machte der Waffen-SS-Angehörige Stanglica die Dienststelle Lublin des RKFDV
auf deutschstämmige Polen im Kreis Zamosc aufmerksam. Um die Jahreswende
1940/41 holte man ihn als Experten für deutsche Auswanderergeschichte zum
Volkspolitischen Referat und zum Beauftragten der VoMi beim Stab Odilo
Globocniks im Distrikt Lublin, wo er Leiter der Abteilung Planung und Statistik
in der an Erarbeitung und Durchführung der Judenvernichtung beteiligten For¬
schungsstelle Ostunterkünfte (Fostu) und somit Chefplaner für die Raumordung
im Distrikt Lublin wurde.827
Braun erinnerte sich seiner historischen Forschungen zu den im späten 18. Jahr¬
hundert von Kaiser Joseph II. im Lubliner Raum angesiedelten Pfälzern und bot
dem SS- und Polizeiführer Lublin seine Hilfe bei der Suche nach deren polnischen
Nachfahren an.828 Die SS verfolgte im Raum Lublin einen Großsiedlungsplan.
Globocnik hatte dazu den Kreis Zamosc ausgewählt, der Anfang 1942 vom
RKFDV als erstes deutsches Siedlungsgebiet im Generalgouvernement festgelegt
wurde. Um den Distrikt Lublin zu einer rein deutschen Siedlungsbrücke zwischen
dem Baltikum und Siebenbürgen umzuwandeln und die Stadt Lublin zu germani¬
sieren, bedienten sich Himmler und Globocnik neben deutschen und Volks¬
deutschen Kolonisten der vor Ort wohnenden deutschstämmigen Polen.82'' Brauns
Hilfe war also willkommen. Himmler befahl, alle im Generalgouvernement
lebenden polonisierten Deutschstämmige zusammenzufassen und im Raum von
Lublin nach landsmannschaftlichen Gesichtspunkten anzusiedeln, ln der ersten
Hälfte des Jahres 1941 wurden 25 000 Volksdeutsche der Herkunft ihrer Ahnen
gemäß auf zwölf neu entstandene „Pfälzer Dörfer“ im Kreis Zamosc aufgeteilt.830
Die Ansiedlung von Deutschen oder Deutschstämmigen war die eine Seite der
Medaille von Brauns Polenauswandererforschung und diese Seite war schon ver¬
brecherisch: Unter anderem in den Distrikt Lublin wurden ab 1942 die „politisch
untragbaren“, aber als „rassisch wertvoll oder auch rassisch einwandfrei“ einge¬
schätzten Lothringer verschleppt.831 Die andere Seite der Medaille troff von Blut,
die Vertreibung und Vernichtung der nichtdeutschen Bevölkerung aus dem Sied¬
lungsgebiet. Umsiedlung von Juden, von welcher Stanglica im Brief an Braun
82 BABL, R69/132, f. 28-29: SS-Untersturmführer Dr. W[ilhelm] Gradmann (EWZ-Stabsflihrung
- Abt. Planung), „Das Deutschtum im Gebiet von Zamosc: Ergebnisse einer Erkundungsfahrt“ v.
19.3.1942; ADM, 1W234: Stanglica (SSPF im Distrikt Lublin) an Mittelstelle Westmark v. 12.3.
1941; cf. Esch, „Gesunde Verhältnisse", 43-45, 351; Bruno Wasser, Himmlers Raumplanung im
Osten: Der Generalplan Ost in Polen 1940-1944, Vorw. Czeslaw Madajczyk, Stadt - Planung -
Geschichte, 15 (Basel: Birkhäuser, 1993), passim.
828 BABL, R69/132, f. 12: Dr. R. Foerth (Abt. Planung der EWZ), Aktenvermerk an den Leiter
der EWZ v. 17.2.1942.
829 Czeslaw Madajczyk, Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen ¡939-1945, Übs.
Berthold Puchert (Berlin: Akad.-Verl., 1987), 422; BABL, R69/132, f. 20v u. 19v: Lothar von
Seitmann, „Pfälzersiedlungen im Zamoscer Kreis“, Volkstum im Südosten (Okt. 1941), 180,
182-83.
830 ADM, 1W234: Uhrig an Emrich (Zentralreferat für Kultur und Propaganda) v. 9.8.1941, 1.
831 Jäckel, Frankreich, 318; cf. Wolfanger, „Nationalsozialistische Politik“, 174.
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