den Arbeiterfrauen an der Saar die doch schlechteren Haushaltsmöglichkeiten ih¬
rer Geschlechtsgenossinen im Dritten Reich darzulegen87.
Während die Kommunistische Partei Saar also in den 15 Jahren der Abtrennung
den sozialen Forderungen der übrigen Parteien durchaus zustimmte, überzog sie
auf weiten Strecken ihre Ansprüche sowohl in Quantität als auch in Qualität; es ist
fraglich, ob ihre Anträge unter den gegebenen Verhältnissen überhaupt hätten
verwirklicht werden können oder ob sie nicht bereits Verfassungsgrundsätze für
das angestrebte "Rätedeutschland" bildeten88. Die nationale Linie wurde in dem
Kampf gegen die "Bourgeoisie" zwar keineswegs vernachlässigt, doch dürfte der
verhältnismäßig kleine Mitgliederstamm ihrer Anhänger und ihre Wähler
(vorwiegend in Arbeitergemeinden; in katholischen Gemeinden größtenteils Ju¬
gendliche und Arbeitslose; in der Zeit der Weltwirtschaftskrise Wähler aufgrund
sozialer Not) eher den materiellen Versprechungen erlegen sein als dem klassen¬
kämpferischen Ideal oder, und das noch weniger, der Heimatverbundenheit der
Partei. Die Spaltung der KPD/S, erstmals im Dezember 1924 und dann nach der
Versöhnung wieder von 1929 bis 1932, in Thälmann-Moskau-Anhänger und Op¬
ponenten hatte ebenfalls die Glaubwürdigkeit in die (Sowjet-)Deutschland-Politik
nicht gerade gestärkt.
So betrieb die KPD/S zwar durchaus die Rückkehr der Saar zum Reich, ging aber
gleichzeitig auf Distanz zur nationalen Front der anderen Parteien, wobei ihre
Führer jedoch kaum das Vokabular der "bourgeoisen "Parteien vermeiden konnten,
das von "Lostrennung vom Reich", von "deutscher Nation und Spracheinheit" oder
von "Französisierungsbestrebungen" sprach. Das Ziel blieb Mitte 1934 auch wei¬
terhin "die Befreiung von der mörderischen Herrschaft des Kapitalismus"; der
Weg "zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Saarvolkes" bedeutete
"Sowjetdeutschland"89. Auch nach Hitlers Machtergreifung war in einem Aufruf
vom 12. August 1933 "das 'autonome Saargebiet', das die französischen Imperiali¬
sten schaffen wollen ... nichts anderes als eine französische Kolonie (geblieben), in
der die Werktätigen ausgebeutet und gewaltsam niedergehalten werden"90.
Nach der Schäftung der linken Einheitsfront bedeutete "Anschluß an Hitler-
Deutschland", und so legte es die linke Presse dem Saar-Arbeiter dar, Auslieferung
an die reaktionärste Untemehmerdiktatur, Zerschlagung der kommunistischen Or¬
ganisationen, restlose Vernichtung der Versammlungs-, Koalitions-, Streik- und
87
A.Z. Nr. 11 V, П.1.1935: "Was spart eine Hausfrau im Saargebiet, wenn am 13. Januar der Status quo
siegt?". Die gleiche Tendenz in dem sozialdemokratischen Presseorgan," Deutsche Freiheit", Nr. 246 v,
4./5.11.1934.
88 Z.B. Landesrat des Saargebietes, Sten. Ber. v. 14.2.1925, S, 24f., v. 16.3.1925, S. 20, v. 27.1.1933, S.
32f. Ebenso AZ. Nr. 276 v. 15.12.1934.
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Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Saarvolkes vom 20.9.1931:
AZ. Nr. 197 v. 20./21.9. 1931.
90 Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, Basel, Nr. 29, August 1933, S. 1.075, ab-
gedr. b. L. Bies, Klassenkampf, S. 169.
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