Bernhard H. Bonkhoff
Das kirchliche Leben in einer evangelischen Gemeinde
in der Westpfalz im 17./18. Jahrhundert
Durch die Reformation ging der gesamte Ostteil des Bistums Metz der römisch-
katholischen Kirche verloren. Die Territorialstaaten Pfalz-Zweibrücken, Nassau-
Saarbrücken und verschiedene Reichsritterschaften ordneten die in der evange¬
lischen Volksbewegung entstandenen Gemeinden in geschlossene und durch
Kirchenordnungen einheitlich gegliederte Kirchenwesen ein. Die römisch-katholi¬
sche Kirche hatte hier zu bestehen aufgehört. Das Kirchengut, die Kirchen- und
Pfarrhäuser blieben den örtlichen Kirchengemeinden. Diese Veränderungen und der
Bruch mit der Vergangenheit waren so stark, daß in Labach’ und Wiesbach1 2 beim
Neuanfang des Katholizismus in der Gegenreformation und den Reunionen nicht
einmal mehr bekannt war, welcher Kirchenpatron für diese Kirchen galt. In Wies¬
bach wußte laut der Visitation von 1686 der katholische Pfarrer nicht einmal, zu wel¬
cher Diözese er gehörte, ob zu Metz oder zu Worms3.
Die römisch-katholische Kirche entstand neu als Glaubensgemeinschaft der Zugezo¬
genen, der „welschen, neuen Leute“. Es war die Kirche der Eingewanderten, soweit
sie aus Frankreich, den spanischen Niederlanden oder aus Tirol stammten. Noch
heute heißen die Einwohner von Fehrbach bei Pirmasens im Volksmund die „Tiro¬
ler“. Wie die katholische Einwohnerschaft von Kirrberg und Contwig waren die Tiro¬
ler meist Bauhandwerker. Die gleichzeitig eingewanderten Schweizer waren refor¬
mierter Konfession.
Römisch-katholische Gemeinden entstanden dort, wo die Entvölkerung des Dreißig¬
jährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges besonders gravierend war. Ein
Sonderfall ist Reifenberg, wo 1696 ein ganzes Dorf zum Katholizismus konvertierte4.
Wir wollen uns im folgenden besonders mit der evangelisch-reformierten Kirchenge¬
meinde Wiesbach beschäftigen, um zu erfahren, wie eine evangelische Gemeinde die
neue römisch-katholische Präsenz erlebte und erlitt.
1 Herbert Dellwing und Hans Kubach, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des ehemaligen
Landkreises Zweibrücken, München 1981, S. 692f. und S. 706-722; Bernhard H. Bonkhoff,
Das Kirchspiel Labach (Heimatkalender 1986 für das Pirmasenser und Zweibrücker Land),
Rengsdorf 1985, S. 98-105.
2 Kunstdenkmäler Zweibrücken S. 829-841; Bernhard H. Bonkhoff, Kirchengeschichte von
Wiesbach bis zum Untergang der Pfarrei 1635, in: Bll. f. Pfälz. Kirchengesch. 49, 1982, S. 5-9;
ders. Kirchengeschichte von Wiesbach von 1635 bis zum Ende des Simultaneums 1914, in:
ebenda 52,1985, S. 45-59.
3 Carl Albert Bu c h h e i t, Beitrag zur Geschichte der ehemaligen Metzer Pfarreien, die jetzt zur
Diözese Speyer gehören, Homburg 1927, S. 18.
4 Ludwig Härich, Ortsgeschichte von Reifenberg, Reifenberg 1977, S. 100 ff.; 1877 wurde bei
Reifenberg ein Feldkreuz errichtet, das in seiner Inschrift der Konversion des Dorfes gedenkt.
Das Kreuz legt Jesus ein Wort aus dem Buch der Weisheit in den Mund, das sich gegen die
Protestanten richten soll: Ich liebe, die mich lieben. Alle, die mich hassen, lieben den Tod.
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