrhein
orientierte Politik bestimmte auch, aber mit mehr Durchsetzungskraft, das Verhalten
seines Nachfolgers Karl II. (1390-1431). Aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten
hatten die Bischöfe Ademar von Monteil (1327-1361) und Rudolf von Coucy (1387-
1415) bereits die Burggrafschaft Türkstein mit ihren Wäldern, Burg Lützelbourg, die
Stadt Sarrebourg und Neuweiler im Elsaß an diverse Adlige - darunter den Herrn
44 Dom A. Calmet, Histoire de Lorraine, 1. Aufl., Nancy, 1729, Bd. II, Sp. 625.
44 Fritz, Saarburg und Straßburg im 14. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Gesellschaft für
lothringische Geschichte und Altertumskunde, 1889, S. 176ff.
45 Der „Catalogue des actes de Ferry III, duc de Lorraine (1251-1303)“ von J. de Pange,
(Paris 1904) enthält lediglich zwei Hinweise auf Sarrebourg, einen auf Saaralben und eben-
falls einen auf Lützelburg/Lutzelbourg, keinen auf Lixheim, Hessen, Lörchingen, Saint-Qui-
rin oder Saarwerden, jedoch 26 auf Saarbrücken. Die sechs Erwähnungen Finstingens betref-
fen jedesmal die Familie dieses Namens, nie den Ort.
46 Wie Anm. 44.
47 So schlichtet der Herzog im Juli 1388 in seiner Residenz zu Dieuze zwischen Graf Heinrich
III. von Saarwerden und anderen Adligen aus dem Westrich; ein zweites Treffen wird für
Lunéville, eine weitere herzogliche Residenz, vereinbart (Herrmann, wie Anm. 10, I,
n° 558. Vgl. auch n° 572-574).
159
von Blämont und den Herzog von Lothringen - verpfänden müssen48. Im Juli 1397
versuchte Karl II. die direkte Herrschaft über die Stadt Sarrebourg zu erlangen, wor-
aufhin sich der Stadtrat sogleich an den von Straßburg wandte, um Beistand gegen
den Herzog zu erbitten49 50. Schließlich gewährte der Herzog den Sarrebourgern Schutz-
briefe gegen das Aufenthaltsrecht für 50 Reiter in der Stadt. Zu einem späteren Zeit-
punkt sollte Karl dem Stefansstift die Summe von 32 Gulden zur Restaurierung der
Glasarbeiten am Hauptaltar stiften, unter der Bedingung, daß das Kapitel eine Messe
für sein Seelenheil sowie das seiner Vorfahren und Nachkommen lesen ließe. So wird
der Kult der lothringischen Dynastie im Herzen der dem Bischof von Metz unterste-
henden Institution eingeführt™.
Die Bischöfe Dietrich Bayer von Boppard (1365-1384), Konrad Bayer (1415-1459)
und Georg von Baden (1459-1484) versuchen verstärkt, Sarrebourg zurückzugewin-
nen und darüber hinaus die bischöflichen Ländereien und Burgen dem wachsenden
lothringischen Einfluß zu entziehen. Aber obgleich diesem Vorhaben in Baccarat,
Rambersweiler/Ramberviller, Nomeny, Hombourg(-Moselle) und St. Avold Erfolg
beschieden war, so ist doch bemerkenswert, daß es gerade in Sarrebourg und Epinal
scheiterte. Auch gelang es dem Bischof nicht, in Sarrebourg eine jüdische Gemein-
schaft anzusiedeln, so wie er es gleichzeitig in Deneuvre, Vic und Marsal tat. Zwar
fehlten während des ganzen 14. Jhs. in Sarrebourg wie in Epinal auch Lombarden,
aber für die Stadt an der Saar verfügen wir darüber hinaus über einen wertvollen
Hinweis: Als Herzog Johann II., mittlerweile Stadtherr, 1464 die Freiheiten der Stadt
erneuerte, ließen ihn die Bewohner schwören, keine Juden in der Stadt anzusiedeln,
wie auch er es zu jener Zeit in mehreren Orten seines Herzogtums tat51. Bedeutsamer
als Einwände gegen etwaige Handels- und Banktätigkeiten der Juden waren hier
wohl Befürchtungen seitens der Sarrebourger, eine Gemeinschaft aufzunehmen, die
direkt dem Territorialherrn - sei es nun dem Metzer Bischof oder dem lothringischen
Herzog - unterstellt war und so die Interventionen fürstlicher Herrschaftsträger auf
Kosten der städtischen Freiheiten rechtfertigen könnte. Mitte des 15. Jhs., zu einem
Zeitpunkt, da die Stadt herrschaftlich schon ins lothringische Protektorat hinüber-
gleitet, findet hier doch noch eine gewisse Sonderstellung der Stadt ihren Ausdruck.
In wirtschaftlicher Hinsicht jedoch konnten sich ihre Bewohner den in Gang gekom-
menen Entwicklungen nicht verschließen: Während seit Anfang des 14. Jhs. die
Straßen der oberen Mosel und der oberen Meurthe ihre alte Bedeutung zurückerlan-
gen, durchquert das Wegebündel, das die sog. Lampartische Straße formt, von Schen-
gen an der Mosel kommend das mittlere Saartal bei Saarbrücken und Saargemünd/
Sarreguemines und zieht weiter über Rimlingen/Rimling und Ingweiler/Ingwiller52.
48 Dom J. François und Dom N. Tabouillot, Histoire de Metz, Metz 1769, Bd. IV, S. 738-
740.
44 Wie Anm. 44.
50 Histoire de Sarrebourg (wie Anm. 14), S. 89 und 112f.
51 Stadtarchiv Sarrebourg, AA 2 (Kopie aus dem Jahre 1719).
52 Chr. de Craecker-Dussart, Une grande route transversale lotharingienne au Moyen
Age, in: Publications de la section historique de l’Institut grand-ducal de Luxembourg, Bd.
104, Luxembourg 1988, S. 87-102.
160
Die Dynasten dieser Region knüpfen nun engere Kontakte zum Norden: Friedrich
von Saarwerden, Bruder des Grafen Heinrich III., wird Erzbischof von Köln, und als
mit dem Tod eben dieses Grafen Heinrich die Linie 1397 ausstirbt, treten die Grafen
von Moers die Nachfolge an . In den ersten Jahren des 15. Jhs. wird Friedrich von
Moers-Saarwerden Statthalter von Luxemburg und Chiny53. Die Herren von Finstin-
gen unterhalten ebenfalls Mitte des 15. Jhs., Heiratsbeziehungen zum luxemburgi-
schen Adel, was auch ihre künftige proburgundische Politik erklärt.
Leider schweigen unsere Quellen über die Anbindung Sarrebourgs an die Lamparti-
sche Straße und die Beziehungen der Stadt zu den Territorialherren an der Saar, und
ihrerseits scheinen die Grafen von Nassau-Saarbrücken wenig - die Grafen von Saar-
werden und die Herren von Finstingen aber stärker - in das Leben der Stadt einge-
griffen zu haben54. Die bereits erwähnte Zäsur zwischen dem Land an der oberen
Saar und der mittleren Saar scheint sich zu verschärfen. Aufgrund ihrer politischen
Interessen richten die genannten Fürsten ihren Blick mehr auf Metz, die burgundi-
schen „Niederlande“ und den Niederrhein. Die Sarrebourger wiederum schwanken
zwischen dem Straßburger Bündnis und der Schutzherrschaft durch den Herzog von
Lothringen. Ohne Frage haben das Aufblühen von Wirtschaft und Handel in St.-
Nicolas-de-Port und Lunéville im Herzen Lothringens sowie das Hochkommen der
Querachse Epinal - Deneuvre - Blämont - Sarrebourg eine Ausrichtung auf das
Herzogtum Lothringen stark begünstigt.
Während der Ereignisse der Jahre 1475-77 zögert Sarrebourg, Partei zu ergreifen.
Jean Schneider hat aufgezeigt, daß der politische Bruch zwischen proburgundischer
Partei und Anhängern der Basse-Ligue, des Bundes der unterelsässischen Städte, die
Gesellschaft der kleinen Stadt gespalten hat, wobei die Führungsschichten eher zu
Karl dem Kühnen, die Mehrheit der übrigen Stadtbewohner dagegen zum elsässi-
schen Bündnis neigten. Ab Februar 1476 nimmt der Sarrebourger Rat jedoch eine
Straßburger Garnison auf, und im Mai desselben Jahres wurde Herzog René II.
begeistert empfangen55.
53 H.-W. Herrmann (wie Anm. 10), II, S. 115-149.
54 Schon 1257 hatten Heinrich II., Graf von Saarwerden und seine Mutter Agnes das Patronats-
recht in Sarrebourg und einige in der Umgebung der Stadt gelegenen Güter dem Stift Sarre-
bourg geschenkt (Herrmann, wie Anm. 10, I, n° 131). Friedrich, Heinrichs Bruder, war in
derselben Zeit Kanoniker von St. Castor in Koblenz sowie Pfarrer von Sarrebourg (ebenda,
no° 132). Friedrich II. von Saarwerden hat 1342 zugunsten der Dominikanerinnen in Weyer-
stein testiert (ebenda, n° 342). Er wurde 1343 vom Sarrebourger Rat als dessen Vertreter
beim lothringischen Landfrieden genannt (ebenda, n° 338). Heinrich von Finstingen-Bracken-
kopf wurde 1362 bei den Franziskanern in Sarrebourg begraben (ebenda, n° 428a). Der Ehe-
vertrag zwischen Graf Heinrich III. von Saarwerden und Herzlande von Rappolstein wurde
1378 in Sarrebourg unterzeichnet (ebenda, n° 481). Die Grafen von Saarwerden liehen im 14.
Jh. Geld bei den Metzer Bankiers Gronnais, dem Straßburger Juden Simon von Thön-
ufer/Deneuvre, aber auch bei Bürgern von Marsal und Sarrebourg.
55 J. Schneider, La guerre bourguignonne entre Sarre et Moselle (1475-1477), in: Annuaire
de la Société d’Histoire et d’Archéologie de la Lorraine, 77 (1977), S. 95-121. Ders., Lorraine
et Bourgogne, 1473 -1478, Choix de documents, Nancy 1982.
161
162
DENEUVRE
Ein Jahrhundert später jedoch, gerade als sich Sarrebourg nach langen Umwälzungen
und Kontroversen allem Anschein nach endgültig an das Herzogtum Lothringen
anschließt (1562), zerbricht sein Archidiakonat unter dem Druck der Reformation
und macht einem konfessionell zersplitterten Raumgebilde Platz, wodurch das Land
an der oberen Saar künftig innerhalb der katholischen Bastion Lothringen eine Son-
derstellung einnehmen wird.*
* Herrn F. Hirschmann (Universität Trier) danke ich für die deutsche Übersetzung dieses
Aufsatzes sowie meinen Kollegen Dr. Fr. Burgard, Dr. A. Heit und Dr. habil. M.
Matheus für ihre Hilfe bei der Korrekturarbeit.
163
Hans-Günther Marschall
Romanische Architektur im Bistum Metz
Eine Bemerkung vorab ist zum Verständnis notwendig: politische Grenzen sind in
der Regel zur Abgrenzung eines Kunstraumes ungeeignet. Sie können jedoch helfen,
die Anzahl der zu behandelnden Bauten zu begrenzen. Um wenigstens die jüngsten
Grenzveränderungen auszuklammern, lege ich für die Betrachtungen die Grenzen
des Bistums Metz vor der Französischen Revolution zugrunde.
Das Bistum Metz war im Mittelalter erheblich größer, als dies heute der Fall ist: im
Westen grenzte es unmittelbar an das Bistum Verdun, im Norden an das Bistum
Trier, im Nordosten an die Bistümer Mainz, Worms und Speyer und im Südosten und
Süden an die Bistümer Straßburg und Toul. Dies bedeutet, daß im Westen der nach
dem Frieden von Frankfurt von 1871 dem Departement Meurthe-et-Moselle zuge-
schlagene Kreis Briey ebenso dazugehörte wie im Osten große Teile des Saarlandes
und Teile der Westpfalz. Die Verteilung der heute noch vorhandenen romanischen
Bauten zeigt eine auffallende Dichte der Bauten im Westen und Südwesten des
Bistums, während im östlichen Teil, etwa ab St. Avold, kaum noch Bauten vorhanden
sind. Dies hat einmal seinen Grund darin, daß die wenig fruchtbaren Böden dort
nicht die dichte Besiedlung ermöglichen wie die ertragreichen Flußtäler im Westen,
zum andern ist der ursprüngliche Bestand in diesem Teil durch Zerstörungen fast
vollständig verloren. Hinzu kommt, daß der wirtschaftliche Aufschwung in den Graf-
schaften Saarbrücken und Ottweiler im 18. Jahrhundert Anlaß war, mittelalterliche
Kirchen durch Neubauten zu ersetzen. Selbst die wenigen Bauten, die noch vorhan-
den sind, wie z.B. die Prioratskirche in Böckweiler, wurden in wesentlichen Teilen
nach Zerstörungen neu erbaut. Zahlreiche Reste und Ruinen jedoch geben sichere
Hinweise dafür, daß der Bestand an Bauten hier im Mittelalter erheblich dichter war.
Als Beispiel dafür seien einmal die zahlreichen romanischen Türme angeführt (u. a.
Fechingen, Güdingen, Dörrenbach und Reinheim), zum anderen die Ruinen der
Abteien von Wörschweiler, Hornbach und Neumünster sowie der durch die jüngsten
Grabungen belegte romanische Vorgängerbau der Stiftskirche von St. Arnual.
Insgesamt sind im ehemaligen Bistum Metz etwa 120 Bauten mit romanischem
Bestand erhalten. Setzt man diese Anzahl mit den etwa 1300 Orten in Beziehung, in
denen eine mittelalterliche Kirche vorhanden war, dann wird klar, daß dieser geringe
Bestand nur sehr vage die Möglichkeit bietet, bei typologischen Untersuchungen zu
allgemeingültigen Aussagen zu kommen. Hinzu kommt, daß kein einziger romani-
scher Großbau im Bistum erhalten ist. Der Grundriß des ottonischen Vorgängerbau-
es der Bischofskirche, des Metzer Doms, ist durch Grabungen einigermaßen gesi-
chert, aber alle Rekonstruktionsversuche sind hypothetisch. Gleiches gilt auch für die
großen Abteikirchen in Metz.
165
Von den romanischen Bauten sind nur ganz wenige in ihrer ursprünglichen Gestalt
erhalten. Im 15/16. Jahrhundert mußten die Kirchen, oft die einzigen aus Steinen
errichteten Bauten in den Dörfern, für die Bewohner als Fluchtburg ausgebaut wer-
den. Zerstörte Bauteile, meist die Kirchenschiffe, wurden dann im 18. Jahrhundert in
einfacher Form wieder hergestellt. In vielen Fällen blieben dabei der Turm und, in
einigen Fällen, die Ostanlage des mittelalterlichen Bauwerkes erhalten.
Um Typisches, Gemeinsames festzustellen bliebe die Möglichkeit erhaltene Groß-
bauten aus der Umgebung zum Vergleich heranzuziehen. Da ist zunächst die
Bischofskirche des Erzbistums, der Dom von Trier, zu nennen. Da der Kernbau
römisch ist, hilft er für die Betrachtung der romanischen Architektur nicht weiter.
Die Westanlage aber, mit halbrunder Mittelapsis und dem offenen Geschoß darüber,
den großen Blendbögen mit zweifachen Loggien, hat ihr Vorbild in dem einzigen
erhaltenen Großbau ottonischer Zeit, der Kathedrale von Verdun. Dort wurde von
dem Baumeister in den Choranlagen ein System „erfunden“ oder „angewendet“, die
„lothringisch-trierische Chorlösung“, das in dem von uns zu betrachtenden Kunst-
raum lange Bestand haben sollte!
Was aber ist nun diese „lothringisch-trierische Chorlösung“? In der einfachsten Form
sind neben dem Chor Nebenchöre vorhanden, die mit dem Chor und dem Querschiff
durch große Bogenöffnungen verbunden sind (Beispiel hierfür die Prioratskirche von
Mont-devant-Sassey). In aufwendiger gestalteten Bauten, wie der Kathedrale von
Verdun, bilden die Nebenchöre die Untergeschosse von Chorflankentürmen, deren
Obergeschosse dann ebenfalls als Kapellen durch große Bogenöffnungen mit dem
Chor und dem Seitenschiff verbunden sind. Die aufwendigste Choranlage ist die Ost-
anlage des Trierer Domes: hier sind über jedem der beiden Nebenchöre zweigeschos-
sige Kapellen ausgeführt, die sich alle mit großen Bogenöffnungen zum Chor und
zum Querschiff öffnen. Bemerkenswert ist, daß dieses Chorschema hier auch in den
nachfolgenden Kunstepochen an zahlreichen Bauten angewendet wurde. Als Beispiel
für die Gotik seien die Abteikirche St. Vincent in Metz und die Kathedrale von Toul,
für den Barock die Prämonstratenserabteikirche von Pont-ä-Mousson genannt.
Weiteres Merkmal für die Architektur des lothringisch-trierischen Kunstraumes ist
die reiche Verzierung der Kapitelle und Gesimse mit pflanzlichen Motiven. Im Bis-
tum Metz sind davon nur wenige Beispiele erhalten. Gemeinsames läßt sich kaum
feststellen. (Abb. 15) ***
***
Im Folgenden wird eine Auswahl romanischer Bauten aus dem ehemaligen Bistum
Metz vorgestellt. Da das Ziel dieser Arbeit ist, die Vielfalt des Bestandes darzustel-
len, wird auch Bauskulptur behandelt, die nicht mehr im ursprünglichen Zusammen-
hang steht. Eine typologische Zusammenstellung der einzelnen Bauteile wird der
Betrachtung der Bauten vorangestellt.
166
Bautypen im Bistum Metz
Die Mehrzahl der Bauten sind Saalkirchen, wobei durch verschiedene Ausbildungen
der Ost- und Westanlagen vielfache Varianten möglich sind. Die einfachste Form ist
ein rechteckiger Saal mit einer halbrunden Apsis oder einem Rechteckchor, der in der
Regel eingezogen ist (Heckenransbach). An ihn kann sich eine halbrunde oder poly-
gonale Apsis anschließen oder ein Querschiff mit Chor und Apsis (Morlange). Im
Westen kann eine dreischiffige Vorhalle ausgebildet sein (Vantoux).
Mehrschiffige Anlagen im Langhaus können als gewölbte dreischiffige Stufenhalle
(Mont-Saint-Martin) oder als flachgedeckte dreischiffige Pfeilerbasilika (Scy) ausge-
bildet sein, wobei die Ostanlagen mit drei Apsiden (Mont-Saint-Martin, Marsal), mit
Querschiff und Mittelapsis (Bouzemont), mit Querschiff, Chor, Mittelapsis und Ne-
benapsiden (Metz, St. Vincent) und im Westen eine dreischiffe Vorhalle (Scy) ausge-
führt sein kann.
Ein Zentralbau ist aus romanischer Zeit erhalten: die Templerkapelle in Metz.
Krypten
Die Krypta des romanischen Metzer Domes ist im Laufe der Zeit so verändert wor-
den, daß zum ursprünglichen Bestand kaum Aussagen möglich sind. Die Krypta von
Norroy-le-Veneur, mit Säulen, die auf fremdartig wirkenden Kapitellen (Abb. 20)
ungegliederte Kreuzgratgewölbe tragen, erinnert an die Krypta von Remiremont.
Vom romanischen Bauwerk in Cons-la-Grandville ist eine große Hallenkrypta mit
quadratischen Pfeilern erhalten. In Malancourt-la-Montagne ist unter dem Chor der
Pfarrkirche aus dem 19. Jahrhundert ein Joch einer romanischen Krypta aus dem 12.
Jahrhundert erhalten. Das Kreuzgratgewölbe wird in den Ecken von zwei Säulen mit
rundem und zwei Säulen mit polygonalem Schaft und Würfelkapitellen getragen. Die
Basen mit attischem Profil sind mit lanzenförmigen Eckzehen versehen. In den vier
Wänden befinden sich Blendnischen.
Türme
Der Turm kann vor der Westfassade (Valmunster), über der Westvorhalle (Scy),
über dem Chor (Böckweiler) (Abb. 6, 16), über der Vierung (Aube) oder seitlich
vom Bauwerk stehen (Mont-Saint-Martin) (Abb. 8, 13). Der Turm kann rund
(Altrippe) (Abb. 26f.) oder quadratisch (Mey) sein, das Dach des Turmes ein Sattel-
dach (Morlange), Pyramidendach (Scy) oder Zeltdach (Aube). Die Doppelturmfas-
sade (Marsal) ist die Ausnahme (Abb. 10).
Im Bistum Metz sowie im angrenzenden Elsaß sind 18 romanische Rundtürme erhal-
ten, 13 davon im ehemaligen Bistum Metz. Die dazugehörenden romanischen Kir-
167
eher» sind in keinem einzigen Fall erhalten, sie wurden durch spätere Bauten ersetzt.
Diese Türme sind recht verschiedene Bauwerke, mit einem Durchmesser von etwa
4 m (Rodalben) bis zu 6 m (Lidrezing) und einer Höhe von über 15 m (Abb. 22, 23).
Die Wände haben an der Basis eine Stärke von 1,0 bis etwa 1,5 m. Die Türme waren
die letzte Zuflucht für die Bewohner und hatten ursprünglich keinen ebenerdigen
Eingang. Kleine, schmale Fenster befinden sich in beträchtlicher Höhe über dem
Boden. Romanische Schallarkaden, durch kleine Säulen mit Würfelkapitellen geteilt,
sind meist erhalten. In zwei Fällen (Farebersviller, Lidrezing) (Abb. 23) wurden die
Glockengeschosse abgetragen und im 19. Jahrhundert durch neue ersetzt. Der Turm
von Heckenransbach wurde im 16. Jahrhundert durch ein aufgesetztes Wehrgeschoß
zusätzlich befestigt. Auch der Turm der Moderkirche von Farschviller läßt erkennen,
daß das obere Geschoß zum Wehrbau ausgebaut war (Abb. 24, 25). Als weitere Bei-
spiele genannt seien die Türme von Zetting, Altrippe (Abb. 26), Reinheim, Bebels-
heim und Erfweiler. Zahlreiche romanische Türme mit quadratischem oder recht-
eckigem Grundriß mit Satteldach (Mont-Saint-Martin, Böckweiler) (Abb. 8, 16) und
solche mit Pyramidendach (Hesse, Sorbey, Vallieres) (Abb. 21) sind erhalten. Auch
diese Türme wurden zum Teil als Wehrtürme ausgebaut (Vittoncourt). Im Turm von
Lorry, einem Clocher-Porche, befindet sich über dem Durchgang eine Empore mit
einer großen Bogenöffnung zum Schiff.
Ausnahmen sind die polygonalen Türme, so der achteckige Vierungsturm von Aube,
der Chorturm von Cattenom und der sechseckige Turm von Usselskirch (Abb. 13,
27).
Apsidengliederungen
Die Apsiden der Kirchen können halbrund (Metz, Templerkapelle), polygonal (Mor-
lange), innen rund und außen polygonal (Metz, St.-Pierre-aux-Nonnains) sein.
Die Außenflächen der Apsiden sind völlig ungegliedert (Méy) oder mit reicher Glie-
derung ausgeführt: zweigeschossig mit Lisenen, einem Gesims unter dem Apsisfen-
ster und einem Bogenfries unter dem Dachgesims (Hesse) (Abb. 7, 9);
Blendarkaden mit Pilaster oder Halbsäulen mit reich profiliertem Kämpfer, darüber
Säulchen mit Kapitellen bis zum Dachgesims (Baronville); Blendbögen auf Pilaster,
darüber Säulchen bis zu einem Zwischengesims über den Fensterbögen, darüber Pi-
laster bis zum Dachgesims (Thicourt) (Abb. 12) und polygonale Apsiden mit Strebe-
pfeilern (Marsal). Zahlreiche weitere, reich gegliederte Apsiden finden sich im
Département Vosges (Champ-le-Duc) und im Elsaß (Rosheim).
Türstürze und Tympana mit figürlichen Darstellungen
Wenige Beispiele von skulptierten Stürzen bzw. Tympana in Kerbschnittechnik mit
der Darstellung des „Mystischen Firmamentes“ sind erhalten, so das Tympanon von
168
Abb. 1
Metz St.-Pierre-aux-Nonnains von NW
Abb. 2
Metz Templerkapelle von NW
169
Abb. 4 Méy St. Peter von SO
Abb. 5
Chazelles von О
170
Abb. 6 Scy St. Remigius von SW
Abb. 7 Mey St. Peter innen nach W
171
Abb. 8 Mont-St.-Martin St. Martin
Abb. 9 Hesse St. Lorenz von NO
172
Abb. 11 Marsal St. Léger von NO
Abb. 10
Marsal St. Léger von SW
173
«
Abb. 12 Thicourt St. Denis von SO
Abb. 13 Aube Pfarrkirche von SO
174
Abb. 14 Morlange St. Nikolaus von SO
It
Abb. 15 Morlange St. Nikolaus Bauskulptur
175
Abb. 16 Böckweiler St. Stephan von NO
Abb. 17
Vantoux St. Bartholomäus
von SO
176
Abb. 18 Ville-sur-Yron St. Gorgon innen nach O
Abb. 19 Schorbach Beinhaus von SO
177
Abh. 21 Sorbey von SW
Abb. 2Ü Norroy-le-Veneur Krypta nach W
178
Abb. 22
Rodalben Turm
von NO
Abb. 23
Lidrezing Turm
von N
Abb. 24
Heckenransbach
Turm von NO
Abb. 25
Farschviller Turm
der Moderkirch
von S
179
Abb. 27 Usselskirch Turm von NW
180
Abb. 28 Metz Museum Türsturz
Abb. 30 Maria-Rosenberg Türsturz
Abb. 31 Hauenstein Türsturz
Abb. 29 Faux-en-Forêt Tympanon
181
Abb. 35 Metz Museum
Türsturzfragment Melusine
Abb. 32 Chazelles Südportal
Abb. 36
Metz Museum Türsturzfragment Fabeltier
Abb. 33 Metz Museum Türsturzfragment
182
Abb. 34 Méy Türsturz
Abb. 37 Puttigny Türsturz
183
Abb. 38 Schorbach Türsturz
Photonachweis: Abb. 11 Kunsthist. Institut der Universität des Saarlandes, alle ande-
ren Abb. H. G. Marschall.
184
Stürzelbronn als Spolie neben der Kirche auf dem Friedhof und das von Faux-en-
Forêt (Abb. 29). Dieses besteht aus einem wiederverwendeten (?) Türsturz, auf dem
ein kleines Tympanon mit „Mystischem Firmament“ dargestellt ist. Darüber befinden
sich zwei plastische Köpfe, ebenfalls Spolien. Ein großes Kreuz bildet das Zentrum
der Tympana, seitlich davon sind Stern- oder blütenförmige Ornamente angeordnet.
Das Tympanon von Faux-en-Forêt ist zusätzlich von Rosetten und Fischen eingefaßt,
auf der rechten Seite schmiegt sich ein Drache an den Bogen. Zu bemerken ist, daß
beim bildmäßigen Aufbau der Verzierung keine Symmetrie angestrebt wurde. Auch
der Türsturz im Turm der Kirche von Fechingen dürfte der Rest eines Tympanons
dieser Gruppe sein. Weitere Beispiele sind im Département Vosges erhalten (Roziè-
res-sur-Mouzon).
Das „Tympanon“ des Westportals der Wallfahrtskapelle von Maria-Rosenberg ist ein
Türsturz mit einem vertieften Bogenfeld (Abb. 30) mit doppelter Wulstrahmung und
einem Kreuz in einer Kreisblende. Der Sturz des ehemaligen Nordportals ist mit
einem Kreuz in einer Kreisblende und einer rechteckigen Rahmung in Kerbschnitt-
technik ausgeführt. Ein monolithisches Fenster der Nordseite ist in gleicher Technik
gerahmt. Ebenfalls in Kerbschnittechnik ist in Hauenstein ein Türsturz mit einer
Blüte im Zentrum und giebelförmigen Sternleisten über einer Blendarkatur erhalten
(Abb. 31). Der Türsturz über dem Südportal der Wehrkirche von Chazelles ist mit
zwei Bögen verziert, die wie die seitlichen Gewändesteine (Abb. 32) von einem Kan-
tenwulst und einem schmalen Zick-zack-Band in Kerbschnittechnik eingefaßt sind.
Auf dem Türsturz des Südportals der Pfarrkirche von Méy ist in sehr flächiger Aus-
führung, in der Mitte ein katzenartiges Tier (Löwe ?) (Abb. 34) dargestellt, das links
von einer Melusine und rechts von einem Fabelwesen flankiert wird. Zwei weitere
Stürze von Metzer Kirchen mit Tierdarstellungen befinden sich im Museum von
Metz. Auf beiden (Abb. 28, 33) ist das Fabeltier ähnlich wie auf dem Türsturz in Méy
dargestellt. Diese Stürze sind aber plastischer in der Darstellung. In der Mitte eines
dieser Stürze befinden sich ein Kreuz. Ein weiterer Türstürz mit einem drachenarti-
gen Tier ist über dem Portal der Ursulakapelle in Puttigny (Abb. 37) erhalten. Eine
sehr ähnliche Drachendarstellung findet sich auf dem Türsturz von Pachten (Saar-
land), das schon in der Diözese Trier liegt. Ein Tympanon mit Inschrift ist als Spolie
in der Südwand der Pfarrkirche von Schorbach erhalten (Abb. 38).
Metz, Abteikirche St.-Pierre-aux-Nonnains (Abb. 1)
Die Kirche lag im Bereich einer Kaserne und wurde als Magazin genutzt. Seit kurzem
ist das Bauwerk - nach langen Grabungen und Restaurierungen - wiederhergerichtet
und kann besichtigt werden. Der römische Kernbau, ein großer Saal mit einer Apsis,
die innen rund und außen polygonal war, wurde bereits in frühester Zeit als christ-
185
licher Kultraum genutzt. Sie gilt als die älteste Kirche Frankreichs. Die römische
Apsis ist verloren. Aus merowingischer Zeit sind Teile der Chorschranken erhalten,
die sich heute im Museum der Stadt befinden. In romanischer Zeit wurde der Saal
zur flachgedeckten Basilika umgebaut und dabei der obere Teil der römischen
Außenmauern abgetragen. In gotischer Zeit wurde der Bau eingewölbt; die Gewölbe
des südlichen Seitenschiffes sind erhalten.
Metz, Templerkapelle (Abb. 2)
Dieser kleine kreuzrippengewölbte Zentralbau wurde am Ende des 12. Jahrhunderts
erbaut und zeigt bereits die Formen der Frühgotik. Die Kirche wurde im 19. Jahrhun-
dert umfassend restauriert, dabei auch der Innenraum farbig gefaßt. Der Grundriß ist
ein regelmäßiges Achteck mit quadratischem Chor und halbrunder Apsis im Osten.
Ursprünglich hatte die Kirche eine Vorhalle, Reste davon sind auf der Westseite
erhalten. Das Bauwerk ist mit der noch in romanischer Zeit gebauten Templerkapel-
le in Laon vergleichbar.
Metz, Pfarrkirche St, Maximin (Abb. 3)
Vom romanischen Bau ist von der Ostanlage die Vierung und die polygonale Apsis
mit Halbsäulen auf den Polygonkanten erhalten.
Scy, Pfarrkirche St. Remigius (Abb. 6)
Moselle, Arrondissement Metz-campagne, Canton Woippy
Die Pfarrkirche von Scy ist eine flachgedeckte Pfeilerbasilika aus dem 11. Jahrhun-
dert mit dreiteiliger Westvorhalle und Westturm mit Pyramidendach. Die Ostanlage
des romanischen Bauwerkes ist nicht erhalten. Bemerkenswert sind die monolithi-
schen Pfeiler mit weit ausladenden Kämpferplatten.
Mey, Pfarrkirche St. Peter (Abb. 4, 7, 34)
Moselle, Arr. Metz-campagne, Cant. Montigny-les-Metz
Die Pfarrkirche von Mey ist ein flachgedeckter Saal mit einer halbrunden Apsis im
Osten und einer Vorhalle im Westen, die sich mit drei Bögen zum Schiff öffnet. Über
dem mittleren Bogen, der geringfügig breiter und höher ist als die beiden seitlichen,
befindet sich der quadratische Turm mit zwei Glockengeschossen und einem Pyrami-
dendach. Der Bau hatte ursprünglich kein Westportal, einziger Zugang war das Süd-
portal. Bemerkenswert ist der mit Fabelwesen und einer Melusine verzierte Türsturz
dieses heute vermauerten Portals. Das Bauwerk ist wohl das am besten erhaltene
Beispiel einer romanischen Dorfkirche im Bistum.
186
Mont-Saint-Martin, Pfarrkirche St. Martin (Ahb. 8)
Meurthe-et-Moselle, Arr. Briey
Diese Kirche liegt außerhalb der Bistumsgrenzen, ist aber die einzige erhaltene
romanische Halle Lothringens. Da dieser Bautyp im Bistum Metz nicht erhalten ist,
wird der Bau hier vorgestellt.
Im 19. Jahrhundert wurde die ehemalige Prioratskirche so umgreifend restauriert,
daß der ursprüngliche Bestand heute nicht mehr sicher auszugrenzen ist. Der Bau ist
eine dreischiffige Halle mit Chor, Nebenchören und drei halbrunden Apsiden. Das
Langhaus ist im gebundenen System gewölbt. In der Apsis findet sich reiche Bau-
skulptur, ebenso wie an der Ostanlage außen. Bemerkenswert ist das mit einem „nor-
mannischen“ Zackenband verzierte Westportal. Aber auch in der Westfassade ist der
mittelalterliche Bestand nicht eindeutig einzugrenzen. Das Radfenster gehört sicher
zu den Arbeiten des 19. Jahrhunderts. Der Turm steht über dem nördlichen Neben-
chor.
Hesse, ehern. Klosterkirche St. Lorenz (Abb. 9)
Moselle, Arr. u. Cant. Sarrebourg
Vom romanischen Bau ist die kreuzrippengewölbte Ostanlage mit Querschiff, Chor
mit halbrunder Apsis und südlicher Nebenapsis erhalten. Reiche Bauskulptur und die
äußere Gliederung der Apsiden, zweigeschossig mit Lisenen und Bogenfries unter
dem Dachgesims, weisen auf die Bauten im Elsaß. Über der Vierung befindet sich ein
mächtiger Turm mit Pyramidendach. Bemerkenswert ist die Grabplatte des Stifters.
Marsal, ehemalige Stiftskirche St. Léger (Abb. 10, 11)
Moselle, Arr. Château-Salins, Cant. Vic-sur-Seille
Die heutige Pfarrkirche in Marsal ist eine flachgedeckte, dreischiffige Pfeilerbasilika
mit einer Zweiturmfassade im Westen und einer Ostanlage mit Chor, polygonaler
Mittelapsis und halbrunden Nebenapsiden. Chor und Mittelapsis, gotisch verändert,
sind gewölbt, das Langhaus mit einer Holzdecke flachgedeckt. Die heute runden
Pfeiler im Langhaus waren ursprünglich rechteckig, auch die Kapitelle sind das
Ergebnis späterer Veränderungen.
Thicourt, Pfarrkirche St. Denis (Abb. 12)
Moselle, Arr. Boulay, Cant. Faulquemont
Vom romanischen Bau ist die Ostanlage erhalten. Sie ist ein Beispiel für die
„Lothringisch-Trierische Chorlösung“: zwei Nebenchöre sind durch Bogenöffnungen
jeweils mit dem Chor und dem Querschiff verbunden. Die Hauptapsis ist mit polygo-
187
nalem Abschluß, die Nebenapsiden dagegen mit halbrundem Schluß ausgeführt.
Während die Nebenapsiden ungegliedert sind, zeigt die Mittelapsis eine reiche Glie-
derung: dreifach gestufte Fenster werden von abgewinkelten Pilastern gerahmt, auf
denen kleine Säulen mit Würfelkapitellen das Dachgesims tragen. Im 16. Jahrhundert
wurde der Bau als Wehrkirche ausgebaut und dabei die Apsis aufgestockt.
Aube, ehern. Prioratskirche l'Assomption de la Ste.-Vierge (Abb. 13)
Mos eile, Arr. Metz-campagne, Cant. Pan ge
Die kleine ehemalige Zisterzienser-Prioratskirche vom Anfang des 13. Jahrhunderts
wurde im 18. Jahrhundert verändert. Vom romanischen Bau ist die Ostanlage mit der
Vierung, der innen halbrunden Mittelapsis und rechteckigen Nebenapsiden erhalten.
Dieser Bau zeigt in einfacher Form das lothringisch-trierische Chorschema: die klei-
nen Nebenchöre sind durch Bogenöffnungen mit Chor und Langhaus verbunden.
Bemerkenswert ist der achteckige Vierungsturm mit Zwillingsarkaden.
Morlange/ Fameck, ehern. Prioratskirche St. Nikolaus (Abb. 14, 15)
Moselle, Arr. Thionville, Cant. Florange
Von der romanischen Kirche ist die Ostanlage mit Querschiff, Chor, polygonaler
Apsis und Vierungsturm mit Satteldach erhalten. Das Schiff wurde im 19. Jahrhun-
dert erneuert. Die gesamte Ostanlage ist reich mit Bauskulptur verziert: die Quer-
schiffgiebel mit einem Schlangenmotiv, die Apsis mit Pflanzenmotiven, die an die
Kathedrale von Verdun erinnern, und Zierelementen in den Zwickeln der Apsis-
blendbögen mit Tier- und Menschendarstellungen. Alles Äußere ist sorgfältig restau-
riert und ergänzt, der ursprüngliche Bestand kaum auszugrenzen. Der Triumphbogen
ist reich mit Blattornamentik verziert, ebenso die Kapitelle der Halbsäulen zum
Chor. Die Bauskulptur dieser Kirche dürfte dem Meister, der im 18. Jahrhundert die
Peterskirche in Merzig wieder aufbaute, einige Anregungen gegeben haben.
Böckweiler, ehern. Prioratskirche (Abb. 16)
Saarland, Saar-Pfalz-Kreis
Von der kleinen Prioratskirche aus dem 12. Jahrhundert ist die bemerkenswerte Ost-
anlage erhalten. Das Schiff, ein Saal, wurde nach Zerstörung im letzten Krieg verän-
dert wiederaufgebaut. Die Ostanlage besteht aus einem Chorquadrat mit Chorturm,
an das sich drei Konchen anschließen. Das Chorquadrat ist mit einem Kreuzrippen-
gewölbe mit breiten Bandrippen eingewölbt, der Turm mit einem Satteldach ausge-
führt.
Vantoux, ehern. Prioratskirche St. Bartholomäus (Abb. 17)
Moselle, Arr. Metz-campagne, Cant. Montigny-les-Metz
Die Kapelle, heute in Privatbesitz, ist ein kleiner flachgedeckter Saal mit einbezoge-
nem dreiteiligen Turmunterbau im Westen. Der quadratische Turm ist mit Pyrami-
188
dendach ausgeführt, die Apsis im Osten abgebrochen. Bemerkenswert sind die klei-
nen romanischen Langhausfenster, die jeweils aus einer Steinplatte herausgeschnitten
sind.
Ville-sur-Yron, Pfarrkirche St. Gorgon (Ahb. 18)
M.-et-M., Arr. Briey, Cant. Conflans-en-Jarnisy
Vom romanischen Bau ist von der Ostanlage der dreiteilige Turmunterbau erhalten.
Das mittlere Joch, geringfügig breiter und höher als die beiden äußeren, trägt einen
quadratischen Turm, der im 19. Jahrhundert weitgehend erneuert wurde. Die Kämp-
ferplatten der Pfeiler sind in Kerbschnittechnik mit Sternmuster verziert. Vom roma-
nischen Nordportal ist das Tympanon erhalten, dessen unterer Rand mit sich über-
schneidenden Bögen verziert ist.
Schorbach, Beinhaus (Abb. 19)
Moselle, Arr. Sarreguemines, Cant. Bitche
Das Beinhaus von Schorbach, bisher als besonderes Beispiel romanischer Profanar-
chitektur genannt, wurde im 15./16. Jahrhundert in romanischen Formen erbaut,
wobei möglicherweise Teile eines spätromanischen Bauwerkes wiederverwendet
wurden. Bemerkenswert ist das mit ausführlichem Text versehene Tympanon der
abgebrochenen romanischen Kirche, das heute in der Südwand der Vorhalle der
neuen Kirche eingemauert ist.
Zusammenfassung
Der verhältnismäßig geringe Bestand an romanischen Bauten im Bistum Metz, wenn
hier auch zum Teil besonders qualitätvoll, zeigt die gleiche Vielfalt, die im übrigen
Lothringen zu beobachten ist. Fast jeder der Bauten zeigt Merkmale, die Zuweisun-
gen zu verschiedenen Bautengruppen oder Kunstlandschaften ermöglichen. Erschwe-
rend für die Beurteilung des Bestandes kommt hinzu, daß kein vorbildlicher Groß-
bau aus romanischer Zeit erhalten ist. Begriffe, die in der jüngeren Literatur
verwendet werden, wie z. B. „Metzer Saalkirchen“ fassen Bauten zusammen, die in
vergleichbarer Form ebenso in benachbarten Gebieten zu finden sind.
Fazit: Die romanische Architektur des Bistums Metz entspricht der des übrigen
Lothringisch-Trierischen Kunstraumes. Spezifisches für das Bistum läßt sich überzeu-
gend nicht ausgrenzen.
189
Literaturhinweise
Ausführliche Literaturangaben finden sich in den hier in Auswahl zitierten Arbeiten:
Collin H., Les églises romanes de Lorraine, 4 Bde. Nancy 1981 - 1986
Ernst-Weis, J., Früh- und hochromanische Baukunst in Metz und Umgebung.
Berlin 1937
Irsch, N., Die Trierer Abteikirche St. Matthias und die trierisch-lothringische Bau-
tengruppe. Köln/Augsburg/Wien 1927
Klewitz, M., Die romanischen Türsturzsteine von Fechingen, Merzig und Pachten.
In: Saarbrücker Hefte 8/1958
Kraus, F. X., Kunst und Altertum in Elsaß-Lothringen, Bd. III, Straßburg 1889
Kubach, H. E., Der Trierer Kunstraum im 11. - 13 Jahrhundert. In: Trierer Zeit-
schrift 12 (1937)
Marschall, H.-G., Die Kathedrale von Verdun. Saarbrücken 1981
M a r s c h a 11, H.-G. / S1 o 11 a, R., Lorraine romane, Zodiaque, la nuit des temps 61,
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Verdun und die romanischen Bauten des XII. Jh. in Trier. Phil. Diss. Freiburg 1913,
M. Sehr.
190
Johann Friedrich Gerhard Goeters
Die Reformation in Pfalz-Zweibrücken und die Entstehung
der evangelischen Landeskirche1
Der früheste und stärkste Einbruch in die kirchliche Jurisdiktion des Bischofs von
Metz ist in der Reformationszeit im Nordosten der Diözese erfolgt, durch die evange-
lische Kirchenreformation im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Andere, nicht uner-
hebliche Auswirkungen der protestantischen Reformation werden erst später faßbar2 3.
Die zweibrückischen Gebiete betreffen im Bistumsgebiet von Metz1 im östlichen
Archidiakonat Saarburg vor allem das Archipresbyterat Hornbach4, dazu mit gerin-
geren Teilen auch noch das nordwestlich angrenzende Archipresbyterat Neu-
münster5. Hornbach mit seinem uralten Benediktinerkloster6, dem das Fabianstift in
der Stadt7 8 9 inkorporiert war, beherbergte auch den Erzpriester, den Archipresbyter*,
wie er hier benannt wurde. Die sonstige Regelbezeichnung in anderen Diözesen ist
Landdechant. Dieser führte eine Regionalaufsicht und hielt mit den Pfarrern seines
Sprengels, das sonst ein Landkapitel genannt wurde, regelmäßige Zusammenkünfte
ab. Von den 43 Pfarreien des Hornbacher Archipresbyterats waren 13 zweibrü-
kisch\ also etwa ein Drittel. Mit einem Kanoniker von St. Fabian in Hornbach hatten
sie den Vertreter der nächsten kirchlichen Aufsicht in ihrer Mitte.
1 Vortrag, gehalten am 22. März 1990 in Waldfischbach-Burgalben, hier um Literaturbelege
ergänzt.
2 Henri Tri bout de Morembert, La réforme â Metz, Bd. 1-2, Nancy 1965-1971 (Annales
de Fest, Memoire Nr. 37 et 41). Protestants messins et mosellans, XVIe - XXe siècles. Actes
du colloque organisé . . . par François-Yves Le Moigne et Gérard Michaux, hrsg. v. d.
Société d’histoire et d’archéologie de la Lorraine, Metz 1989. - Franz Cuny, Reformation
und Gegenreformation im Bereich des früheren Archipresbyterates Bockenheim, Bd. 1-2,
Metz 1937-1940. - Hans-Walter Herr mann, Die Reformation in Nassau-Saarbrücken und
die nassau-saarbrückische Kirchenordnung bis 1635, in: Die evangelische Kirche an der Saar,
gestern und heute, hrsg. von den evang. Kirchenkreisen Ottweiler, Saarbrücken und Völklin-
gen, Saarbrücken 1975, S. 42-111.
3 Atlas historique du diocèse de Metz, publ. par G. Bourgeat et Nicolas Dorvaux, Metz
1907. Einschlägig sind hier die Karten X: Die Archipresbyterate von St. Arnual und Horn-
bach, sowie XI: Das Archipresbyterat von Neumünster. - Hans-Walter Herrmann, Zum
Stande der Erforschung der früh- und hochmittelalterlichen Geschichte des Bistums Metz, in:
Rhein. Vierteljahrsbll. 28 (1963) S. 132-199. - Le diocèse de Metz. Sous la direction de Henri
Tribout de Morembert, Paris 1970.
4 Übersichten bei Karl Pöhlmann, Das Archipresbyterat Hornbach vor der Reformation, in:
Westpfälz. Geschichtsbll. 14 (1910) S. 2-4 und 45-46. - Wilhelm Fabricius, Erläuterungen
zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, Bd. 5: Die beiden Karten der kirchlichen Organi-
sation 1450 und 1612, 2. Hälfte, Bonn 1913, S. 320-323.
5 Übersicht bei Wilhelm Fabricius a.a.O., S. 313-320. Zweibrückisch waren die 6 Pfarreien
Bexbach, Hattweiler, Höchen, Limbach. Reiskirchen (mit Erbach), Waldmohr, alle im Ober-
amt Zweibrücken gelegen.
6 Literatur bei Herrmann (wie Anm. 3), S. 167-168. - Franz Haffner, Die Kirche am
Ende des Mittelalters, in: Pfalzatlas. Textband, Bd. 2, Speyer 1971, S. 839.
7 Peter Moraw, Das Stift St. Fabian in Hornbach (Pfalz), in: Arch. f. mittelrhein. Kirchen-
gesch. 16(1964) S. 110-138.
8 Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., Weimar 1955, S. 180-181.
9 Alt-Hornbach, Beeden, Contwig, Ernstweiler, Hornbach, Ixheim-Zweibrücken, Lambsborn,
Mimbach, Nünschweiler, Rieschweiler, Walsheim, Winterbach. Nicht ganz sicher ist das bei
Großbundenbach.
191
In eben diesen Bereich wandert im späten Mittelalter auch der Schwerpunkt der
Pfalz-Zweibrückischen Landesherrschaft10 11. 1410 war in der pfälzischen Landesteilung
neben der Kurlinie an Rhein und Neckar hier im Westen die Linie Simmern entstan-
den. Diese teilte sich 1444 wiederum in zwei Linien, die von Simmern-Sponheim auf
dem Hunsrück und die Linie Zweibrücken-Veldenz".
Zweibrücken12, das 1352 Stadtrechte erhalten hatte, stieg im 15. Jahrhundert zur Resi-
denz auf. Erst 1448 erreichte Pfalzgraf Stephan, der Begründer der zweibrückischen
Linie, durch Transferierung der Pfarrechte vom benachbarten Ixheim nach Zwei-
brücken, dessen Erhebung zur selbständigen Pfarrei. Nach der Zerstörung Meisen-
heims in den pfälzischen Kriegen avancierte Zweibrücken 1463 zum Sitz der herzogli-
chen Verwaltung und 1477 auch zur herzoglichen Residenz. Pfalzgraf Alexander
(1489-1514) errichtete nach einer Wallfahrt ins Hl. Land in Zweibrücken eine groß-
artige spätgotische St.-Nikolaus-Kirche, die heute nach ihm Alexanderskirche heißt.
Neben Meisenheim ist sie zur Grablege der Pfalzgrafen und Herzoge von Pfalz-Zwei-
brücken geworden.
Hornbach und Zweibrücken bilden so die beiden Pole der frühen Auseinanderset-
zung von Reformation und alter Kirche in der Westpfalz. Abtei und Fabianstift
haben im Bereich des Archipresbyterats Hornbach nicht weniger als 13 Patronats-
und Kollaturrechte an Pfarreien13. Und hier sitzt mit dem Erzpriester auch der Ver-
treter der kirchlichen Jurisdiktion. Der Herzog hingegen, Schirmherr und Vogt des
Hornbacher Klosters, ist schon am Vorabend der Reformation in der kirchlichen
Aufwertung seiner Residenz energisch tätig.
Zum Herzogtum Zweibrücken gehören am Vorabend der Reformation neben dem
Amt Zweibrücken noch das Amt Neukastel mit Bergzabern und Annweiler. Dieser
ältere Besitz war seit dem bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg von 1505 erweitert um
das elsässische Kleeburg und eine Gemeinherrschaft mit Kurpfalz zu halben Teilen in
der Herrschaft Guttenberg14. Kirchlich gehörte dieser südpfälzische Bereich zum Bis-
tum Speyer15, des näheren zum Archidiakonat des Dompropstes von Speyer, zum
Landdekanat von Weißenburg im Elsaß. Dieser vorderpfälzische Besitz war eine
Exklave, durch fremdes Gebiet vom sonstigen Zweibrücker Land getrennt.
10 Karte und Ortsverzeichnis bei Kurt Baumann, Territoriale Entwicklung des Herzogtums
Pfalz-Zweibrücken von 1444 bis 1793, in: Pfalzatlas. Textband, Bd. 2, Speyer 1971, S. 1213-
1224. Dort S. 1224 auch die grundlegende Literatur.
11 Eine Stammtafel der pfälzischen Linien ebd., S. 1214. Sonst Christian Häutle, Genealogie
des erlauchten Stammhauses Wittelsbach, München 1870.
12 Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 5: Rheinland-Pfalz und das Saarland,
hrsg. v. Ludwig Petry, Stuttgart 1959, S. 371-374.
13 Sonach Fabricius (wie Anm. 4),S. 321. Pöhlmann (wie Anm. 4), S. 46.
14 Baumann (wie Anm. 10), S. 1221: Oberamt Bergzabern u. Oberamt Guttenberg.
15 Die Diözesangeschichte von Ludwig Stamer, Kirchengeschichte der Pfalz, Bd. 2-3,1, Spey-
er 1949-1955, läßt diese zweibrückischen Gebiete weitgehend beiseite.
192
Hingegen im Norden schlossen sich an das Amt Zweibrücken direkt an Nahe und
Glan die Zweibrückischen Ämter Lichtenberg mit Kusel und Nohfelden sowie Mei-
senheim, dazu, vom Veldenzer Grafenhaus erheiratet, noch Lauterecken und Vel-
denz an der Mosel"’. Die wenigen Veldenzer Kirchspiele16 17 gehörten der Diözese
Trier, dem Dekanat Piesport, an. Die beiden Pfarreien des Amtes Nohfelden1* lagen
im gleichen Bistum im Dekanat Wadrill. Die Masse der zweibrückischen Pfarreien in
den Ämtern Lichtenberg und Meisenheim gehörte zur Diözese Mainz. Zumeist res-
sortierten sie unter dem Archidiakonat des Mainzer Dompropstes beim Archipres-
byterat Glan bzw. Kusel19 20, einige wenige Pfarreien auch beim Archipresbyterat
Sobernheim. Von besonderem kirchlichen Gewicht in dieser Region waren im Amt
Lichtenberg die Propstei Remigiusberg bei Kusel, im Amt Meisenheim das Zisterzi-
enserkloster Disibodenberg bei Odernheim. Diese besaßen jeweils bei einer Mehr-
zahl der umliegenden Pfarreien die Kollaturrechte. Bei beiden Korporationen war
der Herzog von Zweibrücken Schirmherr und Vogt.
Für die Geschichte der Reformation in Zweibrücken wird von Belang, daß sich das
weit hingezogene Land kirchlich im wesentlichen auf drei verschiedene Diözesen ver-
teilt: Metz, Speyer, Mainz. Die Bistümer Trier und Worms können hier übergangen
werden. In jedem der stärker betroffenen Bistümer wiederum liegt das Zweibrücker
Land jeweils am Rande, von Speyer aus an der Straßburger Grenze, von Metz aus an
derjenigen von Speyer und Worms, von Mainz aus im Grenzbereich zu Trier hin. So
hat es im Verlauf der Reformationsgeschichte wohl Reibungen und begrenzte Kon-
flikte zwischen kirchlicher und landesherrlicher Gewalt gegeben, zu unterschiedli-
chen Zeiten und bei unterschiedlicher Veranlassung. Nicht aber gab es die eine große
Kraftprobe zwischen einem einzigen bischöflichen Oberhirten und dem kirchlich
tätig werdenden Landesherrn von Zweibrücken.
Eine sachgerechte Reformationsgeschichte von Pfalz-Zweibrücken müßte den spät-
mittelalterlichen Zustand des Kirchenwesens erhellen. Dabei müßten insbesondere
das Schicksal der Ordensreformen ebenso wie Charakter und Tendenzen landesherr-
licher Kirchenpolitik vor der Reformation klar erfaßt werden. Und alles dies müßte
in die verschiedenen Diözesangeschichten eingepaßt sein. Leider fehlt es an solchen
Arbeiten zur spätmittelalterlichen Kirchengeschichte sehr203. Und das ist bei der Zer-
splitterung pfälzischer Archivbestände kein Wunder. Liegt das Material doch in
München, Speyer und Zweibrücken, Koblenz, Karlsruhe und Luzern verstreut. In
16 Baumann (wie Anm. 10), S. 1220: Oberamt Lichtenberg und Meisenheim; S. 1221: Amt
Nohfelden; S. 1222-1223: Pfalz-Veldenz.
17 Über die Pfarreien Dusemond, Mülheim und Veldenz s. Fabricius (wie Anm. 4), S. 50-51;
58; 63-64.
18 Achtelsbach und Wolfersweiler, ebd., S. 120-121; 133-134.
19 Ebd., S. 346-376.
20 Aus dem Amt Meisenheim sind das Duchroth, Niederhausen, Rehborn, ebd., S. 416; 424-425;
427.
:a’ Inzwischen erschien Hans-Walter Herrmann, Ansätze eines vorreformatorischen landes-
herrlichen Kirchenregimentes im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Standfester Glaube.
Festgaben zum 65. Geburtstag von F. J. G. Goeters, hrsg. v. Heiner Faulenbach, Köln
1991 (Schriften des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Bd. 100), S. 21-35.
193
den erstrangig zuständigen Speyer und Zweibrücken habe ich an spezifisch kirchli-
chen Akten nichts Wesentliches aus der Zeit vor 1533 gefunden. Das ist aber präzis
der Zeitpunkt des Beginns reformatorischer Kirchenpolitik der Landesherrschaft.
Weiter zurück in die Frühzeit der Reformation in Pfalz-Zweibrücken reichen an
erhaltenen reicheren Quellenbeständen nur zwei. Das eine sind die am Ende des
Reformationsjahrhunderts, in den Jahren 1597-1598 in vier Teilen, lateinisch und
deutsch gedruckten Schriften und Briefe Johann Schwebels21. Das ist der erste Wort-
führer der Reformation in Zweibrücken seit 1523. Und er ist von 1533 bis zu seinem
Tode 1540 auch der eigentliche Leiter der entstehenden evangelischen Landeskirche
geworden22.
Dies Quellencorpus bietet jedoch eigene Probleme, die aus der späteren konfessio-
nellen Entwicklung Zweibrückens resultieren. Die Reformation in Zweibrücken ist
im Anfang, wie unten zu zeigen sein wird, dem straßburgisch-oberdeutschen Typus
verpflichtet gewesen. Dies machte unter Herzog Wolfgang23 seit 1560 einer betont
lutherischen Linie Platz. Unter dessen Sohn Johann I. vollzog Zweibrücken 1588 den
Übergang zum reformierten Bekenntnis24. Manche Texte Schwebels waren in den
handschriftlichen Vorlagen undatiert. Der Herausgeber, Schwebels Sohn Heinrich, in
der reformierten Zeit zweibrückischer Kanzler, wußte sich einer reformierten Dok-
trin des späten 16. Jahrhunderts vom zeitlichen Vorrang der reformierten Reformati-
on Zwinglis gegenüber der lutherischen verpflichtet und konjizierte deswegen häufi-
ger Frühdatierungen bei Schriften und Briefen seines Vaters. Dieser auch noch durch
das gesamte 19. Jahrhundert andauernde Frühansatz der Reformation in Zwei-
brücken ist am Beginn unseres Jahrhunderts erst von Alfred Neubauer25 korrigiert
worden. In einigen Texten seines Vaters Johann Schwebel hatte sein Sohn Heinrich,
aus späterem reformierten Blickwinkel, auch noch ihm unpassend erscheinende Par-
tien ausgelassen.
Ein zweiter Quellenbestand zur frühen Reformationsgeschichte Zweibrückens ist
eine regelmäßige Korrespondenz des Bergzaberner Schulmeisters und späteren Pfar-
rers Nikolaus Thomae von Siegelsbach26 mit seinem Freunde Konrad Hubert in
21 Detaillierter bibliographischer Bericht bei Fritz Jung, Johannes Schwebel, der Reformator
von Zweibrücken, Kaiserslautern 1910, S. X-XII.
22 Neben Jungs Monographie der Artikel von Julius Ney, Schwebel, Johannes, in: Realen-
zyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 18 (1906), S. 10-17. -
Lebensdaten bei Georg B i u n d o, Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der Reforma-
tion, Neustadt/Aisch 1968, S. 428-429, Nr. 4987.
23 Karl Menzel, Wolfgang von Zweibrücken, Pfalzgraf bei Rhein, München 1893. - Julius
Ney, Pfalzgraf Wolfgang, Herzog von Zweibrücken und Neuburg, Leipzig 1912 (Schriften
des Vereins für Reformationsgeschichte 106/107).
24 Werner-Ulrich Deetgen, Das Ende der Entente cordiale zwischen den Bruderkirchen und
Bruderdynastien Pfalz-Zweibrücken-Württemberg und Pfalz-Neuburg. Deutungsversuche
und Dokumente zur Vorgeschichte des zweibrückischen Konfessionswechsels (1575-1580), in:
Bll. f. Württemberg. Kirchengesch. 82 (1982), S. 38-217.
25 Alfred Neubauer, Kritische Bemerkungen zu einzelnen Daten aus der Reformationsge-
schichte des Herzogtums Zweibrücken, in: Korrespondenzblatt. Organ der Pfälzischen
Evang. Konferenz 1 (1902), S. 81-83.
26 Die biographischen Daten bei Biundo (wie Anm. 22), S. 466 Nr. 5434. - G. Biundo, in:
Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aull., Bd. VI, Tübingen 1962, S. 855.
194
Straßburg, Martin Butzers Gehilfen und geistigem Erbe. Die Briefe Thomaes haben
sich in Straßburg erhalten und sind im wesentlichen ausgewertet worden27. Sie enthal-
ten viel kirchliches Detail für den südlichen Landesteil im Amt Neukastel. Zugleich
bieten sie eine Reihe von sicheren Datierungsanhaltspunkten für einige undatierte
oder falsch datierte Texte aus dem Schwebelnachlaß.
Es gibt aber noch einen weiteren Quellenbestand zur zweibrückischen Reformations-
geschichte, der stets übersehen worden ist, weil er auswärts lagerte. Im Archiv des
St.-Thomas-Kapitels von Straßburg, heute im Stadtarchiv von Straßburg deponiert,
befindet sich in einem Sammelband „Varia ecclesiastica. Band II“ in Kopien eines
gewissen Johannes Gossenberg vom 13. April 1551 eine kleine Sammlung von zwei-
brückischen Papieren zum Jahre 15392x, die uns in zweibrückischer Archivüberliefe-
rung so nicht mehr erhalten sind. In den Werken Schwebels erscheinen sie mit Kür-
zungen und ohne die amtlichen Beilagen aus der herzoglichen Kanzlei. Diese Papiere
erlauben es uns, einen gewissen Abschluß der landesherrlichen Reformation in Pfalz-
Zweibrücken auf das Jahr 1539 zu datieren und dies in seiner Eigenart näher zu cha-
rakterisieren.
Wir skizzieren die landeskirchengeschichtliche Entwicklung in Pfalz-Zweibrücken
von den Anfängen der Reformation bis hin zur gesetzmäßigen landesherrlichen
Durchsetzung in ihren drei wesentlichen Phasen.
1. Ansatz und Ausbreitung der Reformation in der Zeit landesherrlichen
Gewährenlassens, 1523-1532.
Als Luthers Sache eine öffentliche Angelegenheit wurde, in den Jahren 1519 und
1520, besaß Zweibrücken einen noch minderjährigen Landesherren. Pfalzgraf Lud-
wig II. war 1502 geboren, erst im Herbst 1520 hat er mit 18 Jahren die Volljährigkeit
erlangt. Zur Regierung gekommen war er nominell bereits 1514, nach dem Tode sei-
nes Vaters Alexander. Aber er stand zunächst unter der Vormundschaft seiner Mut-
ter und ihr zugeordneter Räte29. Daß Ludwig 1521 von Luther in Worms beeindruckt
worden sei, ist eine schöne, aber unverbürgte Legende. Sie ist aus der Anwesenheit
des Pfalzgrafen beim Reichstag, wie sie der Abschied vermeldet, bloß erschlossen.
Vielmehr ist der junge Herzog nach dem Reichstag mit Kaiser Karl V. in den franzö-
sischen Krieg gezogen’". 21
21 Jean Adam, Inventaire des archives du Chapitre de St. Thomas de Strasbourg, Strasbourg
1937, S. 235-236. S. 66 verzeichnet noch eine Korrespondenz mit Butzer. - Johann Peter
G e 1 b e r t, Magister Johann Baders Leben und Schriften. Nicolaus Thomae und seine Briefe,
Neustadt a.d.H. 1868.
28 Adam, Inventaire, S. 263: Nr. 167 (Nr. 5), fol. 198-217.
29 Johann Georg Lehmann, Vollständige Geschichte des Herzogtums Zweibrücken und sei-
ner Fürsten, München 1867, S. 259. Ein letzter Akt der vormundschaftlichen Regierung ist die
Versorgung der jüngeren Brüder Ludwigs vom April 1520, ebd., S. 266-267.
30 Lehmann (wie Anm. 29), S. 269.
195
Über Herzog Ludwigs Haltung zur Reformation haben wir zwei übereinstimmende
und eindeutige, aber voneinander ganz unabhängige Zeugnisse. Beim frühen Tode
Ludwigs, zum Jahresende 1532, ist Schwebel in der Verlegenheit, eine Leichenpredigt
vor der evangelischen Gemahlin des Herzogs halten zu müssen. Deswegen konsul-
tiert er Martin Butzer in Straßburg. Dieser weiß zur Wahrheit nur dies festzustellen,
daß der Verstorbene der Predigt des Evangeliums keinen Widerstand entgegenge-
setzt habe11. Und 1533 unterstreicht Kurfürst Albrecht von Mainz als kirchlicher
Ordinarius und fürstlicher Nachbar, daß Herzog Ludwig alle kaiserlichen und Reichs-
abschiede bewilligt und angenommen, auch nie dagegen protestiert habe31 32.
Pfalzgraf Ludwig hat, obwohl er 1525 eine Cousine Landgraf Philipps von Hessen
heiratete, die aus ihrer evangelischen Gesinnung keinen Hehl machte, sich in der
Religionspolitik reichskonform verhalten. Religionspolitische Festlegungen und Ent-
scheidungen in seinem Lande hat er direkt vermieden. Dazu gehört freilich auch, daß
er bischöfliche Jurisdiktionsakte an seinen Untertanen ohne landesherrliche Unter-
stützung und Sanktion gelassen hat33. Es war ein kirchen- und religionspolitisches
Laissez-faire.
Was den Herzog Ludwig in der älteren Forschung immer als Förderer der Reformati-
on erscheinen ließ, ist der Umstand, daß er im April 1523 Johann Schwebel34 als fürst-
lichen Hofprediger auf einer Vikarie der Zweibrücker Kirche anstellte. Der humani-
stisch gebildete Schwebel war in seiner Heimatstadt Pforzheim als Prediger seines
Hospitaliter-Ordens hervorgetreten, hatte aber wegen evangelischer Überzeugungen
Orden und Heimat verlassen. Unter Sickingens Schutz hatte er publizistisch die
Grundsätze einer deutschen Messe und der Kommunion unter beiden Gestalten ver-
treten35. Im Frühjahr 1523, zur Zeit von Schwebels Anstellung, hatten die Reform-
freunde in Stift und Kirchensprengel von Mainz noch volle Bewegungsfreiheit. Erst
am 10. September 1523 erließ Erzbischof Albrecht ein Mandat gegen lutherische Pre-
digt36. Schwebels Anstellung und frühe Zweibrücker Predigt bewegte sich ganz auf
dem Boden des 2. Nürnberger Reichstages von 1522/23 und des Reichsregiments-
mandats vom 6. März 1523, das wahre, reine, echt und heilige Evangelium nach der
bewährten Auslegung der Kirche und der heiligen Väter zu verkünden.
31 Jung (wie Anm. 21), S. 40 (mit Anm. 8 auf S. 165).
32 Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken, Repertorium II, Nr. 122, fol. 6 recto: Instruktion Ai-
brechts vom 3. 11.1533 für seinen Rat Kaspar Lerch an Pfalzgraf Ruprecht.
33 So schon Karl Pohl mann. Die Anfänge der Reformation im Herzogtum Zweibrücken, in:
Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 5 (1929), S. 101-109.
34 Die grundlegende Biographie von Fritz Jung (wie Anm. 21) verdiente eine Ergänzung über
die theologische Entwicklung Schwebels in den verschiedenen Phasen seines Wirkens.
35 Über den Gottesdienst auf Sickingens Burgen Wolfgang Jung, Zur Geschichte des evang.
Gottesdienstes in der Pfalz, Grünstadt 1959, S. 6-9. - Ernst Staehelin, Das theologische
Lebenswerk Johannes Oekolampads, Leipzig 1939, S. 162-169.
36 Anton Philipp Brück, Kardinal Albrecht von Brandenburg, in: Der Reichstag zu Worms
von 1521. Reichspolitik und Luthersache, hrsg. v. Fritz Reuter, Worms 1971, S. 270. -
Gustav Adolf Benrath, Art. „Albrecht von Mainz“, in: TRE 2 (1978), S. 184-187. - Nicht
bei Friedhelm Jürgensmeier, Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum 2. Vatika-
nischen Konzil, Frankfurt/Main 1988.
196
Erst zu Ostern 1524 hat Schwebel in Zweibrücken gottesdienstliche Änderungen vor-
genommen, mit dem Gottesdienst in deutscher Sprache und der Kommunion unter
beiderlei Gestalt17. Das hatte einen Disput mit dem zuständigen Landdechanten, mit
dem Erzpriester von Hornbach, zur Folge, dem Magister Nikolaus Kaltenheuser.
Schwebel scheint sich mit einer biblischen Rechtfertigung behauptet zu haben38.
Erst nach dem Bauernkrieg scheint sich die kirchliche Reaktion durchgesetzt zu
haben. Vom Anfang 1526 haben wir eine Nachricht, daß Schwebel zufolge einer Ver-
ordnung des Bischofs von Metz sich gezwungen sah, die „volkstümliche Form der
Abendmahlsfeier“ einzustellen. Er hatte sich bisher nach dem Straßburger Vorbild
gerichtet. Noch im Herbst 1527 dauert der Verzicht auf die evangelische Abend-
mahlsfeier aniy. Wie Metz in Zweibrücken, so hat auch der Bischof von Speyer in
Bergzabern sich den evangelischen Regungen entgegengestellt. Der Pfarrer von
Bergzabern Peter Hescher wurde exkommuniziert, der Schulmeister Nikolaus Tho-
mae in Speyer einem Verhör unterzogen411.
Doch in derselben Zeit hat die Reformation in einem anderen Landesteil einen Fort-
schritt erzielt. Das geschieht in dem zur Mainzer Diözese gehörigen Meisenheim, in
der der dortigen Johanniterkommende inkorporierten Pfarrkirche41. Hier amtierte
der Konventuale Nikolaus Faber42, der seit 1520 in Wittenberg studiert hatte, als Pfar-
rer. Er hat Pfingsten 1526 in Meisenheim die Kommunion unter beiden Gestalten
begonnen43, obwohl Seelenmessen und andere katholische Bräuche zunächst fortbe-
standen.
Wie unklar und nach allen Seiten hin offen die konfessionelle Haltung Zweibrückens
1529 war, zeigt sich im Zusammenhang des 2. Speyerer Reichstags und des Marbur-
ger Religionsgesprächs. Auf dem Reichstag wurde Pfalz-Zweibrücken von dem her-
zoglichen Rat Dr. Seßler vertreten. Dieser beteiligte sich aber nicht an der Protesta-
tion, sondern schloß sich der Ständemehrheit an. Schwebel aber korrespondiert in
eben dieser Zeit mit Melanchthon in Speyer über den innerprotestantischen Streit44.
Bei Hessens Einigungsversuch in Marburg reisen die Schweizer und Straßburger
Delegationen mit herzoglichem Geleit durch das Zweibrücker Gebiet. Aber der Her- 31 * * * * * * * * * * * * *
31 Wolfgang Jung (wie Anm. 35), S. 9-10.
38 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 48-54.
39 Ge Iber t (wie Anm. 27), S. 144 und 188.
4(1 Ebd.,S. 137 und 146-147.
41 Fabricius (wie Anm. 4), S. 362-364. - Walter G. Rödel, Wirtschaftliche und kirchliche
Verhältnisse der Johanniter-Kommende Meisenheim vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zu
ihrer Aufhebung in der Reformationszeit, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 44 (1977), S. 132-
145. - Karl Peter Adams, Kirche und Stadt Meisenheim, Köln 1978. - Otto Böcher, 450
Jahre Reformation in Meisenheim, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 51 (1984), S. 217-226.
42 Personaldaten bei Biundo (wie Anm. 22), S. 106-107, Nr. 1212.
43 Walter G. Rödel, Die deutschen Johanniter im Zwiespalt zwischen Katholizismus und
Luthertum, in: Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte in der Neuzeit. Festschrift für Anton
Philipp Brück, Mainz 1973, S. 60. - Ders.: Wirtschaftliche und kirchliche Verhältnisse (wie
Anm. 41), S. 141.
44 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 68-69. - Walther Köhler, Zwingli und Luther, ihr Streit über
das Abendmahl, Bd. 1, Leipzig 1924, S. 802-803.
197
zog vermeidet die Begegnung geflissentlich. Er delegiert seinen Hofprediger Schwe-
bel zur Teilnahme am Religionsgespräch, aber ausdrücklich nur als unparteiischen
Zuhörer45. Beim Augsburger Reichstag von 1530 hat sich Zweibrücken vom Kanzler
seines badischen Nachbarn vertreten lassen und sich damit allen hessischen Einflüs-
sen entzogen46.
Deutliche Erfolge für die Reformation haben sich im Lande erst zum Ende der
Regierungszeit Ludwigs II. eingestellt. Dabei liegen die Schwerpunkte deutlich in
den entlegeneren Zentren der reformatorischen Bewegung. Im Herbst 1531 resi-
gnierte der Johanniterkomtur von Meisenheim Georg Messerschmidt von seinem
Amte und ließ sich in einem förmlichen Vertrag vom herzoglichen Amtmann eine
lebenslängliche Versorgung verschreiben47 48 *. Wenige Monate später, am 25. Januar
1532, erklären Komtur und alle Konventualen der Kommende in einer Urkunde
förmlich ihren Austritt aus dem Orden und übergeben Kommende, Kirche und alle
zugehörigen Güter und Gefälle dem Landesherrn mit der ausdrücklichen Maßgabe,
die kirchlichen Stellen zu besetzen46. Komtur und Konvent hatten damit in die Befug-
nisse des Gesamtordens eingegriffen. Auf dessen Einsprüche hin wurde unter kur-
pfälzischer Vermittlung am 3. April 1535 ein Vertrag zwischen dem Orden und der
Landesregierung geschlossen, der den Orden mit dem Meisenheimer Besitz außer-
halb der zweibrückischen Grenzen abfand44.
Wenig später, am 17. März 1532, stellt der Pfarrer von Bergzabern, der 6 Jahre zuvor
von seinem Bischof exkommuniziert worden war, aber seine Stelle behalten hatte,
demonstrativ die Meßfeier ein. Zu Ostern 1532 führte er die evangelische Abend-
mahlsfeier ein50. Keine präzisen Nachrichten besitzen wir über die Gottesdienstver-
hältnisse in Zweibrücken. Wir haben anzunehmen, daß Schwebel unter Anteilnahme
der evangelischen Pfalzgräfin Elisabeth dort evangelischen Gottesdienst gehalten hat.
Abgesehen von diesen Vororten des Landes, von Zweibrücken, Bergzabern und Mei-
senheim, haben wir nur vereinzelte und spärliche Indizien, um eine evangelische
Gesinnung von Pfarrern oder die Ausbreitung reformatorischer Aufgeschlossenheit
im Lande näher abzuschätzen. Sicher ist, daß Schwebels Wirken in Zweibrücken
auch in Hornbach frühes Echo und Aufnahme gefunden hat. Der Umfang einer
reformatorischen Bewegung ist nicht konkret zu erhellen. Das Schwergewicht fällt in
den Süden des Landes, wo die Nachbarschaft der Städte Landau und Straßburg Wir-
kungen entfaltet hat.
45 Otto J. Schäfer, Hornbach und Zweibrücken im Zusammenhang mit dem Marburger Reli-
gionsgespräch, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 46 (1979), S. 38-45. - Köhler (wie Anm. 4),
Bd. 2, Gütersloh 1953, S. 65.
46 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 80.
47 Lehmann (wie Anm. 29), S. 238. Hierzu und zum Folgenden auch die Anm. 41 und 43
genannte Literatur.
48 Ebd., S. 283-284.
44 Ebd., S. 297.
50 Gelbert (wie Anm. 27), S. 213.
198
2, Die Fortschritte der Reformation unter der Förderung der Landesregierung,
1533-1535.
Am 3. Dezember 1532 isl Herzog Ludwig II. gestorben, eben 30jährig, mit Hinterlas-
sung seiner Frau und zweier Kinder, darunter der gerade 6jährige Erbe, Pfalzgraf
Wolfgang. Für diesen übernahm gemeinsam mit der Mutter die Vormundschaft Lud-
wigs jüngerer Bruder Ruprecht, der Domherr in den Kapiteln von Mainz, Straßburg
und Köln war51.
Johann Schwebel hat offenbar auf die neue Regierung starke Hoffnungen gesetzt.
Wir besitzen von ihm zwei Eingaben an den neuen Regenten Ruprecht, die erste mit
einer Rechenschaft seiner bisherigen kirchlichen Wirksamkeit und der Aufforderung
an die Regierung, im Sinne einer kirchlichen Reformation tätig zu werden. Die zwei-
te setzt sich in der Form einer Widerlegung mit einer bestrittenen Zuständigkeit der
weltlichen Regierung in Kirchenangelegenheiten auseinander und unterstreicht so
die Notwendigkeit einer Reformation52 53. Bei einer solchen Ablehnung obrigkeitlichen
Eingreifens in die kirchlichen Angelegenheiten kann man an Kanzler Jakob Schorr
denken, der 1534/35 einer obrigkeitlichen Vorschrift in Sachen des Klerikerkonkubi-
nats energisch widersprach und Ostern 1533, offenbar nicht ganz freiwillig, sein Kanz-
leramt niedergelegt hatte51.
Schwebel hat sich durchgesetzt. Im Januar 1533 war er in Straßburg und konsultierte
Martin Butzer. Wenig später kann er dorthin einen von ihm verfaßten Ratschlag zur
Ordnung in Kirchensachen zur Kenntnis geben: Form und Maß, wie es von den Pre-
digern des Fürstentums Zweibrücken in nachfolgenden Mängeln gegen den Unterta-
nen an etlichen Orten solle gehalten werden54. Das sind 12 Artikel, formuliert auf der
Grundlage des sog. Nürnberger Anstands vom 23. Juli 1532, eines bis zum künftigen
Konzil garantierten Friedensstandes.
51 Julius Ney, Art. „Ruprecht, Pfalzgraf“, in: ADB 29 (1889), S. 740-743. - Zum Kölner Kano-
nikat Hermann Heinrich Roth, Das kölnische Domkapitel von 1501 bis zu seinem Erlö-
schen 1803, in: Veröffentl. d. Kölnischen Geschichtsvereins 5 (1930), S. 270.
52 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 86-88.
53 Ludwig Eid, Der Hof- und Staatsdienst im ehern. Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Mitt.
d. hist. Ver. d. Pfalz 28 (1897), S. 176. Weitere Daten zu Schorr ebd., S. 181 und 183-184. Dazu
Georg Christian Crollius, Commentarius de Canellariis et Procancellariis Bipontinis,
Zweibrücken 1768, S. 23-49. - Julius Ney, Art. „Schorr, Jakob“, in: ADB 32 (1891), S. 384-
386.
54 Den Text gibt es in zwei Fassungen. Die erste ist das Gutachten Schwebels. Dies gibt es hand-
schriftlich im Stadtarchiv Straßburg, Thomasarchiv, Nr. 167: Varia ecclesiastica II, Nr. 5, fol.
214-217. Druck in Johann Schwebel, Teutsche Schriften, Bd. 2, Zweibrücken 1589, S. 236-
246. Aus diesem Druck ist obige Überschrift entnommen. Einen zeitgenössischen Druck, mit
dem Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 189-192 in Anm. 8 rechnet, hat es offenbar nie gegeben.
Die andere Fassung, ohne Einleitung und Schlußabsatz mit Schwebels Unterschrift, offenbar
die publizierte Form, in Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken, Rep. II, Nr. 122, fol. 14-16.
Hiernach Abdruck bei Wolfgang Jung (wie Anm. 35), S. 12-15. Einer Zuweisung bedarf
noch eine weitere handschriftliche Fassung Mainzer Provenienz im StA Würzburg, MRA,
Kurpfalz 2505, fol. 4-6. Ich hoffe, den Text in einer textkritischen Edition demnächst einmal
vorlegen zu können.
199
In sehr allgemeinen Sätzen wird den Pfarrern vorbildlicher Wandel und die Predigt
des Wortes Gottes auf Grund der Hl. Schrift ohne allen Streit vorgeschrieben. Die
Sonntage, näher bezeichnete Feier- und Heiligentage sind zur Predigt bestimmt.
Daneben werden Wochen- und in den Städten Frühpredigten vorgesehen. Bei Taufe
und Abendmahl wird die Unterrichtung der Gemeindeglieder vorgeschrieben, das
Recht der Kindertaufe unterstrichen und das Abendmahl als „Sakrament des wahren
Leibs und Bluts Christi“ bezeichnet. Die Kommunion unter beiden Gestalten ist vor-
ausgesetzt. Anstelle der Beichte steht eine Kommunikantenermahnung mit Anmel-
dung der Kommunikanten. Den Schluß machen allgemeine Vorschriften zur Trau-
ung, Krankenbesuch, Begräbnis, Jugendunterricht und Kirchengebet.
Wohl durch landesherrliche Approbation55 ist aus dem Gutachten Schwebels eine all-
gemeine Maßgabe, sind aus Artikeln allgemeine Grundsätze kirchlicher Ordnung
geworden. Konfessionelle Kontroverspunkte, Lehrordnungen und detaillierte liturgi-
sche Anweisungen, wie sie sonst Kirchenordnungen der Zeit bieten, sind offenbar
bewußt vermieden worden. Diese Zweibrücker Grundsätze, die auch in Meisenheim
und Bergzabern Billigung fanden, sind mehr Rahmenrichtlinien für eine kirchliche
Entwicklung, denn bereits eine allseits regelnde Ordnung.
Der Mainzer Generalvikar hat im Sommer 1533 beim Herzog eine Annullierung der
Artikel verlangt. Dieser antwortet, daß er nicht eine Ordnung erlassen, sondern nur
einen gutachtlichen Vorschlag mit Frist bis zum Konzil für seine Untertanen habe
stellen lassen. Die Folge ist ein einjähriger Notenwechsel, sogar mit der Sendung
eines Mainzer Rats nach Zweibrücken. Das ist ohne Ergebnis geblieben. Nicht
anders war es bei einer entsprechenden Demarche des Bischofs von Speyer, die 12
Artikel in seinem Diözesanbereich zu suspendieren56.
Das Jahr 1533 bringt auch in Zweibrücken eine bemerkenswerte Veränderung. Die
Regierung veranlaßt den bisherigen katholischen Inhaber der Pfarrstelle in der
Hauptstadt zur Amtsniederlegung. Seine Stelle nimmt nun Johannes Schwebel ein.
Damit wird er so etwas wie ein Inspektor oder Superintendent des Herzogtums,
wobei auch schon eine Visitation vom Regenten erwogen wurde57. In Zweibrücken
selbst werden Frühmeßpfründen nach Abgang ihrer Inhaber zugunsten der städti-
schen Schule umgewidmet58. Diese nimmt unter dem 1532 angeworbenen Michael
Hilsbach59 einen Aufschwung. Und mit Straßburger Vermittlung gewinnt Schwebel
im Sommer 1533 seinen evangelischen Landsmann Kaspar Glaser60 als Erzieher für
den jungen Pfalzgrafen Wolfgang, den künftigen Landesherrn.
55 Die entsprechende Passage abgedruckt bei Alfred Hans Kuby, Die Reformation in Pfalz-
Zweibrücken 1523 bis 1588, in: Die evang. Kirche an der Saar (wie Anm. 2), S. 36. Im Akten-
stück in Zweibrücken ist jedoch dieser Passus wieder gestrichen worden. Aus der Mainzer
Ablehnung, ebd., fol. 30 recto, geht aber hervor, daß die publizierte Fassung diese Passage
gehabt haben muß.
56 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 106 mit Anm. 52 auf S. 199.
57 Ebd., S. 94.
5* Ebd.. S. 122.
59 Biundo (wie Anm. 22), S. 191, Nr. 2195.
60 Ebd., S. 140, Nr. 1609.
200
In diesen Jahren des Übergangs muß die Reformation in der Bevölkerung des Zwei-
brücker Gebiets enorm an Boden gewonnen haben.
3. Die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments.
1535-1539.
Während die 12 Artikel von 1533 eher Richtlinien als bindende Vorschrift waren und
der zweibrückische Vormund und Regent sie gegenüber dem Mainzer Ordinarius als
Gutachten heruntergestuft hatte, bringen die Jahre 1535, 1538 und 1539 eindeutig
landesherrliches Handeln in Kirchensachen.
Die Veranlassung gab im Herbst 1534 die Frage und die verbreitete Erscheinung des
Priesterkonkubinats. Sie hatte sogar im Hornbacher Benediktinerkloster Einzug
gehalten, wo der Abt selbst in einem eheähnlichen Verhältnis mit Kindern lebte. Der
Tatbestand verstieß gegen den ersten der 12 Artikel, wo für den Fall des notorischen
Ärgernisses durch Pfarrer sogar ein Eingreifen der Obrigkeit in Betracht gezogen
worden war. Schwebel und seine Kollegen drängten den Regenten zum Einschreiten.
Die Straßburger Reformatoren Butzer und Hedio unterstrichen das Recht der Obrig-
keit zu kirchlichen Verordnungen um der zeitlichen und ewigen Wohltat der Unterta-
nen willen. Gegen eine widersprechende Stellungnahme von Altkanzler Jakob Schorr
hat vor allem Wolfgang Capito in Straßburg in einem ausführlichen Gutachten nicht
nur das Recht, sondern sogar die Pflicht der weltlichen Obrigkeit begründet, kirchli-
che Maßnahmen zum geistlichen Wohle ihrer Untertanen zu treffen, insbesondere
Geistliche zur rechten Amtsführung anzuhalten.
Die Folge ist ein herzogliches Mandat an die priesterlichen Konkubinarier im Stift
Hornbach gewesen, mit knapper Fristsetzung, entweder zu heiraten oder ihr Amt
aufzugeben. Das aber war Anlaß eines Protests des Generalvikars von Metz vom 9.
April 1535hl. Als zusätzliche Beschwerde wird von Metz aus ausgeführt, daß im Zwei-
brückischen 10 Pfarrstelleninhaber des Metzer Bistums bereits verheiratet seien.
Metz verlangt Kassation des Mandats nach Hornbach und ansonsten weltliche Amts-
hilfe für den Offizial des Bischofs zur Bereinigung der Lage. Die Zweibrücker Akten
haben nicht einmal ein Konzept einer Antwort. Wir wissen nicht, wie man sich in
Zweibrücken verhielt.
Im Spätjahr 1535 vermittelt die Regierung zwischen dem Abt und den Konventualen
von Hornbach. Sie erwirkt eine Regelung über den Gottesdienst, das Verhalten des
Abts und die Bestellung eines Klosterschaffnersh2. Im gleichen Jahre 1535 trifft Pfalz- 61 62
61 Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken, Repertorium II, Nr. 122, fol. 11-12 das Originalschrei-
ben in Latein; fol. 13 eine deutsche Übersetzung. Druck bei Ludwig Mo litor, Urkunden-
buch zur Geschichte der ehern. Pfalzbayerischen Residenzstadt Zweibrücken, Zweibrücken
1888, S. 113-114.
62 Alfred Neubauer, Regesten des ehern. Benediktinerklosters Hornbach, in: Mitt. d. hist.
Ver. d. Pfalz 27 (1904), Nr. 814. - Moraw (wie Anm. 7), S. 134-138.
201
graf Ruprecht mit dem Johanniterorden, wie bereits oben erwähnt, die abschließende
Regelung wegen der Kommende in Meisenheim. Und zum Jahresende 1535 nahm
der Pfalzgraf anstelle des Propstes von Remigiusberg eine evangelische Besetzung
der Pfarrstelle von Kusel vor0’.
Zum Jahreswechsel 1535/36 stand Zweibrücken vor der Frage des Beitritts zum
Schmalkaldischen Bunde. Pfalzgraf Ruprecht ist der Einladung zum Beitritt schluß-
endlich nicht gefolgt63 64. Hingegen sind Schwebel und seine Zweibrücker Kollegen
informiert über die Verhandlungen der Straßburger mit Wittenberg über den Aus-
gleich in der Abendmahlslehre65. Die Wittenberger Konkordie zwischen Butzer und
Luther vom 26. Mai 1536 haben die Zweibrücker am 14. September desselben Jahres
auf einem Pastoren-Konvent für sich ratifiziert. Schwebel regt brieflich dasselbe bei
seinen Kollegen im Amt Neukastel-Kleeburg an, sein Kollege Glaser in
Meisenheim66. Damit zeichnet sich deutlich eine theologische Lehrübereinkunft der
gesamten Pfarrerschaft des Landes ab. Nur geht hierzu die Initiative von den Zwei-
brücker Pfarrern aus, nicht von der Regierung.
Im Jahr 1538 ereignet sich sogar ein Dualismus von einer unabhängigen kirchlichen
Initiative einerseits und einem obrigkeitlichen Akt andererseits. Im Frühjahr 1538
hatten sich einige evangelisch gesinnte Pfarrer im weiteren Bereich von Bergzabern
und Landau getroffen und die Bildung eines Pastorenkonvents nach Straßburger und
hessischem Vorbild erwogen. Der erste Konvent ist am 29. Juli 1538 in Bergzabern
zusammengetreten. Den Vorsitz übertrug man dem Pfarrer von Landau Johannes
Bader67. Sogar katholische Nachbarpfarrer beabsichtigten teilzunehmen. Es hat den
Anschein, als ob hier über die Territorialgrenzen hinweg eine evangelische Neuauf-
lage des alten Landkapitels Weißenburg beabsichtigt war. In Verbindung mit den
Straßburger Theologen erwog man halbjährliche Tagungen mit gemeinsamem Bibel-
studium und dienstlichem Austausch. Eine Fortführung dieses Plans ist von Zwei-
brücken aus durch Johannes Schwebei direkt unterbunden worden68.
Die Linie der Regierung in Zweibrücken war die obrigkeitliche Kirchenvisitation.
Eine solche ist ebenfalls im Juli 1538 im Amt Lichtenberg durchgeführt worden, mit
insgesamt 14 Pfarreien. Mit Ausnahme einer einzigen sind sie alle evangelisch
bedient, haben sie die deutsche Messe mit Kommunion unter beiderlei Gestalt. Man
befolgt im Gottesdienst die zweibrückische Praxis oder benutzt die Straßburger oder
Nürnberger Kirchenordnung. Dem einzigen noch katholisch amtierenden Pfarrer
wird, weil seine Gemeinde die evangelische Ordnung wünscht, die Alternative ge-
63 Lehmann (wie Anm.29), S. 301-302. Zu den Verhältnissen in Kusel Fabricius (wie
Anm. 4), S. 360.
64 Johannes Sleidanus, Commentarii de Statu religionis, Straßburg 1555, Buch IX, S. 265-
266. - Veit Ludwig von Seckendorf, Commentarius de Lutheranismo, Frankfurt/Leipzig
1692, Buch III § 50 Add. Illa, S. 142. - Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 133.
65 Köhler (wie Anm. 45), Bd. 2, S. 432.
66 Fritz Jung (wie Anm. 21), S. 133-135.
67 B i u n d o (wie Anm. 22), S. 14, Nr. 152.
66 Ge Iber t (wie Anm. 27), S. 224-229.
202
stellt, entweder die „Landesreligion“ anzunehmen oder die Pfarrstelle zu räumen69 70.
Hier ist landesherrliches Kirchenregiment bereits Tatsache.
Eine entsprechende Visitation hat es im Folgejahr 1539 auch im Amt Meisenheim
gegeben. Doch sind uns davon nicht mehr die Protokolle, sondern nur noch Notizen
erhalten™.
In einem gewissen Sinne findet die landesherrliche Reformation in Pfalz-Zwei-
brücken im Frühsommer 1539 ihren Abschluß. Wie schon die 12 Reformgrundsätze
von 1533 den Nürnberger Anstand von 1532 zur Voraussetzung hatten, so gab jetzt
für das Deutsche Reich insgesamt der Frankfurter Anstand vom 19. April 1539 den
Rahmen ab. Wiederum ist das ein befristeter Friedensstand zwischen den Konfessio-
nen. In Zweibrücken ist das der Auftakt zu einer Versammlung von 10 Geistlichen
am 21. Mai 1539, die der Pfalzgraf-Regent später eine Synode nennt. Von den Ver-
sammelten stehen vier im Amt Zweibrücken im Dienst, in Zweibrücken und in Horn-
bach. Unter den anderen kommen je zwei aus den anderen Ämtern des Landes; Mei-
senheim, Neukastel, Lichtenberg. Man kann das eine Landessynode nennen.
Ihre Beschlüsse, vollständig uns nur in der eingangs erwähnten Straßburger Kopie
erhalten, sind ein Aktenstück von 19 Seiten mit dem Titel: „Form und Ordnung, wie
es in der Kirche zu Zweibrücken mit Predigen, Sakramentreichen, Kirchenübungen
und christlicher Zucht vorgenommen ist zu halten“. In der Forschung gilt dies Doku-
ment, das man in einer verkürzten Form in Schwebels Werken kannte71, als eine
Resolution, mit der die Grundsätze von 1533 bekräftigt worden seien72. Die Über-
schrift, der Inhalt und die handschriftlich erhaltene Genehmigungs- und Veröffentli-
chungsresolution des Pfalzgrafen Ruprecht belehren uns, daß wir hier die erste evan-
gelische Kirchenordnung für die gesamte Landeskirche besitzen.
Sie nennt die Lehrgrundlage, die Hl. Schrift, die altkirchlichen Symbole, Confessio
Augustana und deren Apologie. Und sie gibt in allen Hauptfragen präzise Regelun-
gen für die Sakramentsverwaltung, den Gottesdienst und die Kasualien. Wohl ist die
Anlage und Disposition hier dieselbe wie 1533. Aber die einzelnen Gegenstände sind
konfessionell eindeutiger, präziser und detaillierter ausgeführt. Am Schluß wird die
Bestellung von Pfarrern behandelt: Wahl durch die Kirchengemeinde und Installati-
on durch die Nachbarpfarrer nach vorhergehendem Kandidatenexamen. Das ist so
nicht in Kraft getreten. Im gesamten Herzogtum waren Pfarrstellen landesherrlichen
69 Hugo Fröhlich, Die Kirchenvisitationsprotokolle des Pfalz-Zweibrückischen Oberamts
Lichtenberg aus den Jahren 1538, 1544 und 1553, in: Monatshefte f. rhein. Kirchengesch. 28
(1934), S. 257-263.
70 Hugo Fröhlich, Zur ältesten Kirchengeschichte des Pfalz-Zweibrückischen Oberamts
Meisenheim, in: Monatshefte f. rhein. Kirchengesch. 33 ( 1939), S. 33-60; und 34 (1940), S. 33-
42, hier bes. S. 35.
71 Johannes Schwebel, Teutsche Schriften, Bd. 2, Zweibrücken 1598, S. 325-353, als Eingabe
der Versammlung vom 21. Mai 1539.
72 Kuby, (wie Anm. 55), S. 36. - Böcher (wie Anm. 41), S. 222. Auch diesen Text hoffe ich,
demnächst publizieren zu können.
203
Patronats ganz seiten. Sehr hoch hingegen war der Anteil von Stiften und Klöstern
im kirchlichen Stellenbesetzungsrecht. Das ist erst nach dem Religionsfrieden durch
Säkularisierung an den Landesherrn gekommen. Die Regelung von 1539 sollte offen-
bar die Besetzungsrechte der noch katholischen geistlichen Korporationen ablösen.
Weitere Abschnitte zu Schulen, Armenpflege sowie Kirchengutsverwaltung sind
mehr Appelle an die Landesregierung als klare Regelung.
Herzog Ruprecht hat diese Ordnung am 16. September 1539 förmlich gebilligt und
die Mitteilung an alle Pfarrer verfügt71. Zugleich hat er eine weitere Forderung der
Synode auf jährliche Visitationen ebenfalls genehmigt, freilich mit dem Vorbehalt,
daß alle Veränderungen in diesem Zusammenhang der Landesregierung zur Billi-
gung vorzulegen seien. Nach einem gleichzeitigen Bericht aus Bergzabern von dem
dortigen Pfarrer Nikolaus Thomae73 74 gewinnt man den Eindruck, daß unter den regel-
mäßigen Visitationen des herzoglichen Bescheids halbjährliche Pastorenkonvente zu
verstehen seien. Das dürften regelmäßige Zusammenkünfte der Pfarrer sein, wohl
nach den Ämtern der weltlichen Landesverwaltung umschrieben, wo dann Amts-
führung und Gemeindezustand der kollegialen Prüfung und Beratung anheimgege-
ben wurde.
Damit ist das Prinzip einer landesherrlichen Ordnung klar sichtbar. Was noch fehlt,
sind neue und spezifisch kirchenregimentliche Instanzen. Ein leitender Kirchenmann
in Gestalt des Pfarrers von Zweibrücken, bei Bedarf eine Landessynode ausgewähl-
ter Pfarrer und sonst das Prinzip regelmäßiger Pastorenkonvente mit Visitationsfunk-
tion, dies sind die rudimentären Elemente einer landeskirchlichen Organisation.
Die Kirchenordnung vom Mai 1539 hatte zur christlichen Zucht grundsätzlich die
Notwendigkeit eines Einschreitens gegen öffentliche Laster herausgestellt. Da steht
dann jedoch der resignierende Satz, „daß der christliche Bann dieser Zeit schwerlich
anzurichten ist“, und der Wunsch, daß die Kirchenschöffen „nicht allein zeitliche Kir-
chengüter zu versorgen eingesetzt“, sondern zur Aufsicht über den Dienst der Pfar-
rer, den Wandel der Gemeinde und die Versorgung der Armen bestimmt seien75.
Ein halbes Jahr später, unter dem Eindruck einer Pestepidemie, haben Schwebel und
Hilsbach in der Stadt Zweibrücken eine „Form christlicher Vermahnung und War-
nung“76 in Geltung setzen können. Da ist ein Kollegium, neben den Pfarrern 6 Laien-
deputierte, 2 aus dem Rat und 4 aus der Gemeinde, die alle 2-3 Wochen Zusammen-
kommen und bei Bedarf an Verächter von Gottesdienst und Sakramentsgebrauch
sowie offenbar lästerlich und lasterhaft Lebende abgestufte Ermahnungen zur Besse-
rung richten. Ultima ratio bei gänzlicher Fruchtlosigkeit von Mahnungen ist dann die
73 Stadtarchiv Straßburg, Thomasarchiv Nr. 167, Varia ecclesiastica II, 5, foi. 212 recto - verso.
74 Gelbert (wie Anm. 27), S. 232.
75 Stadtarchiv Straßburg, Thomasarchiv Nr. 167 (11,5), fol. 205 verso.
76 Ebd., fol. 208 recto - 213 verso. Die Reihenfolge der Stücke ist hier durch Versehen des Kopi-
sten etwas gestört.
204
Abhaltung vom Abendmahlsgebrauch. Herzog Ruprecht hat diese Ordnung umge-
hend am 18. November 1539 genehmigt und ebenfalls zur Nachahmung im ganzen
Lande empfohlen77 78.
Damit lebt in der jungen evangelischen Landeskirche Zweibrückens der mittelalterli-
che Pfarrsend wieder auf. Er ist hier zugleich nachgestaltet dem von Zwingli neu ein-
gerichteten Ehe- und Sittengericht, das von Zürich aus gerade in diesen Jahren seine
Ausbreitung in den südwestdeutschen Reichsstädten nahm™. Die Zweibrücker Ord-
nung hat ihr Seitenstück in der von ßutzer nach Hessen vermittelten Ziegenhainer
Zuchtordnung von 153979 80.
Mit diesen Ordnungen von 1539 ist der Aufbau der evangelischen Landeskirche von
Pfalz-Zweibrücken in den Grundelementen abgeschlossen. Am 19. Mai 1540 verlor
sie mit Schwebels Tod ihren Gestalter. Die Entstehung der Landeskirche mit den
Phasen von landesherrlicher Förderung und dann landesherrlich approbierter Ord-
nung gehört in die Zeit der vormundschaftlichen Regierung der Pfalzgräfin Elisabeth
und des Pfalzgrafen Ruprecht 1532-1543. Herzog Wolfgang ist der Erbe und nach
dem Interim und Religionsfrieden Reorganisator, aber nicht Schöpfer der Landeskir-
che. Seine Kirchenordnung von 1557* hat die evangelische Lehrordnung und vor
allem eine detaillierte Gottesdienst- und Kasualienordnung nach melanchthonisch-
mecklenburgischen und württembergischen Vorbildern kodifiziert. Das ist weithin
Übertragung fremden Rechts nach Zweibrücken.
Nur in einem Abschnitt greift sie auf Landesrecht zurück, in einem Abschnitt: „Von
Lastern, Ehebruch oder anderer Unzucht, Verachtung christlicher Lehre und Sakra-
mente“81. Das ist der Sache nach, ausführlicher und neu formuliert, doch gelegentlich
auch mit wörtlichen Übernahmen die Zensurordnung von 1539. Auf diesem Wege,
nämlich über Zweibrücken 1557 und entsprechend die hessische Kirchenordnung, ist
einer ganzen Reihe von westdeutschen lutherischen Landeskirchen das dem calvini-
schen Consistoire oder Presbyterium vergleichbare und aus Straßburg wurzelver-
wandte Censorenkollegium zugewachsen. In der Sache aber ist dies eine protestanti-
sche Neuauflage des mittelalterlichen Pfarrsends.
77 Ebd., fol. 211 recto - verso und 208 recto.
78 Walther Köhler, Zürcher Ehegericht und Genfer Konsistorium, Bd. 1-2, Leipzig 1932-
1942.
78 Emil Schling, Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. VIII,
1 (Tübingen 1965), S. 20-22 und 101-112.
80 Reproduktion des Titelblatts bei Kuby (wie Anm. 55), S. 37. Regest bei Aemilius Ludwig
Richter, Die evang. Kirchenordnungen des sechszehnten Jahrhunderts, Bd. 2, Weimar
1846, S. 194-197. Über den agendarischen Teil Wolfgang Jung (wie Anm. 35), S. 19-30. Zu
den Quellen und der Geschichte Johannes Schneider, Der Entwurf der Zweibrückischen
Kirchenordnung von 1557, in: Zeitschr. f. Kirchenrecht 19 (1884), S. 440-451. - Walther
Koch, Die Vorgeschichte der Zweibrücker Kirchenordnung von 1557, in: Bll. f. pfälz.
Kirchengesch. (1957), S. 75-105.
81 Richter (wie Anm. 80), S. 194-196.
205
Der Religionsfrieden von 1555 beendete endgültig die bischöfliche Jurisdiktion in
den protestantischen Territorien. Damit scheiden die Pfalz-Zweibrückischen Gebiete
auch aus der Diözese Metz aus. Im Lande selbst wird das der Auftakt zur Säkularisie-
rung der Klöster und Stifte in den folgenden Jahren. Jedoch bleibt deren Besitz nach
württembergischen Vorbild ein landeskirchliches Sondervermögen, verwaltet durch
die Kirchen- und Klosterschaffneien. Aus diesem Ursprung resultieren, wie bereits
bemerkt, die meisten Kirchenstellen landesherrlichen Patronats. Zentrale Kirchen-
behörden hat die Landeskirche erst nach dem Dreißigjährigen Kriege erhalten.
206
Gérard Michaux*
Die tridentinische Reform in der Diözese Metz
1563 endete das Konzil von Trient. Sehr bald schon fand sich der lothringische Raum
mitten in das Herz der Verteidigung und Wiedergewinnung des katholischen Glau-
bens, wie es vom Heiligen Stuhl gewünscht wurde, gesetzt. Die Diözese Metz, an der
„Grenze des Katholizismus“ gelegen, befand sich in einer besonderen Situation, die
eine schnelle katholische Reform verlangte, aber schwierig zu bewerkstelligen war.
Sie befand sich in dreifacher Hinsicht in einer schwierigen Situation:
- Sie war in zwei Sprachbereiche geteilt.
- Sie unterstand verschiedenen Landesherrschaften, 45 % gehörten zum Herzogtum
Lothringen, 35 % standen unter der Schutzherrschaft des französischen Königs seit
1552, 20 % gehörten Reichsfürsten.
- Drei Bekenntnisse bestanden nebeneinander, das katholische, das protestantische
und das jüdische.
ln der Verteilung der Protestanten zeigen sich zwei Schwerpunkte:
In Metz machten sie seit 1565/70 die Hälfte der Bevölkerung aus und bildeten ein
aktives Element in der Stadt. In den östlichen und nordöstlichen Teilen der Diözese
hatten sie zwischen 1544 und 1607 den Katholiken mehr als 100 Pfarreien entzogen,
Diese protestantische Aktivität verlangte kräftige Anstrengungen seitens der katholi-
schen Kirche. Im Vergleich mit den Diözesen Verdun und Toul wurde in Metz das
tridentinische Reformwerk verspätet in Angriff genommen, und dann auch nicht ein-
heitlich in der ganzen Diözese, sondern in Abhängigkeit von der unterschiedlichen
Haltung der einzelnen Landesherren und von dem jeweiligen Gewicht protestanti-
scher Gemeinden.
1. Langsame und schwierige Anfänge (ca. 1570 - ca. 1620)
In Metz läuft die Reform verspätet an, einmal wegen der Abwesenheit des Bischofs,
aber vor allem aus politischen Motiven. Das französische Königtum arbeitet, um
seine Stellung in der Stadt zu stärken, mit den Hugenotten zusammen. Die Herzoge
von Lothringen dagegen, eifrige Anhänger des katholischen Glaubens seit 1523,
* Deutsche Zusammenfassung des in französischer Sprache gehaltenen Referates.
207
führen eine aktive gegenreformatorische Politik, indem sie Sarrebourg zur katholi-
schen Bastion inmitten protestantisch gewordener Archipresbyterate ausbauen und
indem sie ihre landesherrliche Präsenz durch Besetzung (Bitche) oder systematischen
Aufkauf einzelner Verwaltungsbezirke (St. Avold, Hombourg-Haut, Lixheim, Mar-
sal) stärken.
Die ersten Äußerungen der tridentinischen Reform in Metz gehen auf den Weih-
bischof Antoine Fournier (1532-1610) zurück. Sie äußern sich.vor allem in der Pre-
digt durch Jesuiten, Dominikaner, Franziskaner und Kapuziner. Fournier beruft eine
erste Priestersynode für das Jahr 1588 ein. in der Volksfrömmigkeit zeigen die pro-
cessions Manches der Jahre 1583 - 1585 den Einfluß französischer Spiritualität. Eine
erste aktive Phase der katholischen Reform fällt in den Zeitraum von 1595-1612, min-
destens im westlichen Teil der Diözese. Sie erklärt sich aus dem Willen des damali-
gen Bischofs Kardinal Karl II. von Lothringen und aus dem durch das Edikt von
Nantes (1598) geschaffenen neuen Rechtszustand. Sie wird gekennzeichnet durch
eine starke bischöfliche Aktivität bei der Gründung neuer Ordensniederlassungen
(Rekollekten, Kapuziner, Franziskaner) und durch die Sorge für das Erziehungswe-
sen. Aber erst in den Jahren nach 1620 bis zum Ende des Jahrhunderts macht die
Reform beträchtliche Fortschritte.
2. Die Träger der tridentinischen Reform
Das Wiedererstarken des Katholizismus ergibt sich aus der Zusammenarbeit der
Herzoge von Lothringen, der Bischöfe, des Ordensklerus und der Jesuiten. Die Per-
sönlichkeit des Kardinals von Lothringen wurde bereits erwähnt, neben ihm sind
seine Weihbischöfe zu nennen, die zwischen 1617 und 1658 die hauptsächliche Rolle
spielten. Sie besaßen oft großes Gewicht, z. B. Martin Meurisse. Der Ordensklerus
trug wesentlich dazu bei. Die monastische Struktur der Diözese Metz, bis dahin
schon beträchtlich, wurde ausgebaut. Im Jahr 1650 bestanden in der Diözese 150
Abteien, Priorate und Konvente, unter denen die Benediktiner (Metz, Longeville, St.
Avold, Bouzonvifle) und die Franziskaner den wichtigsten Platz einnahmen. In Sarre-
bourg wurde der Dominikanerkonvent zwischen 1623 und 1629 wiederhergestellt und
eine Kapuzinerniederlassung 1629 gegründet. Wichtigste Stütze der bischöflichen
Bestrebungen zur Durchführung der tridentinischen Reform blieben aber die Jesui-
ten. Von ihren Kollegien in Metz (1622) und in Bouquenom/Bockenheim (1630) aus
äußern sich ihre Aktivitäten in der Kontroverstheologie, der Predigt und in Missio-
nen. In den östlichen Teil der Diözese setzen sie deutschsprechende Ordensbrüder
aus ihren Häusern Luxemburg, Trier und Molsheim ein. Sie können sich wachsenden
Erfolges erfreuen. Seit 1630 wird die Diözese Metz ein wichtiger Faktor in der Politik
der Gegenreformation, die nun auch vom französischen Königtum getragen wird;
aber der Dreißigjährige Krieg wirkt zunächst einmal hemmend. Erst ab 1668 setzt mit
dem Episkopat von Georges d’Aubusson de la Feuillade wieder ein Aufschwung ein.
208
3. Instrumentarium der tridentinischen Reform
Die katholische Reform verläuft unter Anwendung der vom Tridentiner Konzil emp-
fohlenen Mittel:
- Kirchenvisitationen, Generalvisitationen 1606, 1621 und 1629.
- Synodalstatuten als unerläßliches Mittel zur Überwachung und Reform des Klerus.
- Förderung des Unterrichts in weiterführenden Schulen (collèges) in Metz und
Bouquenom/Bockenheim, hauptsächlich durch Jesuiten.
- Erfassung der Gläubigen durch Bruderschaften und die marianischen Kongregatio-
nen der Jesuiten.
- Predigten und Missionen, in denen die Einflüsse einer mediterranen Spiritualität
(aus Italien und Spanien) und einer französischen Spiritualität, letztere durch die
Oratorianer (Lixheim 1632, Metz 1644) und die Lazaristen, umgesetzt werden.
Im östlichen Teil der Diözese (Archidiakonat Sarrebourg) verläuft die tridentinische
Reform noch zögernder als im westlichen Teil. Dies erklärt sich aus den Kriegen und
der Besetzung des Herzogtums Lothringen durch Frankreich. Sie wird erst gegen
Ende des 17. Jhs. von Aubusson de la Feuillade wieder aufgenommen und bis 1697
mit einigem Erfolg durchgeführt.
209
:V . ■
Louis Châtellier
Les missions et le changement religieux des campagnes
aux XVII-XVIIIe siècles au pays de Sarrebourg
La région située entre Dieuze-Avricourt à l'Ouest, Phalsbourg-Dabo à l’Est, Sarre-
guemines au Nord et Saint-Quirin au Sud était, sans doute, l’une des plus complexes
des marges du royaume où pourtant l’enchevêtrement des souverainetés était de
règle. Les frontières des trois Etats passaient à travers cet espace limité : le Saint-
Empire, le duché de Lorraine et le royaume de France. Frontières mouvantes d’ail-
leurs par suite des guerres, des traités ou des acquisitions territoriales au long des
XVIIe-XVIIIe siècles. D’autres princes de moins grande importance à l’échelle de
l’Europe tenaient leur place sur le plan régional. Tels étaient les comtes de Nassau-
Sarrebruck qui revendiquaient Sarrewerden et la prévôté d’FIerbitzheim ou les com-
tes de Linange établis à Dabo1. Naturellement, ces différents seigneurs en vertu du
principe cuius regio eius religio imposaient leur religion là où s’étendait leur autorité.
L’enchevêtrement territorial avait donc pour prolongement celui des confessions
d’autant plus malaisé à fixer avec exactitude qu’il était soumis à des fluctuations en
raison des aléas de la politique. L’établissement du duc de Lorraine, François II,
à Bouquenom et Sarrewerden en 1629, suite au jugement de la chambre de justice
impériale de Spire, eut pour conséquence l’implantation du catholicisme dans ces
deux bourgs et bien vite dans tout le comté de Sarrewerden et dans la prévôté d’FIer-
bitzheim2. Mais l’avancée dès troupes de princes protestants dans les années qui sui-
virent réduisit presque à néant ce premier établissement. De même, la politique dite
des «réunions» entreprise sur l’ordre de Louis XIV par une chambre spécialisée du
parlement de Metz à partir de 1680 et qui conduisit à l’introduction du catholicisme
dans bon nombre de villages de la dépendance des comtes de Nassau-Sarrebruck fut
complètement remise en cause en 1697 par le traité de Ryswick. Les villages qui
avaient été ainsi occupés retournèrent à leur ancien maître qui y rétablit le culte
luthérien, même si des garanties étaient concédées aux quelques communautés catho-
liques. Dès le début du XVIIIe siècle se manifesta un retour en force du catholicisme
avec le rattachement de la petite ville réformée de Lixheim et de ses dépendances au
duché de Lorraine (1702), tandis que le roi de France à partir des deux places fortes
1 Cette question des frontières politiques en Lorraine orientale reste encore largement à étu-
dier. On trouvera des éléments dans Guy Cabourdin, L'histoire de la Lorraine, Wettols-
heim, Mars et Mercure, 1977, t.V et VI; Georges Livet, L’intendance d’Alsace sous Louis
XIV 1648-1715, Paris, Les Belles Lettres, 1956, 1080 p.; François-Yves Le Moigne et coli.:
Histoire de Sarrebourg, Metz, Editions Serpenoise, 1981, 401 p.; Henri et Charles Hiegel,
Le bailliage d’Allemagne, 1600-1630, Sarreguemines, 2 vol., 1961 et 1968; Jean Gallet, Le
bon plaisir du baron de Fénétrange, Nancy, P.U.N., 1990.
2 Bouquenom (en allemand Bockenheim) est l’ancien nom de la ville actuelle de Sarre-Union,
créée en 1794.
211
de Phalsbourg et de Sarrebourg consolidait les communautés acquises à la religion
romaine.
Celle-ci d'ailleurs se ressentait dans son organisation et ses structures du flottement
qui s’observait dans les frontières territoriales. Où s’arrêtait à l’Est la juridiction de
l'évêque de Metz? En 1680 encore celui-ci prétendait que Dabo et La Petite-Pierre
étaient soumises à son autorité spirituelle. Mais l’évêque de Strasbourg avait des pré-
tentions semblables et ce fut lui, finalement, qui l’emporta3. A Lixheim ia situation
était encore plus complexe puisque la ville, située à la frontière des deux diocèses de
Metz et de Strasbourg, échappa, en réalité, à l’un et à l’autre pendant la plus grande
partie du XVIIIe siècle et fut administrée au spirituel par un vicaire apostolique
nommé par la cour de Nancy4. Elle ne revint au titulaire du siège de saint Clément
qu’après 1766. Quant aux paroisses, leurs limites étaient encore incertaines. C’était le
cas, bien entendu, des régions où le catholicisme avait été introduit récemment et se
trouvait encore dans une situation de grande fragilité. Mais il en allait de même dans
des communautés pourtant restées attachées à la religion romaine mais à l’écart des
voies de communications telles que Saint-Quirin, Walscheid, Sarrebourg, Dabo. Bref,
le réseau paroissial restait marqué jusqu’à la fin de l'Ancien Régime par l’inachève-
ment. D’où l’importance, comme toujours en pareil cas, du Stift, véritable centre
d’évangélisation dans une région encore insuffisamment desservie par ceux qui
devraient être ses pasteurs naturels, les curés et les vicaires. Les collégiales, celles de
Sarrebourg et de Fénétrange, tenaient cette place traditionnelle. Il en allait de même
pour l’abbaye de Haute-Seille et le prieuré de Saint-Quirin5 6.
Surtout, les ordres récents issus soit de la grande famille des ordres mendiants, soit
liés à la réforme catholique du XVIe siècle, étaient spécialement désignés pour
accomplir les tâches pastorales en ce milieu difficile. Tels étaient les Tiercelins de Lix-
heim, les Cordeliers et les Capucins de Sarrebourg, les Capucins encore de Phals-
bourg et, principalement, les Jésuites de Bouquenom\ Ces derniers furent les princi-
paux éléments dynamiques dans cette région de frontière politique et religieuse. Le
moyen privilégié qu’ils utilisèrent, eux et leurs successeurs, pour leur apostolat, fut
celui des missions rurales.
3 Artur Benoît, Essai sur les limites du diocèse de Strasbourg dans le departement de la
Meurthe, Nancy, 1869.
4 AD MM, 9 B 86 (Papiers de l’abbé de Mahuet vicaire apostolique de la la principauté de Lix-
heim 1715-1729). Voir sur cette question, Jacques-Henri Heck, Une visite épiscopale dans la
principauté de Lixheim en 1669, Les Cahiers lorrains, n° 4/1984, p. 291-296.
5 Haute-Seille, commune de Cirey, canton de Lorquin, arrondissement de Sarrebourg (abbaye
de Cisterciens), Saint-Quirin, canton de Lorquin, arrondissement de Sarrebourg (prieuré de
bénédictins, dépendance de l’abbaye de Marmoutier au diocèse de Strasbourg), Dom L. H.
Co11ine a u, O. S. B., Répertoire topobibliographique des Abbayes et Prieurés, Maçon, Pro-
tat frères, 2 vol., 1936-1937, T. I, col. 1385, T. fl, col. 2862.
6 Sur les Tiercelins de Lixheim, AD MM, 9 B 86; sur les Cordeliers et les Capucins de Sarre-
bourg, François-Yves Le Moigne et coll., op. cit, p. 160-162; sur les Capucins de Phals-
bourg, P. Morand Hartmann, Le couvent des Capucins de Phalsbourg 1626-1792, Bulletin
de la Société d’Histoire et d’archéologie de Saverne et environs, Cahier 70-71 (numéro spécial
«Phalsbourg 1570-1970»), 1I-III 1970, p. 27-31; sur les Jésuites de Bouquenom, Pierre Delat-
tre, S. J., Les établissements des Jésuites en France depuis quatre siècles, Enghien-Wetteren,
5 vol., 1949-1956,1.1, col. 840-853.
212
1° Au XVIIe siècle, missions et Contre-Réforme
Le collège des Jésuites de Bouquenom fondé en 1630 et le couvent des Tiercelins de
Lixheim (1657) étaient des fondations des ducs de Lorraine faites dans l’intention
bien affirmée de rétablir le catholicisme dans cette partie de leurs Etats où la Ré-
forme avait pris racines7 8 9. Le mot «collèqe» ne doit pas faire illusion. D'ailleurs, à ses
débuts, (en 1629) ce très modeste établissement ne portait pas ce nom mais celui
beaucoup plus exact de mission. Ce terme dans le vocabulaire de la Compagnie de
Jésus désignait un établissement situé dans un pays à convertir (ici protestant) ou à sa
proximité immédiate. Il s’agissait de constituer un centre d’apostolat catholique d’où
partaient les trois ou quatre religieux qui y demeuraient pour distribuer les sacre-
ments et instruire les catholiques des environs, et parfois prêcher aux luthériens en
réfutant leur doctrine. Ce qui s’observait en Lorraine était fort répandu dans toute
l’Europe, dans les régions où une situation comparable à celle qui a été décrite se
retrouvait. II y avait donc des missions en grand nombre, en Hollande, en Franconie,
en Allemagne du Nord, en Poméranie, en Silésie pour ne citer que quelques exem-
ples. Lorsque l’année suivante la mission devint collège, la fonction principale de
l’établissement ne fut pas modifiée. Elle fut seulement enrichie d’une activité supplé-
mentaire considérée elle aussi comme apostolique, l’éducation.
La carte n° 1 révèle combien vite se répandirent les Jésuites, dès 1630, dans les vil-
lages des environs de Bouquenom*. C’était l’application stricte, par le duc de Lor-
raine, du célèbre principe cuius regio eius religio. Il n’est pas interdit de comparer
avec ce que l’empereur pratiquait à la même époque en Bohême et en Silésie. Les
religieux se trouvaient-ils accompagnés, comme en Europe de l’Est à la même épo-
que, de soldats qui n’hésitaient pas à user de violences pour contraindre les habitants
à la conversion ou à céder leur temple aux catholiques? Les sources, trop lacunaires
pour cette époque, n’apportent guère d’éclaircissements. Elles révèlent seulement
que ces premières installations dans les villages de la région de Bouquenom furent de
courte durée puisque, dès 1633, avec l’occupation des troupes de chefs protestants,
tout fut remis en cause. Après la paix de Westphalie, les comtes de Nassau-Sarre -
bruck se trouvèrent rétablis dans la plupart de leurs possessions tandis que le duc de
Lorraine dut se contenter de Bouquenom". Les Jésuites se contentèrent de desservir
les quelques petites communautés catholiques disséminées dans la région10. Entre-
temps un changement était intervenu. Alors qu'au début, dans les années 1630, les
pères missionnaires venaient du collège de Nancy, bien vite suppléés par des confrè-
res issus de collèges établis en pays germanophone (Luxembourg ou Trêves), à la fin
de la guerre de Trente ans, Bouquenom fut rattachée à la province S. J. du Rhin
7 Informations sur les origines de ces deux établissements dans Pierre Delattre, S. J., op. cit.
T. I, col. 840-846 (Jésuites de Bouquenom) et AD MM 9 B 86 (Tiercelins de Lixheim), Jac-
ques-Henri Heck art. cit.
8 D’après Joseph Levy, Notes sur l’ancien archiprêtré de Bouquenom (Sarre-Union), extrait
de Revue catholique d’Alsace, Rixheim, 1895,41 p.
9 Delattre, op. cit., T. I, col. 848.
10 idem; Levy, op. cit.
213
RÉGION OU SE TROUVENT
COMMUNAUTES CATHOLIQUES
ET PROTESTANTES
Les missions stables
des Jésuites
au XVll'siècle
supérieur. Dès lors, les pères vinrent pour la plupart de Basse-Alsace, c’est-à-dire des
collèges de Haguenau, de Sélestat et principalement de la petite ville de Molsheim
qui abritait depuis 1580 un collège de grande importance". Celui-ci, exact pendant de
Pont-à-Mousson à l’ouest, était le siège d’une Académie attachée à la formation du
clergé alsacien. Il avait aussi un grand rayonnement apostolique dans toute la Basse- 11
11 Archivum Romanum S. J., Rome, Rhen. Sup. 34"1 - 40 (Historia et Litterae Annuae de la
Province du Rhin supérieur, 1670-1765). Sur le collège et l’Académie de Molsheim, Delat-
tre, op.cit. T. III, col. 385-429.
214
Alsace12. Bouquenom apparut dans les années 1660 comme le point êxtreme de ce
rayonnement, une sorte de poste avancé de Molsheim où des Jésuites venus de la
«maison-mère» et formés en son sein appliquaient les méthodes missionnaires aux-
quelles ils avaient été formés dans un pays où luthériens et catholiques se côtoyaient.
A partir de 1680, la politique des «réunions» qui, pour Louis XIV, prenait souvent les
caractères d'une reconquête catholique donna aux Jésuites de Bouquenom comme à
ceux d’Alsace un nouveau champ d'action où la politique se mêla souvent étroite-
ment à la religion13. Ce fut, en effet, en 1680, que Mgr. d’Aubusson de la Feuillade,
évêque de Metz, entreprit la visite pastorale des pays de la Sarre accompagné de six
Jésuites du collège de Metz14. Ceux-ci prêchèrent et engagèrent à la conversion les
habitants des petites villes et des places fortes. Ils furent rejoints dans le comté de
Sarrewerden par leurs confrères de Bouquenom qui prolongèrent leur action et pri-
rent dans les églises la place des pasteurs expulsés. Il semble bien que, dès cette épo-
que, le recours aux troupes, nombreuses dans ces régions de la frontière, ait été utilisé
par les autorités civiles pour contraindre les populations à l’abjuration. Le grand
prévôt Simon s’illustra en ce domaine, sans doute avec le plein accord du parlement
de Metz15. Ici ou là, ainsi autour de Lixheim, des mouvements de troupes poussèrent
une partie de la population terrorisée à l’abjuration. Vers 1683-1684 ces actions par-
allèles des religieux et des soldats furent plus nombreuses. Aussi est-on en droit de se
demander si en Alsace et en Lorraine orientale, régions pourtant non concernées par
l'édit de Nantes et dont la situation confessionnelle se trouvait théoriquement garan-
tie par les traités de Westphalie, n’apparurent pas les premiers signes d’un processus
qui devait conduire à l’édit de Révocation et à ses suites tragiques16. Ces missions
accompagnées de mesures de contrainte provoquèrent fort peu de conversions dura-
bles dans les populations protestantes. Mais, elles eurent des effets sur les quelques
catholiques qui se trouvaient isolés en pays luthérien ou calviniste. Ceux-là sou-
haitèrent désormais pratiquer publiquement et régulièrement leur religion et ils y
furent encouragés par les Jésuites qui étaient venus desservir leurs églises depuis
1680. C’est pourquoi le traité de Ryswick (1697), en son article IV, stipulait que dans
les villages et les villes restitués à des princes protestants, les catholiques devaient
être maintenus dans le libre exercice de leur religion. Plusieurs villages de la région
étudiée se trouvaient dans ce cas17.
12 Louis Châtellier, Tradition chrétienne et renouveau catholique dans le cadre de l’ancien
diocèse de Strasbourg (1650-1770), Paris, Ophrys, 1981, p. 160-171.
13 idem, p. 206-341.
14 Abbé Jacques Choux, Journal de la visite pastorale de Georges d’Aubusson, évêque de
Metz, dans l’archidiaconé de Sarrebourg en 1680, Le Pays lorrain, 1980, n° 1, p. 13-34.
15 Jacques-Henri Heck, La révocation de l’édit de Nantes à Lixheim, Les Cahiers lorrains,
n° 1/1984. p. 57-66.
16 Louis Châtellier, Les catholiques rhénans et la révocation de l’Edit de Nantes, Bulletin
de la Société de l'Histoire du Protestantisme français, T. CXXXII, n° 2/1986, p. 239-255.
17 Henri Vast, Les grands traités du règne de Louis XIV, t. II (1668-1697). Collection de tex-
tes pour servir à l’étude et à l’enseignement de l’Histoire, vol. 23, Paris, 1898, p. 232.
215
2° Au XVIIIe siècle, les missions de la réforme catholique
En cette fin du XVIIe siècle, il y avait déjà longtemps que les hommes d’Eglise les
plus lucides et les plus expérimentés ne croyaient plus à l’effet des missions pour con-
vertir les protestants. Tout n'était-il pas très mal engagé à partir du moment où le
pouvoir royal prenait tant d’intérêt à l’affaire et en venait à utiliser - comme cela
s’était produit dans toute la France après 1685 - les missionnaires comme de simples
instruments d'une politique? Dès 1686 - 1687 les Jésuites alsaciens ainsi que les auto-
rités ecclésiastiques du diocèse de Strasbourg étaient parfaitement conscients de
l'inutilité des conversions massives de protestants. Ne valait-il pas mieux se consacrer
au renforcement des communautés catholiques et à l’approfondissement de leur vie
religieuse?18. On en revint donc à l’esprit originel de la mission conçue comme un acte
de conversion, de renouvellement intérieur, pour des populations rurales oublieuses
de l’enseignement évangélique.
L’exemple venait cette fois-ci de l'Ouest, de ces collèges de la Compagnie établis à
Nancy, à Pont-à-Mousson, à Epinal, à Bar-le-Duc et aussi à Metz qui depuis le début
du XVIIe siècle envoyaient régulièrement des équipes de missionnaires dans de très
nombreux bourgs et villages de Lorraine19. Le mouvement, comme dans le reste de
l’Europe, s’était intensifié d’une façon considérable, à partir de 168020. Selon une
enquête récente, les seuls prédicateurs des collèges de Nancy et de Pont-à-Mousson,
avaient accompli, entre 1680 et 1768, 349 missions21. Il faut dire que le prince était
pour beaucoup responsable de cette activité considérable. Une des premières déci-
sions prise par le roi de Pologne, Stanislas Leszczinski, devenu duc de Lorraine, fut
de fonder l’œuvre des «missions royales» (1739). Dotée de fonds considérables,
600.000 francs, l’institution avait un double but : former des missionnaires ruraux et
diriger leurs travaux dans tout le duché avec une préférence pour les zones les plus
deshéritées. «Les missionnaires devaient être au nombre de huit, sous l’autorité d’un
Supérieur, et logés au Noviciat. Le ressort de leur activité embrassait tous les Etats de
Sa Majesté Polonaise, c’est-à-dire la plus grande étendue des diocèses de Tout et de
Verdun et partie des diocèses de Metz et de Trêves. Chaque année, les prédicateurs
étaient tenus de donner un ensemble de 12 missions de 3 ou 4 semaines : 6 pour le
seul diocèse de Toul, 6 pour les autres diocèses, dont 2 en langue allemande. La
désignation des paroisses, du nombre des missionnaires, de l’époque, des dates ex-
trêmes des exercices, revenait aux évêques respectifs»22. A Dieuze et dans sa région
ce furent les Jésuites de Nancy qui vinrent prêcher et catéchiser en vertu d'anciennes
fondations. Ils poursuivirent avec régularité leur action tout au long du XVIIIe siècle,
grâce à l’œuvre du roi Stanislas. Après leur départ, en 1768, les religieux de la congré-
IB Châtellier, op. cit. (cf. note 12) p. 259-341.
19 AD MM H 2232, Tableau des missions des Collèges de Lorraine (vers 1778); Delattre, op.
cit. (cf. note 6), T. III, col. 229-303, voir col. 264-269.
20 Louis Châtellier, De «la crise de consciencé européenne» aux missions rurales : change-
ment religieux dans les campagnes au début du XVIIIe siècle, Histoire, Economie et Société,
n° 2/1989, p. 237-248.
21 Olivia Caneau, Les missions des Jésuites en Lorraine au XVIIIe siècle, mémoire de maîtri-
se, université de Nancy II, 1989,160 p. + annexes, dactylographié, p. 52.
22 Delattre, op. cit., t. III, col. 756-768.
216
gation de Notre-Sauveur (ordre fondé par saint Pierre Fourier) prirent leur succes-
sion jusqu'à la Révolution française2’. A l'Est, les missionnaires de la Compagnie de
Jésus venaient d’Alsace. Ils étaient envoyés par le collège de Strasbourg vers Phals-
bourg (qui appartenait au diocèse de Strasbourg) et étaient chargés dans cette ville,
plus particulièrement, de la garnison23 24. Mais, bien vite, leur apostolat s’était étendu
aux autres catégories de la population. A Bouquenom, comme il a déjà été montré, ils
venaient de la province S. J. du Rhin supérieur, essentiellement de Basse-Alsace.
Lors de leur expulsion, en 1768, les pères étaient au nombre de sept dans cette mai-
son. Cinq d’entre eux étaient employés à des charges hors du collège. Il y avait deux
curés royaux dans des paroisses soumises au simultaneum, c’est-à-dire utilisés à la fois
par les cultes luthérien et catholique, à Erming et Keskastel. Un religieux desservait
la cure de Sarrewerden. Deux autres pères étaient employés à des charges apostoli-
ques diverses25. Lorsque de grandes missions avaient lieu dans la ville ou à Lixheim, à
Fénétrange, à Sarreguemines, on peut penser que tout l’effectif du collège y partici-
pait y compris les enseignants26. Ainsi, jusqu’à sa disparition, le collège des Jésuites de
Bouquenom resta, avant tout, un centre missionnaire. La carte n° 2 révèle bien le
changement opéré depuis le siècle précédent. Les missions n’étaient plus désormais
concentrées en pays protestant mais se trouvaient disséminées sur toute l’étendue du
territoire avec une préférence pour les centres relativement importants (Fénétrange,
Bouquenom, Phalsbourg, Dieuze) vers lesquels pouvait affluer la population des vil-
lages environnants27. Comme si on était passé de la volonté de convertir les luthériens
et les calvinistes au souci d’enseigner les catholiques et principalement ceux qui se
trouvaient dans les régions où les deux confessions étaient pratiquées ou à leur proxi-
mité.
Mais comment concevait-on cette action? L’étude des Litterae anmiae rédigées par
les Jésuites et celle du livret qu’ils faisaient distribuer à ceux qui participaient aux
exercices permettent de mieux cerner le but poursuivi28. Hormis les centres impor-
tants où les missionnaires pouvaient séjourner, comme il était indiqué dans l’acte de
fondation du roi Stanislas, trois à quatre semaines, ailleurs le temps consacré au
renouvellement spirituel excédait rarement huit à dix jours. Mais pendant cette pé-
riode assez courte la vie religieuse était intense et entourée d’un certain faste ba-
roque. Après l’accueil solennel des Pères par le curé et les notables avait lieu une
grande procession de pénitence (Bufiprozession) à laquelle participaient les habitants
des villages environnants venus avec leur curé, leurs bannières, la statue de leur saint
patron, marchant en ordre et récitant le rosaire. La procession de pénitence ainsi
grossie de toutes les communautés voisines faisait le tour du village et s’arrêtait
devant des stations où étaient représentées, sur les tréteaux d’un «théâtre», des
23 AD MM, H 2232 Tableau des Missions . . d’après ce document la mission de Dieuze
daterait de 1606.
24 Jules Schwartz, Une accusation contre les Jésuites de Strasbourg en 1705. Revue d’Alsace,
1907, p. 496-508.
25 AD MM, 3 B XX/20, Séquestre des Jésuites, Déclaration des cy devant Jesuittes composons le
collège de Bouquenom (1768).
26 Delattre, op. cit, T. I., col. 850.
27 D’après AD MM, H 2232, 3 B XX/20, De 1 a tt re, op. cit.; Jules Schwartz, art. cit.
28 On peut penser en effet que les Jésuites de Bouquenom utilisaient le même manuel que leurs
confrères de Molsheim, Haguenau, Sélestat, c’est-à-dire VElsässisches Mission-Buch. Durch
einen Priester der Gesellschaft Jesu, Strasbourg. 1765, réédition d’un ouvrage paru en 1723.
217
scènes de l’Histoire Sainte, de la vie du Christ ou de sa Passion. Il en était ainsi sur-
tout lorsque la mission avait lieu - comme il arrivait souvent - en temps de carême.
Les méditations étaient guidées devant chaque scène. Puis la foule revenait à l’église
et, plus d’une fois, ne pouvait, tant elle était nombreuse, y entrer tout entière. Le ser-
mon inaugural était alors prononcé sur la place où on dressait en hâte une estrade ou
encore dans le cimetière. Dans son allocution, le supérieur précisait la raison de sa
venue qui n'était autre que la réconciliation de tous les participants avec le Christ. II
fixait les exercices prévus au long des journées, l’esprit dans lequel il fallait les accom-
plir. Suivaient quelques indications pratiques. Dès le lendemain, les points forts de la
journée étaient la messe à cinq ou six heures du matin suivie d’une instruction, le
catéchisme en début d'après-midi pour les femmes et les enfants, puis le soir lorsque
les hommes étaient rentrés des champs, les vêpres avec la bénédiction du Saint-Sacre-
ment, la récitation du rosaire en commun, le grand sermon suivi des prières du soir et
de l’examen de conscience dirigé du haut de la chaire par un des missionnaires. Ceux-
ci accordaient la plus grande importance à ce dernier exercice et pour aider les fidèles
à le faire méthodiquement ils le conduisaient à la façon d’une méditation sur les cinq
plaies du Christ29. Ainsi, pensait-on, les plus frustes apprendraient à se confesser
M Baise les plaies de la main droite du crucifix et disdui ta reconnaissance, baise les plaies de la
main gauche et demande d’y voir clair en toi, baise les plaies du pied gauche et recherche tes
péchés, baise les plaies du pied droit et repens-toi pour tes péchés présents et passés, baise les
plaies du cœur et fais la promesse de t’amender, trouve-t-on dans un livret de cette époque :
Geistliche Gesänger und Gebetter zum Gebrauch der heiligen Mission zusammen getragen,
Hof, 1725, p. 52-67.
218
convenablement en évitant à la fois l'éloignement à l’égard de ce sacrement ou les
sacrilèges commis par une pratique trop routinière. Saint Vincent de Paul avait
coutume de dire aux prêtres qu'il envoyait dans les campagnes qu’ils ne devaient pas
quitter un lieu tant que les habitants en leur totalité ne s’étaient pas approchés de la
sainte table. Les Jésuites lorrains et alsaciens n'avaient pas un objectif différent et
plusieurs instructions et séances de catéchisme portaient justement sur le sacrement
de pénitence et la façon de la recevoir dignement. Un autre but poursuivi, bien visible
dans les quelques thèmes de sermons parvenus jusqu'à nous, était le rétablissement
de la paix au village. Avant la communion générale, le chef de la mission avait coutu-
me de se placer devant l’autel et de déclarer : «que celui qui veut pardonner à ses
ennemis du fond du cœur me suive». Il prenait alors le crucifix suppliait le Christ de
l'absoudre de ses fautes puis s’adressant à l’assemblée, il lui demandait pardon pour
les offenses qu’il avait pu commettre à son égard. Il baisait alors le crucifix et s’écriait
: «Jésus-Christ par amour pour toi, je pardonne à mes ennemis»311. En règle générale,
cette cérémonie bouleversait les fidèles qui souvent éclataient en sanglots, cher-
chaient leurs ennemis dans la foule, se jetaient dans leurs bras et se réconciliaient
avec eux.
Nos ancêtres, il est vrai, avaient la larme facile et il était à craindre que, les mis-
sionnaires partis, promesses et serments fussent promptement oubliés. Aussi multi-
pliait-on les précautions pour prolonger, autant que possible, les effets de ces quel-
ques jours d’intense vie religieuse. On engageait les participants à s'inscrire dans une
confrérie dont les réglements perpétuaient, en quelque sorte, le programme de vie de
la mission. Ainsi virent le jour dans cette partie de la Lorraine, des confréries du
Saint Sacrement, des congrégations de la Vierge pour les demoiselles ou les jeunes
gens et surtout des confréries de l’agonie du Christ appelées de «la bonne mort» dans
les pays de langue française. Les pères n’oubliaient jamais de se munir (quand ils ne
chargeaient pas un libraire de le faire à leur place) de ballots de livres de piété et
d’images destinés à être vendus ou distribués. Le livret de mission qui, au XVIIIe
siècle, était devenu d’usage courant en Alsace et en Lorraine était aussi destiné à en
prolonger les effets30 31. Il fournissait aux fidèles dans un format très pratique, à un prix
modeste et dans leur langue (allemand ou français suivant les villages) les rudiments
de la pratique religieuse : les prières du matin et du soir, les prières à dire au long de
la messe, comment se confesser, communier, méditer pendant la semaine sainte, com-
ment se préparer à la mort et les principaux cantiques des offices et des fêtes. Les
Jésuites n’étaient pas sans savoir que dans les campagnes de l’Europe baroque la
force des images l’emportait de beaucoup sur l’écrit. C’était pourquoi la mission
s’achevait, comme elle avait commencé, par une grande procession solennelle
destinée à marquer profondément l’esprit des participants. Son point d’aboutisse-
30 Médard Barth, Die Seelsorgetatigkeit der Molsheimer Jesuiten von 1580 bis 1765, Archiv
für elsàssische Kirchengeschichte, 1931, p. 325-400, voir p. 355-356.
31 Voir AD MM, H 2018 (Comptes des missions des Jésuites au XVIIIe siècle). Pour la France
de l’Ouest, un exemple analysé de près par Madeleine Foi si 1, «Un Jésuite normand, mis-
sionnaire en Basse Normandie, Pierre Sandret, 1658-1738», Annales de Bretagne, t. 81, 1974,
p. 537-552.
219
ment était une grande croix qui avait été auparavant construite et plantée par les
hommes du village. La bénédiction finale était souvent donnée de cet endroit par le
père supérieur avec une petite exhortation dans laquelle il disait à l’assemblée que
cette croix était destinée à lui rappeler les engagements pris les jours précédents et il
l'invitait à venir souvent prier près d’elle, y chanter des cantiques et s’y préparer à
l'examen de conscience.
Il est certain que tout ce cérémonial, en pays de frontière confessionnelle, n’allait pas
sans raviver les oppositions entre catholiques et protestants. A Keskastel, en 1740, les
représentants du bailli de Sarrewerden interdirent aux sujets dù comte de Nassau-
Sarrebruck de participer à la construction de la croix, sous peine d’amende32. A Lix-
heim, à la fin du siècle, maires et échevins refusaient de paraître aux processions pour
manifester ainsi leur désapprobation à l’égard de semblables cérémonies33. Il est cer-
tain que ces dernières malgré leur changement de caractère depuis le siècle précédent
n'étaient en rien marquées par l’irénisme et l’esprit de tolérance. Un de leurs buts,
dans ces régions de présence protestante, consistait justement à conduire les catholi-
ques à afficher leur spécificité. Toute la pompe baroque était destinée à affirmer une
présence et à représenter - aux yeux des propres fidèles de l’Eglise romaine - ce qui
les distinguait des communautés réformées.
11 serait cependant inexact de ne prendre en compte que le côté extérieur de la mis-
sion. Elle répondait à un souci réel d’intériorisation de la Foi. Elle fut, d’ailleurs, peu
à peu accompagnée d'autres pratiques qui allaient dans le même sens. Telles étaient
les retraites pour laïcs, adaptées à l’âge, au sexe, à la catégorie sociale qui apparurent
en Lorraine au début du XVIIIe siècle et, dans la région de Sarrebourg, à partir de
174034. Tels étaient les Exercices spirituels que les Jésuites donnaient dans leur mai-
son de Bouquenom d’abord aux seuls ecclésiastiques puis, en les adaptant, aux sim-
ples paysans et artisans des villages. Le but était de constituer une élite chrétienne
destinée à entraîner la masse des fidèles pour faire des paroisses autant de commu-
nautés ferventes.
3° Avec Jean-Martin Moyë, vers une nouvelle chrétienté
Ainsi s’explique que la suppression de la Société de Jésus par la bulle Dominus ac
Redemptor en 1773 ne provoqua pas une profonde rupture dans la vie religieuse des
populations de la Lorraine orientale qui pourtant avait été, pendant plus d’un siècle,
animée par les Jésuites. Un travail en profondeur avait été réalisé qui pouvait, désor-
mais, être poursuivi par d’autres. Les Capucins, bien implantés dans la région, ne
32 Joseph Levy, Les persécutions des catholiques dans le comté de Sarrewerden et la sei-
gneurie de Diemeringen (1697-1793), extrait de la Revue catholique d’Alsace, Rixheim, 1898,
58 p., voir p. 32.
33 AD MM. 9 B 86 (1786-1787).
34 Sur les retraites à Nancy voir Delattre, op. cit. T. III, col. 748-756.
220
bornèrent certainement pas leur apostolat aux villes (Phalsbourg, Sarrebourg) où ils
avaient un couvent15. Le clergé diocésain, surtout, qui avait été formé par les Jésuites
dans leurs collèges ou dans leurs grands établissements d’enseignement supérieur de
Strasbourg, de Trêves, de Pont-à-Mousson était fort capable de prendre la succession
et de poursuivre, dans les campagnes, l’action de ses maîtres. Il le fit, cependant,
selon un esprit et des méthodes différentes. La paroisse, grâce à l’action sans relâche,
au cours du XVIIIe siècle, des curés et des vicaires, des confréries et des mission-
naires était devenue la cellule fondamentale de la vie religieuse. C’était donc dans
son cadre, pensaient-ils, que devait être réalisé le renouvellement spirituel souhaité,
et non pas dans celui du Stift ou de la grande église de la ville voisine.
Alors qu’au milieu du siècle encore, les habitants des villages venaient, tels des pèle-
rins, vers un centre d’évangélisation, les nouveaux missionnaires se sentirent appelés
désormais là où se trouvaient les fidèles dans les paroisses. Ils choisirent les plus
modestes; celles qui avaient été jusqu’ici négligées parce qu'éloignées de toute
agglomération, établies sur des terres ingrates et faiblement peuplées. La dernière
phase de la christianisation commençait comme le souhaitait, en des lieux fort éloi-
gnés, Alphonse de Liguori qui prescrivait justement à ses premiers religieux la prédi-
cation et l’enseignement dans les campagnes16.
Jean-Martin Moyë fut un apôtre comparable, par bien des côtés, au saint napolitain.
Né en 1730 à Cutting, entre Dieuze et Fénétrange, il était véritablement un «enfant
du pays»57. Elève des Jésuites à Pont-à-Mousson puis à l’université catholique de
Strasbourg, il entra au séminaire de Metz avec déjà l’intention de se consacrer à
l’apostolat des campagnes. Prêtre en 1754, il élabora ce qui devait être sa conception
originale de la mission. Un choix d’abord : les paroisses les plus pauvres. Une techni-
que : la parfaite collaboration avec le clergé paroissial. Un but prioritaire : l’enseigne-
ment des principes de la religion aux humbles. C’est dans cet esprit qu’il eut l’idée,
dès cette époque, «d’envoyer des filles à la campagne et surtout dans les hameaux les
plus abandonnés pour instruire les enfants et les autres personnes qui avaient besoin
d’instruction»18. Ainsi prit naissance l’ordre des sœurs de la Providence dont il établit
une des premières maisons à Haut-Clocher (puis, ensuite près de là, à Saint-Jean-de-
Bassel) entre Sarrebourg et Fénétrange19. Dans un texte un peu plus tardif, il fixa leur
tâche en leur rappelant la mission du Christ : «Quel bonheur pour vous, écrivait-il,
d’être appliquées aux mêmes fonctions en instruisant les pauvres des campagnes»35 36 37 * 39 40. A
la limite, lorsque les curés étaient avertis de leurs devoirs et que les religieuses, par-
35 Le Moigne, op. cit., p. 155-194; Hartmann, art. cit., p. 27-31.
36 Théodule Rey-Mermet, C.SS.r., Le saint du siecle des Lumières. Alfonso de Liguori
(1696-1787), Paris, Nouvelle Cité, 1982, voir p. 323-331.
37 F. A. Weyland, Une âme d’apôtre. Le vénérable Jean-Martin Moyë. Prêtre du diocèse de
Metz. Missionnaire en Chine. Fondateur des Sœurs de la Providence en Lorraine. Organisa-
teur des vierges chrétiennes au Su-Tchuen, Metz, Beha, 1901, 327 p.
18 Cité par Marguerite Kernel, De l’insécurité selon J. M. Moyë (1730-1793). Le projet de vie
des sœurs de la Providence, Paris, Editions franciscaines, 1976, p. 114.
39 idem
40 idem, p. 115.
221
faitement formées, étaient établies en nombre suffisant, le missionnaire pouvait
s’effacer. C’est ce que ce fit Jean-Martin Moyë en 1768 lorsqu’il entra au séminaire
des Missions étrangères de Paris avant de partir pour la Chine en 1771.
De retour en France en 1783, il reprit ses missions du pays de Sarrebourg. La carte
n° 3 montre clairement qu’il était resté fidèle aux principes énoncés au début de sa
carrière. Ce fut la région déshéritée des étangs située entre Dieuze et Sarrebourg, aux
villages médiocres et espacés qui fut le domaine privilégié de son apostolat dans les
222
années qui précédèrent immédiatement la Révolution. «Il fut agréé presque partout,
relevait un ecclésiastique lorrain de la fin du XVIIIe siècle, en beaucoup d’endroits il
ne se bornait pas au court espace d’une semaine, il prenait tout le temps nécessaire
pour faire entrer les pécheurs dans les sentiments d’une sincère et solide pénitence,
pour entendre à loisir les confessions générales, pour éprouver les dispositions de ses
pénitents et s'assurer d’une persévérance qui tournât au bien des paroisses»41. De fait,
le curé de Réchicourt-le-Château rapporta ainsi le passage de Jean-Martin Moyë
dans sa paroisse:
Pendant l’hiver de 1788 (en février) nous eûmes une mission donnée par M. Moye,
ancien missionnaire en Chine. Elle dura trois semaines, depuis la Septuagésime,
jusqu’au premier dimanche de carême. L’ardent missionnaire entendit les confessions
des trois-quarts de la paroisse, il tenait le confessionnal pendant les huit et neuf heures
de suite, quoiqu ’il prêchât deux fois par jour.
La réputation de sainteté qu’il s’était justement acquise, ses grandes vertus, son émi-
nente piété, son zèle infatigable dans les travaux apostoliques, dans les missions étran-
gères, lui gagnaient tous les cœurs, lui attiraient la confiance.
On a remarqué des succès étonnants, de vieux pécheurs rappelés à Dieu, des scandales
réparés, plusieurs conversions qui ont paru bien solides jusqu’ici; grand nombre dont
les consciences étaient embarrassées, les ont remises en ordre.
Il en est bien peu qui n’aient profité en quelque manière de cette mission. La piété et la
ferveur se sont renouvelées dans cette paroisse. Plaise à Dieu, qu’elles s’y soutiennent
longtemps! J'ai cru devoir profiter de cette occasion pour établir une congrégation de
garçons, à l’instar de celle des filles. Il fallait leur prescrire peu d’exercices et de
devoirs. J’ai réduit les obligations des garçons congréganistes à ces trois points princi-
paux: 1° réciter le chapelet en commun tous les dimanches et fêtes à midi un quart; 2°
faire une demi-heure d’adoration devant le Saint-Sacrement, à l'heure que l'on trouvera
la plus commode; 3° point de danses, point de cabarets, point de courses de nuit. Un
bon nombre de garçons s’y est enrôlé d’abord et les autres même se piquaient d’être
aussi exacts qu ’eux au chapelet42.
Ce compte rendu révèle ce qu’avait à la fois de traditionnel et de novateur la mé-
thode de Jean-Martin Moyë. D’une part, comme pour tous les missionnaires de la
réforme catholique, la prédication et la confession, cette dernière surtout, étaient au
centre de son activité. Mais, d’autre part, il se distinguait par la longueur de son
séjour dans les villages et par la coordination parfaitement réalisée avec le clergé
local. Par ailleurs, la place considérable tenue par la confession (huit à neuf heures
par jour à Réchicourt-le-Château) et le rôle des sœurs de la Providence, appelées
Citation de l’abbé Chatrian dans Weyland, op. cit., p. 260-261.
Cité dans Weyland, op. cit., p. 259-260.
223
souvent sœurs de Saint-Jean-de-Bassel, destinées à aider les plus démunis mani-
festaient clairement un souci de l’individu, pris isolément, qui n’apparaissait pas avec
autant de netteté auparavant. On peut même se demander si dans l’intention de Jean-
Martin Moyë de privilégier les plus petits villages et les plus humbles des fidèles il n’y
avait pas cette volonté de montrer que Dieu se préoccupe de chacun d’entre nous et
que la conversion est un acte éminemment individuel. En agissant ainsi le mission-
naire du pays de Sarrebourg ne se distinguait pas seulement de ses précédesseurs de
l'époque baroque il rejoignait aussi les penseurs de l’Aufklàrung, catholiques, prote-
stants et athées qui faisaient de l’Homme et de son plein épanouissement l’objet pri-
mordial de leurs préoccupations. Il ne faut pas faire de Jean-Martin Moyë en Lor-
raine, ou d'Antoine-Sylvestre Receveur en Franche-Comté, d’Alphonse de Liguori
au pays de Naples et de bien d’autres encore des attardés de la réforme posttriden-
tine43. Ils furent, au contraire, les prophètes et déjà les architectes inspirés d’une nou-
velle chrétienté.
S’il n’est pas possible, dans l’état présent de la documentation, de dresser un tableau
complet des missions dans le pays de Sarrebourg aux XVIIe-XVIIIe siècles, leur
place dans le processus de diffusion des comportements catholiques apparait néan-
moins considérable. Conçues tout d’abord selon l’esprit de la contre-réforme et
limitées à la zone de contact entre catholiques et protestants, elles s’étendirent, au
XVIIIe siècle, à l’ensemble de la région jusqu’aux paroisses les plus modestes visitées
systématiquement au temps de Jean-Martin Moyë. Dans le même temps, elles
changèrent de statut. D’agents de conversion, c’est-à-dire de changement de confes-
sion après l’abjuration de ce qui était considéré comme l’hérésie, elles devinrent les
instruments privilégiés du perfectionnement du chrétien, pris individuellement
comme enfant de Dieu. L’ampleur du mouvement au cours des deux derniers siècles
de l’Ancien Régime, avec ses prolongements au XIXe siècle, la qualité exceptionnelle
des hommes employés à ces tâches invitent à penser que dans cette action continue
réside peut-être une des explications de l’attachement, jusqu’à nos jours, des habi-
tants de la Lorraine orientale à un christianisme pratiqué avec ferveur.
43
Sur Sylvestre Receveur, Mgr. Fourier Bonnard, Le vénérable Père Antoine-Sylvestre
Receveur, fondateur de la retraite chrétienne (1750-1804), Lyon-Paris, E. Vitte, 1936,444 p.
224
Wolfgang Läufer
Die erste Visitation des Metzer Bischofs im östlichen Teil
der Diözese Metz nach dem Westfälischen Frieden
In den Wochen vor Pfingsten des Jahres 1669 visitierte der Metzer Bischof Georges
d'Aubusson de la Feuillade in eigener Person den östlichen Teil seiner Diözese1. Es
handelte sich dabei um das Archidiakonal Saarburg3 mit seinen Archipresbyteraten
Vergaville, Saarburg, Bockenheim, Hornbach, Neumünster und St. Arnual. Es war
nicht nur die erste umfassende Visitation3 dieses Bereichs seit dem Westfälischen
Frieden, sondern die erste seit langem. Man wird wahrscheinlich zurückgehen müs-
sen bis zur Visitation durch Weihbischof Meurisse im Jahre 1629 oder bis zu derjeni-
1 Hier wird der geistliche Sprengel als „Diözese“ bezeichnet, der des Hochstifts als „Bistum“. -
Der Vortragsfassung lagen keine kirchlichen Quellen zugrunde, auch kein Visitationsproto-
koll, sondern nur Akten aus dem Blieskasteler und Saarbrücker Verwaltungsbereich (Von-
der-Leyensches Archiv Waal, = Waal, und Landesarchiv Saarbrücken, = LA Sbr.; vgl. die Ein-
zelnachweise). Neu eingearbeitet wurde insbesondere das knappe Itinerar der Visitation (AD
MM 1 F 172, 3), offenbar die einzige kirchliche Quelle, die einen Gesamtüberblick erlaubt. -
Anläßlich der Visitation von 1680 suchte die Zweibrücker Verwaltung nach Akten des Jahres
1669, offensichtlich ohne Erfolg (Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken VI, 407; für den Hin-
weis danke ich Herrn Fell, Lambrecht). - Einen Überblick über die wenigen Visitationsquel-
len 1669 bietet das Répertoire des visites pastorales de la France. Ie sér.: Anciens diocèses
(jusqu’en 1790), Bd. 3: Mâcon - Riez, Paris 1983, hier S. 129. Entgegen der dortigen Angabe,
die Visitation habe nur das Archipresbyterat Saarburg betroffen, umfaßte die Reise tatsäch-
lich das gesamte Archidiakonal Saarburg. - Das „Répertoire“ nennt auch die wenige Litera-
tur. Zu ergänzen wären: Jacques-Henri Heck, Une visite épiscopale dans la principauté de
Lixheim en 1669, in: Les cahiers lorrains 1984, S. 291 ff.; ferner J. P. Kirch, Geschichte von
Welferdingen, Saarbrücken 1932, S. 233 f. Hinweise zur Visitation von 1669 im Nassau-Saar-
brückischen finden sich auch in: Bübingen, ein Dorf im Alten Reich, hg. von Wolfgang Läu-
fer, Saarbrücken 1989, S. 149 f. - Der Beitrag ist Ende September 1990 zum Druck einge-
reicht und danach nur an wenigen Stellen ergänzt worden. Hinzuweisen ist noch auf den
Anfang Oktober 1991 erschienenen Aufsatz von Karl Lillig: Erste Pastoraireise nach dem
30jährigen Krieg. Bischöfliche Visitation an Blies und Saar Anfang Juni 1669, in: Saarheimat
1991, S. 80 ff. Der Verfasser hat dafür die von mir ebenfalls benutzte Akte Waal Nr. 2666 aus-
gewertet. Im Detail sei auf den Beitrag nicht weiter eingegangen; nur dies sei angemerkt, daß
die Darstellung des Erzbischofs als ausgesprochener Kuchenliebhaber auf Lesefehlern beruht:
„kalte Kuchen" statt „kalte Küchen“ und einmal „Kuchenpräsente“ statt „Kirchenpräsente“.
2 Nicht sehr genaue Karte des Archidiakonats von Sanson, Paris 1656 (vgl. LA Sbr. Best. K
1“ Nr. 89). „Archiprêtrés de St. Arnual, Bouquenom, Hornbach et Neumünster avant le pro-
testantisme“, in: G. Bourgeat u. N. Dorvaux, Atlas historique du diocèse de Metz,
Montigny-iès-Metz 1907, Karte X, Nebenkarte; weitere Karten des Archidiakonats a. a.O. und
in anderen Atlanten betr. die wesentlich veränderten Verhältnisse Ende des 18. Jhs.
3 Zu den Visitationen allgemein vgl. Kirche und Visitation. Beiträge zur Erforschung des früh-
neuzeitlichen Visitationswesens in Europa, hg. v. Ernst-Walter Zeeden und Peter Thaddäus
Lang, Stuttgart 1984; Die Visitation im Dienst der kirchlichen Reform, hg. von Ernst Walter
Zeeden und Hansgeorg Molitor, Münster 1967, 2. Aufl. 1977; Hansgeorg Molitor,
Les visites pastorales dans la recherche historique en Allemagne, in: Recherches sur les visites
pastorales de l’époque moderne (XVIe - XVIIIe s.). Colloque de Strasbourg, 29.1.1972, in:
Revue d’histoire de l’église de France 58,1972, S. 341 ff., hier S. 342 ff. - Vgl. auch die in Anm.
58 genannte Literatur.
225
gen von 16214. Der Bischof selbst sprach von 50jähriger Unterbrechung der Verbin-
dung5.
Die Visitation von 1669 darf jedoch nicht nur deshalb unsere besondere Aufmerk-
samkeit beanspruchen. Sie berührte eine zwischen dem Reich und Frankreich heftig
umstrittene Rechtsfrage. Außer Saarburg und Vergaville lagen nach Reichsverständ-
nis alle genannten kirchlichen Verwaltungssitze auf Reichsboden in protestantischen
Territorien. Sie waren damit aus dem Metzer Diözesansprengel ausgeschieden. Nach
französischem Verständnis waren im Frieden von Münster jedoch nicht nur die
Hochstifte (Drei Bistümer) Metz, Toul und Verdun französisch geworden, sondern
auch die zugehörigen Diözesangebiete, d.h. über den weltlichen Besitz hinaus die
geistlichen Sprengel; darauf soll später noch kurz eingegangen werden. Visitiert wur-
den 1669 demnach die problematischsten Teile der Diözese6. Eine Visitation in die-
sem Umfeld mußte fast zwangsläufig politische Spannungen nicht nur sichtbar wer-
den lassen, sondern auch verstärken.
Weitere Punkte sind zu nennen, die die Visitation von 1669 aus der Serie üblicher
Visitationen herausheben. Sie fiel in ein für die Metzer Diözesangeschichte wichtiges
Jahr. 1668/69 hatte die Metzer Diözese mit D'Aubusson einen neuen Bischof erhal-
ten, der sich als wirklicher Hirte erweisen sollte7 8.1609 geboren, aus einer südfranzösi-
schen Adelsfamilie stammend, Doktor der Theologie der Pariser Sorbonne, seit 1648
Erzbischof von Embrun/Hautes Alpes, 1658 französischer Gesandter in Venedig, seit
1661 in Madrid5, war D’Aubusson am 25. Juni 1668 von Ludwig XIV. auf den Metzer
Bischofsstuhl berufen worden. In den Jahrzehnten davor hatte der König zwar mehr-
fach Metzer Bischöfe ernannt, nun aber erstmals nicht mehr im Widerspruch zur
Kurie. Erst einen Monat zuvor, am 24. Mai, hatte Rom nach langen Auseinanderset-
zungen das auch für die Diözesen Metz, Toul und Verdun bislang geltende Wiener
Konkordat von 1448 durch eine neue Vereinbarung zugunsten des Königs ersetzt.
4 Von denen allerdings keine Protokolle überliefert sind. Vgl. Répertoire des visites pastorales,
S. 124 f.
5 ... ut officio meo, a 50ta annis intermisso, satisfaciam . . . (Berichte des Kapuzinerpaters
Cornelius an den Freiherrn Damian Hartard von der Leyen bzw. an dessen Bruder, den Trie-
rer Kurfürsten Karl Kaspar von der Leyen, vom 8. bzw. 10.6.1669: Waal 2666).
6 Daß es bei Visitationen in Gebieten, in denen der kirchliche Sprengel andere Territorien über-
deckte, zu Komplikationen kommen konnte, darauf hat bereits Zeeden hingewiesen, auch
daß das Visitationsrecht zu einer Art Hoheitsrecht geworden war (Einleitung zu „Kirche und
Visitation“, vgl. Anm. 3).
7 Zu seinem Lebensbild vgl. La France pontificale (Gallia christiana), v. M. H. Fisquet, Paris
o.J., S. 970 ff. - Le diocèse de Metz, hg. v. Henri Tri bout de Morembert (Histoire des
diocèses de France), Paris 1970, S. 122 ff. - Gérard Michaux, Réforme catholique et Cont-
re-Réforme à Metz au XVIIe s., in: Protestants messins et mosellans, XVIIe - XIXe s. Actes
du colloque organisé à l’occasion du tricentenaire de la révocation de l’édit de Nantes, réunis
par F.-Y. Le Moigne et G. Michaux, Metz 1988, S. 47 ff. - Jean-Paul Achereiner,
La restauration paroissiale dans le diocèse de Metz durant l’épiscopat de Georges d’Aubusson
de la Feuillade (1669 - 1697), mémoire de maîtrise, Metz 1974 (masch.schr.), S. 146 f. - Ency-
clopédie illustrée de la Lorraine: La vie religieuse, hg. v. René Taveneaux, Nancy-Metz
1988, S. 135 ff. (mit Porträtabbildung; Porträt auch in: Protestants messins S. 133). - Sein Wap-
pen bei H. Tribout de Morembert und A. Haefeli, Les évêques de Metz. Armorial
- Bio-Bibliographie, in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’arch. de la Lorraine 61, 1961, S. 77 ff.,
hier S. 79 f.
8 Hinweise auf D’Aubussons durchaus nicht unbedeutende Rolle in einer wichtigen Phase fran-
zösischer Außenpolitik (span. Erbschaft Ludwigs XIV.) vgl. Johann Strunz, Die französi-
sche Politik in den ersten Jahren der Selbstregierung Ludwigs XIV., 1661 - 1667, Berlin Phil.
Diss., 1920.
226
Ludwig XIV. hatte damit - so das Urteil von Folzy - über die drei Diözesen eine noch
größere Verfügungsgewalt erhalten, als er sie über die altfranzösischen Diözesen
hatte.
Es muß hier nicht ausführlich auf den Stellenwert hingewiesen werden, den die Ost-
politik für Ludwig XIV. hatte. Sie beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Seit
dem Westfälischen Frieden waren die Drei Bistümer auch rechtlich Teil Frankreichs.
Im Pyrenäenfrieden und im Frieden von Vincennes, 1659 und 1661, hatte sich der
König die unmittelbare Nachbarschaft, die Spanischen Niederlande und Lothringen,
gefügig gemacht und einen Korridor zu seinen elsässischen Besitzungen verschafft.
Beherrschenden Einfluß auf die Reichspolitik nahm Ludwig über den 1658 gegründe-
ten Rheinbund, der 1668 allerdings nicht mehr erneuert worden war.
Auf dem Metzer Bischofsstuhl war nur eine Person denkbar, die Gewähr dafür bot,
daß die Stellung Frankreichs auf diesem vorgeschobenen Posten nicht nur erhalten,
sondern auch gestärkt wurde9 10 11. Daran läßt sich die Wertschätzung ablesen, die
D'Aubusson beim König genoß. Aber es war sicherlich ein Glücksfall für die in lan-
gen Jahrzehnten schwer mitgenommene Metzer Diözese, daß mit ihm nicht nur ein
erfahrener Diplomat das Amt antrat, sondern auch - wie bereits angedeutet - ein
bischöflicher Seelsorger.
D’Aubusson sollte sich als von tridentinischem Geist erfüllter, reformfreudiger Ober-
hirte erweisen. Bald nach seiner Ernennung hatte ihm das Metzer Domkapitel die
Leitung der Diözese anvertraut. Die päpstliche Bestätigung folgte ein Jahr später am
26. Juni 1669; in Metz eingeführt wurde er am 4. September desselben Jahres. Die
Visitation des Archidiakonats Saarburg fand Mai/Juni 1669 statt, also noch vor der
kanonischen Ernennung und vor der offiziellen Einführung. Man mag daran erken-
nen, wie sehr der neue Bischof von pastoralem Eifer erfüllt war und wie drängend
ihm die Probleme der östlichen Teile seiner Diözese erschienen sein mögen. Man
mag daran auch erkennen, wie rasch D'Aubusson sein großes Werk in Angriff neh-
men wollte, den protestantisch gewordenen Osten zu rekatholisieren.
Daß die Visitation jedoch durch den Bischof selbst - diese Tatsache muß deutlich
hervorgehoben werden" -, so schnell und ohne erkennbare Vorbereitung durchge-
führt wurde, dafür gab es einen konkreten Grund: D'Aubusson hatte sich in einen
örtlichen Streit zwischen dem katholischen Haus von der Leyen und dem evangeli-
schen Grafen von Nassau-Saarbrücken eingeschaltet. Deren Auseinandersetzung war
zuletzt auf die Ebene eines Konfessionsstreits geraten. Das Eingreifen bot dem
Bischof nicht nur die Möglichkeit zum pastoralen Wirken, sondern auch dazu, seine
9 Robert Folz, Le concordat germanique et l’élection des évêques de Metz, Metz 1931,
S. 147.
10 Vgl. Le diocèse de Metz, S. 125.
11 O. Billuart (vgl. in diesem Band) hat ermittelt, daß von den 14 Visitationen des Archipres-
byterats Saarburg zwischen 1689 und 1789 nur eine einzige (1698) durch den Bischof selbst
vorgenommen wurde. Das mag die Bedeutung der Reise D’Aubussons 1669 unterstreichen.
227
geistliche Jurisdiktionsgewalt in demjenigen Teil seiner Diözese auszuspielen, in dem
die lutherische Lehre Fuß gefaßt hatte. Er hatte ferner Gelegenheit, seinem Metro-
politen zu Hilfe zu kommen, dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten Karl Kaspar von
der Leyen.
Das moselländische Haus von der Leyen war seit dem Spätmittelalter auch an der
Blies begütert. 1660 hatte es von Kurtrier das Amt Blieskastel als Lehen erhalten12. In
den Jahren davor und danach waren eine ganze Reihe von Einzelerwerbungen hinzu-
gekommen, darunter Ende 1667 alte kriechingische Besitzungen in und bei Forbach.
Dörfer an der unteren Blies, dazu Großrosseln und Bübingen11. Die beiden letztge-
nannten Orte waren Gemeinbesitz mit Nassau-Saarbrücken. Der Streit, der seit hun-
dert Jahren beim Reichskammergericht anhängig war, ging um das Dorf Bübingen,
heute südlichster Vorort von Saarbrücken. Die Pfarrei gehörte dem Stift St. Arnual;
sie war wahrscheinlich noch vor 1565 mit ihm evangelisch geworden14; offensichtlich
nur indirekt im Gefolge des Konfessionswechsels der Grafschaft Saarbrücken. Nas-
sau könne sich allenfalls auf sein Patronatsrecht berufen, so die Position der leyen-
sehen Seite, nicht auf sein Jus reformandi15.
12 Vgl. Jacques Gayot, Histoire de la seigneurie de Bliescastel, in: Bull, de la Soc. des amis de
la Sarre 2, 1925, S. 59 ff., hier S. 145 ff. Ein zusammenfassender Überblick über die vielfälti-
gen Erwerbungen fehlt bislang. Vgl. Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2, hg.
von Kurt Hoppstädter und Hans-Walter Herrmann, Saarbrücken 1977, S. 404 ff.; H.
P. Barth, Die Erwerbung des Amtes Blieskastel durch das Haus von der Leyen, in: Zeit-
schr. f. saarl. Heimatkde. 5,1955, S. 25 ff., hier S. 30 f.; W. Krämer, Die Erwerbung St. Ing-
berts durch die Familie von der Leyen, in: ebenda 4,1954, S. 97 ff.
13 Vgl. Bübingen S. 146. Zu den Auseinandersetzungen um die Herrschaft vgl. S. 135 ff., zu von
der Leyen S. 146 ff.
14 Die Bübinger katholischen Mitgemeinsherren, Kriechingen und später Baden, scheinen eine
völlige Durchdringung zumindest gehemmt zu haben, denn erst 1662 ließ Graf Gustav Adolf
gegen badischen Protest Heiligenbilder aus der Kirche entfernen (Bübingen S. 142, 160). -
Bislang wurde übersehen, daß Bübingen zumindest 16S6 eine eigene katholische Pfarrei
gebildet hat (Patron St. Markus); das geht m. E. eindeutig aus dem Visitationsprotokoll dieses
Jahres hervor (vgl. Jean-Pierre Kirch, Visite canonique de 1686 dans les archiprêtrés de
Bouquenom, Saint-Amouald. Hornbach et Neumünster, in: Revue ecclésiastique de Metz,
1923, S. 83 ff., 134 ff., 183 ff., 393 ff., 1924, S. 28 ff., 70 ff., 130 ff., hier 1924, S. 74). Kirch
identifiziert den Ort mit unserem Bübingen. Folgendes kann zur Erhärtung herangezogen
werden: Einmal das Itinerar selbst, ferner die Tatsache, daß das nahegelegene Gaubivingen
nicht in Frage kommt, weil es damals Filiale von Folklingen war (1924, S. 190 f.). Weiterhin
ist zu beachten, daß bei der Visitation von St. Johann (1924, S. 192 ff.) eine Filiale Güdin-
gen/Bübingen nicht genannt wird. - Anläßlich der Vorvisitation des Archipresbyterats
St. Arnual im Mai hatte der Blieskasteler Pfarrer als Archipresbyter gerade den Bübinger
Pfarrer Dieudonné als einziges schwarzes Schaf seines Bezirks namentlich erwähnt (1924,
S. 133 f.). Der Visitator fand am 28. September schlimme Zustände in Bübingen vor: Die
Hostien im Silberkelch waren verrottet, Heiliges Öl, Taufbrunnen und Taufwasser fehlten.
Pfarrer Dieudonné, selbst nicht anwesend (wie gewöhnlich alle, die etwas auf dem Kerbholz
hatten), wurde ein schlechter Lebenswandel bescheinigt; er ließ die Messe an Sonn- und Fei-
ertagen meist ausfallen, hielt keine Predigten und keinen Katechismusunterricht, dies alles
mit der Begründung, er erhalte vom Ort keinen Zehnten, nur eine königliche Pension. Er
fluchte, beschimpfte seine Pfarrkinder, war oft betrunken und gab so ein denkbar schlechtes
Bild eines katholischen Pfarrers ab, gerade den Protestanten und Neubekehrten gegenüber.
Möglicherweise war der Pfarrei deshalb keine lange Lebensdauer beschieden. - Sonderbarer-
weise fehlt im Bericht jeder Hinweis auf die simultane Nutzung der Kirche; wie in anderen
Fällen wurde sie vielleicht als selbstverständlich nicht eigens erwähnt. Oder sollte Bübin-
gen/Güdingen als eine Pfarrei betrachtet und die Bübinger Kirche den Katholiken, die
Güdinger den Protestanten übergeben worden sein? Das Bübinger Simultaneum wurde erst
1930 aufgelöst.
15 Waal 2949/47/64.
228
Eigentlicher Inhaber der Herrschaft Blieskastel war der Bruder des Kurfürsten, der
Trierer Dompropst Damian Hartard von der Leyen, trierischer Gesandter in Regens-
burg und als solcher der französischen Diplomatie bestens bekannt; 1675 wurde er
Kurfürst von Mainz16. Auch Damian Hartard geriet wie die Vorbesitzer von Bübin-
gen/Rosseln mit dem Mitgemeinsherrn, dem Grafen Gustav Adolf von Nassau-Saar-
brücken17, wegen der Territorialhoheit in Streit. Er steigerte sich in gefährlicher
Weise, nachdem eine gütliche Konferenz von Anfang Februar 1669 gescheitert war.
Zu den Mitteln, die Graf Gustav Adolf anwandte, um seine angebliche Landeshoheit
und damit Kirchenhoheit zu behaupten, gehörte der Versuch, die Bübinger Katholi-
ken zum Besuch des evangelischen Gottesdienstes zu zwingen. Daß dabei für Gustav
Adolf primär keine religiösen Motive im Vordergrund standen, zeigt die Tatsache,
daß er dazu nicht alle Mitglieder einer katholischen Familie zwingen wollte und daß
er in dem ganz katholischen Dorf Großrosseln auf diesen Kirchenzwang verzichtete18 19.
Das alte Prinzip des Glaubenszwangs zeigt sich hier noch lebendig und nicht sehr
überzeugend abgeschwächt, wie seit dem Westfälischen Frieden sonst allgemein im
Reich17.
Die Zerrissenheit der Grenzen und das konfessionelle Nebeneinander der Territori-
en, auch eine starke Zuwanderung hatten im Westrich schon bald zu einer konfessio-
nellen Durchmischung der Bevölkerung zumindest in den Grenzsäumen geführt20.
Die Katholiken der Grafschaft hatten zwar wie diejenigen des reformierten Herzog-
tums Pfalz-Zweibrücken die Möglichkeit, außerhalb des Territoriums die Messe zu
hören, nicht aber - und das war ein sehr schwerwiegender Umstand - ihre Kinder
katholisch taufen und erziehen zu lassen. Auch Trauungen und Beerdigungen wur-
den durch den protestantischen Ortspfarrer vorgenommen. Ähnlich scheinen die
katholischen Territorialherren allerdings mit ihren protestantischen Untertanen ver-
fahren zu haben21.
Das Beispiel Bübingen22 mag weiteres Anschauungsmaterial liefern. Der Ort, der
damals ca. 75 Einwohner zählte, davon die meisten Katholiken, lag unmittelbar an
16 Geb. in Trier 1.3.1624, gest. Mainz 6.12.1678. Vgl. Neue Deutsche Biographie, 1957; Agnes
Maria Niebecker, Beiträge zum Leben und Wirken Damian Hartards von der Leyen, Erz-
bischof und Kurfürst von Mainz 1677 - 1678, Phil. Diss. Mainz 1955; Die Bischöfe des
Hl. Röm. Reiches 1648 - 1803. Ein biographisches Lexikon, hg. v. E. Gatz, Berlin 1990,
S. 272 f. - Porträtabbildung nach Stich vgl. Bübingen S. 147, nach Gemälde im Hess. Landes-
museum Darmstadt vgl. Andreas Ludwig Veit, Mainzer Domherren vom Ende des 16. bis
zum Ausgang des 18. Jahrhunderts in Leben, Haus und Habe, Mainz 1924, Tafel 16.
17 Ein Lebensbild Gustav Adolfs findet sich bei Albert Ruppersberg, Geschichte der ehe-
maligen Grafschaft Saarbrücken, II. Teil, Saarbrücken 1910, 2. Aufl., Neudruck, S. 120 ff.
18 Graf Gustav Adolf an den Kurfürsten von Trier am 6./16.4.1669 (Waal 2949/22). In Rösseln
lebten 1665 allerdings nur zwei katholische Familien (StA Sigmaringen, Hausarchiv Hohen-
zollern-Hechingen A 1370 S. 104 ff.).
19 Heinz Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus (Oldenbourg. Grundriß der Geschich-
te 11), München 1989, S. 8.
20 Vgl. Hans-Walter Herrmann, Die Religionspolitik König Ludwigs XIV. in den eroberten
linksrheinischen Reichsgebieten, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. und religiöse Volkskde. 52,
1985, S. 17 ff., hier S. 20 ff. Er stellt fest, daß die protestantischen Gebiete nicht mehr die kon-
fessionelle Einheitlichkeit und Geschlossenheit aufwiesen wie am Vorabend des 30jähr. Krie-
ges, dies aus verschiedenen Gründen, auch aufgrund von Zuwanderung.
21 Hinweise in LA Sbr., NSbr. II 5321.
22 Vgl. Bübingen S. 142 ff. - Zur nachfolgend gen. Bevölkerungszahl vgl. S. 160.
229
der lothringischen Grenze zu Groß- und Kleinblittersdorf. Die Katholiken besuchten
die Messe im benachbarten Blittersdorf oder im Kloster Gräfinthal. Über Jahre hin-
weg versuchte der Graf, sie zum Besuch des evangelischen Gottesdienstes zu zwin-
gen. Mittel waren Androhung ruinierender Geldstrafen, Einquartierungen, Pfändun-
gen, Verhaftungen. Der katholische Meier war dauernd auf der Flucht. Mehrfach
dachten die Katholiken an gemeinsame Auswanderung21. Priesterbesuche in Bübin-
gen, etwa bei Kranken, wurden vom Grafen mit allen Mitteln unterbunden; so durch
Überwachung und Geldstrafen. Auch war verboten, Kranke zu auswärtigen Priestern
zu bringen. Die katholischen Kinder wurden in die Kinderlehre gezwungen23 24 25.
Dompropst Damian Hartard konnte die Angelegenheit schon von seinem Anspruch
als Mitgemeinsherr her nicht auf sich beruhen lassen. Seiner Überzeugung nach
gehörte Bübingen zur alten Baronie Kriechingen und nicht zur Grafschaft Saar-
brücken. Es lag mehr als nahe, daß er auf dem Höhepunkt des Streits bei seinem kur-
fürstlichen Bruder Hilfe suchte, und beide wandten sich im weiteren Verlauf deswe-
gen an D'Aubusson als OrtsbischoF. Auf diesen Weg hatte der Forbacher Amtmann
Brandt seine Herrschaft, die Vorbesitzer von Bübingen, die Fürsten von Hohenzol-
lern-Hechingen, bereits 1665 hingewiesen. Die Idee dazu war nachweisbar bischöf-
lich-metzischen Ursprungs bzw. entstammte Metzer Parlamentskreisen26.
Erzbischof und Bischof geißelten scharf das gewaltsame Vorgehen des Grafen. Der
Kurfürst verlangte Gewissensfreiheit. Beide brachten sie ihre geistliche Jurisdiktions-
gewalt ins Spiel. Kurfürst Karl Kaspar verwies auf seine Metropolitanrechte27. Das ist
sicherlich nur verständlich im Zusammenhang mit der Rechtsposition, die der Metzer
Bischof einnahm. Sie war völlig identisch mit der eingangs erwähnten französischen
Haltung.
23 Sie wurde nach der Eingliederung Bübingens in die Grafschaft Saarbrücken 1670 zur bitteren
Wirklichkeit. Erst 1682 konnten die Katholiken zurückkehren (vgl. Bübingen S. 193 f.).
24 Bei der Bübinger Konferenz 1669 äußert die nassauische Seite, man zwinge niemanden in die
Kirche, doch wolle man wenigstens die Kinder im Christentum unterweisen lassen, daß nicht
gar ein Barbarei erfolge (LA Sbr., NSbr. II 2513, S. 86).
25 Zugrunde gelegt wird Waal 2949/87; ferner Waal 2951/14 (Schreiben des Bischofs an Freiherr
Damian Hartard von der Leyen vom 30.4.1669:. . .Ego autem pro meis viribus adnitar in visi-
tatione mea, quae imminet in his partibus, ut opus, quod tarn pie aggressus es, plene conficiatur.
Spero, quod comes de Nassau monitionibus meis persuasus res in integrum restituet iuxta placi-
ta tractatus Monasteriensis, sin vero obsistat potestatem regis supremam implorabo . . .).
26 Brandt am 31.8.1665 an den Fürsten (Sigmaringen A 130, S. 131): Beide Orte, Bübingen und
Rösseln, lägen im Metzer Bistum. Wenn der Fürst, so der Rat eines Mons. Hottin, den
Bischof in einem kleinen Schreiben ersuchen würde, so werde dieser sich samt dem Metzer
Parlament gleich der Sache annehmen und ihm gutes Recht verschaffen. Dasselbe habe er,
Brandt, von Jesuiten erfahren, die in Forbach visitiert hätten. - Bereits in seinem Schreiben
vom 14.7.1665 hatte Brandt auf diesen Weg hingewiesen (a.a.O. S. 125). - Vgl. auch Bübin-
gen S. 146.
27 Ausdrücklich bereits in seinem Schreiben vom 12.4.1669 an den Grafen (Waal 2307, Nr. 15,1).
In seinem Antwortschreiben vom 6./16.4.1669 wies Gustav Adolf dies zurück (Waal 2307/22);
weiterer Briefwechsel Waal 2307/23,26, 31, auch LA Sbr., NSbr. II2513, S. 19 ff.
230
In seinem Schreiben an Graf Gustav Adolf vom 5. Mai 16692f!, in dem er unter direk-
tem Bezug auf dessen konfessionelle Bedrückungen24 in Bübingen seine baldige Visi-
tation ankündigte, nannte D'Aubusson als Rechtsgrundlage, Kaiser und Reich hätten
dem König im Frieden von Münster alle Rechte der Oberherrlichkeit in dieser Diözes
und ohn einigen Reservat übergeben. Dann fügte er die Drohung an, der König werde
den armen Leuten, gemeint waren die Bübinger Katholiken, seine Hilfe gewiß nicht
versagen.
Der Bischof berief sich auf jenen bekannten Paragraphen 70 des Friedens von Mün-
ster, der die Souveränität über die Drei Bistümer Frankreich übertragen hatte28 29 30 31.
Dabei war der Begriff districtus von französischer Seite bewußt unklar gelassen wor-
den. Er konnte sowohl auf den geistlichen wie weltlichen Bereich der drei lothringi-
schen Bistümer bezogen werden. D'Aubusson legte ihn also extrem aus, indem er
alle Territorien seines geistlichen Bereichs zu Frankreich zählte, ob nun von Metz
lehnsabhängig oder nicht. Im Grundsatz ist es bei dieser Auffassung geblieben.
Die Berufung des Trierer Erzbischofs auf seine Metropolitanrechte hatte einen aktu-
ellen Hintergrund. Sie waren im Westfälischen Frieden im Zusammenhang mit der
Abtretung der Drei Bistümer in dem gen. Artikel 70 zwar ausdrücklich anerkannt
worden, doch hat Frankreich ihre Ausübung in der Folgezeit zunächst verhindert und
in Verhandlungen versucht, die Kurie zu einer Aufhebung der trierischen Rechte zu
bewegen. Das ist im Zusammenhang mit den bekannten, bereits angesprochenen
nationalkirchlichen Tendenzen Ludwigs zu sehen, die keine Art ausländischen Ein-
flusses duldeten11. Auf der anderen Seite waren die Trierer Metropolitanrechte für
Frankreich verschiedentlich Verhandlungsmasse gewesen; so im Vorfeld der Kaiser-
wahl von 1658, als um die Stimme Kurtriers gegen Habsburg und für Ludwig XIV.
geworben wurde; ferner bei den späteren Bemühungen um den Beitritt Kurtriers
zum Rheinbund von 1658, dem Trier erst nach langem Zögern am 3. Januar 1662
28 LA Sbr., NSbr. fl 2268, S. 259 f.; hier auch das Antwortkonzept. Eine zeitgenössische deut-
sche Übersetzung des bischöflichen Schreibens (aus der hier zitiert wird) Waal 2307/15. Vgl,
auch Ruppersberg II S. 130 f., wo die Visitationsreise allerdings nur knapp erwähnt wird;
vgl. ferner R. Her ly, Les rois de France et le catholicisme en Sarre, in; Bull, de la Soc. des
amis de la Sarre 1,1923/24, S. 17 ff.
29 Sie seien durch Zeugenaussagen belegt, die ihm der Trierer Erzbischof übersandt habe.
Damit kann nur das Verhör gemeint sein, das Gustav Adolf am 23.4.1669 mit Bübinger
Katholiken angestellt hatte (vgl. Bübingen S. 149).
30 Vgl. Karlies Abmeier, Der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern und der Westfä-
lische Friede, Münster 1986, S, 85 ff.; Hermann Kaufmann, Die Reunionskammer zu
Metz, Metz 1899, S. 53 ff. Schildert eingehend die Vorgeschichte und das Zustandekommen
des Art. 70 des Westfälischen Friedens (Wortlaut S. 59), auch die späteren Auseinanderset-
zungen zwischen Reich und Frankreich. - Auf umfassenderer Quellenbasis baut auf Marie-
Odile Piquet-Marchal, La Chambre de réunion de Metz, Paris 1969 (Travaux et re-
cherches de la faculté de droit et des sciences économiques de Paris. Sér. Sciences historiques
17). - Vgl. auch Geschichtl. Landeskde. des Saarlandes, Bd. I, hg. v. K. Hoppstädter u.
H.W. Herrmann, Saarbrücken 1960, S. 253 ff., ferner Bd. II, S. 444 f.; lat. Text abgedruckt
in Anm, 24, S. 445.
31 Duchhardt S. 40.
231
beitrat12. Wenige Monate zuvor, am 12.Oktober 1661, hatte Karl Kaspar im Vertrag
von Fontainebleau seine Rechte über die Trierer Suffraganbistümer Metz, Toul und
Verdun vertraglich zurückerhalten, zusammen mit seinen Diözesanrechten in den
nach dem Pyrenäenfrieden französisch gewordenen Gebieten13.
Seine Metropolitanrechte wurden auch von dem neuen Metzer Bischof offiziell aner-
kannt32 33 34. Dazu gab es einen besonderen Grund. D’Aubusson war, wie erinnerlich,
zuvor Erzbischof von Embrun gewesen und durfte den Titel Erzbischof auch als Met-
zer Bischof führen. Noch während seiner Visitationsreise im Westrich erbat er aus-
drücklich die Zustimmung des Trierer Erzbischofs zur Ausübung seiner Ehrenrechte.
Verschiedentlich wird in den Quellen deutlich, welch großen Wert D’Aubusson - bei
aller persönlichen Bescheidenheit35 - auf seinen Titel legte, und ebenso auf die äuße-
ren Insignien, wie etwa sein Recht, sich ein Kreuz vorantragen zu lassen36 37.
Kurtrier hatte für Frankreich vor allem Bedeutung wegen seiner Verkehrslage an
Mosel und Rhein. Das Verhältnis zwischen König und Kurfürst war in diesen Jahren
gut, auch wenn Kurtrier immer als unsicherer Kantonist galt. Die Enttäuschung über
die aggressive Politik Ludwigs XIV., wie sie anläßlich seines Vorgehens gegen die
Spanischen Niederlande 1667/68 allenthalben um sich griff7, hat auch bei Karl Kas-
par das Mißtrauen gegenüber Frankreich vertieft und ihn - zunächst noch im Gehei-
men - zu engerer Anlehnung an Habsburg veranlaßt. Dennoch blieb das Verhältnis
zu Frankreich äußerlich freundlich.
Wenn Bischof D'Aubusson sich 1669 so schnell bereit fand, dem Hause von der
Leyen in der Bübinger Streitsache beizustehen, dann darf dies gewiß im Zusammen-
32 Zur Politik Karl Kaspar von der Leyens gegenüber Frankreich vgl. R. Pi Borget, La
France et l’électorat de Trêves au temps de Charles-Gaspard de la Leyen (1652 - 1679), in:
Revue d’hist. diplomatique 78, 1964, S. 7 ff., 118 ff., hier vor allem S. 123 ff.; Jakob Lehnen ,
Beiträge zur kurfürstlich-trierischen Politik unter Karl Kaspar von der Leyen (1652 - 1676),
Trier 1914; Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis
les traités de Westphalie jusqu’à la Révolution française. XXVIII: Etats allemands: t. 3:
L’électorat de Trêves, par Georges Livet, Paris 1966, S. XC ff,
33 Johann Leonardy, Geschichte des Trierischen Landes und Volkes, 2. Aufl,, Trier 1877,
S. 795; Emil Zenz, Verträge zwischen Frankreich und dem Erzstift Trier im 17. und 18.
Jahrhundert, in: Trier. Jb. 1951, S. 50 ff.
34 Im Bericht über seine Visitationsreise an den Trierer Erzbischof, Blieskastel, 7.6.1669 (Waal
2666).
35 Aus den Blieskasteler Quellen ergeben sich Hinweise auf persönliche Züge des Bischofs. Er
bevorzugte vor allem die Anrede Illustrissima sua Excellentia bzw. Reverendissima vel illu-
strissima sua excellentia (Bericht des Paters Cornelius an den Kurfürsten von Trier vom
10.6.1669, Waal 2666). In bezug auf die Bewirtung fällt sein bescheidenes Auftreten auf; er
nutzte die Gastfreundschaft nicht aus. So sagt er: Non venimus ad molestias, sed pro consola-
tione spirituali populi et ut officio . . . satisfaciam. Mehrfach nahm er auf den Reisen eine
kalte Küche mit (Bericht Cornelius a. a. O. und Bericht desselben an den Freiherrn v.
8.6.1669, Waal 2666). Der Blieskasteler Kellner sah in ihm einen verständigen Mann (sein
Bericht vom 9.6.1669 an den Freiherrn, Waal 2666).
36 Vgl. dazu u. a. Arthur Benoit, Visites épiscopales de Mgr d’Aubusson de la Feuillade,
évêque de Metz dans le Saargau, 1669 - 1697.1. Le miracle de Saarwerden (Basse-Alsace), in:
Revue nouvelle d’Alsace-Lorraine 9,1. Sept. 1888, S. 124 - 131, hier S. 129.
37 Vgl. Duchhardt S. 25 f.
232
hang mit Frankreichs Wunsch gesehen werden, Kurtrier nicht allzu offenkundig in
das gegnerische Lager abgleiten zu lassen. Auch die erwähnte betonte Anerkennung
des Trierer Metropoliten durch den Metzer Bischof ist sicherlich in diesem Kontext
zu sehen. Zusammenfassend darf man feststellen, daß die Bübinger Steitsache, so
marginal und unbedeutend sie auch auf den ersten Blick erscheinen mag, für den
Metzer Bischof dennoch als Anlaß - ich betone als Anlaß - wichtig genug war, sofort
zu einer Visitation in den Osten seiner Diözese aufzubrechen, zumal ein solcher
Besuch seinen seelsorgerischen Bemühungen entgegenkam.
Nach der Abreise aus der Metzer Bischofsresidenz Vic begann die Visitation38 am 18.
Mai 1669 mit dem Besuch weniger Pfarreien außerhalb des Archidiakonats Saarburg,
nämlich im Archipresbyterat MarsaF9. Vom bischöflich-metzischen Amtssitz Fri-
bourg aus wurden bis zum 25. Mai dann Pfarreien im Süden des Archipresbyterats
Vergaville40 und einige Pfarreien des Archipresbyterats Saarburg41 visitiert, bis zum
28. Mai schließlich weitere Pfarreien im Bereich Saarburg42, darunter Saarburg selbst
und Lixheim. Keineswegs wurden alle Pfarreien des Sprengels besucht. Täglicher
Stützpunkt war das gerade französisch gewordene Saarburg. Auf dem Weg zum spä-
teren Übernachtungsort Wolfskirchen wurden die Pfarreien Dolving und Romelfing
im Archipresbyterat Bockenheim visitiert.
Bereits in Lixheim und im Nachbarort Brouviller war der Bischof auf massive
Schwierigkeiten gestoßen: Man sperrte ihm den Zugang und verwehrte ihm jede
Amtshandlung mit der Begründung, das Reichsfürstentum Lixheim sei als Apostoli-
sches Vikariat exempt43. Hier wird in einem Nachklang sozusagen das alte lothringi-
sche Streben nach einer eigenen Diözese sichtbar, das bekanntlich zu keinem Erfolg
geführt hatte44.
ln der Herrschaft Finstingen und in der zwischen Nassau-Saarbrücken und Lothrin-
gen umstrittenen Grafschaft Saarwerden mit Saarwerden und Bockenheim trat
Lothringen dem Bischof gewaltsam entgegen und erlaubte ebenfalls keine Visitation,
38 Grundlage des folgenden Itinerars ist das sehr knappe und kommentarlose, offenbar auch
nicht ganz zuverlässige Mémoire des journées et de l’ordre que Monseigneur a tenu dans la vi-
site qu’il a faict des églisesparochiales de Varchidiaconé de Sarbourg, qui a commencé le 18ème
may 1666 (AD MM 1 F 172, 3; das Faszikel enthält u. a. auch die Protokolle der Visitationen
des Archidiakonats Saarburg von 1680 und 1686; vgl. Anm. 49).
39 Pfarreien Donnelay und Maizières.
40 Pfarreien Gelucourt, Azondange, Fribourg. Languimberg.
41 Pfarreien Avricourt, Foulcrey, Réchicourt-le-Château.
42 Pfarreien Kerprich-aux-Bois, Saarburg, Lixheim, Hommarting, Brouviller, Heschem (= Hil-
besheim ?), Sarrealtroff, Havve (= Hoff, heute zu Saarburg). Rinting, Imling, Hesse. Für die
Unterstützung bei der Identifizierung danke ich Herrn Prof. Dr. H.W. Herrmann.
43 Vgl. Heck a.a.O.; ferner Nicolas Dorvaux, Les anciens pouillés du diocèse de Metz,
Nancy 1902 (Mémoires de la Soc. d’archéologie et d’histoire de la Moselle Bd. XVIII), S. 229
f. - Ein Auszug aus den Visitationsprotokollen Lixheim und Brouviller vom 25. und 26. Mai
1669 findet sich in AD MM 1 F 172, 3.
44 Vgl. den kurzen Hinweis in Geschichtl. Landeskde. des Saarlandes II, S. 173 f.
233
weil es sich um Reichsterritorien handele, in denen seit langem die Reformation ein-
geführt worden sei; hier spielte das Normaljahr 1624 eine Rolle45 46.
ln Saarwerden geschah jenes Wunder, das den Bischof tief beeindruckte und in dem
er eine göttliche Bestätigung seiner schwierigen Mission sah40. Der Vorfall wirft ein
bezeichnendes Licht auf die Person und die Religiosität D’Aubussons. Als die Ein-
wohner am Tag vor der angekündigten Ankunft des Bischofs vor der Stadt mit der
Errichtung von Barrieren beschäftigt waren, um ihn am Einzug zu hindern, sollen die
Kirchenglocken von selbst geläutet haben. Der Bischof deutete dies als Zeichen, das
der Himmel selbst gesetzt habe. Noch in seinem Sendschreiben zur Visitation von
1680 kam er darauf zurück. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, daß
D’Aubusson ein großer Marienverehrer war. Schon in seiner Heilung von einer
früheren schweren Erkrankung hatte er ein Wunder der Gottesmutter gesehen47.
Gerade auf dem Hintergrund der Unterstützung, die die Metzer Bischöfe bei ihren
gegenreformatorischen Bemühungen früher durch die Lothringer Herzoge erfahren
hatten, verwundert diese ablehnende Haltung der katholischen Lothringer auf den
ersten Blick. Dahinter stand natürlich der Versuch, jeden französischen Einfluß wo
immer möglich abzuwehren - und man sah in D’Aubusson in erster Linie einen fran-
zösischen Parteigänger. Die Visitation fiel zudem in eine Zeit, in der die französisch-
lothringischen Spannungen - u.a. wegen der unverminderten lothringischen Truppen-
stärke - immer mehr einem erneuten Zusammenstoß zustrebten. Tatsächlich hat
Frankreich dann am 26. August 1670 in einem Handstreich das Herzogtum erneut für
lange Jahre besetzt4*.
Dort, wo sich Herzog Karl IV. keine Handhabe bot, konnte Bischof D'Aubusson
jedoch ungehindert visitieren, so im Bereich Saaralben und Saargemünd; beide Orte
gehörten bereits zum Archipresbyterat St. Arnual. Die von Lothringen gehaltene
nassau-saarbrückische Festung Homburg durfte er dagegen nicht betreten. Abgese-
hen von militärischen, haben dabei vielleicht dieselben Gründe wie im Falle Saarwer-
45 Praecipua ducis Lotharingiae ratio hac in recusatione consistit in eo, quod loca supradicta sunt
feuda imperii, in quibus opinatur utramque se habere jurisdictionem, spiritualem scilicet et tem-
poralem, idque independenter a potestate ecclesiastica, vel adminus juxta articulum, quem male
capit, tractatus monasteriensis vult, ut res ecclesiasticae eomodo serventur ac erant anno 1624,
nempe ut nulla fiat imposterum episcopi visitatio sicut nec tunc ulla facta fuit (Bericht des
Bischofs aus Blieskastel an den Trierer Erzbischof vom 7.6.1669, Waal 2666); vgl. ferner sein
Sendschreiben zur Visitation von 1680 (Jacques Choux, Journal de la visite pastorale de
Georges d'Aubusson, évêque de Metz, dans rarchidiaconé de Sarrebourg en 1680, in: Le pays
lorrain 61, 1980, S. 13 ff., hier S. 15 f.; deutsche Übersetzung des Sendschreibens vgl. Carl
Albert Buch heit, Beiträge zur Geschichte der ehemaligen Metzer Pfarreien, die jetzt zur
Diözese Speyer gehören, Homburg 1927, S. 9 f.).
46 Er berichtete davon auch dem Trierer Erzbischof im gen. Schreiben vom 7.6.1669 (. . . ut
videat quomodo Deus ministerium honore afficit, etiam in ministris indignis). Ausführlich über
das Wunder A. Benoit, a.a.O.
47 La France pontificale S. 974.
414 Zur lothringischen Politik dieser Jahre ausführlich Walter Mohr, Geschichte des Herzog-
tums Lothringen, Teil IV, Trier 1986, S. 384 ff., ferner Lothringen, Geschichte eines Grenz-
landes, bearb. unter Leitung von Michel Pa risse. Deutsche Ausgabe H.W. Herrmann,
Saarbrücken 1984, S. 311 ff.
234
den eine Rolle gespielt. Auf eine Visitation des Bitscher Landes hat der Bischof dar-
aufhin verzichtet.
Vom Übernachtungsort Saaralben ging die Reise am 30. Mai über Roth, wo die Kir-
che besucht und die Firmung gespendet wurde, weiter nach Saargemünd. Es folgte
nun jener Abschnitt der Visitation an Saar und Blies, der uns hier am meisten interes-
siert (vgl. die beigegebene Karte).
D’Aubusson hatte nicht die Absicht, alle Pfarreien, auch die früher katholischen, auf-
zusuchen, noch weniger, ehemalige Pfarreien wiederherzustellen, wie das bei den
späteren Visitationen der Reunionszeit der Fall war, so 1680 und 16864li; das schränk-
te das Konfliktpotentia! seiner Visitation erheblich ein. Der Bischof versuchte ledig-
lich, außerhalb der bestehenden katholischen Pfarreien möglichst alle Katholiken sei-
ner Diözese seelsorgerisch zu erreichen44 * * * * * 50. Dabei nahm er sich das Recht, seinen
gesamten Sprengel bereisen zu dürfen, ohne Rücksicht auf protestantisch gewordene
Gebiete. Verschiedentlich legte er es auch darauf an, demonstrativ von bestimmten
Teilen seiner Diözese regelrecht Besitz zu ergreifen.
Im Zeichen der Alltagsgeschichte interessiert uns natürlich auch, wie der Bischof
gereist ist. Zu seiner Begleitung51 gehörten fünf Kleriker, darunter ein Dolmetscher,
ferner sicherlich auch der Saarburger Archidiakon Antoine Foes52. Erwähnt werden
der Metzer Domkanoniker Nicolas Le Roux53 und der Offizial des Bereiches Vic, der
dortige Dekan und Kanoniker Jean Le Royer54. Zur Begleitung gehörten weiterhin
der bischöfliche Sekretär und Apostolische Notar Lancelot François55, ein Laie, fer-
ner ein Hofmeister, je ein Kammer- und Silberdiener, ein Koch, drei Lakaien und
44 Visitation des Archidiakonats Saarburg 1680: Quellenzusammenstellung vgl. Répertoire des
visites pastorales S. 131 f.; Veröffentlichung des Protokolls durch Choux a.a.O.; ferner -
mit Auslassungen - durch Dorvaux, Anciens pouillés S. 198 ff.; Teilabdrucke in deutscher
Übersetzung finden sich bei B uchheit, a.a.O.; ferner bei Carl Roderich Richter, Wie
das Saargebiet evangelisch wurde, Saarbrücken 1925, S. 119 ff. (ohne genaue Kennzeichnung
der beträchtlichen Auslassungen). - Visitationen des Archidiakonats Saarburg vom Mai und
September 1686: Quellenzusammenstellung vgl. Répertoire des visites pastorales S. 133 f.;
Veröffentlichung des Protokolls durch Kirch, Visite canonique de 1686; Teilabdrucke in
deutscher Übersetzung bei B u c h h e i t S, 16 ff.
50 LA Sbr„ NSbr. II, 5847, fol. 89 ff.
51 Der Blieskasteler Kellner Laurentius urteilt über die Begleiter (Apostel), sie seien (mehr) der
¡ncivilitet als der Höflichkeit zugetan gewesen und sie dächten sehr geldbegierig . . dan sie
alle Occasion gesucht, wie etwas erschrappen mögten (Bericht an den Freiherrn vom 9.6.1669,
Waal 2666).
52 im gen. Bericht des Blieskasteler Kellners ist von einem Kanonikus von Kaufmannssaarburg
die Rede, der die drei Kapuziner bei ihrer Vorausmission nach Medelsheim begleitete. -
Foes, Archidiakon von 1663 - 1670, vgl. Dorvaux, Anciens pouillés S. 246.
53 Nicolas Le Roux, Domkanoniker 1658 - 1688 (vgl. Dorvaux, Anciens pouillés S. 255), wird
- außer im „Mémoire“ - in den Lixheimer Protokollen vom 25./26.5.1669 erwähnt (AD MM 1
F 172, 3). Am 26.4.1670 wurde er zum Generalvikar ernannt (tätig bis 1677, vgl. AD Moselle.
Répertoire numérique de la Sous-Sér. 29. J. Fonds de Péveché de Metz, bearb. von Charles
Hiegel, Metz 1988, S. 33 f.).
54 Mitunterzeichner der Lixheimer Protokolle und der Saarwerdener „Wunder-Urkunde“ (vgl.
Benoit S. 126).
35 Schreiber der Lixheimer Protokolle. Als Metzer Sekretär von 1660 - 1684 bezeugt (vgl. Flie-
ge 1, Répertoire numérique S, 5).
235
Orientierunqsorte zur Visitationsreise in die
Archipresbyterate Hornbach,Neumünster u.St.Arnual
i
Klöster und Stifte (auch ehemalige), 0aufgesuchte Orte,
••••Grenzen der Diözesen, ———Grenzen der Archipresbyterate
236
drei, aus Metz stammende Kapuzinerpatres56. Diese sprachen deutsch57, was wegen
des Beichthörens von Bedeutung war. Die Patres wurden während der Reise jeweils
vorausgesandt, um die Bevölkerung auf den Bischofsbesuch vorzubereiten. Das
geschah offenbar in einer Art Volksmission, wie sie auch von anderen Visitationen
her bekannt ist5*. Bei der Visitation von 1680 waren es neben den Kapuzinern vor
allem Jesuiten, die den Bischof begleiteten.
Bischof und höhere Kleriker reisten in einer von sechs Schimmeln gezogenen Kale-
sche. Als Last- bzw. Reittiere kamen sieben Maulesel und vier Pferde hinzu.
Der bisherige Verlauf der Visitation zeigte deutlich, daß die Visitatoren auf Stütz-
punkte angewiesen waren, von denen aus die umliegenden Pfarreien visitiert wurden.
Für den weiteren Reiseweg hatten vor allem das Wilhelmitenkloster Gräfinthal59 und
der von-der-Leyensche Residenzort Blieskastel60 Bedeutung. Der Bischof selbst
besuchte nicht alle Pfarreien persönlich, sondern entsandte mehrfach Beauftragte.
Am Morgen des 31. Mai spendete der Bischof in Saargemünd die Firmung und visi-
tierte am Nachmittag das nahegelegene Wölferdingen, dessen Patronat die Abtei
Tholey innehatte61. Abends reiste er nach Gräfinthal weiter, wo er vom Kommandan-
ten von Saargemünd, Mr. Felix, und dem Abt von Wadgassen, damals Johann
Adami, begrüßt wurde. Diese Abtei an der mittleren Saar, wie Tholey in der Diözese
56 Erwähnt in den Lixheimer Protokollen. Als Mitunterzeichner der Saarwerdener „Wunder-
Urkunde“ (Benoit S. 126) werden genannt: „Follet, supérieur de la maison de la mission de
Metz, Couvreur et Rigault, prêtres de la dite mission . . .“
57 Die bestehende Sprachbarriere scheint von Metz aus nicht immer so niedrig wie möglich
gehalten worden zu sein. Als 1665/66 die Sache des Reinheimer Pastors bei der bischöflichen
Behörde anhängig war (vgl. weiter unten), verlangten die Metzer, alle Schreiben in Franzö-
sisch abzufassen. Weil der Blieskasteler Pastor keinen französischen Text lesen konnte, platz-
te ein Gerichtstermin (Waal 2660/61).
56 Allgemein vgl. Marc Venard, Die französischen Visitationsberichte des 16. - 18. Jh., in:
Kirche und Visitation S. 51. Für das Bistum Speyer vgl. Hans Amme rieh, Das Fürstbistum
Speyer im Zeichen der tridentinischen Erneuerung, in: Archiv für mittelrhein. Kirchengesch.
41, 1989, S. 81 ff., hier S. 103; vgl. ders., Formen und Wege der katholischen Reform in den
Diözesen Speyer und Straßburg. Klerusreform und Seelsorgereform, in: Barock am Ober-
rhein, hg. v. Volker Press etc. (Oberrhein. Studien Bd. VI), Karlsruhe 1985, S. 291 ff., hier
S. 311; über die Bedeutung der Kapuziner vgl. S. 313 ff.; vgl. auch Ammerich, Der Speyrer
Klerus nach den Visitationen von 1683 und 1701, in: Corona amicorum, Festschrift Alois
Thomas, Trier 1986, S. 5 ff.
59 Vgl. Rheinland-Pfalz und Saarland, hg. von Ludwig Petry (Handbuch der historischen Stät-
ten Deutschlands, Bd. 5), Stuttgart 1988, 3. Aufl., S. 117 f. - Bernhard H. Bonkhoff, Die
Kirchen im Saar-Pfalz-Kreis, Saarbrücken 1987, S. 120 ff. - Mönche an der Saar, hg. v. Stefan
Flesch etc., Saarbrücken 1986, S. 183 ff.
60 Vgl. Handbuch der historischen Stätten, S. 49 f., ferner Gemeinde- und Ortslexikon, hg. vom
Statistischen Amt des Saarlandes, 2. Lieferung, Saarbrücken 1956, S. 37 ff. (Einzelschriften
zur Statistik des Saarlandes Nr. 18); Städtebuch Rheinland-Pfalz/Saarland, hg. von Erich
Keyser, Stuttgart 1964, S. 483 ff.
61 „Mémoire“. - Vgl. zu Saargemünd und Welferdingen auch Kirch, Welferdingen, S. 233. -
Für die folgenden Schilderungen dient das „Mémoire“ nur noch als bloßes Itinerar. Im
wesentlichen wird zurückgegriffen auf die getrennten Berichte des Kapuzinerpaters Cornelius
und des Blieskasteler Kellners Laurentius an Damian Hartard von der Leyen vom 8. bzw.
9.6.1669, ferner auf denjenigen des Paters Cornelius an den Kurfürsten von Trier vom
10.6.1669 (Waal 2666).
237
Trier gelegen, war Inhaber verschiedener Pfarreien62, so von Saargemünd, Bliesgers-
weiler, Großblittersdorf und Ommersheim.
D'Aubusson dürfte sich in Gräfinthal recht wohl gefühlt haben, war der Ort doch
Zentrum einer regionalen Marienwallfahrt mit starker Ausstrahlung in das nahe
Lothringen und zur mittleren Saar. Von einer Visitation des Klosters selbst durch
D'Aubusson erfahren wir nichts. Gräfinthal befand sich damals - wie das gesamte
Land - in einer Phase des allmählichen Wiederaufbaues. Schon vor dem Erwerb von
Rechten in diesem Gebiet durch von der Leyen, übrigens zusammen mit dem Bübin-
ger Besitz (1667), - die lothringischer Oberhoheit blieb davon unberührt bestanden
enge Beziehungen zwischen dem Kloster und Blieskastel. Die Wilhelmiten, die in der
Umgebung eine große Rolle als Seelsorger spielten, waren Inhaber auch der Pfarrei
Blickweiler/Blieskastel63.
Am Samstag, 1. Juni, und am Sonntag hielt sich der Bischof im Kloster auf. Da er
unpäßlich war, visitierte Domkanoniker Le Roux in seinem Auftrag die Pfarreien
Bliesmengen64, Habkirchen65 und Bliesbrücken66.
Der Aufenthalt in Gräfinthal war gut gewählt. Am Sonntag wurde hier Kirchweih
gefeiert und ein großer Jahrmarkt abgehalten, bei dem die leyensche Herrschaft erst-
mals den Marktzoll einziehen konnte. In dem abgelegenen Kloster strömten soviele
Menschen wie selten zuvor zusammen. Bischof D’Aubusson hielt ein feierliches Amt
und spendete danach vielen hundert Personen die Firmung. Das Sakrament wurde
allen Christen bereits ab dem 3. Lebensjahr erteilt. Wegen der großen Menge ver-
zichtete man auf die üblichen Firmpaten; Erwachsene hatten jedoch zuvor die Beich-
te abzulegen. Hier wird der angesprochene Missionscharakter der Visitation recht
deutlich. In der geschilderten Art und Weise verlief der Besuch auch an den nachfol-
genden Orten. Dort kam die eigentliche Visitation hinzu.
Noch vor der Messe hatte ein Abgesandter des Dompropstes Damian Hartard von
der Leyen dem Bischof in Gräfinthal seine Aufwartung gemacht, der Kapuziner Cor-
nelius. Er spielte in der Verwaltung der kleinen Herrschaft Blieskastel eine Rolle.
Sein Mitbruder, der Kapuziner Bonitius, war Architekt des damals im Entstehen
“ Über die Wadgasser Pfarreien vgl. Michael Tritz, Geschichte der Abtei Wadgassen,
zugleich eine Kultur- und Kriegsgeschichte der Saargegend, Wadgassen 1901, Neudruck 1978,
S. 408 ff.
63 Hier war der Gräfinthaler Prior selbst Pfarrer, so 1654 (Prior Le Loy; vgl. Hermann Peter
Barth, Burg und Schloß Blieskastel, Zweibrücken 1960, S. 13) und 1661/62. Anfang 1662
wurde er von seinem niederländischen Superior aufgefordert, continuierlich in seinem Kloster
zu bleiben; er leistete dem auch Folge. Für die Seelsorge in Blieskastel sollte damals ein nie-
derländischer Pater mit Deutschkenntnissen geschickt werden; für ihn wiederum sollte der
Gräfinthaler Pater Hieronymus in die Niederlande gehen (Waal 2660/61).
64 Patron das Kloster Gräfinthal, das auf Bliesmengener Bann lag.
65 Patron die Deutschordenskommende Saarbrücken.
66 Patron Kloster Wörschweiler bzw. Pfalz-Zweibrücken.
238
begriffenen Blieskasteler Schlosses07. Der Dompropst selbst war unmittelbar vor der
Ankunft des Bischofs aus Blieskastel in Richtung seiner pfälzischen Besitzung Burr-
weiler und Mainz abgereist; ganz offensichtlich wollte er in der angespannten politi-
schen Lage jede direkte Verbindung vermeiden. Pater Cornelius scheint denn auch
einige Mühe gehabt zu haben, D’Aubusson von der Dringlichkeit der Reise des Frei-
herrn zu überzeugen. In Blieskastel war man zunächst der Meinung, mit dem Bischof
absprechen zu können, wie auch die Visitation ahm bequemsten möchte fortgesetzt
werdenM, wahrscheinlich, um den Anlaß, den Bübinger Streit, zu kaschieren. Es zeig-
te sich aber sehr bald, daß D'Aubusson selbst sehr genaue Vorstellungen von einer
Visitation hatte und jede Schein-Visitation ihm fernlag.
Bei der genannten Audienz wurde die Bübinger Angelegenheit besprochen. Der
Bischof sandte am Nachmittag die drei Kapuziner in den Ort. Sie sollten die Katholi-
ken für den nächsten Tag nach Großblittersdorf zum Gottesdienst einladen. Graf
Gustav Adolf, von diesem Besuch alarmiert, kam am andern Tag nach Bübingen in
der Erwartung, dort mit D'Aubusson zusammenzutreffen^. Die Kirche hatte er vor-
sorglich vernageln lassen. Zur Konfrontation sollte es jedoch erst einige Tage später
an einem anderen Ort kommen.
Großblittersdorf wurde am 3. Juni visitiert. Am Dienstag, 4. Juni, reiste der Bischof
von Gräfinthal nach Blieskastel. Unterwegs besuchte er die Pfarreien Ormesheim67 * * 70
und Ommersheim71 . Am späten Vormittag wohnte D’Aubusson zunächst der Messe
in der Blieskasteler Schloßkapelle72 bei und erteilte dann mehr als dreihundert Perso-
67 Zum Wiederaufbau des Blieskasteler Landes und insbesondere zum Schloßbau vgl. Wolfgang
Läufer, Neue Baunachrichten zum Blieskasteler Schloßbau durch Damian Hartard von der
Leyen aus den Jahren 1661 - 1666, in: Fiorilegium artis. Beiträge zur Kunstwissenschaft und
Denkmalpflege, Festschrift Wolfgang Götz, hg. v. Michael Berens etc., Saarbrücken
1984, S. 83 ff.; ferner ders,, Der Blieskasteler Schloßbau des späten 17. Jhs. Weitere neue
Baunachrichten, in: ZGSaarg. 32, 1984, S. 21 ff, - Zur Bedeutung der Kapuziner in der Volks-
mission seit der 2. H. des 17. Jhs. vgl. Volker Press, Die Oberrheinlande zwischen Westf.
Frieden und Franz. Revolution, in: Barock am Oberrhein (vgl. Anm. 58), S. 14.
“ Bericht des Paters Cornelius an den Freiherrn v.d.Leyen vom 8.6.1669 (Waal 2666)
w Schreiben Graf Gustav Adolfs vom 24.5./3.6.1669 an den Metzer Bischof, in dem er gegen den
Besuch der drei Kapuziner in Bübingen und damit gegen den Verstoß gegen den Westfäli-
schen Frieden protestierte (Waal 2951/12).
70 Kollator war von der Leyen.
71 Patron die Abtei Wadgassen.
72 Ausdrücklich ist von ihr die Rede im Bericht des Blieskasteler Kellners über die Visitation
vom 9.6.1669 (Waal 2666). Die Liebfrauenkapelle, die im Vorhof der alten Burg lag, war wohl
noch mittelalterlich. Anfang der 1660er Jahre scheinen noch Reparaturarbeiten an ihr ausge-
führt worden zu sein (Läufer, in: ZGSaarg. 1984, S. 26 u. 31). Kurz nach der Visitation von
1669 und noch vor der Fertigstellung der neuen, später so genannten St. Sebastianskirche
unterhalb des Schlosses wurde sie um die Jahreswende 1669/70 abgerissen (Läufer 1984,
S. 34 f., 37); sie war entbehrlich geworden, zumal St. Sebastian - wie bei der Visitation von
1680 deutlich wird - als (neue) Schioßkapelle angesehen wurde. Es kam hinzu, daß der untere
Saal des Schlosses als Kapelle eingerichtet war (Baubeschreibung von 1685; Barth, Burg
und Schloß S. 18). - Andere Bauwerke stellen alte und neue Hl. Kreuzkapelle dar (unter-
schiedliche Standorte!) - Weitere Literatur: Heinz Spies, Die Burgkapelle zu Blieskastel,
in: Geschichte u. Landschaft, Nr. 70, Juli 1966; ders., Burg, Schloß u. Amt Blieskastel, insbe-
sondere im 16. Jh. und in der ersten Hälfte des 17, Jhs.....Homburg 1977, S. 80 ff.; Wolf-
gang Krämer, Zur Frühgeschichte der Blieskasteler Kreuzkapelle, in: ZGSaarg. 8,1958, S.
143 f.; Lillig, in: Geschichte und Landschaft Nr. 507, April 1990; 200 Jahre Schloßkirche
Blieskastel, 1778- 1978, hg. v.d. Kath. Pfarrgemeinde, Blieskastel 1978, S. 119.
239
nen die Firmung. Danach visitierte er die Ornamenta der Kapelle, d. h. alles, was zu
kirchlichen Handlungen üblicherweise an Hilfsmitteln vorhanden sein sollte. Für die
gute Ausstattung der Kirche spricht z. B. die Existenz eines 1659 angelegten Kirchen-
buchs73. Das Blieskasteler Register setzt damit - bis auf ganz wenige Ausnahmen -
früher ein als die der übrigen katholischen Pfarreien des näheren Umlandes.
Die leyensche Landesherrschaft hatte von Beginn an auch die Kirchen in den Wie-
deraufbau einbezogen. Abgesehen von einem kleineren Kirchenbau in Blieskastel
selbst, der um die Jahreswende 1670/71 vollendet war74, wurde in Lautzkirchen
1665/66 offenbar ein Neubau errichtet; an den Kirchen in Rubenheim, Ormesheim
und St. Ingbert wurden zur selben Zeit größere Reparaturarbeiten durchgeführt75.
Auch im benachbarten Pfalz-Zweibrücken kümmerte man sich um die Wiederher-
stellung der Kirchen7*.
Trotz dieser erfreulichen äußeren Zeichen gab es für den Bischof Anlaß zur Kritik.
Er redete dem Blieskasteler Pastor77 - wie es heißt - über ein und anders zu und wie
ers in einen und andern halten solle78. In welche Richtung sich die Kritik bewegte,
wird an der folgenden Visitationsstation deutlich. Offizial und Bischofssekretär visi-
tierten am Nachmittag die Blieskasteler Mutterpfarrei Blickweiler79 80. Zum nicht gerin-
gen Erstaunen der Blieskasteler Verwaltung wurde dabei der Pfarrer, der zugleich
die Filiale Blieskastel bediente, scharf zurechtgewiesen. Er achte mehr - so heißt es
in einem Blieskasteler Bericht811 - die Autorität des Metropoliten, des Kurfürsten
Karl Kaspar, und des Temporalherrn, Damian Hartards von der Leyen, als die des
Ortsbischofs. Wahrscheinlich stand dahinter die Tatsache, daß z. B. im von-der-Ley-
enschen Gebiet mehr der Trierer Ritus als der Metzer beachtet wurde. Das Detail
macht deutlich, wie wenig D'Aubusson bereit war, Rechte aufzugeben. Ein kritischer
Punkt könnte auch die erkennbare Tendenz gewesen sein, die alte Mutterkirche
73 Aufbewahrt im Standesamt Blieskastel.
74 Die später unter diesem Namen bekannte St. Sebastianskirche in der alten Pfarrgasse (1934
abgerissen; vgl. 200 Jahre Schloßkirche. S. 118 ff., mit Abb.). - Nach offenbar mehrjähriger
Bauzeit wurde Anfang Dez. 1669 der Dachstuhl aufgeschlagen, Ende 1670 aber noch an der
Kirche gearbeitet (vgl. Läufer, in: ZGSaarg. 1984, S. 32 ff., 37; ders. in: Festschrift Götz,
S. 89; vgl. auch 200 Jahre Schloßkirche, S. 119). Die Kirche, obwohl erst anläßlich der bischöf-
lichen Visitation von 1680 geweiht (Choux S. 23), war zuvor voll im Gebrauch, da ein Trag-
altar benutzt wurde. Im Visitationsbericht ist von ihr als Chapelle und Chapelle du Chateau
die Rede. Die eigentliche Burgkapelle war damals bereits abgerissen worden.
75 Vor allem die Dächer wurden erneuert (vgl. Läufer in: Festschrift Götz, S. 90, Anm. 24).
76 Auf pfalzgräfliche Anordnung vom 26.6.1662 hin, sollten die zu Hornbach gehörenden Kir-
chen im Bitscher Land und in Medelsheim repariert werden. Noch 1669 werden allerdings
deren Bauschäden aufgelistet (Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken IV 1939). Einen guten
Einblick in den Bauzustand der evangelischen Gotteshäuser in diesen frühen Wiederaufbau-
jahren vermittelt die „Kirchenvisitation im Amt Zweibrücken im Jahr 1663“, bearb. von Wal-
ter Bohrer, hg. von der Zweibrücker Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung, 1980.
77 Philipp Lassart, Pfarrer in Blickweiler-Blieskastel 1664 - 1670, danach bis 1676 in St. Ingbert
(vgl. 200 Jahre Schloßkirche, S. 122).
78 Bericht des Kellners Laurentius an Damian Hartard von der Leven vom 9.6.1669 (Waal
2666).
” Patron der Prior von Gräfinthal.
80 Bericht des Blieskasteler Kellners a. a. O.
240
Blickweiler zugunsten der Filiale Blieskastel abzuwerten. Bei späteren Visitationen
fällt auf, wie energisch D'Aubusson solchen Entwicklungen entgegengetreten ist;
Blickweiler-Blieskastel ist geradezu ein Musterbeispiel*1.
Ob der Bischof bereits auf dieser Visitationsreise, wie später auf der von 1680, den
Pfarrern auftrug, regelmäßig für den König beten zu lassen, muß offenbieiben. Dami-
an Hartard hatte dagegen schon immer für Angehörige seines Hauses beten lassen82.
Am späten Nachmittag des Dienstag reisten der Saarburger Archidiakon und die drei
Kapuziner nach Medelsheim im Archipresbyterat Hornbach, um die Leute dort und
der Umgebung auf den Bischofsbesuch vorzubereiten; benachrichtigt wurden auch
die in der Gegend von Hornbach und Zweibrücken verstreut lebenden Katholiken;
dabei wurden die Abgesandten auf Betreiben des pfalz-zweibrückischen Landschrei-
bers behindert81. Die Kunde von dem geplanten Besuch in Medelsheim verbreitete
sich auch im lothringischen Bitscher Land.
Am Mittwoch, 5. Juni, fuhr der Bischof über Kirkel und Limbach nach Homburg, das
ebenfalls im Archipresbyterat Hornbach lag. Er durchquerte dabei auf einer kurzen
Strecke auch das Archipresbyterat Neumünster. Wie bereits erwähnt, blieb ihm zu
seiner großen Verärgerung die von Lothringern gehaltene Festung Homburg ver-
sperrt. Der Kommandant De Croonders81 82 83 84 verweigerte ihm selbst das Gespräch. So
visitierte D'Aubusson nur Im Tal, d. h. in der kleinen Siedlung am Fuße der Festung.
Für den Bischof waren die Metzer Diözesangrenzen im Westrich fort confuses, wie er
sich in einem in Blieskastel abgefaßten Schreiben an einen Pariser Adressaten aus-
drückte85 86. Ihn interessierte im weiteren Verlauf dieser Tagesreise sehr die Grenze zur
Diözese Speyer; insbesondere suchte man nach einem entsprechenden Grenzstein8".
Donnerstag, 6. Juni, visitierte D'Aubusson die Pfarrei Medelsheim. Abgesehen von
Homburg blieb es die einzige Pfarrei des Archipresbyterats Hornbach, die visitiert
wurde. Der Ort war durch Kauf seit 1656 leyisch, aber österreichisches Lehen. Kolla-
tor war die Abtei Hornbach bzw. Pfalz-Zweibrücken. Für den Bischof dürfte es eine
81 Vgl. das ausführliche Visitationsprotokoll von 1680 (Choux S. 22 f). Zu vgl. auch das Visita-
tionsprotokoll von 1686 (Kirch, Visite 1924, S. 28 f.). Vgl. ferner 200 Jahre Schloßkirche,
S. 119 f.
82 Im August 1664 für das Söhnchen seiner Schwester, im Juli 1665 wegen des verstorbenen
Herrn fv. d. Leyen) zu Adendorf, wahrscheinlich seines Bruders Hugo Ernst, Mitinhabers der
Herrschaft Blieskastel, gest. 1.5.1665. Im letzten Fall war in den Pfarrkirchen 14 Tage lang
täglich dreimal zu läuten (Waal 2660/62).
83 Bericht des Kellners vom 9.6.1669 (Waal 2666). Vielleicht waren - ähnlich wie bei der Visita-
tion von 1680 - Einladungszettel und Plakete nicht verbreitet bzw. abgenommen worden.
84 Vgl. zu ihm Kurt Hoppstädter, Oberst Jean de Croonders, Kommandant der Hohenburg,
in: Saarbrücker Bergmannskalender 1951, S. 129 ff.; über die Visitationsreise von 1669 S. 132.
85 Benoit S. 127.
86 . . . ubi limites dicuntur episcopatus Metensis et Spirensis per lapidem separari . . . (Bericht
des Paters Cornelius an den Kurfürsten vom 10.6.1669 und fast wörtlich auch im Bericht des-
selben an den Freiherrn vom 8.6.1669; Waal 2666).
241
eigene und neue Erfahrung gewesen sein, mit protestantischen Kollatoren und
Zehntherren katholischer Pfarreien konfrontiert zu werden. Bei der Visitation der
Pfarrei habe D'Aubusson - so ein Bericht*7 - dem guten Herrn Paulum sehr hart zuge-
sprochen und wegen der Streitigkeiten, so er mit seinen Pfarrkindern hishero gehabt,
ein gutes Reglement vorgehalten. . . . Gemeint war Paulus Alberty, ein Benediktiner
der Abtei St. Martin in Trier, der seit 1663 die Pfarrei betreute, zugleich auch Alt-
heim, ebenfalls eine Hornbacher Pfarrei. Alberty war wohl auf Vermittlung der ley-
enschen Herrschaft ins Land gekommen** und wirkte noch bis 1712 in Medelsheim.
Der Grund für die bischöfliche Ermahnung waren Streitigkeiten mit den Pfarrkin-
dern. vielleicht um Unterhaltskosten für die Kirche.
In Medelsheim waren auch der Landdechant von Bitsch mit verschiedenen Pfarrern
erschienen. Sie wurden vom Bischof jedoch sehr ungnädig empfangen, zumal sie
Grüße des lothringischen Gubernators überbrachten. Zu tief hatte den Erzbischof die
Schmähung getroffen, die ihm vom Homburger Festungskommandanten und im Ver-
lauf der bisherigen Visitationsreise von Lothringen allgemein widerfahren war. Um
sich eine ähnliche Abfuhr beim Bitscher Gouverneur zu ersparen, verzichtete
D’Aubusson auf eine Visitation der Region. Hier wird deutlich, wie sehr der Bischof
seine Mission auch politisch verstand und daß er mitunter die Seelsorge hintanstellen
konnte*1'. Wenn wir im Bitscher Landdechanten den Archipresbyter von Hornbach
vor uns haben, dann gewinnt der Vorfall natürlich erheblich an Gewicht.
D’Aubusson setzte die Reise über Altheim nach Hornbach und Zweibrücken fort
und kehrte dann nach Blieskastel zurück. Überall hatte man die militärische Mann-
schaft verstärkt - auch das ehemalige Kloster Wörschweiler war besetzt doch ver-
wehrte man ihm in Hornbach und Zweibrücken nicht den Zutritt wie an der oberen
Saar. Der Bischof wurde im Gegenteil mit Ehren empfangen, was er deutlich ver-
merkte''0. Auch wenn D'Aubusson in Zweibrücken keine Katholiken antraf, so war
speziell diese Rundreise für ihn von Bedeutung; er sah in ihr - wie bereits angedeutet
- einen förmlichen Rechtsakt, mit dem er seine Diözese inspizierte und sich selbst als
Bischof präsentierte1'1. 87 88 89 90 91
87 Bericht des Kellners Laurentius vom 9.6.1669 (Waal 2666).
88 Es ist sehr gut zu beobachten, wie die von der Leyen mit landfremden Zuwanderern den Wie-
deraufbau voranzutreiben suchten. Der Medelsheimer Schultheiß Michael Reuter stammte
aus Rothenburg/Tauber; er war - offenbar mit weiteren Verwandten - 1661 nach Medelsheim
gekommen (R. Budzinski, Einwohner von Medelsheim, Peppenkum und Seyweiler, 1600
- 1750, Hannover 1984, S. 272 f.).
89 „Ce qui enfin nous frappe beaucoup dans l’attitude de Georges d’Aubusson, c’est la confusion
permanente entre la mission spirituelle de l’eveque et son röle politique“ (C h o u x S. 15).
90 . . . rediit ad nos per Hornenbach et Bipontem cum admiratione, quamvis indicaverit ipsis quis
esset et cur advenerit, transitum cum omni honore dederunt . . . (Bericht des Paters Cornelius
an den Kurfürsten von Trier vom 10. 6. 1669; ebenso im Bericht desselben an den Freiherrn
vom 8. 6.1669; Waal 2666).
91 . . . sed nihil hic episcopale feci ob defectum ecclesiae et catholicorum, nisi quod meum reco-
gnovi territorium pro me vel pro successoribus, quando Deo sic volente cessabit haeresis
(Bericht des Bischofs an den Erzbischof von Trier vom 7.6.1669, Waal 2666). Im Gespräch
mit dem Grafen Gustav Adolf am 8.6.1669 führte er aus, obwohl er in Zweibrücken kein
catholisch Exercitium gefunden habe, wäre eben daß, wann sich nur an einem oder anderem
Ort praesentirte, daß sein Dioces damit exerciren täte . . . (Waal 2307).
242
Über die zahlenmäßige Situation der Katholiken in der pfalz-zweibrückischen Dia-
spora gibt uns die Visitation der reformierten Pfarreien des Amtes Zweibrücken von
1663 interessante Aufschlüsse1'2. Im Bereich der Pfarreien Contwig, Nünschweiler und
Waldmohr lebten nur vereinzelt katholische Ehepaare an verschiedenen Orten; hinzu
kamen wenige Mischehen, fast ausschließlich mit reformierten Partnern. Sehr viel
häufiger erscheinen katholische Familien dagegen in der Pfarrei Kirkel/Ernstweiler,
vor allem in Rohrbach - der kleine Ort war ganz katholisch - und in Bierbach, also in
engerer Nachbarschaft zu katholischen Gebieten. Auch hier kamen Mischehen hinzu,
sowohl mit reformierten als auch lutherischen Partnern. Überhaupt ist in diesem Teil
des Westrich ein außerordentlich hoher Prozentsatz an Mischehen zu erkennen, zählt
man zu den Mischehen auch Ehen zwischen Reformierten und Evangelischen. Wie
im Nassau-Saarbrückischen wurden Katholiken in Pfalz-Zweibrücken zwar geduldet,
die Kinder aus Mischehen und katholischer Eltern mußten jedoch auch hier in der
Landesreligion erzogen werden92 93. Es gibt in den Quellen keinen Hinweis darauf, daß
D'Aubusson auf seiner Visitationsreise das Problem der Mischehen94 als solches gese-
hen und aufgegriffen hätte, wie unsere Quellen auch nichts aussagen über den reli-
giös-sittlichen Zustand der Pfarreien nach langen Jahrzehnten der Zerstörung, des
Bevölkerungsverlustes und der Verwahrlosung95.
Während des Aufenthalts in Blieskastel wurde auch die Pfarrei Illingen96 - unmittel-
bar an der Grenze zum Trierer Sprengel gelegen - durch zwei Beauftragte des
Bischofs visitiert. Sie war wohl die einzige Pfarrei des Archipresbyterats Neumünster,
die besucht wurde, und wahrscheinlich der nördlichste Punkt der Reise. Graf Gustav
Adolf hat später seinem Lehnsmann, dem katholischen Herrn von Kerpen, Herrn zu
Illingen, diese Visitation von 1669 und die dabei angeblich vorgenommene Weihe sei-
ner neuen Kapelle97 heftig Vorhalten lassen98; allerdings nicht, wie er betonte, um ihm
die Religion zu difficultieren, sondern weil er dazu einen Ausländer herangezogen
habe, statt etwa den Bischof von Trier. Hier wird sicherlich zweierlei deutlich: Einmal
92 Abdruck der in München verwahrten Quelle - ohne Auswertung - vgl. Kirchenvisitation im
Amt Zweibrücken im Jahr 1663.
93 ln der Pfarrei Waldmohr wurden die Kinder eines katholischen Elternpaares als „reformiert“
bezeichnet.
94 Ludwig XIV, suchte es 1680 dadurch zu lösen, daß er Ehen von Katholiken mit „Häretikern“
generell verbot (vgl. H. W. Herrmann, S. 22 f.).
95 Dazu ausführlich Achereiner a. a. O. - Vgl. auch J. B. Kaiser, Das Bistum Metz um die
Mitte des 17. Jhs. (1651), in: Jb. d. els.-lothr. wiss. Ges. zu Straßburg 5, 1932, S. 121 ff. - Zum
Zustand Lothringens nach dem Dreißigjährigen Krieg vgl. Lothringen, Geschichte eines
Grenzlandes S. 316 ff., für unseren engeren Raum vgl. Geschichtl. Landeskde. I, S. 259 ff.
96 Patronatsherren waren die von Kerpen, die das Recht 1625 von den Grafen von Nassau-Saar-
brücken gekauft hatten; bald darauf muß die Pfarrei rekatholisiert worden sein; vgl. aber
Dorvaux, Anciens pouillés S. 212, der als Datum 1660 angibt. - Das „Mémoire“ erwähnt
Illingen nicht. - Bei der Visitation von 1680 wurde Illingen ausgelassen (a. a. O. S. 212).
97 Wenn es sich dabei um den Vorläufer der 1911 neuerbauten Kreuzkapelle/Bergkapelle
gehandelt hat (Walther Zimmermann, Die Kunstdenkmäler der Kreise Ottweiler und
Saarlouis, Düsseldorf 1934, Neudruck 1976, S. 67), dann wissen wir jetzt das genaue Entste-
hungsjahr dieses ersten Baues.
98 Bericht eines nassauischen Beamten (Amtmann von Ottweiler?) vom 11.11.1669 an den Saar-
brücker Grafen über seine Verhandlungen mit von Kerpen (LA Sbr., NSbr. II 2268,
S. 249 ff.).
243
war der Saarbrücker Verwaltung die alte Diözesanzugehörigkeit Illingens nicht mehr
geläufig, zum andern ist zu spüren, wie sehr Gustav Adolf im Metzer Bischof den
Vertreter französischer Interessen sah00.
Über die Visitation einer weiteren bedeutenden katholischen Pfarrei des Archipres-
byterats Neumünster, der im Kurtrierischen gelegenen Pfarrei St. Wendel"09 10, geht aus
den Quellen nichts hervor. Wegen ihrer Diözesanzugehörigkeit bestanden zwischen
Trier und Metz seit dem Spätmittelalter Differenzen. Trier konnte die Oberhand
erringen, und offenkundig lag St. Wendel im Jahr 1669 noch völlig außerhalb des
Blicks des Metzer Bischofs; ganz anders in der Reunionszeit. Im Mai 1680 wurde der
Bischof vom Metzer Parlament aufgefordert, seine Herrschaft im Bereich St. Wendel
wiederherzustellen"1 * * * *'. Bei der zur selben Zeit stattfindenden Visitation des Archidia-
konats Saarburg wurde St. Wendel nun nicht mehr ausgelassen102, und anläßlich der
Visitation von 1699 ist es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen101. Die Pfar-
rei St. Wendel kam zu Beginn des 18. Jhs. dann endgültig zur Diözese Trier.
Im Bliesgau wurden - abgesehen von den bereits erwähnten Pfarreien Ormesheim
und Ommersheim - an uns nicht bekannten Tagen auch die Pfarreien bzw. Kirchen104
Biesingen105, Wittersheim"16 *, Erfweiler107, Bebelsheim"18 und Reinheim"10 visitiert.
Dabei wird wiederum der Ernst deutlich, mit dem der Bischof vorging. Vieles konnte
er an Ort und Stelle regeln. In Ommersheim war D'Aubusson, wie es heißt, hinter
dem Pastor hergewesen, hatte ihn also besonders ermahnt110; der Grund ist nicht
bekannt; offenbar lag er in dessen Lebens- und Amtsführung111. Aus anderen Quellen
ist die Situation in Reinheim etwas zu erhellen. Hier herrschte 1665/66 zwischen
09 . . . Man wisse, was Frankreich dardurch suchen , . . (Bericht a. a. O.)
100 Philipp de Lorenzi, Beiträge zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diözese Trier: Reg.
Bez. Trier, Trier 1887, S. 651 f.; Ferdinand Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im alten
Erzbistum Trier. Das Landkapitel Wadrill, Trier 1965 (Veröffentlichungen des Bistumsar-
chivs Trier 10). S. 149.
101 Fritz Textor, Die französische „Saarprovinz“, 1680 - 98, in: Rhein. Vierteljahrsbll. 10,
1940, S. 1 ff., hier S. 22.
102 Choux S.25f.
103 Dorvaux. Anciens pouillés S. 207 u. 231 f.
104 Die folgenden Orte werden im „Mémoire“ nicht erwähnt. Kenntnis von der Visitation haben
wir nur aus dem Bericht des Kellners Laurentius an den Freiherrn vom 9.6.1669 (Waal 2666).
Die Angaben zur Pfarrzugehörigkeit sind entnommen Dorveaux, Anciens pouillés.
105 Filiale von Ballweiler/Wecklingen; Patron Kloster Wörschweiler bzw. Pfalz-Zweibrücken.
106 Zusammen mit der Mutterpfarrei Bebelsheim zum Kollegiatstift Homburg (Hombourg-
Haut) gehörend.
107 Damals Filiale von Reinheim. Später bildeten Erfweiler und Ehlingen eine eigene Pfarrei.
Patron und Zehntherr v. der Leyen.
108 Patron das Kollegiatstift Homburg (Hombourg-Haut). Zehntherren v. d. Leyen und Kloster
Gräfin thal.
10,1 Patron v. der Leyen.
110 Bericht des Blieskasteler Kellners an Damian Hartard von der Leyen vom 9.6.1669 (Waal
2666).
111 Wie der Reinheimer Pastor scheint auch der Ommersheimer mit seiner Gemeinde und der
leyenschen Herrschaft nicht gut gestanden zu haben. 1666 erfüllten fünf Ommersheimer
Untertanen in Blieskastel ihre Osterpflicht, weil sie von ihrem Pastor keine Ruhe noch Einig-
keit hatten (Waal 2662).
244
Pastor Nikolaus und der leyenschen Herrschaft ein tiefes Zerwürfnis, bei dem des
Pastors Magd eine Rolle spielte und in das auch der Prior von Gräfinthal und der
Pfarrer von Blieskastel hineingezogen wurden112. Wir wissen aus der Arbeit von
Achereiner, daß das Pfarrerbild dieser Zeit noch keineswegs durchgängig dem triden-
tinischen Ideal entsprach113. Zwar wurde die Reinheimer Sache in Metz und beim
Saarburger Archidiakon verhandelt, doch scheint es dennoch zu geistlichen Kompe-
tenzstreitigkeiten mit Blieskastel gekommen zu sein114. Die Investitur des Pfarrers von
Bliesbrücken115 in die Pfarrei Reinheim während der Visitation von 1669 durch den
Bischof116 - zum Unbehagen der leyenschen Herrschaft, die hier ihre Rechte verletzt
sah - scheint den Streit beendet zu haben.
Überall ließ sich D'Aubusson vor allem die Zehntrechte beschreiben, um die Deci-
matoren zu nötigen Baureparaturen117 und zur Ergänzung fehlender Ornamenta anzu-
halten. Wie das Beispiel der von Hornbach abhängigen katholischen Kirchen zeigt,
dürfen wir davon ausgehen, daß die Gotteshäuser trotz einiger Anstrengungen viel-
llг Die Reinheimer hatten gegen die Magd ihres Pastors Klage geführt, worauf dieser sie fort-
schicken sollte. Tatsächlich versteckte er sie zunächst im Pfarrhaus und brachte sie später im
lothringischen Obergailbach in Sicherheit. Die leyensche Herrschaft suchte der Magd hab-
haft zu werden, scheute aber vor einer Hausdurchsuchung zurück. Man hoffte, sie außerhalb
des Pfarrhauses aufgreifen zu können; die Absicht wurde jedoch verraten. Die Sache eska-
lierte; so richtete der Pfarrer gegen Blieskastel Schmähreden, und auch das Verhältnis zu sei-
ner Gemeinde verschlechterte sich; Ostern 1666 gingen die Angehörigen seiner Filiale Erf-
weiler in Blieskastel zu den Sakramenten. Der Prior von Gräfinthal strebte die Übertragung
Erfweilers an, suchte also aus dem Streit Nutzen zu ziehen (Waal 2660/61, 2662).
113 Im Gegensatz zu den Quellen über die späteren Visitationen geben die hier herangezogenen
kaum Auskünfte über das religiös-sittliche Leben des Klerus. Von erheblichen Mißständen
darf ausgegangen werden. Vgl. dazu vor allem Achereiner, insbesondere S. 132 ff. Vgl.
auch Encyclopédie illustrée de la Lorraine, S. 132. - Für die Nachbardiözesen sind heranzu-
ziehen: Alois Hahn, Die Rezeption des tridentinischen Pfarrerideals im westtrierischen
Klerus des 16. u. 17 Jhs. Untersuchungen zur Geschichte der katholischen Reform im Erzbis-
tum Trier, Luxemburg 1974 (Pubi. de la section hist, de l’institut G. D. de Luxembourg Bd.
90); Louis Châ tel lier, Tradition chrétienne et renouveau catholique dans le cadre de
l’ancien diocèse de Strasbourg (1650 - 1770), Paris 1981, und die verschiedenen Arbeiten von
Hans Amme rieh über das Bistum Speyer (vgl. Anm. 58).
114 Als sich 1666 der Metzer Domkantor privat in Gräfinthal aufhielt (wegen eines dort in Dien-
sten stehenden Vetters), gab er den Wink, Freiherr Damian Hartard solle ihm die Sache mit
dem Reinheimer Pastor übertragen (Waal 2660/61).
115 Patron Kloster Wörschweiler bzw. Pfalz-Zweibrücken; Zehntherren v. d. Leyen und Pfalz-
Zweibrücken.
Allem Anschein nach hat D'Aubusson bei Gelegenheit der Reise weitere Investituren vorge-
nommen, so vielleicht auch die des Pastors Henrich Helmesheim aus Gräfinthal in der im
Lothringischen gelegenen Pfarrei Bettviller/Rimling, deren Präsentationsrecht bei Horn-
bach/Zweibrücken lag. Ende Sept. 1669 hatte der Schaffner zu Hornbach dem Pastor Präsen-
tationsschein und Taxe abzufordern (Kirchenschaffneiarchiv Zweibrücken IV 3026).
117 Damit im Zusammenhang steht sicherlich eine Aufstellung vom 17.6.1669 des Hornbacher
Klosterschaffners über katholische Kirchenbaukosten. Das Dach der Medelsheimer und Alt-
heimer Kirche war baufällig, ebenso das der Bettviller Kirche. In deren Filiale Rimling waren
vier Fenster zu erneuern. Hier, in den im nahen Lothringen gelegenen Pfarreien, drohte man
mit Einbehalten des Zehnten, vielleicht auf Veranlassung D’Aubussons (Kirchenschaffneiar-
chiv Zweibrücken IV 1939). Über den Streit zwischen Hornbach/Zweibrücken und Medels-
heim wegen der dortigen Bauunterhaltung im Anschluß an die Visitation von 1669 vgl. Meltis
oder Medelsheim?. Die Pfarr. Wege und Stationen in der Geschichte von den Anfängen bis
1815, hg. v. der Gemeinde Gersheim, o. O. u. J. (Gersheim 1985), S. 330 f. Wie detailliert sich
die Visitatoren um den baulichen Zustand der Kirchen kümmerten, zeigt ebenfalls das
Medelsheimer Beispiel anläßlich der Visitationen von 1685/86 (a. a. O. S. 333 f.).
245
fach noch in keinem guten Zustand waren und daß die Ausstattung mit kirchlichem
Gerät zu wünschen übrigließ. Leider sind die herangezogenen Quellen nicht so ergie-
big wie die Berichte über die späteren Visitationen von 1680 und 1686. Wir sollten
uns jedoch davor hüten, das dortige Bild einfach auf die Situation von 1669 zu über-
tragen. In den 1660er Jahren sind allenthalben tatsächlich Zeichen des Wiederauf-
baues zu beobachten. Die vielversprechenden Ansätze wurden aber durch die baldi-
gen neuen kriegerischen Ereignisse vernichtet.
Am Freitag, 7. Juni, kehrte Bischof D'Aubusson nach Gräfinthal zurück, und am
Pfingstsamstag, 8. Juni, brach er in das nassau-saarbrückische Gebiet auf. Hier wollte
er die Kirche der Komturei Saarbrücken des Deutschen Ordens in Besitz nehmen118.
Gegenüber dem Blieskasteler Kapuziner Cornelius hatte er seine Absicht bekundet,
wenn nötig, dazu auch Völker von Metz heranzuziehen, also mit militärischer Gewalt
vorzugehen119. In den Quellen wird eine möglicherweise zwischen den Diözesen Metz
und Trier strittige Grenzlage der Komturei nicht angesprochen120 121; der Visitator war
jedenfalls von seiner Zuständigkeit überzeugt.
Soweit bekannt, war die Deutschhauskirche die einzige auf der gesamten Visitations-
reise, die D’Aubusson für die Katholiken beanspruchte. Er sah sich dazu in gutem
Recht. Bischofssekretär François hatte sich wegen der Sache wenige Tage zuvor, am
5. Juni, in Saarbrücken zu vorbereitenden Verhandlungen aufgehalten'21.
Das Deutschhaus war nach wie vor Eigentum des Ordens und gehörte zu dessen Bal-
lei Lothringen; verwaltet wurde es vom Komtur in Beckingen. Seit den Tagen der
Reformation war in der Niederlassung jedoch das katholische Exerzitium - wie in der
118 Der Bischof kündigte seinen Besuch in Saarbrücken dem Kurfürsten gegenüber am 7.6.1669
an (Waal 2666). Ausführlich über die Visitation des Deutschhauses berichtete der Blieskaste-
ler Kellner am 9. 6. 1669 dem Freiherrn von der Leyen (Waal 2666). Noch ausführlicher ist
auf nassauischer Seite die Relation und Remonstration desjenigen, was sich mit dem jetzigen
Bichofen d’Ambrun von Metz begeben (Waal 2307/15/3). - Literatur zum Deutschhaus:
Albert Ruppersberg, Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, Teil III. Bd. 1,
1913, Neudruck, S. 153 ff.; Rüdiger Schmidt. Die Deutschordenskommenden Trier und
Beckingen 1242 - 1794, Marburg 1979 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen
Ordens, Bd. 9); Walter Zimmermann, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkrei-
ses Saarbrücken, Düsseldorf 1932, Neudruck 1975, S. 72 ff.
119 Bericht Pater Cornelius’ an den Kurfürsten vom 10.6.1669 (Waal 2666). - Als nach der Visi-
tation der Graf die Bedrückungen steigerte, befürwortete Damian Hartard ein solches Vor-
gehen mit bewaffneter Hand, wie dies aus seinem Schreiben vom 27.7.1669 an einen unbe-
kannten Adressaten (Waal 2949/97) und an den Metzer Bischof vom selben Tag hervorgeht
(Waal 2951/13,22/1).
120 Auf dieses Problem hat mich dankenswerterweise Herr Dr. Hanns Klein, Neunkirchen, hin-
gewiesen. Das Deutschhaus stand zunächst auf dem links der Saar liegenden Teil des Bannes
von Malstatt (vgl. Städtebuch Rheinland-Pfalz/Saarland S. 514 f., ferner die Karte bei Adolph
Kölln er, Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Teil II. Saarbrücken 1865,
Neudruck, Anhang), gehörte also zum Bistum Trier. Dieser Bannteil ist 1662 aber an die
Stadt Saarbrücken verkauft worden (Städtebuch S. 514, 525), wechselte damit in den Spren-
gel des Bistums Metz. Offensichtlich wußte man in der Metzer Kanzlei von diesem Vorgang
und hatte daraus Konsequenzen gezogen. - Dorvaux, Anciens pouilles S. 679 führt für das
späte 18. Jh. die Kommende als Filiale der Metzer Pfarrei St. Johann-Saarbrücken auf, aller-
dings auch die ehedem Trierer Pfarrei Malstatt.
121 Dabei wurde auch über Bübingen gesprochen. Vgl. den umfangreichen Vermerk von nas-
sauischer Seite über den Besuch (LA Sbr., NSbr. II 5847, fol. 89 ff.).
246
gesamten Grafschaft Saarbrücken - nicht mehr gestattet worden. In der Vergangen-
heit hatte es allerdings immer wieder Versuche gegeben, z. T. gewaltsamer Art, im
Deutschhaus die Messe zu feiern122. Die Niederlassung wurde nur von einem Hof-
mann des Ordens verwaltet. Um sie als Wohnsitz auch für einen Komtur attraktiver
zu machen, hatte Graf Gustav Adolf anläßlich einer ordensinternen Visitation der
Ballei um die Jahreswende 1668/69123 die Zusage gegeben, einem künftigen Komtur
das private Messelesen zu gestatten124. An diesen Punkt knüpfte François an. Die
Sache war also an Metz weitergegeben worden, ein Beweis dafür, daß ihr große
Bedeutung beigemessen wurde.
François forderte zunächst, die Deutschordenskirche allgemein für kirchliche Hand-
lungen des Bischofs zu öffnen125, schränkte die Forderung schließlich jedoch auf des-
sen privatim zu verrichtende Funktionen ein. Der Graf lehnte unter Hinweis auf den
Münsterschen Frieden ab. Auch François berief sich darauf, allerdings in dem bereits
bekannten Sinne von districtus. Er hatte die Verhandlungen bereits mit dem Hinweis
auf die Abtretung der Drei Bistümer an Frankreich durch den Westfälischen Frieden
eröffnet. Seit dem Metzer Vorstoß von 1662 war Graf Gustav Adolf und darüber hin-
aus den deutschen Reichsständen diese Position nicht nur bekannt, sondern auch
deren Gefährlichkeit126.
Graf Gustav Adolf reiste an diesem Pfingstsamstag dem Bischof bis Brebach entge-
gen und lud ihn zum Mittagsmahl ein. Die Einladung wurde angenommen, später
aber zurückgewiesen. Es kam zu einer ersten scharfen Konfrontation127 wegen der
Metzer Forderung auf das katholische Exerzitium im Deutschhaus, das in seiner Diö-
122 Zurückgegriffen wird hier auf LA Sbr., NSbr. II 5847. - Versuche gab es in den Jahren
1628/29, 1631, 1641, 1652, 1657/58 und 1663, dann wieder 1677. Im Visitationsprotokoll von
1680 wird das Deutschhaus nicht erwähnt, in dem von 1686 (Kirch, Visite canonique
S. 194) wird nur die Kirche genannt und eine im Deutschhaus wohnende katholische Familie.
Nach Richter S. 139. wurde der kath. Kult in der Reunionszeit wieder eingeführt.
127 Visitatoren waren Nikolaus von Sparr und Tilmann von der Meer, Deutschordenspriester der
Bailei Biesen (vgl. Schmidt [wie Anm. 118] S. 233 ff., 356 f., 461). Wahrscheinlich letzter
Komtur der Saarbrücker Niederlassung vor der Vereinigung mit Beckingen, möglicherweise
auch nur kommissarisch, war seit 1665 Johann Reinhard von Gelder zu Thörnich. Die Visita-
toren rügten seine dauernde Abwesenheit und den beklagenswerten Zustand der Kommen-
de, auch der Kirche.
124 LA Sbr. NSbr., II 5847. - Gustav Adolf war über die Forderungen des Bischofssekretärs so
aufgebracht, daß er noch am selben Tag - wie verschiedene Briefentwürfe zeigen - die Zusa-
ge gegenüber dem Deutschen Orden widerrufen wollte, doch ist es dazu nicht gekommen.
Vgl, dagegen NSbr. II, 3421, S. 32 ff.
125 François - aber auch später der Bischof - verwiesen mehrfach auf eine angebliche kursächsi-
sche Praxis als Vorbild.
126 Vgl. M. Herold, J. Niessen, F. Steinbach, Geschichte der französischen Saarpolitik,
in: Collectanea Franz Steinbach, hg. von F. Petri u. G. Droege, Bonn 1967, S. 253
ff., hier S. 287 f. (zuerst 1934).
127 Zwischen beiden wurde eingehend die alte Streitfrage um Art. 70 des Westfälischen Frie-
dens, ebenso die - völkerrechtlich bedeutungslose - Reichsdeklaration vom 22.8.1648 bespro-
chen. Der Bischof führte die entsprechenden Unterlagen des seinerzeitigen franz. Gesandten
Servien mit sich; auf der anderen Seite legte der Graf die gen. Reichsdeklaration vor. Auch
sein Hinweis auf das schwebende Schiedsgerichtsverfahren auf höchster Ebene machte kei-
nen Eindruck.
247
zese läge, so der Bischof. Der Graf lehnte erneut unter Hinweis auf den Westfäli-
schen Frieden und das Normaljahr 1624 ab. D'Aubusson drohte mit Gewaltanwen-
dung. Er passierte die durch die Saar getrennten Schwesterstädte St. Johann128 und
Saarbrücken. Am Deutschhaus versuchte er vergeblich, in die Kirche zu gelangen.
Schließlich verrichtete er vor der Kapellentür kniend sein Gebet. Dann ließ er den
Domherrn beim Grafen förmlich Protest einlegen. Dieser ließ antworten, der Bischof
möge schriftlich in Regensburg beim Reich protestieren. Es kam dann erneut zu
einem heftigen Zusammenstoß mit dem Grafen, wobei D’Aubusson mit dem Eingrei-
fen des Königs drohte, dessen Sujet er, der Graf, genauso wie er selbst sei. Tief ver-
stimmt reiste der Bischof dann in Richtung Forbach12* ab, wobei ihm Graf Gustav
Adolf bis zur Grenze das Geleit gab. Einen Imbiß - Fisch und Moselwein den der
Graf ihm sogar auf die Kutsche gelegt hatte, lehnte er ab.
Gustav Adolf, der in den Auseinandersetzungen mit dem Bischof große Standfestig-
keit bewies, sah sich mit Recht angesichts dieses erneuten französischen Vorstoßes
als Wahrer der sogen. „Reichsgerechtigkeit“. Welche Folgen ein Nachgeben hätte
haben können, hat er mit Klarheit gesehen. Auch als tiefgläubiger evangelischer
Christ - Mülhaupt nennt ihn „eine protestantische Lichtgestalt“130 - ließ er an seiner
Reichstreue keinen Zweifel aufkommen. 1673 wurde er nach Metz verschleppt, und
1677 fiel er im Kampf für das Reich im Elsaß.
Die erste Visitationsreise des Metzer Bischofs D’Aubusson wird - wenn überhaupt -
meist nur knapp erwähnt, und dann als ein Mißerfolg gewertet. Man zitiert dazu sein
eigenes Sendschreiben zur Visitation von 1680131, in dem er sich auf die Visitation von
1669 bezieht. Von einem Mißerfolg kann jedoch allenfalls nur im Blick auf die politi-
sche Seite seiner Mission gesprochen werden. Hier konnte sich der Bischof gegen-
über Lothringen und verschiedenen protestantischen Herren nicht so durchsetzen,
wie er dies aufgrund des Rückhaltes durch Frankreich geglaubt hatte erwarten zu
dürfen. Sehr deutlich wird dies an der Bübinger Streitsache, dem eigentlichen Anlaß
128 Nach dem Bericht des Blieskasteler Kellners an Damian Hartard vom 9.6.1669 (Waal 2666)
versuchte der Erzbischof bei der Ankunft in St. Johann in die längst an die Protestanten
gefallene Pfarrkirche zu gelangen. Sie war jedoch verschlossen, und der Eintritt wurde ihm
rundweg abgeschlagen. Die ansonsten ausführliche nassau-saarbrückische „Relation“ (Waal
2307) erwähnt den - wenn er tatsächlich stattgefunden haben sollte - sehr gravierenden Vor-
gang jedoch mit keinem Wort.
,2V Hier visitierte der Bischof die Kirche und spendete die Firmung. Am andern Tag, dem 9.
Juni, reiste er über Leyviller (LanvUler), Hellimer, Insming und Albestroff in Richtung Vic,
wo er am 10. Juni 1669 ankam. An allen genannten Stationen, die im Archipresbyterat Mor-
hange lagen, fanden Visitationen statt (vgl. das „Mémoire“).
,a> Erwin Mülhaupt, Rheinische Kirchengeschichte. Von den Anfängen bis 1945, Düsseldorf
1970. S. 186. Auch in anderen protestantischen Kirchengeschichten wird er entsprechend her-
ausgehoben, vgl. Unsere Kirche im rheinischen Oberland, eine Gemeinschaftsarbeit von
Hugo Fröhlich etc., hg. von Ernst Gillmann, Simmern 1954, S. 216 f.
131 Choux S. 15; deutsche Übersetzung bei Buchheit S. 9 f. - wie Anm. 127 und Kirch,
Welferdingen S. 233 f. - Herold-Niessen-Steinbach, S. 288 f. ordnen die Visitation
von 1669, nicht 1668, knapp in die französische Saarpolitik ein, wobei sie aus dem Sendschrei-
ben zitieren.
248
seiner Visitationsreise: D'Aubusson hatte nichts erreicht112; er rief deshalb den König
an. Ludwig XIV. konnte und wollte offenbar gerade im Falle Nassau-Saarbrückens
nicht unmittelbar eingreifen. Von Lothringen dagegen verlangte er direkte Wieder-
gutmachung132 133. Zweifelsohne hatte das Verhalten Herzog Karls IV. Frankreichs
Unmut über seine Politik weiter verstärkt. Auf der anderen Seite hatte D'Aubusson
als Vertreter Frankreichs dennoch die kleinen Herren des Westrich im Wortsinne das
Fürchten gelehrt. Bezeichnend dafür ist, daß von Johann Daniel von Kerpen berich-
tet wird134, er sei erschrocken, als er von der Absicht des in Blieskastel weilenden
Bischofs erfuhr, auch seine Pfarrei Illingen zu visitieren. Graf Gustav Adolf war von
der Reise D’Aubussons so alarmiert, daß er persönlich den Reichstag von dem
erneuten Vorstoß Frankreichs unterrichtete. Nachhaltiger Erfolg war ihm nicht
beschieden.
Ohne Zweifel war die Visitation von 1669 im pastoralen Sinne erfolgreich. Sowohl
gegenreformatorische Bestrebungen wie auch Bemühungen um eine katholische
Reform wurden erstmals seit Jahrzehnten in diesem Landstrich sichtbar und wirk-
sam. Der Metzer Bischof hatte Tausende von Katholiken, d. h. sicherlich die Mehr-
zahl, seelsorgerisch erreicht, auch in der Diaspora. Mehreren Generationen wurde
die Firmung gespendet, viele Katholiken gingen wahrscheinlich seit langem wieder zu
den Sakramenten. Insbesondere im Wallfahrtsort Gräfinthal dürfte sich seit langer
Zeit und in einem von den Leiden des Dreißigjährigen Krieges gezeichneten Land
erstmals wieder ein wenig von der Prachtentfaltung einer Kirche der Barockzeit
gezeigt haben.
132 Bischof und Freiherr tauschten zwar weitere Briefe über neue Bedrückungen durch den Gra-
fen aus (Waal 2951/15, 22/1), doch versprach sich Damian Hartard sehr bald daraus nur noch
wenig Ersprießliches; er setzte deshalb seine einzige Hoffnung in ds Reichskammergericht
(2.8.1669 an einen Beamten, Waal 2949/98). - Nach weiteren heftigen Auseinandersetzungen
einigten sich von der Leyen und Nassau-Saarbrücken 1670 über einen Austausch, bei dem
Bübingen und Rösseln an Nassau fielen, das eben erst im Zusammenhang mit der saarwerdi-
schen Streitsache von Lothringen zurückgegebene Bliesgersheim an von der Leyen (vgl.
Bübingen S. 150 ff.).
133 D’Aubeville, Vertreter des Königs in Nancy, forderte vom Herzog, den Metzer Bischof in
denjenigen Orten, an denen man ihm die Tore verschlossen hatte, ehrenvoll aufzunehmen
und sein bischöfliches Amt ausüben zu lassen (vgl. auch Benoit S. 129). Die Antwort des
Herzogs war ausweichend. Bezüglich des Saarbrücker Deutschhauses äußerte sich der König
nicht über Maßnahmen. Von den Bübinger Gewalttaten habe er sich betroffen gezeigt
(Bischof von Metz an den Frh. Damian Hartard von der Leyen, 1. 8. 1669; Waal 2951/15).
134 Bericht eines nassauischen Beamten vom 11.11.1669 (LA Sbr. NSbr. II 2268, S. 249 ff.).
249
Olivier Billuart
La restauration materielle et religieuse
dans l’archiprêtré de Sarrebourg 1689 - 1789
La réflexion envisage la restauration matérielle et religieuse d’une ancienne circon-
scription du diocèse de Metz : l'archiprêtré de Sarrebourg. L'intérêt de cette réflexi-
on, c’est d'entrevoir de manière plus précise comment s'opéra la réforme post-triden-
tine, de quelle manière elle fut vecue, et à quelle date pouvait-on estimer que cette-ci
était achevée. Il est certain que d’un archiprêtré à l’autre, celle-ci doit varier.
Présentation de l’espace
Localisé au sud-est du diocèse de Metz, frontalier en sa partie est avec le diocèse de
Strasbourg et en sa partie sud-est avec le diocèse de Toul, l'archiprêtré de Sarrebourg
avait une superficie qui avoisinait les 500 km^'. Dans les premières décennies du
tgeme siècle on pouvait estimer sa population à 6500 - 7000 habitants, ce qui corre-
spond à une densité humaine d’environ 15 habitants au km^1 2, densité humaine trois
fois plus faible que la densité nationale pour la même époque3.
Cette population se répartissait entre vingt-neuf paroisses et huit annexes, dont cer-
taines étaient de langue française, d’autres de langue allemande, ou bilingues. Le
pouillé des bénédictins établi à la fin du 18eme siècle révèle que la circonscription
était constituée de dix-huit paroisses de langue allemande, dix-sept paroisses de lan-
gue française, et huit paroisses où les deux langues étaient parlées4.
Le tracé précis de la frontière linguistique qui peut-être effectué grâce aux indications
fournies par le pouillé épouse plus ou moins le méandre sinueux de la Sarre et subdi-
vise l’archiprêtré en deux aires linguistiques :
- une aire de langue française dans la partie occidentale
- une aire de langue germanique dans la partie orientale5.
C’est sur cet espace que la réforme post-tridentine allait s’opérer par le biais des visi-
tes pastorales.
1 G. Bourgeat.N. Dorvaux, Atlas historique du diocèse de Metz, Montigny-les-Metz 1907.
2 R. S. Bour, Une visite canonique de l'archiprêtré de Sarrebourg en 1714, dans: Etudes
d’histoire ecclésiastique diocésaine offertes à Mgr Jean Baptiste Pelt, évêque de Metz. Metz
1937, p. 1-62.
3 J.Dupaquier,La population française aux 17e et 18e siècles, P.U.F. 1979.
4 N. D orva ux. Les anciens pouillés du diocèse de Metz, Nancy 1902 - 1907.
5 Voir carte ci-jointe.
251
Abbreviations des noms de lieux
Abresc Abreschviller
Arc Archeville
Avr Avricourt
Bert Bertrambois
Bibe Biberkirch
Bihl Bihl
Bours Bourscheid
Brouv Brouviller
Broud Brouderdorff
D. C. Diane-Capelle
Flei Fleisheim
Fouc Foucrey
Gond Gondrexange
Gont Guntzviller
Hat Hattigny
Hell Hellering
Hem Heming
Henr Henridorff
Her Herange
Hers Hersing
Hes Hesse
Hil Hilbesheim
Horn Hommartin
Homm Hommert
Hoff Hoff
Ibi Ibigny
Ign Igney
Iml Imling
K. B Kerprich-aux-Bois
Lan Landange
L. V Lixheim-Ville
V. L Lixheim-Village
Lorq Lorquin
Mous Moussey
Nit Nitting
Pick Pickenholz
R. C Rechicourt-le-Chateau
Red Reding
St G. St. Georges
StG. St. Quirin
Sarr Sarrebourg
Wals Walscheid
Xou Xouaguesange
252
MO
LA FRONTIERE LINGUISTIQUE DANS LARCHIPRETRE DE SARREBOURG
Archiprêtré de B ouquen от
253
Les visites pastorales et leurs premiers enseignements
Quand on évoque les visites pastorales, il convient d’en différencier deux types :
- les premières que l’on qualifie de générales parce qu'elles recouvrent toutes les
paroisses d'une circonscription
- celles que l’on qualifie de visite isolée6.
Les tournées générales
De 1689 à 1789 quatorze tournées générales ont eu lieu qui se repartissent suivant les
différents épiscopats :
- une sous Georges d’Aubusson de la Feuillade7 8
- six sous Du Cambout de Coislin (1697 - 1732)
- quatre sous Rouvroy de Saint Simon
et trois sous l’épiscopat de Montmorency-Laval (1760 - 1789), ce qui correspond
grosso modo à une visite tous les six ans sous Du Cambout de Coislin, une tous les
sept ans sous Claude Rouvroy de Saint Simon, et une tous les dix ans sous Mont-
morency-Laval.
On ne peut toutefois affirmer l'exactitude des chiffres pour les trois évêques qui se
succédèrent de 1669 à 1760, car les différents procès verbaux et ordonnances qui
permirent de les avancer ne sont pas inscrits sur un registre, mais sur de simples
feuillets dont certains auraient du disparaître. A partir de 1748 toutes les ordonnan-
ces figurent dans un registre et ce jusqu’à la fin du siècle6; donc la moyenne des visites
effectuées par année sous Montmorency-Laval serait authentique.
La première moitié du siècle étudiée, 1689 - 1735, compte huit visites. Dans la décen-
nie 25 - 35 on peut constater une extrême régularité des visites au nombre de cinq, ce
qui constitue en moyenne une visite tous les deux ans.
La seconde moitié de la période compte six visites. Entre 1735 et 1747 nous n’avons
malheureusement pas de trace de visite pastorale. Les visites étant régulières avant
1735 et après 1747, il serait douteux que celui-ci n’ait pas été parcouru durant ces
douze années. Entre 1756 et 1770, il n’existe pas non plus de procès-verbaux ou
ordonnances qui pourraient témoigner d'une visite pendant ces quatorze années. Il
n’y eu effectivement pas de tournée générale durant les dix premières années de
l'épiscopat de Montmorency-Laval.
A partir des années soixante-dix, et ce jusqu'à l’année 1783, le caractère de la visite
change quant au nombre des paroisses visitées. Les visites sont très fréquentes 1770 -
1771 - 1772 - 1773 - 1774 - 1776 - 1778 - 1781 - 1784 mais ne couvrent à chaque fois
que six à neuf paroisses9.
6 Les procès-verbaux, ordonnances ou mémoire de visite qui résultèrent de ces visites sont en
grande partie, détenus aux AD Meurthe-et-Moselle 1 F 172/3.
7 II ne faut pas omettre qu’en commençant en 1689 nous avons amputé «son règne» à la tête du
diocèse d’une vingtaine d’années (1669 - 1697).
8 AD Meurthe-et-Moselle, Registre des ordonnances à la suite, des procès-verbaux de visite
canonique 1748 - 1788. Archiprêtré de Sarrebourg.
9 II faut voir à travers ce changement du caractère de la visite, l'application d’une ordonnance
de Montmorency-Laval prescrivant en 1760 aux archiprêtres de faire une visite de leur circon-
scription au moins une fois tous les trois ans. AD Moselle 19 J 721. Ces neufs visites
regroupées constituent en fait trois tournées générales.
254
A l'heure actuelle cinq procès-verbaux sont consultables qui se situent tous entre
1689 et 1735, le reste des documents étant constitué par des ordonnances au nombre
de onze.
Les visites isolées de cure
Quant aux visites isolées de cure, on peut en dénombrer cinquante et une. Dix ont eu
lieu entre 1689 et 1735, et quarante et une entre 1735 et 1789!0. Nous ne disposons
que des ordonnances qui ont été rendues suite à ces visites.
Le visiteur
Parmi toutes ces visites, on en relève une seule épiscopale : c’est celle de l’évêque
Henri du Cambout de Coislin qui, dès sa nomination à la tête du diocèse, quitta sa
chaire et partit en tournée. Il se rendit dans l’archiprêtré de Sarrebourg, et effectua
les 14 et 15 juillet l'inspection de l’église paroissiale de Sarrebourg".
Deux visites furent effectuées par l'archidiacre, en 1714 et 1728, et onze par l'archi-
prêtre entre 1726 et 1789. Une tournée fur menée par un curé en 1752, le siège
d’archiprêtre étant vacant.
Les saisons de visite
Les visites (voir tableau)10 11 12 avaient le plus souvent lieu durant les mois de septembre,
octobre et mars. Cette compression des inspections sur deux, voire trois mois de
l’année, est explicable pour ces deux raisons :
- les conditions climatiques qui rendaient tous déplacements difficiles à certaine
période de l’année,
- les activités agricoles et forestières qui tenaient les paroissiens éloignés du village,
diminuant ainsi l’impact de la visite.
Outre le transfert de la charge de visiteur de l’évêque à l’archiprêtre, la multiplication
des visites isolées de cure dans les deux dernières décennies du XVIIIe s. on peut
déceler d’autres changements dans le caractère de la visite. Ces derniers apparaissent
approximativement au moment de la systématisation du questionnaire imprimé dans
la décennie 37 - 4713.
Le premier changement qui s’opéra fut dans la durée de la tournée.
10 Les procès-verbaux ou ordonnances qui résultent de ce type de visite ne sont guère impor-
tants si l’on se place d’un point de vue statistique, mais constituent des atouts pour celui qui
entreprend une monographie paroissiale.
11 Elle est ce que René Taveneaux appelle dans son ouvrage «Le catholicisme dans la France
Classique» 1610 - 1715, Paris 1980, Tome 1 : Une visite station. C’est avant tout une visite ou
la fonction liturgique prédomine. Mais elle est aussi l’occasion d'un rassemblement du clergé
et des fidèles de plusieurs villages au sein d’une même paroisse.
12 Voir tableaux ci-joint.
13 Avant 1748, les ordonnances étaient inscrites sur des feuillets et les paroisses y apparaissaient
dans l’ordre de visite. Les différentes prescriptions étaient écrites les unes à la suite des aut-
res. Puis à partir de 1748, on consigne les ordonnances dans un registre où les paroisses appa-
raissent dans l’ordre alphabétique et les prescriptions s’y trouvent, annotées sous forme
d’articles (Date qui attesterait utilisation d’un questionnaire imprimé).
255
Les mois de visite
Les visites Janvier Février Mars Avril Mai Juin Juil. Août Sept. Octob. Novem. Décem. Nbre de paroisses et annexes visitées
1689 27 24 51
1714 12 25 37
1726 36 6 42
1729-1730 1 17 18 3 39
1732 35 1 36
1728 5 35 40
1735 6 6 21 33
P. V. non daté 36 36
1747 20 18 2 40
1752-1753 2 14 18 34
1756 5 34 3 42
1770-1772 2 4 2 13 5 26
1773-1776 1 19 2 1 1 24
1778-1783 4 1 5 8 1 19
Total 4 58 2 37 30 0 24 151 161 27 5 499
sO
m
(N
Les mois Nbre de paroisses visitées Pourcentage sur siècle de visites Nbre de visites effectuées Moyenne parois, visitées par rapport à la tournée
Janvier 0 0 0 0
Février 4 0,8 % 3 4,7 %
Mars 58 11,6 % 4 41,8%
Avril 2 0,4 % 2 3,9 %
Mai 37 7,4 % 3 29 %
Juin 30 6 % 2 32,9 %
Juillet 0 0 0 0
Août 24 4,8 % 4 16,1 %
Septembre 151 30,26 % 7 63 %
Octobre 161 32,2 % 10 45,8 %
Novembre 27 5,4 % 4 18,7 %
Décembre 27 5,4 % 4 5,6 %
La durée de la tournée
Antérieurement à 1735, celle-ci s’effectuait en des délais limités allant de onze à
trente-sept jours, puis elle s’allongea pour atteindre quatre, voire sept mois. De
même on peut percevoir une régression dans la moyenne journalière des paroisses
visitées; supérieure ou égale à trois jusqu’en 1747, elle passe d’une à deux paroisses
par jour à partir de 1752, et ce jusqu’à la fin du siècle.
Le dernier changement qui put être observé fut dans la reddition de l’ordonnance.
La reddition de l'ordonnance
Le délai écoulé entre le moment où la dernière paroisse a été visitée et la prescription
de l’ordonnance s'allonge. Il passe de deux mois dans la première moitié du siècle, à
trois ans dans la seconde moitié du siècle.
Un tel décalage peut s’expliquer soit par un différé dans l’envoi des procès-verbaux à
la chancellerie épiscopale, soit par une négligence de cette dernière qui tarderait à
prescrire les remèdes. La deuxième hypothèse apparaîtrait comme la plus authen-
tique, l’archiprêtre étant tenu, une fois la dernière paroisse visitée, d’envoyer ses
procès-verbaux dans l’espace du mois qui suivait.
257
La dernière tournée générale effectuée en des délais limités se situe en l'année 1756,
date approximative où la restauration matérielle et religieuse semblait achevée. Par la
suite les visites ne couvrent que rarement l'ensemble des paroisses, on se rend plus
fréquemment dans les paroisses où les ordonnances ont du mal à être exécutées, on
répère chaque défaut, chaque désordre, et on le poursuit jusqu'à son éradication.
La qualité de l'information
La qualité de l'information qui est délivrée par ces procès-verbaux dépend essenti-
ellement de la compétence du visiteur et de son degré de précipitation. L'analyse de
la grille de mémoire dressée pour la visite épiscopale de 1698, ou encore du que-
stionnaire fourni par le Rituel publié 17131J révèle que tous les aspects matériels et
moraux de la vie paroissiale devaient être examinés.
La consultation des procès-verbaux de visite jusqu'en 1735 montre que les archiprêt-
res au cours de leur inspection n’eurent recours à aucun questionnaire, ou s’ils en
possédaient un ne s'en inspiraient que de manière très générale. Ceux-ci avaient surt-
out quelques connaissances des exigences de l’épiscopat, et mettaient ces connais-
sances au service de la visite. Cette manière de procéder aboutit à la redaction de
procès-verbaux où les informations apparaissent de manière totalement anarchiques,
dans un certain ordre pour une paroisse, dans un ordre tout à fait autre pour une
autre. Si en 1689 l’archiprêtre mentionne dans certaines paroisses ce qu’il y a trouvé
en bon état, il n'en est plus de même lors des visites de 1726, 1729 et 173214 15, où il ne
fait plus qu'un état des objets déficients ou négligés. Peut-on déduire d'un objet parce
qu'il n’est pas mentionné qu’il se trouve en bon état, et qu'il n’a donc pas attiré
l'attention du visiteur, ou le visiteur ne l’a pas inscrit parce qu’il a simplement omis
de l’inspecter? Les informations dont nous disposons se réduisent bien souvent à un
état de l'espace sacré constitué par l’église et le cimetière et à un état du matériel et
mobilier liturgique16. Par ailleurs les informations qui sont délivrées sont bien souvent
incomplètes. Certains renseignements tel le nom du décimateur ainsi que les propor-
tions qu’il percevait sur les dîmes sont absents; concernant ces mêmes dîmes il n’est
jamais fait mention, excepté un ou deux cas, de grosses et menues dîmes. Le curé jou-
issait-il d'office des menues dîmes, la répartition ne concernant que les grosses. Le
seul document qui nous donne quelques éléments de la vie paroissiale est celui rédigé
par Jean Baptiste Canon en 171417. La qualité de l’information peut être expliquée
par le recours au questionnaire fourni par le Rituel.
Face aux informations qui nous sont délivrées il faut prendre un certain recul. Peut-
on croire à leur objectivité? Le visiteur mérite-t-il d’être cru lorsqu’il est commis pour
effectuer une inspection et qu’il visite lui-même sa paroisse? La fonction de curé à
l'intérieur de l'archiprêtré ne pouvait-elle pas les inciter à ménager leurs collègues.
14 Rituale Metense, 1713, Brice Antoine pars secundo.
15 AD Meurthe-et-Moselle 1 F 172/3.
16 AD Meurthe-et-Moselle 1 F 172/3. C’est le cas pour les procès-verbaux de 1689 - 1726, 1729,
1732.
17 Bour (voir note 2).
258
Si pauvres soient ces ordonnances et procès-verbaux, ils constituent toutefois de puis-
sants révélateurs des exigences de l’épiscopat messin lesquelles restent essentielle-
ment la refonte du clergé paroissial et le rétablissement de l’aspect sacré du culte.
Les exigences de l’épiscopat Messin
Ce souci de l’état moral du clergé transpire au travers de la visite réformatrice, qui ne
se contente plus d’enregistrer le nom et la condition canonique du curé. Le visiteur
est censé s’informer par le biais des paroissiens de la nature de son comportement, et
s’il accomplissait les obligations de son ministère. Les deux procès-verbaux antérieurs
à 1726, ceux de 1689 et de 1714 sont ceux qui fournissent le plus d'informations sur le
clergé rural. En 1689. les questions concernant celui-ci étaient sa qualité, l’exercice de
ses fonctions, s’il résidait au sein de sa paroisse, sa vie et ses mœurs. Le questionnaire
de 1714 apparaît similaire. S’y ajoute la date d’institution ainsi que la condition
matérielle du prêtre : revenu, logement. A partir de 1726, le visiteur néglige la quasi
totalité de ces questions et ne mentionne plus que le nom du desservant.
La deuxième préoccupation était de rétablir l’aspect sacré du culte. Deux faits
témoignent de ce souci qui perdure toujours avec la même intensité durant tout le
18e siècle :
- l'intérêt du visiteur de référer à la chancellerie épiscopale des décimateurs et de la
quotité prévue dans les dîmes afin de savoir à qui incombait les frais de réfection de
l’église18
- la préoccupation au sujet de la fabrique et de ses comptes; il s’enquiert de son
revenu, de la gestion, de la reddition des comptes et de l’emploi de leur revenu19.
Cette volonté de rétablir l’aspect sacré du culte se traduit par une inspection minu-
tieuse de l’église, de son état intérieur et extérieur, et ce dans 80 % des paroisses en
moyenne. On exige la réparation des parties défectueuses, le plus souvent toit ou lam-
bris, on mène une lutte contre l’aspect ténébreux des églises en prescrivant la blan-
chissement de la nef, l’agrandissement des fenêtres, ou encore la création de nouvel-
les. Le matériel et mobilier liturgique sont aussi les objets d’une inspection soutenue.
Les fonts baptismaux doivent être fermés et étamés, les vases des saintes huiles
d’argent et séparés, le tabernacle doublé en son intérieur, la lampe doit brûler jour et
nuit devant le Saint Sacrement, le confessional être hors de la sacristie visible des
paroissiens, et les bancs mieux agencés ou uniformes.
Les pourcentages concernant le cimetière sont du même ordre. Le visiteur ordonne la
réparation des brèches dans les murailles, la fermeture des portes afin que celui-ci ne
serve plus de lieu de pâture, et ne subisse plus les divagations du bétail ou ne prenne
plus l’aspect de place publique que lui donnaient souvent les paroissiens avant l’office
ou au sortir de celui-ci.
Dans les cinq procès-verbaux de 1689, 1714, 1726, 1729, 1732 le visiteur s en préoccupe en
moyenne dans 70 % des paroisses.
J. B. Canon s’y intéresse dans 80 % des paroisses en 1714.
259
L'analyse des procès-verbaux et ordonnances, outre les exigences qu’elle révèle, lais-
se entrevoir une reprise économique, démographique et religieuse qui commence dès
les premières décennies du 18eme siècle.
Esquisse d’une sociologie paroissiale dans l'archiprêtré de Sarrebourg
Le gonflement démographique
La reprise démographique est attestée par la construction d'une douzaine d’églises
entre 1714 et 1736, leur capacité d’accueil étant jugée insuffisante, et on totalise six
érections en cure entre 1721 et 174CF".
La reprise économique
La reprise économique est quant à elle perceptible au travers des dîmes qui sont de
plus en plus l'objet de fractionnement. A la fin du 17e s. et au début du 18e s. la ré-
gion était en voie de repeuplement une bonne partie des ses terres en friche20 21, aussi le
produit des dîmes n’était pas d'une valeur considérable. C’est pour cette raison qu'en
1714, dans plus de la moitié des cures visitées, la dîme était dans son intégralité aban-
donnée au curé22. Au cours des années 1726 - 1730 le nombre des paroisses où patron
et curé se partageaient le rôle de seul décimateur s'équilibre, et on assiste également
à une augmentation du nombre des paroisses où les dîmes étaient fractionnées. Le
rééquilibrage et cette augmentation s’explique par la valeur qu’elles avaient acquises.
En 1732, la proportion des cures où le patron jouissait seul des dîmes, ainsi que les
cures où le fractionnement était un tiers, deux tiers, s’accroissaient au dépens des
paroisses où les curés étaient possesseurs de la dîme dans son intégralité. A la fin du
siècle les paroisses et annexes où les dîmes étaient fractionnées représentaient plus de
60 % de l’effectif paroissial.
La reprise économique est de même perceptible au travers de la remise en activité de
nombreuses industries ou la création de nouvelles.
Les états du matériel et mobilier liturgique sont aussi les témoins de cette restaura-
tion matérielle. A partir de 1726, la majorité des paroisses possédait des vases sacrés
d'argent et des ornements en suffisance. Il en était de même pour les livres d’église
qu’il ne s’agissait plus de fournir, mais d’entretenir, de relier ou de remplacer quand
leur état ne permettait plus la reliure. En ce qui concerne le mobilier d’église on peut
estimer que dès 1732 toutes les églises possédaient en leur sein chairs de prédicateur,
confessionnaux et bancs uniformes.
Dans la seconde moitié du 18eme siècle, se produisit un puissant élan bâtisseur. Entre
1747 et 1756 les visiteurs pouvaient constater qu’une trentaine d’églises nécessitaient
un agrandissement de la nef ou de l’église toute entière. Les édifices n’étaient plus
assez spacieux pour contenir des paroissiens d’année en année plus nombreux. On
20 Relevé dans D or vaux (voir note 4).
21 AD Meurthe-et-Moselle, G 1226, Walscheid 1711, Biberkirch : plusieurs familles s’y sont éta-
blies et font des défrichements considérables.
22 AD Meuthe-et-Moselle, G 1058, Igney 1711. Le curé a le droit à la moitié des dîmes et la tota-
lité des menues. Il jouit à présent de l’autre portion qui appartient au prieur et chanoine régulier.
Comme elle est d’un revenu modique, ils lui ont abandonné ad idem.
260
demandait dans un premier temps la suppression de la tribune ou un meilleur agence-
ment des bancs. Lorsque ces modifications s'avéraient insuffisantes, on devait procé-
der à la démolition de l'église. L’incapacité pécuniaire de la paroisse différait le plus
souvent les travaux de démolition et de reconstruction. Pour pallier cette insuffisance
la communauté avait recours à des emprunts auprès de la fabrique. Si en 1714 24 %
des fabriques n’avaient pas de revenu23, elles se trouvaient toutes, dans cette deuxiè-
me moitié du 18e s., suffisamment riches pour supporter les frais occasionnés par une
reconstruction.
En 1791, l'archiprêtré comptait quelques 27 000 habitants24 et sa densité humaine était
environ de 54 habitants au km^, densité supérieure de cinq points à la densité natio-
nale pour la même époque25. De 1714 à 1791 la population de l’archiprêtré de Sarre-
bourg avait pratiquement triplé.
La population protestante
11 est impossible de quantifier la population protestante, les visites pastorales ne con-
stituant pas de véritables mines de renseignements,
La consultation des registres paroissiaux de la principauté de Lixheim, havre de paix
pour ceux qui faisaient profession de foi de la religion réformée ou protestante au 17e
siècle, mais aussi des paroisses situées à proximité d’une industrie, nous aurait livré
d’avantages de renseignements. Les industries du verre et de la faïence du pays de
Sarrebourg attirèrent de nombreux manœuvres. La verrerie de St. Quirin ne dut-elle
pas sa réussite à l'arrivée d’excellents spécialistes venus des bords de la Moldau. De
Bohême on peut retenir les noms d’Egersoffer, Raspiller, et les Schmitt citoyens Hél-
vètes. Parmi ces nombreux étrangers talentueux se trouvaient des luthériens, des ana-
baptistes mais aussi des calvinistes, ainsi que le révèlent les régistres paroissiaux des
paroisses de Hommert et de Niderviller dans lesquels on peut trouver quelques actes
d’abjuration.
D’un bout à l’autre de la période étudiée, les protestants furent présents dans l’archi-
prêtré de Sarrebourg : noyau important dans les paroisses de la principauté de Lix-
heim, ils étaient plus dispersés dans les paroisses de la partie est de la circonscription,
frontalière avec le diocèse de Strasbourg et l’archiprêtré de Bouquenom.
Cette reprise économique et démographique se doubla d’une reprise de la vitalité
religieuse, laquelle n’en fut pas moins freinée par les deux obstacles que constituaient
l’ampleur de la circonscription et la diversité des langues.
23 B our (voir note 2).
24 C. Constantin, L’évêché du département de la Meurthe de 1791 à 1802. Du serment consti-
tutione! au Concordat, Tome 1 1791 - 1794, Nancy 1935.
25 J. Dupaquier,La population française aux 17e et 18e s., Paris 1979.
261
L'ampleur de la circonscription
L'archiprêtré de Sarrebourg était de par sa superficie l’un des plus vastes du diocèse26
(500 km^) et représentait avec ses 44 paroisses plus de 7 % de l’effectif paroissial du
diocèse de Metz. Les dimensions de l’archiprêtré ainsi que la répartition de ses pa-
roisses ne facilitaient pas la tâche du doyen rural.
Bon nombre de curés avouaient ne pas recevoir d’ordonnances, ni d'avis pour le syn-
ode rural. Les contacts entre les curés de l’archiprêtré étaient difficiles et le synode
rural ne réunissaient pas tous les curés. C’est sans doute pour cette raison que celui-ci
se tenait tantôt à Sarrebourg, tantôt à St. Quirin, paroisses situées toutes deux aux
extrémités de l'archiprêtré27.
Au début du 17e siècle, deux nouveaux archiprêtrés avaient été crées à partir de cir-
conscription jugées toutes deux trop vastes:
- l’archiprêtré d’Haboudange né du démembrement de celui de Morhange
- l’archiprêtré de St. Avold créé peut après le démembrement de celui de Varize.
C’est dans l’espoir d’une semblable division que les curés de l’archiprêtré de Sarre-
bourg soumirent à l’évêque de Metz une requête en 177228. Le projet qui fut rejeté
sans examen remédiait à tous les inconvénients cités précédemment et pouvait résou-
dre les problèmes occasionnés par l'espace bilingue.
Un espace bilingue
Le bilinguisme de l'archiprêtré constituait aussi un obstacle à la reprise de la vitalité
religieuse. Les évêques et les collateurs étaient-ils sensibles à cette situation lingui-
stique?
Les procès-verbaux de la première moitié du siècle montrent que ceux-ci ne s’en sou-
ciaient guère. Face à cet espace, l’évêque se voyait dans l’obligation de nommer un
archidiacre ou un archiprêtre possédant les deux idiomes. Pourtant J. B. Canon, lors
de son inspection générale en 1714, dut avoir recours aux qualités d’interprète d’un
curé l’accompagnant dans sa visite lorsqu'il interrogeait les paroissiens et les enfants
de langue allemande. Ce recours aux interprètes perdura durant tout le 18e siècle.
Cette ignorance du problème linguistique est aussi illustré par des annexes de langue
française, et qui, pour les sacrements répondent d’une mère église dont la langue est
allemande. Les collateurs n’étaient semble-t-il guère plus préoccupés par ce problème
et on peut trouver bon nombre de paroisses de langue allemande qui émettent des
plaintes quant à leur curé ne possédant pas la langue en usage dans le village.
26 Bourgeat - Dorvaux, Atias historique (voir note 1).
27 AD Meurthe-et-Moselle 1 F 172/3. Requête des cures afin que leur archiprêtré soit divisé en
deux (1772).
28 Voire note 27.
262
Ce problème concernait les paroisses monolingues, mais qu’en était-il dans les parois-
ses bilingues? Dans ces dernières comment se faisaient le prêche et l’instruction? La
lecture des ordonnances au prône se faisait dans quelle langue? Pour ces paroisses
nous retrouvons la même insouciance de la part de l’évêché messin. Dans celles-ci
paroissiens et curé trouvaient leur propre solution. A Sarrebourg, le curé prêchait
tous les quinze jours en allemand, et un capucin l’autre quinzaine en français2*.
Ces mêmes capucins bravaient les interdictions épiscopales ayant recours en 1714 à
un aumônier du régiment royal allemand pour les messes de fondation, les prêches
et instructions10. Quant au catéchisme, les enfants étaient instruits en allemand par
le curé et en français par le maître d’école11. Mais toutes les paroisses bilingues
n’avaient pas la chance d’avoir en leur sein des communautés religieuses conciliantes.
Claude Rouvroy de Saint Simon voulut sans doute remédier à cet état des choses en
prescrivant le 12 avril 1749 : «dans les paroisses ou l'usage des deux langues est néces-
saire, messieurs les curés et vicaires auront grand soin d’instruire soit dans leur prône
soit dans leur catéchisme dans l’une et l’autre langue, au moins de trois fois l’une
dans la langue la moins dominante». Cette ordonnance s'adressait dans un premier
temps aux curés qui possédaient les deux langues, et si elle remédiait à un problème,
elle en créait un autre : une telle mesure n’incitait pas à la fréquentation assidue des
offices, surtout pour la communauté minoritaire.
Avant d’aborder la restauration religieuse et ses différentes manifestations, il serait
bon de défenir l’encadrement religieux.
L’encadrement religieux
A la fin du 18emc siècle, l’archiprêtré de Sarrebourg comptait quarante-trois cures,
dont vingt-quatre avaient pour patron un laïc, sept un séculier et dix une commu-
nauté régulière12.
Sur les vingt-quatre cures laïques, neuf étaient aux mains du Roi de France depuis
l’annexion des terres ducales au royaume de France en 1766, et cing étaient de la
nomination de la famille de Lutzelbourg. Sur les sept cures de patronage séculier,
cinq cures étaient pourvues par l’évêque, dont trois parce que leur seigneur, le comte
de Linange-Dabo, était de religion protestante. En 1782 le pouvoir épiscopal perdit
cet attribut lorsqu’on reconnut à un prince protestant le droit de nommer à sa cure
par le biais d’un procureur catholique.
En ce qui concerne les cures de patronage régulier, deux étaient de la nomination de
l’abbé de Haute Seille, trois de l’abbé de Domèvre, trois de l’abbé de Moyenmoutier
et une de l’abbé de Marmoutier. Une cure observait un patronage bien particulier
parce qu’il était exercé à l’alternatif par un laïc et une communauté religieuse. 2
2I) AD Moselle 19 J 726. Mémoire pour Msgr. à la suite de la visite des archiprêtrés de Sarre-
bourg et de Vergaville 1714.
30 AD Moselle 29 J 13, Sarrebourg 1714.
31 Idem1.
32 Dorvaux (voir Note 4).
263
Sur les douze bénéfices ecclésiastiques dénombrés, cinq seulement étaient dans les
mois du pape soumis au concours. Une étude de tous les curés qui furent dépêchés
pour administrer, ou instituer dans une cure, permit de constater que toutes les pa-
roisses qui avaient pour patron un abbé ou une communauté régulière n’avaient pas
forcément à leur tête des curés réguliers. La moitié de ces cures eut tout au long du
siècle des séculiers à leur tête. Il s’agit des trois cures de la nomination de l'abbé de
Moyenmoutier, l'une de la nomination de l’abbé de Haute-Seille et la dernière de
celle du prieur de Zelle. Les trente-huit cures que comptait l’archiprêtré de Sarre-
bourg totalisent deux cent cinq curés, ce qui correspond à une moyenne d’un peu plus
de cinq curés par paroisse. Trente-cinq furent des réguliers, dont quatre nommés à la
fin du 17e siècle ou au début du 18e siècle en raison de la pénurie des prêtres sécu-
liers. Quant aux cent soixante-dix séculiers restant, nous prenons connaissance à 84,5
% de leur origine diocésaine : 68 % venaient du diocèse de Metz, 15,2 % du diocèse
de Toul et 6,2 % du diocèse de Trêves. Sur cent soixante-dix prêtres séculiers, quatre
furent institués à Trêves en raison de leur tendence janséniste.
Cette étude permit de constater une certaine stabilité du clergé rural : 58 % des curés
restaient en fonction entre 15 et 25 ans. Cette étude révéla par ailleurs que si à la fin
du 17e siècle et au début du 18e certaines cures étaient désservies par commande par
des clercs ou acolytes, ou d’autres par des réguliers, il en est plus de même dans les
années 1726 - 1729 où chaque paroisse disposait d’un curé pour la desservir.
C’est à peu près dans ces mêmes années que chaque paroisse disposait de son maître
d’école qui, semble-t-il, enseigna pendant longtemps filles et garçons dans la même
école. En effet, pour l’enseignement des filles dans le pays de Sarrebourg, il fallut
attendre les trente dernières années du 18e siècle pour en déceler la présence. Pré-
sence qui fut favorisée par l’établissement d’un noviciat des sœurs de la Providence
en 1770 à Haut-Clocher.
La reprise de la vitalité religieuse put être perçue au travers de l’étude des messes de
fondation et des confréries religieuses. Il est impossible d’évaluer le nombre des fon-
dations qui ont pu être faites tout au long du 18e siècle, les procès-verbaux n’étant
pas très éloquents et le registre des fondations tenu par la chancellerie épiscopale de
1738 à 1775 incomplet13. Une douzaine peuvent être dénombrées entre 1738 et 1775,
mais elles furent vraisemblablement plus nombreuses. Un bon nombre de paroisses
qui, à la fin du 17e siècle, n’en exécutaient pas, virent s’en fonder plusieurs dans les
premières années du 18e siècle. Ces fondations et les termes de leur contrat devaient
être affichés, publiquement à l’église ou dans la sacristie sur une table appelée des
obits et fondations.
De manière générale, c’étaient les testateurs qui réclamaient cette publicité de peur
que le clergé ne s’acquitte de ses fonctions. Mais les testateurs n’étaient pas les seuls à
réclamer cette publicité. Le pouvoir épiscopal dans la deuxième moitié du 18e siècle
exigeait des paroisses qu'elles eussent toutes en leur sein une table des obits et fonda- 33
33 AD Moselle 29 J 24.
264
tions. Les nombreuses paroisses où les ordonnances en prescrivent l’établissement
montrent qu’en cette deuxième moitié du 18e siècle et jusqu'à la fin, les messes de
fondation furent de plus en plus nombreuses.
Quant aux confréries religieuses, il est fort regrettable que nous soyons confrontés à
une carence de procès-verbaux de visite à partir des années trente du 18e siècle les-
quels auraient pu ou confirmer, ou compléter cette carte ci-jointe. Il n'est pas impos-
sible que des congrégations existantes au 17e s. aient disparu par suite de l'abandon
des villages au decours de la guerre. Les registres de deux confréries appuient cette
thèse connaissant tous deux une cessation d'activité durant les années belliqueuses34.
Si l'on se fie aux procès-verbaux rédigés par J. B. Canon en 1714, le nombre des
confréries n’auraient été que de six. Elle furent vraisemblablement plus nombreuses.
Quant aux procès-verbaux de 1726, 1729, 1732 ils restent totalement muets sur la
question.
Vingt et une confréries ou congrégations ont pu au total être dénombrées qui se
répartissent entre quatorze paroisses et une annexe. Plus du tiers de l’effectif parois-
sial de l’archiprêtré est donc pourvu d’une ou plusieurs confréries. Une paroisse en
possédait trois en son sein qui fonctionnèrent simultanément, quatre paroisses en
possédaient deux. La majorité de ces dévotions est concentrée dans la partie sud-
ouest de l’archiprêtré frontalière avec le diocèse de Toul. Au nord d’une ligne pas-
sant par Sarrebourg et Abreschviller, on compte seulement deux confréries; elles ont
été érigées dans les anciennes paroisses réformées de la principauté de Lixheim : Lix-
heim et Hellering.
Sur les quatorze paroisses pourvues d’une ou plusieurs confréries, dix étaient de lan-
gue française, trois étaient bilingues, et une était de langue allemande. Dans les pa-
roisses de Sarrebourg et d’Abreschviller toutes deux bilingues, le fondateur apparte-
nait à la communauté de langue française. L’étude des noms patronymiques délivrés
par le registre de la confrérie du Très Saint Sacrement érigé en 1745 dans la paroisse
d'Abreschviller35, montre que les adhérents étaient en majorité des Français, mais
aussi quelques Allemands et notamment des marchands verriers.
Sur les vingt et une confréries, neuf ont été érigées au 17e siècle. Trois ont pour voca-
ble St. Sébastien, deux St. Joseph, une Ste. Barbe, une Notre Dame et une le Saint
Rozaire. Douze l’ont été au 18e siècle. La première fut érigée dans la paroisse de Sar-
rebourg en 1707, puis quatre autres entre 1725 et 1745. Dans la deuxième moitié du
18e siècle le nombre des confréries érigées se porte à six. On peut constater par ail-
leurs un changement dans les vocables. On ne fait plus appel à des saints dont l’inter-
cession permettait la guérison de certains maux; la dévotion devient christocentrique
et mariale. Sur douze confréries, huit ont été érigées sous le nom du Saint Sacrement
entre 1707 et 1756, une sous le nom des morts en 1738, une sous le signe de l’Assomp-
tion de la Sainte Vierge et quatre sous le nom de l’immaculée Conception.
34 Archives paroissiales de Lorquin, Registre de la confrérie de St. Sébastien, AD Moselle 19 J
185. Avrivourt de la confrérie de St. Sébastien.
55 Archives paroissiales d’Abreschviller. Registre de la confrérie du St. Sacrement 1745 - 1790.
265
Ahhreviations des noms de lieux
Abresc Abreschviller
Are Archeville
Avr Avricourt
Bert Bertrambois
Bibe Biberkirch
Bihl Bihl
Bours Bourscheid
Brouv Brouviller
Broud Brouderdorff
D. C. Diane-Capelle
Flei Fleisheim
Fouc Foucrey
Gond Gondrexange
Gont Guntzviller
Hat Hattigny
Hell Hellering
Hem Heming
Henr Henridorff
Her Herange
Hers Hersing
Hes Hesse
Hil Hilbesheim
Hom Hommartin
Ho mm Hommert
Hoff Hoff
Ibi Ibigny
Ign Igney
Iml Imling
K. B Kerprich-aux-Bois
Lan Landange
L. V Lixheim-Ville
V. L Lixheim-Village
Lorq Lorquin
Mous Moussey
Nit Nitting
Pick Pickenholz
R. C Rechicourt-le-Chateau
Red Reding
StG. St. Georges
St Q. St. Quirin
Sarr Sarrebourg
Wals Walscheid
Xou Xouaguesange
266
ot>c
LES CONFRERIES ET CONGREGATIONS ERIGEES DANS L'ARCHIPRETRE DE
SARREBOURG AUX 17IEME ET 18IEME SIECLE
Archiprêtré de B ouqueno m
Paroisse de langue allemande
Paroisse où les deux
langues étaient en usage
frontière linguistique
267
Conclusion
Pour conclure je rappelerai que si les procès-verbaux et ordonnances de la fin du 17e
et du début du 18e siècles nous dépeignent un espace en pleine convalescence, les
ordonnances de la deuxième moitié de la période étudiée confirment la restauration
matérielle et religieuse, et ceci malgré les obstacles constitués par l'étendue de la cir-
conscription et la diversité des langues. Une phrase extraite de la requête des curés
afin que leur archiprêtré soit divisé en deux illustre cette restauration matérielle; évo-
quant le nouvel archiprêtré qui naîtrait du démembrement de celui de Sarrebourg
Monseigneur pourra donner telle dénomination qu'il voudra aux archiprêtrés, ou de
Lorquin, ou de Foucrey, ou de Gondrexange, toutes ces paroisses étant considérables
les églises spacieuses et bien ornées et leur fabrique capable d’y supporter des charges.
Au niveau démographique la population avait quasiment triplé en l’espace de
soixante-dix ans, la refonte du clergé paroissial semblait opérée mais le pourcentage
élevé des ecclésiastiques qui prêtèrent serment témoigne de la fragilité de ce dernier
(84 %).
268
Bernhard H. Bonkhoff
Das kirchliche Leben in einer evangelischen Gemeinde
in der Westpfalz im 17./18. Jahrhundert
Durch die Reformation ging der gesamte Ostteil des Bistums Metz der römisch-
katholischen Kirche verloren. Die Territorialstaaten Pfalz-Zweibrücken, Nassau-
Saarbrücken und verschiedene Reichsritterschaften ordneten die in der evange-
lischen Volksbewegung entstandenen Gemeinden in geschlossene und durch
Kirchenordnungen einheitlich gegliederte Kirchenwesen ein. Die römisch-katholi-
sche Kirche hatte hier zu bestehen aufgehört. Das Kirchengut, die Kirchen- und
Pfarrhäuser blieben den örtlichen Kirchengemeinden. Diese Veränderungen und der
Bruch mit der Vergangenheit waren so stark, daß in Labach’ und Wiesbach1 2 beim
Neuanfang des Katholizismus in der Gegenreformation und den Reunionen nicht
einmal mehr bekannt war, welcher Kirchenpatron für diese Kirchen galt. In Wies-
bach wußte laut der Visitation von 1686 der katholische Pfarrer nicht einmal, zu wel-
cher Diözese er gehörte, ob zu Metz oder zu Worms3.
Die römisch-katholische Kirche entstand neu als Glaubensgemeinschaft der Zugezo-
genen, der „welschen, neuen Leute“. Es war die Kirche der Eingewanderten, soweit
sie aus Frankreich, den spanischen Niederlanden oder aus Tirol stammten. Noch
heute heißen die Einwohner von Fehrbach bei Pirmasens im Volksmund die „Tiro-
ler“. Wie die katholische Einwohnerschaft von Kirrberg und Contwig waren die Tiro-
ler meist Bauhandwerker. Die gleichzeitig eingewanderten Schweizer waren refor-
mierter Konfession.
Römisch-katholische Gemeinden entstanden dort, wo die Entvölkerung des Dreißig-
jährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges besonders gravierend war. Ein
Sonderfall ist Reifenberg, wo 1696 ein ganzes Dorf zum Katholizismus konvertierte4.
Wir wollen uns im folgenden besonders mit der evangelisch-reformierten Kirchenge-
meinde Wiesbach beschäftigen, um zu erfahren, wie eine evangelische Gemeinde die
neue römisch-katholische Präsenz erlebte und erlitt.
1 Herbert Dellwing und Hans Kubach, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des ehemaligen
Landkreises Zweibrücken, München 1981, S. 692f. und S. 706-722; Bernhard H. Bonkhoff,
Das Kirchspiel Labach (Heimatkalender 1986 für das Pirmasenser und Zweibrücker Land),
Rengsdorf 1985, S. 98-105.
2 Kunstdenkmäler Zweibrücken S. 829-841; Bernhard H. Bonkhoff, Kirchengeschichte von
Wiesbach bis zum Untergang der Pfarrei 1635, in: Bll. f. Pfälz. Kirchengesch. 49, 1982, S. 5-9;
ders. Kirchengeschichte von Wiesbach von 1635 bis zum Ende des Simultaneums 1914, in:
ebenda 52,1985, S. 45-59.
3 Carl Albert Bu c h h e i t, Beitrag zur Geschichte der ehemaligen Metzer Pfarreien, die jetzt zur
Diözese Speyer gehören, Homburg 1927, S. 18.
4 Ludwig Härich, Ortsgeschichte von Reifenberg, Reifenberg 1977, S. 100 ff.; 1877 wurde bei
Reifenberg ein Feldkreuz errichtet, das in seiner Inschrift der Konversion des Dorfes gedenkt.
Das Kreuz legt Jesus ein Wort aus dem Buch der Weisheit in den Mund, das sich gegen die
Protestanten richten soll: Ich liebe, die mich lieben. Alle, die mich hassen, lieben den Tod.
269
Als 1681 die Krone Frankreichs das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken unter seine
Hoheit gezogen hatte, wurde auch in Wiesbach sofort mit der Rekatholisierung
begonnen. Die mittelalterliche Kirche wurde simultan genutzt5. Dies war auch der
Fall in Großsteinhausen, Nünschweiler, Maßweiler, Contwig, Labach, Vogelbach,
Breitenbach, Niederbexbach, Bierbach, Rubenheim, Walsheim, Böckweiler und vie-
len andern Orten der Westpfalz. Nur dort, wo die evangelische Präsenz stark genug
war, konnte kein Simultaneum eingeführt werden, etwa in Ernstweiler, Mimbach,
Lambsborn und Limbach. In Limbach ist es versucht worden'’, die Bourbonenlilie am
Türgewände der Kirchentür kündet noch davon.
Außer in Vogelbach sind inzwischen die Simultaneen überall durch den Bau einer
neuen Kirche abgelöst worden. Mit der Ausnahme von Nünschweiler haben seither
überall die Protestanten die alte, die Katholiken die neue Kirche.
Die Stellung der Evangelischen war in der Zeit der Reunionen sehr geschwächt. Nur
in Ernstweiler und in Mimbach saßen noch reformierte Pfarrer, dann erst wurde
Waldmohr wieder besetzt, ab 1698 Lambsborn und ab 1700 Limbach. Dorthin zog
der Pfarrer von Ernstweiler um, weil er befürchtete, daß die Katholiken die Limba-
cher Kirche okkupieren würden.
Die Kirchenvisitation von 1663, die erste nach dem großen Krieg, erwähnt die refor-
mierte Pfarrei Wiesbach nicht mehr. Gering sind die Bevölkerungszahlen: Wiesbach
3 Familien, Käshofen 13 Familien, Krähenberg 1 Familie. Nur Käshofen hat noch
Presbyter. Man hatte die Pfarrkinder zur Visitation in die Wiesbacher Kirche bestellt.
Hans Jakob Klein aus Krähenberg und sein Haus sind nicht erschienen. Sie entschul-
digen sich, daß man allzeit zu Hause bleiben muß aus Furcht vor den Homburgischen
Soldaten, „welche kommen sind und sie zu berauben pflegen“6. Ähnliche Bedrohun-
gen der Bevölkerung hören wir auch in Vogelbach. Auch der Pfarrer von Waldmohr,
der damals die Pfarreien Breitenbach. Lambsborn und Wiesbach mit zu versehen
hatte, war schon angegriffen worden.
Diese Homburgischen Soldaten waren französische Truppen der Festung Hombourg-
La-Forteresse, die Vauban auf dem Gelände der früheren Hohenburg und des nas-
sau-saarbrückischen Schlosses auf dem Homburger Schloßberg aus dem Boden
stampfte, zeitweilige Hauptstadt der französischen Saarprovinz. Es waren für die
Bevölkerung unruhige und rechtlose Zeiten. Auf diesem Boden geschah die Reka-
tholisierung. Der Haß unter den Konfessionen, der bis in unsere Zeit reichte, hat hier
seine Wurzeln. In Wiesbach war 1630 die mittelalterliche Kirche7 noch einmal reno-
viert worden. 1663 wird sie als baufällig bezeichnet. 1684 wurde sie ausgebessert.
5 Bernhard H. Bonkhoff, Die Simultankirchen im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Saar-
pfalz Heft 3,1987, S. 27-33.
6 Bernhard H, Bonkhoff, Kirchengeschichte von Limbach, in: Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 45,
1978, S. 5-30.
7 Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 52,1985, S. 47.
270
Kurz darauf begann der katholische Gottesdienst. Der neue katholische Pfarrer, der
nicht weiß, zu welchem Bistum er gehört, sagt aus, daß die Kirche bis jetzt im Eigen-
tum der Protestanten war. Ihm fehlen für die Messe die notwendigsten Gerätschaf-
ten: kein Ornat, kein Tabernakel, kein Ciborium, keine Monstranz, kein Meßbuch,
keine Servietten. Es ist auch kein Taufstein da. Die Hostien bewahrt er in einer
silbernen Kapsel auf, die er an ein Holzkreuzchen gehängt hat. Eine bischöfliche
Ernennungsurkunde kann er nicht vorweisen. Er hat nur eine Erlaubnis des Inten-
danten de la Goupilliere aus Homburg. Wie auch sonst im Westrich: Rekatholisie-
rung als Unternehmen der Krone Frankreichs. Überall entstehen Königspfarreien.
Bis zum Ende der Bourbonen hat Frankreich hier die Pfarrgehälter gezahlt, ln Wies-
bach aber entstand keine Königspfarrei. Bis in die Revolution wurde der Pfarrdienst
hier durch Mönche des Homburger Franziskanerklosters versehen*.
In den Lambsborner Kirchenakten heißt es 1697: In Wiesbach ist ein Pfarrgut, Äcker
und Wiesen, davon die welschen katholischen neuen Leute einen Teil, der katholi-
sche Pastor daselbst das Übrige genießt. Die Reformierten haben also ihr sämtliches
Pfarrgut verloren. Dies ging nicht friedlich ab: am 14. August 1698 ergriffen die
Katholiken mit „rigoros angemaßter Gewalt“ von dem neben der Kirche stehenden
Wiesbacher reformierten Schulhaus Besitz und setzten einen Homburger Pater hin-
ein9.
Die Wiesbacher Kirche wird Zug um Zug mit dem Nötigsten ausgestattet: an die Stel-
le des eingestürzten mittelalterlichen Turmes tritt ein kleiner hölzerner Dachreiter
auf dem Chorbogen. 1718 lassen sich die Reformierten eine Glocke gießen, 1723 lie-
fert Blasius Sattler aus Landau den Katholiken eine Glocke. Zu ihrer Einweihung
kam Pfalzgraf Gustav Samuel persönlich nach Wiesbach. In ihm, dem Konvertiten,
haben wir den Beschützer und Förderer des römisch-katholischen Kirchenwesens,
nachdem die Franzosen das Zweibrücker Land hatten räumen müssen. Deutlich geht
dies aus seiner Verordnung vom 23. Mai 1719 hervor:10
Ob wir schon gerne sehen mögen, dass zu besserer vnterhalt vnd Stiftung guter harmo-
nie vnd verstandniss zwischen vnseren getreuen vnterthanen hiesigen herzogthums
ohne vnterschied der religion, das simultaneum exercitium der katholischen religion an
den orthen, wo selbige kleine absonderliche kirchen oder ihren ordentlichen gottes-
dienst nicht hergebracht haben, auf die von vns gegebene gnedigste Versicherung,
durchgehends eingefuhret werde, alldieweilen aber solcher aus üblem begrief des
gemeinen Volkes noch zur zeit nicht bewerkstelliget werden können, indessen aber
vnsere katholische geistlichen vnd vnterthanen sich höchlich beschwehren, dass sie
auch an denjenigen orthen, wo sie vermog des Rysswickischen friedensschlusses zu
“ Die Pater kamen samstags nachmittags zu Fuß aus Homburg, hörten Beichte, übernachteten
in einer Stube des Pfarrhauses und gingen sonntags nachmittags wieder zurück nach Hom-
burg.
9 Zum Homburger Kloster s. Bernhard H.Bonkhoff, Die Kirchen im Saar-Pfalz-Kreis, Saar-
brücken 1987. S. 146-149.
10 Franz Xaver Remling, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer, 2 Bde.,
Mainz 1852/53, Bd. 2, S. 705 ff.
271
ihrem exercitio religionis berechtiget, von vormaliger allhiesigen Schwedischen regie-
rung beeinträchtiget und vertrieben worden: alss ergehet hiermit an sammtliche ober-
amter vnseres hiesigen herzogthums vnd in specie ans oberamt Bergzabern vnser nach-
mahliger, ernstlicher befehl, allen ihres oberamts ungehörigen gemeinden vnd
vnterthanen sogleich nachdrücklich zu bedeuten vnd aufzuerlegen, dass sie bei Vermei-
dung nachdrücklichen hinsehens, vnsere katholischen vnterthanen hei ihrem vermöge
gedachten friedensschlusses zukommenden exercitio nicht weiter beeinträchtigen, son-
dern als eines herrn vnterthanen friedlich vnd vertraulich mit einander leben. Vnd wei-
len aber aus der neulich von denen anhero deputirten reformirten Inspektoren vnd
pfarrern vnd diesfalls vbergebenen, copialiter hierbei kommenden vnterthanigsten
erklarung vnd beigefugtem verzeichnuss zu ersehen, an welchen orthen vnd kirchen die
katholischen ihren ordentlichen gottesdienst vnd casualien vnstreitig zu verrichten
haben: alls hat gedachte, gründliche examination sich darnach zu richten. Vnd weilen
vnsere katholischen geistlichen vnd vnterthanen sich beschwehren, dass ihnen an denen
orthen, wo sie fur die casualien zu verrichten, die mess zugleich dabey zu halten bis
dahero verwehrt werden wollen, in vnseren katholischen kirchen aber also brauchlich,
dass bei copulationen, taufen oder begrabnussen auch die mess zugleich gehalten wird:
alss ist vnser gnädigster befehl, dass bei solchen casualien solches gleichfalls zu thun
nicht weiter verhindert werde, jedoch dass sie vnsere katholischen geistlichen vnd
vnterthanen solchenfalls vm die reformirten nicht zu verhindern vnd zur verhuthung
aller inconvenienzien vnd desordre, die ornamenta jedesmahlen wieder aus der kirche
tragen, oder in einem absonderlichen in die mauer machenden verschlossenen schrank
verwahren sollen. Es sollen auch vnsere katholischen vnterthanen nicht verhindert
werden benothigte Schulmeister von ihrer religion anzunehmen, jedoch dass solches
ohne praejudiz vnd ohnabbruchig der reformirten schulen vnd auf ihr der katholischen
selbsteigne kosten geschehe. Vnd demnach wir auch missfällig vernehmen müssen, dass
unterm 12. dieses wegen der bey vnserer katholischen religion annoch üblichen proces-
sionen ergangenen generalverordnung, nicht gebührend nachgelebet, auch solche theils
übel verstanden worden vnd dadurch leichtlich allerhand gefährliche thatlichkeiten ent-
stehen können, vnsere gnädigste intension aber gar nicht dahin gangen, dass solche
processionen durchgehends ohne vnterschied, in allen kircben, sondern nur in denjeni-
gen, wo katholische ihren ordentlichen gottesdienst vnd casualien hergebracht, gehalten
werden sollen: alss wird solche vnsere gnädigste intension denen sammtlichen oberam-
tern vnseres hiesigen herzogthums hiemit ebenfalls wissen gemacht, mit befehl solches
den katholischen sowohl, als den reformirten, wie auch denen Lutherischen im amte
Katharinenburg sogleich zu publicieren, damit sie deme also bei nächst bevorstehen-
dem frohnleichnamstag sowohl, als künftig hingehorsamlich nachleben vnd kein theil
den andern, bei Vermeidung nachdrücklicher bestrafung, es seye mit Worten oder
wercken, im geringsten nicht molestiren sollen. Vnd damit die vnterthanen vm so mehr
in ihrer devotion vnd schuldigen gehorsame erhalten werden, seyend sie dessen mit
Zuziehung der geistlichen von beiden religionen aufs nachdrücklichste zu erinnern, vm
ihnen zu bedeuten, dass sie sich nicht gelüsten lassen sollen, sich vnserer ordres gewalt-
thatiger weiss zu widersetzen, sondern als gehorsame vnterthanen zu verweisen, dessen
wir vns vm so mehr versehen, alss vnser absehen vnd meinung gantz nicht ist, ihnen in
ihren religionen einigen eintrag zu thun, noch sie im geringsten zu kranken, sondern
272
nur vnsere katholische religion in den stand, wie solche vor diesem bey dem Ryswicki-
schen friedensschluss gewesen, restituiret vnd gelassen werden sollen, welches alles
vnsere oberamter in execution zu setzen vnd sich, so lieb ihnen ist vnsere fürstliche
hulde vnd gnaden zu conserviren vnd bey vertust ihrer dienste ein für allemahl darnach
zu richten.
Die beiden Konfessionen teilen sich die Benutzung der Wäesbacher Kirche. Anfangs
haben die Reformierten längst nicht jeden Sonntag Gottesdienst. Bis 1698 wird nur
viermal im Jahr Gottesdienst vom Waldmohrer Pfarrer gehalten, jedesmal mit
Abendmahl. Später kommt der Lambsborner Pfarrer alle 14 Tage zum Gottesdienst
nach Wiesbach. Die Franziskaner aus Homburg kommen aber jeden Sonntag zu Fuß
nach Wiesbach und halten die Messe. In den Lambsborner Kirchenakten wird die
Situation 1721 wie folgt beschrieben: zu Wiesbach haben die Katholiken seit der
Reunionszeit das Simultaneum unter der Voraussetzung, daß sie den Evangelischen
nicht hinderlich sind. Seitdem aber der Homburger Pater, der hier Dienst tut, vor
etlichen Jahren den evangelischen Pfarrer gebeten, er möchte ihn doch zuerst seinen
Dienst tun lassen, werden sie jetzt fast gar nicht fertig, so daß der Pfarrer nicht auf die
anderen Dörfer gehen kann zu predigen; außerdem haben sie dem Pfarrer ein Stück
Garten weggenommen und eingezäunt. Der katholische Schulmeister wohnt in einem
Häuschen, das der Pfarrei gehört". Daraufhin verfügt am 30. April 1721 Herzog
Gustav Samuel, daß sich in Wiesbach beide Konfessionen in Güte vergleichen soll-
ten. Der Pater habe seinen Gottesdienst so einzurichten, daß die Reformierten nicht
behindert würden12.
Eine Zweibrücker Regierungsverordnung vom 5. Januar 1753 legte dann fest, daß die
Katholiken am Sonntagmorgen zuerst ihren Gottesdienst in Wiesbach zu halten hät-
ten, ab '/2 10 Uhr müsse die Kirche dann den Protestanten zur Verfügung stehen.
Pfarrer Richter schreibt 1843 in der Pfarrbeschreibung: „und diese hohe Verordnung
besteht noch bis auf den heutigen Tag, wird aber häufig von den Katholiken nicht
gehalten, denn diese bleiben oft über die ihnen bestimmte Zeit in der Kirche, so daß
die Protestanten in der Zeit ihres Gottesdienstes beeinträchtigt werden, und sich
schon oft hinsichtlich dieser Beeinträchtigung über die Katholiken beschweren muß-
tenu!3.
Neben der Kirchenbenutzung war die Abhaltung von Prozessionen ein Stein des
Anstoßes. Am 1. März 1753 fand in Wiesbach die erste Prozession statt: die Prote-
stanten verfassen einen Beschwerdebrief. 1766 veranstalten die Katholiken erstmals
eine Osterprozession. 1768 steifen sie auf dem Altar der Kirche zwei geschnitzte
Mannsbilder, so der Ausdruck in den reformierten Kirchenakten'4, und Altarleuchter
auf, bis zum heutigen Tag für die Reformierten ein Greuel, denn in 2. Mose 20 heißt
" Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 9, 1933, S. 21.
,2 Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 52,1985, S. 50.
13 Pfarrbeschreibung Wiesbach im LKA Speyer, vgl. Bll. f. pfälz. Kirchengesch. 52,1985, S. 50.
14 Bernhard H. Bonkhoff und Friedrich Neumann, Lambsborn, ein Dorfbuch, Lambsborn
1983.
273
es: Du sollst dir kein Bildnis machen! Pfarrer und Presbyter protestieren. Am 12. Mai
1771 wird eine Prozession von Labach nach Wiesbach veranstaltet. Ab 1775 findet
alljährlich in Wiesbach eine Fronleichnamsprozession statt. In der Kirche werden
Fahnen aufgehängt. Die Zweibrücker Regierung reagierte nur langsam auf die refor-
mierten Beschwerden aus Wiesbach. Wenn aber eine Maßregelung bezüglich des
katholischen Kultus ausgesprochen wurde, fand sie im Ort keine Beachtung. Die
Reformierten wurden so mit der Zeit ihrer Beschwerden überdrüssig und resignier-
ten.
Man arbeitete nur dort zusammen, wo es unbedingt nötig war. 1779 wurde etwa das
morsch gewordene Türmchen durch einen neuen Dachreiter ersetzt. Das gleiche
geschah 1830. Von 1884 bis 1886 wird die Kirche umfassend renoviert. Beide Konfes-
sionen zahlen die Hälfte. Der Friedhof um die Kirche wird von beiden Konfessionen
gemeinsam benutzt. Auch die zahlreichen Parochialorte der Wiesbacher Kirche
haben hier ihr Begräbnis. Erst im 19. Jahrhundert werden dort eigene Friedhöfe
angelegt15.
Für 1779 ist folgende Baupflicht an der Wiesbacher Kirche überliefert: Langhaus:
Zweibrücker Landschreiberei-Gefälle; Chor und Turm: Gemeinde, ebenso für
Gestühl und Empore, Schulhaus, Kirchhof und Kirchhofmauer. Wie die Kirchen von
Lambsborn und Großbundenbach besaß auch die Wiesbacher Kirche ein mittelalter-
liches Beinhaus. Dieses befand sich an der Stelle des späteren katholischen Schulhau-
ses, das 1771 dem neuen katholischen Pfarrhaus Platz machen mußte. Die Protestan-
ten hatten 1748 vergeblich versucht, dieses Schulhaus wieder in ihren Besitz zu
bekommen16. Vorsorglich haben die Wiesbacher Katholiken auf allen vier Ecksteinen
des neuen Pfarrhauses die Inschrift: „Katholisches Pfarrhaus 1771“ eingehauen, wie
es jetzt noch im Untergeschoß des heute privaten Hauses zu sehen ist. 1787 wird an
die Kirche eine Sakristei angebaut, damals ist bereits der bekannte Pfarrer Michael
Schang Ortspfarrer in Wiesbach17. Die Kirche ist, wie ein 1875 vor dem Zweibrücker
Notariat geschlossener Vertrag zwischen beiden Konfessionen zwecks Erbauung
einer neuen Sakristei zeigt, im ausschließlichen Besitz der Protestanten, die Katholi-
ken haben lediglich das Simultanrecht.
Der ständige Streitpunkt war bis zum Einzug der Katholiken in ihre neuerbaute Kir-
che im Jahre 1914 das Zeichenläuten für den protestantischen Gottesdienst während
der Meßfeier. Außerdem gab es immer wieder Verwicklungen durch die Tatsache,
daß die Katholiken den Altartisch der Protestanten zur Seite rückten, um den Chor
für ihren Gottesdienst frei zu haben. In mehreren Kirchen der Pfalz waren zu diesem
15 Mörsbach 1818, s. Bernhard H. Bonkhoff, Mörsbach, ein Dorfbuch, Mörsbach 1988; Käsh-
ofen 1825, Rosenkopf 1828, Krähenberg 1832.
16 Pfarrgedenkbuch Wiesbach 1741-1931.
17 Dieter Blinn, Johann Michael Schang, Pfarrer in Wiesbach von 1781-1803 (Heimatkalender
1982 für das Pirmasenser und Zweibrücker Land), Rengsdorf 1981, S. 172-177; ders.. Aus
Wiesbachs Vergangenheit (Heimatkalender 1983 für das Pirmasenser und Zweibrücker
Land), Rengsdorf 1982, S. 64-71.
274
Zweck Altäre auf Rollen üblich. Der letzte steht in der Simultankirche zu Rohrbach
bei Landau. 1907 wurde endlich der Vertrag zur Auflösung des Simultaneums
geschlossen, seit 1914 hat Wiesbach zwei Kirchen. Ab und zu finden ökumenische
Gottesdienste statt. Der katholische Kirchenchor singt auch bei den Beerdigungen
der Protestanten.
275
Hans Ammerich
Auswirkungen des Simultaneums im kirchlichen Alltag
dargestellt an Beispielen
aus dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken
„Seit 250 Jahren“, so liest man im „Christlichen Pilger“ des Jahres 1931, „zieht sich
durch die pfälzische Kirchengeschichte wie ein Faden das Simultaneum. Es ist jedoch
kein goldener Faden, sondern ein richtiger Ariadnefaden, der durch ein Labyrinth
von Irrungen und Streitigkeiten geht“1. Der Begriff Simultaneum ist eine Abkürzung
für simultaneum exercitium diversae religionis in eadem ecclesia2; Simultaneum
„besagt die Benutzung ein und derselben kirchlichen Einrichtung, einer Kultstätte
oder eines Kultgegenstandes, durch die Angehörigen verschiedener Konfessionen.
Das Simultanrecht ist das Recht mehrerer, ein und dieselbe Sache zu gebrauchen“3.
Durch das kanonische Recht ist die gemeinschaftliche Benutzung einer katholischen
Kirche durch Katholiken und Nichtkatholiken grundsätzlich verboten, doch kann es
unter besonderen Umständen zu einer Mitbenutzung der gleichen Gottesdienststätte
durch verschiedene Religionsgemeinschaften kommen4. Diesen Zustand bezeichnete
die alte Rechtssprache gern als simultaneum crudum, als grausames, gefährliches
Simultaneum, im Gegensatz zu dem sog. simultaneum innoxium, dem unschädlichen,
harmlosen Simultaneum; darunter verstand man die Tatsache, daß verschiedenkon-
fessionelle Gottesdienste wohl im selben Ort, jedoch in verschiedenen Kirchen gehal-
ten wurden5 6.
Zum Simultaneum findet sich im „Monatlichen Staats-Spiegel“ im November/
Dezember 1698 die folgende Äußerung: Und hatte ein gewisser Reformirter zu Hey-
delherg gedachte Einführung des Simultanei einer Pasteten von allerhand Speisen ver-
glichen, welche zwar ä la mode sey, sich aber vor viele Teutsche Mägen, welche Simpli-
cia liebten, nicht schicken wolle, und leichtlich allerhand Kranckheiten nach sich
ziehen könneh. Die Simultaneen haben tatsächlich Anlaß zu Streitigkeiten gegeben:
1 J(oseph) Hoffman(n), Geschichte des kirchlichen Simultaneums und der Wiederein-
führung der katholischen Religion in der Pfalz, in: Der christliche Pilger 84 1931, S. 438ff, hier
S. 438.
2 Zum Begriff „Simultaneum“: Franz Letzelter, Die historische Entwicklung der Rechts-
grundlage der rheinpfälzischen Simultankirchen, mit besonderer Berücksichtigung der Simul-
tankirche in den terres contestées. Diss. Jur. Heidelberg 1954, S. 1 - 11; Kurt Rosendorn,
Die rheinhessischen Simultankirchen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Eine rechtsge-
schichtliche Untersuchung (Quellen und Abhandlungen zur mittelrhein. Kirchengesch. 3),
Speyer 1958, S. 1 - 3: Georg May, Die Simultankirche in Zweibrücken vornehmlich zur Zeit
des Bischofs Joseph Ludwig Colmar von Mainz (1802 - 1818) 1. Teil, in: Zeitschr. d. Savigny-
Stiftung für Rechtsgesch. 92, Kanon. Abt. LXI (1975) S. 258 - 323, hier 258 - 260; Paul
Warmbrunn, Simultaneen in der Pfalz, in: Jb. f. westdt. Landesgesch. 14 1988 S. 97 - 122,
hier 99f.
3 May (wie Anm. 2) S. 258f.
4 Ebenda S. 258.
5 Rosendorn (wie Anm. 2) S. 1.
6 Zitat nach Burcard Gotthelf Struve, Ausführlicher Bericht von der Pfälzischen Kirchen-
Historie, von Beginn der Reformation an, bis auf gegenwärtige Zeiten, Frankfurt 1721 S. 769;
Rosendorn (wie Anm. 2, S. 3) spricht davon, daß der Simultanstatus einer Kirche „immer
ein ungesunder Ausnahmezustand“ gewesen ist.
277
So sind die gemeinsame Benutzung von Kirchen, Friedhöfen, Kultgegenständen
(Glocken, Kanzel, Orgel, Altar u. a. m.) zu Streitpunkten geworden.
I
Eine größere Anzahl von Simultankirchen hat sich in den konfessionell gemischten
Gegenden Deutschlands, insbesondere im Südwesten, erhalten7 8 9. Das „Simultaneum
an Kirchen (ist) ein eigentümliches, lediglich ... durch besondere historische Ver-
hältnisse hervorgerufenes Rechts-Institut148. Aufgrund der französischen Reunionspo-
litik waren bis 1680 das Gebiet zwischen Selz und Queich sowie große Teile der
Westpfalz unter die Oberhoheit des französischen Königs gekommen'7; zwei Jahre
später, 1682, trat der pfälzische Kurfürst Karl das Oberamt Germersheim an Frank-
reich gegen eine jährliche Entschädigungssumme ab10 11. Die Metzer Reunionskammer
- sie wurde im Oktober 1679 eingerichtet und 1686 aufgelöst - „verfügte aufgrund ins
Mittelalter zurückreichender Abhängigkeiten reichsständischer Gebiete von den
Bistümern Metz, Tout und Verdun unter Berufung auf Artikel 70 des Westfälischen
Friedens deren .Wiedervereinigung4 (= Réunion) mit dem Königreich Frankreich44";
die angegliederten Gebiete wurden in der französischen „Saarprovinz44 zusammenge-
faßt12 13.
Nachdem 1684 im „Waffenstillstand“ von Regensburg das Reich die französischen
Annexionen zunächst für die Dauer von 20 Jahren anerkannt hatte, wurden von
Frankreich in den besetzten Gebieten Rekatholisierungsmaßnahmen eingeleitet'3.
Der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung der reunierten Gebiete erhöhte sich
nunmehr; doch waren für die Katholiken zunächst keine Kirchen vorhanden. Auch
diejenigen Kirchen, die der französische König für die katholische Bevölkerung
erbauen und dotieren ließ, reichten bald nicht mehr aus. Seitens der französischen
Behörden begann man nun, den neu entstandenen katholischen Gemeinden das Mit-
benutzungsrecht an reformierten Kirchen einzuräumen. Am 21. Dezember 1684
erließ der seit 1681 in Homburg (seit 1685 in Saarlouis) residierende französische
7 Beispiele bei Warmbrunn (wie Anm. 2) S. 101.
8 Paul Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, 4.
Bd„ Abtlg. I: System des Katholischen Kirchenrechts mit Rücksicht auf Deutschland, Berlin
1886, S. 368.
9 Hans-Walter Herrmann, Die Religionspolitik König Ludwigs XIV. in den eroberten
linksrheinischen Reichsgebieten, in: Bl. f. Pfalz. Kirchengesch. und religiöse Volkskunde 52
1985 S. 17 - 44. hier S. 18.
10 Herrmann (wie Anm. 9) S. 18; Warmbr unn (wie Anm. 2) S. 104.
11 Herrmann (wie Anm. 9) S. 19.
12 Zur Saarprovinz: Hans-Walter Herrmann, Das Königreich Frankreich, in: Kurt Hopp-
städter, Hans-Walter Herr mann, Hanns Klein (Hrsg.), Geschichtliche Landeskunde
des Saarlandes, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der französischen
Revolution, Saarbrücken 1977, S. 439 - 459; ders. (wie Anm. 9) S. 19.
13 Herrmann (wie Anm. 9) S. 22 - 27; Warmbrunn (wie Anm. 2) S. 104.
278
Intendant Antoine Bergeron. Sire de la Goupilliére14, ein Edikt15, in dem den Katholi-
ken der Saarprovinz entweder eine von mehreren Kirchen zugewiesen oder der
Simultangebrauch in protestantischen Kirchen eingeräumt wurde. Wo nur eine Kir-
che vorhanden war, wurde den Katholiken der Chor zur Mitbenutzung zugewiesen'6;
wenn nötig, sollte der Chor vom übrigen Kirchenraum abgetrennt werden. Den
Katholiken wurde dagegen untersagt, zur Zeit des protestantischen Gottesdienstes
die Kirche zu betreten.
Das Edikt de la Goupilliéres war bis zum Inkrafttreten des Friedens von Rijswijk
(1697) für die zu errichtenden Simultaneen die „formale Rechtsgrundlage“; es „ver-
schaffte den Katholiken einmal die gesetzliche Existenz und die freie Religionsaus-
übung, die ihnen bisher versagt worden war, zum anderen das Mitbenutzungsrecht an
Kirchen, Friedhöfen und Glocken17“. Zwar galt der Erlaß de la Goupilliéres nur für
das seiner Verwaltung unterstellte Gebiet; doch wurde er im Pfälzischen Erbfolge-
krieg auf alle von den französischen Truppen besetzten Gebiete ausgedehnt1“.
Durch den Straßburger Intendanten Jacques de la Grange wurde im Elsaß und den
nördlich angrenzenden reunierten Gebieten das Simultaneum in zahlreichen Kirchen
eingeführt; mindestens sieben ortsansässige katholische Familien waren für die Ein-
führung des Simultaneums maßgebend19 20.
Die Einführung des Simultaneums gab zu manchen Mißhelligkeiten Anlaß. Die
Reformierten beharrten auf ihren Rechten, und so kam es zu verschiedenen Zwi-
schenfällen, insbesondere bei der Besitzergreifung der Kirchen durch die katholi-
schen Geistlichen. Der Fall des reformierten Pfarrers Beuther aus Bergzabern erreg-
te das meiste Aufsehen2". Unter Berufung auf die von den Franzosen früher
gemachten Zusicherungen verweigerte Beuther die Auslieferung des Kirchenschlüs-
sels. Diesen Widerstand mußte er mit dem Verlust seines Amtes, einer vierwöchigen
14 Zu Antoine Bergeron, Sire de la Goupillière: Georges Livet, L’Intendance d’Alsace sous
Louis XIV 1648 - 1715, Strasbourg 1956, S. 427 Anm. 4; Herrmann (wie Anm. 12) S. 454f.
15 Lateinische und deutsche Kopie des Edikts: LA Speyer Best. B 2 Nr. 164/7 fol. 237r - 238r;
gedruckt u. a. bei Johann Jacob Moser, Vollständiger Bericht von der so berühmt als fata-
len Clausula articuli IV. pacis Ryswicensis ..., Frankfurt 1732, S. 3; vgl. May (wie Anm. 2)
S. 294-296; Herrmann (wie Änm. 9) S. 29f; Warmbrunn (wie Anm. 2) S. 104.
16 Herrmann (wie Anm. 9) S. 29, sieht „die Gründe für die Zuweisung des Chores an die
Katholiken ... nicht so sehr im Verhältnis der Größe des Kultraumes zu den meist wenigen
Familien der katholischen Minderheit, als in der besonderen Hochschätzung des Chores als
Ort des Altares und der stabilitas loci“.
17 May (wie Anm. 2) S. 295.
18 EbendaS. 296.
19 Livet (wie Anm. 14) S. 440f; Louis Chäteliier, Tradition chrétienne et renouveau catho-
lique dans le cadre de l’ancien diocèse de Strasbourg (1650 -1770), Paris 1981, S. 305 - 326.
20 Otto Jung, Michael Philipp Beuther. Generalsuperintendant des Herzogtums Zweibrücken.
Ein Beitrag zur Pfälzischen Reformationsgeschichte (Veröffentl. d. Ver. für Pfälz. Kirchen-
gesch. V), Landau 1954, S. 87f; Kurt Baumann, Staatsräson und Toleranzidee in der zwei-
brückischen Kirchenpolitik des 18. Jahrhunderts, in: Kurt Andermann (Hrsg.), Von
Geschichte und Menschen der Pfalz. Ausgewählte Aufsätze von Kurt Baumann, Speyer 1984,
S. 65 - 89, hier S. 70f.
279
Gefangenschaft in Straßburg, 100 Talern Geldstrafe und der Ausweisung bezahlen.
Dieser Vorfall verfehlte freilich „seinen Eindruck auf die noch in abwartender Hab
tung oder in passiver Resistenz verharrenden reformierten Geistlichen nicht21“.
11
Im folgenden soll die wechselvolle konfessionelle Entwicklung in Pfalz-Zweibrücken
nach der Reformation in kurzen Zügen nachgezeichnet werden22. Herzog Wolfgang
(1543 - 1569) erließ 1557 nach kurpfälzischem und württembergischem Vorbild eine
Kirchenordnung, die das lutherische Bekenntnis als Landesreligion festigte. Nach
Wolfgangs Tod 1569 übernahm dessen zweiter Sohn Johann I. (1575 - 1604) die
Regierung Pfalz-Zweibrückens. Bedeutungsvoll für seine Regierungszeit ist die Ein-
führung der reformierten Lehre in seinem Territorium. Seit Johanns Übertritt vom
lutherischen zum reformierten Bekenntnis im Jahr 1588 wurde die reformierte Lehre
stark begünstigt. Unter Johann II. (1604 - 1635), Friedrich (1635 - 1661) und Fried-
rich Ludwig (1661 - 1681) war sie die dominierende Religion. Lutherische Gemein-
den blieben in denjenigen Kondominaten bestehen, in denen sich Pfalz-Zweibrücken
mit lutherischen Fürsten die Landesherrschaft teilte. Die Katholiken konnten in der
Zeit nach 1648 den während des Kriegs mit spanischer Hilfe erreichten Besitzstand
nicht halten. Als Pfalz-Zweibrücken nach dem Tod Friedrich Ludwigs 1681 an die
Kleeburger oder Schwedische Linie fiel, kam es zunächst in der Zeit der französi-
schen Reunion zur Einwanderung von Lutheranern und Katholiken. Unter den
Rekatholisierungsmaßnahmen litt Pfalz-Zweibrücken allerdings weniger als die Kur-
pfalz23.
Erst nach dem Rijswijker Frieden (1697) hatte der schwedische König, der bisher nur
nominell Herr des von Frankreich kontrollierten Landes war, seine Herrschaft antre-
ten und eine schwedische Verwaltung einrichten können24. Karl XII. erkannte zwar
die Religionsklausel des Vertrags von Rijswijk nicht an, verzichtete aber - aus Rück-
sicht gegenüber Frankreich - auf die wortgetreue Auslegung des Artikels IX des Rijs-
wijker Friedensvertrags, wonach ihm Pfalz-Zweibrücken mit allen Rechten nach den
Bestimmungen des Westfälischen Friedens zurückgegeben werden sollte, was das
Ende der öffentlichen katholischen Religionsausübung im Herzogtum bedeutet
hätte25. Der bestehende Zustand wurde aber stillschweigend geduldet, und so konn-
21 Baumann (wie Anm. 20) S. 71.
22 Zum folgenden: Hans Ammerich, Landesherr und Landesverwaltung. Beiträge zur Regie-
rung von Pfalz-Zweibrücken am Ende des Alten Reiches (Veröffentl. d. Kom. für Saarländ.
Landesgesch. und Volksforschung XI), Saarbrücken 1981, S. 95 - 98.
23 Zu den kurpfälzischen Verhältnissen siehe Alfred Hans, Die kurpfälzische Religionsdekla-
ration von 1705. Ihre Entstehung und Bedeutung für das Zusammenleben der drei im Reich
tolerierten Konfessionen (Quellen und Abhandlungen zur mittelrhein. Kirchengesch. Bd. 18),
Mainz 1973, S. 11-35.
24 Lothar K. Kinzinger, Schweden und Pfalz-Zweibrücken. Probleme einer gegenseitigen
Integration. Das Fürstentum Pfalz-Zweibrücken unter schwedischer Fremdherrschaft (1681 -
1719), Zweibrücken 1988.
25 Zur schwedischen Religionspolitik ausführlich Kinzinger (wie Anm. 24) S. 546 - 586; 761 -
770; Warmbrunn (wie Anm. 7) S. 111.
280
ten an verschiedenen Orten katholische Gemeinden weiterbestehen. Es kam zu
einem Nebeneinander der drei Konfessionen, wobei auch Simultaneen begründet
wurden. Dies gilt auch für Zweibrücken, wo in der Alexanderkirche bereits seit 1684
aufgrund des Edikts Goupilliéres das Simultaneum eingerichtet worden war. Somit
bestand in Zweibrücken wieder eine katholische Pfarrei, deren erster Pfarrer Karl
Desiderius Royer (1684 - 1690)26 war.
Ein 1698 veröffentlichtes Einwanderungspatent gestattete auch Lutheranern völlige
Gewissensfreiheit und freie Religionsausübung. Nun begann sich die lutherische Kir-
che in Pfalz-Zweibrücken neu zu formieren27. Bereits im gleichen Jahr läßt sich in
Zweibrücken eine lutherische Gemeinde nachweisen, deren Pfarrer aus den Einkünf-
ten der Reformierten bezahlt wurde2*. Da in der Alexanderkirche aufgrund der
Ordonnanz vom Dezember 1684 das Simultaneum eingerichtet und die Kirche an die
reformierte und die katholische Gemeinde vergeben worden war, wies man den
Lutheranern einen Saal im ehemaligen Bibliotheksbau des Residenzschlosses zu; die-
ser Raum reichte jedoch wegen der ständig zunehmenden Zahl der lutherischen
Gemeinde schon bald nicht mehr aus29. Der schwedische Gouverneur Oxenstierna
konnte schließlich erreichen, daß die Reformierten und die Katholiken auch den
lutherischen Gottesdienst in der Alexanderkirche zuließen30. Es war somit die Situati-
on eines Trimultaneums gegeben - wenn auch nur für kurze Zeit! Am 4. Juni 1699
wurde der erste Gottesdienst der lutherischen Gemeinde in der Alexanderkirche
gehalten. Karl XII. war jedoch damit nicht einverstanden und wies Oxenstierna am
14. Juni 1699 an, diese Maßnahme wieder aufzuheben31. Der König befürchtete wohl,
daß sich die Reformierten wie die Katholiken auf dem Reichstag über Eingriffe in ihr
Kirchenwesen beklagen würden; außerdem wollte er nicht zulassen, daß die lutheri-
sche Gemeinde bei der Festlegung der Gottesdienstzeiten Nachteile hätte hinnehmen
müssen32.
Als im Jahr 1707 die lutherische Gemeinde bis zur Fertigstellung einer eigenen Kir-
che, der Karlskirche, einen größeren Raum für ihren Gottesdienst benötigte, änderte
Karl XII. seine Meinung: Er befahl am 27. Januar 1707, da der Saal im Residenz-
schloß für die inzwischen stark angewachsene Gemeinde zu klein geworden war. in
der Alexanderkirche statt dem katholischen ein lutherisches Koexerzitium einzurich-
ten33. Der katholischen Gemeinde sollte als Ersatz der Saal im Schloß als Gottes-
26 Friedrich BUtters, Royer, der erste kathol. Pfarrer nach der Reformation in Zweibrücken,
in: Pfälzisches Memorabile, Teil X oder 6. Nachtrageheft, Westheim 1882, S. 30 - 68.
27 Kinzinger (wie Anm. 24) S. 548ff; May (wie Anm. 2) S. 310 - 313.
28 Georg Biundo, Geschichte der lutherischen Gemeinde in Zweibrücken, in: Die Karls-
kirche in Zweibrücken, Zweibrücken 1970, S. 44-61, hier S. 57f; Kinzinger (wie Anm. 24)
S. 556.
29 Kinzinger (wie Anm. 24) S. 555 - 557.
30 Ebenda S. 557f.
31 EbendaS. 558.
32 Ebenda.
33 Ebenda; bei May (Anm. 2) S. 310 wird als Datum der 27. Februar 1707 angegeben!
281
dienstraum zugewiesen werden. Als sich der katholische Geistliche widersetzte, ord-
nete der König am 23. April 1707 an, daß die Katholiken notfalls mit Gewalt zu ver-
treiben wären; er hielt sich aufgrund des Artikels IX des Friedens von Rijswijk zu
einem solchen Schritt für berechtigt - seiner Meinung nach hob Artikel IX den von
ihm nie anerkannten Artikel IV auf. Diese Anordnung wurde jedoch nicht durchge-
führt34. Die Lutheraner hielten ihren Gottesdienst im Schloß ab bis zur Fertigstellung
der Karlskirche im September 1710. „Daß es ... nicht zu einem lutherischen Koexerzi-
tium in Zweibrücken kam, lag weniger an dem katholischen Widerstand als vielmehr
an der Uneinigkeit der Calvinisten und Lutheraner, die wegen der Gottesdienstzeiten
keine Übereinkunft zu erzielen vermochten“35.
Es trug nicht zum konfessionellen Frieden bei, wenn die Reformierten in Orten, in
denen sich mehrere Lutheraner angesiedelt hatten, ihre Kirche zum Simultange-
brauch zur Verfügung stellen mußten und des weiteren zur Bestreitung der Kosten
des lutherischen Kirchen- und Schulwesens herangezogen wurden. Die konfessionel-
len Spannungen verschärften sich noch, als in der folgenden Zeit Lutheraner bei der
Vergabe von öffentlichen Stellen bevorzugt wurden’6.
Inwieweit der Katholizismus durch die Anwesenheit des vertriebenen Polenkönigs
Stanislaus Leszczynski „neuen Auftrieb“37 erhielt, läßt sich kaum beurteilen. Vier
Jahre lang lebte Stanislaus mit seinem kleinen, fast ausschließlich aus Katholiken
bestehenden Hofstaat in Zweibrücken. Als „persona grata“ bei Karl XII. konnte er
sich es leisten, mit dem schwedischen Gouverneur Stralenheim, einem eifrigen
Lutheraner, einen Streit wegen des Simultaneums in der Alexanderkirche auszutra-
gen38. Die Auseinandersetzung mit dem Polenkönig hat sicherlich dazu beigetragen,
daß Stralenheim seine Stellung im August 1718 verlor. Nun wurde ein Vertrauter Sta-
nislaus’, der Pole Poniatowsky, ein Katholik, zum Gouverneur Pfalz-Zweibrückens
ernannt.
Als nach dem Tod Karls XII. (1718) mit Gustav Samuel Leopold ein Katholik - im
Oktober 1696 war er in Rom zum katholischen Glauben übergetreten - die Regie-
rung übernahm, entstanden in Pfalz-Zweibrücken auch wieder neue katholische
Gemeinden39. Der neue Landesherr erklärte 1719 die Religionsfreiheit für alle drei
34 Abschriften des Reskripts: Kirchenschaffneiarchiv (KSchA) Zweibrücken Abteilung IV Nr.
4048; VI Nr. 1241; VI Nr. 1255 S. 10 -11; K i nzi nge r (wie Anm. 24) S. 558.
35 Kinzinger (wie Anm. 24) S. 558.
36 Johannes Müller, Die Vorgeschichte der Pfälzischen Union. Eine Untersuchung ihrer
Motive, ihrer Entwicklung und ihrer Hintergründe im Zusammenhänge der allgemeinen Kir-
chengeschichte (Untersuchungen zur Kirchengeschichte Bd. 3), Witten 1967, S. 53.
37 Baumann (wie Anm. 20) S. 72; dagegen Kinzinger (wie Anm. 24) S. 763: „Der Aufent-
halt der streng katholischen polnischen Königsfamilie hat sich offenbar in keiner Weise auf
die Haltung der Regierung gegenüber den Katholiken ausgewirkt. Nirgends lassen sich Hin-
weise finden, daß sich Stanislaw I. und seine Angehörigen für einen größeren Einfluß ihrer
Konfession eingesetzt oder die staatlichen Maßnahmen bestimmt hätten“. Kinzinger
kommt zu dem Ergebnis, „daß die Regierung auch während der Anwesenheit des polnischen
Hofs den Katholiken gegenüber kein größeres Entgegenkommen zeigte“ (ebenda).
38 Baumann (wie Anm. 20) S. 72; May (wie Anm. 2) S. 311.
39 Zum folgenden A m m e r i c h (wie Anm. 22) S. 97.
282
im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen. Er bestätigte am 14. Januar
1719 die Rechte der Reformierten, versicherte am 20. Januar 1719 den Lutheranern
die freie Ausübung ihrer Religion, stellte am 28. Januar Katholiken und Protestanten
beim Eingehen von Mischehen gleich. Am 24. April 1719 richtete er das reformierte
Oberkonsistorium, dem nach seiner Einsetzung durch Friedrich Ludwig im Jahr 1665
nur eine kurze Dauer beschieden war, wieder ein.
In Pfalz-Zweibrücken sollte nun eine Zeit der Begünstigung der Katholiken einset-
zen, die auch auf die katholische Gemeinde in der Residenzstadt Zweibrücken Aus-
wirkungen hatte. Gustav Samuel Leopold ließ am 25. März 1719 die reformierten
Inspektoren wissen, daß er es gern sehen würde, wenn sie dort, wo die Katholiken
keine eigene Kirche hätten, diesen die reformierte Kirche zur Abhaltung ihres Got-
tesdienstes zur Verfügung stellen würden40. Das reformierte Oberkonsistorium
erklärte sich bereit, das Simultaneum an den Orten zuzulassen, in denen es seit dem
Rijswijker Frieden bestand41. Am 23. Mai 1719 erließ der Herzog ein Reskript42 an die
Oberämter, daß die Katholiken nicht in ihrer Religionsausübung beeinträchtigt wer-
den sollten; dies bedeutete, den Katholiken war das Simultaneum einzuräumen,
soweit sie dazu aufgrund des Friedens von Rijswijk berechtigt waren. 1720 bestanden
in Pfalz-Zweibrücken insgesamt 37 Simultaneen, eine Anzahl, die in späterer Zeit nie
wieder erreicht wurde43. Zur Besoldung der katholischen Geistlichen mußte das
reformierte Oberkonsistorium neben Zuschüssen von Gustav Samuel jährlich 500 fl.
zur Verfügung stellen44 - ein Betrag, der bis 1792 gezahlt wurde45. Gegen das Vorge-
hen Gustav Samuels erhoben die Zweibrücker Reformierten sowie die deutschen
Protestanten in den Jahren 1719 bis 1721 mehrfach Protest. Nachdem der Kaiser ein
Mandat erlassen hatte, wonach die Neuerungen aufzuheben seien und die Katholiken
nur den in der Schwedenzeit erlangten Status behalten sollten, wurden am 24. Febru-
ar 1721 von Gustav Samuel die zugunsten der Katholiken getroffenen Maßnahmen
zum größten Teil wieder rückgängig gemacht4*.
Den Lutheranern, die bis 1720 keine eigenen Gefälle hatten, wurde im Rahmen eines
Vergleichs47 von den Reformierten zur Salvierung ihrer Pfarrer und Schuldiener jähr-
lich 1200 Gulden und Naturalien zugesichert. Daß damit der konfessionelle Frieden
keineswegs hergestellt war, zeigt ein offenbar nur handschriftlich verbreitetes Hetz-
40 KSchA Zweibrücken IV Nr. 1169; May (wie Anm. 2) S. 313.
41 KSchA Zweibrücken IV Nr. 1255 S. 16.
42 Ludwig Molitor, Urkundenbuch zur Geschichte der ehemals Pfalzbayerischen Residenz-
stadt Zweibrücken, Zweibrücken 1888, S, 196 - 199, hier S. 197f.
43 May (wie Anm. 2) S. 313f.
44 Molitor (wie Anm. 42) S. 199-202.
45 Biundo (wie Anm. 28) S. 58.
46 May (wie Anm. 2) S. 314.
47 Beschluß des Corpus Evangelicorum vom 4. Oktober 1720 zu dem Vergleich zwischen Refor-
mierten und Lutheranern vom 8. Juni 1720 bei E. Chr. W. v. Schauroth, Vollständige
Sammlung Aller Conclusorum, Schreiben Und anderer übrigen Verhandlungen des Hoch-
preißlichen Corporis Evangelicorum Von Anfang Des jetzt fürwährenden Hochansehnlichen
Reichs-Convents Bis auf die gegenwärtige Zeiten. Regensburg 1751/52, Bd. III, S. 852 - 858;
May (wie Anm. 2) S. 277.
283
gedieht mit dem Titel Deß Zweybriickischen Luthertums Vergossene Thränen über
den erlittenen Betrug von den Calvinischen beim Antritt des neuen 1721ten Jahrs**.
Als nach dem Tod des kinderlosen Gustav Samuel Leopold (1731) der Lutheraner
Christian III. nach einer mehr als zweieinhalb Jahren dauernden kaiserlichen Seque-
stration 1734 zur Regierung kam, hatte er zuvor mit dem pfälzischen Kurfürsten Karl
Philipp im Mannheimer Sukzessionsvertrag (24. Dezember 1733) vereinbart, daß die
Katholiken in Pfalz-Zweibrücken auch künftig ihr Bekenntnis grundsätzlich öffent-
lich ausüben dürften48 49. Wenn auch nach Gustav Samuels Tod die den Katholiken
gewährten Zugeständnisse, insbesondere im Prozessionswesen, wieder zurückgenom-
men wurden, so waren doch die auf Kompromiß ausgerichteten Verhältnisse künftig
beibehalten worden. Das schloß jedoch nicht aus, daß an verschiedenen Orten immer
wieder Unstimmigkeiten und Streitereien bei der Benutzung der gemeinsamen Kir-
chen entstanden.
Die kirchliche Organisation der Katholiken und der Lutheraner konsolidierte sich in
den kommenden Jahrzehnten während der Regierungsjahre Christians IV. (1740 -
1775) und Karls II. (1775 - 1795). Die Unterscheidungsmerkmale zwischen der refor-
mierten und der lutherischen Lehre wurden zunehmend nivelliert. Das Projekt eines
gemeinschaftlichen Katechismus, welches 1787/88 in Pfalz-Zweibrücken erwogen
wurde50, kam jedoch infolge von Vorurteilen nicht zur Ausführung. An konfessionel-
len Bedenken scheiterte schließlich auch 1791 der Plan eines gemeinsamen Gesang-
buches51.
Die skizzierte konfessionelle Entwicklung läßt typische Züge der pfälzischen Kir-
chengeschichte deutlich werden: Pfalz-Zweibrücken und seiner Kirche war keine
ruhige und stete Entwicklung vergönnt gewesen.
III
Die Auswirkungen des Simultaneums im kirchlichen Alltag des 18. Jahrhunderts sol-
len im folgenden anhand von Beispielen aus dem Zweibrücker Raum betrachtet wer-
den. Dabei soll das Simultaneum an der Alexanderkirche in Zweibrücken im Mittel-
punkt stehen, aber auch die konfessionellen Auseinandersetzungen in den unweit
von Zweibrücken gelegenen Orten Großsteinhausen und Brenschelbach (Teil IV)
sollen aufgezeigt werden.
48 Dieses Gedicht wurde erstmals 1878, im Pfälzischen Memorabile, 2. Nachtrageheft, Westheim
1878, S. 157ff, veröffentlicht und in der Untersuchung von L. H. Baum, Religionsstreitig-
keiten im Herzogtum Zweibrücken, in: Bl. f. Pfälz. Kirchengesch. 3, 1927, S. 93 - 108, hier
S. 96ff, kommentiert; Müller (wie Anm. 36) S. 53 Anm. 25
411 Ammerich (wie Anm. 22) S. 98,148.
50 Müller (wie Anm. 36) S. 74 - 83.
51 EbendaS. 109-112,
284
Aufgrund des Edikts vom 21. Dezember 1684 war auch in der Alexanderkirche das
Simultaneum eingerichtet worden. Diese Verordnung begründete an sich ein Nut-
zungsrecht der Zweibrücker Katholiken am Chor der Kirche; nur hier durfte die
Messe zelebriert werden. Die katholische Gemeinde erhielt mittelbar auch ein Mitbe-
nutzungsrecht des Kirchenschiffes, denn sofern es die Zahl der Gottesdienstbesucher
erforderlich machte, mußten ihr dort Plätze eingeräumt werden52 * - anders hätte sie
ihr Recht am Chor nicht wahrnehmen können! Jedoch war jede Ausweitung der Mit-
benutzung des Kirchenschiffes, die wegen der steigenden Zahl der Gottesdienstbesu-
cher erforderlich wurde, vom Einverständnis der Reformierten abhängig. In einem
Schreiben des katholischen Kirchenvorstehers vom 27. April 1804 an das reformierte
Presbyterium wird daran erinnert, daß der katholischen Gemeinde vor Zeiten, als sie
noch nicht so groß gewesen war, lediglich die sechs vorderen Bänke überlassen wor-
den waren. Doch sei inzwischen die Zahl der Gemeindemitglieder stark angewach-
sen, weshalb man nun das Presbyterium ersuche, weitere Bänke zu überlassen51. Die-
sen Antrag wiesen die Reformierten am 15. Mai jedoch ab54 55, ebenso wie ein erneutes
Gesuch der Katholiken vom 21. April 181435.
Die Ausgestaltung des Inneren der Kirche war grundsätzlich Angelegenheit der
reformierten Gemeinde, denn die Alexanderkirche „war und blieb eine protestanti-
sche Kirche, an der den Katholiken lediglich ein beschränktes Recht zur Abhaltung
des Gottesdienstes“56 zugebilligt worden war. Sofern Veränderungen in der Kirche
das Gebrauchsrecht der Katholiken berührten, benötigten die Reformierten die
Zustimmung der katholischen Gemeinde. Über den Teil der Ausstattung, der aus-
schließlich für den gottesdienstlichen Gebrauch verwendet wurde, durften die Katho-
liken frei bestimmen, sofern diese Einrichtungsgegenstände nicht den Gottesdienst
der reformierten Gemeinde behinderten57. Im Chor der Kirche konnten die Katholi-
ken Veränderungen vornehmen; so schlossen sie am 18. Dezember 1767 einen Ver-
trag über die Anfertigung von zwei Altären, die im Chor aufgestellt werden sollten58 59.
Im Kirchenschiff waren ihnen aber Veränderungen untersagt. Als die katholische
Gemeinde an Fronleichnam des Jahres 1782 die Ausschmückung der Kirche über den
Festtag hinaus stehenließ, beschwerte sich der reformierte Pfarrer, denn die Katholi-
ken seien durchaus nicht befugt..., in dem Schiff unserer Kirche irgendetwas aufzustel-
len, viel weniger während unseres Gottesdienstes aufgestellt zu lassen. Er forderte den
katholischen Pfarrer auf, ihm die schriftliche Zusicherung zu geben, daß dergleichen
Überschreitung der hergebrachten Gerechtsame hinfüro nicht mehr geschehen solle™.
Auch an den Glocken erhielten die Katholiken ein Mitbenutzungsrecht, welches sich
wiederum durch die Einräumung des Mitbenutzungsrechts der Kirche ergab60.
52 May (wie Anm. 2) S. 297.
51 Pfarrarchiv (PfA) Hl. Kreuz Zweibrücken, 1.2 Alexanderkirche (Simultaneum) Fasz. 2.
54 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 1255 S. 29f.
55 Ebenda.
56 M ay (wie Anm. 2) S. 298.
57 Ebenda.
58 PfA Hl. Kreuz Zweibrücken, 1.2 Alexanderkirche (Simultaneum) Fasz 1.
59 KSchA Zweibrücken IV, Nr. 1248.
“May (wie Anm. 2) S. 299.
285
Weitergehende Rechte wurden den Katholiken nicht eingeräumt. Sie erhielten auch
keinerlei Anteil an den Einkünften der Kirche. Die Kirche blieb im alleinigen Eigen-
tum der reformierten Gemeinde, wenn auch beschränkt durch das Gebrauchsrecht
der Katholiken. „Die reformierte Gemeinde durfte als Eigentümerin über ihr Eigen-
tum verfügen, soweit sie dadurch nicht Rechte der katholischen Gemeinde verletzte.
Es ist nicht etwa den Katholiken das Alleineigentum an dem Chor eingeräumt, den
Protestanten an dem Schiff der Kirche belassen worden. Ebensowenig ist für beide
Konfessionen ein Miteigentum an der ganzen Kirche mit unterschiedlichem
Gebrauchsrecht begründet worden“61 62. In einer Eingabe der Oberkonsistorialräte an
die Landesregierung vom 29. Januar 1732 wird es als eine ausgemachte Sache bezeich-
net, daß Reformatis die hiesige Stadt-Kirche privative zustehe und Catholici darinn
nichts als das Simultaneum zu exerciren hahenb2. Die Katholiken haben nie behauptet,
ein Eigentumsrecht an der Alexanderkirche zu haben; so erklärten die Kirchenvor-
steher der katholischen Gemeinde am 27. Juli 1802, daß sie in der Alexanderkirche
nur den Gebrauch des Chors und der Sakristei hätten, aber kein Eigentum63. Da die
reformierte Gemeinde das alleinige Eigentum an der Kirche besaß und den Katholi-
ken nur ein Nutzungsrecht zustand, hatten sie alle Lasten, die dem Eigentümer obla-
gen, zu tragen, während die Katholiken eigentlich verpflichtet gewesen wären, einen
Beitrag zu den Unterhaltungs- und Reparaturkosten zu leisten. Die reformierte
Gemeinde kam jedoch für alle Kosten immer selbst auf; sie beteiligte die katholische
Gemeinde nicht, weil sie wohl befürchtete, daß durch eine anteilige Umlegung der
Kosten auf die beiden Gemeinden ihr ausschließliches Eigentumsrecht angetastet
werden könnte64.
Das Simultaneum in der Alexanderkirche war auch durch die zeitliche Festsetzung
der Gottesdienste eingeschränkt. Keine der Gemeinden durfte zu einer Zeit, die der
anderen Vorbehalten war, Gottesdienst in der Kirche halten. Während der ihr zuge-
wiesenen Zeit konnte sie ihren Gottesdienst feiern oder nicht. Falls eine Gemeinde in
der ihr zustehenden Zeit keinen Gottesdienst hielt, hatte die andere aber nicht das
Recht, einen Gottesdienst zu feiern. Verstöße gegen dieses Verbot wurden seitens
der Landesregierung gerügt65.
Bezüglich der den beiden Konfessionen in der Alexanderkirche zustehenden Gottes-
dienstzeiten trat während der Regierungszeit (1719 - 1731) Gustav Samuel Leopolds
eine Änderung ein. Der Landesherr nahm „die Befugnis in Anspruch, die Modalitä-
ten der Ausübung des beiderseitigen Simultanrechts zu regeln, um auf diese Weise
jeder Gemeinde im Rahmen ihrer Berechtigung die ungestörte Religionsübung zu
gewährleisten. Wie die Simultanverhältnisse regelmäßig durch das Einwirken der
Staatsgewalt begründet worden waren, so behielt diese sich auch das Recht vor, wei-
terhin auf sie Einfluß auszuüben“66. Durch ein Edikt vom 30. April 1721 wurden die
61 Ebenda.
62 KSchA Zweibrücken IV, Nr. 1259.
63 PfA Hl. Kreuz Zweibrücken, 1.2 Alexanderkirche (Simultaneum) Fasz. 2.
64 M a y (wie Anm. 2) S. 300.
65 Ebenda.
66 EbendaS. 314.
286
Gottesdienstzeiten neu geregelt67. Bis 1721 konnten die Reformierten ihren Gottes-
dienst an Sonn- und Feiertagen im Sommer in der Zeit von 8 bis 10 Uhr, im Winter
von 9 bis 11 Uhr, nachmittags von 12 bis 16 Uhr halten; die Katholiken hatten somit
die Zeit bis 8 bzw. bis 9 Uhr und ab 16 Uhr zur Verfügung. Aufgrund des Edikts gin-
gen die Reformierten auf die Stunden von 10 Uhr bis 17 Uhr, so daß die Katholiken
am Morgen zwei Stunden im Sommer und eine Stunde im Winter hinzugewannen.
Diese Regelung wurde den Reformierten aber bald lästig. Nach dem Tod des Her-
zogs (1731) trugen sie der Regierung die Bitte vor, ihren Gottesdienst wieder um 9
Uhr beginnen zu dürfen; die Katholiken hätten, so argumentierten sie, von 6 bis 9
Uhr im Sommer und von 7 bis 9 Uhr im Winter genügend Zeit für ihren
Gottesdienst68. Das Gesuch lehnte die Regierung jedoch am 23. Februar 1733 als
unbegründet und als friedenstörend ab69 70, denn man erkannte seitens der Regierung
zweifelsohne die Problematik bei der Änderung von Gottesdienstzeiten in einer
Simultankirche.
Am 12. Februar 1725 beklagten sich die Reformierten darüber, daß zuweilen die
Katholiken, sowohl sonntags wie werktags, ihren Gottesdienst bis zu einer halben
Stunde ausdehnen und somit die Kinderlehre und die Betstunden behindern
würden79. Am 8. Juni 1748 beschwerten sie sich erneut über die zu lange Ausdehnung
des katholischen Gottesdienstes71. Als am 7. Juni 1804 Pfarrer Piblinger in der Alex-
anderkirche einen Gottesdienst nach 12.00 Uhr bis gegen 14.00 Uhr hielt, zu einer
Zeit, die den Reformierten zustand, protestierten die Reformierten dagegen. Wenn
sie während dieser Zeit auch keinen Gottesdienst gehalten hätten und insofern nicht
gestört worden seien, so hätten die Katholiken nicht die Berechtigung, die Kirche in
einer den Reformierten zugestandenen Zeit für sich in Anspruch zu nehmen; dies sei,
so argumentierten sie, ein Eingriff in fremdes Eigentum72.
Es war den Gemeinden möglich, durch Vereinbarung von den eingeführten Gottes-
dienstzeiten abzugehen. Hinsichtlich des Überschreitens der Zeitgrenze wurde mehr-
fach Einvernehmen erzielt73. In der Regel ging das reformierte Presbyterium auf die
Wünsche der Katholiken um Ausweitung der Gottesdienstzeiten ein; man legte aber
stets auf ein förmliches Gesuch der Katholiken Wert.
Als beim Umbau der Alexanderkirche in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts alle
Kirchenstühle, die bisher so angeordnet waren, daß sie sowohl von den Katholiken
wie auch von den Reformierten benutzt werden konnten, auf die protestantische
Kanzel ausgerichtet werden sollten, sah die katholische Gemeinde darin eine Ein-
67 Zum folgenden May (wie Anm. 2) S. 315.
68 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 1259.
69 Ebenda.
70 Ebenda.
71 Ebenda.
72 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 1248.
73 Ebenda.
287
schränkung ihrer Rechte74, ln der Eingabe der Vorsteher der Gemeinde vom 13. Juni
1757 an Herzog Christian IV. forderten sie, daß ihnen von ihrer Religionsausübung
nichts genommen werde und folglich die neuen Stühle wiederum für den beiderseits
gen Gebrauch aufgestellt würden, oder daß der bisherige Zustand wieder hergestellt
werde; zugleich protestierten sie gegen das weitere Vorrücken der Empore75. Der
Herzog verbot daraufhin das Vorhaben der Reformierten und ordnete die Wieder-
herstellung des früheren Zustands an76. 1758 benutzten die Katholiken außerhalb des
Chors sechs Kirchenstühle und wollten außerdem sechs weitere ebenfalls zum Chor
hingewendet haben. Mit diesem Vorhaben konnten sie sich durchsetzen und hatten
nun zwölf Stühle zur Verfügung77.
Von den Zweibrücker Reformierten wie auch von den Katholiken wurde die Situati-
on in der Alexanderkirche zunehmend als unbefriedigend empfunden. Während der
Regierung Herzog Karls II. (1775 - 1795) schien der Zeitpunkt zur Aufhebung des
Simultaneums gekommen zu sein78. Seitens der pfalz-zweibrückischen Regierung war
1785 geplant gewesen, eine katholische Kirche am oberen Ende der Maxstraße, an
der quer verlaufenden Gymnasiumstraße, zu erbauen; dieser Plan wurde jedoch nicht
verwirklicht79 80 81. Zwar war der dringende Wunsch nach Auflösung des Simultaneums
sowohl bei den Katholiken als auch bei den Protestanten vorhanden, doch wurde die
Alexanderkirche bis 1820 von der katholischen Gemeinde benutzt*’. Erst dann war
für die Katholiken im Zweibrücker Schloß ein eigener Gottesdienstraum geschaffen
worden“1. Das Simultaneum bestand aber bis 1840 weiter; erst nach langen Verhand-
lungen gab das Bischöfliche Ordinariat Speyer die Einwilligung zur Abtretung des
Simultanrechts an der Alexanderkirche82.
Die Zweibrücker Katholiken befanden sich - abgesehen von den mißlungenen Ver-
suchen König Karls XII. und später des Präfekten des Departements Mont-Tonnere
Jeanbon Saint-Andre83, ihnen ihr Gebrauchsrecht an der Alexanderkirche zu entzie-
hen - „in ungestörtem Besitz ihres Rechtes“84. Daß die Katholiken ein Recht auf Mit-
gebrauch der Alexanderkirche besaßen, gaben die Reformierten freilich nie zu.
74 Zum Streit um die Kirchenstühle in den Jahren ab 1757: KSchA Zweibrücken VI, Nr. 1246.
75 KSchA Zweibrücken VI, Nr, 1242.
76 Ebenda.
77 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 1242; VI Nr. 1255 (S. 18, 23, 24).
78 Siehe dazu Georg May, Die Simultankirche in Zweibrücken vornehmlich zur Zeit des
Bischofs Joseph Ludwig Colmar von Mainz (1802 - 1818) 2, Teil, in: Zeitschr. der Savigny-
Stiftung für Rechtsgesch. 93, Kanon. Abt. LXII, 1976, S. 279 - 346, hier S. 316f.
79 Ein Bauplatz für eine katholische Kirche war bereits vorgesehen (Schreiben vom 3. März
1786: KSchA Zweibrücken VI Nr. 4083). Für den Bau wurden in der Kurpfalz bereits Samm-
lungen durchgeführt.
80 May (wie Anm. 78) S. 328.
81 Ebenda S. 327f.
82 Ebenda S. 338f.
83 KSchA Zweibrücken VI, 1254; 1255 S. 33-37; May (wie Anm. 78) S. 307 - 312.
84 May (wie Anm. 2) S. 317.
288
Überblickt man die Zeit der gemeinschaftlichen Benutzung der Alexanderkirche, so
gilt sicher das, was Ulrich Stutz einmal gesagt hat, nämlich daß das Simultaneum eine
„Quelle nie versiegenden konfessionellen Haders“85 86 87 88 gewesen ist. Freilich spielte in
Zweibrücken religiöser Fanatismus, wie er immer wieder das Zusammenleben ver-
schiedener Konfessionen kennzeichnete, eine untergeordnete Rolle.
IV
Wie anders war dagegen die Situation in Großsteinhausen! Dort begannen konfessio-
nelle Auseinandersetzungen nach der Neugründung der katholischen Pfarrei im Jahr
1729 und der Einsetzung eines Geistlichen'*’. So entwickelte sich mehr und mehr ein
gespanntes Verhältnis zwischen den beiden Konfessionen. Gegenseitige mißtrauische
Überwachung bei der gemeinsamen Benutzung des Gotteshauses war an der Tages-
ordnung, wobei schon Kleinigkeiten Anlaß zu Beschwerden gaben. Die alten Ressen-
timents lebten wieder auf, die Bevölkerung der beiden Orte Groß- und Kleinstein-
hausen spaltete sich in zwei Parteien87. Die Streitigkeiten um den Simultangebrauch
an der Kirche, die mehr als drei Jahrzehnte andauern sollten, verliefen zunächst noch
ohne ernstere Zwischenfälle; man begnügte sich vorerst mit Beschuldigungen und
Beschwerdeschriften. Doch schon bald entstand ein erbitterter Streit darüber, wie oft
überhaupt reformierter Gottesdienst in der Großsteinhauser Kirche gehalten werden
dürfte. Strittig waren auch die Gottesdienstzeiten an den Tagen, an denen beide Kon-
fessionen ihren Gottesdienst hielten. Mit einer 1739 erlassenen Regelung der Gottes-
dienstzeiten hielt die Zweibrücker Regierung diese Auseinandersetzung für
beigelegt88. Doch bereits kurze Zeit später brachen die Streitigkeiten erneut aus und
erreichten im Konflikt um die Besitzrechte an den Glocken im November 1760 ihren
negativen Höhepunkt.
Als der reformierte Schuldiener am Morgen des 29. November 1760 die Glocken läu-
tete, bekam die größere der beiden Glocken einen Sprung. Sie sollte nun auf Anord-
nung des Bauamts in Zweibrücken in die Glockengießerei nach Ernstweiler gebracht
werden. Diese Aufforderung wollten die Reformierten den Katholiken jedoch nicht
vorlegen, als sie am 24. März 1761 die Glocke in die Gießerei bringen wollten89. Als
die Reformierten trotz des Widerstandes der Katholiken die Glocke abnahmen, kam
es zum Eklat: Denn nun, so heißt es in einem Bericht der reformierten Gemeinde an
85 Zitat nach Letzelter (wie Anm. 2) S. 14; Rosen dorn (wie Anm. 2) S. 3 spricht davon,
daß der Simultanstatus einer Kirche „immer ein ungesunder Ausnahmezustand“ gewesen ist.
86 Zum folgenden Klaus F r e i 1 e r, Der Kirchenstreit von Steinhausen, Zweibrücken 1984.
87 EbendaS. 20.
88 Am 6. Oktober 1739 erließ die Regierung im Beisein der beiden Geistlichen und deren Kir-
chenvorstehem ein wegen Haltung der Kirchenstunden gemachtes reglement, welches besagte,
daß der catholische Pastor von morgends früh bis 10 Uhr den Gottesdienst halten - reformati
aber von 10 Uhren nicht allein ihre Casualien sondern auch den ordentlichen Gottesdienst, so
oft nur viel es ihnen beliebt halten und verrichten mögen (KSchA Zweibrücken VI, Nr. 244).
89 Frei 1er (wie Anm. 86) S. 49 - 51.
289
das Oberarm*, eilten die katholischen Pastoren von Steinhausen und Hornbach herbei
und stießen, zumal der letztere, mit frechem Maul folgende Lästerworte aus: das seyen
Spitzbuben und Diebs-Streiche, die Reformierten konnten nichts beßer als Glocken
stehlen, die zu Hornbach hätten sie auch gestohlen. Da endlich unsere Gemeinde sich
auch bey diesen Scheltworten in ihrer contenance bliebe, sagte der Gerichtsmann Jacob
Pfeiffer, so mäßen wir Gewalt brauchen. Sogleich schickte derselbe nebst den beyden
Herrn Pastoren des catholischen Censors zu Steinhaußen Bastian Langen beyde Söhne
Georg und Friederich nach dem Dorf Rödelberg [Riedelberg] und einige andere Ort-
schaften um die Catholische zu Hälfe zu rufen. Der Schultheis zu Rödelberg selbst
erschiene in kurzer Zeit mit seiner Gemeinde, welche durch einige von anderen Ort-
schaften verstärcket ein troup von etwa 150 Mann ausmachten, und dem mit der
Glocke abgegangenen Wagen und dabey befindlichen Leuten in voller furie unter den
abscheulichsten Lästerworten gegen die Reformierten und mit Gabeln und Prügeln
bewaffnet bis gegen Kirschbach [Kirschbacherhof bei Dietrichingen] nachsetzten,
doch sie nicht mehr einholen konten. Besonders verdient angemerket zu werden, daß
die beyden Herrn Pastores diesem heiligen Zug beygewohnet und in vollem Sprung
mitgeloffen sind, und daß der Jacob Schäfer von Grossteinhausen sich mit seiner Axt
bewaffnet hatte. Hätte diese meistens aus ausländischen Leuten [gemeint sind damit die
Riedelberger - Riedelberg gehörte damals zu Hanau-Lichtenberg] bestehenden und
von den beyden Hn. Pastoren und dem Rödelberger Schultheis angeführte Rotte den
Wagen und dabey befindliche Leute noch einholen können, würden sie außer allem
Zweiffel ohne ihren heiligen Eifer verschiedenes aufgeopfert haben ... Schließlich
wurde durch Vermittlung des Oberamts den Katholiken die Anordnung des Bauamts
gezeigt. Die Reformierten konnten beim Oberamt erreichen, daß den Katholiken das
Eigentum an der Glocke abgesprochen wurde51.
Mit diesem Konflikt um die Besitzrechte an den Glocken hatten die konfessionellen
Streitigkeiten in Großsteinhausen ihren Höhepunkt erreicht. Die Querelen um die
Gottesdienstzeiten setzten sich solange fort, bis die Regierung nach langen Untersu-
chungen am 23. Dezember 1762 eine neue umfassendere Verfügung erließ52. Einige 90 91 92
90 Zitiert nach Freiler (wie Anm. 86) S. 49f; auch von katholischer Seite ist die Auseinander-
setzung um die Kirchenglocke überliefert worden: Den 29 novembris 1760 ist die große Glock
allhier gerissen als der calvinische Schuldiener Morgelglock gelitten. Sic testor Leonard curé, 29
septenibris 1760. 24 martii 1761 haben reformati die größere Glocke auf ein Bauambts Befehl,
den sie aber catholicis petentibus et resistentibus nicht wollten aufweisen, auf Ernstweiler zum
Umgießen geführt, welche aber ad petitionem catholicorum mit Arrest belegt worden, nachge-
hens mit reformatis zweimal vor Ambt erschienen, wo das zweite Mal der gedachte Befehl... in
originali aufgewiesen worden: endlich ist denen catholicis durch einen Regierungsspruch das
Eigentum abgesprochen worden... (Pfarrarchiv Großsteinhausen, 2. Kirchenbuch [Tauf-, Hei-
rats- u. Sterberegister] 1754 -1770; Filmkopie im Archiv des Bistums Speyer, Nr. 129/2).
91 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 245.
92 Bezüglich der Gottesdienstzeiten wurde verordnet, daß die Katholiken um 10 Uhr die Kirche
verlassen müssen, damit reformati ihren Gottesdienst von 10 bis 12 Uhren verrichten können.
Von 12 bis 13 Uhr soll die Kirche den Katholiken überlassen sein, damit sie die Christenlehre
halten können; anschließend soll die Kirche den Reformierten für deren Kinderlehre von 13
bis 14 Uhr Vorhalten sein, mithin in einer solchen Zeit, wo die Jugend im Sommer nachmittags
mit dem Vieh noch nicht auf die Weide führt, halten und wann casualia bei den Lutheranis vor-
genommen werden können. Und letztens aber muß die Kirche von denen beiden Protestanti-
schen Religions Verwandten geräumet, und Catholicis zu ihrem cultui vespertino religionis
überlassen werden; welche dann sofort sich der Kirche bis nachts bedienen können. (KSchA
Zweibrücken VI, Nr. 246; Freiler (wie Anm. 86) S. 42f.
290
Monate später konnten die Auseinandersetzungen weitgehend beigelegt werden.
Nach 1763 bis weit ins 19. Jahrhundert waren noch Streitigkeiten zwischen den bei-
den Konfessionen festzustellen, ohne daß diesen Differenzen allzu große Bedeutung
von staatlichen wie kirchlichen Behörden beigemessen worden wäre1”.
Mag man in diesen Vorgängen konfessionelle Engstirnigkeit oder eine gewisse orts-
nachbarliche Rivalität sehen - es bleibt festzustellen, daß diese Streitigkeiten bedau-
erlicherweise einen konfessioneilen Graben hinterlassen haben. Dies ist auch für die
heftigen Auseinandersetzungen festzustellen, die sich in Brenschelbach im November
1737 und in den folgenden Jahren abspielten1'4. Den Katholiken von Brenschelbach
war die Abhaltung von Sonntagsgottesdiensten nicht gestattet, wohl aber die der
Kasualien (Spendung der Taufe, des Ehesakraments und die Begräbnisfeierlichkei-
ten) und der damit verbundenen Messen. Die Spendung der Taufe und des Ehesakra-
ments in der Kirche von Brenschelbach brachte keine Probleme mit sich. Bei Trauer-
fällen war dies anders: Zur Beerdigung selbst gehörten nämlich auch Seelenämter am
Begräbnistag, am siebten und dreißigsten Tag nach dem Sterbetag sowie an den Jahr-
gedächtnistagen. So mußten immer wieder Gottesdienste in der reformierten Kirche
gehalten werden. Als am 3. November 1737, einem Sonntag, der reformierte Kirchen-
vorsteher den Kirchenschlüssel nicht herausgab, drangen die zum Gottesdienst
gekommenen Katholiken gewaltsam in die Kirche ein*5. Aufgrund eines Reskripts des
Oberamts Zweibrücken vom 20. Februar 1738 wurden die Beteiligten zu vierzehntä-
giger Eintürmung bei Wasser und Brot... nebst Zahlung der Unkosten verurteilt, Pfar-
rer und Gläubige ermahnt, sich auf die Kasualien zu beschränken, sich aller Gewalt
und Drohungen zu enthalten und friedsam untereinander zu lebenDer Friede zwi-
schen den beiden streitenden Parteien war freilich nur äußerlich „verordnet“. Es
bedurfte lediglich eines geringen Anlasses, um einen erneuten Konflikt hervorzuru-
fen. Dies geschah bereits zwei Jahre später, als die Reformierten in der Kirche
Umbauten Vornahmen, ohne die Katholiken zuvor davon zu informieren1'7.
An den Beispielen Großsteinhausen und Brenschelbach wird im Verlauf der Ausein-
andersetzungen eine zunehmende Radikalität zwischen den beiden Konfessionen
zwar erkennbar, doch sind im ganzen gesehen die Streitigkeiten verhältnismäßig
„friedlich“ zu Ende gegangen, gemessen an dem Vorfall, der in Keffenach im pfalz-
zweibrückischen Amt Katharinenburg am Neujahrstag 1702 geschah48. Der dortige
katholische Pfarrer Jean Georges Manigart wollte sich mit der Anwesenheit des
lutherischen Pfarrers Beuerle nicht abfinden und versuchte mit allen Mitteln dessen
Gottesdienst zu behindern. Mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett verwehr- 93 94 95 96 97 98
93 Freiler (wie Anm. 86) S, 52.
94 Zum folgenden Kurt Schöndorf, Konfessionsstreitigkeiten in Brenschelbach im 18. Jahr-
hundert, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde 15 (1987/4) S. 44 - 57.
95 EbendaS. 56.
96 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 146.
97 Schöndorf (wie Anm. 94) S. 49.
98 Ludwig Hausser, Geschichte der Rheinischen Pfalz nach ihren politischen, kirchlichen und
literarischen Verhältnissen; Nachdruck 21856, Pirmasens 1970, Bd. 2 S. 820f; Känzinger
(wie Anm. 24) S. 582.
291
te er den Lutheranern den Zugang zur Kirche. Als sie die Kirchentür mit Gewalt öff-
nen wollten, feuerte er einen Schuß ab und verletzte einen Mann so schwer, daß die-
ser starb. Manigart verwundete noch einen weiteren Lutheraner mit dem Bajonett,
bevor er überwältigt wurde. Man inhaftierte ihn in Bergzabern. Diesem Fall maß
man in Zweibrücken eine so große Bedeutung bei, daß er vor den Reichstag gebracht
wurde, um Stimmung gegen die Katholiken zu betreiben. Bevor die Regierung Mani-
gart den Prozeß machen konnte, gelang ihm im Spätsommer 1702 unter mysteriösen
Umständen die Flucht.
Es ließen sich noch weitere Beispiele für die Auswirkungen der Simultaneen im
kirchlichen Alltag speziell im Zweibrücker Raum bringen, so z. B. für Wiesbach, wo
es vor allem wegen der Nichteinhaltung von Gottesdienstzeiten und wegen Prozessio-
nen der Katholiken zu mehreren Beschwerden kam'w, doch würde sich das Bild nicht
wesentlich verändern.
* * *
Ein Blick auf die zu einzelnen Simultaneen vorhandene Aktenüberlieferung im
Archiv der Kirchenschaffnei Zweibrücken zeigt, daß die Streitigkeiten vor allem über
Gottesdienstzeiten, bauliche Veränderungen in Kirchen, Benutzung von Glocken
und Orgeln schier kein Ende finden wollten. So überwog bei beiden Konfessionen
der Wunsch, die Simultaneen als Quelle konfessioneller Zwietracht möglichst bald
abzulösen. Dies ist im Laufe der Zeit im Sprengel der Evangelischen Kirche der Pfalz
(Protestantische Landeskirche) und des Bistums Speyer vielfach geschehen100, so daß
heute nur noch rund ein Dutzend Kirchen für beide Religionsgemeinschaften Gottes-
häuser sind. Daß die gemeinsame Benutzung einer Kirche durch zwei Konfessionen
immer noch zu Konflikten führen kann, soll nicht verschwiegen werden. Die Simul-
tankirchen können in unserem heimatlichen Raum „in besonderer Weise als Ergeb-
nis einer leidvollen Vergangenheit ..., als Produkt des Ringens der beiden Konfessio-
nen um Einfluß und des Kampfes Frankreichs mit den Habsburgern um die
Vorherrschaft in Europa angesehen werden ... So symbolisieren sie die zerrissene
Christenheit, sie zwingen aber auch die, die in ihnen zum Lob Gottes sich versam-
meln, zur Zusammenarbeit und zu einem brüderlichen Miteinander, wenn auch in
der Vergangenheit christliche Eintracht oft wenig unter solchen gemeinsamen Kir-
chendächern beheimatet war“101.
w Bernhard H. Bonkhoff, Kirchengeschichte von Wiesbach von 1635 bis zum Ende des
Simultaneums 1914, in: Bl. f. Pfälz. Kirchengesch. und religiöse Volkskunde 52, 1985, S. 45 -
59; hier S. 49-51.
10,1 Zu den Ablösungen von Simultaneen in der Westpfalz: Bernhard H. Bonkhoff, Die
Simultankirchen im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und
Volkskunde 14 (1987/3) S. 27 - 33, hier S. 30 - 32.
101 Kurt Molitor, Kaiser, Kurfürst, Sonnenkönig. 500 Jahre Simultankirche St. Michael zu
Rohrbach bei Bad Bergzabern, in: Evangelischer Kirchenbote. Sonntagsblatt für die Pfalz,
Speyer 1984 (Nr. 11 vom 11. März 1984) S. 152.
292
Günther Volz
Anton Baur (1760 - 1840).
Prämonstratenser in Wadgassen,
Pfarrer der konstitutionellen Kirche in Saargemünd,
Kreissteuereinnehmer in Ottweiler
Seit 1135 hatte der Orden der Prämonstratenser in Wadgassen eine Niederlassung,
die eine eigene Cirkarie bildete1. Im Jahre 1766 kam diese Abtei an die französische
Krone, auf Grund eines Tauschvertrages mit dem Fürsten von Nassau-Saarbrücken.
Das Recht der Benediktion des Abtes hatte der Erzbischof von Trier behalten2. Die
Abtei war einer der größten Grundbesitzer des Landes; der Kernbesitz umfaßte eine
Fläche von 7 051 ha3. Unter dem Abte Michael Stein (1734 - 1778) wurden viele Neu-
und Umbaupläne verwirklicht; ein prächtiger Barockbau war an die Stelle der alten
Kirche getreten. Vor 1789 zählten zum Konvent 56 Mitglieder, die zum großen Teile
in der Seelsorge tätig waren: in den drei Propsteien von Ensheim, Hagenau und Mer-
zig wie in den 11 Pfarreien Wadgassens an der mittleren und unteren Saar4 5.
Die Geschichte der Abtei Wadgassen von 1766 bis zur Auflösung 1792 ist das Thema
einer Dissertation von Wilhelm Franz Josef Trenz (1961 )s; ihre letzten Tage schildert
ein Aufsatz von Abbe Lesprand (1911)6 Keine Beachtung hat bei Trenz eine Quelle
gefunden, auf die 1932 der Trierer Zollrat Dr. E. Knoll hingewiesen hat: das Tage-
buch des Elsässers Anton Baur, der 1784 in die Abtei Wadgassen eingetreten war.
Knoll hat das Tagebuch bei den Nachkommen Baurs in Hetzerath gefunden, das 250
Seiten in französischer Sprache umfaßt. Seine kurze Biographie Baurs bringt eine
Reihe von Auszügen aus dem Tagebuch in deutscher Übersetzung7. Auf dem Manu-
skript von E. Knoll basiert das Lebensbild Baurs, das E. Lux veröffentlicht hat*.
Wir besitzen aus der Zeit der Revolution für unsere Region eine Reihe von Chroni-
ken oder Memoiren, deren Verfasser vor allem aus dem Stande der Geistlichen kom-
1 Zur Geschichte der Abtei von Wadgassen siehe: Michael Tritz, Geschichte der Abtei Wad-
gassen. Wadgassen 1901 und Prämonstratenserabtei Wadgassen 1135 - 1792. Beiträge zur
Abtei- und Ordensgeschichte. Saarlouis 1985 (Wadgasser Publikationen Nr. 4).
2 Franz-Josef Heyen, Die Abtei Wadgassen unter der Landesherrschaft der Grafen von Saar-
brücken (1581 -1766), in: Zeitschr. f. d. Gesch. d. Saargegend. 13 (1963), S. 214 ff.
3 Tritz, S. 316.
4 Tritz, S. 406 ff.
5 Wilhelm Franz Josef Trenz, Die Prämonstratenserabtei Wadgassen zur Zeit der französi-
schen Herrschaft von 1766 bis zur Auflösung im Jahre 1792, Averbode 1961 (Phil. Diss. Mainz
1960).
6 Abbe Lesprand, Les derniers jours de Pabbaye de Wadgasse, in: Jb. d. Gesellsch. f. lothr.
Gesch, u. Altertumskde. 23, 1911, S. 473 ff.
7 E. Knoll, Hagenau - Saargemünd - Trier / Vom Priester zum Steuerkontrolleur. Ein
Lebensbild aus der Zeit der französischen Revolution, in: Elsaß-Lothr. Mitt. 14, 1932, S. 11 ff.
* E. Lux, Aus unruhvoller Zeit. Ein Lebensbild aus der Zeit der Französischen Revolution, in:
Neues Trier. Jb. 1962, S. 46 ff.
293
merT. Anton Baur ist einer der wenigen Mitglieder eines Ordens, die eine Chronik
ihres Lebens hinterlassen haben. Sein Tagebuch erweitert zum einen unsere Kennt-
nisse über die Verhältnisse der Kirche, der Politik und der Verwaltungen dieses Lan-
des zwischen 1780 und 1820. Es zeigt zum anderen auf, wie die Geschichte von denen
erlebt wurde, die in den Ordnungen der Kirche und der Gesellschaft unten waren.
Wir wollen im folgenden versuchen, das Leben dieses Mannes nachzuzeichnen, vor
dem Hintergrund der Geschichte dieser Region9 10.
Anton Baur wurde am 4. März 1760 in Hagenau geboren. Der Vater, André Baur,
erlernte das Handwerk eines Tuchmachers. Er gelangte auf seiner Wanderschaft als
Geselle nach Paris, wo er für die Schweizergarde angeworben wurde. Nach seiner
Entlassung kehrte er in seine Vaterstadt zurück; er übernahm die väterlichen
Geschäfte: einen Fuhrbetrieb und die Gaststätte „Zum Goldenen Apfel“ am Obertor
zu Hagenau. André Baur gehörte zu den Wortführern der Zunftbürger, die in Oppo-
sition zu dem Magistrat von Hagenau standen. Er führte sogar einen Prozeß gegen
den Rat. da dieser die Erhebung des kleinen Zehnten auf dem ganzen Stadtbann
beschlossen hatte. Der Magistrat verlor zwar den Prozeß vor dem Colmarer Conseil
Souverain; André Baur starb aber eine Woche vor dem Urteil des Gerichts.
Die Mutter war Marianne Franziska Mögling. die André Baur in zweiter Ehe gehei-
ratet hatte. Sie stammte aus einer Familie von Hugenotten, die nach 1685 Aufnahme
bei den Pfalzgrafen von Veldenz gefunden hatte. Ihr Großvater hatte in Ribeauvillé
(Rappoltsweiler) das Bürgerrecht erlangt, wo er von der reformierten zur katholi-
schen Konfession wechselte. Als die Mutter starb, war Anton Baur drei Jahre. Seine
Erziehung mußte nun der Großvater übernehmen: der Bäcker Johann Jakob Mög-
ling. Da der junge Anton von schwacher Konstitution war, sollte er nicht ein Hand-
werk erlernen, sondern ein Studium aufnehmen. Er besuchte zunächst den Unter-
richt in der deutschen wie in der französischen Schule der Stadt, dann die
Lateinschule der Augustiner. Er zählte zu den besten Schülern in dieser Anstalt. Im
Jahre 1772 bewarb sich der junge Baur um einen der zehn Freiplätze am Kolleg zu
Molsheim, die dem Magistrat von Hagenau für Söhne seiner Bürger zur Verfügung
standen. Jedoch lehnte der Rat zunächst sein Gesuch ab. Er hatte noch nicht verges-
sen, welche Einbußen die Stadt nach dem verlorenen Prozeß gegen Baur erlitten
hatte. Der Magistrat sollte erst seine Auffassung ändern, als ihm die Augustiner seine
unchristliche Handlungsweise vor Augen hielten.
9 Ein Verzeichnis dieser Quellen für den Zeitraum von 1789 bis 1816 liegt als Manuskript bei
der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung. Siehe auch: Die
Französische Revolution und die Saar. Ausstellung des Landesarchivs Saarbrücken. Katalog.
St. Ingbert 1989, S. 129 ff.
10 Wir stützen uns auf das französische Original des Tagebuches (Mikrofilm bei der Kommission
für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung). Es ist an dieser Stelle der Familie
Thul in Hetzerath herzlich zu danken, die der Kommission die Verfilmung des Tagebuches
ermöglicht hat.
294
Von 1773 bis 1779 besuchte Anton Baur das Kolleg von Molsheim11. Er gehörte auch
hier zu den Zöglingen, die für ihre Leistungen Preise und Lorbeerkränze bekamen.
Anton Baur erlangte 1777 den Grad eines baccalaureus der Philosophie, so daß er
seine Studien an der Straßburger Universität beginnen konnte. Nach zwei Jahren
erwarb er den Grad eines Lizentiaten und den eines Doktors der Philosophie. Er
hatte jedoch keinen Erfolg bei seinen Bemühungen, eine Stelle in einem der Klöster
des Elsaß zu finden. Die Benediktiner von Masmünster (Masevaux) fanden, daß er
eine zu schwache Konstitution habe. Der Konvent der Neuburger Zisterzienser war
komplett, so daß er keine Novizen mehr aufnehmen konnte. Anton Baur trat daher
in das Seminar von Straßburg ein, um Weltgeistlicher zu werden. Es war mehr die
Aussicht auf eine Versorgung als das Gefühl einer Berufung, die ihn bei dieser Ent-
scheidung leitete. Er verschweigt auch nicht die Anfechtungen, die das Versprechen
des Zölibats ihm bereitet hatte.
Seine Laufbahn wies zunächst keine Brüche auf: 1781 wurde er Subdiakon, 1782 Dia-
kon. Doch seine Karriere hätte beinahe ein Prozeß beendet, den sein Straßburger
Hauswirt angestrengt hatte. Er wollte vor Gericht die Feststellung erreichen, daß
Anton Baur der Vater des Kindes sei, das seine Tochter zur Welt gebracht hatte. Der
Beschuldigte wurde sofort aus dem Seminar ausgeschlossen. Wenn auch die Klage
gegen Baur von den Richtern der 1. und 2. Instanz abgewiesen wurde, verweigerte
ihm der Bischof von Straßburg die Priesterweihe. Er erteilte ihm nur ein Exeat, so
daß die Ordination in der Speyerer Diözese möglich war. Am 12. März 1785 erhielt
er die Weihe durch den Weihbischof Kuhlmeier in St. German zu Speyer. Drei Tage
später las er seine erste Messe in seiner Vaterstadt Hagenau.
Was bedeutete für Anton Baur die Aufnahme in den ersten Stand der Nation? - Der
junge Pfarrer verstand sich als ein Mitglied des 3. Standes, das sich seiner Rechte und
seiner selbst bewußt war. Er verwies mit Stolz darauf, daß seine Vorfahren aus die-
sem Stande gekommen seien, ohne Ausnahme rechtschaffen und ehrenhaft gewesen
seien. Anton Baur teilte wohl die Ansicht, die Emmanuel Sieyès in der Schrift „Was
ist der 3. Stand?“ zum Ausdruck bringt: Der Klerus ist eine Berufsgruppe, die mit
einem öffentlichen Amte betraut ist. Das Mitglied ist nicht privilegiert, sondern das
Amt. Der Klerus ist nicht als besondere Kaste anzusehen. Diese Bezeichnung trifft
nur auf die Gruppe der Gesellschaft zu, die Privilegien ohne nützliche Tätigkeit
genießt: den Adel12. Es ist das Prinzip des Utilitarismus, das der Abbé Sieyès mit vie-
len Zeitgenossen vertrat.
Welche Aussichten hatte nun der junge Geistliche? Er konnte kaum damit rechnen,
daß er eine Pfarrstelle durch den Straßburger Bischof erhalten würde. Er hatte noch
die Aussicht, eine Anstellung als Vikar oder als Gehilfe eines Pfarrers zu erhalten.
Nach Jahren bekäme er vielleicht auch eine der königlichen Pfarreien, die der Inten-
" Das Tagebuch bringt auf vielen Seiten Angaben über die Lehrinhalte und Lehrmethoden; sie
sind vor allem für die Schulgeschichte des Elsaß von Belang.
12 Emmanuel S i e y e s, Abhandlung über die Privilegien / Was ist der dritte Stand? Hrsg, von
Rolf Hellmut Foerster. Frankfurt am Main 1968, S. 59,
295
dant des Elsaß vergeben konnte. Außerdem konnte er als Hauslehrer bei einer adeli-
gen Familie oder als Schullehrer sein Auskommen finden. Die Furcht vor der Ver-
schlechterung seines Status oder dem Abstieg - sie kam immer wieder bei Anton
Baur zum Ausdruck. Sie beherrschte wohl auch große Teile der Geistlichkeit.
Anton Baur faßte schon bald nach seiner Ordination den Entschluß, als Novize in die
Abtei der Prämonstratenser von Wadgassen einzutreten. Die Empfehlung hatte er
durch einen der Prämonstratenser von Hagenau erhalten, die die Pfarrei St. Nikolaus
versahen. Sie gehörten zur Propstei Hagenau, die Wadgassen unterstand. Der Abt
Jean-Baptiste Bordier nahm den jungen Elsässer sofort auf. Am 24. Juni 1786 erhielt
Anton Baur mit sieben weiteren Novizen das weiße Ordenskleid aus der Hand des
Abtes. Er bezeichnete es seiner Familie gegenüber als Glücksfall, daß er nun einer
solchen Abtei angehöre, die 1759 den schönsten Kirchenbau der ganzen Diözese
erhalten hatte. Ihre Einkünfte aus den umfangreichen Besitzungen und aus den ver-
schiedenen Besitztiteln waren beträchtlich. Sie erreichten die Summe von 120 000
Livres im Jahre. Er konnte also hoffen, daß seine Existenz auf Dauer gesichert war.
Je fus ravi d’être membre d’un pareil établissement. J’embrassais avec plaisir ce genre
de vie commode, honorable et agréable, trug er ins Tagebuch ein.
Der junge Elsässer hatte einen großen Förderer in dem Abte Bordier. Der erreichte
beim Abte von Prémontré, dem Haupte des Ordens, daß das Noviziat von Anton
Baur gegen alles Herkommen um 11 Monate verkürzt wurde. Am 25. Juli 1786 legte
er die Gelübde vor dem Kapitel von Wadgassen ab. Vom Abte wurden Anton Baur
die Ämter eines Bibliothekars und eines Konservators der Schatzkammer übertra-
gen. Später sollte er die Stelle des Agenten der Abtei in Paris erhalten. Zwischen
1787 und 1789 finden wir Anton Baur als Aushilfe in einer Reihe von Pfarreien,
deren Kollator der Abt von Wadgassen war: in Köllerthal wie in St. Johann bei Saar-
brücken und Merzig. Das Tagebuch liefert vor allem Aufschlüsse über die Ökonomie
und die Hausordnung der Abtei Wadgassen. Fürs erste müssen diese Fragen ohne
Antwort bleiben: Welche Schriften kaufte denn Anton Baur für seine Bibliothek?
Was lasen und diskutierten denn die Ordensbrüder? Waren Ideen der deutschen und
französischen Aufklärer kein Thema, die ihre Anhänger in den Klöstern und Stiften
wie in den Schulen Triers gefunden hatten?13
Anton Baur war überrascht, als er Ende 1788 seine Ernennung zum Vikar von Saar-
gemünd erhielt, einer Wadgassener Pfarrei. Pfarrer von Saargemünd war Peter Prost,
der 1788 bei der Abtswahl Bordier unterlegen war. Mit Mißtrauen hatte der Pfarrer
von Saargemünd den Vikar empfangen, der als Günstling des Abtes angesehen
wurde. Der Argwohn sollte auf die Dauer das Verhältnis der beiden bestimmen.
Anton Baur war 6 Monate Vikar von Saargemünd, als die Große Revolution in
Frankreich ausbrach. Die Ereignisse von 1789 wurden von großen Teilen des Klerus
mit Sympathie aufgenommen. Viele wie der lothringische Pfarrer Grégoire glaubten,
13 Guido Groß, Trierer Geistesleben unter dem Einfluß von Aufklärung und Romantik (1750
-1850). Trier 1956, S. 24 ff.
296
daß die Revolution zur Erneuerung von vergessenen Prinzipien des Evangeliums
führe, daß die Menschenrechte selbstverständlich christlich seien11 * * 14 *.
Wie stand nun der Saargemünder Vikar zur Revolution? Er schildert zunächst im
Stile eines Chronisten die Ereignisse von 1789: Cette année fut mémorable par le com-
mencement de la Révolution, par le renversement de la Bastille le 14 juillet, sur lequel
événement on a célébré le Tedeum le 22 juillet suivant. Auch die Saargemünder feier-
ten also mit einem Tedeum den Bastillesturm. Allerdings sollte Anton Baur schon zu
Beginn des Jahres 1790 die Erfahrung machen, daß radikale Kräfte mehr und mehr
auf die Politik der Kommune Einfluß nahmen. Der Pöbel stürmte im März 1790 das
Schloß von Neufgrange (Neuscheuren), Eigentum der Familie von Coligny. Der
junge Schloßherr hatte angeblich die Saargemünder Nationalgarde beleidigt. Er
wurde von dem Pöbel gezwungen, die Äußerungen auf dem Marktplatz von Saar-
gemünd vor dem Freiheitsbaume zu widerrufen. Man hätte ihn gehängt, wenn nicht
der Pfarrer und einige Notabein der Stadt die Menge zur Vernunft gebracht hätten.
Solche Vorfälle könnten schon manche Leute gegen die Revolution aufbringen,
meinte Anton Baur. Er äußerte jedoch keine Bedenken gegen die Kirchengesetze,
die die Nationalversammlung 1789 und 1790 beschloß14.
Die Nationalversammlung beseitigte nicht nur den Klerus als politische Körperschaft;
sie beanspruchte auch das Recht, die Besitzungen des Klerus aufzuteilen, da er als
Körperschaft nicht nur für sich selbst, sondern für die Gesellschaft lebe. Die Mitglie-
der des Klerus seien Beamte des Staates, der Dienst an den Altären sei ein Dienst an
der Gesellschaft. Die Geistlichen müßten im Dienste der Nation stehen, wie die
Beamten, die die Gesetze ausführten, wie die Soldaten, die das Eigentum beschütz-
ten, wie der Graf Mirabeau es formuliert hatte. Diese Vorstellungen sollte das
Dekret verwirklichen, das die Nationalversammlung am 2. November 1789 annahm.
Es stellte das Kirchengut zur Verfügung der Nation, verpflichtete den Staat jedoch,
die Kosten des Kultes zu übernehmen. Le 2 novembre les ordres religieux furent abo-
lis, vermerkt Anton Baur ohne jeden Kommentar.
Nach der Enteignung der Kirche mußte die Nationalversammlung die Frage nach der
Verfassung der Kirche beantworten. Es ging zuerst um die Zukunft der Orden. Das
asketische Ideal hatten schon lange die Vertreter der Aufklärung als nicht mehr zeit-
gemäß erklärt. Es waren Dutzende von Pamphleten in Umlauf, die von den Mißstän-
den in den Klöstern handelten. Ihre Insassen wurden als das „schwarze Korps“ der
Tyrannen bezeichnet16. Diese Propaganda sollte auch in den Cahiers de Doléances ein
Echo finden, die die Gemeinden 1789 abfaßten17. Ein Dekret vom 13. Februar 1790
11 Waldemar Gurian, Die politischen und sozialen Ideen des französischen Katholizismus
1789/1914, Mönchen-Gladbach 1929, S. 23.
15 Karl Dietrich Erdmann, Volkssouveränität und Kirche. Köln 1949, S. 110 ff. und Jean
Eich, Histoire religieuse du Département de la Moselle pendant la Révolution. Ve partie,
Metz 1964, S. 101 ff.
16 Groß, S. 35.
17 Eich, S. 101.
297
stellte dann fest, daß das Gesetz keine Gelübde des einen oder anderen Geschlechtes
mehr anerkennen werde. Eine Erklärung vor der Kommunalverwaltung sollte genü-
gen, wenn man aus dem Kloster ausscheiden und den Anspruch auf eine Pension
erhalten wollte. Man garantierte jedoch den Bestand der Ordenshäuser, die der
Erziehung der Jugend oder der Wohlfahrt dienten. Außerdem durften die Frauenklö-
ster bestehenbleiben.
Welche Auswirkung mußte das Dekret für den Konvent von Wadgassen haben? -
Das Dekret wurde von einigen Mitgliedern des Konvents mit Beifall aufgenommen.
Ihr Wortführer war Matthias Konz, Vikar von Berus. Er ist der Verfasser einer
Denkschrift an die Nationalversammlung, die 13 Wadgassener Religiösen am 9. März
1790 unterschrieben18 Sie versicherten zum einen ihre Ergebenheit gegenüber der
Verfassung und den Gesetzen der Nation. Zum anderen beklagten sie die Versuche
der geistlichen Oberen, die ihre Religiösen in der Sklaverei halten wollten. Der
Denkschrift fügte der Vikar Konz ein Schreiben bei, in dem er schwere Vorwürfe
gegen den Abt von Wadgassen erhob. Der Konvent hätte schon der Nationalver-
sammlung eine Dankadresse übermittelt, wenn ihm der Abt nicht deren Dekrete vor-
enthalten hätte19.
Die Mehrheit des Konvents jedoch war bereit, den Kampf des Abtes um den Bestand
ihres Hauses zu unterstützen. Er erhielt von 43 Mitgliedern den Auftrag, mit der
Regierung in dieser Angelegenheit zu verhandeln. Er legte auch der Nationalver-
sammlung eine Denkschrift vor, die die staatsrechtliche Situation der Abtei darlegte.
Er vertrat darin die Ansicht, daß die Gesetze der Nationalversammlung nicht auf die
Abtei Wadgassen angewandt werden könnten. Der Vertrag von 1766 garantiere der
Abtei alle Privilegien, die sie seit ihrer Gründung innehabe. Dies sei die Conditio sine
qua non des Vertrages, d.h. die Voraussetzung für die Vereinigung Wadgassens mit
Frankreich. Der Kernsatz seiner Denkschrift ist: Soumise à la souveraineté du roi sans
être incorporée à la France, l’abbaye ne participe point à la législation française20. Doch
sollten alle diese Vorstellungen ohne Erfolge bleiben, wie Anton Baur dem Abte vor-
aussagte. Er machte sogar den Vorschlag, die Mobilien der Abtei unter die Mitglie-
der des Konvents aufzuteilen. Jeder könne mit 1 000 Louisdors rechnen, so daß er
seinen Unterhalt in einem neutralen Lande bestreiten könne. Ein Vorschlag, der
rechtlich mehr als problematisch war.
Die Behörden mußten allen Religiösen die Frage vorlegen, ob sie das Leben in den
Klöstern fortführen oder aus den Orden austreten wollten. Fünf von 23 Insassen der
Abtei Wadgassen wollten das Kloster verlassen, wie aus der Befragung vom 22. Sep-
tember 1790 hervorgeht. Zudem hatte der Abt erklärt, daß alle Mitglieder des Kon-
vents ihre Gelübde halten wollten, die die Pfarreien der Abtei betreuten21. Es ist zu
18 Lesprand, S. 542; Zenz, S. 57.
19 Lesprand, S. 542 ff.; Zenz. S. 58 ff.
20 Lesprand, S. 478.
21 Lesprand, S. 484; Zenz, S. 76.
298
bezweifeln, daß die Feststellung auch zu diesem Zeitpunkt noch zutreffend war. Den
Austritt wählten 30 % der Prämonstratenser der Metzer Diözese, wenn man das
Ergebnis der Abtei von Justemont hinzunimmt22.
Den Abschluß der Kirchengesetzgebung der Nationalversammlung bildet das Dekret
vom 12. Juli 1790 über die Constitution civile du clergé. Es beseitigte nicht nur die
kirchliche Gliederung des Königreiches; die Grenzen der Diözesen mußten dieselben
sein wie die der Departements. Das Departement Mosel sollte von nun an den Spren-
gel des Metzer Bischofs bilden. Wahlkörper von Laien konnten nun die Amtsträger
der Kirche wählen. Die Geistlichen mußten auf die Zivilkonstitution einen Eid able-
gen. Auf Grund der Neuordnung verlor der Erzbischof von Trier die Jurisdiktion, die
er gegenüber seinen Suffraganen wie in den französischen Teilen seiner Diözese
besaß. Diese Bestimmungen bedeuteten das Ende für die alte Metzer Kirche und ihre
Verbindungen zur Trierer Kirche23.
Die Frage der Eidesleistung sollte zur Spaltung der Kirche führen: in die romtreue
Kirche und in die konstitutionelle Kirche. Sie spaltete auch die Kleriker von Wadgas-
sen, die die Pfarreien an der unteren und mittleren Saar versahen. Anton Baur über-
legte lange, ob er den Eid ohne jede Einschränkung leisten dürfe. Er richtete daher
eine Anfrage an seinen Straßburger Lehrer, Franz Brendel, den Professor für kanoni-
sches Recht. Dieser war der Ansicht, daß die Eidesleistung für jeden Priester ver-
pflichtend sei, da die Konstitution des Klerus mit den Dogmen der Kirche zu verein-
baren sei. Die Erklärung konnte nicht verwundern, denn Franz Brendel stand im
Lager der Revolution. 1791 wurde er konstitutioneller Bischof in Straßburg24.
Anton Baur mußte sich schwere Vorwürfe gefallen lassen, als er im Januar 1792 den
Abt Bordier in Wadgassen aufsuchte. Der Prokurator weigerte sich, das Mittagessen
mit einem Häretiker einzunehmen. Der Vikar hörte sogar die Drohung, daß alle
Pfarrer der konstitutionellen Kirche gehängt würden, wenn die Alliierten in Frank-
reich einmarschierten. Als Anton Baur wegen seiner Haltung von dem Saargemün-
der Pfarrer in der Öffentlichkeit angegriffen wurde, gewann er freilich bei den Saar-
gemünder Patrioten an Sympathien. Am 20. Februar 1791 legte Anton Baur in einem
feierlichen Hochamte in der Saargemünder Pfarrkirche den Eid ab, an dem die Muni-
zipalität mit dem Maire an der Spitze und die Nationalgarde teilnahmen. Da der Pfar-
rer Peter Prost die Eidesleistung verweigerte, wurde er seines Amtes enthoben und
Anton Baur an seine Stelle berufen. Im Distrikt Saargemünd leisteten nur 7 von 92
Klerikern den Eid (= 8 %). Der Anteil der Geschworenen lag im ganzen Departe-
ment der Mosel bei 30 %2S.
22 Eich, S. 107.
23 Es waren vor allem die Advokaten Treilhard und Camus, die die Sache der Zvilkonstitution
in der Nationalversammlung vertraten. Armand-Gaston Camus war vor 1789 Advokat des
Klerus und Ratgeber des Erzbischofs von Trier.
24 Ludwig Stamer, Kirchengeschichte der Pfalz. III. Teil, 2. Hälfte. Speyer 1959, S. 186 ff.
25 Eich, S. 180.
299
Der Streit um die Zivilkonstitution des Klerus sollte nicht nur die Gemeinde, sondern
auch die Garnison von Saargemünd spalten. Die Spaltung trat im Sommer 1791 für
alle zutage: In Saargemünd lagen zwei Einheiten in Garnison: das Bataillon „Mosel“,
das die Messen des konstitutionellen Pfarrers besuchte, und das Regiment „Sachsen“,
das den früheren Stadtpfarrer zum aumonier gewählt hatte. Als am 23. Juni 1791 eine
Prozession durch die Straßen von Saargemünd zog, nahmen die regulären Einheiten
und die Saargemünder Nationalgarde teil. Während der Feier traf die Nachricht von
der Flucht des Königs ein. Das Regiment „Sachsen“ brach Hals über Kopf auf, um
den Schutz des Königs zu übernehmen. Das Bataillon „Mosel“ und die Saargemün-
der Nationalgarde sollten nach Chälons gehen und Ludwig XVI. in Haft nehmen.
Ehe die Einheiten aus Saargemünd ihre Ziele erreichten, endete die Flucht Ludwigs
XVI. in Varennes. Das Regiment „Sachsen“ lief zum großen Teile mit seinen Offizie-
ren zum Feinde über.
Die Feier des 14. Juli 1791 war die letzte, die der Saargemünder Pfarrer zusammen
mit den Behörden und der Garnison zelebrieren konnte. Anton Baur hielt eine Pre-
digt über die Errungenschaften der Revolution. Nach der Messe und dem Tedeum
schossen die Kanonen der Garnison Salut. Anton Baur mochte zu der Zeit noch glau-
ben, daß die Union der Kirche mit dem Staate der Revolution von Dauer sei. Er
hatte jedenfalls keine Bedenken gegen die Übernahme von öffentlichen Funktionen:
Er wurde Präsident der Körperschaft des Distrikts, die die Deputierten für die Legis-
lative wählte, Mitglied der Munizipalität der Stadt und Präsident des Klubs von Saar-
gemünd26. Sein Vikar war eine Zeitlang ein Baumgarten aus Mainz, der vor der Reak-
tion wie manche andere rheinische Kleriker nach Frankreich ausgewichen war.
Die konstitutionelle Kirche sollte schon unter der Legislative in eine schwere Krise
kommen. Die Versammlung hatte eine Reihe von Dekreten angenommen, die viele
Kleriker in einen Loyalitätskonflikt getrieben hatten: Beschlagnahme von Kultgerä-
ten und Glocken wie Einschränkungen bei der öffentlichen Ausübung des Kultes und
Laisierung des Zivilstandes. Bevor die Legislative ihre Arbeit beendete, wurde die
Abtei Wadgassen aufgehoben. Der Distrikt Saarlouis ließ am 24. August 1792 die
Abtei besetzen; die Insassen mußten die Abtei verlassen. Es gelang einigen von
ihnen, Teile der Mobilien und des Archivs bei Nacht und Nebel auf das Reichsgebiet
zu retten. Die Bibliothek blieb in der Abtei; sie wurde später versteigert. Der Abt
und seine Mitbrüder hatten in ihrer Propstei Ensheim eine Zuflucht gefunden. Sie
flohen im Februar 1793 ins Rechtsrheinische, einer Verhaftung durch französische
Gendarmerie eben entgangen. Der Abt war vor ihrer Aktion gewarnt worden, wie
wir von Anton Baur erfahren. Nach 1793 löste sich der Konvent auf. Jean-Baptiste
Bordier fand eine Bleibe in dem Prager Kloster Strahov, wo er 1799 starb. Der Abt
hatte auch Teile des Klosterarchivs mitgenommen, die später ins Prager Zentralar-
chiv kamen27. 1790 gehörten zur Abtei 56 Mitglieder. Ungeklärt ist das Schicksal von
26 Claudia Ulbrich, Sarreguemines en révolution ou l’Histoire d’un „Caméléon politique“, in:
Annales de l’Est. 1992, S. 15 ff.
27 Zenz, S. 134ff.
300
12 der Insassen. Die übrigen finden wir zum großen Teile wieder unter dem Pfarrkle-
rus der Diözesen Metz und Trier, Luxemburg, Speyer und Straßburg28.
Unter dem Nationalkonvent traten die antikirchlichen und antichristlichen Kräfte
offen hervor. Die Mehrheit der Versammlung unterstützte die Versuche, eine Religi-
on der Vernunft zu etablieren. Sie ließ auch den Repräsentanten in Mission freie
Hand, die eine Politik der Entchristlichung betrieben. Man denke nur an die Rolle
von Philipp Jakob Rühl, Sohn eines Wormser Pfarrers, der in Reims das Gefäß mit
dem heiligen Öl zerbrach. Anton Baur schildert in seinen Aufzeichnungen, wie der
Prozeß der Entchristlichung in der Stadt Saargemünd und in dem Departement der
Mosel verlief. Die Saargemünder Pfarrkirche wurde von der Armee beschlagnahmt;
Soldaten hatten im Pfarrhause Quartier bezogen. Während Anton Baur seine letzte
Taufe in der Sakristei der Kirche vornahm, wurde er von Soldaten verlacht und ver-
spottet. Bis 4. Januar 1794 las er noch in seinem Hause die Messe.
Anfang 1794 hatte auch die antikirchliche und antichristliche Agitation ihren Höhe-
punkt erreicht. Die Saargemünder Jakobiner hatten nicht nur zu einem Autodafé
eingeladen, vor dem Geistliche ihren Irrlehren abschworen. Sie führten auch eine
patriotische Prozession durch die Stadt, bei der das liturgische Gerät der Pfarrkirche
zum Gegenstand des Gespötts wurde. Der christliche Gottesdienst wurde durch den
Kult der Vernunft und den Kult des Vaterlandes ersetzt. Nach diesen Ereignissen
verzichtete auch Anton Baur auf seine Funktionen als Pfarrer wie als Priester. Der
Distrikt nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, daß der Bürger Baur nun ein nützliches
Mitglied der Gesellschaft werde; er gebe damit anderen Geistlichen ein Beispiel.
Anton Baur will uns glauben machen, daß solche Akte allgemein üblich waren, um
der Verfolgung durch die Terroristen zu entgehen, wie er die radikalen Jakobiner
bezeichnet. Es war jedoch eine Illusion zu glauben, daß er nach dem Verzicht auf
seine kirchlichen Ämter unbelästigt bleiben würde.
Es war vor allem der Repräsentant La Coste, der mit Fanatismus gegen alle Geistli-
chen des Departements Mosel vorging. Alle Geistlichen sollten verhaftet werden; sie
seien nicht nur Feinde der Vernunft, sie seien auch für die vielen Feuersbrünste ver-
antwortlich, die in den Dörfern des Departements ausgebrochen seien. Auf Grund
einer Anweisung von La Coste wurden die Kleriker in die Zitadelle von Verdun
gebracht. Der Pariser Wohlfahrtsausschuß sollte dann über ihr Schicksal entscheiden.
Wenn wir Anton Baur glauben können, unternahmen seine Saargemünder Freunde
alles, um ihn vor der Deportation zu retten. Sie machten ihm schließlich den Vor-
schlag, die Ehe mit seiner Cousine Anne-Marie Ristenbühler einzugehen, die ihm seit
1792 den Haushalt führte. Es gab nämlich ein Dekret des Konvents vom 20. Novem-
ber 1793, das alle verheirateten Priester von der Deportation ausnahm, ob geschwo-
ren oder ungeschworen. Anton Baur hatte zwar nach seiner Darstellung die Absicht,
28 Zenz, S. 142 ff.
301
die Ehe so bald wie möglich annullieren zu lassen. Aber er schätzte sich später glück-
lich, daß er die Verbindung nicht aufgelöst hatte. Es war ohne Zweifel die Furcht, die
viele Geistliche zum Verzicht auf den Zölibat brachte211.
Anton Baur war nun ohne Mittel, da der Distrikt den Exklerikern keine Pensionen
mehr zahlte. Er nahm daher den Vorschlag an, die Stelle eines Bibliothekars bei dem
Distrikt Saargemünd zu übernehmen. Seine Aufgabe war in erster Linie, die Büche-
reien und die Kunstsammlungen aus den Klöstern und aus den Häusern der Emi-
granten zu übernehmen. Es waren darunter so wertvolle Bestände wie die Bibliothek
der Benediktiner von St. Avold, die auf 20 Wagen nach Saargemünd geschafft wurde.
Nach Saargemünd kamen auch manche Objekte aus den Residenzen Blieskastel,
Saarbrücken und Zweibrücken.
Nach 1795 hatte Anton Baur eine Reihe von Funktionen in der Verwaltung der
besetzten Gebiete des linken Rheinufers inne: von 1796 bis 1797 als Einnehmer im
Kanton Otterberg, 1798 Sekretär der Munizipalität von Blieskastel. Doch gibt uns
das Tagebuch keine Aufschlüsse über die Rolle, die der Sekretär in dem Verfahren
spielte, das die Munizipalität Blieskastel gegen den Franziskaner Dillenburg ange-
strengt hatte. Seine Deportation war 1798 von dem Regierungskommissar Rudler
angeordnet worden, da er die Leute im Departement Mosel gegen die Republik auf-
gewiegelt habe. Allerdings mußte 1799 die Anordnung wieder rückgängig gemacht
werden312 Wir treffen Baur 1799 als Munizipalkommissar in den Kantonen Grumbach
und Pfalzel. 1800 wurde er Kontrolleur bei der Verwaltung der Finanzen im Arron-
dissement Trier. Er hatte es der Fürsprache seiner Freunde in Trier zu verdanken,
daß er 1815 von der preußischen Verwaltung übernommen wurde. Von 1817 bis zu
seiner Pensionierung 1823 wirkte er als Kreissteuereinnehmer in Ottweiler.
Anton Baur war nicht der einzige Kleriker, der eine Anstellung bei den linksrheini-
schen Verwaltungen gefunden hatte. Wir finden zum Beispiel Bevin, der im Jahre
1785 mit Anton Baur in den Konvent von Wadgassen eintrat, als Rat der Präfektur
von Koblenz. Anton Baur hatte auch Bekanntschaft mit Johann Karl Falciola
gemacht, ab 1798 Einnehmer in Lauterecken, einem früheren Priester und Mainzer
Klubisten, der auch eine Chronik seines Lebens hinterlassen hat29 30 31. Ein paar Geistli-
che können wir in den höchsten Stellen der Verwaltung finden: Joseph Lakanal, 1799
Generalkommissar in Mainz, ein früherer katholischer Priester, und André Jeanbon
Saint-André, 1802 Generalgouverneur in Mainz, ein früherer reformierter Pfarrer.
Robert Schmitt wies 1966 nach, daß von 253 Funktionären des Departements Don-
nersberg, deren Fragebogen im Mainzer Stadtarchiv ausgewertet wurden, 41 Geistli-
29 Zu dem ganzen Komplex siehe: Jean Le fl on, La crise révolutionnaire 1789 - 1846. Histoire
de L’Eglise. T. 20. Paris 1951, S. 125.
30 Theresia Zimmer, Ein Deportationsurteil des Jahres 1798 für einen Mönch in Blieskastel,
in: Saarbrücker Hefte 1960, S. 78 ff.
31 Roland Paul, Geistlicher - Mainzer Klubist - Rentmeister in Lauterecken. Aus den Lebens-
erinnungen des Johann Carl Falciola (1759 - 1841), in: Jb. z. Gesch. von Stadt u. Landkreis
Kaiserslautern. 16/17,1978/79, S. 353 ff.
302
che beider Konfessionen waren. Außerdem konnte er noch 27 frühere Geistliche aus-
findig machen, die eine Funktion im Departement Donnersberg innehatten32.
Die Eintragungen des Tagebuchs von Baur von 1800 bis 1820 sind vor allem für die
Verwaltungsgeschichte von Belang; sie enthalten nur noch wenig zur Geschichte der
Kirche. Anton Baur begrüßte die Neuordnung der Kirche nach dem Abschluß des
Konkordats von 1801. Das Konkordat ermöglichte ihm auch die Regelung seiner pri-
vaten Verhältnisse; er erhielt 1807 die päpstliche Dispens von seinen Gelübden. Am
20. April 1807 wurden Anton Baur und seine Ehefrau Marie-Anne von dem General-
vikar Garnier in der Kapelle des Trierer Bischofs getraut. Seinen Kindern könne man
nun nicht mehr seinen Priesterstand vorwerfen, da das Oberhaupt der Kirche seine
Ehe anerkannt habe, können wir in seinem Tagebuche lesen. Anton Baur erwähnt
auch mit Genugtuung, daß er in den Häusern der Trierer Notabein verkehrte: bei der
Familie Cetto, dem Freiherrn von Kesselstatt und der Familie Nell. Er nennt den
Kanonikus Nell seinen Gönner. Die Aufzeichnungen des Tagebuches enden mit dem
Jahre 1820. Der Verfasserstarb am 16. Dezember 1840.
Während seiner Tätigkeit in den Verwaltungen des Rheinlandes wurde Anton Baur
ein wohlhabender Mann. Er ersteigerte nicht nur eine Anzahl von Ländereien im
Gebiet von Trier, vor allem Güter der aufgelösten Klöster und Stifte, er kaufte auch
ein Haus in Trier, das Eigentum des Simeonstiftes gewesen war, weiter die Mühle
von Aach und ein Landhaus in Idesheim bei Bitburg. Anton Baur gehörte zu den
Vertretern des Bürgertums, die ihre Vorteile aus den sozialen und wirtschaftlichen
Umwälzungen gezogen hatten. Die älteste Tochter, Marie-Anne, heiratete im Jahre
1820 den Obergrenzkontrolleur Leopold Scholz, der aus dem ostpreußischen Inster-
burg ins Rheinland gekommen war. Ihre Nachkommen leben noch in dem Eifeldorfe
Hetzerath; sie bewahren auch das Tagebuch Anton Baurs auf.
32 Robert Schmitt, Simon Joseph (Gabriel) Schmitt (1766- 1855). Koblenz 1966, S. 108 ff.
303
Hans-Walter Herrmann
Schlußwort
Zweieinhalb Tage haben wir uns mit der Geschichte der alten Diözese Metz beschäf-
tigt, eine Fülle von Informationen und Anregungen erhalten, Wertungen, Erklärun-
gen und Interpretationen aus den unterschiedlichen Blickrichtungen französischer
und deutscher Historiker gehört. Bevor wir auseinandergehen, sei mir der bescheide-
ne Versuch einer Zusammenfassung gestattet.
Für den Romanisten Max Pfister erwies sich die Diözese Metz zur Beantwortung
der Frage nach Ausbildung von sprachlichen Besonderheiten als ungeeignetes Ob-
jekt, da mitten durch die Diözese die deutsch-französische Sprachgrenze läuft. Die
Entstehung der Grenzen der Metzer Diözese läßt sich nicht generell mit der für
Innergallien üblichen Rückführung auf die Grenzen der Civitates erklären, allenfalls
gegenüber Verdun und Toul, vielleicht streckenweise gegenüber Trier. Im Osten ist
sie ein Ergebnis der Aufsiedlung des Waldlandes der Nordvogesen und des Pfälzer
Waldes, wie Wolfgang Haubrichs in der Auswertung von Erkenntnissen der Sied-
lungsgeschichte, der Patrozinienkunde und der Besitzgeschichte gezeigt hat.
Die organisatorische Erschließung der Diözese im kirchlich-administrativen und poli-
tisch-territorialen Sinne haben uns Franz Staab und Michel Parisse dargelegt.
Staab beschrieb den Aufbau der geistlichen Verwaltung und die Wahrnehmung der
kirchlichen Jurisdiktion in delegierter Form durch Archidiakone, deren aus dem
Spätmittelalter und der Frühneuzeit bekannte Vierzahl schon im 12. Jh. vorhanden
ist, wenn auch noch einige Jahrzehnte bis zur definitiven Abgrenzung der einzelnen
Amtsbezirke (Archidiakonate) Metz, Vic, Marsal und Saarburg vergingen. Die
Dotierung der Archidiakone mit Pfründen an dem Domstift und nicht an den Kolle-
giatstiften der Titelorte der Archidiakonate zeigt deutliche Abweichungen zu den
benachbarten Diözesen Speyer und Trier.
Die Etappen der Entstehung eines weit über die Bistumsgrenzen reichenden welt-
lichen Besitzes der Bischöfe und den trotz retardierender Momente unter den
Bischöfen Johann von Apremont und Jakob von Lothringen seit dem späten 12. Jh.
einsetzenden Niedergang schilderte uns Michel Parisse. Meine Aufgabe war es, in
dem von Staab und Parisse vorgezeichneten Rahmen den aus unterschiedlichen
Motiven entstandenen Kollegiatstiften einen Platz zuzuweisen und sie in die von
Moraw vor einem runden Jahrzehnt entworfene Typologie einzuordnen. Dabei konn-
te ich eine Reihe von Abweichungen in den speziellen Metzer Verhältnissen und
Strukturen aufzeigen.
Hans-Günther M a r s c h a 11 hat uns in einem abendlichen Lichtbildervortrag Reste
des romanischen Kirchenbaus in der alten Metzer Diözese einschließlich der Bau-
304
Hans-Walter Herrmann
Conclusion
Pendant trois journées nous nous sommes occupés de l’histoire de l’ancien diocèse de
Metz, des historiens français et allemands nous ont fait connaître des explications, des
interprétations et des évaluations de leur propre point de vue.
Permettez-mois d’essayer un résumé avant de clore le colloque.
Max Pfister nous a dit que l'ancien diocèse de Metz n'est pas convenable à démon-
trer des particularités linguistiques propres, parce qu'il est traversé par la frontière
linguistique franco-allemande. Aussi le modèle de congruence des limites des civitates
gallo-romaines et des diocèses médiévaux, reconnu pour la Gaule intérieure, ne peut
pas être appliqué au diocèse de Metz sans restriction, peut-être le principe est valable
pour les frontières vers les diocèses de Toul et de Verdun, et à la rigeur partiellement
vers celui de Trêves, mais pas du tout pour la frontière orientale vers les diocèses de
Strasbourg et de Spire. C’est le résultat d’une lente progression de l’habitation aux
terrains défrichés des grandes forêts des Vosges et du Palatinat, comme Wolfgang
Haubrichs a démontré en examinant la toponymie, les saints titulairs des églises
paroissiales et les propriétaires fonciers ecclésiastiques et laïcs de cette région.
Franz Staab et Michel Parisseont parlé de l’organisation spirituelle et temporelle.
Franz Staab a décrit l’administration et la juridiction ecclésiastique par les archidia-
cons comme délégués des évêques. Déjà au 12e siècle on peut trouver quatre archi-
diacons en fonction, les confins de leur compétence furent fixés définitivement au
cours des décennies suivants autour des villes de Metz, de Vie, de Marsal et de Sarre-
bourg. Les archidiacons messins étaient dotés de prébendes du chapitre cathédral et
non pas des églises titulaires des quatre archidiaconés, cela montre des différences
évidentes en comparaison avec les diocèses de Trêves et de Spire.
Michel P a risse a commencé par dresser les étappes de la formation du temporel
débordant largement les confins diocésains, il a fini par décrire la décadence perma-
nente à partir du temps de la querelle d'investiture malgré les interventions retardan-
tes des évêques Jean d’Apremont et Jacques de Lorraine. J’avais la tâche à localiser
les chapitres collégiaux nés de différentes motives au cadre dressé par MM. Parisse et
Staab et à mettre en relations les chapitres du diocèse de Metz avec la typologie déve-
loppée par Peter Moraw et à citer quelques particularités messines.
Pendant une soirée richement illustrée Hans-Günther Marschall nous a présenté
les restes de l’architecture romane. Parfois il a recouru à la cathédrale de Verdun
étant donné le fait qu’il n’existe plus un seul grand bâtiment écclésiastique de cette
période au diocèse de Metz,
305
Skulptur vorgeführt und bei dem Fehlen eines großen romanischen Bauwerkes
ersatzweise auf Bauten in den anderen lothringischen Diözesen, vor allem die Verdu-
ner Kathedrale, zurückgegriffen.
Jean-Luc Fr a y hat, ausgehend von dem stadtgeschichtlichen Ansatz der Zentra-
litätsforschung, uns die Geschichte der Stadt Saarburg, des Titelortes des östlichen,
weitgehend deutschsprachigen Archidiakonates nahegebracht. Bei der Beschreibung
der Beziehungen dieser Stadt, die neben Epinal und Vic zu den drei größten Städten
des bischöflichen Territoriums zählte, wies er auf die schon seit dem 13. Jh. deutli-
chen Verbindungen zum Elsaß, namentlich zu Straßburg, hin.
Aus dem Osten, vornehmlich wieder von Straßburg, kamen auch die Anstöße zur
Einführung der lutherischen Lehre, aber auch Beratung bei schwierigen Fragen im
Zusammenhang mit der Entstehung und dem Ausbau eines landesherrlichen Kir-
chenregimentes, über das uns J. F. G. Goeters ausführlich informierte.
Hatte sich schon aus den vorhergehenden Vorträgen eine Lockerung der Bindungen
des östlichen Archidiakonates zum geistlichen Mittelpunkt Metz und zum bischöf-
lichen Territorium ergeben, so brachte der Übergang zur Reformation einen Bruch,
der trotz aller Anstrengungen sowohl mit den Mitteln der posttridentinischen Re-
form als auch der vornehmlich durch politische Faktoren geförderten Gegenreforma-
tion nicht überwunden werden konnte. Gérard Michaux hat, aus der Fülle der von
ihm selbst systematisch aufgearbeiteten Geschichte der Durchführung der tridentini-
schen Reformen in der Metzer Diözese schöpfend, den unterschiedlichen Verlauf der
Reform in den westlichen und zentralen Teilen der Diözese einerseits und dem
Archidiakonat Saarburg andererseits deutlich gemacht. Wir konnten verfolgen, wie
neben dem alten Mittelpunkt Saarburg auch das weiter nördlich gelegene Bocken-
heim zentralörtliche Bedeutung durch sein Jesuitenkolleg gewann, mit starker Aus-
strahlung in die weiter nördlich gelegenen Teile des Archidiakonates. Der von Mich-
aux abgesteckte weite Rahmen wurde durch eine Reihe von Referaten über
Detailfragen ausgefüllt. Durch sie lernten wir das von Michaux genannte Instrumen-
tarium zur Durchsetzung der tridentinischen Reform und die Mittel der Gegenrefor-
mation näher kennen. Louis C h â t e 11 i e r verdanken wir eine sehr eingehende
Schilderung der Landmissionen, wobei erneut Bockenheims Bedeutung angespro-
chen wurde.
Die Verquickung politischer und kirchlicher Ziele und Absichten bei der ersten Visi-
tation nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde von Wolfgang Läufer aufgezeigt.
Das religiöse Leben, Neuordnung kirchlicher Strukturen, Erscheinungen der Volks-
frömmigkeit, aber auch die in gemischt konfessionellen Gebieten auftretenden Rei-
bungsflächen und Konflikte ergaben sich aus den Referaten von Bernhard Bonk-
hoff, Olivier Billuart und Hans Amme rieh. Sie zeigten, wie das katholische
Bekenntnis in posttridentinischer Zeit einen Teil der in der Reformation verlorenge-
gangenen Positionen im östlichen Teil der Metzer Diözese wiedergewinnen konnte,
wie sich aber doch die hier ansässigen protestantischen Reichsstände, vor allem Pfalz-
306
Jean Luc Fr a y nous a fait connaître l’histoire de la ville de Sarrebourg, siège de l'ar-
chidiaconé de la Lorraine allemande, en évoquant les aspectes de centralité, en décri-
vant le rayonnement de Sarrebourg et en déterminant sa rôle spécifique en comparai-
son avec d’autres villes evêchoises comme Epinal et Vie. Il a souligné les relations
étroites entre Sarrebourg et l’Alsace, notamment avec la ville de Strasbourg.
De nouveau c’était Strasbourg qui a donné des impulsions effectives et fécondes pour
l’adaptation de la confession d’Augsbourg dans les parties orientales du diocèse de
Metz. J. F. G. Goeters nous a donné un croquis du développement de l’église lu-
thérienne du duché de Deux-Ponts, soutenue par des conseils et des avis venant de la
part du clergé protestant strasbourgeois.
Les exposés de la première moitié de notre colloque ont fournis des preuves d’un
relâchement et d’un affaiblissement des relations de l’archidiaconé de Sarrebourg
avec le centre spirituel et temporel du diocèse. Les exposés suivants ont reflété la
rupture par l'adaptation de la Réforme luthérienne - rupture, qui ne pouvait pas être
guérie, bien que les évêques de Metz, soutenus par le royauté français, ont utilisé tous
les instruments de la réforme tridentine et de la Contre-Réforme. Puisant à l’abon-
dance de ses recherches systématiques Gérard Michaux nous a dessiné un croquis
du cours et des effets de la réforme tridentine du diocèse de Metz. Il a parlé des dif-
férences entre les parties centrales et occidentales d’une part et l’archidiaconé de Sar-
rebourg d’autre part. Nous avons appris comment - à côté du centre traditionel de
Sarrebourg - la ville de Bouquenom a gagné d’importance au partie septentrionale
de l’archidiaconé, par example par le rayonnement du collège des jésuites.
Le cadre dressé par M. Michaux fut rempli par les exposés d’autres de nos collègues
s’occupant des questions particulières. Ils nous font connaître en détail les moyens
pour exécuter la réforme tridentine et la Contre-Réforme. A Louis Ch â tel lier
nous devons une description exacte des missions rurales en éclaircissant de nouveau
l’importance croissante de Bouquenom. Wolfgang Laufer a présenté le mélange de
tendences politiques et ecclésiastiques pendant la première visite pastorale après la
Guerre de Trente Ans. Bernhard Bonkhoff, Olivier Billuart et Hans Anime-
ri ch ont traité la vie religieuse, la dévotion de la population catholique, le renou-
vellement des structures de l’administration ecclésiastique. Ils ont montré avec quels
moyens et dans quelle mésure la foie catholique a regagné le terrain perdu pendant la
Réforme dans la partie orientale du diocèse. Aussi ils ont évoqué comment les
comtes et princes de l’Empire, notamment les ducs de Deux-Ponts et les comtes de
Nassau-Sarrebruck, ont maintenus leur seigneurie en matières ecclésiastiques. Malgré
la coopération de toutes les forces de la réforme tridentine et de la Contre-Réforme
les évêques de Metz n’ont pas réussi de reconstituer leur juridiction épiscopale au
mesure du temps avant la Réforme. Les princes et les comtes ont restreints les
activités des évêques dans leurs territoires. C'était intéressant de constater qu’il y
avait dans ce domaine seulement des différences graduelles et non pas principielles
entre princes catholiques et princes protestants.
307
Zweibrücken und Nassau-Saarbrücken, trotz des kräftigen Zusammenwirkens katho-
lisch-kirchlicher Erneuerung mit dem französischen Königtum behaupten konnten.
Vorträge und Diskussionen haben deutlich gemacht, daß die Wiedererrichtung
katholischer Gemeinden im nördlichen Teil des alten Archidiakonats Saarburg kei-
neswegs überall mit der Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion vorrefor-
matorischer Zeit gleichzusetzen ist, sondern daß das landesherrliche Kirchenregiment
generell der Wahrnehmung bischöflich-metzischer Kompetenzen in den Territorien
ablehnend gegenüberstand und daß in der Zulassung bischöflicher Amtshandlungen
durch katholische oder protestantische Fürsten nur ein gradueller, aber nicht ein
prinzipieller Unterschied zu erkennen ist.
Günther Volz hat schließlich am Schicksal eines Prämonstratensers aus Wadgassen,
schon in der benachbarten Diözese Trier gelegen, der auf Pfarrstellen in der Metzer
Diözese wirkte, den Zerfall des kirchlichen Lebens in der Revolutionszeit veran-
schaulicht.
Reinhard Schneider sprach in seinen Einleitungsworten das Problem der Entste-
hung und Auswirkung von Grenzen an. Wir haben kein einziges Referat speziell zu
diesem Thema gehört, aber in allen Referaten klang die Grenzproblematik an: Ent-
stehung von Grenzen, gegenseitiges Aufeinanderwirken, Verhältnis zwischen ver-
schiedenen Grenzen.
Ich habe nicht den Ehrgeiz, ein Abschlußreferat über Grenzen zu halten, sondern
möchte einige darauf bezügliche Ergebnisse des Kolloquiums thesenartig formulie-
ren:
1. Die Grenzen der alten Diözese Metz orientieren sich nicht nur an den Grenzen
der alten gallo-romanischen Civitas Mediomatricorum, sondern sind gerade in
ihrem östlichen und nördlichen Teil das Ergebnis eines sich bis zum 10. Jh. hinzie-
henden Entwicklungsprozesses, dessen Verlauf sowohl durch die Aufsiedlung des
Waldlandes als auch durch die Besitzverhältnisse bestimmt wird.
2. Die Grenzen der geistlichen Zuständigkeit des Bischofs und seines weltlichen Ter-
ritoriums decken sich nie. Während im Früh- und Hochmittelalter die Metzer
Bischöfe über erheblichen Besitz außerhalb ihrer Diözese verfügten, müssen sie
seit dem späten 11. Jh. innerhalb ihrer Diözese schwere Gebietsverluste hinneh-
men und in allen vier Himmelsrichtungen die Grenzen des weltlichen Territoriums
der terre evechoise, des späteren Fürstbistums Metz, hinter die Diözesangrenzen
zurücknehmen, während im Nordosten die Erzbischöfe von Trier ihre weltliche
Macht in die Metzer Diözese (Ämter Blieskastel und St. Wendel) hereinschieben
können.
3. Die Entstehung der kirchlichen Verwaltungsgrenzen innerhalb der Diözese wird
in das 12. Jh. gesetzt, die merkwürdige Abgrenzung der Archidiakonate Vic, Mar-
sal und Saarburg untereinander wurde versucht mit verkehrsgeographischen und
308
Racontant la vie d'un prémontré du couvent de Wadgassen, situé au diocèse de
Trêves, Günther Volz a illustré l'embrouillement d’un prêtre dans la période transi-
toire entre l'Ancien Régime et le temps moderne.
Dans son discours d’ouverture Reinhard Schneider, le président de la Kommission
für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, a mentionné le phénomène
des frontières, leurs origines, leurs effets, les influences réciproques. Nous n’avons
pas entendu un propre exposé sur ce sujet, mais le phénomène fut très souvent cité.
Je n’ai pas l’ambition de conclure par une conférence sur les frontières, je voudrais
seulement rappeler quelques renseignements concernant les frontières en formulant
des thèses:
1° Les limites du diocèse de Metz ne suivent pas celles de l’ancienne civitas Medioma-
tricorum gallo-romaine, surtout aux parties septentrionales et orientales elles sont
le résultat d’un procès long s'étendant jusqu’au 10e siècle, déterminé par le défri-
chement des grandes forêts et par l'acquisition d’une grande fortune foncière par
l'église et par la noblesse.
2° Les limites de la compétence spirituelle des évêques Messins et les limites de leur
temporel ne coïncident jamais. Les évêques étaient seigneurs d’un grand nombre
de possessions en dehors de leur diocèse grâce aux dons des rois, des empereurs et
des grands nobles. A partir de la fin du 1 Ie siècle ils devaient avaler des pertes gra-
ves et abandonner des positions dans leur diocèse, ils devaient supporter que les
archevêques de Trêves étendaient leur puissance au diocèse de Metz en acquérant
les offices de Saint Wendel et de Bliescastel.
3° La formation des limites administratives à l’intérieur du diocèse peut être placée
au 12e siècle. La délimitation curieuse des archidiaconés de Vie, de Marsal et de
Sarrebourg reste une question ouverte. Les essais de l’expliquer par la structure
seigneuriale ou par les grandes voies de communication ne sont pas satisfaisants.
4° On ne peut pas constater une influence de la frontière linguistique à la délimitation
des archidiaconés. Mais on constate un affaiblissement et une diminution des rela-
tions entre l'archidiaconé de Sarrebourg et les autres parties du diocèse, partielle-
ment à expliquer par les différences entre la langue et le caractère de la populati-
on, aussi par les relations économiques et commerciales avec l’Alsace. Une telle
dérivation de l’archidiaconé de Sarrebourg s’accentuait au cours du 16e siècle par
la différence de la confession.
5° Dans la deuxième moitié du 17e siècle les changements politiques effaçaient les
limites confessionelles. On ne peut plus parler d'une limite entre des territoires
catholiques et protestants, seulement entre des territoires catholiques et ceux
d’une population de confession mixte. Les évêques de Metz essayaient de rétablir
leur ancienne compétence au spirituel dans tout le diocèse par les moyens de la
Réforme tridentine, soutenus par les rois de France, mais il ne réussissaient que
309
besitzrechtlichen Strukturen zu erklären, bedarf aber noch weiterer Überlegun-
gen.
4. Eine direkte Einwirkung der Sprachgrenzen vermag man hier nicht festzustellen.
Wohl aber wird seit dem 13. Jh. eine nicht nur von Sprache und Volkstum her,
sondern auch verkehrsgeographisch und wirtschaftlich motivierte Abschichtung
des Archidiakonates Saarburg von den drei übrigen Archidiakonaten faßbar. Sie
verstärkt sich in der Zeit der Reformation so, daß eine Konfessionsgrenze zu den
übrigen Teilen der Diözese entsteht.
5. Diese konfessionelle Grenze verwischt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. unter
dem Einfluß politischer Faktoren. Man kann nun nicht mehr von einer Grenze
zwischen katholischen und evangelischen Gebieten, sondern nur noch von katholi-
schen und gemischtkonfessionellen Gebieten sprechen, wobei es aber den Bischö-
fen von Metz nicht gelingt, mit Mitteln der tridentinischen Reform und der vom
französischen Königtum geförderten Gegenreformation ihre volle Zuständigkeit
über alle katholischen Glaubensgenossen bis zu der alten Diözesangrenze wieder-
herzustellen. Im Nordosten des Archidiakonates Saarburg bedurfte es sogar einge-
hender Untersuchungen, um die alten Diözesangrenzen wieder bewußt zu
machen. Zu lange hatte hier die Amtstätigkeit des Bischofs und seines Archidia-
kons geruht, und zu groß waren die Bevölkerungsverluste gewesen, um eine leben-
dige Erinnerung an die alte Bistumsgrenze zu erhalten.
Wir haben in dieser zweieinhalbtägigen Tagung in gutem kollegialem Austausch über
Grenzen hinweg, die im 19. und 20. Jh. oft unübersteigbar schienen, gestanden,
Katholiken und Protestanten, Franzosen und Deutsche. Ich glaube sagen zu dürfen:
Wir haben gute grenzüberschreitende Arbeit geleistet.
310
partiellement. Leur autorité s’était arrêtée trop longue, le changement de la popu-
lation avait été trop grand en conséquence de diminution et de l’immigration pour
avoir laissé une mémoire vive au temps avant la Réforme. A la partie septentrio-
nale de l’archidiaconé de Sarrebourg on devait faire des recherches pour recon-
naître les anciennes limites diocésaines vers Spire.
Pendant trois journées les participants du colloque, des Français et des Allemands,
des catholiques et des protestants, ont travaillé efficacement et en bonne collégialité à
travers les frontières, apparaissant non franchissables il y a quelques décennies. J’ose
dire que nous avons fait de bon travail transfrontalier.
311
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen:
ADB ADMM ADMos. achamp. AFass. afläm. aflandr. afr. afriaul. ahd. AIS Allgemeine Deutsche Biographie Archives départementales de Meurthe-et-Moselle Archives départementales de la Moselle altchampagnisch Alto Fassano (= oberfassanisch, Fassatal/Dolomiten) altflämisch altflandisch altfranzösisch altfriaulisch althochdeutsch K. Jaberg/J. Jud, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz
ALF alim. alothr. aliitt. amess. apik. avenez. averon. awallon. J. Gillieron/E. Edmont, Atlas linguistique de la France altlimousinisch altlothringisch altlüttisch altmetzisch altpikardisch altvenezianisch altveronesisch altwallonisch
BaudSeb. Baudouin de Sebourg in: E. R. Labande, Etude sur Baudouin de Sebourg, Paris 1940
BEC beliun. Ber. BN bress. BSLW Bull. Bibliothèque de l’Ecole des Chartes bellunesisch Bericht Bibliothèque Nationale bressan, Mundart von La Bresse (Vosges. Remiremont) Bulletin de la Société liégeoise de littérature wallone Bulletin
Cart. CentNouv Coli. comel. Cotgr. Cartulaire Les Cent Nouvelles Nouvelles, publié par P. Champion, Paris 1928 Collection comelicese, Dialekt des Comelico (prov. Belluno) R. Cotgrave, Dictionarie of the French and English tongres, London 1611
Dep. Dl Département Ph. Delmotte, Essai d’un glossaire Wallon, Mons 1907-1909
312
f. FEW flandr. fr. friul. frpr. feminin W. von Wartburg, Französisches Etymologisches Wörterbuch flandrisch französisch friaulisch frankoprovenzialisch
gallorom. GdF Gesch. gr- GwN galloromanisch F. Godefroy, Dictionnaire de l’ancienne langue française Geschichte griechisch Gewässernamen
hain. Haust hist. Hu hennegauisch J. Haust, Le dialecte liégeois au XVIIe siècle, Liège 1921 historisch E. Huguet, Dictionnaire de la langue française du seizième siècle
ib. it. ibidem italienisch
Jb. JMarot, Li Jun Jahrbuch J. Marot (1460-1530), Ausgabe 1532 zitiert nach Littré H. Junius, Nomenclator omnium rerum propia nomina variis linguis explicata indicans, Antverpiae 1567
K Kr. Kopie Kreis
LA lad. lat. lad.anaun. lad.ates. lad.fiamm. linivall. Landesarchiv ladinisch lateinisch ladino anaunico (Val di Non) ladino atesino (zentralladinisch) ladino fiammazzo (Val di Fiemme/Fleimstal) livinallonghese (Dialekt von Livinallongo del Col di Lana, Prov. Belluno)
LK lomb. lomb.alp.occ. Landkreis lombardisch westalpinlombardisch
m. mfr. MG SS MG DD masculin mittelfranzösisch Monumenta Germaniae Historica Scriptores Monumenta Germaniae Historica Diplomata
313
mhd. MistSQ mittelhochdeutsch Le Mistère de Saint Quentin suivi des Invencions de Saint Quentin, p. p. H. Châtelain, St. Quentin 1908
Mitt. mndl. monferr. Ms. Mitteilunqen mittelniederländisch monferrino, Mundart des Monferrat (Prov. Allessandria) Manuskript
n. neutrum
nam. ndl. NF namurois, Mundart von Namur (Belgien) niederländisch Neue Folge
norm. nö. N-Sbr, normandisch, Mundart der Normandie nordöstlich N assau-Saarbrücken
nw. nordwestlich
Or. okzit. Original okzitanisch
PCal Pas-de-Calais
perig. piem. pl. PN Publ. perigourdinisch piemontesisch pluralis Personennamen Publication(s)
Remacle Doclex L. Remacle, Documents lexicaux extraits des archives scabinales de Roanne (La Gleize) 1492-1794, Paris 1967
RF RLR Romanische Forschungen Revue des langues romanes
Sbr. SN Soc. Saarbrücken Siedlungsnamen Société
sog. SSBern StA südvog. sw. sogenannte Li sermon Saint Bernart, hg. v. W. Foerster, Berlin 1887 Staatsarchiv südvogesisch südwestlich
Thierbach Z A. Thierbach, Untersuchungen zur Benennung der Kirchenfeste in den romanischen Sprachen, Leipzig 1944
TL A. Tobler/E. Lommatzsch, Altfranzösisches Wörterbuch
314
Ver Verein
VG Verbandsgemeinde
Wh. Wörterbuch
Z Zeitschrift
Verzeichnis der Autoren:
Dr. Hans Am me rieh, Am Daschberg 3, 76831 Birkweiler
Olivier B i 11 u a r t, 10, rue de Salis, F-57000 Metz
Bernhard H. Bonkhoff, Kirchstraße 3, 66501 Großbundenbach
Professor Louis C h â t e 11 i e r, 12, rue de la Côte, F-54000 Nancy
Professor Dr. Jean-Luc Fray, boulevard Duclaux, F-63000 Clermont-Ferrand
Professor Dr. Johann Friedrich Gerhard Goe t e rs, Niebuhrstraße 25, 55113 Bonn
Professor Dr. Wolfgang Haubrichs, Dr.-Schier-Straße 14 k, 66386 St. Ingbert
Professor Dr. Hans-Walter Herrmann, Buchschacherstraße 8, 66292 Riegelsberg
Dr. Wolfgang Läufer, Hofstraße 137, 66125 Saarbrücken
Dr. Hans-Günther Marschall, Robert-Koch-Straße 22,39171 Langenweddingen
Professor Gérard M i c h a u x, 27, rue des Frières, F-57050 Metz
Professor Michel Parisse, 60, rue Pasteur, F-54000 Essey-lès-Nancy
Professor Dr. Max Pfister, Steinbergstraße 20, 66424 Homburg
Professor Dr. Reinhard Schneider, Eichendorffstraße 13, 66133 Saarbrücken
Professor Dr. Franz Staab, Birkenstraße 9, 55271 Stadecken-Elsheim
Günther Volz, Zeppelinstraße 50, 76887 Bad Bergzabern
316
Veröffentlichungen der
Kommission für Saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung e. V. Saarbrücken
I. Hans-Walter Herrmann, Geschichte der Grafschaft Saarwerden DM
bis zum Jahre 1527
Band 1: Quellen 1957 ff., 676 S., 1. — 3. Lieferung 36,-
Band 2: Darstellung, 256 S. (vergriffen)
II. Saarländische Bibliographie
Band 1 bis 15, Berichtsjahre 1961 bis 1990 Preis auf Anfrage
III. Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem
Völkerbundsregime 1920-1935,1966,434S. 22,50
IV. Eduard Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-
Lothringen, 1969,4 T., 209 S. 25,—
V. Manfred Pohl, Die Geschichte der Saarländischen Kreditbank
Aktiengesellschaft, 1972,14 Tab., 146 S. 29,50
VI. Fritz Jacoby, Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme
an der Saar, 1973,275 S. 35,-
VII. Dieter Staerk, Die Wüstungen des Saarlandes, 1976,445 S. 52,50
VIII. Irmtraud Eder, Die saarländischen Weistümer — Dokumente
der Territorialpolitik, 1978,2725. 38,—
IX. Marie-Luise Hauck / Wolfgang Läufer, Epitaphienbuch von
Henrich Dors (Genealogia oder Stammregister der durch-
läuchtigen hoch- und wohlgeborenen Fürsten, Grafen und Herren
des Hauses Nassau samt Epitaphien durch Henrich Dorsen),
1983,286S. 120,-
X. Jürgen Karbach, Die Bauernwirtschaften des Fürstentums
Nassau-Saarbrücken im 18. Jahrhundert, 1977,7Tab., 255 S. 48,-
XI. Hans Ammerich, Landesherr und Landesverwaltung. Beiträge
zur Regierung von Pfalz-Zweibrücken am Ende des Alten Reiches,
1981,6 Beil., 284 S. 55,-
XII. Klaus-Michael Mallmann, Die Anfänge der Bergarbeiter-
bewegung an der Saar (1848-1904), 1981,370S. 59,—
XIII. Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und
Festungsstadt. Referate und Ergebnisse der Diskussion eines
Kolloquiums in Saarlouis vom 24.-27.6.1980, zusammengestellt
von Hans-Walter Herrmann und Franz Irsigler, 1983,256 S. 57,—
XIV. Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955,
1984,362 S. 68,-
XV. Wolfgang Haubrichs, Die Tholeyer Abtslisten des Mittelalters.
Philologische, onomastische und chronologische Unter-
suchungen, 1986,267 S. 64,—
XVI. Ernst Klein, Geschichte der saarländischen Steinkohlengrube
Sulzbach-Altenwald (1841-1932), 1987,146 S. 29,—
XVII. Thomas Herzig, Geschichte der Elektrizitätsversorgung des
Saarlandes unter besonderer Berücksichtigung der Vereinigten
Saar-Elektrizitäts-AG, 1987,414 S. 48,—
18. Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende
(1871-1918). Referate eines Kolloquiums in Dillingen vom
29./30. September 1988, herausgegeben von
Hans-Walter Herrmann, 1991,184S. 48,—
19. Die alte Diözese Metz. Referate eines Kolloquiums in
Waldfischbach-Burgalben vom 21. bis 23. März 1990,
herausgegeben von Hans-Walter Herrmann, 1993 65,—
20. Stefan Flesch, Die monastische Schriftkultur der Saargegend
im Mittelalter, 1991,239 S. 32,—
21. Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen
Grenzraum (19. und 20. Jahrhundert), herausgegeben von
Rainer Hudemann und Rolf Wittenbrock, 1991,362 S.,
davon 36 S. Abb. 45,—
Auslieferung durch:
SDV Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH, Haibergstraße 3,
66121 Saarbrücken, Telefon: 0681/665 01-35
Außerhalb der Reihe sind erschienen und über die Geschäftsstelle der Kommission für
Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Scheidter Straße 114, 66123 Saar-
brücken 3, erhältlich:
Fritz Eyer, Saarländische Betreffe des Departementsarchives
Meurthe-et-Moselle in Nancy, 1976,379 S. J DM 35,-
25 Jahre Kommission für Saarländische Landesgeschichte und
Volksforschung 1952-1977. Gründung, Aufbau, Tätigkeit, 1977, 63 S. DM 10,—