gen Hitler unterstützt."10 Die Nationalsozialisten beurteilten diesen Fall "als einen
Verzweiflungsakt Brauns, der ihm in der Werbung um den Status quo sehr
schlecht stehe"11.
Mit Datum vom 30. Januar 1935 berichtet Siegmann von einer Konferenz am
Abend des 14. Januar 1935 in der Brauerstraße, in der Max Braun über alle Mög¬
lichkeiten, die die Abstimmung in sich schlösse, gesprochen habe, nur nicht über
den dann eingetretenen Fall, und "dieser Fall war die kopflose Flucht". "Max
Braun berichtet von Informationen aus Genf, Paris und Rom, wonach das Saarge¬
biet nicht ans Reich zurückgegliedert werde, falls 35% der Bevölkerung für den
Status quo entscheiden, von einer höheren Prozentziffer sprach niemand mehr; bei
nur 25% werde das Saargebiet geteilt, und erst bei 20% käme die Rückgliederung
in Frage. Baron Aloisi habe erklärt, bei 30% erfolge weder eine Rückgliederung
noch eine Teilung des Saargebietes."12
Sicherlich hatte die Abstimmungskommission mit der Unterstützung der Reko für
einen ungestörten Wahlablauf sorgen können sowie für die technische Seite einer
freien Entscheidung selbst; doch hatte sie die zahlreichen Beeinflussungen der
Wähler, vor allem durch die Organe der nationalsozialistischen Seite, nicht zu un¬
terbinden vermocht. Trotzdem muten die Überlegungen, zu denen sich die Teil¬
nehmer auf der o.a. Konferenz vom 14. Januar 1935 (also zwischen Abstimmung
und Bekanntgabe des Ergebnisses) verstiegen, geradezu abwegig an. "Es wurde
festgestellt, die Regierungskommission habe am Abstimmungstage versagt, der
Ordnungsdienst der 'Deutschen Front' hatte an diesem Tage die Straße beherrscht;
M.B. (Max Braun) und andere Redner verlangten von Genf eine Entschädigung
von mindestens 10% für den Terror; andere schienen 10% zu wenig, eine Delega¬
tion solle in Genf bei der Entscheidung ihren Einfluß geltend machen."13
Für alle Sozialisten im In- und Ausland bedeutete das Abstimmungsergebnis eine
große Enttäuschung und Fehleinschätzung ihrer Überlegungen. Fast realistisch sa¬
hen sie die Gründe ihres Scheitems auf der Tagung des Internationalen Gewerk¬
schaftsbundes und der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Paris vom 17. Ja¬
nuar 1935 in einer Reihe äußerer Umstände, natürlicher Gegebenheiten, unkal¬
kulierbarer Faktoren, eigener Fehler und Überschätzungen14:
10 P. Siegmann, Vor vierzig Jahren, S. 306.
11 K. Bartz, Weitgeschichte, S. 192. Zur "Fälschung von Wählerlisten an der Saar" vgl. den Bericht von
M. Braun, Fr. Pfordt, Hector u. Rossenbeck v, 25.10.1934 an den Untersuchungsausschuß (Marley
Ausschuß) über den nationalsozialistischen Terror an der Saar. LA Saarbrücken, Best. Nachlaß R. Bek-
ker.
12 P. Siegmann, Vor vierzig Jahren, S. 323.
13 Ebd.,S. 324.
14 Das Folgende nach dem Bericht der Deutschen Gesandtschaft (über einen Vertrauensmann) an das AA
v. 23.1.1935, S. 1-3. AA...Best. Pol.Abt. II, Bes. Geb. Sg., betr. Parteien im Sg., Bd. 15.
50