Senkung der Kosten des Kraftwerkes sollte die Stadt Saarbrücken ihren Strom über die
VSE beziehen und damit langfristig zur Verbilligung des Strombezuges kommen,
wurde immer wieder vertagt, bis er in Vergessenheit geriet.
In der Presse jedoch verursachten die Absichten von Röchling, die wohl durch ein Auf¬
sichtsratsmitglied in die Öffentlichkeit getragen worden waren, vor allem in den kom¬
munistischen und der SPD nahestehenden Zeitungen großen Wirbel. Auch hier wie¬
derum spielte der in voller Härte tobende Abstimmungskampf herein. Unter der
Überschrift „Herunter mit den Strompreisen“ wurden massive Vorwürfe gegen das
RWE wegen angeblicher Nichteinhaltung seiner 50 Mio kWh-Zusage auf der einen
und besonders gegen Hermann Röchling auf der anderen Seite erhoben. Über seine
vorübergehende Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der VSE habe er seinen Generaldirek¬
tor Dr. Rodenhauser zuerst in das Kraftwerk Wehrden und anschließend auch in die
VSE eingebracht, obwohl seine Beteiligung bei ersterer Gesellschaft lediglich 25%, bei
letzterer gar 0% betrüge. Die politische Stoßrichtung vor der Abstimmung wurde
durch die Röchling unterstellte Ablehnung des „französischen Grubenstromes“ aus
„vorgeblich nationalen Motiven“ deutlich348. Der Artikel griff aber auch die Benach¬
teiligung der von der VSE versorgten sogenannten „bergfiskalischen“ Gemeinden an.
Diese Gemeinden waren ursprünglich vom preußischen Bergfiskus versorgt worden
und hatten in ihren Verträgen festgeschrieben, daß Strompreissenkungen des Fiskus
bzw. der MDF in voller Höhe an sie weitergegeben werden mußten. Derartige Senkun¬
gen in Höhe von rund 30% hatten Mandres und Schramm 1929 und 1930 gegenüber
der französischen Grubenverwaltung durchgesetzt und ihren Angaben zufolge auch
den Aufsichtsratsvorsitzenden Neikes auf den notwendigen Nachlaß für die betroffe¬
nen Gemeinden hingewiesen. Neikes hingegen bestritt dies energisch und setzte im
Aufsichtsrat der VSE nachträglich eine Klage wegen Betruges im Strafprozeßwege
gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder durch, da die VSE rund 5,5 Mio FF im Laufe
der Jahre zuviel einbehalten hatte. Das Verfahren zerschlug sich allerdings bald. Weder
konnte Neikes ein Verschulden von Schramm und Mandres nachweisen, noch war
eine bewußte Täuschung der Vertreter der Landgebiete im Aufsichtsrat durch Neikes
feststellbar. Der Streit mit den bergfiskalischen Gemeinden konnte schließlich nach
langfristigen Auseinandersetzungen, Gutachten und Gegengutachten durch einen Ver¬
gleich 1935 beendet werden349.
Die Zeit der Völkerbundsverwaltung nahte ihrem Ende: Vor der entscheidenden Ab¬
stimmungwurden in einem überhitzten innenpolitischen Klima noch einmal Ressenti¬
ments und Vorwürfe jeglicher Art geschürt, welche auch die unter Beteiligung der öf¬
fentlichen Hand geführten Unternehmen miteinbezogen. Die Fronten hatten sich in-
348 Vgl. bspw. Saarbrücker Stadtzeitung v. 15.05.1934.
349 Betroffen waren die bergfiskalischen Gemeinden Püttlingen, Friedrichsthal, Sulzbach-
Altenwald, Fischbach, Güchenbach, die fünf Köllertalgemeinden, Walpershofen, Teile der
Bürgermeisterei Riegelsberg, Ensdorf-Lisdorf, Quierschied und Völklingen, das sich einen
entsprechenden Passus im Vertrag gesichert hatte (vgl. VSE-AHV, Aufsichtsratssitzung v.
21.06.1934; ASV Sbr. GS-30, 16.08.1934, GS-27, 05.12.1934, 26.03.1935, 01.04.1935,
07.04.1935, GS-35, Aufstellung der MDF-Preise seit 1922, o.D.; StadtA Sbr. BG 7111,
30.01., 21.08.1934).
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