VI. Kriegsjahre an der Saar 1939 - 1945 1. Kriegsausbruch: Räumung und Wiederbesiedlung der „Roten Zone“ Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam für die meisten Bewohner des Saarlandes nicht unerwartet. Im Juni 1938 war mit dem Bau des Westwalles als Gegenstück zur französischen Maginotlinie begonnen worden. Der Westwall stellte ein ausgeklügeltes System von Bunkern und Höckerlinien, gesicherten Befehls- und Beobachtungsstän¬ den dar und verlief in unterschiedlicher Tiefe auf dem rechten Saarufer. Im März 1939 wurde auch der zunächst ausgesparte Raum Saarbrücken in die Befestigungsanlagen einbezogen, die dadurch bis zur französischen Grenze reichten1. Ab 25.08.1939 be¬ gann der „Sicherheitsaufmarsch West“. Von überall her wurden Wehrmachtseinhei¬ ten in Richtung Westgrenze in Marsch gesetzt und der Westwall von Truppen bezo¬ gen. Die Einberufung von Wehrpflichtigen erfolgte allerorts. Am 26. August trat die Rationierung von Lebensmitteln, Bekleidungs- und Gebrauchsgütern in Kraft. In den letzten Augusttagen wurden entlang der Saar aus verschiedenen Städten Krankenhaus¬ patienten und kranke Menschen in Sicherheit gebracht2. Am 01. September, bei Kriegsbeginn, kamen die „nicht marschfähigen Personen“, wie alte Leute, Mütter mit kleinen Kindern, an die Reihe und wurden aus ihren Heimatorten in rückwärtige Ge¬ biete gebracht. Der 03. September brachte den unwiderruflichen zweiten Räumungs¬ befehl für die Zivilbevölkerung an der Saar. Wie in der Stadt Saarbrücken war über die Hälfte der Bevölkerung der Region schon in den Tagen zuvor abgereist, zu deutlich waren die Anzeichen des drohenden Krieges gewesen. Innerhalb von drei Tagen waren die Dörfer und Städte der „Roten Zone“ zwischen Reichsgrenze und der Hauptkampf¬ linie des Westwalles verlassen. Die Verteidigung der deutschen Westgrenze lag wäh¬ rend des Polenfeldzuges bei der Heeresgruppe West, die, noch wenig schlagkräftig, eine vorübergehende Festsetzung französischer Truppen im Vorfeld nicht verhindern konnte. Auf Reichsebene hatte Hermann Göring, der Bevollmächtigte für den Vier jahresplan, bereits am 10.01.1939 den Essener Oberbürgermeister Dillgardt zum „Generalbevoll¬ mächtigten für die Energiewirtschaft“ berufen3. Kurz nach Kriegsausbruch wurde durch die „Verordnung für die Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung“ die „Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft“, der sogenannte Reichslastverteiler, mit weitreichenden Vollmachten geschaffen4. Von Kriegsausbruch und Räumung wurde die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung der VSE jäh unterbrochen (vgl. Abb. 6, Tab. 23,44), eine Parallele zum starken Rückgang in der gesamten öffentlichen Elektrizitäts¬ versorgung Deutschlands5. Das von der „Roten Zone“ betroffene Versorgungsgebiet 1 Herr mann (1972), S. 41f.; ders. (1980), S. 7ff. Der letzte Bunker des Westwalls im Bereich der Saarregion wurde am 02.09.1939 um 23.30 Uhr vor Saarbrücken betoniert (vgl. BA R 50 I/12a, p. 6). 2 Herrmann (1984), S. 64ff.; Seck (1979), S. 16f. 3 Vgl. Die Elektrizitätserzeugung im Deutschen Reich im Jahr 1940 (sic!) (BA R 12II/2, S. 2). 4 Vgl. BA R 1211/130, Generalinspektor für Wasser und Energie (GIWE) Berlin, 14.07.1942; Heesemann (1959), S. 26ff.; Boll (1969), S. 80ff. 5 BA R 43 11/346, p. 199 (Abschrift); allgemein zur Entwicklung Meyer (1949), S. 34ff., Sardemann (1949), S. 108ff. 216