reits während der Übergangszeit so zu modifizieren, daß sie über den Tag X hinaus
Bestand haben konnten. Klar zu erkennen war dies bei der Neuordnung des saarlän-
disehen Rentensystems,94 aber beispielsweise auch in der Beratung um den Stellen¬
plan der saarländischen Post.9' Die hohe Publikumswirksamkeit, aber auch der
letztlich geringe Spielraum der saarländischen Politik zeigte sich wohl am deutlichs¬
ten in der Diskussion um die Beibehaltung des saarländischen Familienzulagen¬
systems. Diese Einrichtung, die französische und deutsche Traditionen zu einem Teil
des speziell saarländischen „sozialpolitischen Maßanzugs“ vereinte,96 galt praktisch
allen saarländischen Akteuren als besonders positiv und erhaltenswert. Seit dem
Beginn der Verhandlungen um den Saarvertrag hatten Parlament und Regierung
gleichermaßen den Wunsch formuliert, dieses System möglichst über das Ende der
Übergangszeit hinaus zu bewahren. Im Jahr 1958 wurde das entsprechende saarlän¬
dische Gesetz dann reformiert, und zwar mit dem ausdrücklichen Wunsch, dadurch
die Beibehaltung über die Eingliederung hinaus zu sichern.97 99 Noch in der Aussprache
zur Regierungserklärung von Egon Reinert nach seiner Wiederwahl zum Ministerprä¬
sidenten erklärte daher der zuständige Minister, Herrmann Trittelvitz, daß die Beibe¬
haltung der Familienzulage ein wichtiges Ziel der Regierungspolitik sei.% Nachdem
die deutsche Seite in dieser Frage von Beginn an sehr zurückhaltend agiert hatte,
markierte jedoch wohl schon eine hochrangig besetzte Besprechung zwischen
Saar-Regierung und Bundeskabinett im Mai 1959 das endgültige Scheitern der saar¬
ländischen Position."
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Interpretation der saarländischen Politik in der Über¬
gangszeit besteht darin, daß im Regierungshandeln ein Perspektivenwechsel von
94 Bei der Anpassung an das (damals neue) deutsche Rentensystem wurde versucht, einen möglichst
günstigen Umrechnungskurs zu erzielen, LTDS, 3. WP, Abt. 1, 39. Sitzung v. 13.3.57, bes. Wortmeldung
von Franz Schneider (CVP), S. 1 100.
95 Durch gezielte Eingriffe wurde versucht, die Voraussetzungen für die saarländischen Arbeitnehmer bei
der Übernahme durch die Bundespost zu verbessern. LTDS, 3. WP, Abt. I, 26. Sitzung v. 20.12.56,
S. 682ff. Eine interessante Wortmeldung lieferte in diesem Zusammenhang der spätere Ministerpräsident
Franz Josef Röder (CDU), der sich während der Debatte um diesen Punkt beim Landtagspräsidium
erkundigte, ob wohl dieser Teil der Sitzung live im Radio übertragen werde, vgl. ebd., S. 685.
% Vgl. hierzu umfassend: Hans-Christian Herrmann, Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartner¬
schaft. Sozialpolitik und Gewerkschaften im Saarland 1945 bis 1955, Saarbrücken 1996 (= Veröffentli¬
chungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 28).
97 LTDS, 3. WP, Abt. 1, 51. Sitzung v. 1.7.58, S. 1523. Erst mit einer gewissen Verzögerung - dann aber
mit großem Nachdruck - setzte die Werbung der Arbeitnehmervertreter für den Erhalt der Familienzulagen
ein, vgl. die Artikelserien in: Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 7 (1959),
S. 8-18 und S. 89-102.
98 LTDS, 3. WP, Abt. I, 63. Sitzung v. 3.3.59, S. 1749.
99 LASB StK 1712, Kabinettsprotokoll v. 23.5.59, Bericht der Kabinettsvertreter von den Besprechungen
mit Adenauer und verschiedenen Ministern in Bonn am 10. und 21.5.59, Die Saarländer sahen sich mit
einer „derart negativen" Reaktion konfrontiert, daß es schwierig war, die Wünsche des Saarlandes v.a. auf
dem Gebiet des Familienlohns und der Kriegsopferversorgung überhaupt „mit Aussicht auf Erfolg
vorzutragen und zu vertreten". Interessant ist allerdings auch der Hinweis, daß man das von Bonner Seite
vorgelegte umfangreiche Zahlenmaterial nicht gekannt habe und sich daher aut die „psychologischen
Aspekte" konzentriert habe.
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