Telegraphenarbeiter u.ä.). Das wesentliche Charakteristikum dieser Kategorie ist der hohe
Anteil ungelernter und damit grundsätzlich universell ersetzbarer Arbeitskräfte. Die
sinkende Bedeutung dieser Gruppe für Esch und Malstatt-Burbach kann als ausschlagge¬
bendes Indiz für den raumgreifenden Spezialisierungs- und Qualifikationsfortschritt
innerhalb der Arbeiterschaft interpretiert werden. Profitiert haben von diesem Vorgang
in den beiden Industriestädten aber jeweils höchst unterschiedliche Berufsspanen. So
kompensierte in Malstatt-Burbach die steigende Handwerkerimmigration den nachlassen¬
den Zustrom sonstiger Arbeiter. In Esch war zwischen 1871 und 1890 ein nahezu 20
Prozentpunkte zählender Rückgang der sonstigen Arbeiter von einem ebenso starken
Anstieg des Bergarbeiteranteils begleitet. Außerdem wurde zugleich ein Einbruch um
zwölf Prozentpunkte bei der Handwerkerschaft in der südluxemburgischen Kommune
von einem vergleichbaren Anstieg der Fabrikarbeiterpopulation aufgefangen.
Die überaus günstige Entwicklung der Handwerksberufe in der saarländischen Gemeinde
dürfte allerdings nicht zuletzt auch auf die spezifische Lage der Industriestadt in einer
gemeinsamen Urbanisierungszone mit den Städten StJohann und Saarbrücken zurückzu¬
führen sein, zumal Malstatt-Burbach in dieser Konstellation den maßgeblichen Gewerbe¬
standort darstellte. Der Kundenkreis der örtlichen Handwerksbetriebe war hier also we¬
sentlich weiter gefaßt als in Esch, das Seite an Seite mit seinen südluxemburgischen
Nachbarn Düdelingen und Differdingen einer montanindustriellen Monostruktur verhaftet
war. Dennoch sollte das Verhältnis zwischen Handwerk und Industrie auch in Esch
durchaus unter dem Aspekt einer positiven, sich gegenseitig begünstigenden Beziehung
betrachtet werden. Zwar vermochte die Industrie mit ihrem enormen Arbeitskräftebedarf
im Kontext der Gründung der beiden Hüttenwerke (1871) offensichtlich genuine Hand¬
werker an sich zu binden, doch zogen die Handwerksbetriebe vor Ort Nutzen aus der
industriellen Entwicklung, was sowohl die Neuansiedlung von Handwerksmeistern bereits
zwischen 1871 und 1890 als auch die Zunahme der handwerklichen Facharbeiter in
Relation zu den Bergleuten wie zu den Fabrikarbeitern zwischen 1890 und 1900 be¬
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Die industrielle Genese in Diedenhofen scheint dagegen einen effektiven Bedeutungs¬
verlust des in der nordlothringischen Kapitale stark ausgebildeten herkömmlichen
Handwerks eingeleitet zu haben. Der Anteil der Handwerker an der Gesamtarbeiter¬
immigration reduzierte sich nach der Gründung der "Karlshütte" (1898) und der Nieder-
legung der Wälle (1901) schlagartig um fast 30 Prozentpunktc! Im gewerblichen
Wirtschaftssektor Diedenhofcns vollzog sich ein einschneidender Funktionswandel. Das
in Klein- und Kleinstbetrieben ausgeübte Handwerk wurde als traditioneller Träger der
TOVgj. S .112 u. Tab.17. Außerdem sollte beachtet bleiben, daß der stark rückläufige Anteilswert
der Handwerker an der Arbeiterschaft von 1871 auf 1890 nur einen leichten Rückgang der ab¬
soluten Handwerkerzahl im bevölkerungsmäßig vehement expandierenden Esch zur Folge hatte.
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