vereine und insbesondere Vogel in den Wochen nach Köln mit dem Vorwurf kon¬
frontiert. die Einseitigkeit der Veranstaltung billigend in Kauf genommen und es den
Nationalsozialisten ermöglicht zu haben, die Kundgebung zu Provokationen der
verfassungstreuen Bevölkerung zu mißbrauchen. Von sozialdemokratischer Seite
stand Vogel zusätzlich unter Druck, da versäumt wurde, das Begrüßungsschreiben
des preußischen Innenministers Severing zu verlesen32. Zwei Wochen nach dem
Kölner Zwischenfall beschlossen der Vorstand der Saar-SPD und die Landesrats¬
fraktion daher in gemeinsamer Sitzung, jede Mitarbeit im Bund der Saarvereine und
am „Saar-Freund“ künftig abzulehnen33. Vogels Vorhaben, durch individuelle
Schreiben zu beschwichtigen und sich bei führenden Sozialdemokraten um eine
politische Schadensbegrenzung34 für die „schwarzweißrote Hakenkreuzdemon¬
stration“ („Vorwärts“) zu bemühen, lief angesichts dieser eindeutigen Distanzierung
der saarländischen SPD ins Leere. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den
Vorwürfen kam für Vogel allerdings nicht in Frage, da er Braun für den alleinigen
Drahtzieher der Eskalation hielt35.
Vordergründig ließ sich der Konflikt zwischen der Geschäftsstelle „Saar-Verein“ und
der Saar-SPD Brauns bis Jahresende beilegen. Nach einer Aussprache veröffentlichte
die Schriftleitung des „Saar-Freund“ eine Erklärung, derzufolge sich der Verein bei
der saarländischen Sozialdemokratie entschuldigte und nichts sehnlicher wünsche, als
fortan mit ihr in der Frage des Deutschtums wieder zusammenzuarbeiten36. Schon
Anfang des nächsten Jahres wurde Braun neben den Sozialdemokraten Schäfer,
Südekum und Löffler zu einer Sitzung des Aufsichts- und Beratungsausschusses ins
Preußische Abgeordnetenhaus eingeladen37. Hinter den Kulissen hingegen bedauerte
Vogel den strategischen Rückzieher wegen der damit verbundenen Stärkung
Brauns38. Um so größer war die Befriedigung Vogels, sich sieben Jahre später
öffentlich in die Phalanx der Gegner Brauns einreihen zu können.
32 Vgl. „Berliner Tageblatt“ Nr. 384 (16.08.26) und Nr. 388 (18.08.26); „Kölner Tageblatt“ Nr. 385
(18.08.26) ; „Frankfurter Zeitung“ Nr. 703 (21.09.26); S.Z. Nr. 226 (21.08.26); „Volksstimme“ Nr. 189
(17.08.26) und Nr. 195 (25.08.26).
33 Der Bezirksvorstand „Obere Rheinprovinz“ sollte ebenso wie der Berliner Hauptvorstand aufgefordert
werden, sich diesem Beschluß anzuschließen: Vgl. „Volksstimme“ Nr. 200 (30.08.26).
34 Vgl. „Die ungerechtfertigen Angriffe gegen den Bund der Saarvereine und die Geschäftsstelle ’Saar-
Verein' anläßlich der Kundgebung für Rhein. Pfalz und Saar in Köln am Rhein am 15. August 1926“
(20.08.26) , in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 19; Erklärung derGSV (01.09.26), in: BA-R 8014/678;
SF7 (1926) 17, S. 301-305. Der Aufsatz „Die Wahrheit überden Saar-Verein“ ging den körperschaftli¬
chen Mitgliedern auch als Sonderdruck zu und wurde in zahlreichen saarländischen und reichsdeut -
schen Zeitungen veröffentlicht: Vgl. StA Saarbrücken, Großstadt 802; „Völklinger Nachrichten“ Nr.
288 (11.12.26), „Köllertaler Zeitung“ Nr. 290 (14.11.26); S.Z. Nr. 344 (19.12.26).
35 Vgl. Brief der GSV an Debusmann (08.09.26), in: BA-R 8014/333. Nach Vogels Ansicht habe man es
noch immer mit der alten Sozialdemokratie zu tun, „die international eingestellt ist und für Nationales
kein Verständnis hat.“ Vgl. Brief der GSV an Hilger (02.09.26), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 19.
36 Vgl. SF 7 (1926) 23, S. 417; Protokolle der Besprechungen vom 18.11,26 (20.11.26) und 23.11.26, in:
BA-R 8014/40.
37 Vgl. Brief der GSV an Braun (27.01.27), in: Ebd.
38 Vgl. Brief der GSV an Karius (11.12.26), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 11.
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