Zehntes Kapitel
Die Gleichschaltung von Presse und Rundfunk
1. Das Zeitungssterben an der Saar unter besonderer Berücksichtigung
der katholischen Presse sowie die illegale Presse nach 1933 bzw. 1935
Die Behandlung der Presse im nationalsozialistischen Staat darf sicherlich im ge¬
samten Reichsgebiet als verhältnismäßig einheitlich angesehen werden. Für die
Saar gilt lediglich das um zwei Jahre verzögerte Einsetzen presserechtlicher Be¬
stimmungen und speziell die Taktik des Reichspropagandaministeriums und der
Reichspressekammer bei der Infiltrierung der Saarländer mit entsprechendem
ideologischem Gedankengut in den Jahren 1933/341. Zeitweilige besondere Rück¬
sichtnahmen in den Veröffentlichungen Saar-spezifischer Themen, wie z.B. der
Aufruf zur Mäßigung, Zurückhaltung, Vermeidung jeglicher rednerischer Entglei¬
sung aus "innerdeutscher Rücksichtnahme", stellen demnach kein Abweichen von
der Gesamtlinie dar, sondern resultieren aus gezielten Überlegungen zur jeweili¬
gen Situation.
Von NS-Seite wurde für die Zeit vor der Volksabstimmung die Tatsache durchaus
erkannt, daß "die Presse an der Saar eine sehr scharfe Waffe in der Hand eines ge¬
schickten Schriftleiters"2 darstellte. Die Saar war reich an kleinen und mittleren
Zeitungen; gerade die Heimatpresse mit ihrem kleinen, geschlossenen Leserkreis
war in der Lage, das entsprechende Gedankengut portionsweise in bestimmte Be¬
völkerungsgruppen hineinzutragen. Die mittleren Zeitungen waren, dem Charak¬
ter der Bewohner folgend, katholisch-religiös eingestellt, wie etwa die "Saar¬
brücker Landeszeitung", das führende Organ des Zentrums an der Saar. Sie war
am 1. Juli 1920 entstanden aus der Vereinigung der 1884 durch Kaplan Dasbach
gegründeten "St. Johanner Volkszeitung" mit der seit 1. Juli 1904 erscheinenden
"Saarpost" als "Bollwerk gegen die volks- und kirchenfeindlichen Bestrebungen
des Liberalismus'". Die Zusammenlegung war im Zuge der Neugründung des
Verlagsuntemehmens "Saarbrücker Druckerei und Verlag AG" erfolgt, das sich
auch an der "Merziger Volkszeitung" und der "St. Wendeier Zeitung" beteiligte.
1 Rechtsgrundlage der Zeitungsverbote im Reich bildete die VO des Reichspräsidenten v. 28.2.1933, wo¬
durch praktisch die Freiheit der Presse aufgehoben war. Vgl. O. J. Haie, Presse in der Zwangsjacke
1933-1945. Ebenso: K. Koszyk, Deutsche Presse, S. 346- 443. Die "Taktik" im Sehr. Barths an den
bayer. Min.Präs. im Juni 1934 mit dem entspr. Aufruf. LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.424, Bl.
179f. Zur NS-Presse in der Weimarer Republik und im Dritten Reich vgl. M. Broszat, Bayern in der
NS-Zeit, II, S. 8-89.
2 K. Bartz, Weltgeschichte, S. 56 u. F. Jacoby, Herrschaftsübemahme, S. 128-135.
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