In den Flurnamen eines Raumes leben jedoch viele solcher im appellativi-
schen Wortschatz nicht mehr vorhandenen oder nur noch bestimmten Spre¬
chergruppen bekannten Wörter weiter. Häufig werden sie nicht mehr verstan¬
den und müssen aus diesem Grund im Syntagma bzw. durch Komposition er¬
läutert 11 oder remotiviert werden („Volksetymologie“)507 508.
Auch unter den untersuchten ,Nordwörtern1 und ,Südwörtern1 des Saar-
Mosel-Raumes finden sich zahlreiche solcher der Mundart nicht mehr geläufi¬
gen Namenwörter, die sich als Grundlage für weiterführende Untersuchungen
eignen, die darauf abzielen, den historischen landwirtschaftlichen Sachwort-
schatz des Raumes zu rekonstruieren und auf ehemals angewandte Methoden
und Techniken zu schließen. Die Namenartikel stellen jeweils in Abschnitt C
die Verhältnisse im deutschen Sprachgebiet dar: Hier werden die Nachweise
des Wortes in den einschlägigen Mundartwörterbüchern erläutert. Wenn diese
Hinweise darauf enthalten, dass ein Wort zur Entstehungszeit des Wörter¬
buchs bereits veraltet war oder sich nur in Toponymen findet, wurde dies
vermerkt. Abschnitt D der Namenartikel kommentiert die Situation im Unter¬
suchungsraum. Eine besondere Bedeutung hat das toponymische Vorkommen
zur Beurteilung der Semantik und der Etymologie eines Wortes dann, wenn
appellativische Nachweise völlig fehlen, wie z. B. im Falle der westgermani¬
schen Namenwörter *haisja (*haisi), haisipi (Namenartikel Nr. 14) und
*(h)lär (Namenartikel Nr. 15).
507 Vgl. z. B. die Resemantisierung von Matte f. , Wiese1 im Flurnamen Mattwiese, der
im Übergangsgebiet zwischen den arealen Verbreitungsräumen der semantisch
übereinstimmenden Wiesenwörter Matte und Wiese belegt ist: z. B, 1728 or. frz. la
mattwiess (AD Mos 4 E 233), rezent Sur mattwiesel-mathwiese [of 'matvis] in
Hambach.
?08 So z. B. der Fall bei der hier untersuchten Tierbezeichnung Adebar m. ,Storch1:
Aus der ursprünglichen Bezeichnung für das Nest dieses Vogels (*Adebars Nest)
entsteht durch lautliche Veränderungen und Anlehnung an das Adjektiv ewig der
saarländische Flurname ewigers nest, also etwas wortgeschichtlich völlig Neues.
Die ursprüngliche Form und Bedeutung des Wortes Adebar waren offenbar, wie die
Entwicklung dieses Flurnamens zeigt, zum Zeitpunkt der Überlieferung des Flur¬
namens im 16. Jahrhundert nicht mehr bekannt.
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