Verhältnisse der Berliner Gruppe in den ersten Jahren trotz der schlechten Zahlungs¬
moral der Mitglieder als gut bezeichnet werden können, lag an den zahlreichen
Spenden von Berliner Firmen und Industrieunternehmen, die in der Regel durch Fett
vermittelt worden waren. Ihm ist es zu einem großen Teil auch zu verdanken, daß die
Geschäftsstelle „Saar-Verein“ während der Inflation ihre Arbeit nicht einstellen
mußte175. In der Gründungssitzung fiel die Wahl des Schriftführers auf Vogel, als
Kassierer konnten Gewerbeassessor Kreis und als Beisitzer Rechnungsrat Rosen-
kränzer gewonnen werden. Die im Vereinsregister eingetragene Gruppe traf sich
fortan monatlich; außerdem fanden wöchentlich Stammtischabende statt.
Die Mitgliederentwicklung dürfte exemplarisch für andere großstädtische Orts¬
gruppen gewesen sein: Nach einem schnellen Zuwachs in den ersten Monaten
stagnierte die Zahl der Vereinsangehörigen bis 1923, um sich nach der Inflation
wieder auf einem etwas niedrigeren Niveau einzupendeln176. Fast wöchentlich erhielt
die Geschäftsstelle vom Berliner Einwohnermeldeamt eine aktuelle Auflistung neu
nach Berlin gezogener Saarländer, die umgehend aufgefordert wurden, die Mitglied¬
schaft zu erwerben. Der Erfolg dieser breit angelegten Aktion hielt sich jedoch in
Grenzen. Trotz der kaum zu überblickenden Vielzahl diverser vaterländischer Ver¬
einigungen und landsmannschaftlicher Gruppierungen in der Reichshauptstadt zählte
die Berliner Saarvereinigung exponierte Persönlichkeiten zu ihren Mitgliedern. So
gehörten neben Abgeordneten des Reichstages, des Preußischen Landtages und der
Berliner Stadtverordnetenversammlung unter anderen Gustav Stresemann (DVP)177 178,
der ehemalige preußische Finanzminister Albert Südekum (SPD)l7X, Clara Mende
(DVP)179 180 sowie der Generalsekretär der DVP Trucksaess1X0 der Ortsgruppe an. Ferner
zählten der im Saargebiet hoch angesehene Generalmajor Paul von Lettow-
175 Vgl. SF4 (1923) 13, S. 180.
176 Am 01.07.20 zählte die Berliner Saarländervereinigung etwa 290 Mitglieder (vgl. BA-R 8014/212),
Ende 1920 schon 398 (vgl. SF 2 (1921) 7, S. 91) und zur Kasseler Bundestagung etwa 550, was dem
vorläufigen Höchststand entsprochen haben dürfte. Bis Ende 1922 blieb dieser mit 542 relativ stabil,
sechs Monate später waren es bereits nur noch 450 (vgl. SF 4 (1923) 13, S. 180), um schließlich auf
431 zum Jahresende 1924 zu sinken: Vgl. Tätigkeitsbericht Vogels auf der Mitgliederversammlung
der Berliner Ortsgruppe (24.03.25), in: LA Berlin, Rep. 042/26.420. Eine Besonderheit in der
Entwicklung war 1928 zu verzeichnen, als der Vorstand die Konsequenz aus der katastrophalen
Zahlungsmoral zog: Von 450 Mitgliedern wurden 213 gestrichen; da aber wieder 58 Beitritte erfolgt
waren, zählte die Ortsgruppe Ende 1928 295 Mitglieder: Vgl. SF 10 (1929) 7, S. 135 f. Dieses Niveau
blieb in etwa bis 1933 konstant.
1 Stresemanns Beitritt erfolgte am 19.06.23 (vgl. BA-R 8014/218); er blieb auch während seiner
Amtszeit als Reichskanzler und als Außenminister Mitglied der Ortsgruppe.
178 Vgl. Brief der GSV an Südekum (09.03.21), in: BA-R 8014/213. Südekum war 1922-1925 Mitglied
im Bundesvorstand und 1925-1933 Beisitzer im Aufsichts- und Beratungsausschuß der GSV.
179 Die Vorsitzende des „Deutschen Frauenausschusses zur Bekämpfung der Schuldlüge“ trat der
Ortsgruppe am 12.06.23 bei. Mende erklärte sechs Jahre später ihren Austritt: Vgl. Brief Mendes an
die GSV (02.01.29), in: BA-R 8014/704. Als Anhängerin des Stresemannschen Flügels in ihrer Partei
war sie stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin in der Nationalversammlung und nahm im Mai
1924 Platz 2 auf der Reichstagswahlliste ein: Vgl. Richter: Die deutsche Volkspartei, S. 57 und S.
327.
180 Vgl. Mitgliederliste von 1933, in: BA-R 8014/237.
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