Einwände6. Bedenken äußerte man auf Ortsebene lediglich in der Hinsicht, daß
mit der Einführung sofort die Berufung und Ernennung der Gemeinderäte ange¬
bracht sein dürfte, da die derzeitigen Gemeindevertreter noch vor der nationalen
Erhebung gewählt worden seien. Trotz alledem wurde die Deutsche Gemeindeord¬
nung jedoch vorerst an der Saar noch nicht eingeführt7. Allerdings waren inzwi¬
schen aufgrund von Bürckels "Anordnung zur Sicherung der Gemeindeverwaltung
im Saarland" vom 8. März 1935 aus den gemeindlichen Selbstverwaltungskörpem
diejenigen Mitglieder ausgeschieden worden, die nicht bis zum 12. Januar 1935
Mitglieder der Deutschen Front geworden waren. Das gleiche galt für ehrenamtli¬
che Vorsitzende oder Mitglieder der Vorstände von Gemeinden und Gemeindever¬
bänden, Deputationen, Kommissionen, Ausschüssen und für Träger staatlicher und
gemeindlicher Einzelehrenämter. So schieden im Bereich der Bürgermeisterei
Völklingen 30 von insgesamt 105 Gemeinderatsmitgliedem und 1 Bürgermeiste¬
reirat von insgesamt 12 aus8. Demgemäß wurden nach der "Überwindung des Par¬
teienstaates" die freien Ämter neu besetzt; in Saarbrücken übernahm Anfang April
Bürgermeister Dürrfeld anstelle von OB Neikes die Leitung der Stadtverwaltung
(ab 9. Mai als OB).
Bezüglich der Wünsche, Erwartungen und Forderungen der Saarkommunen ange¬
sichts der neuen Lage läßt sich feststellen, daß bereits in den folgenden Tagen und
Wochen nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses und verstärkt nach
dem 1. März 1935 von kommunalpolitischer Seite zahlreiche Berichte in der Saar¬
presse erschienen, die auf eine angebliche Vernachlässigung ihres Gebietes auf¬
grund historischer Ereignisse des vorigen Jahrhunderts, auf Folgen des letzten
Krieges oder auf Versäumnisse in der Zeit der Reko hinwiesen9, um im Zuge des
personellen Austauschs gleichzeitig auf sachliche Änderungsvorstellungen
aufmerksam zu machen. Nicht immer jedoch genügten für Veränderungen die
Darlegung von Mißständen vor den NS-Machthabem, teilweise mußten sogar
Pluspunkte eingestanden werden; dann allerdings suchten die Kommunalpolitiker,
wie etwa in Nalbach, auf einen allzu schnellen Aufbau hinzuweisen, so daß es
nunmehr erforderlich sei, "das kommunalpolitische Leben" noch "höhere Pulse
6 Sehr, des OB v. 6.4.1935. Ebd. Nr. 3.187-35/0, Ebenso das Sehr, des Bürgermeisters von Niederwürz¬
bach an das LRA St. Ingbert v. 9.4.1935. LA Saarbrücken, Best. LRA St. Ingbert, Nr. 1.602. Die
Auffassung zu dem vorläufigen Stopp "für eine allgemeine territoriale Kommunalreform" im Sehr, des
RuPMdl v. 4.5.1935. Ebd. Best. Min.d.Inn., Nr. 678.
7 Sehr, des Rechnungsprüfungsamtes v. 2.7.1935. StadtA Saarbrücken, Best. Großstadt (Hautver¬
waltung 1930-1945), Nr. 3.187- 35/0. Siehe auch die "Bekanntmachung über die deutsche Gemein¬
deordnung" v. 30.1.1935, Nr. 12: Amtsblatt des Reichskommissars, S. 78ff. Einführung jedoch im
Pfälzischen Teil des Gaues: NSZ-Rheinffont Nr. 80 v. 4.4.1935: "Vollzug der Reichsgemeindeord¬
nung" mit den Beauftragten der NSDAP für die pfälz. Kreise; vgl. ebd. Nr. 82 v. 6.4.1935.
o
Anordnungen des Reichskommissars v. 8.3.1935, Nr. 1: Amtsblatt des Reichskommissars, S. 2. NSZ-
Rheinffont Nr. 59 v. 11.3.1935. Vgl. F. Jacoby, Herrschaftsübemahme, S. 171 mit Anm. 3. Weitere
pers. Veränderungen im folg. Kap.
9 NSZ-Rheinffont Nr. 56 v, 7.3.1935: "An der Schwelle einer neuen Zeit".
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