Libros etiam fecit emi, quosdam ad exempla aliorum precepit inscribi. . . Puerorum ac
adolescentium multitudinem in omni exercitatione litterarum fecit desudare. Quorum
magister extitit quidam Germanus, vir tune temporis circumquaque omnium peritis-
simus.16
Damit ist erstmals die grundsätzlich zu beobachtende Tendenz des Anonymus angespro¬
chen, all jenen Äbten hymnische Lobpreisungen zuteil werden zu lassen, die der wissen¬
schaftlichen Ausbildung die gebotene Beachtung schenkten: nach Ruotwich vor allem
Lioffin, Remigius und den drei Nitharden. Diese inhärente Panegyrik erklärt auch die
feine Differenzierung für den häufig genug vorkommenden Fall, wenn der Trierer Erzbi¬
schof dem Konvent Äbte ohne freie Wahl aufoktroyiert hat: Ohne Zweifel galt dies bei
Lioffin und Remigius ebenso wie für Hildebold, Hezzel oder Everhelm. Nur bei letzteren,
die offenkundig kein Interesse an der Klosterschule hatten, scheinen aber — so die Darstel¬
lung der Miracula - schwere Konflikte geradezu vorprogrammiert gewesen zu sein.17
In den 970er Jahren, gegen Ende seiner Amtszeit, unternahm Ruotwich einen für die wei¬
tere Bildungstradition Mettlachs folgenschweren Schritt: er schickte seine zwei begabte¬
sten Schüler zur weiteren Ausbildung nach Reims zu Gerbert von Aurillac.18 Die eher bei¬
läufige, insgesamt aber würdigende Charakterisierung Gerberts hebt sich wohltuend von
der exakt zur Entstehungszeit der Miracula zu beobachtenden Dämonisierung des „Teu¬
felspapstes“ und „Zauberers“ ab, für die vor allem der von Gregor VII. abgefallene Kar¬
dinal Beno verantwortlich zu machen ist.19 Hier wie auch bei der berühmten Ehrenrettung
Milos, des Sohnes und Nachfolgers des heiligen Liutwin, die wohl auf den Einfluß Thio-
frids und seiner Vita Secunda Liutwini zurückzuführen ist,20 verrät der Anonymus den
Mut zu eigenem Urteil, bei dem sozusagen das Mettlacher Lokalkolorit durchschimmert.
Einer der beiden Adepten war Nizo, der einige Jahre später Ruotwich im Amt nachfolgte.
Die Verbindung nach Reims pflegte er weiter, wie zwei Briefe Gerberts aus dieser Zeit an
ihn dokumentieren.21 Dessen Aufforderung von Sommer-Herbst 986, ihn vor seiner be¬
vorstehenden Reise nach Spanien bzw. an den Kaiserhof noch zu besuchen,22 konnte Nizo
16 MGH SS XV,2, S. 1264, Z. 35-40; im Echternacher Nekrolog ist ein Germanus presbyter mo¬
nachus aus Mettlach zum 10.März notiert.
1 Am Beispiel Hildebolds heißt es mit entwaffnender Ehrlichkeit: . . .dolentes fratres cum laicis,
proprio abbate adhuc vivente se premi dominatione aliena, coegerunt illum iure despectum et op-
probiis confusum redire ad propria. (MGH SS XV,2, S. 1265, Z. 13-15)
18 MGH SS XV,2, S. 1264, Z, 40ff.: Duos igitur ex suis secularium disciplinarum gratia discen¬
darum Remis ad Gerbertum episcopum misit, quia summa pericie illo in tempore in illo pre
cunctis effulsit. Qui tn talem sapientie plenitudinem ab eo sunt instructi ac tanti negocii thesauro
redierunt referti, ut omnes affines et contemporales luce seiende perfunderent et radii talis ingenii
usque ad nostre etatis tempora pertenderent.
19 vgl. Schulteß, Silvester II.
20 Die Vita entstand zwischen 1072 und 1077 (Lampen, Thiofrid van Echternach), folglich ein Ter¬
minus post quem für die Abfassung der Miracula. Noch die erste Vita verurteilte in cap. 16 den
Lebenswandel Milos. Zur Polemik der Miracula gegen die Reimser Geschichtsschreibung
(Hinkmar) vgl. Ewig, Milo, S. 420f.
2| Weigle, Briefsammlung, Nr. 64 (nach Mitte 985) u. 72 (Sommer-Herbst 986)
22 Quod vestra praesentia interdum non perfruimur, turbulente rei publicae imputatur. Vos solum
gravia pati putatis, qui, quae asperrima ceteris sint, ignoratis. Sed cum agantur homines sorte
dubia michique, ut nostis, incerto certa queratur sedes, cur tamdiu penes me deposita malefide
fortune thesaurizatis? Et quia utpote fidissimus fidissimo loquor, maturate iter. Nam aut impe¬
rialis cito me recolliget aula, aut quantocius omissa diu repetet Hiberia. Der Sinn der in diesem
Brief enthaltenen Anspielungen bleibt uns verborgen.
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