5. Rechenschaft über die Anfänge: Gründungsberichte und
Gründungslegenden
Die Quellengattung der „Fundationes“ genießt in der historischen Forschung nicht unbe¬
dingt den besten Ruf, und Historiker wie Reindel, Koller und Lhotsky haben ihr in zum
Teil recht barschen Formulierungen jede verläßliche Aussagekraft abgesprochen.1 Diese
reservierte Haltung der Zunft findet ihren Ausdruck in der Auswahlpolitik der MGH-
Herausgeber, die nur eine geringe Anzahl hochmittelalterlicher Klostergründungsge¬
schichten in die Scriptores-Reihe aufnahmen.2 Von den Klöstern der Saargegend fand
dabei nur die Abtei Heilig-Kreuz in Bouzonville (Busendorf) Berücksichtigung;3 im fol¬
genden sollen ferner die apokryphen Gründungsberichte aus St. Martin Glandariensis
(Longeville-les-St. Avold, Lübeln) und Wörschweiler untersucht werden. Aufgrund ver¬
schiedener Anspielungen in der späteren Überlieferung muß auch für die Benediktiner¬
abtei St. Sixtus in Rettel von einer (verlorengegangenen) „fundatio“ ausgegangen werden,
während die verschiedenen „historiae“ aus Gräfinthal wohl mehr als protokollarische In¬
ventarverzeichnisse denn als historiographische Prosatexte aufzufassen sind.
5.1. Die „Notitiae fundationis monasterii Bosonis-Villae“
Unter diesem Titel ediert Holder-Egger eine Ansammlung von fünf höchst unterschiedli¬
chen Texten. Vorlage ist ein in vier Kolumnen beschriebenes Pergament vom Ende des 12.
Jahrhunderts, das in den Spalten I und II Zinsregister aus Besitz der Abtei im Bitscher Land
und im Elsaß enthält.4 Die beiden rechten Spalten werden von den notitiae eingenommen.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Stücke (Kapitelzählung nach Holder-Egger):
I. Eine ausführliche Erzählung von der Pilgerfahrt des Grafen Adalbert vom Elsaß nach
Jerusalem, der anschließenden Gründung der Abtei Heilig-Kreuz und einem Besuch Papst
Leos IX. In der Folge konzentriert sich der Bericht auf die Bedrängungen, welche die „fa¬
milia“ des Klosters durch räuberische Vögte erleidet, ehe es im Jahr 1123 durch Herzog
Dietrich II. zu einem Modus vivendi kommt.
II. Eine stark komprimierte Fassung der Gründungsgeschichte. Besonderes Gewicht wird
einer jährlichen Rente von 100 Schilling und 18 Denaren vom Marktzoll in Toul beige¬
messen. Einige rechtliche Bestimmungen etwa über die Abgabe des Besthauptes schließen
sich an.
III. Die Dedikationsinschrift der alten romanischen Klosterkirche, die am 31 .Januar 1033
von Bischof Dietrich II. von Metz geweiht worden ist.5 Auffällig ist das nochmalige Insi¬
stieren auf dem Touler Marktzoll.
1 z. B. Lhotsky, Quellenkunde, S. 243; vgl. hierzu Schmid, Fundationes, passim
2 vgl. die Einleitungen von Holder-Egger in MGH SS XV,2, S. 960 u. 1045
3 ebd., S. 977-980
4 AD Moselle H 360-1, ausführliche Formalbeschreibung bei Perrin, Seigneurie rurale, S. 452-455.
Im einzelnen behandelt der Auszug aus dem Abgabenverzeichnis (ed. Perrin, ebd., S. 725-730) die
Orte Rahling, Offweiler und Obermodern.
5 Vgl. Kraus, Christliche Inschriften II, S. 158, der eine identische Datierung mitteilt, wobei er sich
auf einen Brief des Marquis de Villers von Burgesch von 1842 stützt. Die ausgeführte Inschrift
schloß selbstverständlich mit in veneratione omnium sanctorum.
107