Die evangelische Kirche ist von ihrem Ursprung an dem Volke, in das Gott der
Herr uns hineingestellt, zugewandt gewesen. Evangelische Christen sind für die
Entscheidung, die sie zu fällen haben, vor ihrem Volk und vor Gott, der uns
Volkstum und Muttersprache gegeben hat, verantwortlich. Ihr tragt mit Eurer Ent¬
scheidung am Abstimmungstage Verantwortung für das Schicksal des Gesamtvol¬
kes, für das Schicksal auch der kommenden Generationen. Ihr tragt diese Verant¬
wortung vor Gott, dem Herrn der Geschichte. Ihr wißt als Grenzdeutsche am be¬
sten, wie eng Euer Verwurzeltsein im deutschen Volkstum mit Euerem evange¬
lischen Glauben verbunden ist."176
Der protestantische Landeskirchenrat in Speyer richtete folgende Neujahrsbot¬
schaft an die evangelischen Christen der deutschen Westmark: "Am 13. Januar
soll es sich entscheiden, ob die Grenzpfähle, die menschliche Macht und Willkür
aufgerichtet hat, stehenbleiben oder ob ein Volksteil, der nach Blut und Boden zu
uns gehört, endlich zurückkehren darf zur Heimat. ... Tut das, wozu die Stimme
des Gewissens und des Blutes Euch treibt, bekennt Euch offen und frei zu Euerem
Volk und Vaterland."177
Ebenso wurden von außerhalb des Reiches zum nationalen Bekenntnis aufgerufen,
so das Telegramm des Landesbischofs Popp von Jugoslawien in einem Abstim¬
mungsgruß an das Saargebiet: "Ich halte es für die Pflicht aller Deutschen in der
Welt, in diesen Tagen der Brüder im Saarland besonders zu gedenken; aber erst
recht als aller-heiligste und gottgewollte Pflicht der Saardeutschen selbst, daß sie
ohne Unterschied der Konfession und der Weltanschauung zur allumfassenden
Volksgemeinschaft sich bekennen, sich bei der Volksabstimmung für die Rückkehr
zum Mutterlande entscheiden. Die Rückkehr wird ein Freudentag des gesamten
Deutschlands der Welt sein."178
Am 3. März 1935 erklang auch im "Grußwort der bekennenden Gemeinde an der
Saar an die bekennenden Gemeinden im Reich" die Freude über den Abstim¬
mungserfolg, die Vereinigung mit dem Deutschen Volke und die geeinte Kir¬
che179. Die nationale Grundhaltung der evangelischen Kirche, sowohl der Deut¬
schen Christen als auch der Bekennenden Kirche, war eindeutig gewesen. Die
proklamierte scharfe Unterscheidung der Pfarrer der Bekennenden Kirche zwi¬
schen Deutschen Christen und NS-Regime schien eher innerkirchlichen Überle¬
gungen zu entsprechen als grundsätzlichen Differenzen.
Letztlich vollzog sich das gesamte Spektrum der Einstellungen und Entscheidun¬
gen auf der Ebene einer patriotisch-nationalen Grundhaltung der saarländischen
Bevölkerung (und damit auch der Gläubigen der Kirchen), die die S.Z. am 5. Ja¬
nuar 1935 als einen der Hauptgründe für den Rückkehrwillen der Saarländer er¬
176 S.Z. Nr. 3 v. 4.1.1935.
177 S.Z. Nr. 2 v. 3.1.1935.
178 S.Z. Nr. 9 v. 10.1.1935 (1. Beilage).
179 Sonntagsgruß, Evang. Wochenblatt für die Gemeinden an der Saar Nr. 9 v. 3.3.1935. LA Saarbrücken,
Best. Einzelstücke, Nr. 254.
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