*Y dann analog zu den echten Verduner Bischöfen in der Liste als episcopus Virdu-
nensis interpretiert haben mag. Daß der Titel episcopus auch ohne den Hinweis auf
Verdun gelegentlich einem Tholeyer Abt zukam, beweist der Nekrologeintrag zu
Abt Crodouuinus (9. V.). Wie ist diese Titulatur zu erklären?
Man muß sich daran erinnern, daß Tholey-obwohl in Verduner Besitz und späte¬
stens seit dem 11. Jahrhundert Benediktinerkloster - Sitz eines der Trierer Archi-
diakone, also eines der höchsten Würdenträger des Weltklerus im Bistum Trier
war. Man setzt die Errichtung der Archidiakonate in Trier im allgemeinen unter
Erzbischof Ratbodo (883-915). Die funktionalen Vorgänger der Archidiakone
waren die Chorbischöfe. Daß ein Kloster und nicht wie in allen anderen Fällen ein
Stift Titelkirche des Archidiakons wurde, hat F. Pauly sehr einleuchtend mit einer
bereits gefestigten Rolle Tholeys als Sitz eines Chorbischofs seit merowingischer
Zeit erklärt, seit der Zeit also, als Tholey noch eine Gemeinschaft von Weltgeistli¬
chen beherbergte188. Die Tholeyer Äbte mit episcopus-The\ könnten also Chorbi¬
schöfe gewesen sein, welche Seelsorgefunktionen für den Südteil der Trierer Diö¬
zese wahrnahmen. Es muß auch in Rechnung gestellt werden, daß es im 8. und 9.
Jahrhundert in den Diözesen Trier und Metz nicht ungewöhnlich war, wenn
Chorbischöfe Abteien leiteten: So besaßen zur Zeit des Bischofs Milo von Trier
und später die Trierer Chorbischöfe Ebreo (?), Ratbert und Hartbani die Abtei
Mettlach189. Der Chorbischof Amalhar leitete eine unbekannte Abtei der Metzer
Diözese im 9. Jahrhundert190. Der Metzer Chorbischof Ratramnus leitete das Met¬
zer Eigenkloster Neuweiler in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts als Abt191; in
den Dreißiger Jahren des 9. Jahrhunderts scheint der Chorbischof Lantfrid eine
Art rector des Klosters gewesen zu sein192. In dieser Richtung muß die Erklärung
188 Pauly, Landkap. Wadrill 130 f. 135 f.
189 Beyer, Mittelrhein, UB I Nr. 27; vgl. Gottlob, Chorepiskopat 76 f.; Frank, Klosterbi¬
schöfe 144 f.; Raach, Mettlach 13 ff. Die Trierer Chorbischöfe werden als Mettlacher
Äbte in ununterbrochener Folge genannt im Rahmen des Prozesses zwischen der wido-
nischen Gründerfamilie und dem Erzstift Trier um die Abtei aus dem Jahre 782. Die
Trierer Partei behauptete, daß Bischof Milo als Mettlacher Äbte eingesetzt habe idem
Ebreo et post Ebreo Ratbertum episcopum et post Ratbertum Hartbanium qui et post dis-
cessum Miloni exinde vestitus fuit per beneficium Pippini regis ... Die in der Edition der
Urkunde zu findende Namensvariante Harthamus ist aus namenkundlichen Erwägun¬
gen zurückzustellen. Vgl. zum Stamm bana- Förstemann, Personennamen 144; Kauf¬
mann, Erg. Förstemann 54. Der Name Hart-bani kommt noch zweimal im 8. Jh. vor:
vgl. Förstemann, Personennamen 753. Einer von ihnen, einpresbiter und Vasall Pippins
747, könnte angesichts des engen Verhältnisses Milos von Trier zu den Pippiniden mit
dem späteren Cnorbischof und rector von Mettlach identisch sein (MG Epp. III 349,5).
Der Name Ebreo ist als Kurzform zu Ebaro aufzufassen; eine Parallele findet sich im
Rheinland 962 (ebd. 439).
190 Hanssens, Amalarii Opera I 71, 81 f. Eine Identität mit Abt Amalhard von Hornbach
(803/13 und um 826; vgl. MG Epp. IV 551; MG Libr. Confrat. II 343) ist mit Hanssens
gegen Morin, Amalaire 341 f.; Cabaniss, Ämalar 24, wegen des unterschiedlichen Na¬
mens abzulehnen.
191 Vgl. Haubrichs, Siedlungsnamen 269 f. Nr. 45.
192 Vgl. Haubrichs, Siedlungsnamen 231 Anm. 27.
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