Als der Saarbrücker Regierungspräsident von Günderrode seinen Fürsten über den
neuen, vom Amtmann beschriebenen Zustand m der Meierei Völklingen in Kenntnis
setzte, war der Fürst bestürzt; denn ganz im Gegensatz zu den Aussagen seines
Hofagenten, mußte er nun erfahren, daß der Heimeier und die Gemeindsleute weiter¬
hin am Prozeß festhalten wollten und auch noch ungebührliche Äußerungen von sich
gegeben hatten. Das Strafmaß, das Fürst Wilhelm Heinrich daraufhin in einem eigens
verfaßten Brief an seinen Regierungspräsidenten anordnete, war so außergewöhnlich,
daß wir hier den entsprechenden Auszug aus dem - wiederum in französisch verfa߬
ten - Brief wörtlich wiedergeben wollen: Je suis fort étonné de la mauvaise volonté
des Paysans de Fölcklingen. Comme c'est un devoir qu'ils doivent depuis long-
tem(p)s, vous serez bien, Monsieur, de leur envoyer un Gefreyter (~ein Gefreiter,
K.R.) avec deux hommes en execution; et s'ils ne le respectent pas, nous environs
samedy matin toute la Compagnie de la Cercle (=Kreiskompagnie, K.R.) et s'ils
s'opposent, il faudra les charger et en tuer une Vingtaine pour faire un exemple sur
les autres'37. Der Fürst hatte allen Ernstes vor, zwanzig Mann aus der Meierei Völ¬
klingen töten zu lassen, falls sie sich nicht der Exekution der Kreiskompagnie unter¬
werfen sollten. Das war eine ungeheuerliche Strafandrohung - angesichts der Tatsa¬
che, daß die Völklinger nichts weiter getan hatten, als den vorgeschriebenen Rechts¬
weg zu beschreiten und sich ans Reichskammergericht zu wenden. Allein schon der
Einsatz von Kreistruppen für solch ein 'Vergehen' war völlig fehl am Platz137 138. Aber
es war nicht allein die Klage am Reichskammergericht, die den Fürst zu einem derart
harten Strafmaß bewog, sondern vor allem die Tatsache, daß die Gemeindsleute und
der Heimeier sich nicht der fürstlichen 'Gnade' unterwerfen, d.h. trotz des 'Gnaden-
Dekrets' nicht von ihrer Sache ablassen wollten und einen respektlosen Ton ange¬
schlagen hatten. Der Fürst gab außerdem noch den Befehl aus, den Haupträdelsführer
Conrad Kurtz sofort gefangen nehmen und ins Gefängnis nach Saarbrücken bringen
zu lassen139. Die fürstlichen Anweisungen wurden an den Saarbrücker Amtmann
Handel weitergeleitet, worauf sich dieser erneut nach Völklingen begab.
Dort angekommen, ließ er den Meier Sebastian Franz, den Gerichtsmann Andreas
Klicker, den Heimeier Conrad Kurtz und etliche andere Gerichtsleute in der Woh¬
nung des Meiers Zusammenkommen. Ob der Amtmann den gesamten Befehl des
Fürsten inklusive der Androhung, 20 Mann töten zu lassen, bekannt machte, wissen
137 Brief des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken an den Regierungspräsidenten von
Günderrode, 1.September 1766: LA SB 22/2979, fol.82 (zit.82r.).
138 Zu den nassau-saarbrückischen Kreistruppen und ihrem Einsatz bei innerterritorialen Unruhen wie
z.B. den Kriechinger Unruhen aus den 1750er Jahren, wobei die Entsendung von Kreistruppen auf die
Anweisung der Plenarversammlung des oberrheinischen Kreises zurückzugehen hatte, vgl. Hopp¬
städter, Löwe, S.24-34, bes. S.30.
139 Brief des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken an den Regierungspräsidenten von
Günderrode, 1.September 1766: LA SB 22/2979, fol.82v,; die entsprechende Passage lautet: Il faut
arrêter l'homme que vous m'avez dénommé dans votre lettre et le faire conduire dans le prison de
Saarbruck.
276