„Linguistique romane et histoire religieuse“ 243-25416. Im Gegensatz zu Jud sieht
Aebischer in moutier „Pfarrkirche“ keine semantische Neuerung, die aus den Räu¬
men Metz - Gorze - Luxeuil stammen könnte, sondern einen Archaismus, der auch
in frühen altfranzösischen Texten in dieser Bedeutung vorkommt, z B. im Alexius-
Lied (11. Jh.) oder im Rolandslied (ca. 1148): [S. 248] „force nous sera de conclure
que son extension primitive est bien plus étendue que ce qu'il en reste aujourd’hui, et
que l’origine de ce mot, avec ce sens, ne doit rien aux moines luxoviens ou messins“
... [S. 248] „le passage sémantique de moustier .monastère1 à .église quelconque1 est
trop répandu, trop général, pour qu’on puisse l’attribuer uniquement à l’influence des
moines de Luxeuil et de Metz“. Aus diesen Gründen betrachte ich moutier nicht als
Leitwort für die Metzer Diözese.
Auf sicherem Boden bewegen wir uns aber bei der Bezeichnung des Pfingstfestes
tschungqueismas (<quinquagesima) im Bistum Chur im Gegensatz zur griechischen
Bezeichnung pentecoste im Erzbistum Mailand. Quinquagesima wurde nie in den offi¬
ziellen Kirchenkalender aufgenommen. Die Latinisierung von Pentecoste hat sich
aber in den Randgebieten des Imperium Romanum durchgesetzt, in jenen Gebieten,
in denen nach dem Germaneneinfall zwischen dem 6. - 8. Jh. eine Art Neu-Christia-
nisierung nötig wurde: in Nordfrankreich (bedingt durch die Franken), in Nordspa¬
nien (bedingt durch die Westgoten), in Graubünden (z. T. bedingt durch die Aleman¬
nen). Der politischen Umorientierung nach Norden, bedingt durch die
Herrschaftsstellung der rätischen Familie der Viktoriden, folgte in Graubünden eine
kirchliche Umorientierung nach dem merowingischen und fränkischen Norden, die
im 7. Jh. begann und im Jahre 847 einen definitiven Abschluß fand mit der Eingliede¬
rung des Bistums Chur in die Mainzer Kirchenprovinz. Bündnerromanisch tschun-
queismas statt lombardisch pentecoste bedeutet aber mehr als nur eine sprachliche
Loslösung vom Erzbistum Mailand und den Beginn der Herausbildung einer eigenen
Sprache, eben der rätoromanischen. Gleichzeitig handelt es sich um die Eingliede¬
rung Graubündens in den galloromanischen Nordosten, wenigstens im Bereich der
Kirchensprache, ein Zusammengehen mit Lothringen - Wallonie - Pikardie. Im Falle
von quinquagesima können wir diese Sprachschicht - Jud nennt sie vorfränkische -
nachweisen: altpik. chinqueme „Pentecôte“ (Saint-Omer 1250/53, Jud 275), chuinkes-
me (14. Jh., FEW 2/11, 1479b), ciunckesme (Lille 1290, Jud 273), ciunkesme (Tournai
1320, Gdf 9,95c), altlütt, cinquesme (1376, Haust, ib.).
Neu dazugekommen sind folgende Belege: altwallon. cinquesme (La Gleize 1541,
RemacleDocLex.), altflandr. chunqueme (Gand 1259, Mantou). Dazu gehören auch
altfläm. cincksen, sincksen, mndl. cinxene, fläm. schinksen De Bo. Im galloromani¬
schen Gebiet scheinen jedenfalls die Diözesen Lüttich, Tournai und Thérouanne
diese Bildung gekannt zu haben.
Abschließend spreche ich über die Kirchensprache des Nordostens der Galloromania
und zähle dazu Pikardie, Flandern, Wallonie und Lothringen. Die Pikardie umfaßt
16 P. Aebischer, Linguistique romane et histoire religieuse (Biblioteca filologica historica
XXIV), Barcelona 1968.
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