Frage der Konfessionsschule, bei der beide Parteien, wenn sie auch nicht fur eine
Beibehaltung dieses Schulsystems eintraten, doch zumindest im Hinblick auf den
gemeinsamen Gegner bzw. das große gemeinsame Ziel der nationalen Einheit eine
Art Stillhaltetaktik betrieben. In diesem Sinne äußerte sich auch der Sprecher der
Sozialdemokratischen Partei Betz am 30. Oktober 1923 im Landesrat11; und "im
Interesse der Erhaltung der Einheitsfront der politischen Parteien" beinhaltete das
Parteiprogramm der DSVP 1924 das Einsetzen für "die Erhaltung der bestehenden
Schulverhältnisse bis zum Jahre 1935"12.
Die katholische Bevölkerung dankte es in allen Wahlen "ihrer" Partei, die Vater¬
landsliebe als sittliche Forderung und moralische Pflicht des Christen auf ihre
Fahnen geschrieben hatte13, denn "si le protestantisme prussien apparaissait dan¬
gereux aux yeux des Sarrois, l'anticléricalisme français ne l'apparaissait pas mo¬
ins"14
Aufgrund dieser patriotischen Parteilinie fanden Geistliche15, Persönlichkeiten des
katholischen Lehrerverbandes16 und der katholischen Standesvereine Zugang bis
in die Spitzengremien der Partei, gehörte die Führungsschicht der Christlichen
Gewerkschaften fast ohne Ausnahme zum Zentrum, verzichtete der Gewerkverein
christlicher Bergarbeiter auf eine Frankenentlohnung im Bergbau17, kamen Ge¬
gensätze innerhalb der Partei weniger zum Tragen, ja wurden selbst internationale
Friedensbemühungen und der Wille zur Völkerverständigung immer unter dem
Treuebekenntnis zur deutschen Heimat gesehen. Unter diesen Voraussetzungen
avancierte das Zentrum zu einer Art "Führungspartei" bzw. zur "Volkspartei" der
Saarbevölkerung für ihre Interessen, - Umstände, die für die Volksabstimmung
von nicht zu unterschätzender Bedeutung waren.
War die Zentrumspartei bereits in ihrer ersten Sitzung mit einem Festhalten an der
deutschen Einheit angetreten, denn "Land und Leute an der Saar sind seit jeher
deutsch; auch der Versailler Vertrag erkennt dies an; sie sollen es ewig blei¬
ben!"18, so hielt sie fortan an diesem Ziel fest, auch und gerade in der Deutschen
Front. Ein Vierteljahr vor ihrer Auflösung, in seinem Brief vom 2. Juni 1933 an
11 Landesrat des Saargebietes, Sten. Ber. v. 30.10.1923; Betz: "Wenn wir auch aus naheliegenden Grün¬
den in der gegenwärtigen Zeit keine Veranlassung haben, den Kampf um die Schule in der heftigsten
Form entbrennen zu lassen, so besteht aber auch andererseits keine Ursache, die Konfessionalität der
Schule noch mehr zu vertiefen."
12 S.Z.Nr. 5 v. 6.1.1924.
13 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 160.
14 J. Revire, Perdrons-nous la Sarre?, S. 46.
15 Z.B. Kath. Pfarrer Wilhelm von 1922-1935 Mitglied des Landesrates; Pfarrer Bungarten und Dr.
Schlich im Parteivorstand bzw. Landesparteiausschuß.
16 Z.B. Stadtschulrat Martin, Vors, des Katholischen Lehrerverbandes im Saargebiet und Mitglied des
Landesrates.
17 P. Kiefer, 25 Jahre Gewerkverein, S. 52.
18
Levacher in der 1. Sitzung des Landesrates am 19.7.1922: Landesrat d. Sg., Sten. Ber. v. 19.7.1922, S.
33.
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