Veröffentlichungen
der Kommission für saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung
XIV
Heinrich Küppers
Bildungspolitik im Saarland
1945 -1955
Saarbrücken 1984
Kommissionsverlag
Minerva-Verlag Thinnes & Nolte
HEINRICH KÜPPERS
BILDUNGSPOLITIK IM SAARLAND
1945-1955
l
V
Veröffentlichungen
der Kommission für saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung
XIV
Heinrich Küppers
Bildungspolitik im Saarland
1945 - 1955
Saarbrücken 1984
Kommissionsverlag
Minerva-Verlag Thinnes & Nolte
Gesamtherstellung:
Neunkirchener Druckerei und Verlag, Neunkirchen
Gedruckt mit Unterstützung des Ministers für
Kultus, Bildung und Sport des Saarlandes
ISBN-Nr. 00068-4
ISSN-Nr. 0454-2533
4
Vorwort
Nach dem Zweiten Weltkrieg unternahm Frankreich erneut den Versuch, das Industrie-
revier an der Saar auf Dauer aus der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich zu lösen und
möglichst eng wirtschaftlich und politisch an sich zu binden. Die dort lebende reindeut-
sche Bevölkerung von etwa einer Million hatte dabei wie nach dem Ersten Weltkrieg keine
Entscheidungsfreiheit, wie weit sie dem weiteren Schicksal des Deutschen Reiches ver-
bunden bleiben wollte. Durch die erzwungene Abtrennung geriet die deutsche Bevölke-
rung an der Saar in kulturpolitische Bedrängnisse, da Frankreich seine politischen Ziele
durch eine Hinwendung zur französischen Geistes- und Kulturtradition und besonders
zur französischen Sprache stark zu fördern trachtete. Angesichts der engen Wechselbezie-
hung zwischen Kultur und Schule geriet damit auch das Bildungswesen im Saarland in po-
litische Auseinandersetzungen. Es ist daher eine interessante und wichtige Frage, was sich
im Saarland in den Jahren 1945 bis 1955 angesichts der französischen Forderung nach Se-
paration und Kontrolle bildungspolitisch tatsächlich vollzog, und welche Rolle dabei die
Regierungen, die Parteien, die Schulen, die Kirchen und die betreffenden Verbände, z. B.
die Lehrerverbände, bis zur Eingliederung in die Bundesrepublik gespielt haben. Dies ist
das Anliegen der vorliegenden Studie.
Zuvor sei an dieser Stelle allen gedankt, die durch Rat und Hilfe diese Untersuchung, die
von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen als Habilitations-
schrift angenommen wurden, unterstützt haben. Namentlich möchte ich Herrn Professor
Dr. Johannes Erger (Aachen) und Herrn Professor Dr. Rudolf Morsey (Speyer) nennen.
Ausdrücklichen Dank bin ich auch den Damen und Herren des Landesarchivs Saar-
brücken schuldig, die mir bei meinen häufigen und zum Teil über Wochen andauernden
Aufenthalten im Archiv stets ihre Kenntnisse und Erfahrungen zuteil werden ließen. Ver-
pflichtet fühle ich mich insbesondere Herrn Ministerialrat Professor Dr. Hans-Walter
Herrmann, dem Leiter des Landesarchivs in Saarbrücken. Seine wertvollen Hinweise
haben die Quellengrundlage dieser Arbeit erheblich verbreitert. Der „Kommission für
Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung“ danke ich für die Aufnahme
meiner Studie in die Reihe ihrer Veröffentlichungen.
Meine Frau Marianne, die trotz schwerer Krankheit in steter Hilfsbereitschaft und mit
großer Anteilnahme diese Untersuchung begleitete, konnte ihre Fertigstellung nicht mehr
erleben. Ihr, die mir soviel in meinem Leben bedeutet und unseren drei Kindern sei diese
Arbeit gewidmet.
Aachen, im Sommer 1983 Heinrich Küppers
5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort......................................................................... 5
Verzeichnis der Abkürzungen..................................................... 11
Zur Einführung.................................................................. 13
A. Bedingungen und Voraussetzungen für bildungspolitisches Handeln
im Saarland am Ende des Zweiten Weltkrieges .............................. 23
1. Wirtschaftliche Strukturen............................................. 23
2. Soziale Schichtung und soziale Verhältnisse............................ 24
3. Die Entwicklung eines eigenständigen politischen Selbstbewußtseins
im Saargebiet ............................................... . 27
3.1 Die Saar bis zum Ersten Weltkrieg. Ein Land ohne gemeinsames
Schicksal als Region................................................. 27
3.2 Kultureller Aufwind nach dem Ersten Weltkrieg......................... 30
3.3 Die Erfahrungen in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft . 33
3.4 Saarländische Bildungsstrukturen nach dem Kriege...................... 38
4. Die Vorgaben der französischen Bildungspolitik in Deutschland
von 1945-1947 . . . 43
4.1 Der Stellenwert der Bildungspolitik in der Deutschlandkonzeption
Frankreichs............................................................ 43
4.2 Das französische Deutschlandbild in seiner Rückwirkung auf die
Bildungspolitik Frankreichs in Deutschland ............................ 46
4.3 Die bildungspolitischen Maßnahmen der französischen
Militärregierung ...................................................... 50
4.4 Die Gründe für die mangelnde Effizienz der französischen
Bildungspolitik........................................................ 54
B. Der Neuaufbau des öffentlichen Bildungswesens an der Saar
unter der Regie der französischen Militäradministration..................... 61
1. Französische Annexionsabsichten? ...................................... 61
2. Das System der militäradministrativen Kontrolle........................ 70
7
3. Das französische Konzept für ein autonomes Saarland als Grundlage
für die besondere bildungspolitische Entwicklung im Saarland . . 72
4. Der Aufbau einer neuen saarländischen Schulverwaltung und -aufsicht 75
5. Die Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebs............................ 80
6. Die Entnazifizierung.................................................. 85
6.1 Die Phasen der Entnazifizierung ...................................... 85
6.2 Saarländische Besonderheiten.......................................... 87
6.3 Das Ausmaß der Säuberung bis zum Jahre 1947 und erste
Zugeständnisse an die Schulpraxis..................................... 89
6.4 Einsetzende Normalisierung...................................... . 93
7. Die „Umerziehung“ der Lehrerschaft und Demokratisierung
der Schule............................................................ 97
8. Bildungspolitische Weichenstellungen ................................ 101
9. Die Einführung des französischen Sprachunterrichts................... 107
9.1 Das Saarland, eine zweisprachige Insel?.............................. 107
9.2 Der Mangel an geeigneten Lehrkräften als Hindernis
für einen erfolgreichen Sprachunterricht............................. 108
10. Die saarländische Schule im Zugriff einer
wachsenden Machtbürokratie........................................... 110
11. Auf dem Weg zur universitären Bildung an der Saar.................... 114
11.1 Das Saarland, eine Region ohne Universität.......................... 114
11.2 Die Initiative zur Universitätsgründung............................. 116
11.3 Einwände und Besorgnisse aus saarländischer Sicht................... 121
11.4 Einigung zwischen Grandval und Hoffmann............................. 125
11.5 Schwierige Gründerzeit.............................................. 126
C. Die Verfassungsartikel über schulische und universitäre Bildung
sowie Kulturpflege, das französisch-saarländische Kulturabkommen
und der Ausbau des saarländischen Bildungswesens in den
Jahren von 1947 bis 1951.............................................. 132
1. Die Separation als Gewissensfrage................................ 132
2. Die verfassungsrechtliche Regelung der öffentlichen Bildung ... 146
2.1 Die Parteien und ihre Schulprogramme.......................... 146
8
2.2 Die historisch begründeten Sonderinteressen des politischen
Katholizismus in Schulfragen . . .............................. 147
2.3 Die Gestaltung der Schulartikel nach dem Diktat der CVP .... 151
2.4 Der Einstieg der Lehrerverbände ................................. 155
2.5 Kirche zwischen Separation und Schule............................ 159
3. Das französisch-saarländische Kulturabkommen
vom 15. Dezember 1948 ....................................... 164
3.1 Zugeständnisse und Widerstände....................................... 165
3.2 Französische Gönnerschaft............................................ 167
3.3 Das Kulturabkommen aus französischer Sicht........................... 169
4. Die „Ära Straus“ im Spiegel einer Leistungsbilanz..................... 172
4.1 Günstige Vergleichsdaten........................................... 172
4.2 Der profranzösische Kern in der Bildungspolitik von Straus .... 179
4.3 Der Ausbau des saarländischen Bildungssystems
durch Fachhochschulen ............................................... 182
4.4 Die Schule für Kunst und Handwerk zwischen den Fronten .... 183
5. Zur Person des ersten saarländischen Kultusministers.................. 184
6. Die Spannungen nehmen zu............................................ 190
6.1 Die Provokation der Volksschullehrerschaft durch die
seminaristische Lehrerbildung........................................ 190
6.2 Besoldungspolitische Pluspunkte ..................................... 191
6.3 Die Nachwehen der Entnazifizierungsfrage und der Ärger
über politisch motivierte Personalentscheidungen..................... 193
6.4 Die Lehrerschaft wehrt sich.......................................... 196
6.5 Erste Widerstände gegen den Französischunterricht.................... 200
6.6 Die Auseinandersetzung zwischen Hoffmann und Straus
um die Praxis des Zentralabiturs .................................... 202
6.7 Die Entlassung von Straus als Kultusminister ........................ 204
D. Die Universität des Saarlandes im Spannungsfeld zwischen lokalen
Interessen und europäischer Perspektive ............................. 208
1. Verfassung und Verwaltungsorgane der Universität................. 210
2. Die Verfassung der Universität in der Praxis..................... 213
9
3. Der Lehrkörper................................................. 218
4. Saarlandorientierte „Europa“-Universität ............................ 223
E. Im Sturm der Jahre 1951 bis 1955 ....................................... 230
1. Keine Ruhe an der Schulfront................................... 230
2. Die Entfremdung wächst......................................... 234
2.1 Der Wille der Lehrerschaft zur Verbundenheit mit Deutschland
wird stärker................................................... 234
2.2 „Prestigegeschädigte“ Volksschullehrer........................ 237
2.3 Permanenter Zankapfel: Der französische Sprachunterricht .... 239
2.4 Provozierte Opposition durch politische Disziplinierungsmaßnahmen . 246
3. „Europa“ verliert auch in der Schule........................... 248
4. Die saarländische Bildungswelt aus deutscher Sicht und in der
Strategie deutscher Politik.................................... 250
F. Der Übergang zur Bildungspolitik als Bundesland................... 258
1. Kulturpolitischer Ausgleich zwischen dem Saarland und Frankreich . 262
2. Die Hypothek der Vergangenheit und das Düsseldorfer Abkommen . 267
3. Das Saarland findet Anschluß................................... 268
G. Zusammenfassung.......................................................... 282
Quellenanhang................................................................ 288
Verzeichnis der Quellen...................................................... 288
Quellen- und Literaturverzeichnis............................................ 323
Personenregister............................................................. 356
10
Verzeichnis der Abkürzungen
Abt. Abteilung
ARD Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands
BA Bistumsarchiv (Trier und Speyer)
CDU Christlich-Demokratische Union
CSU Christlich-Soziale Union
CVP Christliche Volkspartei
DM Deutsche Mark
DP Deutsche Partei
DPS Demokratische Partei des Saarlandes
EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft
FDP Freie Demokratische Partei
ffrs französischer Franc
KM Kultusministerium (saarländisches)
KP Kommunistische Partei (Bezirk Saar)
LA Landesarchiv
LHA Landeshauptarchiv
MdB Mitglied des (Deutschen) Bundestages
MRP Mouvement Républicain Populaire
MRS Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France
NS nationalsozialistisch
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SPS Sozialdemokratische Partei (Bezirk) Saar
Zur Einführung
Die Zahl der Untersuchungen, die sich mit Bildungsgeschichte als Gegenstand histori-
scher Fragestellungen bzw. im weiteren Sinne als Gegenstand der Sozialgeschichte ausein-
andersetzen, hat im letzten Jahrzehnt erheblich zugenommen. Das wachsende Interesse
an solchen Themenstellungen hängt vor allem damit zusammen, daß die Erforschung der
bildungsgeschichtlichen Entwicklungen heute nicht mehr allein von der historischen Päd-
agogik wahrgenommen wird, sondern zunehmend auch von der Geschichtswissenschaft
als Aufgabe angesehen wird. Dabei entwickelte sich eine Kooperation, die vor allem des-
wegen als fruchtbar bezeichnet werden kann, weil Pädagogik als Ideengeschichte und Bil-
dungswirklichkeit als Sozialgeschichte einen im Industriezeitalter bedeutsamen und
immer differenzierter werdenden Lebensbereich eigentlich nur gemeinsam darstellen
können. Die gemeinsam erforschte Bildungsgeschichte kann nunmehr besser in die kom-
plexen Zusammenhänge geschichtlicher Abläufe gestellt werden. Diese stetige Aufgabe
der Einbindung in historische Gesamtverflechtungen gewinnt dann eine besondere Be-
deutung, wenn das öffentliche Bildungssystem in spannungsreichen Zeiträumen außeror-
dentlichen politischen Gestaltungsabsichten unterworfen wird. Die Geschichte des Saar-
landes von 1945 bis 1955 stellt einen solchen Vorgang mit außergewöhnlichen politi-
schen Veränderungen dar, und die in dieser Phase erfolgten intensiven Wechselwirkungen
zwischen Bildung und Politik waren ein wesentliches Motiv, diese Untersuchung durch-
zuführen.
Das gesetzte Ziel, ein solches Beziehungsgeflecht konzentriert zu analysieren, zwingt frei-
lich zur Beschränkung. In dieser Studie soll der Gestaltungswille hinsichtlich des öffentli-
chen Bildungssystems Aufschlüsse über eine als separatistisch qualifizierte Politik geben,
die nicht nur für die Bildungsgeschichte selbst, sondern auch für die allgemeine politische
Geschichte von Interesse ist. Die Absicht, eine bildungspolitische Gesamtdarstellung
schreiben zu wollen, kann daher nicht verfolgt werden. Sie wäre nur zu vertreten, wenn
die untersuchte Bildungspolitik noch intensiver in ihren Auswirkungen auf den schuli-
schen Alltag beleuchtet und wenn gleichzeitig das gesamte Bildungssystem noch stärker
auf bildungsökonomische bzw. bildungssoziologische Fragestellungen bezogen worden
wäre. Unvollständig bleibt auch die Auseinandersetzung mit den bildungspolitischen Wil-
lensbildungsprozessen in den Parteien und Verbänden.
Die hier vorliegende Untersuchung der Bildungspolitik im Saarland1 setzt die Definition
des Begriffs voraus. Sie wird hier als Aufgabe und Wille von Regierung, Parlament, Kir-
1 In den Jahren von 1919 bis 1935 wurde das heutige Saarland im offiziellen Sprachgebrauch der
Behörden als „Saargebiet“ bezeichnet. Nach der Rückgliederung der Saar im Frühjahr 1935 wird
der amtliche Name „Saarland“ gängig. Er wurde nach 1945 von der saarländischen Amtssprache
weiterhin verwendet und ist heute offiziell für das jüngste Bundesland. Im übrigen Deutschland
benutzte man nach dem Zweiten Weltkrieg oft gezielt den Begriff „Saargebiet“, um, so eine oft
zu hörende Begründung, dem Verwaltungsgebiet wegen der Separationsproblematik sui generis
die Qualität als „Land“ zu verweigern. In dieser Arbeit wird für den Zeitraum bis 1945 in der
Regel der Begriff „Saargebiet“ benutzt, für den Zeitraum danach immer „Saarland“, falls nicht
Zitatzwänge entgegenstehen.
13
chen, Parteien und Verbänden gesehen, ein leistungsfähiges, d. h. den Bildungsbedürf-
nissen gerecht werdendes öffentliches Bildungswesen aufzubauen und zu entwickeln. Ge-
staltung und Planung des Bildungswesens im modernen Industriezeitalter sind stets von
Auseinandersetzungen um seine innere Verfassung und Zielsetzung begleitet gewesen.
Diese Feststellung trifft in einer besonderen Weise für die saarländische Bildungsge-
schichte zu, da hier das Bildungspolitische durch Separation und gewollte Eigenstaatlich-
keit zusätzlich und stark problematisiert wurde. Das Bildungspolitische wird in dieser Ar-
beit vorrangig in seiner Wirksamkeit auf die zentralen Einrichtungen des Bildungswesens
hin beurteilt, also den gesamten schulischen und universitären Bereich. Dagegen bleibt die
vorschulische Bildung (z. B. Kindergärten) unberücksichtigt und der Bereich der Erwach-
senenbildung wird nur gelegentlich angesprochen. Weitgehend ausgeklammert bleiben
darüber hinaus das Schulordnungsrecht und die Jugendpflege, die nur mittelbar mit öf-
fentlichen Bildungsaufgaben im Zusammenhang stehen.
Die Konzentration des Bildungspolitischen auf Kernbereiche des saarländischen Bil-
dungswesens ist zu begründen. Sie rechtfertigt sich vor allem durch das Hauptziel dieser
Studie, die Interdependenz zwischen bildungspolitischer Gestaltungsabsicht und gene-
reller politischer Zielsetzung in den Jahren 1945 bis 1955 untersuchen zu wollen. Beson-
dere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
und mit welchen Absichten Politiker des Saarlandes nach dem Zweiten Weltkrieg einen
eigenen bildungspolitischen Gestaltungswillen entwickelt haben, der sich aufgrund ei-
gener normativer Orientierungen, individueller Erfahrungen und kulturhistorischer bzw.
nationaler Bindungen prägend auf das Bildungswesen des Saarlandes ausgewirkt hat.
Diese Fragehaltung fordert zu einer wissenschaftlichen Untersuchung heraus, die sich ins-
besondere den in der bisherigen Saarlandliteratur nicht selten anzutreffenden Vorurteilen
entziehen muß, die die Darstellung saarländischer Nachkriegsgeschichte sogleich mit dem
Vorwurf der Kollaboration und des Separatismus in Verbindung bringen. Notwendig ist
es dagegen, die Wirkungsmöglichkeiten saarländischer Politiker nach 1945 unter den
massiven Setzungen der französischen Politik herauszustellen. Politisches Handeln war
nur im Rahmen einer von Frankreich zugestandenen halbautonomen staatlichen Existenz
möglich, die aber immerhin Heimat und Verwaltungshoheit garantierte. Im Laufe der
Jahre wurden die Gestaltungshoheiten der Saarländer erweitert, ein Prozeß, der durch den
wirtschafts- und kulturpolitischen Selbstbehauptungswillen einheimischer Politiker
starke Impulse empfing. Weitreichende Entscheidungsbefugnisse standen den Saarlän-
dern von Anfang an in der Sozialpolitik und in dem Bereich zu, der Gegenstand dieser Un-
tersuchung ist, der Bildungspolitik. Sie ist daher besonders geeignet, Wesen und Inten-
tionen eigenständiger saarländischer Politik nach 1945 herauszuarbeiten. Diese Eigen-
ständigkeit bleibt auch dann noch, wenn man die Verpflichtungen aus der aufok-
troyierten Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich hinreichend berücksichtigt.
Das Ziel, die saarländische Bildungspolitik von 1945 bis 1955 zu untersuchen, wird die
Aufgabe, den Wiederaufbau eines öffentlichen Bildungssystems, das durch die national-
sozialistische Herrschaft und ihre zerstörerische Kriegspolitik in seiner materiellen und
geistigen Substanz stark angeschlagen war, natürlich stets mit in das Blickfeld nehmen
müssen. Dies wird vornehmlich im zweiten Hauptabschnitt geschehen. Es folgt dann der
Kern dieser Untersuchung, die politische Gestaltung des saarländischen Bildungswesens
in einer Zeit separaten politischen Daseins. Gleichzeitig gilt es, seine einzelnen Elemente
14
wie Schulverwaltung, Schulaufsicht, Lehrpläne, Lehrerbildung, bildungspolitische
Grundsatzbestimmungen der Verfassung, saarländisch-französisches Kulturabkommen,
französischer Sprachunterricht, französische Schulen, Zentralabitur, Schulstrukturen,
Planung und Aufbau akademischer Bildungseinrichtungen, Besoldungspolitik, Bildungs-
etat usw. in ihrer gegenseitigen Verflechtung zu analysieren. Im Mittelpunkt bleibt dabei
stets die Frage, inwieweit die übernommenen und die neu geschaffenen Bildungseinrich-
tungen für eine Politik instrumentalisiert wurden, die vom Beginn der fünfziger Jahre an
in und außerhalb des Saarlandes zu erbitterten Auseinandersetzungen geführt hat. Anzu-
sprechen ist also auch, allerdings eher mittelbar, der Saarkonflikt in seiner internationalen
und lokalen Dimension. Aufgrund der Dichte der Ereignisse, die in ihren Hintergründen
und Spannungen hier nur stichwortartig mit Begriffspaaren wie Emigration und Krieg,
Fremdbestimmung und regionalistischer Selbstbehauptungswille, Heimatliebe und vater-
ländische Bindung, Separation und Nationalstaat, christlich geprägte Grundordnung und
Offenheit im Sinne von Wertvielfalt, Patriotismus und Europabegeisterung, angedeutet
werden sollen, muß ein weiter Bogen geschlagen werden, um dem Thema gerecht zu
werden. Die notwendige Konzentration auf zentrale Sektoren des saarländischen Bil-
dungswesens einerseits und die Einbindung des Themas in den Gesamtzusammenhang
saarländischer Geschichte andererseits bedingen zwar, daß auf eine detaillierte Darstel-
lung saarländischer Bildungsgeschichte verzichtet werden muß, dafür aber eine dreifache
Aufgabenstellung dieser Arbeit geltend gemacht werden kann. Selbstverständlich ist sie
ein Beitrag zur saarländischen Bildungsgeschichte und damit zugleich zur Sozialge-
schichte des Saarlandes, sie ist aber auch ein Beitrag zur saarländischen Landesgeschichte
und darüber hinaus ein Beitrag zum deutsch- bzw. saarländisch-französischen Verhältnis
nach 1945.
Die hier gewählte Breite bezieht die strukturelle Ausdeutung unter dem Aspekt des Wan-
dels von Bildungseinrichtungen und Bildungsvorstellungen im industriellen Zeitalter mit
ein. Eine solche Intention läßt sich aber nur dann verwirklichen, wenn der angegangene
Zeitraum auch in seiner historischen Tiefe gesehen wird, wie dies besonders im Eingangs-
und Schlußkapitel beabsichtigt ist. Unumgänglich werden darüber hinaus Vergleiche mit
der bildungspolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik sein. Zu beachten sind wei-
terhin bildungspolitische Entwicklungen in Frankreich, manchmal wird sich sogar eine
vergleichende Charakterisierung des deutschen und des französischen Bildungssystems
für ein besseres Verständnis der Vorgänge als nützlich erweisen. Die Berücksichtigung
langfristiger und grenzübergreifender Strukturen der Bildungsgeschichte schärft schließ-
lich den Blick für die kontinuierlichen bildungsgeschichtlichen Entwicklungen in dieser
überwiegend industriell geprägten deutschen Region, die auch durch die vorübergehende
Trennung von Deutschland in ihren politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und so-
zialen Grundlagen nicht verfremdet wurde. Wohl ist ein Aufschwung des Bildungswesens
in diesen Jahren nach 1945 festzustellen, der im engen Zusammenhang mit der gegebenen
saarländischen Eigenstaatlichkeit steht. Läßt man die Motivationsfrage für den Kurs des
Saarlandes nach 1945 außer acht, so kann man sogar sagen, daß Politik und Bildung in
einer ungewöhnlichen Situation eine fruchtbare, vielgestaltige und zukunftsorientierte
Verbindung eingegangen sind.
In der Literatur, die sich mit der Geschichte der Saar im Zeitraum nach 1945 auseinander-
setzt, war die Bildungspolitik bisher ein Randthema. Das gilt selbst für die sogenannten
15
Standardwerke. Der Grad ihrer Berücksichtigung hängt von dem Blickwinkel ab, den die
Autoren bei ihrer Darstellung gewählt haben. Ist er ausschließlich, wie etwa bei Frey-
mond2 oder Fischer3, auf den internationalen Konflikt und seine Lösung gerichtet, so tritt
die innenpolitische Seite zwangsläufig in den Hintergrund, so daß die Kulturpolitik fast
gänzlich unthematisiert bleibt. Wird die Saarfrage dagegen, wie bei dem dreibändigen
Werk von Schmidt4, auch in ihrer innenpolitischen Ausrichtung angesprochen, so wird
auch zwangsläufig die Kulturpolitik und damit die Bildungspolitik als wesentlicher Teil
von ihr inhaltlich erfaßt. Allerdings ist das, was Schmidt über die saarländische Bildungs-
welt mitzuteilen weiß5, doch recht mager ausgefallen, da er sich überwiegend nur mit der
bildungspolitischen Programmatik der saarländischen Parteien auseinandergesetzt hat.
Gelegentliche Anmerkungen zum saarländischen Bildungswesen findet man in den Dar-
stellungen der damals maßgeblichen Politiker Hoffmann6 und Schneider7, wobei sich hier
das persönliche Urteil aus dem politischen Standort ergibt.
Ergiebiger für die saarländische Bildungsgeschichte nach 1945 sind eine Reihe von Mono-
graphien und Aufsätze, die sich speziell zu einem Bereich des saarländischen Bildungssy-
stems, zu einer seiner Sonderentwicklungen oder über die Geschichte einer lokalen Bil-
dungsanstalt äußern8. Zu dieser Kategorie dürfen auch Beiträge gezählt werden, die über
die Bildungsgeschichte im Saargebiet von 1918 bis 1935 Auskunft geben. Erwähnt seien
hier die zeitgenössischen Publikationen von Fittbogen ( 1925)9, Peter Zenner ( 1929)10 und
Hoyer (1934)11 über die französischen Domanialschulen. Die Existenz und umstrittenen
Praktiken dieser Einrichtungen beleuchten auch Vogt12 in einer juristischen Dissertation,
die im Jahre 1926 von der Universität Köln angenommen und im Jahre 1929 gedruckt er-
schien. Eine Analyse der schulrechtlichen Situation an der Saar im Zeitraum 1918 bis
1930 findet sich in der Arbeit von Westhoff13. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind
z. T. in die schulpolitischen Aussagen von Maria Zenner in ihrer im Jahre 1966 erschie-
nenen Kölner Dissertation über das saarländische Parteienwesen in der Zeit des Völker-
bundregimes14 und in Jacobys Tübinger Dissertation aus dem Jahre 1973 über die Vorbe-
reitung und Durchführung der Rückgliederung der Saar an Deutschland im Jahre 193515
eingeflossen. Recht informativ ist die im Jahre 1965 von Röger vorgelegte Saarbrücker
Dissertation über die Entstehungsgeschichte der Cecilienschule16 in Saarbrücken, eine
Mittelschule für Mädchen, die im Zeichen reformpädagogischer Ideen von Franz Joseph
Niemanns gegründet und lange Zeit von ihm geleitet und gestaltet wurde.
2 J. Freymond.
3 P. Fischer.
4 R. H. Schmidt,Bde 1-3.
5 Passim, vornehmlich aber im 2. Band.
6 J. Hoffmann,Ziel.
7 H. Schneider, Wunder.
8 Berichtet wird im folgenden nur über Beiträge, die von der Fragestellung her direkt auf die saarlän-
dische Bildungswelt Bezug nehmen.
9 G. Fittbogen.
10 P. Zenner, französische Schule.
11 A. Hoyer (Hrsg.).
12 P. A. Vogt.
13 P. Westhoff.
14 M. Zenner, Parteien.
15 F. Jacoby, Herrschaftsübernahme.
16 Ch. Röger.
16
Von den Untersuchungen, die teilweise oder ausschließlich auf die saarländische Bil-
dungsgeschichte des Saarlandes nach 1945 eingehen, seien zuerst die Monographien vor-
gestellt. Ein aufschlußreicher Beitrag ist die Untersuchung von Sander über die Entwick-
lung des saarländischen Sonderschulwesens im 20. Jahrhundert17, eine Arbeit, die tm
Jahre 1971 erschien und ebenfalls in Saarbrücken als Dissertation angenommen worden
ist. Schon zehn Jahre vorher hatte Brengel18 mit einer Doktorarbeit, die auch in Saar-
brücken vergeben worden war, eine Darstellung über das berufsbildende Schulwesen an
der Saar geliefert. Die von Meiser19 im Jahre 1970 vorgelegte Vergleichsstudie über die
Entwicklung der Volksschuloberstufe im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Hessen und
Österreich, eine Salzburger Dissertation, hat für diese Arbeit nur einen sehr begrenzten
Wert, da der Autor den saarländischen Teil (neben umfangreicher pädagogischer Fachli-
teratur für die Gesamtheit der Arbeit) lediglich auf sekundäre Geschichtsdarstellungen
stützt, aus denen er dann ein einseitiges Urteil herausfindet und so mit seinen persönlichen
Reformwünschen vermengt, daß er sozusagen ohne Berücksichtigung bildungsgeschicht-
licher Erfahrungen apodiktisch die Notwendigkeit des pädagogischen Fortschritts ein-
klagen kann. Durch Vorurteile belastet ist auch der im Jahre 1958 erschienene Aufsatz
von Hof über das saarländische Schulwesen20. Unter dem Eindruck des leidenschaftlichen
Abstimmungskampfes des Jahres 1955 geschriebene, aber vor allem wegen der persönli-
chen Erinnerungen recht informative Beiträge zur saarländischen Bildungsgeschichte
finden sich im Teil „Kultur“ in dem von Altmeier, Szliska, Veauthier und Weiant be-
sorgten und im Jahre 1958 vorgelegten Sammelband über das Saarland21. Früh22 berichtet
dort vorwurfsvoll und engagiert über die Last des französischen Sprachunterrichts in
Volksschulen, Wagner23 führt Klage gegen die stiefmütterliche Behandlung der beiden
Saarbrücker Mittelschulen, Thewes24 streicht die Kontinuität des saarländischen Gymna-
siums als deutsche Leistungsschule, die Bedrückungen durch das Zentralabitur und den
saarländischen Schulverwaltungsdirigismus heraus und Veauthier25 beleuchtet Grün-
dungsidee, Verfassung und institutionelle Entwicklung der Saarlanduniversität bis zum
Jahre 1956. Nützliche Hinweise für diese Arbeit fanden sich im gleichen Sammelband
auch in den anspruchsvollen Beiträgen von Stilz26 über das saarländische Musikleben und
von Schmoll, genannt Eisenwerth 27 über die bildende Kunst in der Nachkriegszeit. Eine
gelungene Informationsschrift über das katholische Lehrerseminar in Lebach legte
Bopp28, der aus seiner Sympathie für die seminaristische Lehrerbildung keinen Hehl
macht, im Jahre 1964 vor. Vom persönlichen Standort diktiert, aber dennoch lesenswerte
Beiträge zur Geschichte der saarländischen Lehrerbildung und zum Problem der zwei-
17 A. Sander.
18 A. Brengel, Wirklichkeit.
19 B, P. Meiser.
20 W. Hof.
21 K. Altmeyer u. a. (Hrsg.), Saarland.
22 O. Früh.
23 E. Wagner.
24 K. Thewes, höhere Schulen.
25 W. Veauthier.
16 E. Stilz.
27 J.A. Schmoll, genannt Eisenwerth.
28 E. Bopp.
17
sprachigen Universität schrieben im Jahre 1956 Peter Zenner29 und Thewes30 in der Wo-
chenzeitung „Christ und Welt“.
Wertvolle Mitteilungen für diese Arbeit konnten auch der Festschrift anläßlich des 25jäh-
rigen Bestehens der Universität des Saarlandes entnommen werden, die im Jahre 1973 er-
schien. Aufmerksamkeit verdient hier insbesondere der Beitrag von Spangenberg31 über
die Gründungsgeschichte und Entwicklung der Hochschule bis zum Jahre 1955. Gleiches
gilt auch für den im Jahre 1965 geschriebenen Aufsatz von Springer32, der zwar die von
ihm eingerichteten medizinischen Hochschulkurse im Homburger Landeskrankenhaus
etwas voreilig als Keimzelle der Saaruniversität überinterpretiert, aber als ehemaliger lei-
tender Mitarbeiter der Militärregierung aus eigener Kenntnis gleichwohl wichtige Infor-
mationen liefert.
Erwähnt seien schließlich noch die von Stoll33 zusammengetragene und im Jahre 1971
veröffentlichte Geschichte der evangelischen Volksschule in Leitersweiler von ihren An-
fängen im 16. Jahrhundert bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts und die von
Peter Zenner34 im Jahre 1959 besorgte Darstellung über das Schulwesen der Stadt Saar-
brücken, die beide allerdings für diese Untersuchung keine weiterführenden Hinweise
beinhalten.
Eine wichtige Quellengruppe bildeten für diese Studie Zeitungen und Zeitschriften. Dien-
lich war hier vor allem die umfangreiche Sammlung von Zeitungsausschnitten im soge-
nannten Schneider/Becker-Archiv35, das heute im Landesarchiv Saarbrücken verwahrt
wird. Es eröffnete eine reiche Auswahl saarländischer, deutscher und französischer Zei-
tungen36, die im Sinne der hier anstehenden Thematik ausgewertet werden konnten.
Einige zusätzliche interessante Zeitungsartikel stellte dankenswerter Weise Herr Stu-
dienrat Dr. Albert H. V. Kraus (Illingen/Saar) zur Verfügung, der kürzlich eine Disserta-
tion über die politischen und publizistischen Auseinandersetzungen um die Saarfrage in
den Jahren 1954/55 vorgelegt hat37. Eine ebenso reiche Informationsquelle stellen die
Lehrerzeitschriften dar, da in ihnen oft detailliert über den Schulalltag und über bildungs-
politische Prozesse und Entscheidungen berichtet wird38. Wertvoll waren natürlich auch
die stenographischen Niederschriften der parlamentarischen Gremien, die amtlichen Do-
kumentationen, Memoranden, Bulletins, die gedruckten Parteitagsreden, Amtsblätter,
die veröffentlichten Texte von Abkommen und Verträgen. Amtliche und halbamtliche In-
formationsbroschüren, Parteiprogramme und Satzungen, Flugschriften, Mitteilungs-
blätter und Vorlesungsverzeichnisse akademischer Bildungseinrichtungen, Handbücher,
Jahrbücher, Festschriften, Statistiken, demoskopische Berichte und selbst Schulbücher
gaben eine weitere hilfreiche und notwendige Informationsgrundlage für diese Untersu-
29 P. Zenner, Lehrerbildung.
30 K. Thewes, Recht der Muttersprache.
31 I. Spangenberg.
32 R. Springer, Hochschulkurse.
33 B. Stoll.
34 P. Zenner, Schulwesen.
35 Es wird im LA Saarbrücken offiziell als Zeitgeschichtliche Sammlung Schneider/Becker aufbe-
wahrt und ist in diesem Sinne auch im Quellen- und Literaturverzeichnis aufgenommen worden.
36 Siehe im Literaturverzeichnis unter „Zeitungen“ und „Zeitschriften“.
37 A. H. V. Kraus.
38 Im Gegensatz zu den Zeitungen, die nur zu Schwerpunkten und nur in Einzelexemplaren einge-
sehen wurden, wurden die Lehrerzeitschriften vollständig überprüft.
18
chung. Aus der Gruppe gedruckter Quellen verdienen die von Heinrich Schneider unter
dem Pseudonym Robert Stöber schon im Jahre 1952 vorgelegten Sitzungsprotokolle der
Verfassungskommission, der gesetzgebenden Versammlung und des Verfassungsaus-
schusses besondere Erwähnung39. Sie waren für die Darstellung der Entstehungsge-
schichte der Verfassungsartikel über den öffentlichen Bildungsbereich geradezu unent-
behrlich. Eine glückliche Ergänzung dazu stellt die von Schranil40 herausgegebene kom-
mentierte Verfassung des Saarlandes, die Anfang der fünfziger Jahre mit Unterstützung
der saarländischen Regierung erschien, sowie die von Thieme41 im Jahre 1958 veröffent-
lichte Analyse der verfassungsrechtlichen Entwicklung an der Saar dar.
Eine wesentliche Quellengrundlage waren für diese Arbeit die schriftlichen und mündli-
chen Mitteilungen von maßgebenden Persönlichkeiten. Der Einzelnachweis hierzu findet
sich im Quellen- und Literaturverzeichnis42. Leider erhielt der Verfasser auf einige Inter-
viewanfragen abschlägige Bescheide. In der Regel wurde die Absage mit schlechten Erfah-
rungen begründet, die man persönlich in den bewegten Jahren von 1945 bis 1955 gemacht
habe. Die Zurückhaltung ist zu respektieren. Dieser Respekt steht im Zusammenhang mit
der eigenen Erfahrung, daß mit zunehmendem Eindringen in die Komplexität des Saar-
konflikts, der bis heute von der Saarbevölkerung noch nicht bewältigt ist, eindeutige Ant-
worten immer schwieriger zu geben waren. Aus der Reihe der Personen, die bereit waren,
Auskünfte zu geben, seien an dieser Stelle zwei Gesprächspartner besonders herausge-
hoben: Pierre Woelfflin (Besançon), der langjährige Leiter der Kulturabteilung im Hohen
Kommissariat bzw. der Mission Diplomatique, und Dr. Emil Straus (Nizza), Leiter der
saarländischen Kultusverwaltung von Januar 1946 bis Dezember 1947 und danach bis
zum Frühjahr 1951 erster Kultusminister des Saarlandes. Herrn Woelfflin, der spontan
zur Mitteilung bereit war, verdankt diese Studie nicht nur generelle Informationen über
die kulturpolitischen Absichten Frankreichs an der Saar, sondern auch mitgeteilte interne
Kenntnisse über Personen, das Beziehungsgeflecht zwischen Franzosen und der saarländi-
schen Bevölkerung, das Universitätsleben und über die Organisationsstruktur der franzö-
sischen Dienststellen im Saarland sowie deren Verhältnis zu Paris.
Herrn Minister a. D. Dr. Straus, der anfänglich recht zurückhaltend war, dann aber in den
folgenden Gesprächen in Saarbrücken und Nizza immer freimütiger Auskunft gab, ist zu
danken für ausführliche Informationen über seine persönlichen Gestaltungsabsichten als
Direktor der saarländischen Kultusverwaltung, als Kultusminister und als saarländischer
Gesandter in Paris. Er berichtete auch über Bestrebungen seiner Partei (CVP), über Vor-
gänge in der Schulaufsicht und Schulverwaltung, über personalpolitische Entscheidungs-
prozesse und über seine Beziehungen zu französischen und saarländischen Politikern.
Ausführlich waren seine Mitteilungen über Streitfragen der saarländischen Bildungspo-
39 R. Stöber (Pseudonym für Heinrich Schneider).
40 R. Schranil.
41 W. Thieme.
42 Gesondert erwähnt werden dort (A, III, 13.) auch eine Reihe von Gesprächsaufzeichnungen und
Briefe, die von Dr. Johannes Volker Wagner (heute Stadtarchiv Bochum) in den Jahren
1965 und 1966 im Zuge einer geplanten aber nicht verwirklichten Monographie über die Ge-
schichte der Saaruniversität angefertigt bzw. empfangen worden sind. Diese Unterlagen befinden
sich heute in einer Sammlung der Universitätsbibliothek Saarbrücken. Dieser Lagerungsort er-
klärt sich dadurch, daß Herr Wagner sein Vorhaben im Auftrag des damaligen Rektors der Uni-
versität Saarbrücken anging und von der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Saaruniversität fi-
nanziell ausgestattet wurde.
19
litik, wie z. B. den französischen Sprachunterricht, das Zentralabitur, die seminaristische
Lehrerbildung usw., aber auch über seine Auseinandersetzungen mit Parteifreunden, der
Lehrerschaft und der Studentenschaft. Bei einem Besuch Ende November 1976 in Nizza
gestattete er sogar einen Einblick in seine Privatakten und zugleich die Ablichtung einiger
Briefe.
Literatur, Publizistik, mündliche und schriftliche Zeugenaussagen und in gewisser Weise
auch gedruckte Quellen erhalten ihren eigentlichen Wert für eine wissenschaftliche Unter-
suchung erst dann, wenn sie in Bezug zu einem tragfähigen Fundament unveröffentlichter
archivalischer Quellen gesetzt werden können, so daß ein wissenschaftlich kontrolliertes
Bild entworfen werden kann. Die umfangreichsten und ergiebigsten Bestände dieser Art
fand der Verfasser naturgemäß im Landesarchiv Saarbrücken. Die dort lagernden Akten
des Kultusministeriums43 und seiner Vorläuferbehörden (Schulabteilung des Regierungs-
präsidiums und Direktion für Erziehungswesen, Jugend und Sport sowie Kultus innerhalb
der vom 8. Oktober 1946 bis zum 19. Dezember 1947 fungierenden Verwaltungskom-
mission), waren zwar noch nicht durchgängig archiviert, dennoch bereitete es keine
großen Schwierigkeiten, sie systematisch auszuwerten. Es handelt sich vornehmlich um
Akten, die in erster Linie Auskunft über die praktische Gestaltung der saarländischen Bil-
dungseinrichtungen geben und nur gelegentlich direkte bildungspolitische Prägnanz be-
sitzen. Diese Feststellung trifft auch für die ebenfalls im Landesarchiv Saarbrücken einge-
sehenen Akten des Kreisschulamtes Ottweiler, des Staatlichen Mädchenrealgymnasiums
St. Wendel, des Staatlichen Aufbaugymnasiums Ottweiler und des Staatlichen Lehrerse-
minars Blieskastel zu. Akten mit unmittelbarem bildungspolitischen Aussagegewicht
fanden sich dagegen in den Gruppenbeständen Regierungspräsidium Saar, Landratsamt
St. Ingbert, Verwaltungskommission des Saarlandes, Amt für auswärtige und europäi-
sche Angelegenheiten, Informationsamt und Staatskanzlei. Die Kabinettsregistratur der
Staatskanzlei war dem Verfasser nicht zugänglich44. Quellenbezogene Angaben über Ka-
binettsentscheidungen können aus diesem Grunde nur dann gemacht werden, wenn sie
sich in Form von Abschriften und Vermerken in anderen Sachakten fanden. Die Einsicht
in die vom Landesarchiv Saarbrücken verwahrten Nachlässe Eugen Meyer (Direktor der
saarländischen Kultusverwaltung 1951 - 1952) und Heinrich Schneider war an sich
wenig ergiebig. Im Archiv des Saarländischen Landtags konnte der Verfasser die bisher
nicht veröffentlichten Berichte der Unterkommission II „Kultur“ der saarländischen Ver-
fassungskommission aus dem Jahre 1947 einsehen. Sie ergänzen die von Schneider45 ver-
öffentlichten Verfassungsprotokolle.
Schulakten staatlicher Provenienz wurden auch im Landeshauptarchiv Koblenz und im
Landesarchiv Speyer ausgewertet. Eingesehen wurden allerdings nur Bestände, die im
Zeitraum 1945 bis 1949 datieren. Diese zeitliche Einschränkung war möglich, weil ledig-
lich die unterschiedlichen bildungspolitischen Weichenstellungen im Saarland und dem
43 Nach Auskunft des LA Saarbrücken hat das saarländische Kultusministerium noch nicht alle ar-
chivwürdigen Akten aus dem Zeitraum 1945 bis 1955 abgegeben.
44 Nach Auskunft des LA Saarbrücken haben die Ministerpräsidenten des Saarlandes in Abstim-
mung mit ihren Kollegen aller Bundesländer Kabinettsakten bisher noch nicht für die wissen-
schaftliche Benutzung freigegeben.
45 Im Literaturverzeichnis unter R. Stöber (Pseudonym für Heinrich Schneider) zu finden.
Vgl. dazu auch oben S. 19 und die dortige Anmerkung 39.
20
werdenden Land Rheinland-Pfalz als Teil der französischen Besatzungszone und ihre
Hintergründe erkundet werden sollten.
Von den staatlichen Archiven sei schließlich noch das Bundesarchiv Koblenz erwähnt.
Hier galt das Interesse dem publizistischen Material des Deutschen Saarbundes und den
demoskopischen Umfrageergebnissen und Stimmungsberichten des Instituts für Demos-
kopie Allensbach am Bodensee aus dem Saarland.
Wegen der im französischen Archivwesen streng gehandhabten Sperrfrist von 50 Jahren
sah es lange Zeit so aus, als hätten für diese Studie nur jene Akten französischer Herkunft
ausgewertet werden können, die sich in den Beständen saarländischer Dienststellen vor-
fanden. Erst kurz vor Abschluß der Materialsammlung im Jahre 1979 konnte auch diese
Lücke etwas geschlossen werden. Wichtige französische Amtsakten fanden sich nämlich
in den Unterlagen des sogenannten Handelsamtes Saar, eine Behörde, die im Jahre 1947
unter der Bezeichnung „Offisaar“ zur Abwicklung des Warenaustausches und des Zah-
lungsverkehrs zwischen dem Saarland und den drei Besatzungszonen der Westalliierten
gegründet worden war und im Jahre 1953 wieder geschlossen wurde. Sie stand unter der
Leitung eines französischen Direktors und hatte aussagekräftige Akten einer vorher im
Rahmen der französischen Militärregierung zuständigen Abteilung übernommen. Vorge-
funden wurden in diesen Beständen, die heute im Landesarchiv Saarbrücken aufbewahrt
werden, u. a. die monatlichen Berichte der einzelnen Abteilungen der Militärregierung
aus den Jahren 1946 und 1947, wobei für diese Arbeit die Synthèses générales der Infor-
mationszentrale , die Rapports mensuel der Sûreté und der Éducation Publique herange-
zogen wurden. Die Bedeutung der Quellen unterstreicht ihre teilweise Markierung mit
dem Wort „Secret“. Unmittelbar vor Fertigstellung des Druckmanuskripts wurden dann
noch Akten der Unterdirektion Saar im Quai d’Orsay aus der Zeit bis 1949 zugänglich
und eingearbeitet. Sie gaben vor allem Auskunft über die saarpolitischen Strategien und
kulturpolitischen Ziele Frankreichs.
Berichtet sei nunmehr über Akten aus kirchlichen Archiven, die deswegen besondere Be-
achtung verdienen, weil die Kirchen als anerkannte Bildungsmächte zwangsläufig und
selbstverständlich an bildungspolitischen Prozessen beteiligt wurden. Das gilt auch und
gerade für das Saarland, da dessen Bevölkerung bis zum heutigen Tage eine relativ kir-
chenfreundliche Einstellung eigen ist. Bestände von Interesse fanden sich im Archiv der
Evangelischen Kirche im Rheinland, im Archiv des Evangelischen Kirchenkreises Saar-
brücken und in den Bistumsarchiven in Trier und Speyer. Gewinnbringend, vor allem mit
Blick auf die Haltung der beiden Kirchen zur Separationsfrage und zu Bildungsangelegen-
heiten, waren dabei insbesondere die Tagebuchaufzeichnungen des Trierer Generalvikars
Dr. Heinrich von Meurers (Chronik des Bistums Trier vom 28.10.1937 — 3.1.1942 und
von 1945 bis 1950) und die Schulakten (Aktengruppe 3) innerhalb des Nachlasses des
Oberkirchenrats Otto Wehr, der im Archiv des Evangelischen Kirchenkreises Saar-
brücken aufbewahrt wird.
Von den Sammlungen sind bereits die in der Bibliothek der Universität Saarbrücken la-
gernden und von Dr. Johannes Volker Wagner angefertigten protokollartigen Aufzeich-
nungen von Interviews und die dazu gehörende Korrespondenz erwähnt worden. Ebenso
wichtig wie diese Unterlagen ist die Sammlung, die die größte und bedeutendste saarlän-
dische Lehrerorganisation, der Verband katholischer Erzieher des Saarlandes, hinter-
lassen hat. Das hier Vorgefundene Protokollbuch und die Niederschriften über verbands-
21
interne Sitzungen sowie der gesamte Schriftverkehr mit staatlichen und kirchlichen Amts*
stellen geben aus der Sicht einer konfessionsgebundenen Interessenvertretung ein detail-
liertes Bild der saarländischen Schulwirklichkeit und der sie prägenden politischen, reli-
giösen und sozialen Einflüsse. Bemühungen, noch weitere Verbandsarchive zu er-
schließen, verliefen bisher ergebnislos, ebenso die Versuche, Materialien aus saarländi-
schen Parteiarchiven umfassend zu erhalten.46
Erfolgreich waren dagegen die Nachforschungen in der Bonner Parteizentrale der CDU.
Die dort aufbewahrten stenographischen Protokolle des CDU-Bundesparteivorstandes
gaben als interne Quelle nicht nur wichtige und ausführliche Auskünfte über die unter-
schiedlichen Positionen innerhalb der CDU zur Saarfrage, sondern auch über gegensätz-
liche Konzeptionen und Strategien im kultur- und bildungspolitischen Bereich.
Zum Schluß sind noch die Archive des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultus-
minister in Bonn und das Archiv des Landtags von Nordrhein-Westfalen zu nennen. Hier
konnten vor allem Materialien für Vergleiche der bildungspolitischen Entwicklung des
Saarlandes mit anderen Ländern der Bundesrepublik ermittelt werden. Der Bericht über
die Quellenlage schließt mit der Mitteilung, daß alle Quellenzitate mit Ausnahme von Au-
torenzitaten der Sekundärliteratur in Kursivdruck erscheinen. Ergänzungen und Berichti-
gungen dieser Zitate durch den Verfasser sind durch Klammerzeichen () kenntlich ge-
macht. Zudem sind sie dadurch zu erkennen, daß sie in Normaldruck erscheinen.
Die vorliegende Untersuchung mußte in der Anlage drei Gesichtspunkte im Blickwinkel
halten. Der erste gründet in dem bereits angesprochenen komplizierten Verlauf der saar-
ländischen Geschichte nach 1945. Er setzt voraus, daß das bildungspolitische Handeln
und Wollen in steter Verbindung zur allgemeinen politischen Geschichte beurteilt wird.
Der zweite Gesichtspunkt ergibt sich aus der Tatsache, daß in dieser Arbeit in reichem
Maße bislang unbekanntes Quellenmaterial verarbeitet wurde. Die sich dadurch erge-
bende Gefahr verkürzter Fragestellung mußte stets bewußt bleiben. Der dritte Aspekt be-
zieht sich auf die Gebundenheit der in dem hier zur Untersuchung anstehenden Zeitraum
handelnder Menschen an ihre geschichtliche Vergangenheit. Die Geschichte der Saar
nach 1945 ist nur dann zu verstehen, wenn man den Blick für die zeitliche Kontinuität von
Entwicklungen bewahrt. Da die saarländische Bildungsgeschichte der Jahre 1945 bis
1955 zudem noch in den sozialgeschichtlichen Zusammenhang unseres industriellen
Zeitalters eingebunden werden soll, ergibt sich von selbst, daß in dieser Arbeit hin und
wieder bis in das 19. Jahrhundert zurückgeblendet wird. Dies ist zunächst bei der nun fol-
genden einleitenden Bestandsaufnahme der bildungsgeschichtlichen und bildungspoliti-
schen Faktoren an der Saar der Fall.
46 Nach Auskunft des ehemaligen Generalsekretärs der CVP, Emil Lehnen, soll diese Partei eine
Registratur nicht angelegt haben. Die Registratur der SPS wurde bald nach der Fusion mit der
SPD-Saar vernichtet, Teile der Korrespondenz einzelner Politiker befinden sich nach einer Aus-
kunft des LA Saarbrücken im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung. Parteiamtliches Schriftgut der
DPS findet sich in den Beständen „Nachlaß Heinrich Schneider“ und „Zeitgeschichtliche
Sammlung Schneider-Becker“. Diese Bestände befinden sich im LA Saarbrücken.
22
A.
Bedingungen und Voraussetzungen für bildungspolitisches
Handeln im Saarland am Ende des Zweiten Weltkrieges
1. Wirtschaftliche Strukturen
Das Saarland zwischen dem Hunsrück im Norden und dem Westrich im Süden gelegen
und mit 2 567 km2 1 Gebietsumfang nur geringfügig von der Größe Luxemburgs (2 586
km1 2) abweichend, bildet geographisch gesehen keine Einheit. Die starke Differenziertheit
der natürlichen Gegebenheiten2 spiegelt sich auch in der unterschiedlichen wirtschaftli-
chen und sozialen Struktur dieses Raumes wider. Aus ökonomischer Sicht bildet ohne
Zweifel das Kohlenrevier im Bereich der mittleren Saar, im Sulzbach-, Fischbach- und im
unteren Köllerbachtal das Herz des Saarlandes. Hier entwickelte sich im Laufe des 19.
und 20. Jahrhunderts eine Schwerindustrie, die im Jahre 19543 mit beachtlichen Produk-
tionszahlen aufwarten konnte. Damals förderte der saarländische Bergbau rund 17 Mil-
lionen t Steinkohle (zum Vergleich: Bundesrepublik Deutschland 128 Mill. t; Frankreich
54,4 Mill. t; Großbritannien 227,4 Mill. t) und bereitete 3,7 Mill. t Koks auf (Bundesre-
publik Deutschland 34,9; Frankreich 9,5; Großbritannien 30,6). Im gleichen Wirt-
schaftsjahr konnte die Eisen- und Stahlindustrie des Saarlandes mit 2,5 Mill. t Roheisen
(Bundesrepublik Deutschland 12,5; Frankreich 8,8; Großbritannien 12,1) und 2,8 Mill.
t Rohstahl (Bundesrepublik Deutschland 17,4; Frankreich 10,6; Großbritannien 18,8)
ihre Leistungsfähigkeit ebenfalls unter Beweis stellen4. Im Gegensatz zu diesen beeindruk-
kenden Zahlen der Schwerindustrie, die noch durch die beachtlichen Produktionsziffern
des Maschinenbaus, der chemischen und der keramischen Industrie zu ergänzen wären,
nimmt sich die Leistungsfähigkeit der saarländischen Landwirtschaft bescheiden aus.
Weniger günstige Klimaverhältnisse, karger Boden und hinderliche Betriebsstrukturen5
sind die Ursachen dafür, daß die saarländische Agrarwirtschaft den Eigenbedarf des
Landes auch in den fünziger Jahren nicht decken konnte. Etwa 66 % des Brotgetreides,
40 % des Gemüses, 25 % der Milch und rund 75 % des benötigten Fleisches mußten da-
mals als landwirtschaftliche Verbrauchsgüter eingeführt werden6. Zwischen der äußerst
leistungsstarken Industrie und der wenig ertragreichen Landwirtschaft konnte, allerdings
abnehmend von den stark urbanisierten Zonen des Südens zu den überwiegend agrarisch
strukturierten Gebieten des Nordens (Hunsrückvorland) und den Schwemmlandböden
des Bliestals und des Bliesgaus, der gewerbliche Mittelstand eine beachtliche soziale und
1 Heutiger Gebietsstand, der seit dem 23. 4. 1949 gültig ist.
2 Vgl. hierzu K. Matthias, insbesondere S. 33 — 66.
1 Das Stichjahr 1954 wurde deswegen gewählt, weil seine Daten einen besseren Vergleich zulassen
als irgendein Jahr des Zweiten Weltkrieges oder danach.
4 Zahlenwerte nach Statistischem Handbuch (Saarland 1955), S. 118 ff.
5 Im Jahre 1948 zählte man im Saarland rund 39 000 landwirtschaftliche Betriebe. Von diesen
wiesen nur rund 7 000 eine Betriebsgröße von mehr als 5 ha aus. Die Struktur der saarländischen
Landwirtschaft wird maßgeblich bestimmt durch den nebenberuflich tätigen Landwirt. 1948
zählte man hierzu 28 073 Bauern.
6 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 86 ff.
23
wirtschaftliche Stellung erreichen. Wenngleich die Industrie im Jahre 1954 mit einem An-
teil von 56,5 % am saarländischen Bruttosozialprodukt7 in ihrer dominierenden Stellung
auch unangefochten blieb, so vermochte sich der Handel mit 10,9%, das Handwerk mit
7,8 %, die Transportwirtschaft mit 5,1 %, und die mittelständischen Dienstleistungsbe-
reiche mit 7,0 % mit einem Gesamtanteil von 32,4 % gegenüber der Land- und Forstwirt-
schaft mehr als gut behaupten; denn deren Beitrag war mit 2,7 % unbedeutend8.
2. Soziale Schichtung und soziale Verhältnisse
Nach dieser kurzen Übersicht der saarländischen Wirtschaftsstrukturen sei nunmehr ein
Blick auf die soziale Schichtung und die sozialen Verhältnisse des Saarlandes geworfen,
da gerade sie Rückschlüsse auf die Bildungsansprüche der Bevölkerung dieses Landes zu-
lassen. Von den rund 410 000 saarländischen Erwerbspersonen, die man im Jahre 1951
zählte, waren55,l % im Wirtschaftsbereich von Industrie und Handwerk, 16,1 % inner-
halb des Handels- und Verkehrssektors, 14,9 % in der Land- und Forstwirtschaft und
13,9 % im Öffentlichen Dienst beschäftigt9. Die Vergleichsdaten der Bundesrepublik
Deutschland zum gleichen Zeitpunkt lauteten 48,6 % (Industrie und Handwerk), 17,3 %
(Handel und Verkehr), 16,3 % (Öffentlicher Dienst) und 17,8 % (Land- und Forstwirt-
schaft)10. Die Beschäftigungsstruktur an der Saar war im Durchschnitt also ähnlich gela-
gert wie in der Bundesrepublik. Wenngleich dieser Zahlenvergleich mit Blick auf die
Stärke der Nachfrage nach qualifizierten Bildungsgängen schon Vermutungen zuläßt, so
ermöglicht doch erst eine Aufschlüsselung nach Kreisen konkretere Hinweise. Vorausset-
zung einer solchen Absicht ist allerdings die Kenntnis der saarländischen Bevölkerungs-
struktur11, sie erst vermag die folgenden Statistiken über die saarländischen Erwerbs- und
Sozialstrukturen ms rechte Licht zu rücken. Ihre detaillierte Erläuterung bietet sogleich
Gelegenheit, die verwaltungsmäßige Gliederung auf Kreisebene aufzuzeigen.
Am 31. Dezember 1951 lebten im Saarland 959 649 Menschen, womit diese Region eine
Bevölkerungsdichte von 3 74 Einwohner auf den km2 erreichte12 13. Damit kam das Saarland
fast auf den gleichen Wert wie Nordrhein-Westfalen im Jahre 1950. Damals wurde dieser
dichtbesiedelste Flächenstaat der Bundesrepublik Deutschland mit 389 Menschen auf
den km2 ausgewiesen. Weit niedriger lag die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in der
Bundesrepublik Deutschland insgesamt, sie erreichte 1950 nur 194 Einwohner auf den
km213. Die meisten Einwohner im Saarland zählte im Jahre 1951 der Kreis Saarbrücken-
Land mit 247 477 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von 644 Menschen auf den
7 Das saarländische Bruttosozialprodukt im Jahre 1954 belief sich auf rund 300 Mrd. ffrs. Dies
sind, umgerechnet auf der Basis des damals gültigen Kurs von 100 ffrs zu 1,20 DM rund 3,6 Mrd.
DM. Damit erreichte das Saarland eine wirtschaftliche Leistung von rund 3 600 DM pro Kopf
der Bevölkerung. Die entsprechende Vergleichszahl für die Bundesrepublik Deutschland lautet
2 937 DM.
8 Nach Statistischem Handbuch (Saarland 1955), S. 157.
9 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 63.
10 Statistisches Handbuch (Bundesrepublik Deutschland 1955), S. 109.
11 Auf einen historischen Ansatz bei der Beschreibung der saarländischen Bevölkerungsstruktur
wird hier ebenso verzichtet wie bei der später folgenden Darstellung der Sozialstruktur. Die hi-
storische Entwicklung der Bevölkerungs- und Sozialstruktur schildert eingehend A. Merz, S.
702-725.
12 Statistisches Handbuch (Saarland 1952), S. 12.
13 Statistisches Handbuch (Bundesrepublik Deutschland 1955), S. 109.
24
km2. Es folgten der Kreis Saarlouis mit 159 788 (337), der Kreis Ottweiler mit 154 285
(523), die Stadt Saarbrücken mit 111 574 (2 554), der Kreis Merzig-Wadern mit 81453
(139), der Kreis St. Wendel mit 78 557 (145), der Kreis St. Ingbert mit 65 500 (283) und
schließlich der Kreis Homburg mit 61 015 (228) Einwohnern. Damit offenbart das Saar*
land auch in seiner Bevölkerungsstruktur ein uneinheitliches Bild. Während der südliche
Raum (Saarbrücken-Stadt und -Land, Ottweiler) aufgrund der industriellen Entwicklung
stark urbanisiert war, hatten die Kreise in den mittleren Zonen des Saarlandes (Saarlouis,
St. Ingbert und Homburg) und erst recht die beiden Nordkreise St. Wendel und Merzig-
Wadern eine betont ländliche Siedlungsstruktur bewahrt, wobei die doch beachtlichen
Werte der Mittelzone vor allem auf die vergleichsweise hohe Zahl der Gemeinden zwi-
schen 2 000 und 5 000 Einwohnern zurückzuführen ist14.
Ebenso unausgeglichen wie die saarländische Bevölkerung im Hinblick auf ihre regionale
Verteilung ist auch das Erwerbsleben dieses Landes, wenn man die obigen Zahlen der
saarländischen Erwerbspersonen nach Wirtschaftsgruppen aufschlüsselt. Während in
den agrarisch strukturierten Kreisen des nördlichen Saarlandes Merzig-Wadern und St.
Wendel der Anteil der Erwerbspersonen aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft
mit 35,5 % bzw. 33,9 % weit über dem Landesdurchschnitt von 14,9 % lag und die Kreise
Saarlouis (18,4 %), Ottweiler (11,1%), St. Ingbert (15,1 %) und Homburg (17,3 %) sich
dieser Marke mehr oder weniger näherten, registriert die Statistik für Saarbrücken-Land
mit 5,1 % und, was allerdings auf der Hand liegt, für die Stadt Saarbrücken mit 1,1 %
die geringsten Werte.
Für den Wirtschaftsbereich Industrie und Handwerk zeigt die Statistik zwangsläufig,
wenngleich in den Zahlen etwas ausgeglichener, ein umgekehrtes Verhältnis. Hier ermit-
telte man für den Kreis Saarbrücken-Land im Jahre 1951 einen Wert von 64 %. Es folgten
die Kreise St. Ingbert mit 60,0 %, Ottweiler mit 59,2 %, Saarlouis mit 58,2 %, Homburg
mit 55,5 %, Merzig-Wadern mit 45,4 % und Saarbrücken-Stadt mit 43,4 %. Die nied-
rigste Marke verzeichnete der Kreis St. Wendel mit 41,6 %15. Die auffallend niedrige Rate
von Saarbrücken-Stadt gründet in dem hohen Anteil von 31,9 % der Erwerbspersonen für
den Sektor Handel und Verkehr bzw. 23,6 % für den Bereich Öffentlicher Dienst und
Dienstleistungen. Hier folgten die saarländischen Landkreise erst mit großem Abstand,
ihr prozentualer Anteil innerhalb des Wirtschaftsbereichs Handel und Verkehr
schwankte zwischen 16,9 % (Saarbrücken-Land) und 9,0 % (Merzig-Wadern) und im
Sektor Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen zwischen 14,3 % (Ottweiler) und 10,1
% (Merzig-Wadern). Damit unterstreicht der Zahlenspiegel über die Erwerbspersonen
nach Wirtschaftsgruppen die Stellung Saarbrückens als saarländische Metropole. Er ver-
deutlicht die starken Unterschiede in der sozialen Schichtung zwischen der einzigen Groß-
stadt dieser Region und den kleinstädtischen und ländlichen Bereichen, die freilich in sich
wieder unterschiedlich strukturiert waren. Städte wie Ottweiler, Saarlouis, Merzig, Blies-
kastel, St. Wendel und Homburg besaßen als traditionelle Verwaltungssitze und ehema-
lige Zentren mit Klöstern und Stiften ein Sozialgepräge, das dem der Stadt Saarbrücken
wesentlich ähnlicher war als das der rasch gewachsenen Industrieorte Neunkirchen, Dil-
14 Nach Statistischem Handbuch (Saarland 1952), S. 12 in Verbindung mit Statistischem Hand-
buch (Saarland 1955), S. 20 ff.
15 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 63.
25
lingen, Dudweiler, Völklingen, Sulzbach und in gewisser Weise auch St. Ingbert mit ihren
großen Arbeitersiedlungen.
Noch aufschlußreicher als die Statistik der Erwerbspersonen nach Wirtschaftsgruppen
sind für die Ermittlung der bildungspolitischen Bedingungsfelder im Saarland die Zahlen
der Erwerbspersonen nach Berufsgruppen. Für das Jahr 1951 meldet die Statistik für das
Saarland 55,2 % Arbeiter, 15,8 % Angestellte, 4,6 % Beamte, 11,7 % Selbständige und
12,7 % mithelfende Familienangehörige16. Vergleicht man diese Sozialschichtung mit
einer Erhebung für die Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahre 1950, so sind wesent-
liche Unterschiede nicht festzustellen17. Den höchsten Arbeiteranteil an der Gesamtheit
der Erwerbspersonen hatte im damaligen Saarland der bevölkerungsdichte Kreis Saar-
brücken-Land mit 62,8 %. Es folgten Ottweiler mit 59,3 %, St. Ingbert mit 58,1 %, Saar-
louis mit 56,6 % und Homburg mit 54,6 %. Erst an vorletzter Stelle, eingebettet in die
beiden Landkreise St. Wendel (46,7 %) und Merzig-Wadern (45,8 %) folgte die Stadt
Saarbrücken mit 46,6 %. Als Verwaltungszentrum hatte die saarländische Metropole mit
Abstand den höchsten Angestellten- (30,1 %) und Beamtenanteil (7,6 %) an den Erwerbs-
personen. Die Landkreise kamen hier nur auf einen Schnitt von 14 — 15 % bzw. 4,5 %.
Bei den Selbständigen kam Saarbrücken auf eine Quote von 11,9 %, die Landkreise
schwankten hier zwischen 16,5 % (Merzig-Wadern!) und 8,1 % (Saarbrücken-Land)18.
Damit bestätigt die Statistik, daß im Saarbrücken der fünfziger Jahre eine starke Mittel-
schicht zuhause war, die sich in ihren Interessen auf die gewerbliche Wirtschaft, die freien
Berufe und die behördliche Verwaltung orientierte, eine soziale Situation, die, wenngleich
auch in kleineren Maßstäben, gleichfalls für die alten Verwaltungsstädte Saarlouis,
Merzig, Blieskastel, St. Wendel, Ottweiler und Homburg festgehalten werden muß. Ge-
nannt sind damit zugleich auch die Zonen im Saarland, in denen die stärksten Ansprüche
nach qualifizierter Bildung geltend gemacht wurden. Das Bildungsgefälle zwischen
„Stadt“ und „Land“, das Leschinsky im Zusammenhang mit der Entwicklung der Volks-
schuloberstufe in Deutschland nach 1920 mit einer Reihe von Statistiken recht eindrucks-
voll belegt hat19, war also auch an der Saar nachhaltig spürbar20.
Neben der Sozialstruktur sind die religiösen Verhältnisse eine weitere wichtige bildungs-
politische Komponente. Schon Max Weber hat als Begründer der Religionssoziologie
deutlich gemacht21, daß sowohl das Maß des Bildungsstrebens der Bürger als auch ihr bil-
dungspolitisches Verhalten im engen Zusammenhang mit ihrer Konfessionszugehörig-
keitsteht. Im Jahre 1951 lebten im Saarland 73,4 % Katholiken und 25,3 % Protestanten.
Doch dieses Verhältnis ist in den einzelnen Kreisen höchst unterschiedlich, womit die Un-
einheitlichkeit als Wesensmerkmal des saarländischen Daseins auch im religiösen Raum
ihren Niederschlag findet. Mit 47,4 % evangelischen Bürgern erreichte der Kreis Hom-
16 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 63.
17 Damals errechnete man für die Bundesrepublik folgende Werte: Arbeiter 51,0 %, Angestellte
und Beamte 20,0 %, Selbständige 14,8 % und mithelfende Familienangehörige 14,5 %. Statisti-
sches Handbuch (Bundesrepublik Deutschland 1955), S. 109. Die grundlegende Erhebung für
die Statistik der Erwerbspersonen nach Berufsgruppen wurde in der Bundesrepublik im Jahre
1950, an der Saar im Jahre 1951 durchgeführt.
18 Werte nach Statistischem Handbuch (Saarland 1955), S. 63.
19 A. Leschinsky, S. 60 ff.
20 Vgl. unten S. 38 ff.
21 Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an Erlinghagens Untersuchung über das katholische Bil-
dungsdefizit in Deutschland. K. Erlinghagen. Vgl. darüber hinaus M. Klöcker.
26
bürg Anfang der fünfziger Jahre fast eine Parität zwischen den beiden großen Konfes-
sionen. Starke protestantische Minderheiten wies die Statistik auch für Saarbrücken Stadt
mit 42,1 %,Ottweiler mit 32,5 % und Saarbrücken-Land mit 32,3 % auf. In allen übrigen
Kreisen (St. Wendel 20,4 %, St. Ingbert 16,0 %, Saarlouis 5,0 %, Merzig-Wadern 3,4 %
Protestanten) stellten die Katholiken eine sehr starke Mehrheit22. Auf das Wechselver-
hältnis von Bildung und konfessioneller Zugehörigkeit an der Saar wird an anderer Stelle
noch einzugehen sein23.
Eine Eigenart des Saarlandes ist seine lebendige Vielfalt. Diese Wirklichkeit erforderte
eine lokal abgestufte Untersuchung des Wirtschaftslebens, der Bevölkerungs- und Sozial-
struktur und auch der Religionszugehörigkeit. Das vielfältige Erscheinungsbild der wirt-
schaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse ist an der Saar auch noch in den fünf-
ziger Jahren stark spürbar. Sie zeigt sich auch und vor allem in der quer durch das Saarland
laufenden Grenzlinie zwischen rheinfränkisch und moselfränkisch, womit nicht nur zwei
Mundarten voneinander geschieden werden, sondern auch zwei Mentalitätswelten.
Damit ist die Frage nach dem Einfluß der Tradition aufgeworfen. Ihre Erörterung soll im
Rahmen dieses Themas freilich auf die Entwicklung der saarländischen Bildungs- und
Kulturgeschichte konzentriert bleiben. Mit dem Eindringen in die saarländische Vergan-
genheit treten die bisherigen statischen Beschreibungen in den Hintergrund, ihr Wert lag
vor allem darin, den wirtschaftlichen und sozialen Rahmen faßbar zu machen, der für das
bildungspolitische Geschehen an der Saar gegeben war.
3. Die Entwicklung eines eigenständigen politischen Selbstbewußtseins
im Saargebiet
3.1 Die Saar bis zum Ersten Weltkrieg. Ein Land ohne gemeinsames Schicksal als Region
Der Versuch, den Charakter des heutigen Saarlandes mit Hilfe seiner wirtschaftlichen, po-
litischen, sozialen und kulturellen Strukturen zu bestimmen, führt rasch zu der Er-
kenntnis, daß dieser Region ein historisch gewachsenes territorialpolitisch orientiertes
Bewußtsein fehlt. Eine „saarländische“ Geschichte im eigentlichen Sinne gibt es erst seit
dem Ende des Ersten Weltkrieges. Im 19. Jahrhundert hatte der größere Teil des heutigen
Saarlandes Anteil an der gesamtgeschichtlichen Entwicklung Preußens, seine östlichen
Gebiete gehörten zu Bayern. Wenn sich in dieser Zeit auch eine Identifikation der Bevöl-
kerung an der Saar mit dem preußischen bzw. bayerischen Staat und dem Schicksal
Deutschlands als nationaler Bundesstaat anbahnte, so blieb sie dennoch dem kurtrieri-
schen, lothringischen, pfälzischen und nassauischen24 Erbe stark verbunden, das die Ver-
gangenheit aufgrund des hier vor der Französischen Revolution anzutreffenden Herr-
schaftsmosaiks hinterlassen hatte. Die Kontinuität eines stark von lokalen Erfahrungen
geprägten Bewußtseins ist sogar bis zum heutigen Tag lebendig geblieben, eine Tatsache,
22 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 26. Über die Entwicklung der Konfessionsverhält-
nisse an der Saar vom Zeitpunkt der Einführung der Reformation in der Grafschaft Nassau-Saar-
brücken im Jahre 1575 bis zur Gegenwart D. Bettinger.
23 Siehe unten S. 39.
24 Bezieht sich auf die Grafschaft Nassau-Saarbrücken.
27
die durch die feste Bindung der Saarbevölkerung an ihre angestammten Sitten, Ge-
bräuche, religiöse Überzeugungen und Erziehungsgrundsätze belegt ist.
Angesichts der Industrialisierung und Urbanisierung weiter Teile des heutigen Saarlandes
sind dies erstaunliche Feststellungen und man fragt sich, warum das öffentliche Leben in
dieser Region im Vergleich zu anderen Gebieten mit ähnlicher Entwicklung einen spürbar
geringeren Anteil an den historischen Prozessen des modernen Zeitalters nahm, warum
vor allem der Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft, die Etablierung zeitge-
mäßer Staats- und Verwaltungsstrukturen, der nationale Einigungsprozeß und auch der
fortschreitende Säkularisierungsprozeß hier weniger deutliche Spuren hinterließen. Eine
der gewichtigsten Ursachen gründet in der Sozialgeschichte des Saarraumes, die sich trotz
der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrem Verlauf deutlich abhob von den
charakteristischen Tendenzen zur Klassengesellschaft des 19. Jahrhunderts. Günstige
Umstände wie die Naheinwanderung der Arbeiterschaft, das umsichtige soziale Handeln
der staatlichen preußischen Bergwerksverwaltung und nicht zuletzt die gezielte Eigen-
tumsförderung in Arbeitnehmerhand durch die Unternehmerschaft förderten im Saarge-
biet von Anfang an eine bemerkenswerte betriebliche und heimatliche Verwurzelung des
Arbeiters25. Sie war die entscheidende Voraussetzung für ein soziales Miteinander, das
sich im Rahmen eines patriarchalischen Regiments einer kleinen Wirtschaftselite und in
der allgemeinen Orientierung der Saarbevölkerung an ständische Ordnungskategorien
ungebrochen in den Bahnen überwiegend konservativer Grundhaltungen und Hierarchie-
vorstellungen vollzog26.
Die von Tradition und Stetigkeit gekennzeichnete Begegnung von Unternehmertum und
Arbeiterschaft führte aber nicht dazu, daß trotz wachsender gemeinsamer wirtschaftli-
cher und sozialer Interessen die historisch bedingte Vielfalt des kulturellen und politischen
Lebens an der Saar geschwächt wurde. Es existierte fast unvermindert in der Betonung
seiner moselländischen, pfälzischen, lothringischen und Saarbrücker Ausprägungen und
Eigenarten weiter. Die politisch und vor allem kulturell spürbar bleibenden Trennlinien27
dieses Gebietes, die auch durch die staatliche und verwaltungsmäßige Durchdringung
aufgrund der preußischen und bayerischen Gegenwart bis in die Tage des Ersten Welt-
krieges nicht überwunden werden konnten28, gründen vor allem in der Tatsache, daß sich
im 19. Jahrhundert ein geistig-kultureller Mittelpunkt an den Ufern der Saar nicht entwik-
keln konnte, der durch seine Anziehungs- und Integrationskraft die angestammten so-
zialen, heimatlichen und religiös-kulturellen Bindungen zu einer saarländischen Identität
hätte zusammenschmelzen können.
Auch Saarbrücken, von 1381 bis zum Jahre 1793 Residenz des protestantischen Fürsten-
tums Nassau-Saarbrücken29 und nach einer kommunalen Reform mit den umliegenden
Städten St. Johann und Malstatt-Burbach im Jahre 1909 zur Großstadt gewachsen,
konnte diese Führungsrolle nicht übernehmen. Zu ausgeprägt blieb der Gegensatz zwi-
25 Zur Entwicklung von Bergarbeitersiedlungen an der Saar neuerdings K. Fehn
26 Vgl. hierzu M. Zenner, Parteien, S. 21 f. mit zahlreichen Literaturhinweisen zur Sozialge-
schichte der saarländischen Arbeiterschaft (S. 21, Anm. 4). Siehe auch E. Straus, Gliederung,
S. 121.
27 J. Bellot, S. 245.
28 Grundlegend J. Bellot, passim.
29 Bis zum Jahre 1688 Grafschaft.
28
sehen dem protestantisch geprägten Saarbrücker Bürgertum, das in seiner betont natio-
nalen Gesinnung und in seiner liberal-aufklärerischen Grundhaltung mehr Wert auf ein
ungetrübtes Verhältnis zu dem preußischen Staat und seinen Traditionen legte30 als auf
eine engere Verbindung mit der aus ländlichen Gebieten eingewanderten Arbeiterschaft,
deren Mentalität, geprägt durch die Verbundenheit zum Katholizismus und zu lokal fi-
xierten Loyalitäten, ihm fremd bleiben mußte. Die Barrieren zwischen den Gesellschafts-
gruppen, die sich vor allem in den heftigen Auseinandersetzungen um wahlpolitische Vor-
teile und den katholischen und sozialistischen Bemühungen um die gewerkschaftliche
Koalitionsbildung der Arbeiter widerspiegeln31, sind es, die die Entfaltung Saarbrückens
zur Metropole des mittleren Saarraumes bis 1918 verhindern. Das gewollte Eigenleben
des Saarbrücker Bürgertums, das in kleinerem Maßstab Parallelen im gesamten Gebiet
des ehemaligen Fürstentums Nassau-Saarbrücken fand, ist der eigentliche Ausgangs-
punkt für die soziale Ausnahmeerscheinung des saarländischen Industrialisierungspro-
zesses. Seine fast oligarisch anmutende Steuerung durch eine gesellschaftliche Ober-
schicht32 führte dazu, daß selbst in den Kernzonen des saarländischen Industriegebietes
jene typischen Wandlungs- und Integrationswirkungen verpufften, wie sie in ähnlich
strukturierten Räumen im allgemeinen für das soziale, wirtschaftliche und kulturelle
Leben der Wilhelminischen Zeit beobachtet werden konnten. Die bewußte Isolierungs-
strategie, die den eingewanderten, meist katholischen Arbeiter von der aktiven Teilnahme
am bürgerlichen Leben Saarbrückens mehr oder weniger ausschloß, hat vor allem für die
Kulturgeschichte des Saarraumes nachteilige Wirkungen gehabt. Dabei werden die nega-
tiven Folgen sofort einsichtig, wenn man sich die kulturpolitische Lage vor Augen hält,
in der der Saarraum um die Jahrhundertwende verharrte. Während das protestantisch ge-
prägte Saarbrücken mit seinem überwiegend national und liberal empfindenden Bür-
gertum ohne die Basis eines konfessionsgleichen Hinterlandes zwangsläufig in seiner kul-
turellen Anziehungskraft unattraktiv bleiben mußte, orientierten sich die von einer katho-
lischen Mehrheit bewohnten Einzugszonen der späteren saarländischen Hauptstadt und
erst recht die katholischen Kreise des heutigen Saarlandes ungebrochen zu den traditio-
nellen, aber zum Teil wesentlich entfernter gelegenen Kirchen- und Verwaltungszentren
Trier und Speyer. Sie gerieten damit kulturell gesehen in eine Randlage, die sie, wenn auch
unter völlig entgegengesetzten Vorzeichen und andersgelagerten Ansprüchen, in ein ähn-
liches geistig-kulturelles Schattendasein drängte wie die Bürger der Stadt Saarbrücken.
Verstärkt wurde diese durch politische, soziale und religiöse Gegensätze bewirkte „Lage
des Saarlandes im Kulturschatten“33 durch die Zugehörigkeit zu den zentralistisch ver-
walteten Staaten Preußen einerseits und Bayern andererseits. Sowohl die extreme Abseits-
lage der Region als Teil der preußischen Rheinprovinz bzw. bayerischen Pfalz wie auch
die Tatsache, daß der Zugang zu den führenden Beamtenpositionen in der öffentlichen
Administration und in der staatlichen Bergwerksverwaltung fast ausnahmslos einer Aka-
demikerschaft Vorbehalten blieb, die fremd ins Saargebiet kam, nahmen jeder bildungs-
30 J. Bellot, S. 246 u. F. Stahl, S. 172 ff.
31 Vgl. dazu die Wahlstatistiken bei J. Bellot, S. 247 ff. in Verbindung mit H.-W. Herrmann
und G. W. Sante, Saarland, S. 28 f.
32 Vgl. das Urteil von J. Bellot, S. 243 f.
33 M. Zenner, Parteien, S. 23.
29
und kulturpolitischen Aufwärtsentwicklung in dieser Region ihre Chance34. Die Ferne der
zentralen preußischen und bayerischen Regierungs- und Verwaltungsstellen und ihre per-
sonalpolitischen Strategien, die Sozialschranken zwischen katholischer Arbeiterschaft
bzw. Landbevölkerung und evangelischem Stadtbürgertum, aber auch die reservierte
Haltung des katholischen Bevölkerungsteils in Bildungsfragen überhaupt, haben in der
Zeit der Zugehörigkeit der Saarkreise zu Preußen und Bayern einen breiten Aufstieg ein-
heimischer Bevölkerungskreise in Führungspositionen von Staat und Wirtschaft verhin-
dert. Die Folge dieser Entwicklung war: das Kultur- und Bildungswesen in dieser Region
blieb weit hinter dem relativ hohen Standard seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit zu-
rück. Diese Rückständigkeit in einem wesentlichen Bereich des sozialen Lebens, die sich
kulturell in einem provinziellen Standard des Theater-, Musik- und Kunstwesens und bil-
dungsgeschichtlich insbesondere in fehlenden Einrichtungen des Fach- und Hochschul-
wesens bemerkbar gemacht hat, konnte das Saarland bis in die Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg nicht revidieren. So war die im Jahre 1949 von dem CVP-Abgeordneten Emil
Weiten im Zusammenhang mit der Verabschiedung des saarländisch-französischen Kul-
turabkommens geäußerte Klage, das Saarland sei bisher kulturell nicht überfüttert35
worden, zwar nicht frei von Polemik, aber im Kern durchaus berechtigt.
3.2 Kultureller Aufwind nach dem Ersten Weltkrieg
Das Bild vom „saarländischen Kulturschatten“, das für den Zeitraum bis 1945 immer
wieder beklagt wurde, bedarf allerdings insofern der Korrektur, als es den von Zenner36
und Jacoby37 konstatierten allgemeinen Aufschwung des Bildungs- und Kulturlebens in
der Zeit des Völkerbundregimes von 1920bis 1935 unerwähnt läßt. Ein bemerkenswerter
Wille zur pädagogischen Reform, der sowohl von der Regierungskommission des Völker-
bundes als auch von den Parteien und Verbänden an der Saar unterstützt wurde, hat da-
mals in enger Verbindung zur deutschen Bildungswelt das gesamte öffentliche Erzie-
hungswesen im Bereich der neu durch den Versailler Vertrag geschaffenen Verwaltungs-
einheit Saargebiet, die die gesamten ehemals preußischen Landkreise Ottweiler, Saar-
brücken-Land und Saarlouis sowie die kreisfreie Stadt Saarbrücken, das ganze ehemals
bayerische Bezirksamt St. Ingbert, Teile der früheren preußischen Landkreise Merzig und
St. Wendel und Teile der einstigen bayerischen Bezirksämter Homburg und Zwei-
brücken38 umfaßte39, äußerst günstig beeinflußt. Qualifiziertere Lehreraus- und -fortbil-
34 Vgl. dazu den kulturpolitischen Rückblick von J. A. Schmoll gen. Eisenwerth in der Frank-
furter Allgemeinen Zeitung vom 6. 12. 1955.
35 Landtag des Saarlandes. Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, 46. Sitzung vom 12.1.1949,
S. 6. Vgl. hierzu auch J. Hoff mann, Ziel, S. 111 und S. 118.
36 M. Zenner, Parteien, S. 100 ff.
37 F. Jacoby, Herrschaftsübernahme , S. 41 ff.
38 Homburg wurde dem Saargebiet zugeschlagen, Zweibrücken blieb beim Deutschen Reich.
39 Die hier angesprochenen kommunalen Einheiten gingen später in die Kreiseinteilung über, wie
sie bereits oben auf S. 24 ff Erwähnung fand. Sie blieb bis zur großen saarländischen kommu-
nalen Gebiets- und Verwaltungsreform, die am 1.1.1974 in Kraft trat, bestehen und erfuhr auch
durch die Angliederung von Orten des Restkreises Wadern und von Orten der Kreise Saarburg,
Trier-Land, Birkenfeld und Kusel in den Jahren 1946/47 keine Änderung. Die Gliederung der 15
Aufsichtsbezirke für die Volksschule, wie sie im einzelnen auf S. 77 in der Anm. 64 aufgezählt
sind, hielt sich im Rahmen der hier angegebenen Kreiseinteilung.
30
düng, der Ausbau des weiterführenden Schulwesens40, der für damalige Verhältnisse vor-
bildliche Ausbau der berufsbildenden Lehranstalten, die Neuordnung des Schulrechts41
und der Schulfinanzierung sind die nachweislichen Ergebnisse dieses Bemühens im
Rahmen schulpolitisch relevanter Entscheidungen. Allerdings war auch jetzt noch nicht
die Zeit reif für die Gründung einer universitären Bildungsstätte. Stark unterentwickelt
blieb auch das Sonderschulwesen, sein Ausbau hinkte spürbar hinter den Erfolgen auf
dem Bildungssektor im Reichsgebiet zurück42.
Parallel zur Steigerung des schulischen Anspruchsniveaus belebte sich das allgemeine Kul-
turleben im Saarraum. Diese Entwicklung dokumentiert sich nicht nur im Aufbau und
Ausbau eines Bücherei- und Bibliothekswesens und in der Belebung wissenschaftlicher
und literarischer Zirkel sondern auch in der nachhaltigen Förderung von Theater, Musik
und Kunst43. Wenn man den günstigen Aufwärtstrend auf kulturellem Gebiet auch in
enger Beziehung zum allgemeinen Fortschritt sehen muß, so ist Zenner und Jacoby sicher-
lich zuzustimmen, wenn sie diesen Aufschwung insgesamt im engen Zusammenhang mit
der besonderen politischen Situation des Saargebiets in der Zeit des Völkerbundregimes
sehen, als diesem Gebiet mit einer Bevölkerung deutscher Zunge44 und deutscher Ge-
schichte die Frage nach seiner nationalen und damit gleichzeitig seiner kulturellen Iden-
tität aufgezwungen wurde.
Am deutlichsten stellte sie sich in den Auseinandersetzungen um die französischen Dorna-
nialschulen und, wenn auch nicht so intensiv, in dem Gerangel um den fakultativen fran-
zösischen Sprachunterricht im Bereich der Volksschulen. Die Grubenschulen, der Kon-
trolle und Aufsicht der französischen Bergwerksverwaltung unterstellt, und auch der
Fremdsprachenunterricht an den Volksschulen haben zwar niemals, auch nicht auf dem
Flöhepunkt des Konflikts in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, eine echte Gefahr für
das schulische Leben an der Saar in seiner deutschen Tradition und Eigenart dargestellt45,
aber diese Tatsache unterstreicht eher die Stärke nationalen Empfindens, das durch diesen
Schulstreit geweckt worden war. Auch die Hintergründe der heftigen Auseinanderset-
zungen um die Domanialschulen, die extensive und willkürliche, ganz im Sinne französi-
scher Wünsche vorgenommene Auslegung der in den „Anlagen“ zum Saarstatut im
Rahmen des Versailler Vertragswerkes vom 28. 6.1919 enthaltenen höchst unscharf for-
mulierten Bestimmungen über das Grubenschulwesen durch die vom Völkerbund beauf-
tragte Regierungskommission, die Penetranz und Intoleranz einzelner Angehöriger der
französischen Grubenverwaltung, mit der sie schulpflichtige einheimische Bergwerks-
kinder und sogar grubenfremde Kinder zum Besuch der Schulen französischen Charak-
ters zwangen, und nicht zuletzt der Gegensatz von liberaler und christlicher Grundauffas-
sung über die Organisation des öffentlichen Bildungswesens, lassen den Behauptungs-
40 Vgl. dazu im einzelnen M. Zenner, Parteien, S. 114 ff. und bezüglich des Mittelschulwesens die
Studie von Chr. Röger über die Entwicklung der Saarbrücker Cecilienschule, einer Mädchen-
realschule.
41 Vgl. im einzelnen P. Westhoff, S. 171 f.
42 Vgl. hierzu das Urteil von Sander über die geschichtliche Entwicklung des saarländischen Sonder-
schulwesens. A. Sander, S. 190 ff.
43 Vgl. F. J a co b y, Herrschaftsübernahme, S. 42 in Verbindung mit M. Zenner, Parteien, S. 114.
44 Ausdrücklich angemerkt sei in diesem Zusammenhang, daß es an der Saar keine französisch spre-
chende Minderheit gibt.
45 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 110 ff.
31
willen der Bevölkerung an der Saar gegen eine machtpolitisch vorgetragene Romanisie-
rungspolitik deutlich werden46.
Der Widerstand ergab sich aus der Zugehörigkeit der Bevölkerung des Saargebiets zum
deutschen Volkstum, die durch eine klare Abgrenzung zum romanischen Sprachraum hin
unterstützt wurde und nicht, wie etwa in Lothringen oder dem Gebiet um Malmedy
(heute Ostbelgien), durch ein Netz von Sprachinseln und zweisprachigen Gebieten bela-
stet war47. Intensiviert wurde das Gefühl der Verbundenheit mit der deutschen Nation
und Kultur durch die Abtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich; die französische
Staatsgrenze rückte nun wieder unmittelbar an das Saargebiet heran. Die direkte Nach-
barschaft führte dazu, daß an der Saar die Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich
besonders spürbar wurde, zumal Frankreich durch seine Versuche, die im Saarstatut zum
Friedensvertrag von Versailles verbrieften Wirtschaftsrechte für eine informelle Vorherr-
schaft in Politik und Kultur auszunutzen, hier für eine weitere Verschärfung sorgte. Die
Bevölkerung an der Saar reagierte auf diese Herausforderung nicht nur mit einem demon-
strativen Bekenntnis zur deutschen Nation, sondern auch mit einem gesteigerten Patrio-
tismus, ein Prozeß, der durchaus gewisse Parallelen zur nationalen Geschichte Frank-
reichs des 19. Jahrhunderts hat, als Regionen wie z. B. Lothringen oder Savoyen ihr land-
schaftliches Selbstbewußtsein und ihre Eigenarten zugunsten einer Zugehörigkeit zur
französischen Volksgemeinschaft als einer Einheit von Menschen gleicher Sprache und
Kultur aufgaben. Die Schulen im Saargebiet haben in der Zeit des Völkerbundregimes
durch ihre betonte Treue zur deutschen Kultur das Nationalbewußtsein gestärkt, sie ver-
körperten in repräsentativer Weise die Empfindsamkeit der Bevölkerung gegenüber mög-
lichen Gefahren einer romanischen Überfremdung48.
Gleichwohl wäre das historische Urteil verkürzt, wenn man das politische und kulturelle
Leben an der Saar in der Zeit von 1920 bis 1935 nur im Sinne nationalstaatlicher Entwick-
lungslinien betrachten würde; denn es ließe den Tatbestand der „Geburt“ des Saarländers
außer acht. Auszugehen ist hier vom Friedensvertrag von Versailles, der das Land an der
Saar als „Saargebiet“ erstmals territorialpolitisch bestimmte. Geschaffen war damit eine
Grundlage für das Entstehen und Wachsen eines Zusammengehörigkeitsgefühls, das in
dem Empfinden einer Schicksalsgemeinschaft seinen Ausdruck fand und verbal bis zum
heutigen Tage in dem oft zu hörenden „Wir Saarländer“ oder dem „Drüben im Reich“
nachwirkt.
Im Rahmen dieses politschen Lebensraumes, der durch Fremdbestimmung geschaffen
wurde, erhielt nun die bis dahin nur im Süden bedingt als Zentrum anerkannte Stadt Saar-
46 Zu den Auseinandersetzungen über die Domanialschulen aus zeitgenössischer saarl. Sicht: G.
Fittbogen; siehe auch Denkschrift der III. Lehrerkammer (Im Quellen- und Literaturver-
zeichnis unter F). Ihr ist im Anhang eine umfangreiche Dokumentation angefügt; vgl. darüber
hinaus Notenwechsel (Beschwerdenoten der Reichsregierung an den Völkerbund (Im Quellen-
und Literaturverzeichnis unter B, II, 1.); P. A. Vogt (jur. Diss. der Universität Köln über die
schulrechtliche Situation). P. Zenner, Schule, S. 45 ff. Versuch einer ersten Zusammenfassung
mit einer statistischen Übersicht und einer Quellensammlung durch A. Floyer (Hrsg.). Eine
Wertung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg findet sich bei F. Bungarten, S. 33. Kurz-
darstellung bei M. Zenner, Parteien, S. 102 ff. Vgl. auch H.-W. Herrmann und G. W.
Sante, Saarland, S. 36 und P. Fischer, S. 29.
47 Siehe dazu W. Will, Sprachgeschichte u. W. Will, Junger Staat.
48 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 113.
32
brücken ihre Chance, sich zur Metropole des Saargebietes zu erheben.49 Sie gewann nun
schnell die Integrationskraft einer Landeshauptstadt, weil die bis dahin wirksam geblie-
benen sozialen und religiösen Schranken innerhalb der Saarbevölkerung an Wirkung ver-
loren. An Kraft verlor insbesondere der traditionelle Gegensatz zwischen städtisch evan-
gelischer und ländlich katholischer Bevölkerung. Freilich fiel der protestantischen Seite
die Anerkennung der Majorität des politischen Katholizismus innerhalb dieser neuen
Schicksalsgemeinschaft als Voraussetzung für diese Entwicklung nicht leicht50.
Gerade in der Zeit nach 1918, als sowohl die Frage nationaler Solidarität als auch die der
regionalen Findung gestellt war, wurden die geistigen Fundamente spürbar, die das Kul-
turleben dieses Raumes trugen. An erster Stelle stand die noch unerschütterte Autorität
der Kirchen, sichtbar in der regen Anteilnahme am religiösen Leben. Diese Verbundenheit
hatte ihre entsprechende Rückwirkung in der Politik, da sich die überwiegende Zahl der
Saarländer, gleichgültig ob katholisch oder evangelisch, in ihrem Wollen und Flandeln an
den Lehren ihrer Kirchen orientierte51. Dies galt vor allem in Fragen der Bildungspolitik.
Eng verknüpft mit der zentralen Stellung der Kirche in der saarländischen Gesellschaft ist
eine besondere Art der heimatlichen Identifizierung, die allerdings in katholischen
Kreisen stärker entwickelt war als in evangelischen. Ihre Wurzeln finden sich unter an-
derem in der hier anzutreffenden Verpflichtung, das öffentliche Leben im Sinne subsi-
diärer Ordnungsprinzipien zu gestalten. Dieses Suchen nach einer Heimat unverwechsel-
barer Prägung hat dazu geführt, daß das nationale Denken an der Saar auch in den Tagen
des Völkerbundregimes niemals in chauvinistische Haltungen abglitt.
3.3 Die Erfahrungen in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft
Die im Zeitraum von 1920 bis 1935 bewahrte geistige und politische Selbstbehauptung
der deutschen Bevölkerung im Saargebiet spiegelt sich im Abstimmungsergebnis vom 13.
Januar 1935 wider, als 90,76 % der gültig abgegebenen Stimmen für eine Rückgliederung
des Saargebietes an das inzwischen unter nationalsozialistischer Diktatur stehende
Deutschland ausgezählt wurden, ln welchem Maße die Saarbevölkerung sich der Ver-
quickung der Grundfrage „Rückkehr zum Deutschen Reich“ mit der Frage nach einem
Für oder Gegen das nationalsozialistische Regime bewußt war, darüber kann man eigent-
lich nur spekulieren. Allerdings gibt es einige Anhaltspunkte, die anzeigen, daß die über-
wiegende Mehrheit der Saarländer ihre Entscheidung aus nationalpolitischen Motiven
traf und dem Nationalsozialismus innerlich fernblieb: die Bedeutungslosigkeit der Natio-
nalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) bis in das Jahr 193 3 52, die taktische Verschla-
genheit der Nationalsozialisten, zu der sie sich gezwungen sahen, um an der Saar politisch
Einfluß zu gewinnen53, der nachgewiesene Einfluß kirchlicher Wahlempfehlungen auf das
Abstimmungsverhalten der Wahlberechtigten54, und schließlich auch die bemerkenswert 44
44 Zur Geschichte der Stadt Saarbrücken nach ihrer Einstufung als Großstadt im Jahre 1909 aus-
führlich H. W. Herr mann, Gedanken.
50 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 322 f.
51 Vgi. hierzu E. Straus, Gliederung, passim.
M. Zenner, Parteien, S. 205.
53 H.-W. Herrmann und G. W. Sante, Saarland, S. 39.
54 Ebenda, S. 39.
33
spannungsfreie Begegnung zwischen christlichen und jüdischen Bevölkerungskreisen im
Saargebiet bis 193555.
Auch der Widerstand einer an Zahl zwar kleinen, vom politischen Gewicht her aber be-
achtlichen Minderheit, die für die Erhaltung des Status quo kämpfte, indem sie sich für
eine fortgesetzte Gültigkeit des 15 Jahre alten Saarstatuts aussprach, spricht nicht gegen
die Feststellung, daß die Saarbevölkerung im Jahre 1935 fast ausschließlich eine nationale
Entscheidungsfrage beantwortet hat; denn die Position der Oppositionellen wurde nicht
von einem Widerstand gegen eine Rückkehr nach Deutschland beherrscht, sondern allein
von der Furcht vor einer Ausweitung der diktatorischen Gewalt des Nationalsozialismus
auf das Saargebiet56. Dabei kam es zu einer ungleichen Allianz zwischen einer von Links-
parteien gebildeten Union, deren zentrale Figur der Sozialdemokrat Max Braun57 war
und einer kleineren Gruppe der Zentrumspartei, die sich um den späteren saarländischen
Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann sammelte. Diese in sich indifferente politische
Minderheit, die mit Ausnahme der Kommunisten gemäß ihrer jeweiligen Überzeugungen
rechtsstaatliche Lebensformen an der Saar erhalten wollte, mußte nach 1935 größtenteils
emigrieren, sofern sie der Gefahr der politischen Verfolgung durch die Nationalsoziali-
sten entgehen wollte58. Eine beachtliche Zahl der Opponenten mußte die Flucht sogar
zum zweiten Mal antreten. Diese Tatsache ergab sich aus dem Umstand, daß das Saarge-
biet vom Jahre 1933 an zur Zufluchtsstätte für politisch Verfolgte in Deutschland ge-
worden war59. Die Kenntnis der saarländischen Emigrantenschicksale ist eine wesentliche
Voraussetzung für das Verständnis der politischen Willensbildung innerhalb der saarlän-
dischen Bevölkerung nach 1945, sie ist geradezu unentbehrlich, wenn man die Motive po-
litischen Verhaltens sozialdemokratischer Politiker an der Saar in der Nachkriegsphase
ergründen will; denn aus ihren Reihen rekrutierte sich mit Abstand das größte Kontingent
der von den Nationalsozialisten politisch Verfolgten60.
Richard Kirn, Emigrant und einer der profiliertesten sozialdemokratischen Politiker nach
dem Zweiten Weltkrieg in der Autonomiebewegung an der Saar, hat im Jahre 1976 die
tiefe Verdrossenheit seiner politischen Freunde über nationalstaatliche Solidaritäts-
formen in einem Rundfunkinterview so formuliert:
Die Grenzbevölkerung oder — Bevölkerungen, die leiden doch immer unter diesem
Wechsel. Wenn ich daran denke, ich bin als Preuße geboren, an der Saar. Dann gehörte
ich zum Protektorat der französischen Republik, 15 Jahre. Dann wurde ich staatenlos,
dann wurde ich Saarländer, saarländische Staatseigenschaft, dann wurde ich wieder Bun-
desdeutscher ..., ausgebürgert 1937, ..., mein Vermögen beschlagnahmt, weiß Gott wie
55 H.-W. Herrmann, Schicksal, S. 259 ff.
56 Dies räumt auch Schneider ein. H. Schneider, S. 30.
57 Vgl. D. M. Schneider, S. 481. Dort finden sich auch die Lebensdaten Brauns.
58 Vgl. hierzu die Untersuchung über saarländische Emigrantenschicksale von D. M. Schneider.
Herrmann hat dazu einen ergänzenden Beitrag vorgelegt, der die Besonderheiten der saarlän-
dischen Emigration sowie Hintergründe und zahlenmäßigen Umfang beleuchtet. H. - W. H e r r-
mann, Emigration und die Statistiken bei H.-W. Herr mann, Emigration, S. 378 ff. Relativ
ausführliche Lebensbeschreibungen der bekanntesten Saaremigranten finden sich bei W.
Röder und H. Strauss (Leitung und Bearbeitung).
s9 D. M. Schneider, S. 470.
60 Vgl. hierzu die „biographischen Notizen“ bei D. M. Schneider, S. 531 ff.
34
oft eingesperrt, alles das sind doch Dinge, die doch in einem Grenzgebiet zu denken
geben.61
Aber auch im Lager der bürgerlichen Parteien wie z. B. der Zentrumspartei, die sich, an-
gesichts der innenpolitischen Entwicklung in Deutschland und von dem Wunsch nach
einer Rückkehr ins Vaterland geleitet, bereits im Jahre 1933 veranlaßt sahen, in eine po-
litische Aktionsgemeinschaft mit den Nationalsozialisten, der sogenannten Deutschen
Front einzutreten, setzte nach der Abstimmung im Januar 1935 allmählich eine Rückbe-
sinnung auf überlieferte Lebenswerte ein. Vor allem christlich orientierte Politiker ge-
langten in zunehmendem Maße zu der Erkenntnis, daß zwischen ihnen und dem Natio-
nalsozialismus ein Gegensatz bestand, der aufgrund der dort herrschenden Rassenideo-
logie unüberbrückbar war. Je stärker ihnen diese weltanschauliche Frontstellung bewußt
wurde, desto größer wurde die Zahl derjenigen, die in eine innere Emigration auswichen.
Manche fanden sogar den Mut zum offenen Widerstand. Diese verfolgte Opposition ver-
bindet sich u. a. mit den Namen von Bartholomäus Koßmann und Pfarrer Franz Bun-
garten62. Der innere und äußere Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde zum
Ausgangspunkt für eine Renaissance regionalen politischen Denkens auf der Grundlage
christlicher Wertkategorien und heimatlicher Verwurzelung. Von 1920 bis 1935 war die
lokale Orientierung in der Politik durch die Bedrohung der Verbundenheit mit der deut-
schen Volksgemeinschaft in den Hintergrund gerückt, sie trat aber in dem Augenblick aus
ihrer Latenz hervor, als die nationalsozialistische Herrschaft in ihren nachteiligen bzw.
schrecklichen Folgen spürbar wurde. Neben der rigoros gehandhabten kommissarischen
Verwaltung des Saargebietes durch den Gauleiter Joseph Bürckei, der rücksichtslos
durchgedrückten verwaltungsmäßigen Verbindung mit der Pfalz und Lothringen in der
Zeit des Zweiten Weltkrieges, dem Verlust der Rechtsstaatlichkeit und den furchtbaren
Kriegsverwüstungen, war der Schulkampf des Jahres 1937 eine der wichtigsten Stationen
auf diesem Wege63.
Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen im Frühjahr 1937, als Bürckei, nachdem er
kurz zuvor die kirchlichen Jugendverbände verboten hatte, die Einführung der interkon-
fessionellen Gemeinschaftsvolksschule für die Pfalz und das Saargebiet ankündigte. Die
Bekenntnisschule sollte also aufgehoben werden. In Kreisen der inzwischen aufgelösten
Zentrumspartei, der bis zum Abstimmungskampf mit Abstand stärksten politischen
Kraft an der Saar64 und als solche erfahren und erprobt im Kampf um kirchliche Erzie-
61 W, Kern, S. 6.
62 Vgl. R. H. Schmidt, Bd. I, S. 171 und S. 173.
63 Vgl. hierzu P. Zenner, Volksschule.
64 Im Jahre 1932 erreichte das Zentrum bei den saarländischen Landratswahlen einen Stimmenan-
teil von 43,2 % und bestätigte damit ähnliche Wahlerfolge von 1922, 1924 und 1928. Es folgte
die Kommunistische Partei mit 23,1 % (!), die Sozialdemokraten mit 9,6 %, die Nationalsozia-
listen mit 6,7 % und die liberale Deutsch-Saarländische Volkspartei mit 6,6 %. Auffallend in der
saarländischen Wahlstatistik ist die starke Zunahme der Kommunistischen Partei im Zeitraum
von 1922 bis 1932 auf Kosten der Sozialdemokraten und der parallel zum Deutschen Reich
starke Rückgang der liberalen Parteien. Vgl. im einzelnen M. Zenner, Parteien, S. 335 (Anlage
35
hungsrechte im öffentlichen Schulwesen65, erkannte man sofort den taktischen Charakter
des Vorgehens. Während der Abstimmungsphase hatten die Nationalsozialisten gegen-
über den Vertretern des politischen Katholizismus „ausdrücklich die Erhaltung der kon-
fessionellen Schule zugesagt“66. Mit dem Wortbruch des Jahres 1937 wurde der Mehr-
zahl katholisch orientierter Politiker allmählich bewußt, daß für die Nationalsozialisten
die von nationalen Gefühlen begleitete Rückkehr zum Deutschen Reich kein Hinderungs-
grund war, von der rücksichtslosen Durchsetzung der eigenen ideologischen Positionen
Abstand zu nehmen, um ihre Machtziele durchsetzen zu können67. Ernüchterung hinter-
ließ der Schulkampf auch in protestantischen Kreisen. Zwar hielt sich die Evangelische
Kirche weitgehend aus dem Schulstreit heraus, weil sie in dieser Frage im Vergleich zur
Katholischen Kirche schon immer wesentlich weniger nachdrücklich aufgetreten war68,
dennoch verstärkten die Auseinandersetzungen auch bei vielen evangelischen Bürgern die
Aversionen gegenüber dem Nationalsozialismus, die seit den erbitterten Kämpfen zwi-
schen der Bewegung Deutsche Christen und den Anhängern der Bekennenden Kirche
auch im Saargebiet grundgelegt worden waren69.
Die Verbundenheit mit der deutschen Volksgemeinschaft, die in den Jahren vor der natio-
nalsozialistischen Herrschaft im Saarland auch in katholischen Kreisen selbstverständlich
gewesen war, erfuhr durch die Begleitumstände des Schulkampfes, der sich im Laufe des
Jahres 1937 auf das gesamte Reichsgebiet ausweitete und bis 1945 spürbar blieb, eine
tiefe Erschütterung. Vor allem die Verletzung religiöser Gefühle durch Angriffe auf das
tägliche Schulgebet und durch die Entfernung von Kruzifixen aus den Klassenzimmern,
die personellen Säuberungsaktionen gegen Oppositionelle in der Schulverwaltung und
Schulaufsicht sowie im Bereich der Schulleitungen, die Behinderung des Religionsunter-
richts an berufsbildenden Schulen, die Angriffe auf das kirchliche Privatschulwesen, die
Verleumdungen und Beleidigungen kirchlicher Würdenträger durch nationalsozialisti-
sche Parteigänger, alles dies hat dazu beigetragen, die relativ zarte Pflanze nationalen
65 Seit Bestehen des Zentrums war die Schulpolitik für diese Partei des politischen Katholizismus
ein vorrangiges Thema gewesen, wobei sie sich entschieden gegen den Abbau des Konfessionali-
tätsprinzips im öffentlichen Bildungswesen wandte. G r ü n t h a 1 hat diese Grundsatzhaltung des
Zentrums im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Reichsvolksschulgesetz zur
Zeit der Weimarer Republik nachgewiesen. Diese Wertung trifft auch für das saarländische Zen-
trum zu, da es aufgrund seiner engen Bindung an die Mutterpartei und in seinem Willen, deutsche
Schultraditionen zu verteidigen, Anteil an den bildungspolitischen Entscheidungen im Reich
nahm. Vgl. G. Grünthal, passim. Näheres zur schulpolitischen Rolle des Katholizismus in der
Vergangenheit in dieser Arbeit auf S. 147 ff.
66 F.Jacoby, Herrschaftsübernahme, S. 197.
67 In diesem Zusammenhang sei die Einrichtung einer Nationalpolitischen Bildungsanstalt in St.
Wendel (Pfalzburg) für den NS-Gau Saarpfalz bzw. Westmark angemerkt.
68 Vgl. G. Niemeier, S. 65.
69 Vgl. im einzelnen F. Jacoby, Kirche, S. 279 ff.
36
Denkens innerhalb des an der Saar politisch dominierenden Katholizismus in ihrem
Wachstum empfindlich zu stören70.
Ihre weitere Entkräftigung erfolgt im Laufe des Zweiten Weltkrieges, als die fanatische
und chauvinistische Politik des Nationalsozialismus mit einer Katastrophe bis dahin nicht
gekannten Ausmaßes endete. Sie sollte gerade dem Saargebiet ein relativ hohes Maß an
persönlichen und materiellen Opfern abverlangen, da dieser Raum schon früh den Bom-
bardements westlicher Luftstreitkräfte ausgesetzt war und von November 1944 bis März
1945 heftige Kämpfe der Landstreitkräfte erlebte. Entsprechend waren die Verluste an
Schulgebäuden und Unterrichtsinventar. Das saarländische Bildungswesen stand damit
ebenso wie das Bildungswesen in den stark durch Kriegseinwirkungen in Mitleidenschaft
gezogenen Industriegebieten im Westen Deutschlands vor einem schweren Anfang. Bevor
die nun notwendige Darstellung der zu Beginn der Nachkriegszeit vorhandenen Bildungs-
strukturen an der Saar gegeben wird, sei die wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aus-
gangslage zusammengefaßt und in ihren Wirkungen auf das saarländische Bildungswesen
beleuchtet:
1. Die Industrialisierung war an der Saar im Jahre 1945 verhältnismäßig weit vorange-
schritten. Grundlage der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung war die Schwerin-
dustrie. Daneben gab es eine beachtliche keramische Industrie71. Der hohe Bedarf an
Fachkräften hatte seine entsprechenden Rückwirkungen auf die Bildungsbedürfnisse
des Landes.
2. Das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben an der Saar zeigt ein uneinheitliches
Erscheinungsbild, wobei vor allem der Gegensatz zwischen dem agrarisch struktu-
rierten und wesentlich geringer besiedelten Norden und dem stark urbanisierten und
industrialisierten Süden ins Auge fällt. Diese Unausgeglichenheit spiegelt sich natür-
lich auch in der Struktur des öffentlichen Bildungsangebots wider. Die Konzentration
der Arbeitsplätze im Süden hatte zur Lolge, daß sich hier ein dichteres Netz an weiter-
führenden Schulen im allgemeinbildenden Bereich und die überwiegende Zahl der Be-
rufs- und Berufsfachschulen befand.
3. In der Landeshauptstadt Saarbrücken, aber auch in den Klein- und Mittelstädten mit
Tradition, wohnten im Jahre 1945 starke gesellschaftliche Mittelschichten. Sie
wurden von einem Bürgertum getragen, das sich in seinen Interessen auf die gewerb-
liche Wirtschaft, die freien Berufe und die behördliche Verwaltung ausrichtete und
70 Die Einzelheiten des Schulkampfes zwischen der Katholischen Kirche und dem Nationalsozia-
lismus innerhalb der Diözese Trier, zu der der ehemals preußische, also weitaus größte Teil des
Saargebietes gehörte, sind in den Tagebuchaufzeichnungen des Trierer Generalvikars von Meu-
rers festgehalten. BA Trier, Abt. 105, Chronik des Bistums Trier 1937—1942. Vgl. dort insbeson-
dere S. 7 ff., S. 45 {., S. 86, S. 94, die Anlage auf den SS. 137,1 bis 137,11 und die Anlage auf den
SS. 210 b bis 210 e.
Der Quellennachweis über die Behinderung des Religionsunterrichts in Berufsschulen findet sich
im BA Speyer, Bestand der Registratur 14/8. Abzüge eines Schriftwechsels zwischen dem Bischof
von Münster Clemens August Graf von Galen und dem Regierungspräsidenten von Münster.
Eine kurzgefaßte Darstellung der Auseinandersetzungen über Einzelheiten des saarländischen
Schulkampfes bei F. Jacoby, Herrschaftsübernahme, S. 197 ff. Zur Kirchenpolitik des natio-
nalsozialistischen Gauleiters Bürckel allgemein F. Pauly, S. 414 — 453. Weitere Quellen zum
Schulkampf in der Pfalz und im Saarraum finden sich bei H. Prantl. Vgl. dort insbesondere S.
158 ff.
1 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die ehemals im Saarraum recht bedeutsame Glas-
industrie. Sie ist heute fast verschwunden. Vgl. hierzu W. Lauer.
37
damit für Bildung besonders motiviert war. Das allgemein im damaligen Deutschland
bestehende Bildungsgefälle zwischen „Stadt“ und „Land“ war also auch an der Saar
spürbar.
4. Im Saargebiet konnte sich bis zum Jahre 1945 ein historisch gewachsenes territorialpo-
litisch orientiertes Bewußtsein nicht entwickeln. Eine wichtige Ursache für diese Tat-
sache war die bis in die Tage des Völkerbundregimes andauernde und gewollte soziale
und kulturelle Abgrenzung zwischen der evangelischen Bevölkerung des ehemaligen
Fürstentums Nassau-Saarbrücken und der vornehmlich in den angrenzenden Land-
kreisen ansässigen katholischen Bevölkerung72. Die dadurch im Saargebiet begün-
stigte starke Bindung an alte Territorien hatte ihre entsprechende Rückwirkung auch
auf die kulturelle Entwicklung. Wenn die lokale Orientierung im Laufe des 19. Jahr-
hunderts infolge der Zugehörigkeit zu den großflächigen Staaten Preußen und Bayern,
durch den Wandel vom Bauernland zur Industrieregion und dann vor allem durch die
nationalstaatliche Organisation Deutschlands auch an Kraft verlor, so blieb das Kul-
turleben im Saarraum dennoch stark den Gedankenkreisen von Heimat und
Brauchtum verpflichtet. Der Bedacht auf Tradition und Stetigkeit erwies sich für die
wirtschaftliche und soziale Entwicklung zwar als vorteilhaft, er hemmte aber im Bil-
dungsbereich jenen Fortschritts- und Aufstiegswillen, der notwendig gewesen wäre,
um eine ausreichende Zahl einheimischer Führungskräfte in Wirtschaft und Verwal-
tung zu erreichen.
5. Von 1920 bis 1935 erlebte das Saargebiet einen spürbaren Aufschwung seines Kultur-
lebens, der sich auch auf die schulische Situation förderlich auswirkte, insbesondere
im berufsbildenden Bereich.
6. Zweimal stand die Schule an der Saar im Brennpunkt der Politik. Der Streit um die Do-
manialschulen und den fakultativen französischen Sprachunterricht im Bereich der
Volksschule zeigte, daß sich die saarländische Bevölkerung mit ihrem deutschen Va-
terland und seiner Kultur eng verbunden fühlte, der Schulkampf des Jahres 1937 be-
legt nicht nur die Abwehrbereitschaft der Saarbevölkerung gegenüber den glaubens-
feindlichen Bestrebungen des Nationalismus im Bildungsbereich, sondern zugleich
auch den Rückhalt, den eine kirchenfreundliche Schulpolitik im damaligen Saarland
hatte.
3.4 Saarländische Bildungsstrukturen nach dem Kriege
Es folgt nun die Darstellung der Strukturen des öffentlichen Bildungswes^ns an der Saar
zu Beginn des hier anstehenden Untersuchungszeitraumes. Zur Sprache kommen dabei
auch das Schulrecht und die besondere Rolle der katholischen Kirche und des politischen
Katholizismus in Schulfragen. Auf eine Einordnung der Sachverhalte in bildungspoliti-
sche Entscheidungsprozesse wird allerdings in diesem Kapitel noch verzichtet.
Wenn im folgenden vornehmlich auf Zahlen aus den Jahren 1950 und 1951 zurückge-
griffen wird, so geschieht das vornehmlich aus dem Grunde, weil erst zu diesem Zeitpunkt
eine weitgehende Normalisierung der schulischen Situation eingetreten war. Die Werte
der Jahre 1950 und 1951 geben aus diesem Grunde zuverlässigere Auskünfte als Angaben
72 Vgl. hierzu D. Bettinger.
38
aus Jahren davor. Da es zudem zwischen 1945 und 1950 einen spürbaren Wandel im
Schulischen in Deutschland nicht gegeben hat, können die Stichjahre 1950 und 1951
durchaus als repräsentativ für die Bildungsstrukturen der Nachkriegszeit genommen
werden.
Im Jahre 1951 besuchten im Saarland rund 50000 Schüler die Volksschule in den Jahr-
gängen 5 bis 873. Dieser Zahl standen zum gleichen Zeitraum 6323 Gymnasiasten und
1205 Mittelschüler der entsprechenden Schuljahre gegenüber74. Rein rechnerisch ergibt
das ein Verhältnis von 86,9 % : 11,0 % : 2,1 %. Für die Bundesrepublik lauteten die ent-
sprechenden Werte für das Jahr 1950 87,9 % : 9,1 % : 3,0 %75. Die Schülerstatistik zeigt
also, daß sich das allgemeinbildende Schulwesen an der Saar strukturell von dem in der
Bundesrepublik kaum unterschied. Diese Aussage trifft auch auf den sogenannten Stadt-
Land-Gegensatz zu, der hier mit Blick auf die stark unterschiedliche Nachfrage hinsicht-
lich des Besuchs weiterführender Schulen erwähnt werden muß. Während die Stadt Saar-
brücken laut Statistik auf 10000 Einwohner 880 Volksschüler zählte, kamen die Land-
kreise im Schnitt auf etwa 1250 Volksschüler je 10000 Einwohner76. Spürbar war an der
Saar auch das in Deutschland traditionelle Bildungsdefizit der Katholiken. Das Ausmaß
dieses Ungleichgewichts wird deutlich, wenn man die Zahl der Volksschüler mit derje-
nigen der Oberschüler differenziert nach dem religiösen Bekenntnis gegenüberstellt.
Dieses Verhältnis lautete für die katholischen Schüler 93 : 7 gegenüber 88 : 12 bei den
evangelischen77. Das Bildungsgefälie zwischen Katholiken und Protestanten wurzelte
auch an der Saar zum Teil in der Reserviertheit katholischer Bevölkerungskreise gegen-
über neuzeitlichen Bildungszielen und die sie tragenden säkularisierten Effizienzauffas-
sungen. Es speiste sich aber vor allem aus der Tatsache, daß die vorwiegend im urbanen
Süden beheimatete protestantische Einwohnerschaft erheblichen Anteil an jenem Bür-
gertum im Saarland hatte, das aufgrund seiner auf Rationalität und Leistung bedachten
Verhaltensweisen schon damals Zugang zu den aus humanistischen Idealen und verwelt-
lichten ethischen Auffassungen geborenen pädagogischen Strömungen der Neuzeit und
ihren Bildungszielen gefunden hatte.
Die Mittelschule konnte im Saarland bis in die Zeit, die hier zur Untersuchung ansteht,
nur bedingt Fuß fassen. Lediglich zwei Schulen dieser Art, beide unmittelbar nach dem Er-
sten Weltkrieg gegründet und in Saarbrücken beheimatet, existierten im Jahre 1951. Die
relativ geringe Präsenz der Mittelschule im Saargebiet überrascht, wenn man weiß, daß
gerade diese Schulart an der Saar im Zuge des allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen
Fortschritts starke Impulse durch die pädagogische Reformbewegung der zwanziger
73 Statistisches Handbuch, Saarland 1955, S. 254. Die damalige Volksschule war in 8 Jahrgängen
gegliedert.
74 Statistisches Handbuch, Saarland 1955, S. 254.
75 Statistisches Handbuch, Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 60 ff. Für das Jahr 1951 werden
dort keine Angaben gemacht.
6 Errechnet nach Angaben des Statistischen Handbuchs (Saarland 1952), S, 212. Für die Bundes-
republik lautet die entsprechende Vergleichszahl 1344. Der Wert für die Landkreise wird hier
sogar mit 1471 angegeben. Statistisches Handbuch (Bundesrepublik Deutschland), S. 60.
1951 gab es im Saarland 86408 katholische Volksschüler und 26473 evangelische. Ihnen
standen 6 147 katholische und 3283 evangelische Gymnasiasten gegenüber. Nach Statistischem
Handbuch (Saarland 1955), S. 255 und S. 257.
39
Jahre empfing78. Das saarländische Sonderschulwesen bot im Jahre 1951, wie Sander er-
mittelt hat, ein ebenso tristes Bild wie in der Bundesrepublik79. Es erfaßte mit seinen 519
Schülern in 18 Klassen nur einen Bruchteil der lernhilfebedürftigen saarländischen
Kinder80. Ähnlich unbefriedigend war auch die Situation der Kindergärten. Sie konnten
im Jahre 1951 nur 11212 Kinder der 38530 Drei- bis Sechsjährigen Platz bieten81.
Im Bereich der beruflichen Bildung war aufgrund der wohlwollenden Unterstützung
durch Regierungskommission, Parteien und Wirtschaft ein relativ gut ausgebautes Sy-
stem schon in den Jahren von 1920 bis 1935 grundgelegt worden, das sich schon bald in-
folge ständig wachsender Bildungsbedürfnisse in einen gewerblichen, hauswirtschaftli-
chen und kaufmännischen Sektor aufteilte. Im Jahre 1951 wurden an der Saar 38 141
Schüler an den berufsbildenden Schulen unterrichtet. Davon waren 15015 der gewerbli-
chen, 15 843 der hauswirtschaftlichen und 7284 der kaufmännischen Abteilung zuge-
ordnet82. Damit besuchten schätzungsweise83 rund 90 % der aus der Volksschule kom-
menden Jugendlichen im Saarland eine öffentliche Berufsschule, die übrigen dürften in-
nerhalb von Handels-, Fach- und Betriebsschulen speziell auf ihren Beruf vorbereitet
worden sein84. Wie in der Bundesrepublik so unterschied man auch im Saarland in der un-
mittelbaren Nachkriegszeit noch streng zwischen Allgemein- und Berufsbildung. Die pri-
märe Aufgabe der Berufsschule sah man in der Steigerung der beruflichen Leistungsfähig-
keit. Besonders deutlich zeigte sich das in der gewerblichen Berufsausbildung, wo am
Kern der betrieblichen Ausbildung strikt festgehalten wurde und der Berufsschule nur
eine begleitende Bildungsaufgabe zugewiesen wurde. Ein System von Aufbau- und För-
derklassen, das die Möglichkeit zu weiterführenden beruflichen oder schulischen Quali-
fikationen geboten hätte, blieb vorerst nur auf den kaufmännischen Sektor beschränkt.
Im Jahre 1947 war das Saarland noch immer eine Region ohne Universität und höhere
Fachschulen in staatlicher Trägerschaft. Saarländer, die eine qualifizierte Bildung er-
strebten, mußten sozusagen „außer Landes“ gehen, um ihre Studien betreiben zu können.
Ebenso bedeutsam wie die Bildungsstrukturen, die hier lediglich im Sinne einer Bestands-
aufnahme vorgestellt werden, sind für diese Untersuchung Auskünfte über das Schulrecht
und den besonderen Einfluß der katholischen Kirche und des politischen Katholizismus
in Bildungsangelegenheiten. Die Kontinuität des deutschen Schulrechts blieb in der Zeit
des Völkerbundregimes gewahrt, wenn man einmal von der Reform der Volksschulfinan-
zierung, die die Regierungskommission hinsichtlich der Trägerschaft der Personalkosten
in Abweichung vom preußischen Volksschulunterhaltungsgesetz aus dem Jahre 1906 re-
gelte, und von der Einführung einer zentralen Schulaufsicht durch die Direktion für
78 Vgl. hierzu die Untersuchung von Chr. Roger über die Saarbrücker Cecilienschule und ihres
Gründers Franz-Joseph Niemann.
79 A. S a n d e r, S. 190 ff.
80 Statistisches Handbuch (Saarland 1952), S. 211.
81 Errechnet nach Angaben des Statistischen Handbuchs (Saarland 1955), S. 23 und S. 262.
82 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 254 und 258 f.
83 Die Gesamtzahl berufsschulpflichtiger Schüler ist in der Statistik nicht ausgeworfen, so daß die
Relation zu der Zahl der saarländischen Volksschüler des Jahres 1951 schätzungsweise ermittelt
werden mußte.
84 So sind die 60 Bergschulen, die 3 Industrie- und 4 Eisenbahnschulen, die S t r a u s in einem Beitrag
der französischen Zeitschrift „L’enfant et nous“ aufzählt, in der Statistik nicht nachgewiesen. E.
Straus, situation, ohne Seitenangabe.
40
Kultus und Schulwesen absieht85. Im allgemeinen wurden die schulgesetzlichen Reform-
bestimmungen des Deutschen Reichs oder der Länder im Saargebiet übernommen86. So
entsprach die Verordnung der Regierungskommission über die Aufhebung der geistlichen
Ortsschulinspektion vom 24. 5. 1921 inhaltlich weitestgehend den Bestimmungen des
preußischen Ministerialerlasses vom 27.11.1918 und dem Gesetz vom 18 . 6.19 1 987. Das
Berufsschulrahmengesetz vom 8. Juli 1927 folgte in seinen Ausführungen im wesentli-
chen dem preußischen Berufsschulgesetz und „wo sie (sic) über dieses Gesetz hinausging,
folgte sie (sic) dem badischen Gesetz“88. Auch die zusätzliche Differenzierung der höheren
Schulen an der Saar Ende der zwanziger Jahre zugunsten der Deutschen Oberschule und
Aufbauschule geschah in Anlehnung an die in Preußen durchgeführte Reform, die dort
unter der maßgeblichen Beteiligung des Ministerialrats Hans Richert im preußischen Kul-
tusministerium zustandekam.
Das Laufbahnrecht einschließlich Besoldung der Lehrer aller Schularten blieb deutschen
Traditionen angepaßt. Dies wird nicht nur durch die umfassende Gültigkeit der preußi-
schen Prüfungsordnungen für saarländische Lehrer unterstrichen89, sondern auch durch
die Übernahme der preußischen Volksschullehrerbildungsreform, die der damalige preu-
ßische Kultusminister Carl Heinrich Becker im Rückgriff auf den Verfassungsauftrag
nach Artikel 143 in Verbindung mit Artikel 10 Reichsverfassung in Anlehnung an das von
Eduard Spranger entwickelte Konzept der Bildnerhochschule in viersemestriger Form
durchsetzte. Wenn auch die Reform der Volksschullehrerbildung keinen institutionellen
Niederschlag in Form der Errichtung einer Pädagogischen Akademie im Saargebiet ge-
funden hatte und die Akademisierung des Lehrerberufes im Bereich der Volksschule im
Laufe der nationalsozialistischen Herrschaft generell wieder aufgehoben wurde90, so war
für die saarländische Volksschullehrerschaft eine im akademischen Rahmen organisierte
Lehrerbildung auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein bleibendes Ziel.91
Ein Charakteristikum des saarländischen Bildungswesens war und blieb seine kirchen-
freundliche Ausrichtung. Die relativ starke Stellung der Kirchen im Schulbereich erklärt
sich einerseits aus der Beteiligung des Saargebiets an der preußischen bzw. bayerischen
Bildungsgeschichte bis 1918 und andererseits aus der besonders starken konfessionellen
Bindung der saarländischen Bevölkerung, die auch in den Jahren zwischen 1918 und 1945
85 Vgl. hierzu P. Westhoff, S. 172. Siehe auch M. Zenner, Parteien, S. 101.
86 Vgl. P. Zenner, Volksschule.
87 P. Westhoff, S. 172.
88 M. Zenner, Parteien, S. 109.
89 Ebenda, S, 113 f.
90 Im Jahre 1936 wurde in Saarbrücken eine sogenannte Hochschule für Lehrerbildung einge-
richtet. Sie wurde im Zuge der ersten Evakuierung im Herbst 1939 geschlossen. Im Laufe des
Zweiten Weltkrieges (vom Jahre 1941 an) wurden alle Hochschulen für Lehrerbildung auf Wei-
sung Hitlers in sogenannte Lehrerbildungsanstalten umgewandelt. Deren Zahl belief sich reichs-
weit auf 260. Für das Saargebiet kamen nunmehr folgende Einrichtungen in Betracht: Metz-
Montenich (für Jungen), Metz-Moltkestr. (für Mädchen), Kaiserslautern (je eine Anstalt für
Jungen und Mädchen), Speyer (je eine Anstalt für Jungen und Mädchen), Saarburg/Lothringen
(für Jungen), Sierk (für Mädchen), Siersthal/Lothringen (für Mädchen). Die Lehrerbildungsan-
stalten waren internatsmäßig eingerichtet. Aufnahmeberechtigt waren begabte Volksschüler, die
vom Schulrat für die Lehrerausbildung vorgeschlagen und vorab in sogenannten Ausleselagern
auf den Besuch einer Lehrerbildungsanstalt vorbereitet worden waren. Ein solches Ausleselager
befand sich in Tholey.
91 Vgl. H. Küppers, Kath. Lehrerverband, S. 47 ff.
41
einer Säkularisierung im Schulischen nur wenig Raum gab. Bekenntnisschule und konfes-
sionelle Volksschullehrerbildung, die Zulässigkeit der einklassigen Volksschule im Sinne
des Begriffs „geordneter Schulbetrieb“92, Religion als ordentliches Lehrfach im Bereich
der weiterführenden und berufsbildenden Schulen sowie ein Elternrecht, das ganz auf die
katholische Vorstellung von der Pflicht der Eltern zur religiösen Erziehung ihrer Kinder
zugeschnitten war, blieben an der Saar ungeachtet der kirchen- und glaubensfeindlichen
Maßnahmen der Nationalsozialisten im Bildungsbereich von der Bevölkerung mehrheit-
lich bejahte schulrechtliche Positionen. So blieb das Saargebiet auch völlig von den leiden-
schaftlichen Auseinandersetzungen um die konfessionelle Volksschule und das Eltern-
recht verschont, wie sie in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik ausgetragen
worden sind93.
Verantwortlich für die konfessionsgebundene bildungsrechtliche Situation an der Saar
war in erster Linie der politische Katholizismus, dessen schulpolitischer Gestaltungswille
von der Zentrumspartei verkörpert wurde, die im Saarraum stets eine Vorherrschaft be-
haupten konnte. Die Folge war, daß im öffentlichen Schulleben an der Saar in besonderer
Weise Grundsätze katholischer Pädagogik respektiert wurden, wie sie im Codex juris ca-
nonici94 und in der päpstlichen Erziehungsenzyklika Divini illius magistri95 aus dem Jahre
1929 kirchenrechtlich definiert worden sind. Die fundamentale Bedeutung der Religion
und die bevorzugte Rechtsstellung der Kirche im öffentlichen Erziehungsbereich blieben
darum auch in der Zeit des Völkerbundregimes unangetastet.
Begünstigt durch die überlieferten und sehr stark ausgeprägten sozialen, wirtschaftlichen
und geistig-kulturellen Gegensätze zwischen Stadt und Landbewohner, der religiöskirch-
lichen und heimatlichen Verwurzelung einer deutlichen Mehrheit der saarländischen Be-
völkerung und dem Hang weiter Schichten, im Rahmen ständischer und autoritärer Wert-
kategorien zu entscheiden, fanden Gedanken wie die der volkstümlichen Bildung an der
Saar verbreitet Anklang. Diese Bildungstheorie, die von der Annahme einer vertikalen
Schichtung der Bevölkerung ausging, um zwischen einer wissenschaftlich orientierten
gymnasialen Schulbildung und einer „volkstümlich“ verstandenen Bildungsaufgabe der
Volksschulen zu unterscheiden, ist in ihrer Wirkung im saarländischen Erziehungsleben
bis weit in die fünfziger Jahre nachweisbar, zumal diese pädagogische Richtung96 starken
Rückhalt in den subsidiären Gedankenkreisen katholischer Soziallehren fand.
Im Jahre 1945 stand, wie überall in Deutschland, auch das öffentliche Schulwesen an der
Saar vor einem schweren Anfang. Zerstörte Schulhäuser, die unmittelbare Erfahrung
doktrinär verordneter Bildungsarbeit im Sinne der apädagogischen biologistischen Erzie-
92 Noch im Jahre 1954 waren von 584 Volksschulen im Saarland 117 ungeteilt (einklassig) und 129
zweiklassig. Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 255.
93 Heftig umstritten war vor allem die Auslegung des Artikels 143 (Lehrerbildung) und des Artikels
146 Absatz 2 (Gliederung des Volksschulwesens) Reichsverfassung, weil ihre sibyllinische For-
mulierung den Parteien hinreichend Gelegenheit bot, ihre weltanschaulich begründeten Gegen-
sätze in Schulfragen abweichend vom Sinngehalt der vereinbarten Verfassungsnormen zu ver-
treten, ohne die in der Verfassung gewollte Übereinstimmung der kontroversen Auffassungen an-
zustreben.
Vgl. hierzu auch P. Westhoff, S. 171 ff.
94 Der Codex juris canonici wurde zu Pfingsten 1917 verkündet und trat ein Jahr später in Kraft.
95 Deutscher Titel: Über die christliche Erziehung. Vgl. hierzu die Ausgabe (zweisprachig) von R.
Peil, S. 33 ff. Auszugsweise abgedruckt bei G. Giese, S. 247 f.
96 Vgl. hierzu W. Hinrichs, S. 57 —74.
42
hungslehren des Nationalsozialismus, eine belastete, verunsicherte oder vor dem Ge-
wissen vergewaltigte Lehrerschaft und eine ungewisse Zukunft ließen nur geringe Hoff-
nungen auf einen neuen besseren Anfang zu. An der Saar mußte man zudem, wie schon
nach dem Ersten Weltkrieg, mit einem erneuten Versuch Frankreichs rechnen, sich dieses
wichtigen Industriegebietes zu bemächtigen. Dabei konnte man pauschal von den na-
tional motivierten Entschädigungs- und Sicherheitsinteressen dieses Landes ausgehen. In
welchem Umfang aber und vor allem in welcher Weise es sie im Rahmen seiner Deutsch-
landpolitik wahrnehmen würde, darüber konnte man an der Saar vorerst nur spekulieren.
Ungewiß war damit auch die Zukunft der saarländischen Schule. Würde sie im Falle einer
möglichen Annektion zur Etablierung und Stabilisierung entsprechender französischer
Herrschaftsansprüche beitragen müssen? Oder begnügte sich Frankreich mit einer infor-
mellen Gegenwart an der Saar, um seine Interessen zu wahren? Dann würde die saarlän-
dische Schule die Chance haben, ihren deutschen Charakter zu bewahren und als solche
am Neuaufbau einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung mitzuwirken. Um
solche Fragen zu beantworten, ist es notwendig, generell einmal die bildungspolitischen
Zielsetzungen Frankreichs als mitverantwortliche Siegermacht im Saarland und in
Deutschland zu analysieren. Ihre nähere Bestimmung, die in erster Linie den bildungspo-
litischen Gestaltungswillen bis zum Jahre 1947 darstellen will und weniger seine Auswir-
kungen auf die schulische Praxis, klärt für diese Untersuchung zwei Positionen. Ermittelt
wird erstens der Stellenwert der französischen Bildungspolitik im Rahmen ihrer Besat-
zungspolitik, und zweitens, welchen Inhalt und Charakter sie gehabt hat. Wesentlich
wäre natürlich dann die Ermittlung unterschiedlicher bildungspolitischer Entwicklungen
im Bereich der französischen Besatzungszone und dem Saarland, um von hier aus Hin-
weise auf die tatsächlich verfolgten Ziele Frankreichs an der Saar zu erhalten.
4. Die Vorgaben der französischen Bildungspolitik
in Deutschland von 1945 - 1947
4.1 Der Stellenwert der Bildungspolitik in der Deutschlandkonzeption Frankreichs
Die französische Bildungspolitik, die im Südwesten Deutschlands einschließlich des Saar-
landes in den Jahren nach 1945 bis etwa 1949 wirksam wurde, ist in ihren Zielsetzungen
und Maßnahmen insbesondere von folgenden Prämissen her zu beleuchten:
erstens von den Sicherheits- und Entschädigungsinteressen Frankreichs im Rahmen
seiner Deutschlandpolitik,
zweitens dem Deutschlandbild, das der französischen Öffentlichkeit und Politik nach
1945 bewußt und damit wirksam war und
drittens von den außen- und innerpolitischen Zwängen, die den französischen Gestal-
tungswillen hinsichtlich des öffentlichen Bildungswesens in den besetzten Ge-
bieten beeinflußten.
Die französische Außenpolitik der Nachkriegszeit unter General de Gaulle, in ihrer
Grundhaltung konsequent auf die Anerkennung als vierte Groß- und Siegermacht des
Zweiten Weltkrieges angelegt97, knüpfte, durch diesen Anspruch bedingt, an frühere Tra- 9
9 Vgl. im einzelnen G. Ziebura, Beziehungen, S. 39 ff; W. Lipgens, Etappen, S. 193 ff. u. W.
Lipgens, Einigungspolitik, S. 193 ff; E. Weisenfeld, S. 21 ff; H. P. Schwarz, S. 179 ff.
43
ditionen französischer Deutschlandpolitik an. Für de Gaulle, bis Januar 1946 die Verkör-
perung der legislativen und exekutiven Gewalt und in seiner Eigenschaft als oberster Be-
fehlshaber der Streitkräfte mit einer außerordentlichen Machtfülle ausgestattet, war die
deutsche Frage „le problème central de l’univers“98. Seine große Besorgnis erklärt sich
vornehmlich aus der Erfahrung von drei kriegerischen Auseinandersetzungen, die es im
Zeitraum zweier Generationen zwischen beiden Ländern gegeben hatte. Beeindruckt war
de Gaulle aber auch von den irrationalen und intoleranten Lehren der Action française,
die als Bewegung des rechtsgerichteten französischen Nationalismus unter Berufung auf
die wissenschaftlich nicht zu fassenden Thesen von den gegensätzlichen Nationalcharak-
teren und der Erbfeindschaft beider Völker eine naturgegebene deutsch-französische Ri-
valität propagierte. Überzeugt von Frankreich als der ersten und eigentlichen Nation ver-
focht er darum konsequent und unbeirrt eine Deutschlandkonzeption, die von der für un-
abdingbar gehaltenen Eliminierung der deutschen Gefahr ausging. Sicherheit und Wie-
dergutmachung waren darum nach 1945 zwangsläufig die Prioritäten des stark kriegsge-
schädigten Frankreichs in seiner Deutschlandpolitik99, die dann, getragen von einer
breiten Öffentlichkeit, in konkrete Forderungen einmündeten, - wie: Internationalisie-
rung des für die wirtschaftliche und kriegerische Kraft Deutschlands ausschlaggebenden
Ruhrgebiets, politische Dezentralisierung des Deutschen Reiches unter der Vorbedingung
der Abtrennung bzw. Eigenstaatlichkeit des Rheinlandes und möglichen Annexion des
Saarlandes100. Die französische Politik nach 1945, unter de Gaulle natürlich weitaus ent-
schiedener als in der Zeit der Vierten Republik, suchte also, befangen durch ihre Orientie-
rung an nationalstaatliche Wertkategorien, endgültig den politischen Druck zu besei-
tigen, dem sie seit der preußischen Gegenwart am Rhein und erst recht seit der national-
staatlichen Einigung Deutschlands ausgesetzt war und den sie stets als Sphinx der franzö-
sischen Sicherheit und Existenz empfand. Dabei gedachte Paris nicht nur machtpolitisch
vorzugehen, sondern es setzte auch auf den in den linksrheinischen Gebieten Deutsch-
lands lebendig gebliebenen politischen Selbstbehauptungswillen gegenüber dem zentral-
staatlichen Preußen, dem Frankreich in Kalkulation der bitteren Erfahrungen, die das
deutsche Volk infolge des Zweiten Weltkrieges machen mußte, und angesichts der dü-
steren Zukunftsaussichten für Deutschland nunmehr wesentlich größere Chancen ein-
räumte als nach dem aus französischer Sicht eingetretenen Patt101 zwischen Deutschland
und Frankreich im Rahmen der europäischen Friedensordnung der Zwischenkriegszeit.
Frankreich nahm darum die nach dem Ersten Weltkrieg gescheiterte Politik der wohlwol-
lenden Unterstützung separatistischer Bestrebungen im linksrheinischen Raum wieder
auf.
98 K. Altmeyer, „Saardiözese“, S. 268.
99 Dieses Motiv betont vor allem der frühere Botschafter Frankreichs in Bonn, Seydoux, in seinen
Memoiren. Vgl. F. Seydoux de Clausonne, S. 99 u. S. 107.
100 Vgl. dazu im einzelnen F. R. Willis, S. 22 ff., dessen sogenannte French-Thesis durch spätere
Untersuchungen vor allem von W. Lipgens, Bedingungen, S. 52 ff. und G. Ziebura, Bezie-
hungen, S. 32 ff. bestätigt wurden. Die Annexion des Saarlandes wird an dieser Stelle nur aus
Gründen der Vollständigkeit erwähnt, eine Beweisführung wird an anderer Stelle noch nachzu-
holen sein. Siehe unten, S. 61 ff.
hm Vgl. hierzu F. Seydoux de Clausonne, S. 99. Zum Ziel „autonomer Rheinstaat“ vgl. auch
Anm. 125 auf S. 48.
44
Ihre Auswirkungen lassen sich in Gestalt flankierender Maßnahmen auch auf dem Gebiet
des öffentlichen Bildungswesens nachweisen. Dabei ging es Frankreich, als beteiligte Be-
satzungsmacht mit gesetzgebender und administrativer Autorität in seiner Zone ausge-
stattet, weniger um die Instrumentalisierung des bestehenden Bildungswesens als viel-
mehr um die gezielte Förderung einer etablierten Elitebildung universitärer Art, die dann
im Sinne französischer Zielvorstellungen einer von preußischen „Fremdeinflüssen“ be-
freiten und der christlich-humanistischen und aufklärerischen Bildungstradition des
westlichen Abendlandes geneigten geistigen Führungsschicht im rheinisch-pfälzischen
Raum den Weg ebnen sollte. Die Wiederbegründung der Universität Mainz im Jahre 1946
ist ebenso eindeutig dieser Intention entsprungen102 wie auch das geplante aber aus fiska-
lischen Erwägungen gescheiterte Wiederaufleben der trierischen Universitätstradition103
und die im Jahre 1948 gegründete Universität Saarbrücken104. Zusammen mit den über-
lieferten Universitäten Tübingen und Freiburg war hier ein Netz universitärer Bildung ge-
plant, das sich gleichmäßig über das Einflußgebiet Frankreichs erstreckte. In Verbindung
mit der am 11. Januar 1947 gegründeten Verwaltungsakademie in Speyer als spezieller
Ausbildungsstätte für den höheren Verwaltungsdienst und der Dolmetscher-FIochschule
in Germersheim105, die allerdings im Gegensatz zur heutigen Hochschule für Verwal-
tungswissenschaften Speyer im Jahre 1948 auf französische Weisung hin in die Univer-
sität Mainz eingegliedert wurde106, wirkte Frankreich auf ein bis dahin ungewöhnlich
vielfältiges und dichtes Angebot elitärer Bildung in seiner Besatzungszone hin. Frankreich
verstand also die Sicherung seiner Ostflanke nicht nur machtpolitisch, sondern durchaus
auch als Aufgabe einer erzieherischen Mission, die freilich hochgradig von seinen natio-
nalen Interessen her motiviert war. Damit unterschied sich die französische Bildungspo-
102 Persönliche Mitteilung R. Chevals vom 19. 9. 1979. Bestätigt wird diese Aussage durch R.
Minder, Kultur. Vgl. auch H. Mathy, passim. Die Eröffnung der Universität Mainz wurde
mit Verfügung Nr. 44 der Militärregierung vom 27. 2. 1946 gestattet. Journal Officiel Nr. 17
vom 8.3. 1946, S. 136.
103 LHA Koblenz. Auskünfte über die Gründungsvorbereitungen einer Universität Trier in den
Jahren 1946/47 finden sich dort im Bestand 442 Bezirksregierung Trier. Danach hatte sich im
Herbst 1946 ein Gründungskuratorium konstituiert. Im Frühjahr 1947 lagen 200 Bewerbungen
für die Übernahme als Hochschullehrer vor und 3093 Einschreibungen von Studierwilligen
(Durchschlag eines Schreibens des Trierer Regierungspräsidenten an Oberspielleiter Mund in
Simmern vom 5. 5. 1947 (14144, Blatt 75) und Aktenvermerk Kulturdezernat Regierung Trier
Mai 1947 (14143, Blatt 225)). Die Pläne der Universitätsgründung zerschlugen sich, als die fran-
zösische Militärregierung in Baden-Baden ihre ursprüngliche Unterstützungszusage (Schreiben
der Militärregierung Dét. F. 132 - AA/ EDU/568 — vom 8. 3.1946 (14144, Blatt 27)) zurückzog
und ihre Anstrengungen gänzlich auf den Aufbau der Universität Mainz konzentrierte (Akten-
vermerk Kulturdezernat Reg. Trier-Az.: U-5a-vom 16. 12. 1947 (14144, Blatt 157)). Dieses
Verhalten Baden-Badens wurde von Paris aus kritisiert (Aktenvermerk Kulturdezernat Reg.
Trier vom 6. 9. 1947 (14144, Blatt 127 und 128)). Nach einer Auskunft von Herrn Prof. Dr. Dr.
E. Sauser (Trier) auf einer Tagung der Bischöflichen Akademie Aachen, die vom 9. - 11.5.1980
auf der Wildenburg in der Eifel stattfand, hat auch die Trierer Kurie gegen das Universitätspro-
jekt votiert. ln der Chronik des Bistums Trier, die der damalige Generalvikar Dr. Heinrich
von Meurers verfaßt hat, finden sich auf S. 41 ( 12.4.1946) solche Hinweise nicht. Dort ist nur
von einer bevorstehenden Gründung der Universität Trier die Rede. In diesem Zusammenhang
wird von fünf beabsichtigten Neugründungen innerhalb der französischen Besatzungszone ge-
sprochen. BA Trier, Abt. 105, Chronik 1946, S. 41.
104 Zur Gründung und Entwicklung der Universität Saarbrücken siehe Kapitel B. 11. (S. 114 ff).
Kb Arrêté Nr. 194 und Nr. 195 de l’Administrateur Général. Journal Officiel Nr. 52 vom 17. 1.
1947, S. 538 ff.
11,6 Ordonnance Nr. 225 du Commandant en Chef Français en Allemagne vom 4. 8. 1949. Journal
Officiel Nr. 293/294 vom 5. bzw. 9. 8. 1948.
45
litik im besetzten Deutschland entscheidend von der der angelsächsischen Siegermächte,
die trotz aller Nachdrücklichkeit relativ frei von nationalen Spekulationen blieb. Groß-
britannien und die Vereinigten Staaten von Amerika sorgten sich entschieden für den
Aufbau eines öffentlichen Bildungswesens in und für Deutschland mit dem Ziel, demo-
kratische und rechtsstaatliche Lebensformen nach westlichem Vorbild endgültig zu stabi-
lisieren als Voraussetzung für die Wiederaufnahme des deutschen Volkes in die Völkerfa-
milie.
4.2 Das französische Deutschlandbild in seiner Rückwirkung
auf die Bildungspolitik Frankreichs in Deutschland
Die im Vergleich zu Großbritannien und den USA wesentlich stärkere Betonung natio-
naler Interessen in der Deutschlandpolitik Frankreichs steht in engem Zusammenhang
mit der Sonderheit des Deutschlandbildes, das jenseits des Rheins vorherrschte. Es wurde
entscheidend geprägt durch die wechselvolle und leidgeprägte Beziehung beider Länder
seit 1870, in der sich bald die Auffassung von einer schicksalshaften Auseinandersetzung
zwischen einer aus keltisch-römischen Lebensformen erwachsenen Zivilisation des fran-
koromanischen Europas und der dort wirksam gebliebenen sittlichen Macht des Katholi-
zismus einerseits und einem chaotischen protestantisch geprägten Germanentum ande-
rerseits verwurzelte. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges hatte dieses Denken erneut Auf-
trieb erhalten, allerdings wich nun der chauvinistische Grundzug, „die Haltung des besin-
nungs- und kompromißlosen Hasses der Jahre nach Versailles“107, einer eher kühleren
und gelasseneren Beurteilung. Diese Entwicklung stand unter anderem im Zusammen-
hang mit der Desavouierung anerkannter Wortführer der militanten Rechten als Sprach-
rohr der öffentlichen Meinung in Frankreich aufgrund ihrer erklärten Verbundenheit mit
dem Pétain-Regime. Die Bloßstellung weiter Teile des französischen Chauvinismus än-
derte allerdings wenig an der Tatsache, daß in Frankreich nach 1945 starke Ressentiments
gegenüber Deutschland wach blieben. Der Groll auf den Nachbarn östlich des Rheins auf
dem Hintergrund einer verfestigten und verbreiteten Ideologie von der französisch-deut-
schen Erbfeindschaft108 erhielt durch ein populäres Verständnis der deutschen Geschichte
im Sinne einer deterministischen Entwicklung zum Hitlerstaat hin zusätzlich einen
starken Akzent, wenngleich man hinzufügen muß, daß solche Lehren, die vor allem im
Protestantismus, in der deutschen Romantik und im preußischen Militarismus Wurzeln
nationalsozialistischer Willkürherrschaft sahen, nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich
an Wirkkraft verloren. Zu den prominentesten Vertretern solcher historischen Deu-
tungen gehörte der damals einflußreiche und als Germanist und Politikwissenschaftler
anerkannte Edmond Vermeil109, Professor an der Sorbonne, dann der Soziologe, Histo-
riker und Nationalökonom André Siegfried110, ebenfalls Lehrstuhlinhaber an der Sor-
bonne und darüber hinaus Mitglied der Académie française, und der Historiker Charles
Morazé111, ein führender Vertreter der chauvinistischen Action française.
107 K. Heitmann, S. 190.
i°8 Vgl. im einzelnen den Beitrag von K. Heitmann über das französische Deutschlandbild in
seiner Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere S. 170 ff.
109 K. Heitmann, S. 191.
110 Ebenda, S. 190.
111 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
46
Vermeil, Siegfried und Morazé haben aufgrund ihrer zeitweiligen Mitwirkung an der Aus-
bildung des Verwaltungspersonals für die französische Besatzungsarmee in Deutschland,
die nach amerikanischem Beispiel im Laufe des Jahres 1945 in Form von Kurzlehrgängen
in Fontainebleau, Paris und Straßburg von der im Spätherbst 1944 gegründeten Admini-
stration Militaire Française en Allemagne organisiert worden war, auch einen direkten
Einfluß auf das Fiandeln und Wollen der französischen Militärregierung gehabt112. Da je-
doch die angesprochenen Vorbereitungskurse in der Regel jeweils nur drei Monate dau-
erten und inhaltlich vor allem auf Fragen deutscher Verwaltungs- und Ordnungspraxis
ausgerichtet blieben, darf man diese unmittelbare Wirkung nicht überschätzen, zumal die
Effizienz der Lehrgänge nach selbstkritischer Auskunft direkt Beteiligter als wenig ertrag-
reich gewertet werden muß113.
Politik und öffentliche Meinung standen in Frankreich nach 1945 eindeutig unter dem hi-
storisch präfixierten Trauma einer „menace perpétuelle du germanisme“114, einer ange-
nommenen ständigen Bedrohung also, die für die fortwährende Sperrhaltung Frankreichs
verantwortlich war, das Problem Deutschland und Europa unter dem Gesichtspunkt des
Wandels der politischen Beziehungen vom eurozentrischen zum universalen Prinzip zu
begreifen. Frankreich ging bis zum Jahre 1947 in seiner Deutschlandstrategie eindeutig
von einer an überlieferte nationalstaatliche Denktraditionen gebundenen Vorstellung
einer europäischen Sicherheitsordnung aus. Die daraus im Gegensatz zu den angelsächsi-
schen Siegermächten resultierende starre Haltung Frankreichs in der Behandlung der
deutschen Frage hatte natürlich ihre entsprechende Rückwirkung auf die französische Bil-
dungspolitik in Deutschland, die zwar nicht als ausschlaggebender, gewiß aber als we-
sentlicher Faktor der Gesamtbesatzungspolitik eingestuft wurde115. Zwar lebten auch in
Frankreich, vor allem ausgehend von den pazifistisch-sozialistischen und christdemokra-
tisch orientierten Zirkeln der Résistance, Strömungen auf, die eine supranational struk-
turierte europäische Ordnung und Solidarität, zum Teil sogar unter Einschluß Deutsch-
lands befürworteten116, gleichwohl blieb das ideologisch festgelegte Bild einer unaus-
weichlichen Konfrontation zwischen Germanismus und Romanismus im unmittelbaren
Nachkriegsfrankreich noch dominierend. Die entschiedensten Konsequenzen aus diesem
Bewußtsein einer deutschen Gefahr zog der patriotisch geprägte Gaullismus, indem er
zielbewußt die materielle, geistige und moralische Schwächung bzw. Liquidierung der
preußisch-deutschen Machtbasis betrieb. Wenn dieser politischen Denk- und Willens-
richtung, der im übrigen die oben erwähnten Vermeil und Siegfried nur sympathisierend
zugeordnet werden dürfen, auch im Januar 1946 mit dem Rückzug de Gaulles von der
Macht ihre Symbolfigur genommen wurde, wodurch sie natürlich erheblich an Schwung
verlor, so blieb sie dennoch als ein starkes Element auch in der Zeit der Vierten Republik
erhalten. Eine ihrer Hochburgen behielt sie im Bereich der französischen Militärregierung
und -Verwaltung in Deutschland117, die ihren Hauptsitz in Baden-Baden nahm.
112 Persönliche Mitteilung F. Lussets vom 19. 9. 1979.
113 Gleiche Quelle wie vor.
114 Ch. de Gaulle, Discours, S. 393.
115 Vgl. dazu im einzelnen R. Schmittlein; E. Vermeil, aspects; E. Vermeil, Alliés; E. Ver-
meil, Notes; M. Pernot. Siehe auch H. Mathy, S. 119 f. (Rede Schmittlein) und E. Kon-
stanzer, S. 217 ff.
116 G.Ziebura, Beziehungen, S. 24 ff. und W. Lipgens, Anfänge, S. 43 ff.
117 G. Ziebura, Beziehungen, S. 48.
47
Hier stand mit General Pierre Marie Koenig118 als Oberbefehlshaber ein enger Vertrauter
de Gaulles und ein unerbittlicher Verfechter seiner Deutschlandkonzeption an der Spitze.
Gleiches gilt auch für den Leiter der Direction de l’Éducation Publique, den germanistisch
gebildeten General Raymond Schmittlein. Schmittlein, den der namhafte französische
Germanist Robert Minder als einen „aktionsbesessenen und selbstüberzeugten Stu-
dienrat“ charakterisiert hat119, kam im August 1945 nach Baden-Baden120. Obgleich sein
Geschäftsbereich als Teil der Direction Générale des Affaires Administratives nur eine
nachgeordnete Stellung121 einnahm, gelang es ihm als Vertrauten de Gaulles und Koenigs
dennoch, ein Höchstmaß an Selbständigkeit zu erreichen122. Wenn Schmittlein auch in
der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg als Lehrbeauftragter an der litauischen Universität
Kaunas (Kowno) und als Direktor des Institut Français in Riga kulturpolitische Ausländ-
serfahrungen sammeln konnte123, so hat er sich in der Zeit seiner Verantwortung als Kul-
turattaché der französischen Militärregierung dennoch niemals gänzlich von den in
Frankreich weit verbreiteten stereotypen völkerpsychologischen Vorstellungen lösen
können, die damals das Deutschlandbild westlich des Rheins beeinflußten124. Die Folge
war, daß gerade der Wirkungsbereich der von Schmittlein geleiteten Section de l’Éduca-
tion Publique von einer Grundeinstellung ergriffen war, die zwar einerseits auf Dauer eine
erfolgversprechende „Umerziehungs“ -politik im Sinne der Briten und der Amerikaner
nicht ausschloß, andererseits aber durch die permanente Verquickung der pädagogischen
Generalziele Entnazifizierung und Demokratisierung mit der Forderung nach „Entpreu-
ßung“ ein Ziel setzte, das nur durch den Anspruch auf eine langjährige machtpolitisch ge-
tragene kulturelle Einflußnahme Frankreichs auf das deutsche Bildungswesen zu errei-
chen war125. Die dieser Position innewohnenden Zweifel an einer kurzfristig zu errei-
118 * 1898 in Caen, im Zweiten Weltkrieg in Nordafrika, 1945 — 1949 Oberbefehlshaber der fran-
zösischen Truppen in Deutschland, 1951 — 1958 Abgeordneter der gaullistischen RPF (= Ras-
semblement du Peuple Français), 1954 und 1955 vorübergehend Verteidigungsminister. Würdi-
gung seiner Persönlichkeit bei F. Seydoux de Clausonne, S. 95 f. und S. 119.
119 R. Minder, Kultur.
120 Persönliche Mitteilung F. Lusset vom 19. 9. 1979.
121 Über den Aufbau der französischen Kultusadministration in Deutschland im Jahre 1946 infor-
miert R. Gilmore, S. 301 f. (Tabelle 1 und 2).
122 Vgi_ a. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 39.
123 In der Zeit des Zweiten Weltkrieges leitete Schmittlein zuerst das Comité français de Libération
nationale. Dann schloß er sich als lieutenant-colonel der Widerstandsgruppe um de Gaulle in
England an. Nach J. Ro van, relations, S. 679 f. Dort finden sich weitere Angaben zur Person.
124 Vgl. dazu Ausführungen von Schmittlein aus dem Jahre 1949 in France Illustration. R.
Schmittlein, S. 18. Bestätigt im Interview E. Straus vom 1. 5. 1978. Vgl. dazu auch K. Heit-
mann, S. 190 f.
125 In einem Interview mit einem Vertreter von International News Service am 11. September 1946
sprach General Koenig von dreißig bis vierzig Jahren, die vergehen müßten, bevor die Deutschen
das Wesen der Demokratie in sich aufgenommen hätten. Er fuhr dann fort: Es sei unklug, zu
glauben, die Deutschen hätten sich in ihrer Haltung geändert, nur weil sie sich ein Jahr lang gut
geführt haben. Wenn man ein zentralistisches Deutschland mit Preußen als Mittelpunkt schaffen
würde, wäre die ganze Besatzung umsonst gewesen. Koenig bedauerte es, daß die Alliierten sich
der Bildung eines autonomen Rheinstaates widersetzen. Zitiert nach einem Bericht des Oberkir-
chenrates Heinrich Held zur Lage im Saargebiet vom 19. 2. 1947. Archiv der Evangelischen
Kirche im Rheinland, Bestand 12 — 19 Saarland Nr. 1. Anfang Oktober erklärte Pierre Schneiter,
damals Leiter des Commissariat aux Affaires Allemandes et Autrichiennes, in Berlin: ... wir
haben die Absicht, lange zu bleiben, sehr lange, so lange, wie es nötig ist. Gleiche Quelle wie
vorher. Robert Minder teilt mit, daß Schmittlein ihm gegenüber die Auffassung vertreten habe:
„Wir sind für 25 Jahre hier“. Minder qualifizierte im Jahre 1977 diesen „felsenfesten Glauben
Schmittleins“ als eine Haltung von „entwaffnender Naivität“. R. Minder, Kultur.
48
chenden politischen und „sittlichen“ Bildsamkeit des deutschen Volkes waren hauptver-
antwortlich für den mißtrauischen Grundzug und den Pragmatismus der französischen
Militärbehörden in der Verwaltung und Kontrolle des Bereichs öffentliche Bildung ihrer
Zone. Damit zeigt sich im Vergleich zu den in dieser Frage spürbar zuversichtlicheren
Briten und Amerikanern ein weiteres Charakteristikum, das durch den Hinweis auf die
französische Neigung, das Ziel demokratischer und rechtsstaatlicher Lebensformen we-
niger über die Schule als vielmehr über die Medien erreichen zu wollen, noch zusätzlich
verdeutlicht werden könnte.
Zwar war auch das schulpolitische Konzept der Franzosen, das sich bis zum Jahre 1947
weitgehend mit den persönlichen Zielvorstellungen Schmittleins deckte, von einem be-
merkenswerten Erziehungsoptimismus geprägt, doch dieser hatte seine Wurzeln in der
französischen Aufklärungsphilosophie, die in ihrem Hang zu milieutheoretischen Erklä-
rungen den Erfolg pädagogischer Maßnahmen vor allem im Zusammenhang mit öffent-
lichen Bildungsinstitutionen sah und nicht, wie etwa die angelsächsische Pädagogik, vor-
rangig im sozialanthropogenen Umfeld und seiner motivierenden Wirkung. In seiner Zu-
versicht gegenüber der staatlichen Bildungsinstitution entwickelte Schmittlein, der bereits
um die Jahreswende 1943/44 mit der Ausarbeitung eines Bildungsprogramms für
Deutschland beauftragt worden war126, ein schulpolitisches Projekt, das zwar die kultu-
relle Identität der deutschen Bevölkerung insgesamt respektierte, aber dennoch pronon-
ciert auf französische Bildungstraditionen zurückgriff, weil er in der Annäherung der in-
neren und äußeren Bildungsstrukturen beider Länder eine wichtige Voraussetzung für ein
erfolgreiches erzieherisches Wirken im Rahmen der deutschlandpolitischen Ziele seines
Landes sah.
Dazu gehörte vor allem der Glaube an die Notwendigkeit eines offenen und weltlich ge-
prägten Bildungssystems im Interesse eines einheitlich-integrierenden Bewußtseins und
einer Lebensbewältigung nach rationalen Grundsätzen, sowie die Überzeugung vom
Prinzip der elitären Bildung analog dem konsequenten bürgerlichen Leistungsdenken der
Dritten Republik. Kennzeichnend war darüber hinaus die bereits erwähnte langfristige
Disposition des französischen Bildungsprogramms, d. h., Frankreich ortete seine bil-
dungspolitische Strategie unter dem Gesichtspunkt einer Generationsaufgabe127. Die Be-
vorzugung staatlicher Bildungsinstitutionen gegenüber privaten oder kirchlichen, Lai-
zismus, Elitebildung und langfristige Perspektive sind also jene Prämissen, die für das Be-
streben Frankreichs verantwortlich waren, Struktur und Inhalt schulischen Daseins im
Bereich ihrer Zone nach französischen Normen bestimmen zu wollen.
Dieser Grundzug gab der französischen Bildungspolitik in Deutschland ihr unverwechsel-
bares Gepräge. In diesem Hang zur schulischen Fremdbestimmung wurzeln auch die Mo-
tive für das spezifische Interesse an universitären Bildungseinrichtungen und für das
starke Reglementieren der allgemein- und berufsbildenden Schulpraxis. Sie erreichte in
der französischen Besatzungszone teilweise ein solches Ausmaß, daß der Bischof von
Mainz, Albert Stohr, im Zusammenhang mit der von den Franzosen betriebenen Umfor-
mung des gymnasialen Sprachunterrichts in einem scharf formulierten Protestschreiben
sogar davon sprach, daß die Neufassung... wohl der tiefste Eingriff (ist), der ins deutsche
126 Persönliche Mitteilung F. Lussets vom 19. 9. 1979.
127 Vgh oben S. 48 und die dortige Anm. 125.
49
mittlere Bildungswesen je geschah, (er) geht selbst hinaus über die Reform unter Hum-
boldtl2S. Mit ihren engagierten Eingriffen in das deutsche Bildungswesen übertrafen die
Franzosen sogar die energischen und mit einem starken moralischen Anspruch auftre-
tenden Amerikaner, die zwar, ebenso wie die in Schulfragen vorsichtig agierenden Briten,
einen bemerkenswerten Reformwillen entwickelten, die konkrete Ausgestaltung der an-
stehenden Neuerungen im Schulbereich aber weitgehend den Deutschen überließen. Die
Franzosen haben sich gegenüber den weitgreifenden Reformkonzeptionen der angelsäch-
sischen Siegermächte, die vor allem auf gerechtere Bildungschancen für sozial Schwache,
eine demokratische Durchformung des gesamten Unterrichts auf der Grundlage entspre-
chender Lehrinhalte und Lernbücher sowie auf durchlässige Bildungsstrukturen, dann
aber auch auf Friedenserziehung, Fremdsprachenunterricht, akademische Volksschulleh-
rerbildung und Teilnahme der Öffentlichkeit an der schulischen Entwicklung angelegt
waren128 129, stets zurückgehalten. Dafür waren aber ihre Anordnungen zur Neugestaltung
des öffentlichen Bildungswesens in ihrer Zone umso fühlbarer.
Die von der französischen Militärregierung verfügten Maßnahmen betrafen neben der
auch von den anderen Besatzungsmächten betriebenen Entnazifizierung der Lehrerschaft
bzw. der Reform der Lehrerbildung und einem streng gehandhabten Placet für Lehrpläne
sowie für Lehrbücher und Unterrichtsmittel, in erster Linie die Bildungs- und Erziehungs-
ziele der Höheren Schulen und der Universitäten sowie das Volksschulwesen in seinem
Charakter und in seiner Struktur. Im Mittelpunkt der Bestrebungen im Bereich der Volks-
schule stand die Reform der Grundschule, die im engen Zusammenhang mit der Neuge-
staltung des gymnasialen Schulwesens zu sehen ist, und die Einführung eines 9. Schul-
jahres130.
4.3 Die bildungspolitischen Maßnahmen der französischen Militärregierung
Ein Kennzeichen der französischen Bildungspolitik war ihr eigennütziger Pragmatismus.
Über diese Grundhaltung können auch die pädagogischen Begründungen schulischer
Neuerungen nicht hinwegtäuschen; denn der Hintergrund einer frankophil orientierten
geistigen Assimilation blieb dabei stets erkennbar. Offen zutage trat dieses Interesse zum
Beispiel am 1. Oktober 1946, als die französischen Militärbehörden im Rahmen einer ver-
ordneten Neugestaltung des höheren allgemeinbildenden Schulwesens ausdrücklich eine
Reduzierung des altsprachlichen Unterrichts zugunsten des naturwissenschaftlich - ma-
thematischen verlangten und dabei eine Stundentafel für verbindlich erklärten, wie sie an-
128 Stohr an Schmittlein vom 4.10.1946. LA Speyer, Bestand H 12, Nr. 270. Erwähnt bei A. Ruge-
Schatz, Umerziehung, S. 85 unter Hinweis auf einen anderen Archivbestand. Vgl. hierzu auch
R. Minder, Kultur.
129 Diese Grundpositionen sind inhaltlich in die schulpolitischen Forderungen der Kontrollratsdi-
rektive Nr. 54 vom 25. Juni 1947 eingegangen. Abgedruckt in Journal Officiel Nr. 155 vom 16.
4. 1948, S. 1448 ff.
130 Auskünfte über die geplante Einführung eines 9. Schuljahres gibt eine Aktennotiz über ein Ge-
spräch zwischen Vertretern der Abteilung Erziehung und Kultus im Oberregierungspräsidium
Pfalz-Hessen und dem Bischof von Speyer, Josef Wendel. LA. Speyer, Bestand H 12, Nr. 22. Über
die Grundschulreform eingehend R. Winkeier, S. 102 und A. Ru ge-Sch atz, Umerziehung,
S. 82.
50
nähernd auch für französische Oberschulen galt131. Gezielt getroffen werden sollte jene
humanistische Bildung, die nach französischer Interpretation maßgeblich mitverantwort-
lich war für die preußische Kastengesinnung in Deutschland132. Ähnliche Bestrebungen
lassen sich auch hinsichtlich der nachdrücklichen Förderung des neuzeitlichen Sprachun-
terrichts nachweisen; denn sie stand ganz im Zeichen einer Bevorzugung des Französi-
schen133. Aber auch im Geschichtsunterricht, sowie in den forcierten Bemühungen,
Werke französischer Literatur und Kunst in den Mittelpunkt des sprachlichen und musi-
schen Unterrichts zu stellen, und schließlich auch in der Einführung des fakultativen fran-
zösischen Sprachunterrichts an Volksschulen konnte man die gewollte Begünstigung
einer Bewußtseinsbildung mit dem Ziel positiver Einstellung zu französischen Lebens-
mentalitäten erkennen. Die Einführung des Zentralabiturs analog dem französischen Prü-
fungssystem (Baccalauréat) wurde zwar mit einer schärferen und gerechteren Auslese der
Studienbewerber begründet134, sie bedeutete aber aufgrund der administrativ verfügten
Themenstellungen zugleich auch eine verstärkte Kontrolle des gymnasialen Unterrichts
durch die Erziehungsbehörde in Baden-Baden. Dagegen kam dem 20-Punkte-System, das
nach französischem Vorbild zur Bewertung von Schülerleistungen eingeführt wurde, ei-
gentlich nur formale Bedeutung zu.
Ganz im Zeichen französischer Bildungsreformwünsche stand auch die in Anlehnung an
die heimische laizistische Schule betriebene Begünstigung der simultanen Volksschule als
staatliche Regelschule135. Diese war zwar seit 1874 in den hessischen und seit 1876 in den
badischen Landesteilen der französischen Besatzungszone obligatorisch, nicht aber in den
anderen Gebieten dieses Raumes. Hier war, wie in fast ganz Deutschland, die Volksschule
als staatliche Regelschule stets überwiegend konfessionell strukturiert gewesen136. Die
Bedeutung dieser Bildungseinrichtung war damals noch enorm, im Jahre 1950 war sie
noch für 83 v. H.137 aller Jungen und Mädchen in der Bundesrepublik Deutschland allei-
nige Stätte ihrer Allgemeinbildung. Ein konfessionell geprägtes, die staatliche Schulhoheit
131 Detaillierte Angaben über Struktur und Inhalt dieser Reform finden sich im Schreiben des Leiters
der Abteilung Erziehung der französischen Militärregierung Hessen-Pfalz — Nr. D 2001 AA/
EDU-vom 16. 8. 1946 an den Oberpräsidenten von Hessen-Pfalz. LA Speyer, Bestand H 12,
Nr. 24. Vgl. auch den Quellenhinweis bei A. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 83, Anm. 326.
Vgl. auch R. Minder, Kultur.
132 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
133 Das Wochensoll für den für alle Schüler obligatorischen französischen Sprachunterricht an hö-
heren Lehranstalten wurde auf 6 Stunden festgelegt. R. Winkeier, S. 26.
134 Die Diskussion um schärfere Schülerauslese stand auch im Zusammenhang mit den Aufnahme-
kapazitäten der Universitäten, die damals, vor allem in der französischen Zone, ungewöhnlich
gering waren.
135 Umso schmerzlicher war unsere Enttäuschung, als wir hörten, die Militärregierung gedenke, die
Simultan- oder Gemeinschaftsschule einzuführen. Hirtenbrief des Trierer Bischofs Bornewasser
vom 23. 9. 1945. BA Trier, Abt. 105, Chronik 1945, S. 217. Vgl. dort auch die Klage des Trierer
Generalvikars Heinrich von Meurers über den Schuireferenten bei der Trierer Militärregierung,
Capitain Rouffin, dem er vorwarf, überhaupt katholischen Belangen und insbesondere der Be-
kenntnisschulenichtgünstigzu sein. Chronik 1946, S. 22 (6.2.1946). Als ein entschiedener Ver-
fechter eines weltlichen Schulwesens galt vor allem der Leiter der zentralen Erziehungsbehörde
der französischen Militärregierung in Baden-Baden, der General Raymond Schmittlein. Zu den
Auseinandersetzungen um die konfessionellen Volksschulen in der französischen Besatzungs-
zone neuerdings eingehend M. Müller.
136 Exakte statistische Werte für die Nachkriegszeit finden sich bei M. Müller, S. 345 ff.
137 Errechnet nach: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1952, Tabellen auf
den S. 60 - 65.
51
einschränkendes neuzeitliches Bildungswesen widersprach westeuropäischem, vor allem
aber französischem Denken und französischer Tradition. In Frankreich befand sich das
gesamte öffentliche Schulwesen seit der Schulgesetzgebung Jules Ferrys in den achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts unangetastet in der Aufsicht und Verwaltung des sich lai-
zistisch verstehenden Staates; das kirchlich organisierte Bildungswesen war dort ein-
deutig auf die privatrechtliche Ebene verwiesen worden138.
Insbesondere in den Bestrebungen der französischen Besatzungsmacht, die konfessionelle
Volksschule in staatlicher Trägerschaft zu beseitigen139, offenbarte sich, daß der Maßstab
für den verfolgten inneren und äußeren Neuaufbau des Bildungswesens das eigene heimi-
sche Bildungsleben war. Die gewollte Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses auf das
Schulwesen dokumentiert sich zudem in den bis zum Jahre 1946 andauernden Versuchen
einer Reform der Volksschullehrerbildung, die zwar vordergründig nach Inhalt und Form
an deutsche Traditionen anknüpfen sollte, um, wie es hieß, künftigen Volksschullehrern
die erforderliche pädagogische und demokratische Ausbildung zu geben140, in dem Be-
streben aber, den Charakter der Lehrerbildungsanstalten simultan zu bestimmen, den-
noch erkennen ließ, daß die am 8. Juli 1946141 verfügte Neuregelung durchaus einen
Wandel zur eigenen, noch ganz im Geist des Republikanismus und Antiklerikalismus der
Dritten Republik existierenden école normale offen ließ142. Damit zeigt sich auch hier,
daß die Kultusadministration der französischen Militärregierung in ihren pädagogischen
Zielsetzungen allzu gerne auf Vorstellungen zurückgriff, die den eigenen einheimischen
138 Im’Schuljahr 1947/48 besuchten in Frankreich 4 266 636 Kinder die école laique (staatl. Volks-
schule). Zum gleichen Zeitpunkt betrug die Schülerzahl der privaten katholischen Volksschulen
1 100 000. Das entsprechende Zahlenverhältnis für den Sekundarschulbereich belief sich zum
gleichen Zeitpunkt auf 427 008 zu 325 000; Techn. Anstalten: 200 000 zu 32 500; Hoch-
schulen: 112 977 Hörer zu 24 500. Die Paritäten differierten in den verschiedenen Regionen
Frankreichs z. T. sehr erheblich. Nach J. Ody, S. 228. Vgl. dort auch die Angaben über die
Schulfinanzierung und über die Struktur und Ausbildung der Lehrerschaft. Siehe auch die detail-
lierten Statistiken bei R. Poignant.
139 Nach eingehenden Erörterungen und Aufklärungen hat General Schmittlein folgenden Ent-
scheid getroffen:
1. Die Konkordate bestehen de jure nicht, aber ihre Bestimmungen werden beachtet.
2. Der Zustand konfessioneller Volksschulen (Bekenntnisschulen) wird wieder geschaffen nach
dem Stand von vor 1933.
Durchschlag eines Schreibens der Abteilung Kultus und Unterricht im Oberregierungspräsidium
Hessen-Pfalz an die Abteilung Innere Verwaltung der französischen Militärregierung Hessen-
Pfalz vom 13. 9. 1946. LA Speyer, Bestand H 12, Nr. 23. Vgl. dazu auch das Schreiben Laffons
an die regionalen Militärgouverneure Rheinland-Pfalz, Baden, Württemberg und Saar - Nr.
1486/DGAA/EDU—vom 5.2.1946. Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bestand Be-
vollmächtigter der französischen Zone, Bf 2. Ausführlich dazu A. Ruge-Schatz, Umerzie-
hung, S. 93 ff.
140 Allgemeine Anweisungen für die Errichtung besonderer Anstalten zur Heranbildung von Volks-
schullehrern in der französischen Besatzungszone. Verfügt von der Direction de l’Éducation Pu-
blique - Nr. 3204 DGAA/EDU vom 23. 7. 1946. LA Speyer, Bestand H 12, Nr. 22.
141 Verfügung Nr. 71 vom 8. 7. 1946. Journal Officiel Nr. 29 vom 23. 7. 1946, S. 246.
142 In Anwendung des Artikels 24 des Konkordats vom 27. (!) Juli 1933 werden Sonderinstitute ge-
schaffen für diejenigen Schüler, welche die Lehrerbildungsanstalten absolviert haben (Hervorhe-
bung im Quellentext) und welche die Absicht haben, an Konfessionsschulen zu unterrichten.
Brozen-Favereau, Gouverneur der regionalen Militärregierung Hessen-Pfalz an den Oberpräsi-
denten in Neustadt/Haardt vom 24. 8. 1946. LA Speyer, Bestand H 12, Nr. 22. Ähnliche Hin-
weise finden sich im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bevollmächtigter der fran-
zösischen Zone, Bf 30. Vgl. auch H. J. Rechtmann und R. Winkeier, S. 21 ff.
52
Bildungstraditionen entliehen waren143. Unübersehbar war dabei die Neigung zu einer ra-
tional-idealistischen, im Geiste Comtes formulierten Ethik, d. h., propagiert wurde in
diesem Zusammenhang allzugern die Intention einer bürgerlichen Moralgesinnung im
Zeichen des Fortschritts und der Humanität, die im Französischen oft mit dem Begriff des
„civisme“ umschrieben wird. Allerdings wurde dieser pädagogische Wille entscheidend
gehemmt durch die von vielen französischen Bildungsoffizieren gehegten Vorurteile ge-
genüber der deutschen Wesens- und Lebensart. Spürbar wurde ein national gefärbtes
Überlegenheitsgehabe, das man in Erinnerung an das hybride Denken der Deutschen in
der Wilhelminischen Epoche auf die abgewandelte Formel bringen könnte, „am französi-
schen Wesen sollen die Deutschen genesen“. Die dadurch provozierten Spannungen zur
deutschen Bevölkerung begünstigten die Entstehung einer bildungspolitischen Abwehr-
front gegen das französische Besatzungsregime, wobei die Furcht vor einer romanischen
Überfremdung in fast allen Bevölkerungsteilen ebenso bedeutsam war wie die Sorge ka-
tholischer Bevölkerungskreise vor einer Entkonfessionalisierung des Schulwesens, in der
sie eine gefährliche Bedrohung ihrer religiösen Lebensrechte sahen144. Die im Laufe der
Jahre wachsende Kluft zwischen deutscher Zivilbevölkerung und französischem Besat-
zungsmilitär im allgemeinen und in der Schulpolitik im besonderen145, über die auch ge-
meinsame, allerdings unterschiedlich motivierte Aversionen gegen den zentralistischen
und militaristischen Geist preußischer Vergangenheit nicht hinwegtäuschen können146,
hat der französischen Bildungspolitik in Deutschland viel von ihrer Effizienz genommen.
Schon im Sommer des Jahres 1947 mußte die Militärregierung in Baden-Baden auf die
Mitwirkung der inzwischen wieder funktionierenden deutschen Kultusadministration,
den Mitgestaltungswillen der zugelassenen Parteien und nicht zuletzt auf die immer nach-
drücklicher vorgetragenen Wünsche der evangelischen und katholischen Kirche in Bil-
dungsfragen Rücksicht nehmen147. Die wegen ihres Widerstandes gegen das Hitlerregime
143 Wir haben versucht, unser Bildungssystem zu exportieren. Persönliche Mitteilung R. Chevals
vom 19. 9. 1979.
144 Nach Aufzeichnungen des Trierer Generalvikars H. von Meurers. BA Trier, Abt. 105, Chronik
1946,S.22 (6.2.1946). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch derTextdes Hirtenbriefs
des Trierer Bischofs Bornewasser vom 23. 9. 1945. Dort heißt es u. a.: Ich persönlich habe mich
in einem eingehenden Schreiben an den Oberkommandierenden der französischen Besatzungs-
armee, General Koenig in Baden-Baden, gewandt und vor wenigen Tagen einen Domherrn be-
auftragt, persönlich noch einmal des Bischofs und des katholischen Volkes Verlangen darzu-
legen. Dasselbe habe ich bei dem für die Regierungsbezirke Trier und Koblenz zuständigen Ge-
neral Bilotte in Bad Ems getan; und zweimal habe ich einem von ihm gesandten Offizier unseren
klaren und berechtigten Standpunkt in der Schulfrage dargelegt. BA Trier, Abt. 105, Chronik
1945, S. 217. Siehe auch den Brief Bornewassers an die Geistlichen seines Bistums vom 21. 9.
1945. Ebenda S. 216.
145 Ausführlich dazu R. Gilmore,S. 124 ff.
146 Vgl. dazu H. J. Wünschei; A. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 50 (Quelle: Regierungspräsi-
dent Dr. Wilhelm Boden) und H. Mathy, passim.
14 Vgl. hierzu den schon mehrmals erwähnten aufschlußreichen Beitrag von R. Winkeier. Diese
quellendichte und auf zahlreiche Interviews beruhende Detailstudie widmet sich ausführlich der
Wiederherstellung des konfessionell strukturierten Volksschulwesens am Beispiel des überwie-
gend katholisch bevölkerten Württemberg-Hohenzollern. R. Winkeier, passim, vor allem
aber S. 33 ff. und S. 113 ff. Vgl. auch R uge-Schatz, deren F ragestellung auf dem Hintergrund
ihrer persönlichen Klage über die vermeintliche Bildungskatastrophe der sechziger Jahre den Hi-
storiker allerdings zur Distanz drängt. A. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 68 ff. Die Untersu-
chung G i 1 m o r e s beleuchtet zwar ein breites kulturpolitisches Spektrum, klammert aber bedau-
erlicherweise den von deutscher Seite entwickelten Gestaltungswillen in Schulfragen fast völlig
aus. R. Gilmore.
53
damals zur Mitsprache besonders autorisierten Kirchen attackierten vor allem den
scharfen antikirchlichen Kurs der Militäradministration in der Bildungspolitik und den
Versuch, auf kaltem Wege das Humanistische Gymnasium zu beseitigen. Sie befürchteten
in diesem Zusammenhang insbesondere auch einen von der sprachlichen Ausbildung her
weniger qualifizierten priesterlichen Nachwuchs148. Wenn Schmittlein im Jahre 1947 den
kirchlichen Einspruch gegen seine verordneten Maßnahmen zur Einschränkung des alt-
sprachlichen Unterrichts auch noch mit der lakonischen und zugleich arroganten Bemer-
kung abtun konnte, es gelte nunmehr Latinisten und Hellenisten von anderer Art heran-
zubilden als jene, die die Katastrophen von 1914 und 1933 zugelassen hätten149, so hat
er dennoch bewußte Verzögerungen der Reform stillschweigend hingenommen.
4.4 Die Gründe für die mangelnde Effizienz der französischen Bildungspolitik
Die Wirksamkeit der französischen Bildungspolitik in Deutschland wurde freilich ebenso
stark von internen Einflüssen bestimmt. Da wäre zuerst die schwerfällige Arbeitsweise
einer personell überbesetzten Verwaltung zu nennen150, die zudem aufgrund ihrer äußerst
heterogenen sozialen und politischen Personalstruktur durch starke Reibungsverluste in
ihrer Leistungsfähigkeit gehemmt wurde151. Erwähnt werden muß in diesem Zusammen-
hang der improvisatorische Charakter der französischen Schulpolitik, da Frankreich in-
folge des unmittelbaren Übergangs vom besetzten Land zur Besatzungsmacht im Gegen-
satz zu den Briten und Amerikanern nur wenig Zeit geblieben war, eine politisch-pädago-
gische Konzeption zu entwickeln. Ausschlaggebend war aber letztlich die innere Wider-
sprüchlichkeit des bildungspolitischen Willens Frankreichs selbst. So betonte man einer-
seits bei jeder Gelegenheit die Rolle Frankreichs als Schutzmacht der katholischen Kirche
und als Bewahrer christlich-abendländischer Kulturtraditionen, andererseits suchte man
aber die kirchlichen und religiösen Einflüsse auf das deutsche Schulwesen zurückzu-
drängen. Zwiespältige Gefühle mußte auch der ungestüme zentralistische Dirigismus
wecken, mit dem vor allem Schmittlein im Stile eines Präfekten seine bildungspolitischen
Zielsetzungen zu verwirklichen trachtete, wenn ansonsten französischerseits penetrant
und kleinlich jeder unitarische Gestaltungswille in der Behandlung gesamtdeutscher An-
gelegenheiten unterbunden wurde.
148 Vgl. Schreiben Stohr an Schmittlein vom 4. 10. 1946, LA Speyer, Bestand H 12, Nr. 270.
149 Schmittlein an Oberkirchenrat (Evangelische Landeskirche von Württemberg) vom 10. 9.1947.
Zitiert nach R. Winkeier, S. 29. Vgl. auch A. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 84 ff.
150 A. Ruge-Schatz, Umerziehung, S. 41. Zur Problematik der gymnasialen Schulreform hat
Ruge-Schatz einen aufschlußreichen Beitrag vorgelegt, den sie auf der Grundlage einer aus
dem Jahre 1946 stammenden Korrespondenz zwischen Stohr und Schmittlein verfaßt hat. A.
Ruge-Schatz, revers.
151 Die Zusammensetzung unseres Militärverwaltungspersonals war bunt. Wegen ihrer deutschen
Sprachkenntnisse waren viele Elsässer dabei, dann aber auch eine Reihe Teilnehmer an der Beset-
zung nach 1918. Neben Vichy-Kollaborateuren, die ihre Identität wechseln wollten, entdeckte
man Angehörige der Résistance, die ihre Verdienste honoriert wissen wollten. Eine interessante
Gattung waren die ehemaligen Kolonialbeamten, die in den Deutschen sozusagen den Araber
sahen. An eigentlichen Fachleuten hatten wir vor allem in der ersten Zeit großen Mangel. Zuletzt
sei noch eine Gruppe genannt, die besonders erwähnt werden muß, die deutschen Jugend. Im Bil-
dungssektor hat steh die Heterogenität des Personals nicht so bemerkbar gemacht, weil Schmitt-
lein auf qualifizierte Erziehungsfachleute Wert legte. Pers. Mitteilung R. Chevals vom 19. 9.
1979. Ein Versuch, den Charakter der französischen Militärregierung näher zu bestimmen, neu-
erdings durch K.-D. Henke, Widersprüche.
54
Die tiefere Ursache für diesen unglaubwürdigen Zug in der französischen Deutschlandpo-
litik im allgemeinen und in der Schulpolitik im besonderen lag in den im Vergleich zu
Deutschland aber auch zu den angelsächsischen Siegermächten wesentlich stärkeren An-
tagonismen der französischen Nachkriegsgesellschaft. Sie hatten natürlich ihre entspre-
chenden Ausstrahlungen auf das öffentliche Bildungsleben in Frankreich. Aus diesem
Grunde hat die Kulturpolitik der französischen Besatzungsmacht in Wirklichkeit niemals
jenes Maß an Geschlossenheit erreicht, das deutscherseits in Anbetracht des damals un-
überwindbar erscheinenden Gegensatzes zwischen beiden Ländern angenommen wurde.
Schulfragen standen in Frankreich seit dem Übergang zur Bildungsgesellschaft im 19.
Jahrhundert immer wieder im Brennpunkt von Auseinandersetzungen, wobei klare
Frontlinien in einem komplexen Geflecht von sozialen und kulturellen Divergenzen oft
schwer auszumachen sind. „Der Gegensatz von Links und Rechts, vorrevolutionärer
Welt und 1789, konservativem Ordnungsdenken und republikanischer Fortschrittsgläu-
bigkeit, katholischer Kirche und modernem Staat hat sich darin jeweils neu aktuali-
siert“ 152. Im Nachkriegsfrankreich flammte der Streit um die Schule erneut auf, ohne daß
der traditionelle Gegensatz zwischen der im positivistischen Geist dogmatisch auftre-
tenden Allianz von Liberalismus und Sozialismus einerseits und der katholischen Kirche
und ihren religiösen Erziehungsansprüchen andererseits hätte überbrückt werden
können. Die Auseinandersetzungen um die Schule eskalierten vielmehr zu einer polemi-
schen Verhärtung, in der sich die Zerrissenheit der französischen Nachkriegsgesellschaft
deutlich widerspiegelt. Wesentlichste Ursachen für diese wachsende Polarisierung waren
zum einen die unzureichende geistige Bewältigung der raschen Kriegsniederlage gegen
Deutschland im Jahre 1940 sowie das Vichy-Regime und zum anderen die rasch aufkei-
mende Einsicht in eine unabdingbare Reform des überalterten institutionellen Systems
der öffentlichen Bildung angesichts eines dynamisch fortschreitenden Wandels zur Indu-
striegesellschaft. Diese eifrige Suche nach Erneuerung war in Frankreich infolge stark er-
halten gebliebener agrarischer Strukturen erheblich stärker von retardierend wirkenden
Kräften begleitet als in Deutschland. In den allesamt kläglich gescheiterten Versuchen153,
das öffentliche Bildungswesen nach dem Kriege zu reformieren154, spiegeln sich die tiefen
aus sozialen und politisch-ideologischen Spannungen herrührenden Gräben der dama-
ligen Gesellschaft Frankreichs wider. Die Disfunktionalität und Schwäche des Systems
der Vierten Republik mit ihren erbitterten Wahlkämpfen, brüchigen Koalitionen, Partei-
und Fraktionsfehden und wenig transparenten Kriterien bei der Bildung meist wirkungs-
schwacher Kabinette sind Ausdruck dieses Mangels an Konsens im allgemeinen und in der
Bildungspolitik im besonderen.
152 R. von Alberdni, S. 240.
1 ’ Vgl. dazu im einzelnen Ch. W. Schneider, S. 89 ff. und E. H onig, passim.
'4 Hierzu ausführlich j. Rova n, Kampf (Ghetto) und derselbe, Kampf (Vierte Republik). Rovan
stellt vor allem den Gesichtspunkt parteipolitischer Auseinandersetzungen um die Schule heraus.
Aus eher pädagogischer Sicht Ch. W. Schneider und, in Reflexion der pädagogischen Fach-
presse Frankreichs, E. Honig. Zusammenfassend F. Goebel und H. Thomas. Alle vorge-
nannten Beiträge gehen mehr oder weniger ausführlich auf die Bildungsgeschichte Frankreichs
seit 1800 ein. Hinsichtlich der allgemeinen Kulturpolitik noch immer heranzuziehen E. R. Cu r-
tius. Zur inneren und äußeren Struktur des französischen Bildungssystems J. Schrie wer. Sch.
untersucht eingehend die Situation der französischen Universität von 1945 bis 1968 und be-
leuchtet dabei ausführlich die historische Genesis seit 1800. Vgl. auch R. Poignant und W.
Schultze (Hrsg.).
55
Die Gegensätze in den Anschauungen, die sowohl im Hinblick auf den Grad staatlicher
Einflußnahme als auch auf Form und Geist des öffentlichen Bildungswesens bestanden,
sollen im folgenden durch die Vorstellung von Personen aufgezeigt werden, die an verant-
wortlicher Stelle maßgeblich die schulpolitische Marschroute ihres Landes in Deutsch-
land bestimmt haben. Kriterien der Auswahl waren die Möglichkeiten der Mitwirkung in
den Zentren Paris und Baden-Baden sowie — im Interesse des hier gestellten Themas - in
der Militärverwaltung im Saarland. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die Jahre bis
1947, als der geschlossene Wille, die deutsche Gefahr definitiv zu eliminieren und
Deutschland als Machtfaktor in Mitteleuropa auszuschalten, noch klar dominierte, die
durch differente Standpunkte bewirkte Schwächung in Bildungsfragen also noch verdeckt
war.
Einer der entschiedendsten Vertreter einer vom rationalistischen Glaubensgehalt der
Dritten Republik inspirierten Schulpolitik war der einflußreiche Leiter der Direction de
l’Éducation Publique, der als liberaler Gaullist einzustufende General Schmittlein155.
Schmittlein, durchaus idealistisch gesonnen, verfolgte seine schulpolitischen Ziele mit
missionarischem pädagogischen Eifer und in dem festen Glauben an die Wirksamkeit
staatlicher Erziehungsinstitutionen. Er war ohne Zweifel eine dynamische Persönlichkeit,
die es verstand, Mitarbeiter für gestellte Aufgaben zu begeistern156. Als Anhänger eines
weltlichen Schulsystems darf auch General Eugène Theodore Hepp eingestuft werden. Er
war als Inspecteur général der französischen Militärregierung für die Abstimmung aller
bildungspolitischen Maßnahmen mit den anderen Besatzungsmächten zuständig. Hepp
vertrat aber im Gegensatz zu Schmittlein seinen Standpunkt wesentlich zurückhaltender
und verbindlicher157. Weniger beeindruckt von den republikanischen und antikirchlichen
Traditionen seines Heimatlandes war General Koenig158. Er verständigte sich im Frühjahr
1947 mit Georges Bidault, dem für seinen langjährigen intransigenten Kurs in der
Deutschlandpolitik bekannten mehrmaligen Außenminister Frankreichs159, über eine
Zurückhaltung der französischen Besatzungsmacht in Schulfragen160. Dieses Einver-
nehmen führte dazu, daß die Franzosen im gleichen Jahr die Ergebnisse der Plebiszite zu-
gunsten der konfessionellen Volksschule in Rheinland-Pfalz und Baden akzeptierten. We-
sentlicher blieb für Koenig und Bidault die Frage nach der nationalen Unabhängigkeit
bzw. Sicherheit Frankreichs und die Restauration seiner Grandeur, ein Standpunkt, der
auch von Staatssekretär Pierre Schneiter geteilt wurde161, der vom August 1946 an als
Nachfolger René Mayers das am 26. Dezember 1945 gegründete Commissariat aux Af-
faires Allemandes et Autrichiennes leitete, welches als Sonderabteilung des Quai d’Orsay
155 Siehe oben, S. 48 und S. 50 ff.
156 Persönliche Mitteilung R. Chevals vom 18.9. 1979.
157 Persönliche Mitteilung R. Chevals vom 18. 9. 1979.
158 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
159 Zur Politik und Person Bidaults vgl. G. Ziebura, Beziehungen, S. 45.
160 11 convient, enfin, de veiller à ce que les Allemands n’aient jamais l’impression que nous cher-
chons à leur imposer des méthodes et des conceptions spécifiquement françaises. Le système d’é-
ducation qui sera institué dans notre zone doit être conforme aux principes démocratiques, mais
non calqué sur le système français. Toute réforme de structure qui ne tiendrait pas suffisamment
compte de centaines de traditions allemandes serait, en effet, vouée à l’échec. Bidault an Koenig
vom 14. 3. 1947. Zitiert nach R. Gilmore, S. 91, der allerdings, weil er sich dazu verpflichtet
hat (siehe Vorwort), die Herkunft der Quelle verschweigt.
161 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
56
für die Koordination der französischen Deutschlandpolitik zwischen Paris und Baden-
Baden zuständig wurde und dabei auch erhebliche Einflußmöglichkeiten auf die Schulpo-
litik erhielt. Mit Bidault und Schneiter, führende Politiker des christlich-sozial orien-
tierten Mouvement Républicain Populaire (MRP), ist jene einflußreiche Gruppe ange-
sprochen, die aufgrund von starken kirchlichen Bindungen in einer entschieden ableh-
nenden Position zu den laizistischen bildungspolitischen Auffassungen eines General
Schmittlein verharrte. Zu ihr zählten auch der Generalsekretär im Commissariat aux Af-
faires Allemandes et Autrichiennes, Michel Debré162, sowie Alain Poher163. Poher wurde
im Jahre 1948 zum Commissaire général des Commissariats ernannt, als Robert
Schuman, der als einer der zähesten und erklärtesten Befürworter kirchenfreundlicher
Schulstrukturen in Frankreich bekannt war164, bereits einige Monate Außenminister war.
Entschiedene Verfechter eines säkularisierten Bildungswesens kamen dagegen aus dem
Lager des französischen Sozialismus. Ihre Motive wurzelten allerdings nicht in der Fort-
schrittsgläubigkeit und dem Antiklerikalismus der Dritten Republik, sondern in der Vor-
stellung eines „revolutionären Humanismus“165, den sie zur Zeit der Résistance als An-
hänger einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ideell entwickelt hatten. Mit ihrem so-
zialkritischen Ansatz stellten sie vor allem das egalitäre Prinzip in den Vordergrund und
bildeten damit in der Reformdiskussion um die Schule jene Fraktion im Nachkriegsfrank-
reich, die im Interesse einer „révolution sociale” für eine weitgehende Demokratisierung
des Schulwesens eintrat, womit sie sich eindeutig gegen das harte Auswahl- und Lei-
stungsprinzip der Vergangenheit und gegen Bildungsprivilegien bürgerlicher Mittel-
schichten wandten. In der französischen Besatzungsarmee wurde insbesondere General
Émile Laffon, Administrateur général in Baden-Baden, mit solchen Ideen in Verbindung
gebracht, obgleich er nicht Mitglied einer entsprechenden Partei war. Seine sozialistischen
Neigungen brachten ihn in einen scharfen Gegensatz zu Koenig und Schmittlein. Laffon,
der im Unterschied zu Koenig und Schmittlein zur Résistance im Inland gehört hatte und
dem man eine technokratische Denkweise nachsagt, quittierte im November 1947 seinen
Dienst in Baden-Baden. Sein Abgang wurde in Frankreich als Niederlage der Linken emp-
funden166. Erklärter Anhänger sozialistischer Bildungsgrundsätze war auch Marcel-Ed-
mond Naegelen, gebürtiger Elsässer und vorübergehend Erziehungsminister, und der Ge-
neralinspekteur im französischen Unterrichtsministerium César Santelly, der freilich zu
der Minderheit im sozialistischen Lager zu rechnen ist, die in den ersten Nachkriegsjahren
mit zweifelhaften psychologischen Herleitungen gegen die Deutschen polemisierte. Nae-
gelen und Santelly hatten nur einen geringen Einfluß auf die bildungspolitischen Entschei-
dungen und Maßnahmen der Militärregierung in Baden-Baden.
162 Debré wurde im Laufe der 2. Hälfte des Jahres 1946 als Nachfolger von Alain Savéry zum Gene-
ralsekretär des Commissariats bestellt. Gleichzeitig übertrug man ihm die Zuständigkeit für saar-
ländische Angelegenheiten. Schreiben Debrés an den Vf. vom 29. 7. 1977. Darin präzisierte er
auch seinen Standpunkt in der Schulfrage. Die sogenannte Unterdirektion Saar wurde erst im
November 1947 eingerichtet.
Ié3 Persönliche Mitteilung F. Lussets vom 19. 9. 1979.
164 Vgl. J. Rovan, Kampf, S. 108.
165 G. Ziebura, S. 26.
166 Persönliche Mitteilung J. Vaillants vom 19. 9. 1979.
57
Ebenso wie General Koenig nahm auch Gilbert Grandval, der Militärgouverneur und
spätere Hohe Kommissar bzw. Botschafter Frankreichs an der Saar, für seinen Verant-
wortungsbereich eine fast indifferent zu nennende Haltung in der Frage des Verhältnisses
von Staat und Kirche in öffentlichen Bildungsangelegenheiten ein168. Für ihn war die
Frage nach den nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen Frankreichs die ent-
scheidende, ihr ordnete er alle anderen, auch die bildungspolitische, unter. Dagegen war
der Leiter seines Service de l’Éducation Publique in Saarbrücken, Jean Babin, ein über-
zeugter Anhänger einer Schulpolitik auf der Grundlage katholischer Erziehungsgrund-
sätze169.
Bis zum Jahre 1947 sind die gegensätzlichen Strömungen in der französischen Bildungs-
politik, die vor allem zwischen Schmittlein einerseits und den stark kirchlich gebundenen
Politikern wie Bidault, Schuman, Schneiter, Debré und Poher andererseits festzuhalten
sind, kaum in Erscheinung getreten, weil in diesem Zeitraum für Frankreich grundsätz-
liche Fragen der Politik im Rahmen eines neuen Versuchs europäischer Friedensordnung
im Vordergrund standen und weil die französische Deutschlandpolitik ungeteilt und un-
bestritten im Zeichen eines umfassenden Sicherheitsstrebens verharrte. Die Folge war,
daß einzelne Stimmen der Kritik an den Maßnahmen und Zielen der französischen Mili-
täradministration im allgemeinen und in der Schulpolitik im besonderen wenig Wirkung
hatten170. Erst als sich vom Jahre 1948 an das französische Deutschlandbild allmählich
aufzuhellen begann, ein Prozeß, der durch das Bewußtwerden neuer politischer Konstel-
lationen in Europa und einer veränderten Weltlage bewirkt wurde, lockerte sich die Starr-
heit der französischen Position gegenüber Deutschland auf171. Dieser Wandel wurde vor
allem sofort in solchen Bereichen spürbar, die, wie das öffentliche Bildungswesen, schon
früh in die Mitregie einheimischer Gestaltungskräfte gelangten. Gleichzeitig wurden in
der französischen Publizistik Stimmen laut, die zum Teil prononciert eine Aussöhnung
zwischen Frankreich und Deutschland befürworteten172. Zu diesen gehörte auch der
spätere Rektor der Universität Saarbrücken, der französische Germanist Joseph-François
Angelloz173. Gleichwohl gab es auch noch im Jahre 1948 erhebliche bildungspolitische
Spannungen zwischen der Militärregierung und deutschen Stellen. So beklagten sich
kirchliche Vertreter aus den Diözesen Mainz, Speyer und Trier anläßlich eines Empfangs
am 10.10.1948 bei dem damaligen französischen Außenminister Robert Schuman in Ko-
blenz über abfällige Bemerkungen General Schmittleins über die Konfessionsschule, die
konfessionelle Lehrerbildung und das humanistische Gymnasium, die er gelegentlich
eines Presseempfangs in Baden-Baden getan hatte. Dabei erklärten sie sogar, daß die Bi-
schöfe öffentlich dazu Stellung nehmen würden. Nach Rücksprache mit dem anwesenden
Militärgouverneur von Rheinland-Pfalz, Hettier de Boislambert, ließ Schuman dann
168 Interview E. Straus vom 25. 11.1976 und Interview P. Woelfflin vom 12. 10. 1977.
169 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978. Angaben zur Person des saarländischen Militärgouverneurs
erfolgen im nächsten Kapitel.
170 Solche kritische Äußerungen stammen z. B. aus der Feder des sozialistisch orientierten Publizi-
sten E. Morin. Vgl. E. Morin, Zéro und E. Morin, Allemagne.
171 G. Ziebura, S. 44
172 So z. B. R. d’ Harcourt, Allemagne und Les Allemands. Besorgt aber um ein differenziertes
und ausgewogenes Urteil bemüht R. Minder, Allemagne. In diesem Zusammenhang dürfen
auch Namen des französischen Geisteslebens wie Emmanuel Mounier, Albert Béguin, Gabriel
Marcel, Jean-Paul Satre, Jean Paulhan und Jacques Droz genannt werden.
173 J.-F. Angelloz, politique culturelle.
58
durchblicken, daß die Schulangelegenheit künftig nur noch Sache der deutschen Be-
hörden sein würden174. Aber erst mit dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts im Jahre
1949, als die Militärregierung ihre Verfügungsgewalt über die deutsche Schule verlor,
kam das endgültige Ende solcher Rückzugsgefechte Baden-Badens175.
Betrachtet man die Bildungspolitik der französischen Besatzungsmacht allein unter dem
Blickwinkel des unversöhnlichen und nationalistischen Kurses der Jahre bis 1947, so ist
man versucht, einen besonders nachdrücklich vorgetragenen bildungspolitischen Willen
Frankreichs für das Saarland anzunehmen. Der Grund für diesen Gedanken gründet in
den bereits erwähnten besonderen politischen Absichten, die sich für Frankreich mit
dieser grenznahen und industriell bedeutsamen Region verbanden. Umso überraschter ist
man, wenn man im folgenden Hauptkapitel erfährt, daß ausgerechnet an der Saar die
französische Militärregierung in Bildungsangelegenhelten betont zurückhaltend ope-
rierte und der einheimischen Politik schon viel früher als Baden-Baden Kompetenzen für
die Neuorganisation und Gestaltung des Lebensbereichs Schule zurückgab. Dieses groß-
zügige Entgegenkommen, das auch mit Blick auf die Sozialpolitik und die interne Verwal-
tungshoheit zu registrieren ist, war freilich Bestandteil einer Strategie, die die politische
Lostrennung dieser Region von Deutschland im Auge hatte und gleichzeitig die Wahrung
französischer Interessen im Rahmen einer dann auch später verwirklichten Wirtschafts-
und Zollunion suchte. Die Militärregierung unter Grandval erkannte dabei schon 1946
in einem breit getragenen separatistischen Willen eine wichtige Voraussetzung für ihre po-
litische Konzeption und verzichtete, um möglichst große Teile der einheimischen Bevölke-
rung für sich zu gewinnen, bewußt auf einen rigiden und zum Teil engherzigen schulpoli-
tischen Kurs der Fremdbestimmung, wie er, getragen vom Ethos einer fortschrittlich ver-
standenen Kulturmission einerseits und nationalen Sicherheitsspekulationen anderer-
seits, von Baden-Baden gesteuert wurde. Dieser generös gewährte schulpolitische Frei-
raum entsprang allein taktischen Spekulationen und bedeutete keineswegs eine differente
Haltung gegenüber der zentralen Militärregierung in Baden-Baden in fundamentalen
Fragen der französischen Deutschlandpolitik, was allein schon die penetrant und unnach-
giebig vorgetragene Separationsforderung beweist. Diese Prämisse gilt es im Auge zu be-
halten, wenn im folgenden Hauptkapitel Zentralfragen saarländischer Bildungspolitik
nach 1945 wie etwa Schulaufsicht und Schulverwaltung, Konfessionalität, Entnazifizie-
rung und Umerziehung der Lehrerschaft, Lehrerbildung, französischer Sprachunterricht
an Volksschulen, Zentralabitur, Bildungsziele und Lehrpläne, Aufbau eines akademi-
schen Bildungssystems usw. in den Mittelpunkt gerückt werden. Man hat Frankreich frei-
lich oft unterstellt, daß es zumindest in den Jahren 1945/46 einen solchen Interessenaus-
gleich mit den Saarländern, wie er soeben skizziert worden ist, nicht erstrebt, sondern zu-
erst auf eine politische Annexion spekuliert habe. Ob eine solche Absicht tatsächlich be-
174 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948 (11. Oktober 1948). Nach Aufzeichnungen über diese Ausein-
andersetzungen.
175 Die Pfalz - das ist das Bistum Speyer - vollzog die Rekonfessionalisierung ihrer Schulen in den
Jahren 1949/50. Der Kampf ist inzwischen vorüber. Bericht des Prälaten W. Böhler, dem Beauf-
tragten des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, an die Fuldaer
Bischofskonferenz 1953 über Schulfragen, S. 4. BA Speyer, Bestand der Registratur 14/1.
59
standen hat und ob aus ihr möglicherweise entsprechende bildungspolitische Ziele ent-
wickelt worden sind, ist darum eine Frage, die zunächst zu klären ist. Anschließend gilt
es, den Wiederaufbau des saarländischen Bildungswesens unter der Regie der Militärre-
gierung zu untersuchen. Der Zeitraum, der dabei vornehmlich im Auge zu behalten ist,
deckt sich nicht mit der offiziellen Dauer ihrer Existenz bis zur Jahreswende 1947/48, son-
dern greift, insbesondere im Schlußkapitel, bis in das Jahr 1950.
60
B.
Der Neuaufbau des öffendichen Bildungswesens an der Saar
unter der Regie der französischen Militäradministration
1. Französische Annexionsabsichten?*)
Gilbert Grandval, über 10 Jahre der mächtige und energische Vertreter Frankreichs an der
Saar, hat im Jahre 1976 innerhalb einer Fernsehsendung entschieden bestritten, daß sein
Land nach dem Zweiten Weltkrieg das Saarland jemals habe annektieren wollen.1 Schon
ein Jahr zuvor hatte er solche Spekulationen Frankreichs zurückgewiesen, als er im Saar-
ländischen Rundfunk im Rückgriff auf Willensabsichten führender französischer Poli-
tiker wie General Charles de Gaulle, Felix Goin, Georges Bidault und Léon Blum versi-
cherte: Um mich ganz klar auszudrücken: es wurde nie von einer Annexion des Saar-
landes gesprochen.1 Bis zum heutigen Tag sind solche und ähnliche Beteuerungen von
französischer Seite immer wieder abgegeben worden. Allerdings hat man ihnen bisher
wenig Glauben schenken können, weil es eine Reihe von Anhaltspunkten gibt, die er-
kennen lassen, daß Frankreich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Saar doch in
seinen Staatsverband einverleiben wollte.3
Zur Spekulation über französische Annexionsgelüste bezüglich deutscher Gebiete und
hier insbesondere der Saar haben in erster Linie Äußerungen de Gaulles im Zeitraum
1944/45 beigetragen. So erhob er schon im Rahmen der französisch-russischen Ge-
spräche vom 2. bis 10. Oktober 1944 in Moskau gegenüber Stalin u. a. die Forderung: La
frontière géographique et militaire de la France est constituée par le Rhin et... l’occupa-
tion de cette ligne est nécessaire à sa sécuritéA Auf einer Pressekonferenz am 25. Januar
1945 in Paris bekräftigte de Gaulle wiederum unter Hinweis auf die Sicherheitsinteressen
seines Landes diesen Standpunkt, indem er ankündigte: La France ... veut donc être soli-
dement établie d’un bout à l’autre de cette frontière naturelle.5 Direkte Annexionsforde-
rungen im Sinne einer neuen Grenzziehung, wie sie etwa von Raymond Poincaré nach
dem Ersten Weltkrieg erhoben worden sind, sucht man in den Stellungnahmen de Gaulles
allerdings vergeblich. Er bevorzugte bewußt eine Taktik des Nuancierens und des Offen-
haltens und konzentrierte die Ansprüche seines Landes nachdrücklich auf Einfluß und
Kontrolle. Das Thema Annexion streifte er allenfalls in sybillinischen Redewendungen.
*’ Dieses Kapitel deckt sich inhaltlich weitgehend mit einem Beitrag des Verfassers im Jahrbuch für
westdeutsche Landesgeschichte, 9, 1983, S. 345 — 356 (Titel des Aufsatzes: „Wollte Frankreich
das Saarland annektieren?“)
1 H. Kubens und R. Lais, S. 2.
2 H. Schwan, Kampf, S. 4
In diesem Zusammenhang seien hier nur erwähnt: R. H. Schmidt, S. 1 ff.; J. Freymond, S.
44; J. Hoffmann, Ziel, S. 49 f.; H. Schneider, S. 24 ff.
4 Les Entretiens de Gaulle — Staline des 2, 6 et 8 décembre 1944, in: Recherches Internationales à
la lumière du Marxisme, No 12, Paris 1959, S. 32. Zitiert nach W. Lipgens, Etappen, S. 85.
Vgl. dort auch Anm. 126 auf S. 100.
5 L Année politique 1944-1945, Paris 1946, S. 101. Zitiert nach R. Hudemann, S. 331, Anm.
61
So zum Beispiel in seiner Baden-Badener Rede am 5. Oktober 1945, als er im Zusammen-
hang über eine von ihm erwünschte frankreichgeneigte Zukunft der linksrheinischen
deutschen Gebiete u. a. ausführte: S’agit-il d’une annexion? Non pas; du reste, je ne veux
pas jouer sur les mots. Ce doit être une union économique et morale, une présence, un con-
trôle indéfini,6
An sich spielte die Saar in der französischen Deutschlandpolitik nur eine untergeordnete
Rolle. Andererseits war davon auszugehen, daß das Interesse Frankreichs an dieser Indu-
strieregion in der unmittelbaren Nähe seiner Nordostgrenze stark sein würde. Schließlich
war es hier schon nach dem Ersten Weltkrieg gegenwärtig gewesen, um die Wirtschafts-
potentiale und damit die Rüstungskraft der beiden Länder zugunsten der eigenen zu ver-
schieben. Aus diesem Grunde mußte man im Jahre 1945 erwarten, daß Frankreich im
Falle beabsichtigter Annexionen in erster Linie die Saar im Auge haben würde. Aber auch
gegenüber der Saar hielt sich de Gaulle an seine taktische Marschroute. Anläßlich seines
Aufenthalts in Saarbrücken am 3. Oktober 1945 sprach er vor den Notabein der Stadt nur
vom Willen Frankreichs zum Beistand. Trotz allem, so de Gaulle, was zwischen uns vor-
gefallen ist, sind wir doch Westeuropäer, müssen zusammenstehen und einander ver-
stehen.7 Hinter solchen Werbungen stand die Vorstellung des geschichtsbewußten Gene-
rals von einer Wiedergeburt eines politisch starken Abendlandes, dessen Kern ein welt-
weit geachtetes Frankreich sein sollte. Mußte eine solche aus der Suche nach einer groß-
räumigen Neuordnung Westeuropas und einem starken Frankreich gedanklich entwik-
kelte Politik aber nicht doch eine politische Annexion der hochgradig industrialisierten
Saar herausfordern?
In Frankreich selbst gab es genug Stimmen, die für einen solchen Schritt plädierten. Erin-
nert sei hier nur an verschiedene Äußerungen in der Debatte der Provisorischen Bera-
tenden Versammlung am 21. und 22. November 1944 in Paris, an die Erklärung ihres
Außenpolitischen Ausschusses zur Saarfrage vom 5. Mai 1945, an verschiedene Partei-
kongresse und auch an den Bericht der nach dem ehemaligen französischen Konsul in
Saarbrücken, L. Abel Verdier, benannten Kommission über die Saarfrage.8 Französische
Annexionsneigungen lassen sich überdies in dem begünstigten Wirken von Organisa-
tionen vermuten, die mehr oder weniger offen für eine Einverleibung der Saar in den fran-
zösischen Staatsverband eintraten, nämlich der Association française de la Sarre und dem
Mouvement pour la Libération de la Sarre,9 das später bezeichnenderweise in Mouve-
ment pour le Rattachement de la Sarre à la France umgenannt wurde. Schließlich deuten
auch die penetrant vorgetragenen Hinweise auf die besondere Verbundenheit der Saar mit
der französischen Geschichte an, daß in Frankreich eine breite und tief verwurzelte Zu-
stimmung für einen politischen Anschluß der Saar bestand. Der innenpolitische Rückhalt
für einen Annexionsentschluß war für die französische Regierung im Jahre 1945 zweifels-
ohne recht stark.
6 La Revue de la Zone Française, Freiburg 1945, 9. Zitiert nach H.-P. Schwarz, S. 184.
Renaissance de la Sarre, Saarbrücken 1947, S. 45. Zitiert nach J. Freymond, S. 45.
8 Auszugsweise abgedruckt in Le Monde vom 7. und 8. Mai 1945. Eingehende Würdigung bei J.
Freymond, S. 40 f.
9 Zur Geschichte, Programmatik und Mitgliederstruktur dieser Vereinigungen vgl. im einzelnen
J. Freymond, S. 37 ff. und R.H. Schmidt, Bd. 1, S. 149 ff. und S. 512 f. Siehe auch Anm.
15 auf S. 65.
62
Wenn sie dennoch in dieser Frage unschlüssig blieb, so lag das zunächst daran, daß die An-
nexion der Saar zwar verbreitet gutgeheißen wurde, daß man aber über die Art und Weise
ihrer Einverleibung höchst unterschiedliche Vorstellungen entwickelte. In diesem Sinne
gab es französischerseits keinen Einheitswillen, und darin liegt sicherlich eine wesentliche
Ursache für die stete Behauptung, daß Frankreich eigentlich nie die Absicht gehabt habe,
die Saar zu annektieren. Die Meinungsverschiedenheiten entzündeten sich vornehmlich
an der Frage, ob man fast eine Million Menschen, die sich als Deutsche fühlen, in den fran-
zösischen Staatsverband aufnehmen könne, ohne auf Dauer Belastungen zu provozieren.
Das nationale Selbstbestimmungsrecht als hochgeschätzter Wert weckte hier starke
Skrupel. Aus der Fülle der Verlautbarungen und Erklärungen zur Saarfrage in der unmit-
telbaren Nachkriegszeit lassen sich genug Belege finden, die die nachhaltigen Bedenken
in der französischen Öffentlichkeit gegen ein einseitiges Vorgehen unterstreichen. Im
Grunde lassen die Meinungsäußerungen drei Positionen erkennen. Nur eine Minderheit
verlangte eine direkte politische Annexion. Die Mehrheit zielte dagegen zunächst auf eine
wirtschafts- und währungspolitische Verbindung. Diese Majorität zerfiel in etwa zwei
gleichstarke Lager. Das eine hegte die Hoffnung, daß sich die Saarländer infolge einer ge-
zielten Assimilationspolitik eines Tages als Franzosen fühlen würden, so daß man langfri-
stig, dann aber mit Zustimmung der Bevölkerung eine politische Zugehörigkeit der Saar
zu Frankreich erreichen würde, das andere begnügte sich von vornherein mit einer wirt-
schaftlichen Annexion ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg, allerdings wesentlich ent-
schiedener und intensiver als damals und vor allem ohne zeitliche Begrenzung.
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der französischen Regierung in der Saarfrage
war der starke Widerstand der Amerikaner und Briten gegen jede Politik, die auf Anne-
xionen zielte. Hier lehrten die Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg. Diese Abneigung
war im Jahre 1945 wesentlich stärker spürbar als 1947, als man Frankreich für Zuge-
ständnisse in der Deutschlandpolitik in seinen Interessen an der Saar entgegenkommen
mußte. Schon wenige Tage nach der Besetzung des Saarlandes durch französische
Truppen10 traten hier Dissonanzen auf. So alarmierte der Général Gouverneur militaire
Sarre die Befehlszentrale in Baden-Baden am 20. 7. 1945 telegraphisch über starke ame-
rikanische und britische Aversionen gegenüber einer möglichen Politik des fait accompli:
En raison position nettement antifrançaise prise par certains milieux et officiers du Gou-
vernement militaire américain concernant la Sarre estime indispensable pour éviter diffi-
cultés interalliées avoir politique française très prudente en Sarre et en particulier ne
laisser entrer en fonction que personnel militaire de gouvernement à l’exclusion de fonc-
tionnaires civils.
Darüber hinaus müsse sofort die zwanzigköpfige Kommission, die im Auftrag des Gou-
vernement Provisoire unter Leitung des Directeur des chancelleries im Außenministerium
L. Abel Verdier die Lage an der Saar in Hinblick auf künftige Entscheidungen studieren
solle, abberufen werden, da gerade sie eine fâcheuse interprétation der Alliierten provo-
ziere.11 In der Stellungnahme der Regierung (Etat Major Général de la Défense Nationale
!ß Das Saarland wurde am 21. 3. 1945 durch amerikanische Truppen besetzt, sie wurden ab 6. 7.
1945 durch französische abgelöst.
1] Telegramm vom 20. 7.1945. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Be-
stand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 1.
63
1 ère Section), die aufgrund eines Berichts aus Baden-Baden zustande kam, wird die Tätig-
keit der Verdier-Kommission zwar verteidigt, da es sich gezeigt habe, combien il est urgent
de voir le Gouvernement prendre des décisions générales à ce sujet,12 aber gerade diese Be-
gründung belegt, daß Frankreich im Juli 1945 auf keinen Fall schon eine entscheidungs-
reife Absicht in Bezug auf die Saar hatte. Für Frankreich war die Saar eine außenpolitische
Detailfrage, die angesichts des raschen Wechsels vom besiegten Land zum Mitsieger oh-
nehin kaum von langer Hand planend in Angriff genommen werden konnte. Erste Vor-
kehrungen für eine Abtrennung dieses Gebiets traf die französische Regierung im August
1945. Dies geht aus einem Schreiben General Laffons, dem Administrateur Adjoint der
französischen Militärregierung in Baden-Baden an General Koenig, den Oberbefehls-
haber der französischen Truppen in Deutschland, vom 24. Mai 1946 hervor, das sich ein-
gehend mit den Questions sarroises auseinandersetzte. Dort heißt es: Le Gouvernement
français, en Août 1945, nous avait adressé des instructions particulières12a sur la Sarre; il
nous demandait de préparer le terrain et de faciliter, en certains domaines la coupure qui,
un jour, surviendrait entre la Sarre et l’Allemagne. Vous savez que ces instructions ont été
scrupuleusement suivies et que nous nous sommes attachés, par des mesures appropriées,
à esquisser une certaine autonomie de cette Province, aussi bien sur le plan économique
qu’administratif et culturel.
Wenn es auch, so Laffon weiter, in der Tat so scheinen mag, que la population de cette
Province n’est pas, dans l’ensemble sentimentalement attirée vers nous, so sei doch die in-
quiétude de l’avenir de même que son souci d’une amélioration immédiate de son sort
principalement à l’origine de la ’compréhension’ que nous avons trouvée chez elle... Zum
Schluß seiner Ausführungen betont Laffon, daß Baden-Baden ein climat relativement fa-
vorable au rattachement der Saar geschaffen habe und auch die mesures qui s’imposaient
pour faciliter sur le plan administratif, ce même rattachement au cas où il viendrait à être
décidé.12 13 Als führendes Mitglied der Militärregierung spricht Laffon im Mai 1946 deut-
lich von „rattachement“ des Saarlandes und meint damit offensichtlich einen politischen
Anschluß dieses Gebiets an Frankreich. Diese Annahme ist vor allem aus dem letzten Satz
abzuleiten, wo er einen solchen Schritt von einer entsprechenden Entscheidung der Regie-
rung abhängig macht, womit die von ihm anfangs erwähnte „gewisse Autonomie“ der
Saar auf wirtschaftlicher, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene eindeutig nur im
Sinne einer vorbereitenden Maßnahme und damit als vorübergehende Situation gemeint
sein kann. Man darf davon ausgehen, daß Laffon als Stellvertreter Koenigs über die Ab-
sichten seiner Regierung wohlinformiert war. Wenn er also im Mai 1945 eine Entschei-
dung im Sinne eines politischen Anschlusses noch für möglich hielt, dann muß es inner-
halb der französischen Regierungsorgane zu diesem Zeitpunkt immer noch Aussichten
auf einen entsprechenden Mehrheitsbeschluß gegeben haben. Andererseits bestätigt die
Stellungnahme Laffons, daß die Regierung auch im Mai 1946 ein klares Saarkonzept
12 Die Stellungnahme datiert vom 27. 7. 1945 und ist gerichtet an den Général d’Armée, Juin, Chef
d’Etat Major Général de la Défense Nationale. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Do-
cumentation, Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay,
Nr. 1.
12a Die hier erwähnten Instruktionen konnten leider noch nicht ermittelt werden.
13 Laffon an Koenig vom 24. 5. 1946. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documenta-
tion, Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
64
immer noch nicht entwickelt hatte. Auf die Offenheit der Lage im Frühjahr 1946 deutet
auch der Zwist zwischen Grandval und Pariser Amtsstellen um das im Januar 1946 in
Saarbrücken eröffnete französische Generalkonsulat hin, das Grandval offensichtlich als
verfrühte Vorentscheidung gegen den politischen Anschluß der Saar aufgefaßt haben
muß, wenn er in einem Schreiben an Debré die Konsequenzen im Falle eines Fortbestehens
dieser Behörde wie folgt umschreibt: Il est bien évident que tout ce qui peut donner le sen-
timent qu’ un Consulat de France est ouvert à Sarrebruck, constitue une erreur. De nom-
breux Sarrois, chauds partisans du rattachement se sont déjà émus de l’activité de M. Ron-
flard (= Generalkonsul) et de l’ouverture qu’ils croient effective d’un Consulat de France
à Sarrebruck.14
Wenn man den Protest Grandvals möglicherweise auch unter dem Gesichtspunkt seiner
Sorge vor einer Machtkonkurrenz an der Saar sehen muß, so zeigt er dennoch, daß auch
er noch im Frühjahr 1946 mit dem Gedanken einer politischen Annexion gespielt hat.
Darauf deutet nicht zuletzt sein Hinweis auf die zahlreichen Saarländer hin, die als An-
hänger des Anschlusses durch die Existenz eines französischen Generalkonsulats in Saar-
brücken enttäuscht seien. Angesprochen ist damit offensichtlich das Mouvement pour le
Rattachement de la Sarre. Das Ziel dieser Bewegung, zu dessen Anwalt sich Grandval hier
machte, war aber eindeutig der politische Anschluß der Saar.15 Das Verhalten der franzö-
sischen Militärbehörden in Baden-Baden und Saarbrücken in der Saarfrage offenbart im
Frühjahr 1946 nicht nur eine gewisse Ratlosigkeit, sondern auch Ungeduld. Sie wünschen
einen klaren Kurs, den sie offensichtlich in Richtung politische Annexion erwarten, die
Regierung aber bleibt unschlüssig, weil sie kaum noch Hoffnung hat, internationale Zu-
stimmung für ein einseitiges und entschlossenes Vorgehen zu finden. Die aber braucht
Frankreich, weil es Hilfe von außen für den Wiederaufbau nötig hat. Ein rücksichtsloses
Vorgehen an der Saar hätte diese Unterstützung, die man vor allem von den USA erwar-
tete, gefährden können.
Aber schon im August 1945 hatten die Amerikaner dem Begehren Frankreichs nach einer
politischen Angliederung der Saar, das im Zusammenhang mit der weiterreichenden For-
derung nach einer Abtrennung des Rheiniandes und der Kontrolle des Ruhrgebietes an-
läßlich eines Staatsbesuchs de Gaulles und Bidaults in Washington16 vorgetragen wurde,
keine Zustimmung geben können. Scheinbar unbeeindruckt von dieser Absage trug
Frankreich seinen Willen zur politischen Annexion der Saar auf der ersten Sitzung des
Rates der Außenminister im September 1945 in London erneut vor. Aber auch hier drang
es mit seiner Forderung nicht durch.17 Am 17. Januar 1946, also wenige Tage vor dem
14 Grandval an Debré vom 1. 3. 1946. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documenta-
tion, Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 1. Die
Intervention Grandvals führte zur Auflösung des Generalkonsulats.
15 Entstehung und Wirken dieser Organisation waren von französischer Seite stark protegiert
worden. Nach eigenen Angaben hatte das MRS im Jahre 1946 150 000 Mitglieder. Seinem Pro-
gramm entsprechend sollte dem politischen Anschluß ein langfristiger Assimilationsprozeß vor-
angehen.
16 Der Besuch fand in der Zeit vom 22. bis 25. 8. 1945 statt.
Nach J. F. Byrnes, S. 227 f. In der englischsprachigen Ausgabe, Speakling frankly, New York
1947, stehen die entsprechenden Stellen auf S. 170 f. In der Literatur sind die Mitteilungen von
Byrnes stets als aussagekräftigster Beleg für französische Annexionsneigungen zitiert worden.
Aber auch sie vermochten der französischen Seite bis heute das Eingeständnis nicht zu entlocken,
das man die Saar habe politisch annektieren wollen.
65
Rücktritt de Gaulles als Staatsoberhaupt und Ministerpräsident der Provisorischen Re-
gierung, deutete Außenminister Bidault erstmals eine flexiblere Haltung seines Landes in
der Saarfrage an. Vor der Nationalversammlung redete er nicht nur einer wirtschaftlichen
Annexion der Saar als eigentliches Ziel Frankreichs das Wort, sondern er erklärte für sein
Land auch die Bereitschaft, in der Saarfrage nur in Abstimmung mit den anderen Sieger-
mächten vorzugehen. Was den endgültigen Status dieses Gebietes angeht, so Bidault, so
wird er Gegenstand einer Entscheidung sein, die wir später zusammen mit unseren großen
Alliierten treffen werdend8 Im Zeichen dieser neuen Strategie erreichten die Alliierten
dann am 12. Februar eine Note, in der die französischen Kontroll- und Gegenwartsan-
sprüche in ihrem sicherheits- und wirtschaftspolitischen Kern ausdrücklich betont
wurden.
Im Falle eines Entgegenkommens stellte Frankreich eine geschmeidigere Haltung in der
Frage einer deutschen Zentralverwaltung in Aussicht, womit ein Junktim geboren war,
das von der französischen Diplomatie in den Auseinandersetzungen um die Saar in
späteren Jahren wiederholt in ähnlicher Weise eingesetzt werden sollte. Wenn die franzö-
sische Regierung auch ausdrücklich anerkannte, daß eine endgültige Regelung der Saar-
frage erst durch einen Friedensvertrag erfolgen könne, so liefern die offenbar bewußt hin-
ausgeschobene Aussage über die staatsbürgerliche Stellung der Saarländer und das aus-
drücklich betonte Recht der Saarländer auf spätere Optionen dennoch faßbare Hinweise,
daß der Gedanke an eine langfristig geortete politische Annexion im Frühjahr 1946 noch
längst nicht aufgegeben war.18 19
Die Entscheidung über das endgültige und dann auch in praktische Politik umgesetzte
französische Saarkonzept muß im Zeitraum Ende Mai 1946 (Brief Laffon)/September
1946 gefallen sein. Es sind Monate reger diplomatischer Aktivitäten Frankreichs wegen
der Saarfrage20 und intensiver Anstrengungen und Vorbereitungen, um den künftigen
Status der Saar zu klären. Dabei wird im September 1946 eine Zäsur deutlich und zwar
deshalb, weil der französische Außenminister Bidault in streng vertraulich und getrennt
geführten Gesprächen mit dem englischen Außenminister Ernest Bevin, und seinem ame-
rikanischen Kollegen, James Francis Byrnes, am 24. dieses Monats in Paris definitiv den
Verzicht Frankreichs auf eine politische Annexion erklärte. Gegenüber Bevin eröffnete er
das Gespräch vorsichtig mit der Bemerkung: Je ne vous demande ni bénédiction ni accord.
Je vous demande de ne pas vous opposer à certaines mesures que nous prendrons dans le
domaine douanier et monétaire.
Schließlich erklärte er klipp und klar:
Il ne s'agit nullement d’annexion politique ...Je désire préciser qu’il s’agit pour nous uni-
quement de mesures conservatoires et que c’est au cours de la discussion du traité de paix
que la décision finale devra être prise.
Bidault begründete das Vorgehen Frankreichs an der Saar vorwiegend mit der angeschla-
genen Stellung als europäische Ordnungsmacht, die sein Land unbedingt überwinden
18 Journal officiel. Débats pari. Assemblée nationale, 18. Januar 1946, S. 80. Zitiert nach der Über-
setzung bei J. Freymond, S. 45.
19 Vgl. hierzu J. Freymond, S. 45 f.
20 Im Zeitraum April 1946 bis April 1947 interventierte Franreich 14 mal offiziell bei den alliierten
Regierungen wegen der Saar. Außerdem soll es zahlreiche private Gespräche gegeben haben.
Nach R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 1. Die Aktivitäten nach dem 24. 9. 46 bezogen sich nur auf das
künftige Saarstatut.
66
müsse. Außerdem sei eine innenpolitische Stabilisierung wünschenswert, und da könne
ein außenpolitischer Erfolg nicht schaden. Bevin versicherte in seiner Antwort, daß seine
Regierung nunmehr a décidé d’appuyer, le moment venu, vos demandes sur la Sarre.
Die hier zitierte Quelle gibt darüber hinaus direkte Auskunft über die aufgeworfene Frage,
ob Frankreich die Saar im politischen Sinne hat annektieren wollen. Wenn man die fol-
gende Zeugenaussage Bidaults nicht infrage stellt, so wird man sie unbedingt bejahen
müssen, da Bidault gegenüber Bevin ausdrücklich hervorhob, daß de Gaulle die Absicht
gehabt habe, die Saar in den französischen Staatsverband einzuverleiben. Er sagte wört-
lich:
J’y (bezieht sich eindeutig auf den Begriff annexion politique) ai toujours été défavorable
et je m’y suis opposé lorsque c’était l'idée de de Gaulle. Mais depuis deux ans, je crie dans
le désert.21 22 23
Im nachfolgenden Gespräch mit Byrnes äußerte sich Bidault ähnlich:
Bien entendu, il ne saurait être question d’annexion politique. Je n’y ai, pour ma part, ja-
mais été favorable et c’est moi-même qui me suis opposé à l’adoption de cette thèse par
de Gaulle.12
Bidault versicherte dann noch, daß die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Saar
selbstverständlich einem Friedensvertrag Vorbehalten sei. In seiner Antwort konnte
Byrnes deswegen auf eine Unterstützungszusage in der Saarfrage verzichten, weil er in
seiner berühmt gewordenen Stuttgarter Rede am 6. 9. 1946 ein Plazet der Amerikaner für
eine wirtschaftliche Annexion in Aussicht gestellt hatte. Er beschränkte sich lediglich auf
die im Grunde vorwurfsvolle Bemerkung, daß er sich in dieser Ansprache davor gehütet
habe zu sagen, combien l’attitude de la France nous avait gêné dans notre désir d’établir
des administrations centrales en Allemagne,2i Es war eine Replik, in der nicht nur die re-
lative Kühle dieser Begegnung spürbar wird, sondern auch ein außenpolitischer Gegen-
satz der Perspektive. Für die Vereinigten Staaten waren die Auseinandersetzungen um die
Saar nicht mehr als eine störende Unebenheit in ihren weltweit georteten Strategien. Ein
wichtiger Faktor war dabei eine neue kräftige staatliche Ordnung für (West-)Deutsch-
land, und sie konnten auf französische Unterstützung und Zustimmung hoffen, wenn sich
das „préalable sarrois“ für Frankreich erfüllen würde. Andererseits zeigt der ausdrück-
liche Verzicht Frankreichs auf eine politische Annexion an, daß auch Paris allmählich Ein-
21 Conversation entre M. Bidault et M. Bevin le 24 septembre 1946, S. 4 f. Die Quelle trägt den Ver-
merk „Très Secret“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z
Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre an Quai d’Orsay, Nr. 17, Diese Stellung-
nahme steht scheinbar in Widerspruch zu einer Aussage Bidaults in einer Fernsehsendung aus
dem Jahre 1976. Damals antwortete er auf die Frage, ob Frankreich das Saarland habe annek-
tieren wollen, daß er sicherlich mehrere Male in diesem Sinne bei den Alliierten interverniert
habe. Bidault betonte aber in seiner Stellungnahme das wirtschaftliche Interesse seines Landes
derart deutlich, daß er eigentlich nur die vom Jahre 1946 an erstrebte wirtschaftliche Annexion
gemeint haben kann. Möglicherweise bezieht sich seine Aussage aber auch auf seine Aktivitäten
als Außenminister im Jahre 1945, Der Text des Interviews findet sich bei H. Kubensund R.
Lais, S. 3. Siehe auch die vorhergehende Anm.
22 Conversation entre M. Bidault et M. Byrnes le 24 septembre 1946, S. 6 f. Die Quelle trägt den
Vermerk „Très Secret“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand
Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
23 Conversation entre M. Bidault et M. Byrnes le 24 septembre 1946, S. 7. Ministère des Affaires
Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de
la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
67
Stellung zu den neuen Konstellationen fand, die durch den Zweiten Weltkrieg unab-
weisbar geschaffen worden waren. Der Abschied von der ehrgeizigen und selbstbewußten
Konzeption de Gaulles wich einer realistischeren Position. Sie war notwendigerweise von
der Einsicht getragen, daß Frankreich nicht die Kraft hatte, einen Hegemonialanspruch
à la de Gaulle in Westeuropa durchzusetzen. Möglich schien nur eine bündnisorientierte
Politik in der nun einsetzenden Spannung zwischen Ost und West, die deutschlandpoliti-
sche Komponente wurde nunmehr auf die bloße Forderung nach ausreichenden Sicher-
heitsgarantien abgesenkt.
Welche Schlüsse können an dieser Stelle aus den Ausführungen und Erläuterungen Bi-
daults gegenüber Bevin und Byrnes in Bezug auf die Pariser Saarpolitik in der Vergangen-
heit und in der Gegenwart des September 1946 gezogen werden. Die von Grandval aufge-
stellte Behauptung, Frankreich habe nie die Absicht gehabt, die Saar politisch zu annek-
tieren, ist durch eine klare Aussage des verantwortlichen Außenministers seines Fandes
aus der Zeit anstehender Entscheidungen eindeutig widerlegt. Nach Bidault war es vor
allem de Gaulle, der eine Einverleibung der Saar in den französischen Staatsverband er-
strebt hat. Wenn Bidault darüber hinaus seine feste Opposition mit der Metapher eines
Rufers in der Wüste umschreibt, dann muß es innerhalb der französischen Regierung
sogar eine stärkere Mehrheit für ein solches Begehren gegeben haben. Wesentlich er-
scheint auch der von Bidault angegebene Zeitraum von zwei Jahren. Danach muß der end-
gültige Verzicht Frankreichs auf eine politische Annexion der Saar, den Bidault ausdrück-
lich betonte, nahe vor dem Gesprächstermin des 24. September 1946 gelegen haben.24 25
Im Oktober 1946 machte Bidault dann Byrnes Mitteilung von der bevorstehenden Ver-
wirklichung einer opération à laquelle les Gouvernements américain et britannique sont
favorables, dont vous avez vous-même déclaré publiquement, en un récent discours, que
vous approuviez le principe soit indéfiniment retarde. En Sarre, de nouveaux délais pro-
voquèraient sans doute une évolution des esprits de nature à faire obstacle à la réalisation
ultérieure d’un projet aujourd’hui communément accepté.2S Diese „Operation“ ist in der
Literatur detailliert abgehandelt worden, so daß sie hier nur in der Abgrenzung der ver-
teilten Kompetenzen erwähnt zu werden braucht. Frankreich beanspruchte für sich kon-
trollierenden Einfluß durch seine Hoheit im Wirtschafts-, Finanz- und Sicherheitsbereich
sowie im Außenpolitischen und gestand den Saarländern Eigenstaatlichkeit und Selbst-
verwaltung im Sozial- und Kulturpolitischen zu.26 27 Aus der Sicht Frankreichs war diese Re-
gelung von folgenden Überlegungen bestimmt:
d’une part la consolidation des positions françaises, d’autre part, le libre développement
de l’autonomie sarroise. Le maintien de l’équilibre entre ces deux tendances devra être la
préoccupation constante de notre représentation en Sarre, dans le triple domaine écono-
mique, politique et culturel.17
24 Im Mai 1946, so läßt sich aus dem Brief Laffons vom 24. 5. ableiten, wareine Entscheidung noch
auf keinen Fall gefallen. Siehe oben S. 64, Anm. 13.
25 Text nach einem Aktenvermerk, datiert mit „octobre 1946“ und versehen mit dem Vermerk „Se-
cret“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 -
1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
26 Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die auf S. 61 in der Anm. 3 erwähnte Literatur.
27 Instruktionen des französischen Außenministeriums — Direction d’Europe — an das Hohe Kom-
missariat vom 17. 1. 1948. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Be-
stand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 2.
68
Das war zwar eine an sich klare Position, die Frankreich hier einnahm, ihre Bewährung
war aber entscheidend von der hier schon offenkundig werdenden Schwierigkeiten einer
klaren Definition eines künftigen Saarstatus abhängig, das in seinem Generalziel schon im
Januar 1948 nur mit der diplomatischen Kompromißformel vom Gleichgewicht zwischen
Festigung französischer Machtinteressen und der Entfaltung einer hinreichend gekräf-
tigten saarländischen Autonomie umschrieben werden konnte. War aber ein solcher Aus-
gleich überhaupt erreichbar?
Die Neigung Frankreichs, das Saarland eher im Bild eines Protektorats als in der ihm zu-
gestandenen Autonomie zu sehen, wird schon in den Instruktionen der französischen Re-
gierung vom 4. Juli 1947 deutlich. Dort wird die freiwillige Annahme einer Verfassung
im Rahmen eines weisungsgebenden Statuts nur als un prélude bezeichnet. Das Endziel
sei eine Sarre nouvelle und das erfordere eine travail obscur long, mais efficace. Nötig sei
vor allem ein établissement d’un cadre administratif und eine éducation des fonction-
naires sarrois, en commençant par ceux qui pourront, dans quelques années, prendre des
responsabilités und die organisation juridique orientée vers le droit français.28 Damit
machte Frankreich auch jetzt noch Ansprüche geltend, die ungeachtet der in Aussicht ge-
nommenen Kulturautonomie für die kommende Bildungspolitik des Saarlandes weitrei-
chende Folgen haben mußte. Das Saarland als Protektorat, diese Vorstellung muß auch
General Laffon gehabt haben, wenn er die Stellung des Hohen Kommissars an der Saar
in einem Schreiben an Debré wie folgt bestimmt sehen wollte:
Le rôle du Haut-Commissaire sera donc analogue à celui des Préfets en France et celui de
ses collaborateurs économistes et financiers devra s’exercer, comme dans un département
français, sur instructions des Ministres parisiens,29 30
Der kommende Saarstatus hat die Spannung zwischen Protektorat und Autonomie nie
auflösen können. Der von Frankreich im Jahre 1947 gehegte Wunsch,
la présence française doit être réelle mais sans devenir pesante. Il faut que les Sarrois
éprouvent le sentiment de mieux eu mieux fondé qu’ils s’administrent eux-mêmes et que,
réserve faite de l’unité économique et de ses conséquences, ce sont eux, citoyens de la
Sarre, qui ont la charge de leur vie collective,
erwies sich bald als Trugschluß. Der von Frankreich absolut gesetzte Wille, d’assurer le
respect de l’union économique à l’encontre de toutes menées hostiles,30 kollidierte bald,
wie noch aufzuzeigen sein wird, mit den Interessen des saarländischen Regionalismus und
vom Jahre 1950 an mit dem rasch wachsenden Anspruch auf nationale Selbstbestim-
mung. In dieser kommenden Konfrontation, die auch und gerade das Bildungspolitische
erfassen mußte, konnte weder das von Grandval im Jahre 1980 erwähnte Modell Luxem-
burg31 noch die europäische Lösung einen Ausweg zeigen.
28 Zitate nach Instruktionen der französischen Regierung (Cabinet du Ministre) zur Saarpolitik
vom 4. 7. 1947. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z
Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 1.
19 Laffon an Debré vom 2. 6. 1947. Laffon benutzt in seinem Schreiben die Anrede „Mon cher
ami“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 -
1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 1.
30 Instruktion der französischen Regierung vom 4. 7. 1947. Ministère des Affaires Étrangères, Ar-
chives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au
Quai d’Orsay, Nr. 1.
31 Nach Saarbrücker Zeitung vom 21. 10. 1980. Beilage: „Vor 25 Jahren: Saarländer zwischen
Nein und Ja“, S. 6.
69
2. Das System der militäradministrativen Kontrolle
Als die französischen Besatzungstruppen vom 10, Juli 1945 an die amerikanischen Ein-
heiten im Saarland ablösten, war aufgrund einer Anordnung des örtlichen Befehlshabers
der amerikanischen Streitkräfte, Oberst Louis C. Kelly, die Verwaltungseinheit des frü-
heren Regierungsbezirks Saarbrücken bereits wieder eingerichtet worden. Zum Regie-
rungspräsidenten hatten die Amerikaner am 4. Mai 1945 den Saarbrücker Rechtsanwalt
Dr. Hans Neureuter berufen. Während der amerikanischen Besatzungszeit unterstand der
Regierungsbezirk Saarbrücken dem Oberpräsidium „Mittelrhein-Saar“ mit Sitz in Neu-
stadt an der Weinstraße. Zu dessen Zuständigkeitsbereich gehörten zuerst nur die Pfalz,
das Saarland, Rheinhessen und der ehemalige Regierungsbezirk Darmstadt, bevor er nach
einer entsprechenden Neuorganisation um die Regierungsbezirke Trier und Koblenz er-
weitert wurde. Mit der Bildung einer provisorischen Zentralregierung in Neustadt beauf-
tragten die Amerikaner am 6. Mai 1945 den früheren Bürgermeister von Mannheim, Her-
mann Heimrich (SPD)32. Er wurde am 10. Mai 1945 zum Oberpräsidenten ernannt und
blieb in seinem Amt bis zur Übernahme des Gebiets durch die französische Besatzungs-
armee im Juli 194 533. Wenn die Schulen in der Regel auch erst im Oktober 1945 wiederer-
öffnet wurden, so haben doch schon die Amerikaner im pfälzisch-saarländischen Raum
mit dem Aufbau eines militärischen Kontrollsystems hinsichtlich des öffentlichen Bil-
dungswesens begonnen. Mit Erlaß vom 28. Mai 1945 beanspruchte die ebenso wie das
Oberpräsidium in Neustadt an der Weinstraße residierende Regional Military Govern-
ment für sich ihr Plazet für alle schulischen Personalfragen, für die Aufstellung von Lehr-
plänen und Richtlinien, die Genehmigung von Unterrichtsmitteln, die Herausgabe von
pädagogischen Fachzeitschriften und für alle schulorganisatorischen Angelegenheiten
wie Schuleintritts- und -entlassungsalter, sachliche Leistungen für den Wiederaufbau von
Schulen, Ferientermine34. Damit war schon vor Ankunft der Franzosen jenes zweiglied-
rige System der Schulaufsicht und Schulverwaltung etabliert, das in der Folge bis zum
Jahre 1947 auf der einen Seite eine weisende und kontrollierende Militäradministration
sah und auf der anderen Seite eine zivile deutsche Verwaltung.
Die lokale französische Militärregierung unter dem agilen und stark patriotisch einge-
stellten Gaullisten Gilbert Grandval35, usurpierte dieses Grundprinzip militärgouverne-
mentaler Kontrolle und erklärte es für weiterhin verbindlich auf allen Ebenen der schuli-
schen Aufsicht und Verwaltung. Die Spitze der für das deutsche Bildungswesen zustän-
digen Behörden der französischen Militärregierung befand sich freilich vorerst nicht in
32 Nähere Auskünfte über die Wiedereinrichtung und Organisation des Regierungspräsidiums
Saarbrücken sowie seine Stellung gegenüber dem Oberpräsidium „Mittelrhein-Saar“ geben die
Akten im Bestand Regierungspräsidium Nr. 1 des LA Saarbrücken. Zur Entstehung und Ge-
schichte der Verwaltungseinheit „Mittelrhein-Saar“ vgl. im einzelnen H. j. Wünschei, Sepa-
ratismus, S. 35 ff. Vgl. auch R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 157 ff.
33 Die Bildung einer französischen Besatzungszone wurde erst im Laufe der Monate Mai bis Juli
1945 entschieden und ihre Grenzen während der Potsdamer Konferenz festgelegt.
34 Nach einer Übersetzung des Erlasses des Hauptquartiers der amerikanischen Militärregierung —
Abteilung El A 2 — in Neustadt an der Weinstraße an die deutschen Schulbehörden vom 28. 5.
1945. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler, Nr. 1.
35 Zur Person Grandvals vor allem J. Hoffmann, Ziel, S. 24 f. und J. Freymond, S. 41. Siehe
dort auch S. 217 f. Ebenso F. Seydoux de Clausonne, S. 142 f. Polemisch, aber dennoch
recht aufschlußreich G. Perger (Pseudonym für Klaus Altmeyer), S. 4 ff.
70
Saarbrücken, sondern, wie bereits oben dargelegt, in Baden-Baden36. Der hier innerhalb
der Abteilung Affaires Administratives unter der Leitung Schmittleins residierenden Sec-
tion de l’Éducation Publique waren auf der mittleren (Délégué Supérieure) und auf der un-
tersten Ebene (Délégué de District) entsprechend zuständige Stellen nachgeordnet.
Angesichts ihrer besonderen Absichten im Saarland hatten die Franzosen neben Rhein-
land-Pfalz, Baden und Württemberg auch in Saarbrücken eine regionale Militärregierung
eingerichtet37, so daß auch hier die Amtsstelle eines Délégué supérieur tätig wurde. Zum
Leiter der Saarbrücker Erziehungsabteilung, die, wie in Baden-Baden, dem Ressort Af-
faires Administratives38 unterstellt wurde, ernannte Frankreich mit Jean Babin einen er-
fahrenen Schulfachmann. Babin, Jahrgang 1905, war gebürtiger Lothringer und hatte in
der Schulverwaltung von Metz Erfahrungen auf dem Gebiet des öffentlichen Erziehungs-
wesens sammeln können, zuletzt als Inspecteur d’Académie. Wenngleich Babin in der Zeit
seiner Tätigkeit im Saarland vom März 1946 bis zum Oktober 194 8 39 auch zu den we-
nigen gehörte, die im sogenannten Kabinett Grandval40 von der fachlichen Seite her für
ihre Aufgabe kompetent waren, so ist die Zeit seines Wirkens schulpolitisch dennoch re-
lativ spurlos vorübergegangen. Das lag zuerst einmal in der Persönlichkeit Babins be-
gründet. Als französischer Philologe erspürte er eher die Möglichkeiten und Grenzen eines
kulturpolitischen Engagements Frankreichs im Saarland als die Mehrzahl seiner Mitar-
beiter in der Militärregierung. Das hatte zur Folge, daß er seine Aufgabe behutsam anging.
Zudem fand sein fachkundiges Urteil wenig Echo. Der Grund ist vor allem in einer ge-
wissen Partisanenmentalität41 zu sehen, die bis zum Jahre 1947 in der Saarbrücker Mili-
tärregierung spürbar war, da Grandval als ehemaliger Oberst der Résistance in Nancy be-
vorzugt ehemalige Kampfgefährten in seine Umgebung aufnahm. Erst zur Jahreswende
1946/47 stand Babin ein Stab geschulter und einfühlsamer Verwaltungsbeamter zur Ver-
fügung, mit denen er eine erfolgversprechende Arbeit beginnen konnte. Als Leiter der Sec-
tion de l’Éducation Publique des Délégué Supérieure für das Saarland unterstanden Babin
innerhalb der sogenannten Délégués des Districts in Neunkirchen, Saarlouis und Saar-
brücken jeweils Kreisschuloffiziere (Officier de Contrôle de l’Enseignement). Erziehungs-
abteilung und Kreisschuloffizieren oblag es nun, entsprechend den Weisungen aus Baden-
Baden den Neuaufbau des Schulwesens an der Saar zu bewerkstelligen und zu kontrol-
lieren.
36 Siehe oben, S. 48.
17 Journal Officiel, Nr. 1 vom 3. 9. 1945, S. 5. Vgl. dazu oben S. 64 ff.
38 Leiter dieser Abteilung war Robert Parisot.
39 In einer schriftlichen Mitteilung an den Verfasser hat Babin die Zeit seiner Tätigkeit vom März
1947 bis Oktober 1948 angegeben. Babin an den Verfasser vom 6. 8. 1977. Nach den Ermitt-
lungen Gilmores und meiner eigenen übernahm Babin aber schon im Jahre 1946 die Direktion
der Erziehungsabteilung innerhalb der Saarbrücker Militärregierung. Vgl. R. Gi 1 mor e, S. 302
(Table 2).
40 Grandval war zum 30. 8. 1945 zum Militärgouverneur in Saarbrücken ernannt worden und un-
terstand zunächst als Délégué supérieur der Zentrale in Baden-Baden.
41 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976
71
3. Das französische Konzept für ein autonomes Saarland als Grundlage
für die besondere bildungspolitische Entwicklung im Saarland
Für das Saarland war die militärgouvernementale Kontrolle der öffentlichen Erziehung
von ebenso großer Bedeutung wie für die gesamte französische Besatzungszone auch42.
Gleichwohl ist sie hier anders wirksam geworden. Eine Rolle spielte dabei sicherlich die
kirchenfreundliche Grundeinstellung Babins in Bildungsfragen, so daß er, Katholik und
Mitglied des Mouvement Républicain Populaire (MRP), von vornherein in einem Span-
nungsverhältnis zu den laizistisch durchdrungenen schulpolitischen Intentionen eines Ge-
neral Schmittleins und ihren rationalen pädagogischen Begründungen stand. Zwar ak-
zeptierte er vorbehaltlos die mit dem Ziel der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und
Demokratisierung begründeten Bildungsreformen, wie sie in der französischen Interpre-
tation von der Direction de l’Éducation Publique in Baden-Baden erstrebt wurden, er
wandte sich aber entschieden gegen Tendenzen, die die Stellung der Bildungsmacht Kirche
nachteilig berührten und gewachsene deutsche Bildungstraditionen in Frage stellten43.
Ausschlaggebend war diese Opposition Babins für die bildungspolitische Sonderentwick-
lung des Saarlandes freilich nicht. Wesentlich zwingender waren vielmehr die besonderen
Absichten Frankreichs bezüglich der Saar. Im Spätsommer 1946 hatte sich Frankreich
endgültig auf sein Saarkonzept festgelegt. Entschieden hatte es sich für eine informelle
Herrschaft auf der Grundlage einer dann auch später verwirklichten Wirtschafts- und
Währungsunion. Paris hatte somit zugleich Abschied genommen von dem Weg einer
schleichenden Annexion, womit hier eine langfristig erstrebte Einverleibung im Sinne
einer allmählichen Assimilation und Naturalisation gemeint ist. Für eine solche Strategie
waren vor allem die schon zur Zeit des Völkerbundregimes existierende und im Jahre
1945 wiederbegründete Association française de la Sarre und das am 25. März 1945 ins
Leben gerufene Mouvement pour la Libération (bzw. le Rattachement) de la Sarre44 ein-
getreten.
Einer der fähigsten Köpfe in beiden Bewegungen war Edgar Hector, der in der Folge noch
eine gewichtige Rolle in den Nachkriegsregierungen des Saarlandes spielen sollte. Seine
Erwähnung interessiert an dieser Stelle weniger, weil er für die Programmatik und auch
für die Dynamik dieser auf Annexion drängenden Vereinigungen mitverantwortlich war,
sondern weil er in einer Rede auf einer Versammlung des Comité d’étude pour les fron-
tières orientales de la France am 10. Februar 1945 in Paris, an der u. a. Maurice Schu-
mann, der damalige Vorsitzende des MRP, Edmond Vermeil, und der bekannte französi-
42 Vgl. hierzu im einzelnen R, Winkeier, S. 6 ff.
43 Seine gegenüber Baden-Baden eigenständige Position in bildungspolitischen Grundsatzfragen
versicherte Babin dem Verfasser in seinem persönlichen Schreiben vom 6. 8.1977. Auch der wei-
tere Lebenslauf Babins deutet auf eine solche Einstellung hin. Im Anschluß an seine Tätigkeit im
Saarland übernahm er ein Lehramt an der faculté des lettres der Universität Lille. Gleichzeitig ha-
bilierte er sich unter Obhut des namhaften französischen Sprachwissenschaftlers Charles Bru-
neau. Später war er Rektor an den Universitäten von Strasbourg und Bordeaux und zuletzt Dé-
légué général pour les affaires universitaires internationales im französischen Unterrichtsministe-
rium. Babin starb am 18. 12. 1978 in seinem Geburtsort Varennes-en-Argonne, ca. 50 km nord-
westlich von Verdun entfernt gelegen. Vgl. hierzu den Nachruf in: Le Pays Lorrain, 1979, S. 107
44 Zur Geschichte, Programmatik und Mitgliederstruktur dieser Organisationen vgl. im einzelnen
J. Freymond, S. 37 ff. und R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 149 ff. und S. 512 f.
72
sehe Diplomat und politische Schriftsteller Wladimir Olivier d’Ormesson teilnahmen, im
Zusammenhang mit dem von ihm verfochtenen Standpunkt einer Einverleibung der Saar
durch Frankreich auf lange Sicht von dem besonderen Charakter der saarländischen Be-
völkerung sprach, den er als günstigen Ausgangspunkt für eine Naturalisation der tradi-
tionell deutschen Saarbevölkerung ins Feld führte. Der richtige Weg zu diesem Ziel sei
eine spezielle Gesetzgebung, die, von praktischen Gesichtspunkten ausgehend, in erster
Linie ein Werkzeug der Assimilation darzustellen habe45. Ähnlich argumentierte auch die
Verdier-Kommission wenige Monate später46. Nach ihren Empfehlungen war die glatte,
ungehinderte Eingliederung der Saarwirtschaft in das französische Wirtschaftsleben
durch eine Kulturpolitik abzusichern, die in ihrer Wirkung darauf auszurichten sei, daß
die Saarländer dem Zauber des französischen Kultureinflusses und der Anziehung der
diesem innewohnenden Qualitäten verfallen, damit sie uns wirklich nahekommen und
aufrichtige, selbstlose Mitglieder jener politischen Gemeinschaft der Union Française
werden.47 Das von französischer Seite und von Hector im Jahre 1945 ausgesprochene Ziel
einer allmählichen Romanisierung ist später von den Gegnern einer autonomen Saar auch
für den Zeitraum nach 1946 befürchtet worden. In ihren Anklagen benutzten sie stets das
Schlagwort von einer geschickt getarnten „pénétration culturelle“, die Frankreich nach
wie vor im Auge habe.48 Die Realität bestätigt jedoch einen solchen Willen nicht. Die
Grundsatzentscheidung für eine kommende Wirtschafts- und Währungsunion war zu-
gleich eine Entscheidung für eine kulturpolitische Strategie, die die deutschen Kulturtra-
ditionen an der Saar als gegeben hinnahm und jenen Gruppen an der Saar kulturpolitische
Gestaltungsfreiheit zubilligte, die sich zu einer Zusammenarbeit mit Frankreich bereit-
fanden. Für einen solchen Weg der Kooperation, der im Grunde schon im Jahre 1945 er-
spürbar war, sprach zudem die bereits erwähnte innen- und außenpolitisch zu erwartende
massive Kritik und die Möglichkeit von Sanktionen, die eine kompromißlos das Prinzip
der Selbstbestimmung ignorierende Politik des Alles oder Nichts nach sich gezogen hätte.
Das Zugeständnis der Kulturautonomie, die neben der gewährten Souveränität im Sozial-
politischen den Kern der künftigen saarländischen Selbstverwaltung bilden wird, durfte
sich freilich nur im Rahmen der von Frankreich gesetzten Bedingungen eines halbstaatli-
chen Daseins erfüllen. Akzeptiert wurde also nur eine saarländische Kulturpolitik, die im
Einklang mit der erstrebten Wirtschafts- und Währungsunion und ihrer Stabilisierung
4<i Quellentexte aus Le Rhin, Paris, No 2, Februar 1945, S. 3 f. Zitiert nach J. Freymond,S.37 f.
46 Siehe oben, S. 62 und die dortige Anmerkung 8. Die Verdier-Kommission bereiste im Mai 1945
das Saarland und unterbreitete der französischen Regierung Vorschläge für eine Saarkonzeption
auf der Grundlage einer nicht näher definierten autonomen Selbstverwaltung im Rahmen einer
Wirtschafts- und Währungsunion.
47 Gekürzter Bericht der Verdier-Kommission in Le Monde vom 7. und 8. 5. 1945. Übersetzung zi-
tiert nach J. Freymond, S. 41.
48 Vgl. hierzu vor allem die dokumentarisch begleitete Stellungnahme von W. Eckhard t aus dem
Jahre 1954 gegen das in der Bundesrepublik weitverbreitete Vorurteil, im Saarland würde mittels
eines zweisprachigen Schulunterrichts systematisch eine Entfremdung von deutschen Kulturtra-
ditionen verfolgt. W. Eckhardt, S. 9 ff., insbesondere ab S. 11. Als Beispiele einer Agitations-
arbeit im Sinne dieses Vorurteils seien genannt: Demokratische Partei Saar, Französische Kultur-
politik an der Saar. LA Saarbrücken, Bestand Nachlaß H. Schneider, Nr. 31 und W. Holtz-
mann, Pseudonym für W. Hoitz, S. 11. Kritisch gegenüber dem separatistischen Anspruch
einer saarländischen Eigenkultur, aber die Problematik richtig erkennend, der Kommentar, den
die Wochenzeitung „Die Zeit“ anläßlich des Abschieds Grandvals in ihrer Ausgabe vom 7. 7.
1955 veröffentlichte. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von A. Schmoll
gen. Eisen werth in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. 12. 1955.
73
stand. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen Grandvals zu interpretieren, die er im
Jahre 1975 im Saarländischen Rundfunk zum Thema Kulturpolitik für den Zeitraum
1945 bis 1955 machte: Sie (gemeint ist die Kulturpolitik) war in der Tat — darüber gibt
es nichts zu diskutieren — identisch mit der Politik Frankreichs an der Saar.49 Im Zeichen
einer kontrollierten kulturpolitischen Selbstverwaltung bot Frankreich den Saarländern
tatsächlich die Möglichkeit einer Bildungspolitik an, die, wie Michel Debré es im Jahre
1977 formulierte, von dem Grundsatz ausging: Il n’était en aucune façon question d’une
assimilation, ni même d’une annexion...50 Debré, der als damaliger Vorsitzender der Mis-
sion de coordination des études pour le rattachement de la Sarre entscheidenden Anteil
an der Ausarbeitung des späteren Saarstatuts gehabt hat,51 versichert in seinen weiteren
Ausführungen dann: qu’il n’y a point d’incertitude au sujet des desseins culturels de la
France, au moins à dater de la seconde partie de l’année 1946 où j’ai été en charge de l’af-
faire sarroise.52
In den saarpolitischen Leitlinien, die die französische Regierung im Januar 1948 ausgab,
wurde der „Point de vue culturel“ freilich weniger generös bestimmt. Die von Frankreich
für notwendig gehaltene Interdependenz von Kontrolle, Einfluß, Autonomie und Selbst-
verwaltung wurde hier sogar deutlich herausgestellt, wenn es dort hieß:
Notre but est d’assurer à la culture française en Sarre un développement constant; mais
il faut prêter attention au contre-coup que des mesures maladroites ne manqueraient pas
de provoquer. Tout doit être mis en oeuvre pour éviter que des positions excessives n’é-
veillent un nationalisme qui pourrait trouver plus tard dans un renouveau du germanisme
les encouragements dont il manque pour le moment.
La France a un intérêt évident à favoriser une coupure entre la Sarre et le reste de l’Alle-
magne. Toutefois la force de liens traditionnels, les principes même de notre action en
Sarre nous obligent à faire preuve du maximum de tact. Il nous faudra laisser jouer l’au-
tonome sarrois sans mettre ouvertement en avant l’influence française. Il importe de ne
pas sacrifier par une propagande trop voyante les exellents atouts que sont les particula-
rismes locaux.53
Schon im Vorfeld der erstrebten französisch-saarländischen Zusammenarbeit und damit,
vielleicht mit Ausnahme der britischen Besatzungszone, wesentlich früher als sonst in
Deutschland, machten sich diese französischerseits kalkulierten Kompetenzzuweisungen
49 Zitiert nach H. Schwan, Kampf, S. 9.
50 M. Debré an den Verfasser vom 29. 7. 1977.
51 In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß Debré als maßgeblicher Schöpfer
der Verfassung der Fünften Republik und wegen seiner patriotischen Gesinnung auch im heu-
tigen Frankreich ungeachtet seiner politischen Außenseiterrolle als orthodoxer Gaullist hohes
Ansehen genießt.
52 M. Debré an den Verfasser vom 29. 7. 1977. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang eine Äu-
ßerung Grandvals in seiner Abschiedsrede am 30. Juni 1955. Damals sagte er: Als Land deut-
scher Kultur, an die wir, daß wissen Sie besser als sonst jemand, niemals haben rühren wollen,
eröffnen sich heute dem Saarland dank der für beide Seiten im gleichen Maße dienlichen geistigen
Durchdringung, Horizonte einer französischen Kultur, deren universelle Berufung die eigene
Kultur des Saarlandes in glücklichster Weise vervollständigt. G. Grandval, Allocution, deut-
sche Fassung.
53 Projet d’instructions au Haut-Commissaire Français en Sarre, ausgegeben vom französischen
Außenministerium — Direction d’Europe, Sous-Direction Sarre - am 17. 1. 1948. Ministère des
Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe, 1944 — 1949 juin. Sous-Di-
rection de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 2.
74
und Zugeständnisse an die saarländische Politik in Bddungsfragen bemerkbar. Beob-
achten konnte man sie zuerst in jenem Bereich, der für die unmittelbare Kontrolle des
Schullebens zuständig ist, nämlich in der zivilen Schulaufsicht und Schulverwaltung.
Dazu gehörte freilich auch die dort von Frankreich inspirierte Personalpolitik, die es als
wichtigste Voraussetzung für den Erfolg seiner Strategie von Anfang an erkannte; denn
schließlich durfte es kaum erwarten, daß seine erzwungene Gegenwart auf Dauer mit
großer und allgemeiner Zustimmung aufgenommen werden würde. Die Analyse des Wir-
kens dieser Institutionen gebietet sich zudem, weil sie, wie übrigens alle zivilen Verwal-
tungsbehörden im französischen Einflußbereich, außerhalb der regierenden Militäradmi-
nistration die ersten und einzigen Stellen waren, die unmittelbar nach dem Krieg für die
Regelung anstehender Probleme kompetent blieben. Hierin unterschied sich die Situation
entscheidend von der amerikanischen Besatzungszone, wo von deutscher Seite schon vom
Jahre 1945 an ein sogenannter Länderrat existierte, der als vorläufige politische Instanz
bei legislativen Entscheidungen der Militärregierung deutsche Interessen vertreten
durfte.54 Im Saarland mußte man bis zum Oktober 1946 warten, bis eine sogenannte Ver-
waltungskommission gebildet wurde, die als politisches Instrument im Namen der saar-
ländischen Bevölkerung aktiv werden durfte.
Gleichwohl ist der Neuaufbau des öffentlichen Bildungswesens an der Saar im Grunde
kaum anders verlaufen als sonstwo im Bereich der späteren Bundesrepublik Deutschland.
Frankreich sah in der zustimmenden Haltung der einheimischen Bevölkerung zudem eine
erste Voraussetzung für eine in seinem Sinne erfolgreiche Saarpolitik. Auseinanderset-
zungen um die Schule, wie sie Baden-Baden aus einer antikirchlichen Haltung heraus in
den Jahren von 1945 bis 1947 provozierte, hätten aber mit Sicherheit bald zu einer blok-
kierten Verfremdung geführt. Andererseits zeigt die Zurückhaltung der französischen
Militärregierung in Saarbrücken in gesellschaftspolitischen Fragen an, daß Paris in der
unmittelbaren Nachkriegszeit zwar Annexionspläne im politischen Sinne erwogen hat,
daß es aber nicht in der Lage und Willens war, energisch und planvoll eine solche Intention
in die Tat umzusetzen. Tatsächlich konzentrierte sich seine Politik von Anfang an primär
auf die Kontrolle der Saarwirtschaftim Rahmen einer halbautonomen Eigenstaatlichkeit.
4. Der Aufbau einer neuen saarländischen Schulverwaltung und -aufsicht
Der von den Amerikanern geschaffene Tatbestand eines wiedererrichteten Regierungs-
präsidiums Saarbrücken kam natürlich stark der französischen Absicht entgegen, durch
den Aufbau einer lokalen Selbstverwaltung55 die Loslösung des Saarlandes von Deutsch-
land bzw. dem eigenen Besatzungsterritorium vorzubereiten. Am 13. August 1945, also
etwa einen Monat nach Ablösung der amerikanischen Besatzungstruppen im Saarland
durch französische und wenige Tage vor der offiziellen Errichtung einer vorläufig noch
54 In der britischen Zone wurde im Februar eine ähnliche Institution, nämlich der Zonenbeirat, mit
Sitz in Hamburg etabliert. In der französischen Zone existierte vom 8. Oktober 1946 an eine so-
genannte Beratende Landesversammlung, der aber kaum Kompetenzen in der Gesetzgebung zu-
gestanden wurden. Vgl. E. Konstanzer, S. 206 ff.
55 Vgl. hierzu Denkschrift, gegenwärtige Lage, S. 13 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter
B. II. 5 zu finden). Über ähnliche Bestrebungen im Badischen berichtet T. Eschenburg, S. 63
f- Vgl. dazu auch oben S. 70 f.
75
Baden-Baden unterstellten Délégation Supérieure de la Sarre in Saarbrücken56, mußte Re-
gierungspräsident Neureuter aufgrund einer Weisung der Militärregierung im Saarland
für seine Dienststelle eine gegenüber deutschen Oberbehörden autonome Stellung in allen
Angelegenheiten staatlicher Verwaltung geltend machen,57 da das Saargebiet hinfort eine
eigene, von anderen administrativen Bindungen unabhängige verwaltungsmäßige Ein-
heit bilde58. Damit war für diesen Raum eine erste und zugleich wesentliche Vorausset-
zung für eine Sonderentwicklung geschaffen; denn die im Laufe der Zeit zunehmende Ei-
genständigkeit der Saarbrücker Militärregierung gegenüber Baden-Baden konnte nun
aufgrund aufgelöster verwaltungsmäßiger Bindungen durchschlagen und bald im Inter-
esse einer Politik wirksam werden, die, nachdem der Gedanke einer politischen Annexion
fallen gelassen werden mußte, auf eine halbautonome Eigenstaatlichkeit der Saar hin-
zielte. Sie erfaßte natürlich auch die Schulverwaltung und Schulaufsicht. Noch wichtiger
für die kommende Entwicklung war aber zunächst die Personalpolitik im Sektor schuli-
sche Verwaltung und Aufsicht.
Am 1. August 1945 berief Neureuter mit Genehmigung der französischen Militärregie-
rung den ehemaligen Handelsstudienrat Dr. Ludwig Jung zum Direktor der Erziehungs-
abteilung seines Regierungspräsidiums59, Das Schuldezernat bestand damals nur aus fünf
Referaten60. Jung konnte gleich über einen Stab von Mitarbeitern verfügen. Es waren, wie
er in seinem Bericht vom 4. August 1945 an die französische Militärregierung versicherte,
alles neue Männer, die nicht Parteimitglieder waren61. Die rigorose Säuberung des Beam-
tenapparats der saarländischen Schulabteilung hatte zur Folge, daß er mit einem weitge-
hendst unerfahrenen Personalkörper dastand, um schwierigste Aufgaben in einer ex-
tremen Ausnahmesituation bewältigen zu müssen. Jung war sich durchaus der Probleme
bewußt, die sich aus der Unerfahrenheitseiner Bediensteten ergaben. Aus diesem Grunde
schlug er als Amtsleiter seines Verwaltungsreferats den bisherigen Inhaber vor, der, so
Jung, zwar Parteimitglied gewesen sei, den Nationalsozialismus aber gefühlsmäßig abge-
lehnt habe. Seine Entscheidung begründete Jung mit dem Hinweis, daß es ihm unmöglich
sei, die Abteilung mit Vorteil zu führen, wenn nicht mindestens ein verwaltungsmäßig
vorgeschulter Fachmann darinnen verbleibt62. Dieser Vorgang einer an sich alltäglichen
personalpolitischen Entscheidung zeigt an, daß, wie im übrigen Deutschland, auch im
Saarland die Frage der Entnazifizierung des öffentlichen Bildungssektors unter perso-
nellem Aspekt schon im Jahre 1945 im Zeichen von fachlich und sachlich begründeten
Kompromißzwängen gestanden hat. Merklich unproblematischer war diese Frage für die
Schulaufsicht zu lösen, da man hier aus einem großen Kreis erfahrener Lehrer eher poli-
56 Am 30. August 1945.
57 Vgl. hierzu Schreiben der Militärregierung an Neureuter vom 25. 6.1945 und Antwortschreiben
Neureuters an die Militärregierung vom 2. 8. 1945. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsi-
dium Nr. 1.
58 Amtsblatt des Regierungspräsidiums, Nr. 3/1945, S. 5
59 Undatierter Aktenvermerk. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZI —
B 6 1945 - 1957. Das Regierungspräsidium bestand damals aus 7 Abteilungen, das Schulde-
zernat existierte als Abteilung V.
60 Vgl. dazu den Organisationsplan vom September 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. All-
gemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
61 Bericht Jungs an die Militärregierung vom 4. 8. 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allge-
meine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
62 Ebenda, S. 2.
76
tisch unbelastete und dennoch für eine solche Aufgabe geeignete Fachleute finden konnte.
Dies galt sowohl für das Amt des Oberschulrates, zuständig für den gesamten gymna-
sialen Schulbereich des Saarlandes63, als auch für die 15 Schulratsstellen, die für die In-
spektion der Volksschule zuständig waren64. Für diesen Sektor, der aufgrund deutscher
Schultraditionen stets weltanschaulich gegliedert war, befürwortete Jung eine den ge-
wachsenen religiösen und politischen Strukturen entsprechende Ämtervergabe, indem er
in seinem Bericht für die Neuberufung von 6 katholischen, 2 bis 3 evangelischen und 2 bis
3 linksparteilich orientierten Schulräten votierte65. Die Tatsache, daß Jung im August
1945 personalpolitische Entscheidungen anregte, die ganz auf deutsche Erfahrungen im
Schulischen zurückgriffen, zeigt an, daß er grundsätzlich an einen schulpolitischen Ge-
staltungswillen für das Saarland glaubte, der sich im Generellen an die Verhältnisse in
Deutschland und hier insbesondere an die Entwicklungen in der französischen Besat-
zungszone orientieren würde. Als er jedoch wenige Monate später, nämlich am 1. Februar
1946, aufgrund einer ausdrücklichen Weisung Grandvals66 überraschend und ohne für
ihn erkennbare Motive seines Postens enthoben wurde, konnte er dieser Annahme sicher-
lich nicht mehr gewiß sein. Zu seinem Nachfolger mußte Neureuter einen Mann er-
nennen67, der zwar vor 1935 an der Saar als Lehrer im Bereich höherer Handelsschulen
gewirkt hatte, den aber in der saarländischen Öffentlichkeit kaum jemand kannte — Dr.
Emil Straus. Straus, nach eigenen Angaben von de Gaulle protegiert68, war im September
1945 aus seinem Emigrantendomizil in Nizza ins Saarland zurückgekehrt, um hier, wie
er im Jahre 1975 selbst behauptete, mitzuhelfen, eine politische Zukunft analog der Exi-
stenz Luxemburgs aufzubauen69. Eine wichtige Voraussetzung erkannte er dabei vor
allem in der endgültigen Überwindung des aggressiven deutschen Nationalismus inner-
halb einer von ihm als Heimat empfundenen Region, eine Zielsetzung, die er am ehesten
durch eine konsequente Bildungspolitik im Geiste katholischer Schulgrundsätze und im
Rahmen lokaler und damit überschaubarer Ordnungsstrukturen wie der im Saarland vor-
handenen, zu erreichen glaubte70. Bei seinen Motiven muß man beachten, daß er, über
dessen Person und die Ziele seines Handelns an anderer Stelle noch eingehend zu be-
richten sein wird71, als Emigrant das Gefühl für nationale Bindungen nicht mehr für
selbstverständlich hielt.
Die Übernahme einer einflußreichen Position durch einen Emigranten bzw. politisch Ver-
folgten im Zuge der ersten Entnazifizierungswelle, die bis Anfang 1946 weitestgehend
63 Mit dieser Aufgabe wurde vorläufig Oberregierungsrat Dr. Peter Schindler betraut. Schindler
war zugleich Direktor des Saarbrücker Ludwigsgymnasiums.
64 Folgende Schulaufsichtsbezirke für die Volksschule gab es: Saarbrücken-Stadt I, Saarbrücken-
Land I, Saarbrücken-Land III, Saarlouis I, Dillingen, Merzig I, Wadern, Eppelborn, Ottweiler I,
St. Wendel I, Homburg I/St. Ingbert I (alle katholisch); Saarbrücken-Stadt II, Saarbrücken-Land
1 I/Saarlouis II/Merzig II, Ottweiler Il/St. Wendel II, Homburg Il/St. Ingbert II (alle evangelisch).
63 Bericht Jung vom 4. 8. 1945 (siehe Anm. 61 auf S. 76). Inwieweit der Vorschlag Jungs Wirklich-
keit geworden ist, konnte leider nicht ermittelt werden.
6h Ordonnance No 1394 — DAA/Cab — vom 24. 1. 1946. Vgl. in diesem Zusammenhang auch
Schreiben Neureuters an Grandval vom 26.1. 1946 und Schreiben Grandvals an Neureuter vom
29. 1. 1946. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 65.
h Verfügung des Regierungspräsidenten Neureuter-Tgb. Nr. 450/48 - vom 1.2. 1946. LA Saar-
brücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 65, Bl. 2 und 3.
6ii Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
^ Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
70 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
1 Siehe insbesondere unten, S. 184 ff.
77
ohne deutsche Beteiligung von den Besatzungsmächten in Angriff genommen wurde, war
im Nachkriegsdeutschland und vor allem an der Saar an sich nichts Ungewöhnliches. Im
Saarland verquickte sich diese Praxis aber von Anfang an mit den französischen Spekula-
tionen um Separation und Kollaboration. Diese Feststellung kann hier vor allem damit be-
legt werden, daß die Ablösung Jungs weder mit einem Fehlverhalten aus den Tagen der
Hitlerdiktatur, noch mit mangelnder Qualifikation oder gar mit einem Widerstand gegen
Anordnungen der militärischen Administration begründet werden konnte.
Der Wechsel von Jung zu Straus darf darum als eines von vielen Beispielen für eine gezielte
Personalpolitik der französischen Militärregierung erwähnt werden, die, wie es der ehe-
malige sozialdemokratische (SPS) Abgeordnete Ernst Kunkel ausdrücklich bestätigt hat,
in allen Bereichen des öffentlichen Lebens des Saarlandes in den ersten beiden Nachkriegs-
jahren zu beobachten gewesen seien72. Auffällig war dabei, daß die Militärregierung die
für sie wesentliche Frage der Loyalität allzuoft eng mit der Kalkulation politisch-konfes-
sioneller Mentalitäten verknüpfte. Solche Erwägungen deutet zum Beispiel ein Bericht des
Oberkirchenrates Heinrich Held vom 5.2.1947 an, den dieser als Beauftragter der Evan-
gelischen Kirche im Rheinland, zu deren Einzugsbereich der größte Teil des Saarlandes ge-
hört, über ein tags zuvor stattgefundenes Informationsgespräch mit dem Leiter der Af-
faires Administration der französischen Militärregierung im Saarland, Robert Parisot,
verfaßt hat. Danach zeigte sich Parisot über die Geschichte der Rheinischen Kirche nicht
hinreichend unterrichtet, weshalb er sie als eine preußische Angelegenheit verstand73. Das
hier deutlich werdende französische Vorurteil aufgrund eines angenommenen Borussia-
nismus der Evangelischen Landeskirche im Rheinland, das in seiner politischen Wirkung
im Zusammenhang mit den im vorigen Hauptkapitel angesprochenen französischen Ab-
neigungen gegen die Dominanz des Protestantischen und Preußischen in der jüngeren Ge-
schichte Deutschlands bereits erwähnt wurde74 und im Saarland natürlich einen beson-
deren Akzent besaß, spielte offenbar auch bei der rigoros durchgeführten Amtsenthebung
Jungs zugunsten von Straus eine Rolle. Ludwig Jung, energischer Leiter der Schulabtei-
lung bis zum 1. Februar 194675, war, wie übrigens Regierungspräsident Neureuter auch,
kirchentreuer Protestant und damit ein Beamter an verantwortlicher Stelle, der in den
Augen der französischen Militärbehörden aufgrund des dort herrschenden Argwohns ge-
genüber der protestantisch-preußischen Welt zwangsläufig als politisch unzuverlässig er-
scheinen mußte76. So ist das Schicksal des Regierungsdirektors Jung, der auf eine eigen-
ständige, aber schulpolitisch wirkungsschwache Amtsstelle abgeschoben wurde, die für
Lehr- und Lehrbuchempfehlungen zuständig war77, zugleich ein Beleg dafür, daß die Be-
satzer an der Saar mit politischen Strömungen katholischer Prägung eher eine Zusammen-
arbeit zu finden glaubten als mit Politikern evangelischer Konfession.
72 Interview E. Kunkel mit J. V. Wagner vom 30.5.1966. Bibliothek der Universität des Saarlandes,
Sammlung J. V. Wagner. Allgemein zu dieser Thematik H. Schneider, S. 69 ff. Siehe auch D.
M. Schneider.
73 Durchschlag des Berichts über die kirchliche Lage an der Saar vom 5. 2. 1947. Archiv der Evan-
gelischen Kirche im Rheinland, Bestand 12-19 Saarland, Nr. 1.
74 Siehe oben, S. 46 ff.
75 Interview H. Kuhn vom 11. 12. 1975.
76 Die Bestätigung hierzu findet sich gewissermaßen im Quellentext (letzter Satz), der auf S. 121 in
der Anmerkung 306 wiedergegeben ist.
77 Vgl. Verfügung des Regierungspräsidenten Neureuter-Tgl. 450/48 -vom 1. 2. 1946. LA Saar-
brücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 65, Bl. 2 und 3.
78
Der Wechsel an der Spitze der saarländischen Kultusverwaltung, von der Militärregie-
rung von langer Hand vorbereitet78, kam für die saarländische Öffentlichkeit, soweit sie
sich damals schon für Personalentscheidungen mit politischem Hintergrund interessierte,
überraschend. Das galt insbesondere für die beiden Kirchen, die schon bald von den Mi-
litärbehörden als kompetente Gesprächspartner in Schulfragen anerkannt worden waren.
So notierte der Generalvikar des Bistums Trier, Heinrich von Meurers, in seinem Tage-
buch im Anschluß an seine Ausführungen über ein schulpolitisches Gespräch zwischen
Weihbischof Metzroth und Jung, daß er nachher gehört habe, daß am gleichen Tage in
Saarbrücken ein neuer Leiter der Schulabteilung in der Person des Professors Straus (!) er-
nannt worden sei. Er vermerkte dann aber beruhigend, daß Straus ein überzeugter Ka-
tholik sei, der zugesagt habe, daß er alle Fragen im Sinne der Kirche bearbeiten und lösen
werde79. Dagegen zeigten sich die Vertreter der evangelischen Kirche über die Nachricht
von der Ablösung Jungs bestürzt80. Ausgelöst wurde damit über einen längeren Zeitraum
eine heftige Opposition gegen Straus, die in den Erinnerungen von Straus vor allem in der
Person des Kirchenrats Wehr ihre Kraft entwickelte81.
Der personalpolitische Dirigismus der Militärregierung betraf aber nicht nur die Amtslei-
tung der zivilen Schuladministration, er griff bis Anfang 1946 auch massiv in ihre innere
Struktur ein. Beispielhaft hierfür ist die Neubesetzung der Oberschulratsstelle, in deren
Zuständigkeit bekanntermaßen die Inspektion des gymnasialen Schulwesens liegt. Neu-
reuter konnte der Militärregierung für dieses Amt mit dem gebürtigen Saarländer Her-
mann Mathias Goergen, einem Schüler Friedrich Wilhelm Foersters und ehemaligen Phi-
losophieprofessor an der zur Gründung anstehenden Katholischen Universität Salzburg,
der sich 1941 einer möglichen Verhaftung durch die Nationalsozialisten durch Flucht
nach Brasilien entzogen hatte und dort in dem nördlich von Rio de Janeiro gelegenen Juiz
de Fora auf seine Rückkehr aus der Emigration wartete, einen zweifelsohne qualifizierten
und in jeder Beziehung politisch unverdächtigen Anwärter82 vorschlagen83. Trotzdem be-
stand sie auf die Ernennung Hugo Burghardts, den Direktor des Realgymnasiums in St.
Ingbert. Burghardt, kontaktscheu und ein Mann von sprödem Charakter, war während
des Zweiten Weltkrieges deutscher Bildungsoffizier in Lothringen gewesen und hatte dort
opponierende Persönlichkeiten wie zum Beispiel den späteren Rektor der Universität
78 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
79 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1946, S. 10.
80 Vgl. dazu das Schreiben des Pfarrers Bronisch (Saarbrücken-Malstatt) an Kirchenrat Otto Wehr
vom 31.1. 1946. Dort heißt es in einem bedauernden Unterton u. a.: Das Jung heute gestürzt ist
zu Gunsten eines Herrn Strauss (!), werden Sie schon gehört haben. Archiv des Evangelischen
Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
81 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
82 1950 übernimmt H. M. Goergen eine Professur für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der
Bundesuniversität in Juiz de Fora. Im Jahre 1954 kehrt er ins Saarland zurück und übernimmt
hier vom Januar 1955 an bis zum Oktober 1955 die Generaldirektion von Radio Saarbrücken.
Entschiedener Befürworter für die Annahme des Saarstatuts. Im Jahre 1956 wird Goergen Vor-
sitzender der CVP und ist in dieser Eigenschaft maßgeblich an der späteren Fusion seiner Partei
mit der CDU beteiligt. 1957 bis 1961 MdB (CSU Saar/CDU). Seit 1960 Präsident der von ihm
begründeten Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft in Bonn; 1969 Großes Bundesverdienstkreuz.
Nach D. M. Schneider, S. 536.
83 Schreiben Neureuters an Grandval vom 15. 2. 1946. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allge-
meine Verwaltung, Z I - B 6 1945.
79
Nancy, Pierre Donzelot84, vor möglichen Repressalien der deutschen Besatzungsbe-
hörden abgeschirmt. Diese guten Dienste wurden ihm nun honoriert, indem Grandval
aufgrund einer Empfehlung Donzelots, mit dem er seit gemeinsamen Tagen des Wider-
stands eng befreundet war, für Burghardts Berufung als Oberschulrat intervenierte85.
Im Sommer 1946 war die staatliche Schulverwaltung und -aufsicht im Saarland soweit
wieder mit geeigneten Beamten besetzt, daß man sie als funktionstüchtig bezeichnen
konnte. Sie hatte, hierarchisch gesehen, in der Zwischenzeit sogar eine gewisse Aufwer-
tung erfahren; denn seitdem die gesamte Verwaltungsadministration an der Saar der Wei-
sungsbefugnis deutscher Oberbehörden entzogen war86, hatte man alle Verwaltungsab-
teilungen, auch die für die öffentliche Bildung zuständigen, aus ihrem bisherigen Dasein
als weisungsgebundene Mittelinstanzen entlassen. Kompensiert wurde diese gewonnene
Unabhängigkeit vorerst noch durch eine energische Militärregierung, die, noch unter dem
frischen Eindruck des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland stehend, optimi-
stisch ihre politischen Ziele an der Saar verfolgte und schon aus diesem Grunde vorläufig
an ihrem prinzipiellen Weisungs- und Aufsichtsrecht keinen Zweifel aufkommen ließ87.
Das traf natürlich auch für die öffentliche Bildung zu88, die in ihren Bereichen durch die
hierfür zuständigen Dienststellen der Militärregierung und durch die Inspektionsoffiziere
kontrolliert wurde. Ohne dem „vue et approuve“ oder dem „d’accord“ als Plazet durfte
die zentrale Schulbehörde in Saarbrücken selbst Rundschreiben mit politisch unrele-
vanten Inhalten den Schulen nicht zuleiten. Diese fast erdrückende Abhängigkeit89, die in
ihrer Auswirkung durch die Unerfahrenheit eines Großteils der neuen Schulverwaltungs-
und -aufsichtsbeamten noch gesteigert wurde, war sicherlich eine mehr als schwierige
Ausgangssituation, um den materiellen und geistigen Neuaufbau eines im Chaos har-
renden Bildungswesens in Angriff zu nehmen. Gleichwohl war mit den neuen Schulbe-
hörden eine erste einheimische schulische Gestaltungskraft geschaffen worden, die als
Vollzugsorgan einer noch sehr machtbewußten Militärregierung mitwirken durfte. Diese
an sich ungleiche Partnerschaft hatte ihre erste Bewährungsprobe schon im Herbst 1945
zu bestehen, als die Schulen an der Saar wie fast überall in Deutschland ihre Unterrichts-
arbeit wieder aufnahmen bzw. aufnehmen sollten.
5. Die Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebs
Es ist oben bereits dargelegt worden, daß das Saarland im Zweiten Weltkrieg vergleichs-
weise stark zerstört wurde90. „Der Wohnraum ist zu 60 % zerstört, öffentliche Gebäude
zu 40 %, Brücken zu 55 %. Nur 30 % des Straßennetzes haben noch verkehrsbrauchbare
84 Donzelot war in Nancy Professor für Pharmazie und übernahm nach seinem Rektorat in Nancy
den Posten eines Generaldirektors für das Hochschulwesen im Pariser Kultusministerium.
85 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
86 Siehe oben, S. 75 f.
87 Vgl. hierzu im einzelnen R. Winkeier, S. 14 ff.
88 Vgl. hierzu E. Konstanzer.
89 Somit darf keine Verordnung, kein Erlaß, keine Rundverfügung oder Anweisung, keine Ernen-
nung getroffen oder veröffentlicht werden ohne vorausgegangenes Visum meiner Verbindungs-
abteilung. Sinngemäß galt diese Anordnung für die Schulaufsichtsbeamten auf Kreisebene, die
stets eine Genehmigung des Délégués de Cercle benötigten. Abschrift einer übersetzten Verord-
nung Grandvals vom 13.10.1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung,
Z H- A 2 g 1945 -1947.
90 Siehe oben, S. 37.
80
Decken“91. Schon dieser hohe Zerstörungsgrad der den öffentlichen Unterricht mittelbar
berührenden Grundlagen zeigt an, auf welches Maß an Schwierigkeiten materieller Art
die von der französischen Militärregierung befohlene Öffnung der Schulen zum 1. Ok-
tober 1945 gerade im Saarland stoßen würde92.
Anlaß dazu gaben selbstverständlich und in erster Linie auch die Beschädigungen und
Zerstörungen der Bildungseinrichtungen selbst. Von den fünf Saarbrücker Oberschulen
war das traditionsreiche Ludwigsgymnasium dem Erdboden gleich, ein weiteres war
ebenfalls zerstört, ein drittes erheblich beschädigt93. Im übrigen Saarland waren im Be-
reich des höheren Schulwesens von 20 Anstalten94 sechs95 so stark beschädigt bzw. zer-
stört, daß dort an die Aufnahme eines intakten Schulbetriebs nicht gedacht werden
konnte. Ähnlich ungünstig war die Situation im Bereich der gewerblichen und kaufmän-
nischen Berufsschulen sowie der städtischen Handelsschulen und der Landwirtschafts-
schulen96 97, deren (gemeint sind hier allein die Landwirtschaftsschulen) Unterrichtsverhält-
nisse in der Vergangenheit ohnehin teilweise noch immer nicht mit der gebotenen Förde-
rungsnotwendigkeit behandelt97 worden waren. Die damals quantitativ bedeutendste
Schulgattung, die Volksschulen, waren an der Saar im Schnitt zu 25 % total zerstört oder
derart beschädigt, daß sie für Unterrichtszwecke unbrauchbar waren. Vor den 2544
91 Zitiert nach H.-W. Herrmann und G. W. Sante, Saarland, S. 42 f. Kubens und Lais spre-
chen sogar von einem 80%igen Zerstörungsgrad. H. Kubens und Lais, S. 4. Vgl. auch H.
^ Schneider, S. 22 f., J. Hoffmann, S. 57 und G. André-Fribourg, S. 4.
92 Vgl. dazu Abschrift eines Schreibens der Abt. Bauwesen des Regierungspräsidiums Saar an die
Schulabteilung vom 15. 9. 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung,
ZI1-A 18 a 1945.
95 Bericht des Regierungsdirektors Jung über den baulichen Zustand saarländischer Schulen vom
24. 9. 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 18 a 1945.
94 Stand 15. 10. 1945. Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 182.
95 Nach Saarländische Volkszeitung vom 29. 12. 1952.
96 Im Jahre 1945 zählte das Saarland 12 gewerbliche und 6 käufmännische Berufsschulen. Dazu
kamen 8 städtische Handelsschulen und 4 Landwirtschaftsschulen. Zehn dieser Bildungseinrich-
tungen waren am 1. Oktober 1945 für Unterrichtszwecke nicht brauchbar. Nach Saarländische
Volkszeitung vom 29. 12. 1952.
97 Zitiert nach Saarländische Volkszeitung vom 29. 12. 1952. Vgl. auch Volksstimme vom 4. 1.
1952.
81
Volksschulklassen98 standen nämlich infolge von Kriegseinwirkungen rund 700 nicht
mehr zur Verfügung99.
Aber nicht nur vernichtete Schulbauten standen der allgemeinen Wiederaufnahme des
Unterrichtsbetriebes entgegen, hinderlich wirkte sich auch die Zweckentfremdung schu-
lischer Gebäude durch das Besatzungsmilitär aus. So war nach dem bereits oben er-
wähnten Bericht Jungs100 das St. Wendeier Gymnasium von einer französischen Offiziers-
schule belegt, in Ottweiler hatte das Militär die Oberschule und die Berufsschule für ei-
gene Belange beschlagnahmt, und in Neunkirchen beanspruchte es die Berufsschule als
künftige Kaserne. Darüber hinaus belegten die französischen Truppen auch eine Reihe
von Volksschulen101. Ungeachtet dieser trostlosen Gesamtlage gab sich Regierungsdi-
rektorjungin seinem Report vom 24. September 1945 zuversichtlich, termingerecht zum
1. Oktober 1945 die Volksschulen, Mittelschulen, Handelsschulen und höheren Schulen
zu eröffnen102. Dieser Optimismus entbehrte freilich eines realistischen Hintergrundes.
Überall im Land klagte man über einen grenzenlosen Mangel an Baumaterial. Reklamiert
wurde vor allem der Bedarf an Dachziegeln, Glas und Holz. Einschußlöcher konnten
nicht gedichtet werden, weil kein Mörtel und keine Steine aufzutreiben waren. Zu be-
denken ist außerdem noch, daß die Schulnot in Konkurrenz zu einer furchtbaren Woh-
nungsnot stand, so daß für Schulen von den gering vorhandenen Materialbeständen nur
wenig zu Verfügung gestellt werden konnte.
Daß angesichts dieser mißlichen Notlage der planmäßige Unterricht im Saarland zum ge-
setzten Zeitpunkt am 1. Oktober 1945 nur sporadisch aufgenommen werden konnte103,
war freilich weniger arg als die äußerst negativen Erscheinungen wie Unterrichtsausfall,
98 Stand 15. 12. 1945, Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 181. Im Kreis St. Ingbert waren
z. B. von den 42 Volksschulen (nach Stat. Handbuch, Saarland 1952, S. 212) 3 total zerstört, 8
wiesen einen Zerstörungsgrad zwischen 40 und 60 v. H. auf und 6 einen solchen zwischen 30 und
40 v. H. Nach Übersicht der Bauabteilung der Kreisverwaltung St. Ingbert über zerstörte oder
beschädigte Schulgebäude vom 9.4.1946. LA Saarbrücken, Bestand Landratsamt St. Ingbert Nr.
380.
99 Saarländische Volkszeitung vom 29. 12. 1952. Der Ausfall an saarländischen Schuleinrich-
tungen infolge von Kriegseinwirkungen dürfte sich insgesamt etwa auf einem Drittel belaufen
haben. Die von Hoffmannals zerstört oder stark beschädigt erwähnten 390 von 600 Schulen
im Saarland greift wahrscheinlich auf reine Gebäudestatistik zurück. Vgl. J. Hoffmann, Ziel,
S. 57. Die Zerstörung von Schulgebäuden im Zweiten Weltkrieg und die dadurch bewirkte
schwierige Situation im saarländischen Bildungswesen wurde auch immer wieder in Fest-
schriften, wie sie üblicherweise aus Anlaß von Jubiläen herausgebracht werden, thematisiert,
Folgende Festschriften seien in diesem Zusammenhang erwähnt: Realgymnasium Neunkirchen,
erschienen im Jahre 1950, Volksschule Ottweiler-Neumünster (1954), Volksschule Wustweiler
(1956), Mädchenrealgymnasium Dillingen (1958), Volksschule St. Michael in Lebach (1960),
Mädchenmittelschule Saarbrücken (1962), Mädchenrealgymnasium St. Wendel (1966), Mittel-
punktschule Limbach (1967), Realgymnasium Völklingen (1969), Realgymnasium Sulzbach
(1970), Missionsschule St. Wendel (1975), Ludwigsgymnasium Saarbrücken (1979), Gymna-
sium Dillingen (1979), Otto-Hahn-Gymnasium Saarbrücken (1981), Gymnasium am Roten-
bühl (1982). Die Festschriften sind im Literaturverzeichnis nicht angegeben.
100 Siehe oben, S. 81 und dortige Anm. 93.
tot Vgl. dazu Schreiben des Landrats des Kreises Saarlouis an das Regierungspräsidium vom 30. 9.
1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 18 a 1945.
102 Bericht Jung. Siehe oben, S. 81, Anm. 93.
103 So berichtet zum Beispiel der Landrat des Landkreises Saarlouis: Nach den vorliegenden Mel-
dungen kann der Unterricht in keiner Schule beginnen, da die Instandsetzung der Gebäude in-
folge Materialmangel nicht durchgeführt werden konnte. Landrat an das Regierungspräsidium
vom 30.9.1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZII-A18al 945.
82
Wechselunterricht104, überfüllte Klassen105 und die Unterbringung in hygienisch meist
unzulänglichen Gasthaussälen und mehr oder minder baufälligen Baracken106, die in der
Folge den allmählich überall im Land in Gang kommenden Schulbetrieb stark beeinträch-
tigten. Solche beklagenswerten Zwänge konnten erst vom Jahre 1947 an allmählich abge-
baut werden. Von da an hörten auch die Beschwerden über vorhandene Bauschäden, feh-
lende Verglasung und mangelhafte Beleuchtung auf. Dafür wurden andere Kümmernisse
umso lauter vorgetragen. So erwähnen die Lageberichte der Schulbehörden bis zum Jahre
1949 wiederholt eine hohe Quote an Schulversäumnissen107 und zahlreiche Krankmel-
dungen des Lehrpersonals. Die Ursache für diese leidigen Vorkommnisse sah man zu
Recht in der damals sehr schlechten Ernährungslage, in der völlig unzureichenden Klei-
derversorgung, wobei vor allem immer wieder ein erheblicher Mangel an Schuhwerk be-
klagt wurde, und schließlich in den zum Teil katastrophalen Wohnverhältnissen, die
wegen nicht intakter sanitärer Einrichtungen oft in einem menschenunwürdigen Zustand
waren108. Eklatant blieb trotz der Nähe zu den Kohlengruben das Problem mangelnder
und mangelhafter Heizung109. In der kalten Jahreszeit mußte manche Schule geschlossen
werden, weil die Wärmeversorgung aus technischen Gründen oder wegen ausbleibender
Lieferungen des Brennmaterials ausfiel. Noch im Winterhalbjahr 1947/48 mußten die
Höchsttemperaturen für die Beheizung der Schulen auf 15 Grad Celsius für die Monate
November, Dezember und März und auf 18 Grad Celsius für die Monate Januar und Fe-
bruar festgesetzt werden. Der Unterricht durfte sogar ausfallen, wenn in den genannten
Zeiträumen die Klassentemperaturen unter 14 Grad Celsius (Januar und Februar) bzw.
12 Grad Celsius (November, Dezember und März) fielen110. Hinderlich für einen rei-
bungslosen Unterricht erwies sich ferner das Problem fehlender Schulmöbel. Dazu kam,
104 Über die Praktiken des Wechselunterrichts berichtete der Saarbrücker Dechant A. Braun vom ka-
tholischen Pfarramt St. Michael an das Bischöfliche Generalvikariat in Trier noch im Jahre 1950.
Dort heißt es: Wegen Mangel an Schulräumen haben abwechselnd Knaben und Mädchen in der
einen Woche vormittags, in der anderen Woche nachmittags Schulunterricht. Braun an General-
vikariat vom 27. 2. 1950, BA Trier, Abteilung 59, Nr. 64.
105 Im Jahre 1946 erreichten die Bildungseinrichtungen im Saarland im Schnitt folgende Klassen-
stärken: Volksschulen 50, Mittelschulen 44, Gymnasien 27, berufsbildende Schulen 37. Er-
rechnet nach Statistischem Handbuch (Saarland 1950), S. 181 ff.
106 Zitiert nach einem Bericht der Saarländischen Volkszeitung vom 29. 12. 1952. Ein besonderes
Problem waren die Landwirtschaftsschulen. So ist einem Lagebericht des Referats für Landwirt-
schaftsschulen (innerhalb der Schulabteilung der vom 8.10.1946 an existierenden Verwaltungs-
kommission) für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1946 zu entnehmen: Die Unterbringung
der Klassen begegnete großen Schwierigkeiten. Saarburg (vom 18. 7. 1946 bis 8. 5. 1947 vor-
übergehend zum Saarland gehörend), Saarlouis und Losheim sind notdürftig und vorübergehend
untergebracht. Lagebericht Referat V - Landwirtschaftsschulen - für den Zeitraum 1. 10. - 31.
12. 1946. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A - 1.
10 Im Februar 1947, der allerdings ungewöhnlich kalt war, erreichte man einen durchschnittlichen
Wert von 15 v. H. fehlender Schüler. In der hauswirtschaftlichen Abteilung der Berufsschulen
stieg er sorgar auf 33 v. H. Aber selbst noch im Mai 1947 meldeten die Schulen eine Mittelquote
von 10,5 v. H, Schulversäumnissen. Nach Berichten der Éducation Publique innerhalb der Saar-
brücker Militärregierung für die Monate Februar und Mai 1947. LA Saarbrücken, Bestand Han-
delsamt Saar Nr. 5 bzw. Nr. 6.
108 Vgl. dazu z. B. den Lagebericht des Referats Volksschulen für den Zeitraum 1.10. -31.12.1946.
LÀ Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A - 1.
109 Ebenda.
110 Nach E. Bopp. S. 17.
83
wie überall in Deutschland, die völlig unzureichende Versorgung mit Schulheften, Schul-
büchern und Unterrichtsmitteln aufgrund eines akuten Papiermangels111.
Nachteilig beeinträchtigt wurde der Schulbetrieb zudem noch durch Versorgungsmängel
bei Gebrauchsartikeln verschiedenster Art. So beklagte sich im Jahre 1947 der soeben ge-
gründete Verband katholischer Erzieher über einen großen Mangel an Uhren, der an
vielen Schulen immer wieder einen geordneten Unterricht in Frage stelle112.
Das größte Hindernis für einen regelmäßigen und gedeihlichen Schulbetrieb bestand je-
doch bis zum Jahre 1949 in einem eklatant spürbaren Lehrermangel. Das galt in erster
Linie für den Bereich der Volksschulen, hier mußte die durchschnittliche Klassenfrequenz
sogar von 50 auf 60 Schüler heraufgesetzt werden113. Weniger angespannt war dagegen
die Personalsituation innerhalb der höheren Schulen und der Berufsschulen bzw. Fach-
schulen, weil hier oft auf ehemalige deutsche Lehrer aus dem Lothringischen, die nach
1945 ins Saarland kamen, zurückgegriffen werden konnte. So fanden zum Beispiel bis
zum Jahre 1948 etwa 80 Philologen, die vorher dort tätig gewesen waren, an der Saar eine
neue Aufgabe114. Aus diesem Grunde konnte sich im gymnasialen Schulbereich die Zahl
der Lehrpersonen schon bald auf den Vorkriegsstand einpendeln und dies, obwohl im
gleichen Zeitraum die Zahl der Gymnasiasten leicht rückläufig war115. An den Berufs-
schulen erreichte man sogar einen echten Zuwachs, wobei hier freilich die zunehmende
Bedeutung und Differenzierung dieser Schulgattung eine gewisse Rolle spielte116.
Schlimm blieb dagegen die personalpolitische Situation im Bereich der Volksschulen.
Dort zählte man im Dezember 1946 insgesamt 2308 Lehrkräfte, eine Quote, die eindeutig
unter dem Vorkriegsstand von 3281 lag117. Bis zum 1. Oktober 1949 konnte dieser Wert
ungeachtet unerträglicher Klassenfrequenzen von bis zu 70 Schülern mit Mühe auf 2 633
gesteigert werden118. Erwägen muß man dabei den Faktor einer starken Überalterung der
111 Vgl. dazu die Situationsberichte der einzelnen Referate der Schulabteilung der Verwaltungskom-
mission (vom 8. 10. 1946 an) für die Zeiträume 1. 10. bis 31. 12. 1946; 1.1. bis 31.3. 1947 und
1. 7. bis 30. 9. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A - 1.
Vgl. hierzu auch die monatlichen Berichte der Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Mi-
litärregierung im Zeitraum März 1946 bis Oktober 1947, die insgesamt die vorher geschilderte
mißliche Schulsituation an der Saar deutlich machen und vor allem den katastrophalen Mangel
an notwendigem Unterrichtsmaterial beklagen. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr.
2-11.
112 Verband katholischer Erzieher des Saarlandes an Verwaltungskommission vom 9. 11. 1947.
Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Ablage 1948 - 1956.
113 Lagebericht Referat Volksschulen für den Zeitraum 1. 7. bis 30. 9. 1947. LA Saarbrücken, Be-
stand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A - 1.
114 Interview H. Kuhn vom 11. 12. 1975.
115 1945 gab es an den saarländischen Gymnasien 344 Lehrkräfte, 1946 waren es 429, 1947-447
und 1949 exakt 477. Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 182. Einem Aktenvermerk, der
wahrscheinlich im September 1945 angefertigt wurde, ist zu entnehmen, daß vor dem Kriege im
Saarland rund 500 Lehrer an höheren Schulen tätig gewesen seien. LA Saarbrücken, Bestand
KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
116 Im Bereich der gewerblichen und hauswirtschaftlichen Berufsschulen nahm die Zahl der haupt-
amtlichen Lehrkräfte im Zeitraum 1946 bis 1949 von 166 auf 299 (=50 %) zu, gleichzeitig stieg
die Schülerzahl von 20 417 auf 24 634 (= 20,6 %). Die entsprechenden Werte für die kaufmän-
nische Berufsschule lauten: 36 (1947) :71 (=100%)und3 488 :4 942 (=41,5 %). Hingewiesen
sei in diesem Zusammenhang auf den rückläufigen Trend innerhalb der städtischen Handels-
schulen und der Landwirtschaftsschulen. Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 183 f.
117 Rapport détaille der Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für die Mo-
nate Mai bis Juli 1946. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 8.
1,8 Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 181.
84
Kollegien, die sowohl infolge des Krieges als auch aufgrund eines seit den zwanziger
Jahren ständig herrschenden Überangebots an Volksschullehrern eingetreten war, was zu
empfindlichen Störungen im normalen Wechsel der Lehrergenerationen geführt hatte119.
Der Hauptgrund für die Misere der Volksschullehrerfrage gründete aber nicht vorrangig
in Krieg und personalpolitischen Fehlentwicklungen. Sie wurde in erster Linie durch die
sogenannte Entnazifizierung herbeigeführt. Die Befreiung vom Nationalsozialismus war
eines der wichtigsten und in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch am hartnäckigsten
verfolgten Kriegsziele der Alliierten, und es liegt auf der Hand, daß gerade die Erzieher im
Bereich der öffentlich organisierten Bildung davon betroffen sein mußten. Das galt natür-
lich auch für das Saarland.
6. Die Entnazifizierung
6.1 Die Phasen der Entnazifizierung
Eine wesentliche Voraussetzung für das Veständms der Entnazifizierung, die hier nur mit
Blick auf die Lehrerschaft im öffentlichen Schulwesen untersucht werden soll, ist die
Kenntnis ihres phasenmäßigen Ablaufs. In der ersten Zeitspanne wird in allen Besatzungs-
zonen und auch im Saarland eine erste grobe Säuberung durch die Militärbehörden vor-
genommen120. Die zweite Phase setzt um die Jahreswende 1945/46 ein. Jetzt erreichte die
Entnazifizierung ihren eigentlichen Höhepunkt, weil sie nun generell auf jene harte ame-
rikanische Linie einschwenkte, die General Lucius D. Clay im Jahre 1950 in ihrer Zielset-
zung selbstkritisch mit der Metapher „Karthagofrieden“121 umschrieben hat. Mit Blick
auf die Entnazifizierung der Lehrerschaft erlangte vor allem die Direktive Nr. 24 des Al-
liierten Kontrollrats vom 12. Januar 1946122 Bedeutung, die sich in der Zielsetzung stark
an die vom „Geist einer Bestrafungspolitik“123 getragene geheime Generalstabsanwei-
sung JCS 1067 der amerikanischen Regierung vom Mai 1945 an das Oberkommando
ihrer Streitkräfte in Deutschland anlehnte124. Eingeführt waren damit Grundsätze, die der
deutschen Rechtsmentalität fremd waren. Dazu gehörte in erster Linie das Prinzip der
Schuldvermutung, das hier in der kategorisierten Auflistung von möglichen (politisch mo-
119 Vgl. dazu Lageberichte Referat Volksschulen 1946 und 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Allgemeine Verwaltung, ZII —A — 1. Zu den Ursachen der Überalterung vgl. H. Küppers,
Kath. Lehrerverband, S. 73.
120 In Bezug auf die Schule galt hier zunächst nur die Anordnung, daß alle Rektoren und Rekto-
rinnen, die Mitglied der NSDAP gewesen waren, durch Nichtparteimitglieder ersetzt werden
müßten. Nach Entwurf eines Rundschreibens der Erziehungsabteilung des Regierungspräsi-
diums vom 8. 9. 1945 an die Schulräte des Regierungsbezirks Saar. Ein Hinweis auf eine Anord-
nung der Militärregierung wird hier nicht gegeben. LA Saarbrücken, Bestand KM - Mk 4811.
121 L. D. Clay, S. 33.
122 Direktive Nr. 24 über die Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Bestre-
bungen der Alliierten feindlich gegenüberstehen, aus Ämtern und verantwortlichen Stellen, Das
Gesetz Nr. 2 (Auflösung der nationalsozialistischen Organisationen) vom 10. 10. 1945 und das
Gesetz Nr. 10 (Ahndung von Kriegsverbrechen usw.) vom 25. 12. 1945 sowie die Direktive Nr.
38 (Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern usw.) vom 12.12.1946 haben für die Ent-
nazifizierung der Lehrer nur mittelbare Bedeutung gehabt.
123 R. Fritzsch, S. B 24.
124 JCS 1067, erstmals im Oktober 1945 veröffentlicht, bestimmte bis zum Juli 1947 die Grundzüge
der amerikanischen Besatzungspolitik in Deutschland. Zur Entstehungsgeschichte mit Quellen-
belegen siehe E. Deuerlein, Einheit, S. 52 f. und S. 335 ff.
85
tivierten) Straftatbeständen zum Tragen kam. Damit wechselte die Beweislast vom An-
kläger zum Angeklagten. Die praktische Konsequenz dieses Prinzips war dann der politi-
sche Fragebogen, den sozusagen jeder berufs- oder erwerbstätige Erwachsene ausfüllen
mußte, wobei in einer tabellarischen Form detaillierte Auskünfte über politisches Ver-
halten, Mitgliedschaften und Amtsfunktionen in der NSDAP und in nationalsozialisti-
schen Organisationen sowie Angaben über Bildungs- und Berufswege gegeben werden
mußten. Für die Entnazifizierung der Lehrerschaft waren insbesondere vier strafandro-
hende Kategorien der Direktive Nr. 24 von Bedeutung und zwar: Nr. 2 b, die die aktive
Mitgliedschaft in der NSDAP vor dem 1. Mai 1937 anprangerte, Nr. 18, die Amtsfunk-
tionen im NS-Lehrerbund nannte, Nr. 94, die von Vertrauensstellungen des Lehrers „ir-
gendwelcher Art“ sprach, und Nr. 97, die alle Personen haftbar machte, welche national-
sozialistische oder faschistische Lehren verbreitet hatten125. Trafen solche Tatbestände
zu, sollte die sofortige zwangsweise Entfernung aus dem Dienst erfolgen. Ermessensent-
scheidungen waren im Falle nomineller NSDAP-Mitgliedschaft (Eintritt nach dem 1. Mai
1937) und außergewöhnlicher Beförderung möglich126. Schon die teilweise unpräzisen
Formulierungen der vorgenannten Kriterien zeigen an, wie schwierig es gerade bei der Ei-
genart und öffentlich-rechtlichen Amtsstellung des Lehrers sein würde, mittels einer sche-
matisch angelegten politisch-juristischen Gesinnungskontrolle ein mögliches persönli-
ches Versagen im Dritten Reich zu ermitteln. Wenn auch die guten Absichten der Säube-
rungsaktion, nämlich die Korrektur unverdienter beruflicher Bevorzugungen bzw. Be-
nachteiligungen aus der Hitlerzeit und schließlich auch die personalpolitische Absiche-
rung des Ziels vom Aufbau einer demokratischen und humanen Staatsordnung nicht ge-
leugnet werden können, so stand doch gerade die Entnazifizierung der Lehrerschaft als
beamtete Erzieher angesichts besonderer politischer und juristischer Berufszwänge von
Anfang an in Gefahr, in das Zwielicht von Denunziation und Rachsucht zu geraten. Die
Suche nach Gerechtigkeit wurde zudem noch durch die in der deutschen Öffentlichkeit
um sich greifende Neigung erschwert, den Berufsstand der Lehrer kollektiv anzuklagen.
Die Schatten einer solchermaßen fragwürdigen Entnazifizierung im öffentlichen Bil-
dungssektor, die wegen der durch die Siegermächte zurückgestellten persönlichen Schuld-
frage elementare Gerechtigkeitsempfindungen verletzte und dubiose Ergebnisse provo-
zieren mußte, schwanden in der Phase der Amnestien, Erleichterungen und Einstellungen.
Sie setzte in der französischen Zone127 und im Saarland erst im Frühsommer 1947 ein, also
fast ein Jahr später als in der amerikanischen und britischen Zone. Beendet wurde die all-
gemeine Entnazifizierung in den Jahren 1949 und 1950, als alle Bundesländer entspre-
chende Gesetze einleiteten mit dem Ziel, nur noch die Verfehlungen von „Hauptschul-
digen“ und „Belasteten“ zu ahnden128. Im Saarland sind solche Entschlüsse erst mit Be-
ginn des Jahres 1951 wirksam geworden129, allerdings waren hier bereits in den Jahren
1948 und 1950 durch gesetzliche Regelungen stufenweise durchgreifende Milderungen
125 Entnommen Journal Officiel, Nr. 28 vom 1.7.1946, S. 228 ff. (deutsche Textfassung). Original-
abdruck im Amtsblatt des Alliierten Kontrollrates vom 31.3. 1946, S. 98 ff.
126 Ebenda, S. 238.
127 Auskunft über die Entnazifizierungspraxis der Franzosen in Württemberg-Hohenzollern gibt die
Untersuchung von H. D. Henke, Säuberung.
128 Zur Phaseneinteilung vgl. W. Dirks, Folgen, S. 450 f. Siehe auch R. Fritzsch, S. B 24.
129 Landtag des Saarlandes, Stenographische Berichte, 95. Sitzung vom 27. 1. 1951 (erste Lesung),
S. 462 f.
86
gegenüber Mitläufern und Minderbelasteten eingeleitet worden130. Die zeitlichen Verzö-
gerungen in der Entnazifizierungsfrage im Bereich der französischen Besatzungszone und
im Saarland könnten zu dem Schluß verleiten, daß hier eine schärfere Gangart einge-
schlagen worden wäre. Dies war aber sowohl im allgemeinen als auch im Hinblick auf die
Lehrerschaft nicht der Fall. Die gesamte französische Militäradministration behandelte
nämlich die Angelegenheiten der politischen Säuberung von Anfang an mit mehr Zurück-
haltung als z. B. die eifrig, streng und perfektionistisch agierenden Amerikaner. Die Fran-
zosen neigten mehr oder weniger zu einer pragmatisch-opportunistischen Grundhaltung,
d. h., sie verquickten die Entnazifizierung immer wieder mit den globalen Zielen ihrer Be-
satzungspolitik in Deutschland, also der eigenen nationalen Sicherheit und Wiedergutma-
chung. Aus diesem Grunde stand bei ihnen die Entnazifizierung oft unter dem Eindruck
des Zufälligen und Unberechenbaren. Zudem zeigten sich französische Stellen, nicht zu-
letzt aufgrund von Säuberungserfahrungen im eigenen Lande131, gegenüber Verurtei-
lungen mit politisch-moralischen Hintergründen wesentlich reservierter als Amerikaner
und Briten132. Folglich haben sie, und dies ist für die folgenden Ausführungen über die
Entnazifizierung der Lehrer an der Saar wesentlich, die politische Säuberung der Lehrer-
schaft nur bedingt in ihrer Verbindung zu einem Akt der rééducation im Interesse einer
demokratischen, rechtsstaatlichen und humanen Gestaltung von Staat und Gesellschaft
in Deutschland bewertet133. Sowohl im Saarland als auch in der französischen Besat-
zungszone sind darum auch niemals solche extremen Entlassungsaktionen innerhalb der
Lehrerschaft vorgekommen wie in der amerikanischen Besatzungszone, wo schon im
Jahre 1945 65 % aller Volksschullehrer im Zuge der ersten Entnazifizierungswelle vom
Dienst suspendiert wurden134, ein Wert, der sich dann im Jahre 1946 in „manchen Be-
zirken“ Bayerns sogar auf 80 und 90 Prozentpunkte erhöhte135.
6.2 Saarländische Besonderheiten
Obgleich das Saarland bis zum Februar 1946 offiziell der Gesetzgebungskompetenz des
Alliierten Kontrollrates unterworfen war, führte die Saarbrücker Militärregierung für
130 Wie Anm. 129 auf S. 86.
131 In diesem Zusammenhang sei ein Bericht der Berliner Zeitung vom 21. 2. 1947 erwähnt, in dem
eine Reihe führender Mitarbeiter der französischen Militärbehörden an der Saar beschuldigt
wurden, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mit den Deutschen kollaboriert zu haben oder als
Anhänger des Vichy-Regimes an verantwortlicher Stelle tätig gewesen zu sein. Namentlich er-
wähnt wurden der Chef du Cabinet du Gouvernement, Viard, der Sous-Directeur Robinier, der
Leiter der Wirtschaftsabteilung, Bindchedler, der Chef de la Police spéciale du Gouvernement,
Randon, der Chef de la gendarmerie de Sarrebruck, Debressé, der Adjudant de camp du Gouver-
nement, Bernard Lefranc, und schließlich sogar Marcel Brun, qui est chargé de Controller la dé-
nazification dans la Sarre. Nach Telegramm der französischen Mission in Berlin an das franzöi-
sche Außenministerium vom 21. 2. 1947,12 Uhr. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et
Documentation, Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai
d’Orsay, Nr. 1.
132 Vgl. J. Fürstenau, S. 134.
133 Vgl. dazu die Ausführungen Bungenstabs über die Motive und Absichten der amerikanischen
Haltung. K. E. Bungenstab, S. 70 ff.
134 L. Niethammer, S. 186.
135 K* E. Bungenstab, S. 74. Vgl. hierzu auch die Gesamtzahl der automatisch Inhaftierten für
das Jahr 1947 bei J. Fürstenau, S. 44. Sie lauten: Britische Zone 64 500, Amerikanische Zone
92 250, Französische Zone dagegen nur 18 963. Zu berücksichtigen ist allerdings die unter-
schiedliche Relation der Bevölkerungszahlen.
87
ihren Kontrollbereich eine eigene Rechtsgrundlage für die politische Säuberung ein136.
Die Aufgabe der Entnazifizierung übertrug sie insgesamt 78 zivilen Untersuchungs- und
Säuberungsausschüssen, denen ein Oberster Säuberungsrat übergeordnet wurde137.
Die Richtlinien für die Säuberung des saarländischen Lehrkörpers waren vorab durch eine
gesonderte Rechtsverordnung Grandvals vom 5. Oktober 1945138 bekanntgegeben
worden. Danach mußten alle Lehrer, die Mitglieder der NSDAP oder Amtsträger einer
nationalsozialistischen Organisation (z. B. NS-Lehrerbund) gewesen waren, vorerst aus
dem Dienst ausscheiden. Jeder dieser Entlassenen durfte dann anschließend ein Gesuch
auf Wiedereinstellung einreichen139. Diesem Gesuch wurde in der Regel stattgegeben. Die
endgültige Entscheidung über die Wiedereinstellung als Lehrer trafen spezielle Untersu-
chungskommissionen für das Unterrichtswesen, die, wie überall in der französischen Be-
satzungszone, im Spätherbst 1945 auch an der Saar tätig wurden. Sie sollten auch prüfen,
ob ein Erzieher wegen seines Verhaltens im Dritten Reich bestraft werden sollte. Die Un-
tersuchungsausschüsse setzten sich aus saarländischen Lehrern zusammen und wurden
für jeden Kreis gebildet140. Diesen lokalen Gremien wurden zentrale Landesausschüsse
übergeordnet, die, nach Schulgattungen getrennt, Zwischeninstanz zum Obersten Säube-
rungsausschuß waren, der, wie oben erwähnt, insgesamt für die Entnazifizierung ver-
antwortlich war141. Zum Vorsitzenden des zentralen Ausschusses für Volks- und Real-
schullehrer mußte Regierungspräsident Neureuter den sozialdemokratischen Stadt-
schulrat Friedrich Margardt aus Saarbrücken berufen, nachdem sein eigener Vorschlag,
den parteiunabhängigen evangelischen Schulrat M. Diener zu ernennen, von der Militär-
regierung ohne nähere Begründung abgelehnt worden war142. Leiter der zentralen Über-
prüfungskommission für Philologen wurde Oberschulrat Burghardt143. Die Richtlinien,
nach denen die Ausschüsse ihre Entscheidungen zu treffen hatten, legte die Militärregie-
rung vertraulich fest. Danach mußten lediglich alle Erzieher, die vor 1933 aktive Mit-
glieder der NSDAP gewesen waren144, sowie ehemalige Amtsträger in nationalsozialisti-
schen Formationen wie SS, SA usw. entlassen werden, nicht aber ehemalige Funktionsin-
haber in Verbänden wie dem NS-Lehrerbund. Damit waren wesentlich mildere Eckdaten
136 Sie tat dies im Rahmen der Verfügungen Nr. 5077 vom 9. 10. 1945, Nr. 5205 vom 10. 11. 1945
und Nr. 5224 vom 16. 11. 1945.
137 Nach Erläuterungen Edgar Hectors, damals Staatssekretär im Innenministerium des Saarlandes
vor dem Saarländischen Landtag. Landtag des Saarlandes, Stenographische Berichte 1950, S. 10.
138 Militärregierung an Regierungspräsidium — Nr. 4085 DAA/EDU - vom 5. 10. 1945. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 — 1947.
139 Militärregierung an Regierungspräsidium — Nr. 4085 DAA/EDU — vom 5. 10. 1945. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 g 1945 — 1947.
140 Entsprechende Auskünfte im Schreiben der Militärregierung an Neureuter - Nr. 4245 DAA/
EDU — vom 20. 11. 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A
2 g 1945-1947.
141 Der Oberste Säuberungsausschuß (Conseil Supérieur de l’Epuration) wurde erst im Mai 1946
durch die Militärregierung ins Leben gerufen. Er hatte seinen Sitz bei der Militärregierung und
stand unter dem Vorsitz des Chefs der Section Epuration, Commandant Leroy, bzw. eines von
ihm bestellten Vertreters.
142 Militärregierung an Regierungspräsidium — Nr. 5401 DAA/Ic — vom 18. 12. 1945. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 g 1945 — 1947.
143 Struktur und persönliche Zusammensetzung der Untersuchungskommission für Lehrer an Be-
rufsschulen konnten nicht ermittelt werden. Zur Person siehe oben, S. 79 f.
144 Zu beachten ist hier, daß die Rückkehr des Saarlandes zum nationalsozialistischen Deutschland
erst im Jahre 1935 erfolgte.
88
gesetzt als in der Direktive 24 des Alliierten Kontrollrates, die unter Nr. 2 b zum Beispiel
das Stichjahr 1937 für die NSDAP-Mitgliedschaft als Entlassungsgrund nannte und unter
Nr. 18 auch Ämterfunktionen im NS-Lehrerbund im gleichen Sinne erwähnte. Die eben-
falls mit Entlassung aus dem Schuldienst drohenden Kategorien 94 (Vertrauensstellungen
des Lehrers irgenwelcher Art) und 97 (Verbreitung nationalsozialistischer und faschisti-
scher Lehren) waren erst gar nicht erwähnt145. Alle Lehrer, die während des Zweiten
Weltkrieges im Elsaß oder in Lothringen tätig gewesen waren, wurden einem Sonderver-
fahren unterworfen. Notwendig war hier stets ein Gutachten des Inspecteurs d’Academie
in Metz bzw. Straßburg146. Die Militärregierung kontrollierte ihrerseits die Arbeit der Un-
tersuchungsausschüsse, indem sie bei der Schulverwaltung und Schulaufsicht genaue Aus-
künfte über Mitgliedschaften und Amtsfunktionen von Lehrern in der NSDAP und in NS-
Organisationen einholte147.
6.3 Das Ausmaß der Säuberung bis zum Jahre 1947 und erste Zugeständnisse
an die Schulpraxis
Zu fragen ist an dieser Stelle, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise die saar-
ländische Lehrerschaft von der Entnazifizierung betroffen war, bevor dann am 15. April
1947 im Interesse der Rechtssicherheit, des Rechtsschutzes, der Rechtsklarheit und des
Rechtsfriedens Spruchkammerverfahren im Sinne einer ordentlichen Gerichtsbarkeit ein-
geführt wurden148. Im Bereich der Volksschulen überprüfte der zentrale Säuberungsaus-
schuß nach einem Bericht des Vorsitzenden Margardt an die Militärregierung149 in der
Zeit vom Dezember 1945 bis Dezember 1946 insgesamt 2582 Lehrer, eine Angabe, die
mit der Istzahl im Statistischen Handbuch (Saarland 1950) fast deckungsgleich ist150. Ob-
gleich damit kundgetan ist, daß sozusagen die gesamte saarländische Volksschullehrer-
schaft einer Untersuchung unterzogen wurde, bleibt das Ausmaß der Sanktionen dennoch
verborgen, weil sich Margardt in seinem Report gänzlich über getroffene oder eingeleitete
Strafmaßnahmenn ausschweigt, wahrscheinlich weil er im Dezember 1946 noch keine
endgültigen Angaben machen konnte. Von den 344 Philologen, die im Jahre 1945 im
Saarland tätig waren, ist lediglich bekannt, daß von ihnen bis Anfang 1946 zwölf direkt
durch die Militärregierung entlassen worden sind, weil man sie für politisch untragbar
145 Richtlinien für die Kommissionen und Ausschüsse. Maschinenschriftliche Abschrift mit dem
handschriftlichen Vermerk Original bei Eifler sowie der ebenfalls angegebenen Jahreszahl 1946.
LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2g 1945 1947.
H6 Abschrift eines Rundschreibens der Erziehungsabteilung des Regierungspräsidiums an die
Leiterder saarländischen Schulen vom 13.12.1945. LA Saarbrücken, Bestand KM-Mk4790.
14 Vgl. Schreiben der Militärregierung an Regierungspräsidium —Nr. 4085 DAA/EDU —vom 5.10.
1945 und Schreiben der Militärregierung an Schulabteilung des Regierungspräsidiums — Nr.
4340 DAA/EDU—vom 5.12.1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung,
Z II - A 2 g 1945 — 1947,
148 Le personnel épuré attache une grande importance à la création des cours d’appel. Il espère, par
ces cours être réintégré dans les cadres de l’Enseignement, heißt es z. B. im Bericht der Éducation
Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat Mai 1947. LA Saarbrücken,
Bestand Handelsamt Saar Nr. 6.
14ÿ Margardt an Militärregierung vom 9. 12. 1946. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine
Verwaltung, ZII-A2 g 1945 -1947.
150 Dort werden auf S. 181 insgesamt 2 544 Lehrpersonen genannt.
89
hielt151. Über die Lehrer an Berufs- und Fachschulen konnten bisher noch keine Werte er-
mittelt werden152.
Ungefähre Anhaltspunkte über das gesamte Ausmaß der Entnazifizierung der saarländi-
schen Lehrerschaft in der Zeit der Sonderausschüsse liefern uns freilich die im Jahre 1947
amtlich bekanntgemachten und damit rechtswirksam gewordenen Bescheide aus den
Landkreisen Ottweiler, St. Ingbert und Homburg, da hier die politische Säuberung ganz
im Sinne der ungeduldig drängenden Militärregierung schon am Ende des Jahres 1946 ab-
geschlossen werden konnte153. Danach wurden 52 Volksschullehrer von 713 (ca. 7,4 %),
7 Philologen154 und 8 Gewerbelehrer von 88 (ca. 9,1 %) entlassen. In den Ruhestand mit
zum Teil erheblichen Kürzungen der Pensionsansprüche von 50 % bis 75 % versetzte man
44 Volksschullehrer (ca. 6,2 %), 11 Philologen und 2 Gewerbelehrer (ca. 2,3 %). Straf-
versetzt und zugleich in der Dienststellung zurückgestuft wurden 22 Volksschullehrer (ca.
3,1 %), 12 Gymnasiallehrer und 4 Gewerbeschullehrer (ca. 4,6 %). Gehaltskürzungen
und sonstige Maßnahmen, verbunden mit Auflagen wie Beförderungssperren, Bewäh-
rungsfristen, Ausschluß von leitenden Positionen u. ä. mußten 119 Volksschullehrer (ca.
16,7 %), 30 Philologen und 32 Gewerbelehrer (ca. 36,4 %) akzeptieren. Aus dem Saar-
land ausgewiesen wurde 1 Lehrerin. Mehr oder weniger hart gemaßregelt wurden also in
den Kreisen Ottweiler, St. Ingbert und Homburg insgesamt 238 Volksschullehrer
(33,2 %), 46 Gewerbelehrer (52,3 %) und 60 Philologen, wobei sich hier der Anteil der
Belangten bei etwa 40 % bewegt haben dürfte155.
Die amtliche Bekanntgabe der zum Teil doch sehr drastischen Strafurteile gegen Lehrer
in den genannten Kreisen156 sowie die im Laufe des Jahres 1947 einsetzende Zusendung
der Entnazifizierungsbescheide im übrigen Saarland lösten eine Protestwelle aus, die sich
mit ersten zaghaften Oppositionsregungen gegen die politische Zukunft der Saar ver-
151 Aktenvermerk über die Vorprüfung der Fragebogen durch die Schulabteilung, o. D. (wahr-
scheinlich Dezember 1945). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z1I —
A 2 g 1945 — 1947.
152 Die saarländischen Entnazifizierungsakten (nicht die französischen) werden im LA Saarbrücken
verwahrt. Sie sind aber in Analogie zu den anderen Ländern der Bundesrepublik noch nicht frei-
gegeben. Weiterhin besitzt das LA die Personalakten aller Volksschullehrer mit erloschenen Pen-
sionsansprüchen. Darin sind die Entnazifizierungsbescheide eingeheftet. Diese Aktengruppe in-
nerhalb des Bestandes KM kann für quantifizierende Untersuchungen über die saarländische
Lehrerschaft durchaus Nutzen haben.
153 In einer schriftlichen Mitteilung Margardts vom 11. 12. 1946 an Straus, der inzwischen als Mit-
glied der Verwaltungskommission zum Direktor für das Unterrichtswesen benannt worden war,
heißt es, daß die Militärregierung die Durchführung der Säuberungsaktion bis zum 31.12.1946
beendet wissen will. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 g
1945 - 1947. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Rapport détaille der Sûreté innerhalb der
Saarbrücker Militärregierung für die Monate Mai, Juni und Juli 1946. LA Saarbrücken, Bestand
Handelsamt Saar Nr. 8.
154 Die Gesamtbezugszahl konnte leider nicht ermittelt werden.
155 Statistische Angaben ermittelt nach Amtsblatt der Verwaltungskommission des Saarlandes Nr.
5 vom 28. 1. 1947 und Nr. 11 vom 4. 3. 1947. Diese Zahlenwerte werden z. T. bestätigt im Be-
richt der Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat De-
zember 1946. LA Saarbrücken, Handelsamt Saar Nr. 4.
156 Die Ergebnisse der Entnazifizierung wurden im Amtlichen Schulblatt für das Saarland unter Na-
mensnennung veröffentlicht.
90
mischte157. Vor allem kirchliche Amtsträger ergriffen, gestärkt durch das gestiegene An-
sehen, das die Kirchen aufgrund ihres Widerstandes gegen das Hitlerregime damals all-
seitig genossen, für die Lehrer Partei. So protestierte Kirchenrat Wehr in einem Schreiben
an den Vorsitzenden der Verwaltungskommission, Erwin Müller, energisch gegen die bis-
herigen Wege der Epuration, die er in Gefahr sah, sich vom summum jus zur summa in-
juria zu entwickeln. In Anlehnung an die Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutsch-
land vom 2. Mai 1946 zur Entnazifizierungsfrage kritisierte Wehr die ergriffenen Sühne-
maßnahmen in ihrer Zielsetzung, den nationalsozialistischen Ungeist zu überwinden,
offen als unglaubwürdig158. Ebenso entschlossen wie Wehr gingen auch eine Reihe von
katholischen Pfarrern, die im damaligen Saarland ungeachtet der auch hier nach dem Er-
sten Weltkrieg endgültig abgebauten geistlichen Schulinspektion immer noch eine fakti-
sche Aufsichtsautorität besaßen, mit den Säuberungspraktiken ins Gericht. So nannte
zum Beispiel Pfarrer Fiseni aus Illingen die zu erwartende Entlassung bzw. Pensionierung
von 6 der 7 Lehrer an der dortigen Volksschule unverblümt als zu hart und appellierte in
seinem Schreiben an Müller, im Interesse eines moralischen Aufbaus ... die Menschlich-
keit nicht ganz auszuschalten159. In fast allen Eingaben wurde nicht nur die schematische
und inquisitorische Art und Weise der Schuld- und Urteilsfindung kritisiert, die angesichts
einer komplexen Mischung von festgeschriebenen politischen, juristischen und morali-
schen Maßstäben für eine personenbezogene Schuldermittlung tatsächlich versagen
mußte, sondern-auch die Besetzung der Entscheidungsgremien mit juristisch ungeübten
und unerfahrenen Personen, die aufgrund persönlicher Leiderfahrungen und schlimmer
Benachteiligungen in der Zeit des Dritten Reichs oft einen Hang zu harten Bestrafungen
erkennen ließen. Zweifel an der Urteilsfähigkeit der Untersuchungsausschüsse und der
rechten Wirkung der von ihnen betriebenen politischen Säuberungen wurden aber auch
von Mitgliedern dieser Gremien selbst laut. Ein Beispiel dafür sind die Begründungen
einer Realschullehrerin für ihren Rücktritt als Mitglied der zentralen Entnazifizierungs-
kommission für Volks- und Realschullehrer. Im Rückgriff auf das damals noch im Saar-
land sehr populäre christliche Naturrecht beklagte sie vor allem, daß die Entnazifizierung
nicht nur für eine Lehrernot ohnegleichen und eine Schulnot, wie sie nicht zu sein
brauchte, verantwortlich gemacht werden müsse, wobei sie gleichzeitig die Schulkinder
157 Vgl. dazu das gemeinsam vom Verband katholischer Erzieher und der Arbeitsgemeinschaft für
evangelische Unterweisung Unterzeichnete Protestschreiben zur Entnazifizierung an die Verwal-
tungskommission vom 30. 9. 1947, in dem von der Gefahr gesprochen wird, daß die bisherigen
Methoden, lrrtümer und Widersprüche der Entnazifizierung den Neuaufbau eines demokrati-
schen Staatswesens seelisch untragbar belastet und die Gemeinschaft zerstört. Der Wille weiter
Kreise am Wiederaufbau mitzuwirken, wird vielfach in das Gegenteil gekehrt. Verband katholi-
scher Erzieher des Saarlandes und Arbeitsgemeinschaft für evangelische Unterweisung an Ver-
waltungskommission am 30. 9. 1947. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saar-
landes, Ablage 1946 -1958.
158 Wehr an Müller vom 18. 9. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung,
ZII-A 2 g 1945 - 1947. Die Quelle ist im Anhang (Anlage 5) wiedergegeben. Vgl. auch die Aus-
führungen Wehrs zur Entnazifizierungsfrage im Rahmen seines Bonner Vortrags am 27. 1. 53.
Dort stellte er sie als besondere kirchliche Aufgabe heraus, die ohne Rücksicht auf politische In-
teressen zu erfüllen sei. Nach Aufzeichnung über diesen Vortrag. LA Saarbrücken, Bestand
Nachlaß Heinrich Schneider Nr. 103
Pfarrer Fiseni (Illingen) anMüllervom 18.1.1947. LA Saarbrücken, Bestand Verwaltungskom-
mission Nr. 20.
91
als ärmste Opfer unserer Entnazifizierung bezeichnete, sondern auch für den zerstörten
Glauben an eine feste, unter dem christlichen Gesetz stehende Rechtsordnung.160
Resignation und Bestürzung unter den saarländischen Lehrern waren auf dem Höhe-
punkt der Entnazifizierung im Jahre 1947 sicherlich in einem außerordentlichen Maße ge-
geben161. Dennoch löste das rigorose und drastische Vorgehen einen bemerkenswerten
Solidarisierungseffekt aus, der nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer wechselvollen Ge-
schichte der Saar im 20. Jahrhundert zu sehen ist162. Er sollte sich auf eine geschlossene
Koalitionsbildung in den kommenden Jahren günstig auswirken163. Die Militärregierung
zeigte sich von der allgemeinen Entrüstung über Form und Grad der Entnazifizierung der
Lehrer zuerst wenig beeindruckt164. Erst die im Laufe des Jahres 1947 auftretenden Funk-
tionsstörungen in der täglichen Schulpraxis zwangen sie zur Einsicht. Ihre innere Bereit-
schaft zu einer Kurskorrektur signalisiert z. B. der Bericht der Éducation Publique für die
Monate Februar bis April 1947, in dem es zur Ablösung von Schulleitern im Zuge der Ent-
nazifizierung kritisch heißt: Le choix des nouveaux directeurs, en remplacement des an-
ciens directeurs, membres du parti (gemeint ist die NSDAP) n’a pas toujours été très heu-
reux165. Von der saarländischen Schulverwaltung erhielt sie im März, obgleich ihr Di-
rektor Straus selbst einen harten Standpunkt in der Entnazifizierungsfrage vertrat166, auf
ihre Beschwerde über eine zu dilatorische Behandlung der Entnazifizierungsfrage hin zur
Antwort, daß für jede durch die Epuration ausgefallene Lehrkraft... nur im Rahmen der
uns zur Verfügung stehenden zugelassenen Lehrer ein Nachfolger bestimmt werden
könne. Diese Zahl sei aber gering167. Bereits 14 Tage vorher hatte Straus in einem persön-
lichen Schreiben an Grandval mitgeteilt, daß die Durchführung dieser Sanktionen (be-
zieht sich auf die Entnazifizierung) infolge der im Saarland herrschenden Wohnungsnot
160 Schreiben eines Mitgliedes der zentralen Säuberungskommission für Volks- und Realschullehrer
an Müller vom 12. 9. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZII —
A 2 g 1945 — 1947.
161 Das oben konstatierte (S. 87 f)härtere Vorgehen der Amerikaner und Briten in der Entnazifizie-
rungsfrage wird mit dieser Feststellung nicht widerrufen. Die Entnazifizierung war für die Leh-
rerschaft allgemein eine bittere Erfahrung.
162 In diesem Sinne argumentierte z. B. Schulrat Diener (Ottweiler II) in einem Begleitschreiben zu
einer Liste von 5 Lehrpersonen, die er für zu hart bestraft hielt. LA Saarbrücken, Bestand Kreis-
schulamt Ottweiler Nr. 37.
163 Vgl. dazu den Geschäftsbericht des am 6. Juni 1947 gegründeten Verbandes katholischer Er-
zieher des Saarlandes vom 9. 8. 1948. Darin wird von 6 Eingaben in der Entnazifizierungsfrage
gesprochen, in denen u. a. gegen die Härte und Ungerechtigkeit der Urteile sowie gegen die per-
sonelle Zusammensetzung der Gremien protestiert wurde. Außerdem wurde die sofortige Ein-
stellung aller amnestierter und für tragbar erklärte Lehrer verlangt. Eine dieser Eingaben wurde
bereits in der Anm. 157 auf S. 91 erwähnt. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des
Saarlandes, Ablage 1946 — 1958.
164 So verlangte die Militärregierung von der Verwaltungskommission eine scharfe Reaktion auf die
Eingabe des Pfarrers Fiseni aus Illingen (siehe oben S. 91 und die dortige Anm. 159). Schreiben
der Militärregierung an die Verwaltungskommission— Nr. 199/7 DAA/Cab — vom 31. 1. 1947.
LA Saarbrücken, Bestand Verwaltungskommission Nr. 20.
165 LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 10.
166 So hatte Straus noch am 29. 1. 1947 an Grandval geschrieben, daß die Altparteigenossen oder
die Mitglieder der ehemaligen Kampfformationen des Nazismus auf keinen Fall in Stellungen
bleiben können, die es ihnen fürderhin gestattet, irgendwelchen Einfluß auf die geistige Entwick-
lung der her anwach senden Jugend zu nehmen. Handschriftlich korrigierten Briefentwurf von
Straus an Grandval vom 29. 1. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwal-
tung, ZII - A 2 g - i.
167 Vgl. Schulabteilung der Verwaltungskommission an Militärregierung vom 17.3.1947. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 g 1945 — 1947.
92
und auch in Hinblick auf die wirtschaftliche Lage auf verhältnismäßig große Schwierig-
keiten stoßen mußX(,%. Im Herbst 1947 spitzte sich die Personalsituation an den saarländi-
schen Schulen derart zu, daß ein Einlenken in der Entnazifizierungsfrage seitens der mili-
tärischen und zivilen Behörden unvermeidlich war. So war die Ankündigung des Amtli-
chen Schulblattes vom 20. September/5. Oktober 1947, daß eine nochmalige Überprü-
fung aller Epurationsbescheide beabsichtigt sei168 169, für Eingeweihte keine Überraschung
mehr, zumal Straus schon vorher in internen Diskussionen mit Mittelschullehrern ange-
kündigt hatte, daß recht bald ein dicker Strich unter die Vergangenheit gezogen würde170 171.
6.4 Einsetzende Normalisierung
Eine Kurskorrektur in der Entnazifizierung der saarländischen Lehrerschaft war aber
nicht nur wegen der prekären schulischen Situation dringend geboten, sie war auch not-
wendig infolge der am 15. April 1947 verkündeten Rechtsverordnung der Militärregie-
rung in Baden-Baden zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus, die, wie
in der amerikanischen und britischen Zone schon seit Sommer 1946, nun auch im ge-
samten französischen Kontrollbereich die rigiden Praktiken der Jahre 1945 und 1946 be-
endete und grundsätzlich nur noch Sühnemaßnahmen verhängte, wenn Personen in der
Zeit des Dritten Reiches ihre Stellung gegenüber ihren Mitmenschen mißbraucht haben,
oder ... ihre Verbindung zur NSDAP ausgenutzt haben, um Stellungen zu erreichen, zu
denen sie sachlich nicht qualifiziert warenX7X. Diese generelle Richtschnur war zwar sehr
dehnbar formuliert, aber gerade diese scheinbare Schwäche gestattete es der Militärregie-
rung, ohne Gesichtsverlust eine allgemeine Milderung der politischen Säuberung einzu-
läuten. Anzustreben war allerdings eine Wendung, die umfassend und im Grunde im
Rahmen einer rechtlich glaubwürdigen Amnestie vollzogen werden mußte, weil die noch
nicht abgeurteilten schweren Verfehlungen im Zuge der nun praktizierten Spruchkam-
merverfahren mit zum Teil geringeren Strafen geahndet worden wären als minderes
Schuldverhalten während des Dritten Reiches, das aufgrund der harten Bestimmungen
aus dem Jahre 1945 bereits durch die rechtskräftigen Urteile der Säuberungsausschüsse
bestraft worden war. Die nun zuständigen Spruchkammern wurden in ihren Spitzen mit
juristisch vorgebildeten Mitgliedern besetzt, so daß der Eindruck willkürlicher Entschei-
dungen, den die Säuberungsausschüsse allzuoft hinterlassen hatten, allmählich ver-
schwand. Zum Staatskommissar für die politische Säuberung und zum Vorsitzenden
einer letztinstanzlichen obersten Spruchkammer ernannte die Militärregierung den Se-
168 Straus an Grandval vom 4. 3.1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung,
ZII-A2g 1945-1947.
169 Amtliches Schulblatt für das Saarland Nr. 18/19 vom 20. 9-/5. 10. 1947, S. 29. Am 1. 12. 1947
bat Straus in einer Rundverfügung alle Lehrkräfte, die einen Epurationsentscheid mit einer Sank-
tion erhalten haben,... die Originale des Epurationsentscheides zwecks Überprüfung sofort auf
dem Dienstwege zuzusenden. Zitiert nach E. Bopp, S. 17. Der Autor nennt die Herkunft der
Quelle nicht.
170 Schreiben R. Bauer, Leiterin der Saarbrücker Mittelschule für Mädchen, an Müller vom 12. 9.
1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
171 Zitiert nach Ausführungen des Staatssekretärs im saarländischen Innenministerium Edgar
Hector vor dem saarländischen Landtag im Rahmen seiner Erläuterungen des Gesetzes über den
Abschluß des politischen Säuberungsverfahrens am 27. Januar 1951. Landtag des Saarlandes,
Stenographische Berichte, 95. Sitzung vom 27. 1. 1951, S. 462.
93
natspräsidenten Peter Manderscheid, ein nach dem Urteil Heinrich Schneiders „sehr se-
riöser, gerechter und objektiver Jurist“172. Damit war in Sachen Entnazifizierungauch im
Spitzenbereich die Zuständigkeit an die saarländische Seite übergegangen. Ein wesentli-
cher Vorteil der neuen Säuberungsbestimmungen war überdies, daß fortan die Beweislast
nicht mehr beim Beklagten lag, sondern, entsprechend deutscher Rechtstradition, beim
Ankläger. Fortgesetzt wurde die Phase der Erleichterungen mit der sogenannten Jugend-
amnestie vom 2. Mai 1947173, die alle Personen, die nach dem 1. Januar 1919 geboren
waren, der politischen Säuberung enthob, wenn sie ohne Amtsfunktion in der NSDAP
oder nicht Mitglied einer einschlägigen NS-Organisation gewesen waren. Nach einem
Jahr Spruchkammerpraxis auf der Grundlage der Verordnungen aus dem Jahre 1947, in
dem der Prozeß der politischen Säuberung kaum über die Behandlung von Einsprüchen
hinauskam, wurde dann über das erste (1948) und zweite Gesetz (1950) zur Vereinfa-
chung des politischen Säuberungsverfahrens sowie mit dem Gesetz über den Abschluß des
politischen Säuberungsverfahrens vom 10. Juli 1951174 ein vorläufiger Schlußstrich in der
Entnazifizierungsfrage gezogen. Belangt werden konnten nunmehr nur noch sogenannte
Hauptschuldige und Belastete, laufende Verfahren gegen sogenannte Mitläufer und Min-
derbelastete wurden eingestellt. Die bis dahin in diesem Sinne Verurteilten wurden nach
und nach amnestiert, ohne freilich für die erlittenen Nachteile entschädigt zu werden.
Praktisch war die Entnazifizierung der Lehrer im Saarland175 wie auch in der französi-
schen Zone schon im Jahre 1949 abgeschlossen176. Daß die Entnazifizierung im allge-
meinen und die des öffentlichen Bildungsbereichs im besonderen auch im Saarland ge-
scheitert ist, ist nicht allein darin zu sehen, daß im Höchstfälle nur 1 % der Lehrer auf
Dauer wirklich bestraft worden sind177, ihr Fehlschlag muß vielmehr in dem erschütterten
Vertrauen vieler Erzieher zum demokratischen Rechtsstaat gesehen werden, in dessen
Namen die Verantwortlichen ihre Säuberungsaktionen angeblich ausführten und den der
Lehrer als Mittler zwischen den Generationen doch auf Dauer sichern helfen sollte.
In ihrem Ausmaß und in ihrem Verlauf unterschied sich, wie ersichtlich wurde, die Entna-
zifizierung an der Saar kaum von derjenigen in der französischen Besatzungszone178.
Gleichwohl stand das Generalziel, durch eine politische Säuberung eine rechtsstaatliche
Ordnung im Rahmen demokratischer Strukturen nach westlichem Vorbild zu erreichen,
172 H. Schneider, S. 57.
173 VerordnungNr. 92Amnestie der Jugend. Abgedruckt im Journal Officiel Nr. 60 vom 5.5.1947.
174 Abgedruckt im Amtsblatt des Saarlandes Nr. 36 vom 18. 8. 1951, S. 985.
175 Interview W. Schöpper vom 13.12. 1975 und Interview E. Straus vom 23.10.1975. Straus erin-
nert sich dieser Frage so: Als ich im Jahre 1950 in Toulouse einen Kongreß des MRP besuchte,
begrüßte mich der damalige Vorsitzende dieser Partei, mein Freund Georges Bidault, unter An-
spielung auf unser nachsichtiges Vorgehen beim Entnazifizierungsverfahren mit den Worten:
’Da kommt ja unser Nazifreund!’
176 So konstatierte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche im Rheinland für die französisch
besetzten Gebiete, Kirchenrat Sachsse, in seinem Bericht an die Kirchenleitung in Düsseldorf vom
29. 8. 1949: ln den meisten Fällen (...) lautet das Urteil (in den Spruchkammerverfahren) nach
der mir von der Mf/(itär)-Reg(ierung) übersandten Liste auf’réintégration’, also Wiederindienst-
stellung’. Sachsse an Kirchenleitung vom 20.8.1949. Archiv der Evangelischen Kirche im Rhein-
land, Bestand Bevollmächtigter der französischen Zone, Bf 2.
177 Prozentwert nach einer Auskunft von E. Straus vom 23. 10. 1975.
178 Vgl. dazu R. Wink eie r, S. 18 ff.
94
hier unzweifelhaft unter dem Vorzeichen der Abtrennungsabsichten Frankreichs179. Dies
war auch im Bildungsbereich zu beobachten. Schon die immer wieder von der Militärre-
gierung penetrant betonte Überwachungskompetenz bei allen Versetzungen, Ernen-
nungen und Veränderungen des Lehrpersonals deutete darauf hin, daß sie nicht willens
war, eine Opposition gegen die geplante Sonderentwicklung des Saarlandes hinzu-
nehmen. Diese Annahme wird fast zur Gewißheit, wenn man von dem hausinternen
Rundschreiben des Leiters der Schulabteilung im Regierungspräsidium, Straus, vom 27.
3. 1946 erfährt, daß von sofort an von Lehrkräften, die bisher nicht im saarländischen
Schuldienst standen, neben den üblichen Bewerbungsunterlagen und dem unumgängli-
chen Fragebogen auch ein Leumundszeugnis der Sûreté, der französischen Sicherheitspo-
lizei, vorgelegt werden müsse180. Die gewollte Kontrolle eines möglichen Oppositionspo-
tentials gegen eine separatistisch angelegte Saarpolitik zeigt sich auch in der Anordnung
der Personalabteilung des Regierungspräsidiums vom 22. 8. 1946, wonach der Landes-
polizei ... die Namen und Anschriften der aus dem Dienst entlassenen Beamten zum
Zwecke der politischen Überwachung mitzuteilen sind181 182. Das stärkste Instrument zur
Disziplinierung der saarländischen Lehrerschaft im Interesse des französischen Saarkon-
zepts besaß die Militärregierung und die von ihr abhängige zivile saarländische Schulver-
waltung zweifellos in der widerruflichen Beschäftigung der rund 70 % Lehrer, die im
Zuge der politischen Säuberung vorübergehend zur Disposition gestellt worden waren,82.
Zwar ist dieses Druckmittel infolge der zwangsläufig duldsam gestimmten Lehrer in
dieser Zeit kaum angewandt worden, es wäre aber sicher zum Einsatz gelangt, falls ir-
gendeine oppositionelle Regung gegen das Ziel eines von Frankreich abhängigen Saar-
staates spürbar geworden wäre. Dafür spricht vor allem die Interpretion des Begriffs Be-
währung, den im Oktober 1949 der damalige Justitiar im saarländischen Kultusministe-
rium und spätere Senatspräsident Zarth im Zusammenhang mit der für einen beamteten
Lehrer wesentlichen und vom Jahre 1948 an aktuellen Frage des Erwerbs einer saarländi-
schen Staatsangehörigkeit in einem gutachtlichen Aktenvermerk gemacht hat. Danach
würde die Bewährung lediglich auf dem Papier stehen, wenn man ihren Sinn darin er-
blicken wollte, daß letzten Endes nur Angriffe gegen den Staat ein Fall der Nichtbewäh-
rung sein soll. Die politische Bewährung des Beamten sah Zarth in erster Linie in der Art
und Weise der Ausübung seiner Staatsangehörigkeit, die er in enger Verbindung mit dem
aktiven Bekenntnis zum inzwischen gegründeten saarländischen Staat sah, wenn er weiter
ausführte: Saarländer zu sein oder geworden zu sein rechtfertigt durchaus einen Vorzug
179 Schneider, der engagiert gegen eine autonome Saar gekämpft hat, hat diese Verquickung von po-
litischer Säuberung und dem Ziel der Lostrennung durch seinen Bericht über seine eigene Entna-
zifizierung als Rechtsanwalt sehr anschaulich und überzeugend dargestellt. Vgl. H.Schneider,
S. 56 ff.
180 Rundschreiben, unterzeichnet von Straus, an die Referenten der Schulabteilung vom 27.3.1946.
LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
181 Anordnung des Personalreferats des Regierungspräsidiums Saar vom 22. 8. 1946. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 b 1945 - 1952.
182 So wurden im Jahre 1945 innerhalb der Schulaufsichtsbezirke Saarbrücken — Land II, Saarlouis
I, Saarlouis II, Ottweiler I, St. Ingbert und Homburg von 718 Lehrpersonen 581 (ca. 71 %) auf
Widerruf bis zum Epurationsentscheid beschäftigt. Aktenvermerk über Säuberungsmaßnahmen
bis November 1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 29
1945-1947.
95
vor denen, die die saarländische Staatsangehörigkeit bewußt nicht erworben haben183.
Aber auch die Vorkehrungsmaßnahmen der Militärregierung im Zuge der Jugendamne-
stiegesetzgebung vom 2. Mai 1947, die aufgrund einer persönlichen Bitte Grandvals zwi-
schen Babin, dem Inspecteur d’Academie der Militärregierung und Straus im September
1947 abgesprochen wurden, sind ein Beleg für die enge Verflechtung von Entnazifizierung
und französischen Einflußinteressen bzw. Machtinteressen saarländischer Politiker. Da-
nach wollten beide Seiten ne pas admettre dans l’Enseignement des jeunes gens, qui du fait
de leur attitude passée, risquaient dans l’avenir, de gêner considérablement l’action cultu-
relle de la France en Sarre184. In diesem Zusammenhang dürfen schließlich auch die tak-
tisch kalkulierten Behauptungen von Straus erwähnt werden, viele Lehrer hätten ihren
Fragebogen bewußt mit falschen Angaben ausgefüllt. So erklärte er auf einer Lehrerta-
gung im Januar 1947 in Saarbrücken, daß von 15000 eingereichten Fragebogen 4000
wissentlich gefälscht sind185. Dieser Vorwurf war, wenn er, wie Straus es tat, nur auf die
Lehrer gemünzt wurde, schon mit Blick auf die Statistik stark übertrieben186, womit zu-
gleich aber auch sein Zweck, nämlich Einschüchterung, deutlich erkannt ist. In ähnliche
Richtung zielte auch das Rundschreiben von Straus vom 3. 9. 1946. In ihm wurden alle
Lehrkräfte ersucht, gegen die Gefahr, daß sich Bewegungen geheimer Art und reaktio-
nären Charakters entwickeln, energisch anzugehen187. Diese gewissermaßen zur politi-
schen Denunziation auffordernde Anordnung stand im Einklang mit seiner äußerst ri-
giden, gelegentlich sogar rachsüchtigen Grundhaltung in der Entnazifizierungsfrage. Sie
offenbarte sich nicht nur darin, daß er Fürsprachen in Entnazifizierungsangelegenheiten
brüsk zurückwies, sondern auch in grundsätzlichen Äußerungen in der Spätphase der po-
litischen Säuberung. So stellte er noch im Jahre 1949, als er bereits saarländischer Kultus-
minister und die Entnazifizierung der Lehrerschaft bis auf schwerwiegende Fälle weitge-
hendst abgeschlossen war, zu den allein schon im Interesse einer gedeihlichen Schularbeit
notwendigerweise gewährten Amnestien und Milderungen fragend fest, ob dies richtig
ist, ist eine andere Sache188. Dabei muß man freilich davon ausgehen, daß Straus das ei-
gentliche Ziel der Entnazifizierung in enger Verbindung mit seinen persönlichen Auffas-
sungen von der notwendigen geistigen Erneuerung des öffentlichen Schulwesens sah, die
183 Aktenvermerk des Justitiars Zarth vom 11. 10. 1949. Versehen mit dem Vermerk: vorzulegen
Herrn Minister Dr. Straus. Privatakten E. Straus. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 8).
184 Durchschlag eines Berichts Babins an Grandval, der lediglich mit Septembre 1947 datiert ist, und
den Straus nachrichtlich zugesandt erhielt. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Ver-
waltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
185 Zitiert nach Saarbrücker Zeitung vom 30. 1. 1947 (Neue Folge, 3. Jahr, Nr. 12).
186 Die Gesamtzahl der saarländischen Lehrer aller Schulgattungen überstieg kaum die Zahl 4 000.
187 Rundschreiben an alle Schulleiter-Nr. 162/46 Bu/C-vom 3. 9.1946. LA Saarbrücken, Bestand
KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 b 1945 — 1947.
188 Diese Aussage machte Straus in Form einer schriftlichen Stellungnahme zu einem Epurationsent-
scheid, der seinen ehemaligen Justitiar, Dr. Friedrich Buech, betraf. Durchschlag dieser Stellung-
nahme an Ministerpräsident Johannes Hoffmann — V/Z I - B 6 - vom 26. 7. 1949. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Im Geschäftsverkehr Z I — B 6 1945. Dr.
Buech war schon zur Zeit des Völkerbundregimes und in der Zeit von 1935 bis 1944 Mitarbeiter
der Schulabteilung gewesen. Er war von der Geheimen Staatspolizei observiert worden (nach
Auskunft LA Saarbrücken aufgrund des Bestandes Gestapo-Stelle Saarbrücken Nr. 15).
Trotzdem wurde er im Zuge der Entnazifizierung vom Dienst suspendiert. Die Gründe für seine
Entlassung konnten nicht ermittelt werden. Im Juni 1946 war Dr. Buech offiziell zum Vertreter
von Straus und als Vertreter der Abteilungsleiter der Schulbehörde bestellt worden. Vgl. hierzu
Rundschreiben des Regierungspräsidiums Saar - Generalsekretariat Tgb. Nr. 677/46 A - vom
14. 6. 46. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 3.
96
nach seiner Meinung nicht nur eine entnazifizierte Lehrerschaft bedingte, sondern auch
den Aufbau einer neuen Lehrergeneration voraussetzte, die dann ihre wichtigste Erzie-
hungsaufgabe in der Stabilisierung rechtsstaatlicher Zustände erblickte189. Dieser Grund-
gedanke war nicht originell, denn die Amerikaner hatten schon in Jalta die Ansicht ver-
treten, daß Entnazifizierung der deutschen Lehrerschaft, pädagogische Umorientierung
und Demokratisierung sich einander bedingen190. Der allgemein betonte Zusammenhang
von politischer Säuberung, Umerziehung und schulischer Erneuerung schloß freilich nicht
aus, daß die rééducation der Lehrer den einzelnen Besatzungsmächten einen noch grö-
ßeren Interprétations- und Handlungsspielraum gab als im Falle der Entnazifizierung. Für
die besondere Situation im Saarland heißt das aber, daß sich hier der Separationswille
noch stärker entfalten konnte. Allerdings übernahm in diesem Fall nicht die Militärregie-
rung, sondern die saarländische Schuladministration, an deren Spitze mit Straus ein ent-
schiedener Verfechter des Autonomiegedankens im Sinne französischer Wünsche stand,
die Federführung.
7. Die „Umerziehung“ der Lehrerschaft und Demokratisierung der Schule
Im September 1945 gab die französische Militärregierung in Baden-Baden konkrete An-
weisungen über die rééducation du personnel allemand de l’Enseignement'191. Darin
wurden alle Lehrer zu einem einwöchigen Schulungskursus verpflichtet, der von der zi-
vilen Kultusverwaltung zu organisieren und unter Aufsicht französischer Bildungsoffi-
ziere durchzuführen sei. Außerdem sollte für jeden Erzieher ein dreiwöchiger Lehrgang in
der Zeit der Sommerferien 1946, der einen vorläufigen Abschluß seiner „Umerziehung“
darstellen sollte, obligatorisch sein192. Die Militärregierung in Saarbrücken übernahm
diese Anordnung Baden-Badens auch für das Saarland. Ebenso wie Straus sah auch
Grandval das Thema „Umerziehung“ in enger Beziehung zur Entnazifizierung, ohne frei-
lich die positiven Erwartungen des Direktors der saarländischen Schulverwaltung in
dieser Frage zu teilen. Grandval interpretierte das Ziel der „Umerziehung“ in erster Linie
machtpolitisch, wobei er auch hier jenen Wirklichkeitssinn und Pragmatismus bewies, die
für ihn und seine saarlandpolitischen Strategien eigentümlich waren. Bezeichnenderweise
sprach er, wie übrigens viele seiner Mitarbeiter auch, nicht von „Umerziehung“ sondern
von „Umschulung“ der Lehrer. Grandval war sicher, daß es zwecklos sei, von denjenigen,
die eifrige Propagandisten oder selbst aktive Mitglieder der Nazi-Partei waren, eine
gründliche Umstellung ihrer Philosophie zu erwarten und noch weniger die Möglichkeit,
nach Methoden und Grundsätzen zu lehren, die sie 10 Jahre lang bekämpft haben193.
Da Grandval allein in der politischen Säuberung der Lehrerschaft ein wirksames Mittel
für einen pädagogischen Neubeginn sah, überrascht es nicht, wenn er bezüglich der „Um-
189 Interview E. Straus 25. 11. 1976.
190 Vgl. dazu K.-E. Bungenstab,S. 171 (Anhang Nr. 1, Quelle: Briefing Book Paper: The Treat-
ment of Germany, January 12, 1945).
191 Schreiben des Délégué de District Reutlingen an den Landrat des Kreises vom 30. 10. 1949. Zi-
tiert nach R. Winkeier, S. 20, Anm. 48.
192 R. Winkeier, S. 20.
193 Zitiert nach einem übersetzten Schreiben Grandvals an die Schulabteilung im Regierungspräsi-
dium—Nr. 4245 DAA/EDU—vom 20.11.1945. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine
Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947.
97
erziehung“ unverbindlich von dem Wunsch sprach,den Umschulungskursen ein so hohes
geistiges Niveau zu geben, daß jeder Teilnehmer den Eindruck einer wirklichen Bereiche-
rung mit nach Hause nimmt194.
Die „Umerziehung“ der Lehrerschaft wurde an der Saar schließlich in Form von Arbeits-
gemeinschaften organisiert, die der Aufsicht französischer Bildungsoffiziere unterstellt
waren und getrennt nach Schularten einmal wöchentlich zusammentrafen195. Sie wurden
bald zu monatlichen Lehrertagungen umfunktioniert, auf denen dann in der Regel Infor-
mationsreferate über das nationalsozialistische Regime oder über Struktur und Ziele der
öffentlichen Bildung im westlichen Ausland gehalten wurden196. Der eigentliche Regis-
seur der „Umerziehungskurse“ war Straus, der als Leiter der Schulabteilung im Regie-
rungspräsidium im Laufe des Jahres 1946 gegenüber der Militärregierung vor allem in der
Personalpolitik an Terrain gewinnen konnte. Sein Augenmerk galt vor allem der „Umer-
ziehung“ des gymnasialen Lehrpersonals; denn für ihn war die eigentliche Neuformung
eines geistigen Lebens an der Saar und das Wiedererstehen einer demokratisch-liberalen
Weltanschauung in erster Linie eine Aufgabe des Gymnasiums, da die abgehenden Abi-
turienten in gewissem Sinne in die führenden Stellen des Landes einrücken werden197.
Damit klang bei ihm erstmals jener Gedanke von der forcierten Bildung einer geistigen
Führungsschicht im Saarland an, die er als unbedingt notwendig für einen künftigen au-
tonomen Saarstaat ansah. Diesem bildungspolitischen Ziel hat er, wie noch zu untersu-
chen sein wird, vom Jahre 1947 an mit starker französischer Protektion durch den Aufbau
eines umfassenden akademischen Bildungssystems ein festes Fundament zu geben ver-
sucht.
Der Vorrang des gymnasialen Bereichs in der Umerziehungsfrage zeigt schon an, daß im
Saarland im Gegensatz zum übrigen Deutschland der Neuaufbau des öffentlichen Bil-
dungswesens kaum mit schulreformerischen Gedanken in Verbindung bebracht worden
ist. Diese Tatsache wird noch deutlicher im Zusammenhang mit der von den angelsächsi-
schen Siegermächten eingeführten Formel von der Demokratisierung der Schule. In den
Augen der Briten und Amerikaner war das gesamte öffentliche Bildungswesen in Deutsch-
land ein Instrument, das einerseits zwar Anteil an der Stabilisierung des Hitlerregimes in
der Vergangenheit gehabt hatte, mit dessen Hilfe aber andererseits eine neue, Demokratie,
Recht und Frieden sichernde gesellschaftliche und staatliche Zukunft erreicht werden
sollte. Eine solche Ortung unter ambivalentem Aspekt, in der auch die Umerziehung bzw.
politische Säuberung der Lehrerschaft ihren gebührenden Platz hatte, mußte sich zwangs-
läufig einer Überprüfung bisher geltender Bildungsziele zuwenden und auf reformerische
194 Nach Ausführungen der Schulabteilung im Regierungspräsidium, die hier ein Zitat Grandvals in
einem Antwortschreiben an die Militärregierung wiedergibt,-Eil 1396/45-vom 12.11.1946.
LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 g 1945 — 1947.
195 Ebenda.
196 pü,- ¿je Lehrertagungen in den Monaten Januar und Februar 1947 waren folgende Referats-
themen vorgesehen: Erlebnisse im KZ-Lager Dachau, Der Nürnberger Prozeß, Das Schulwesen
in Frankreich. Entnommen dem Rundschreiben der Verwaltungskommission (Schulabteilung) -
EI —A 2 Nr. 224/46 —an alle Schulaufsichtsbeamte und Schulleiter vom 9. 12. 1946. LA Saar-
brücken, Bestand Staatliches Aufbaugymnasium Ottweiler Nr. 4. Vgl. dazu auch den Rapport
détaille der Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für die Monate No-
vember 1946 bis Januar 1947 und den Bericht der Éducation Publique für den Monat Februar
1947. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 9 bzw. Nr. 5.
197 Handschriftlich korrigierter Briefentwurf von Straus an Grandval vom 29. 1. 1947. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZII — A 2 g — i.
98
Korrekturen überlieferter Bildungsstrukturen im Interesse einer sozial gerechteren Erfül-
lung von Bildungsansprüchen drängen. Das Potsdamer Abkommen begnügte sich hierzu
mit einigen verbalen Randbemerkungen, wobei es, der optimistischen pädagogischen
Linie der Amerikaner folgend, in allgemeiner Form den inneren Zusammenhang zwi-
schen demokratisch-rechtsstaatlichen Lebensformen und schulischer Chancengerechtig-
keit für alle betonte. Der Alliierte Kontrollrat nahm erst im Jahre 1947, wiederum auf eine
amerikanische Initiative hin, mit seiner Direktive Nr. 54 zum „demokratischen“ Bil-
dungsauftrag der deutschen Schule Stellung, ohne allerdings die Zielsetzung eines bil-
dungspolitischen Programms für die Praxis näher zu konkretisieren198. Es ist bekannt-
em Blick auf die Schulartikel der zeitlich vor der Direktive entstandenen Länderverfas-
sungen genügt hierzu —, daß die offiziellen schulpolitischen Anregungen der Siegermächte
nur partiell mit dem schulpolitischen Gestaltungswillen der deutschen Länderregie-
rungen in den Westzonen übereinstimmten. Der Grad der Kongruenz hing weitgehend
davon ab, inwieweit diese wiederum auf schulpolitische Reformansätze in der Weimarer
Republik zurückgriffen. Aber schon in diesem Zeitabschnitt deutscher Bildungsge-
schichte war, wie in der Direktive 54 auch, das Demokratische in seinem Wert für das öf-
fentliche Schulleben unbestimmt geblieben, weil sich die weltanschaulich gedeuteten Po-
sitionen hinsichtlich des Bildungsauftrags der Schule als unüberbrückbar erwiesen. Be-
kenntnisschule, das gegliederte Schulsystem in seiner Bevorzugung bürgerlicher Gesell-
schaftsschichten, das Verhältnis von manueller und intellektueller Bildung, die Interde-
pendenz von schulischem und gesellschaftlichem Wandel, Richtlinien, Lehrerbildung
usw. waren Themen, die nach 1945 ebenso leidenschaftlich diskutiert wurden wie in der
Weimarer Republik. Ein gewichtiger Ausgangspunkt blieb dabei, wie in Weimar auch, die
zentrale Forderung nach Demokratisierung. Obwohl das Saarland seit Februar 1946
nicht mehr der Hoheitsgewalt des Alliierten Kontrollrates unterstellt war, soll im fol-
genden dennoch der Frage nachgegangen werden, welche Wirkung die Forderung der
westlichen Siegermächte nach mehr Demokratisierung auf das Schulwesen an der Saar ge-
habt hat.
Im Januar 1946 erschien in der profranzösischen Neuen Saarbrücker Zeitung eine schul-
politische Stellungnahme, die aus der Feder des kommenden Dezernenten für das höhere
Schulwesen in der Schulabteilung des Regierungspräsidiums, Hugo Burghardt,
stammte199. In ihr wurde, um den Nazismus und Militarismus mit ihren reaktionären
Wurzeln und Ablegern auszurotten, eine grundlegende Demokratisierung des gesamten
Schulwesens gefordert. Zur Erreichung dieses Ziels schlug Burghardt eine gründliche Re-
form der Lehrerbildung vor, da der gegenwärtige Mangel an geeigneten Lehrkräften ... die
Eingliederung von zahlreichen antifaschistischen (!) -demokratischen Lehrern notwendig
198 Die wichtigsten Allgemeinforderungen der Direktive Nr. 54 vom 25. Juni 1947 waren: gerechte
Bildungschancen für alle, Schulgeld- und Lernmittelfreiheit, Erziehungsbeihilfen, Vollzeitschul-
pflicht von 6 bis 15 Jahren, anschließend Teilzeitschulpflicht bis 18, integriert strukturierte Voll-
zeitschulen, demokratische Erziehung als tragendes Unterrichtsprinzip, allgemeiner Fremdspra-
chenunterricht, Universitätsstudium für alle Lehrer. Die Quelle ist abgedruckt bei K. -E. Bun-
genstab, S. 184 f. (Anhang Nr. 11, Basis Principles for Democratization of Education in Ger-
many: Control Council Direktive No 54, June 25,1947). In deutscher Übersetzung bei J. H o h 1 -
feld (Hrsg.), S. 247 f (Dok. 32).
199 Neue Saarbrücker Zeitung vom 19. 1. 1946. Zur Geschichte, französischen Einflußnahme und
zum Charakter dieses Blattes, das den Zusatz „Neue“ nur vorübergehend annahm, E.Schäfer.
Der Verfasser war von 1957 bis 1968 Geschäftsführer der Saarbrücker Zeitung.
99
mache. Für Burghardt war die Einführung einer Einheitsschule unbedingt erforderlich,
weil nicht allein Stellung, Herkunft und Vermögen der Eltern den Weg zu den höheren Bil-
dungsstätten öffnen dürften. Im Interesse der demokratischen Einheit unseres Volkes for-
derte Burghardt apodyktisch eine klare Scheidung von Kirche und Schule. Privatschulen
sollten grundsätzlich nicht mehr geduldet werden. Schließlich plädierte Burghardt für
eine Reform des gesamten Hochschulwesens, die vom Geist eines wahrhaft fortschrittli-
chen Humanismus und einer kämpferischen Demokratie durchdrungen sei. Das, was
Burghardt hier bildungspolitisch verlangte, erinnerte, insbesondere mit Blick auf die von
ihm erwünschten Bildungsstrukturen und das von ihm erhoffte staatliche Bildungsmo-
nopol, an die radikale Sprache der Entschiedenen Schulreformer und ihr sozialistisches
Schulprogramm in der Zeit der Weimarer Republik, sowie an die laizistischen Tradi-
tionen in der französischen Bildungsgeschichte. Solche Anstöße hatten aber schon im
Frühjahr 1946 im Saarland keine Chance mehr, realisiert zu werden.
Hauptverantwortlich für diese Einschätzung ist die Tatsache, daß das französische Saar-
konzept damals schon in seinen möglichen Konsequenzen abzuschätzen war. Die von
Frankreich selbst im Fall einer politischen Annexion kaum zu umgehende Gewährung
einer Kulturautonomie mußte dazu führen, daß die Militärregierung schon damals den
bildungspolitischen Willen der zu erwartenden Mehrheitspartei an der Saar zu erwägen
hatte, und das konnte aufgrund der vorgegebenen politischen Strukturen nur die bald
unter der Führung von Johannes Hoffmann auftretende Christliche Volkspartei (CVP)
sein. Sie ging, und damit wird schon jetzt eine wichtige Prämisse ihres erst im nächsten
Hauptkapitel zur Diskussion stehenden Bildungsprogramms erwähnt, von einer Demo-
kratieforderung aus, die eindeutig durch ein gottbezogenes Bild vom Menschen determi-
niert war. Die CVP knüpfte in ihrer Interpretation des Demokratischen bewußt an Wert-
vorstellungen des politischen Katholizismus in Deutschland an, der sich in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in Parteien und Verbänden zu einer schlagkräftigen Bewe-
gung formiert hatte. Diese religiös und kirchlich gebundenen Gruppierungen hatten für
den emanzipatorischen und egalitären Anspruch des weltanschaulichen Sozialismus
wenig Verständnis, für sie war die Sicherung des christlichen Staats- und Gesellschaftsge-
dankens in einer dem Industriezeitalter gemäßen politischen Kulturform entscheidend.
Aus dieser Grundhaltung heraus, für die im allgemeinen und besonders in der Schulpolitik
eine starke Frontstellung gegen glaubens- und kirchenfeindliche Bestrebungen typisch
war, hat auch die CVP den Wert des Demokratischen interpretiert. Dabei waren auch für
sie die leidvollen Erfahrungen mit der Schule im Dritten Reich Ausgangspunkt für ihre
Forderungen. Schule und demokratischer Staat als Antwort auf die apädagogische Situa-
tion in der Zeit der Hitlerdiktatur, das war für die CVP in erster Linie eine christlich-idea-
listische Erneuerung der öffentlichen Bildung. Charakteristisch für diese Einstellung sind
zwei Beispiele aus dem Bereich der saarländischen Schuladministration, die unter Straus
schon bald im Interesse einer christlichen Schulperspektive personalpolitisch abgesichert
worden war. Da alle Lern- und Lesebücher aus den Hitlertagen für die Fächer Deutsch
und Geschichte zum Unterrichtsgebrauch nicht mehr zugelassen waren und eine sofortige
Drucklegung ... — bedingt durch die Papierknappheit — unmöglich war200, unterbreiteten
200 Schulabteilung der Verwaltungskommission - Tagebuch Nr. 594/47 — an Schulräte vom 28. 5.
1947. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 11.
100
die Schulaufsichtsbeamten Franz-Josef Röder und Peter Zenner den Vorschlag, auf der
Oberstufe der Volksschule statt des Geschichtsunterrichts die Schüler über die Irrtümer
der nationalsozialistischen Weltanschauung zu belehren und den Leseunterricht solange
mit Hilfe der Bibel zu veranstalten, bis die Frage der Schulbücher gelöst sei201. Die Richt-
linien für die allgemein- und berufsbildenden Schulen des Saarlandes vom 5. April 1946
wurden vor allem deswegen als demokratisch bezeichnet, weil sie in ihren Zielsetzungen
geeignet seien, der Jugend greifbar vor Augen zu führen, welchen Gefahren ein Volk wie
die Deutschen ausgesetzt sei, wenn es sich gottlos den Träumen der Vorherrschaft und der
eitlen nationalen Glorie hingibt, hinter welchen sich in Wirklichkeit doch nur die brutal-
sten Machtgelüste und die kalte Berechnung eines maßlosen Ehrgeizes verbergen202.
Für die Militärregierung waren diese nicht immer glücklichen Versuche, den demokrati-
schen Geist der neuen Schule im Einklang mit ihrem christlichen Charakter zu bestimmen,
ein weiterer Wegweiser für die bildungspolitische Marschroute, die sie einzuschlagen
hatte, wenn sie die Bereitschaft der wahrscheinlich stärksten politischen Kraft an der Saar,
nämlich der CVP, für eine Zusammenarbeit gewinnen wollte. Daß diese Partei gezielt auf
die schulpolitischen Wertvorstellungen des deutschen Katholizismus zurückgreifen
würde, war der Militärregierung schon durch Straus bekannt gemacht worden, der zwar
vor 1935 noch den Sozialdemokraten sympathisierend nahegestanden hatte203, der aber
inzwischen als Protegierter der Militärregierung und seit dem Frühjahr 1946 als füh-
rendes Mitglied der CVP zu einem der entschiedensten Verfechter katholischer Schuldok-
trinen geworden war. Welche schulpolitischen Vorentscheidungen die Militärregierung
im Interesse ihrer Zusammenarbeit mit den im Saarland dominierenden Politikern aus
dem christlichen Lager getroffen hat, soll im folgenden Kapitel untersucht werden.
8. Bildungspolitische Weichenstellungen
Ein erstes Signal für ihre guten Absichten, den bildungspolitischen Selbstbestimmungs-
willen der Saarländer respektieren zu wollen, setzte die Militärregierung schon im Sep-
tember 1945, also wenige Tage vor dem allgemeinen Öffnungstermin der Schulen am 1.
Oktober, als sie das nur mit Ausnahme der nationalsozialistischen Zeit von 1937 bis 1945
stets konfessionell strukturiert gewesene Volksschulwesen an der Saar für verbindlich er-
klärte. Es wurde dort (gemeint ist das Saarland) nicht abgestimmt (wie in der französi-
schen Besatzungszone), sondern einfach auf Antrag der beiden Kirchen, der von Dechant
Kremer und dem evangelischen Pfarrer Wehr gestellt wurde, die Bekenntnisschule einge-
führt204, Nur da, wo es unüberwindliche Personal- und Raumprobleme gab, sollten ka-
tholische und evangelische Kinder mit Ausnahme des Religionsunterrichts gemeinsam ge-
201 Röder und Zenner an Schulabteilung des Regierungspräsidiums, o. D. LA Saarbrücken, Bestand
Kreisschulamt Ottweiler Nr. 1.
202 Vgl. dazu das Schreiben der Militärregierung, die die Richtlinien zu genehmigen hatte, an die
Schulabteilung im Regierungspräsidium — Nr. 5016 DAA/E — vom 5.4.1946. Das Zitat gibt eine
Äußerung der Militärregierung wider, mit dessen Hilfe der innere Zusammenhang von demokra-
tischer Erziehung und nationalsozialistischer Vergangenheitsbewältigung positiv gewürdigt
wird. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 64.
203 Interview E. Straus vom 1.5. 1978.
204 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1945, S. 75.
101
schult werden205. Vom Januar 1946 an durften die Kirchen sogenannte geistliche Schul-
beiräte ernennen, in deren Kompetenz die Inspektion des Religionsunterrichts im Bereich
der allgemeinbildenden Schulen fallen sollte206. Damit war der Religionsunterricht als or-
dentliches Lehrfach im Sinne der Kirchen faktisch anerkannt, ein Zugeständnis, das vom
Schuljahr 1946/47 an auch für die Berufsschulen generell gegeben wurde207.
Unangetastet blieb im Saarland auch die überlieferte typenmäßige Strukturierung der
Gymnasien. Die in der französischen Zone durchgeführte Vereinheitlichung dieser Schul-
gattung auf einen Typ hin, derzufolge in den ersten drei Schuljahren für alle Schüler ein
gleiches Unterrichtsprogramm vermittelt und der Sprachunterricht nur auf das Französi-
sche konzentriert blieb, bevor dann vom 4. Schuljahr (Klasse 8) eine erste interne Diffe-
renzierung in einen sogenannten klassisch-literarischen Zweig mit Latein und einen na-
turwissenschaftlichen ohne Latein folgte, die dann schließlich im 6. Schuljahr (Klasse 10)
in eine weitere einmündete, in der dann verschiedene Kombinationen sprachlichen Unter-
richts möglich waren, wurde jedenfalls an der Saar nicht übernommen. Als die von der As-
sociation des étudiants sarrois herausgegebene Zeitschrift „Der Student an der Saar“ für
das Schuljahr 1948/49 eine Übernahme der Reform für das höhere Schulwesen an der
Saar andeutete208, dementierte die inzwischen zum Kultusministerium aufgestiegene
Schulabteilung diese Meldung sofort, indem es darauf verwies, daß die von der Militärre-
gierung in Baden-Baden getroffenen Maßnahmen im Saarland nicht eingeführt worden
sind. Gleichzeitig versicherte es angesichts der begreiflichen Unruhe, die dieser Artikel
unter den Schülern der Oberstufe der höheren Schulen ausgelöst habe, daß an einer Ände-
rung des traditionellen deutschen Gymnasialsystems nicht gedacht sei209.
Die einzige strukturelle Veränderung im gymnasialen Schulbereich des Saarlandes bis
zum Jahre 1947 war die Umbildung der Oberschulen für Mädchen in Realgymnasien für
Mädchen. Gleichzeitig erklärte Straus das bis dahin in den Realgymnasien hingenom-
mene Prinzip der Koedukation für hinfällig, indem er anordnete, daß alle Mädchen die
Knabenschulen verlassen müssen210.
205 Vgl. Schreiben der Militärregierung an Regierungspräsidium (Schulabteilung) - Nr. 4054 DAA/
EDU - vom 21. 9. 1945. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 64.
206 Vgl. Schreiben des Bischöflichen Generalvikariats in Speyer an das saarländische Regierungsprä-
sidium vom 9. 1. 1946. BA Speyer, Bestand der Registratur 15/22. Siehe auch das Schreiben des
Generalvikariats in Trier an das Bischöfliche Ordinariat in Speyer vom 1. 2. 1946. BA Speyer,
gleicher Bestand.
207 Vgl. Protokoll einer Besprechung zwischen dem Trierer Weihbischof Metzroth und der Regie-
rungsrätin Kies sowie dem Regierungsrat Fleck von der Saarbrücker Schulbehörde vom 14. 8.
1946. BA Trier, Generalvikariat Trier, Registratur, Hauptabteilung 4. Siehe auch Mitteilung der
Bergschule zu Saarbrücken an Kirchenrat Wehr — Tgb.-Nr. 351/46 — vom 23. 4. 1946. Dort ist
von der Einführung des Religionsunterrichts an Bergmännischen Berufsschulen die Rede. Archiv
des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
208 Der Student an der Saar. Hochschulblätter der Universität Homburg, Nr. 3 (1. Jg.), Saarbrücken
o. J. (Dezember 1947), S. 3 f.
209 Kultusministerium an Association des étudiants sarrois — Bu/Mo — vom 20. 1. 1948. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS — B 35 -.
210 Verfügung der Schulabteilung — E III — Tgb.-Nr. 2207/46 — vom 22. 7. 1946. LA Saarbrücken,
Bestand Staatliches Aufbaugymnasium Ottweiler Nr. 3. Die neuen Realgymnasien für Mädchen
führten zwangsläufig zum Teil auch Klassen ohne Latein. Im Jahre 1947 besuchten 1819 Mäd-
chen saarländische Realgymnasien, davon waren 644 in lateinlosen Klassen. Nach Bericht der
Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat Februar 1947.
LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 5.
102
Allein in der Frage der Volksschullehrerbildung folgte die Saarbrücker Militärregierung
zunächst den Weisungen aus Baden-Baden. Am 5. August 1946 wies sie die Schulabtei-
lung des Regierungspräsidiums an, die Arbeit und Organisation der im Januar 1946eröff-
neten Lehrerbildungsanstalten entsprechend der Verfügung Nr. 71 des Herrn Admini-
strateur Général Laffon vom 8. 7. 1946 auszurichten211. Ihre Zukunft sollte eine Art
Fachhochschule sein, zu der sich die école normale inzwischen auch in Frankreich entwik-
kelt hatte. Die für die französische Besatzungszone geltenden Vorschriften für Einrich-
tungen der Lehrerbildung, insbesondere die Bestimmungen über die Auswahl des Lehr-
personals, Aufsicht, Zulassung von Lehramtsbewerbern, Lehr- und Ausbildungspläne
sowie über den organisatorischen Aufbau der Anstalten mußten also auch an der Saar be-
achtet werden. Den öffentlichen und konfessionell ungebundenen Charakter der neuen
Lehrerbildungsstätten betonte die Militärregierung nochmals am 23. 11.1946, als sie die
Erziehungsabteilung der Verwaltungskommission aufforderte, die interkonfessionelle
Führung dieser Einrichtungen sicherzustellen. Aus diesem Grunde sei die bisherige
Übung, zu Beginn und am Ende des Unterrichts ein Gebet zu sprechen, sofort einzustellen.
Außerdem sei zu beachten, daß der Religionsunterricht für die Lehramtskandidaten eben-
sowenig obligatorisch sei wie für die Schüler der höheren Schulen, die den Lehrerbil-
dungsanstalten prinzipiell gleichgestellt seien212.
Die neuen Bildungsstätten für Volksschullehrer, die in Saarbrücken, Saarlouis, Ott-
weiler213 und Blieskastel214 im Sinne der Militärregierung simultan und koedukativ einge-
richtet worden waren, hatten im Januar 1946 ihre Arbeit mit vier- bzw. achtmonatigen
Sonderlehrgängen begonnen, ln ihnen wurden berufsbewährte und für geeignet befun-
dene Bewerber auf den Volksschullehrerberuf vorbereitet. Diese außergewöhnliche Maß-
nahme war angesichts des damals erschreckenden Lehrermangels dringend geboten. Im
Herbst 1946 setzten dann die normalen sechsjährigen Aufbau- und Studienlehrgänge ein.
Anfang 1947 besuchten insgesamt 737 Schüler die saarländischen Lehrerbildungsan-
stalten. Davon waren 584 Präparanden (Klasse 1-4) und 153 Lehramtskandidaten
(Klassen 5 und 6). Zu erwarten waren demnach 70 bis 80 neue Junglehrer für die Jahre
1947 und 1948, eigentlich viel zu wenig, um den damals herrschenden extremen Lehrer-
mangel nachhaltig zu lindern215.
Der Wandel zum konfessionellen Prinzip in der Volksschullehrerbildung vollzog sich an
der Saar im Frühjahr 1947. Am 22. April teilte Straus der Militärregierung mit, daß nun-
mehr aufgrund der Beschlußfassung der Verwaltungskommission216 vom 18. Januar kon-
fessionell geprägte Lehrerseminare in Lebach für 350 bis 400 katholische Kandidaten, in
2,1 Militärregierung - Nr. 5826/DAA/EDU - an Schulabteilung. LA Saarbrücken, Bestand KM —
Mk 4783. Vgl. hierzu auch die Anweisung - Nr. 3204/DGAA/EDU - vom 23. 7. 1946 und die
Verordnung der französischen Militärregierung in Baden-Baden - Nr. 3 83/DGAA/EDU - an die
Délégués Supérieurs vom 8. 10.1945 zu Fragen der Volksschullehrerbildung. Ebenfalls Bestand
KM-Mk 4783.
212 Militärregierung - Nr. 6628/DAA/EDU - an Verwaltungskommission (Erziehungsabteilung)
7 vom 23. 11. 1946. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4783.
211 Das Lehrerseminar St. Wendel wurde im Oktober 1946 nach Ottweiler verlegt.
214 Das Lehrerseminar Blieskastel nahm erst im Oktober 1946 seinen Lehrbetrieb auf.
215 Zahlenwerte nach Rapport détaille der Éducation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärre-
gierung für den Zeitraum November 1946 bis Januar 1947. LA Saarbrücken, Bestand Han-
delsamt Saar Nr. 9.
216 Näheres zur Entstehungsgeschichte siehe unten S. 121, Anm. 306.
103
Blieskastel für 180 bis 200 katholische Lehramtsbewerberinnen und in Ottweiler für 180
bis 200 evangelische Schüler und Schülerinnen eingerichtet würden217. Die widerspruchs-
lose Hinnahme dieser Ankündigung durch die Militärregierung macht deutlich, daß sie
im Interesse ihrer saarpolitischen Ziele nun auch auf diesem Sektor der Bildungspolitik
auf die Gestaltungswünsche einheimischer Politiker einging. Daß die Volksschullehrerbil-
dung an der Saar nicht, wie es die Volksschullehrer erstrebten, in eine akademische Form
übergeleitet, sondern in der eingeschlagenen Bahn eines seminaristischen Ausbildungs-
ganges, der fast nur auf den begabten Volksschüler fixiert blieb, festgeschrieben wurde,
geht in erster Linie auf Bestrebungen von Straus zurück. Vorbild war ihm jedoch nicht die
alte französische école normale, sondern das deutsche Lehrerseminar, wie es bis 1926 in
seiner preußischen Tradition im Saarland bestanden hatte218. Kennzeichnend dafür war
vor allem sein konfessioneller Charakter, denn darin unterschied sich im allgemeinen das
deutsche vom französischen Lehrerseminar, während es in seiner internatsmäßigen
Struktur und in dem Prinzip, den Berufsbildungsgang von der Volksschule über die Präpa-
randien aufzubauen, durchaus kongruente Wesensmerkmale hatte.
Die Anerkennung der konfessionellen Struktur als tragendes Prinzip im saarländischen
Schulwesen entsprach mehr oder weniger den schulprogrammatischen Vorstellungen der
Kirchen in Bezug auf das staatlich organisierte Bildungswesen in Deutschland, vor allem
aber den Wünschen der katholischen Kirche. Bekenntnisschule, Religion als ordentliches
Lehrfach, konfessionelle Lehrerbildung waren wesentliche Bestandteile der sogenannten
katholischen Schuldoktrin219, die die katholische Kirche im Zuge der Etablierung der mo-
dernen Bildungsgesellschaft im Rahmen einer industriellen Wirklichkeit von Staat
und Gesellschaft für sich beanspruchte, um den ihr nach ihrer Auffassung erteilten göttli-
chen Lehrauftrag umfassend erfüllen zu können. Die für sie in der unmittelbaren Nach-
kriegszeit günstige schulpolitische Entwicklung an der Saar verdankte sie in erster Linie
Straus220, der über fünf Jahre lang energisch und entschieden eine Bildungspolitik vertrat,
die fast gänzlich den Forderungen der katholischen Kirche entsprach. Dazu gehörte letzt-
lich auch die Verteidigung des altsprachlichen Gymnasiums, für dessen Erhaltung die Kir-
chen schon mit Blick auf die sprachliche Bildung ihres priesterlichen Nachwuchses ein-
traten221. Wenn Straus im Jahre 1975 behauptete, daß er von Anfang an, also auch schon
217 Straus an Militärregierung vom 22. 4. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4802. Die
Eröffnung dieser Seminare erfolgte z. T. erst im September 1948.
218 Das Saarbrücker Lehrerseminar stellte im Jahre 1926 seinen Lehr- und Ausbildungsbetrieb ein.
Die ehemaligen Lehrerseminare von Merzig, Ottweiler und St. Wendel, die in den Jahren vor dem
Ersten Weltkrieg gegründet worden waren, sind in der Zeit des Völkerbundregimes schon früh
in sogenannte Landesstudienanstalten umgewandelt worden. Ihr Bildungsziel war dem der soge-
nannten Deutschen Oberschulen adäquat. Die geplante Einrichtung einer Pädagogischen Aka-
demie in Saarbrücken, die Ende der zwanziger Jahre diskutiert wurde, war angesichts eines
starken Überangebots an Junglehrern zurückgestellt worden. Der saarländische Volksschulleh-
rernachwuchs wurde vom Jahre 1926 vorwiegend an der katholischen Pädagogischen Akademie
in Bonn ausgebildet. Vgl. dazu P. Westhoff, S. 171 ff. in Verbindung mit E. Schaaf, S. 348.
Vom Jahre 1936 bis 1939 existierte in Saarbrücken eine Hochschule für Lehrerbildung. Vgl.
hierzu oben S. 41 und die dortige Anm. 90.
219 Weitere wichtige Forderungen dieser Doktrin waren: der kirchliche Erlaubnisvorbehalt für die
Erteilung des Religionsunterrichts (missio canonica), das Elternrecht, das nach kirchlicher Auf-
fassung eingebunden ist in die Verpflichtung zur Taufe und zur katholischen Kindererziehung
sowie das Recht auf Gründung von Privatschulen durch Orden bzw. religiöse Kongregationen.
220 Näheres zur Person siehe unten, S. 184 ff.
221 Siehe oben, S. 54.
104
zur Zeit der Militärregierung, die Gestaltung des saarländischen Schulwesens entspre-
chend den Grundsätzen der Erziehungsenzyklika Pius XI „Divini illius magistri“ vom 31.
12. 1929 verfolgt habe222, so kann dem eigentlich nicht widersprochen werden223. Ob-
gleich dieses päpstliche Lehrschreiben gedanklich seinen Ausgangspunkt nicht im staatli-
chen Bildungsmonopol nahm, wie es an der Saar aufgrund deutscher Schultraditionen
Praxis war, so hat Straus dennoch und unbestreitbar seine Leitgedanken, die von der For-
derung nach katholischem Geist für schulisches Dasein und Effizienz getragen waren, als
Maxime seines bildungspolitischen Gestaltungswillens übernommen. Mit seiner klaren
Orientierung an katholische Schulgrundsätze knüpfte Straus bewußt an Überlieferungen
der deutschen Bildungsgeschichte an; denn für eine enge Verbindung von Kirche und
Staat im öffentlichen Schulwesen kann das mehrheitlich laizistisch geprägte Bildungs-
wesen Frankreichs wohl kaum als Vorbild genannt werden. Bestätigt wird diese Feststel-
lung mittelbar durch die Auseinandersetzungen um die Gültigkeit der Schulbestim-
mungen des Reichskonkordats von 1933 zwischen der katholischen Kirche und der fran-
zösischen Militärregierung in Baden-Baden224. Dieses Abkommen, das den katholischen
Schulwünschen weitestgehend entgegenkam, war im Saarland nie umstritten, obwohl die
Saarbrücker Militärregierung wegen des Gebietsstandes zum Zeitpunkt des Konkordats-
abschlusses Gelegenheit zu einer spitzfindigen Rechtsauslegung gehabt hätte225. Mit
seinem von der Militärregierung letztlich hingenommenen betont kirchenfreundlichen
Kurs in Schulfragen konnte Straus sicherlich mit der Zustimmung einer Mehrheit der
saarländischen Bevölkerung rechnen. Beifall konnte er auch für seinen gegenüber
Grandval erfolgreich vertretenen Standpunkt erwarten, die Praxis der ehemaligen Gru-
benschulen (Domanialschulen), die in der Zeit des Völkerbundregimes für so viel Unruhe
und für eine starke Emotionalisierung gegen alles Französische gesorgt hatten226, im Inter-
esse einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und dem Saarland nicht
wieder aufzunehmen227.
Die Kongruenz zwischen Straus und saarländischer Bevölkerung in bestimmten Bildungs-
fragen führt zwangsläufig zu der Frage, ob Straus tatsächlich die Kompetenz besaß, um
die Militärregierung in schulpolitischen Anliegen zu beeinflussen. Die Behauptung von
Straus, er habe einen guten Draht zu Grandval gehabt228, wird durch den langjährigen Di-
rektor der französischen Kulturabteilung in Saarbrücken, Pierre Woelfflin, ausdrücklich
bestätigt229. Straus führt als besonderen Beweis für die von ihm schon in der Zeit der Mi-
222 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
223 Straus hat sogar offen die von der Militärregierung im Jahre 1946 verlangte Entkonfessionalisie-
rung der Lehrerseminare zu unterlaufen versucht. Am 1. 9.1946 wies er die Leiter dieser Einrich-
tungen an, alle Kandidaten und Kandidatinnen ... auch bezüglich ihrer Stellung zur Kirche zu
überprüfen. Alle Fälle, die zu Komplikationen bei der Verwendung und Anstellung führen
könnten (Kirchenaustritt, Mischehe ect.) sind umgehend nach hierzu melden. Straus begründete
seine Anordnung mit dem konfessionellen Charakter unserer Volksschulen. Straus an die Leiter
der Staatlichen Lehrerseminare. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4783.
224 Siehe oben, S. 51 ff.
225 Verwiesen sei auch hier auf die jur. Dissertation von K. Ory wall über die Gültigkeit von Kon-
kordat und Kirchenverträgen im Saarland und auf B. J. Fa b e r, passim insbesondere aber S. 185
und S. 220 ff.
226 Siehe oben, S. 31 f.
227 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
228 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
229 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
105
litärregierung gewonnene bildungspolitische Eigenständigkeit seine Auseinanderset-
zungen mit dem sozialistischen Erziehungsminister Frankreichs, Marcel-Edmond Nae-
gelen, aus dem Jahre 1946 an. Der, so Straus, ging dann zu Grandval und schlug bei ihm
Krach wegen unserer angeblichen klerikalen Bildungspolitik. Grandval hat das zurückge-
wiesen und ausdrücklich betont, daß sei eine rein saarländische Angelegenheit1™. Aus den
Quellen kann die einflußreiche Stellung von Straus in Schulfragen, in der zugleich erneut
das Taktieren der Militärregierung deutlich wird, im Interesse ihrer Separationsabsichten
den Saarländern bildungspolitischen Freiraum zu überlassen, ebenfalls nachgewiesen
werden. Als das Mitglied des Verwaltungsrates des im März 1947 gegründeten Hom-
burger Hochschulinstituts, Dr. Schindler, in der Sitzung vom 4. Dezember 1947 die semi-
naristische Volksschullehrerausbildung hart kritisierte230 231 232 233, richtete Straus einen gehar-
nischten Protestbrief an Grandval, in dem er u. a. folgendes zum Ausdruck brachte:
Bei der Gründung dieser Institute (gemeint sind die Lehrerseminare) lag eine wohlfun-
dierte weltanschauliche Einstellung, sowie eine manifeste politische Notwendigkeit vor.
Hierfür habe ich mit meinen Mitarbeitern seit 2 Jahren allein die Verantwortung ge-
tragen... Es kommt einer Beleidigung gleich, wenn man sie unter Bezugnahme auf die frü-
heren Lehrerseminare mit Kasernen vergleicht und dem darin erteilten Unterricht den
wissenschaftlichen Charakter abstreitet,... Ich kann es daher nicht ohne Widerspruch zu-
lasse, daß eine staatliche Institution durch Persönlichkeiten kritisiert wird, von denen
nicht eine einzige ein Lehrerseminar besucht hat2n.
Daß Straus in der Regelung von bildungspolitisch relevanten Angelegenheiten relativ ei-
genständig agieren konnte, unterstreicht letztlich auch der Versuch Babins, der in seiner
Eigenschaft als Leiter der Kultusabteilung der Militärregierung an der besagten Sitzung
des Homburger Verwaltungsrates vom 4. Dezember 1947 teilnahm, die Diskussion der
Lehrerbildungsfrage in diesem Gremium zu unterlaufen, indem er mahnend betonte:
Herr Straus wünscht, daß die gegenwärtige Form (der Lehrerbildung) beibehalten
wird231. Diese Stellungnahme Babins offenbart freilich auch, daß Straus ungeachtet seiner
strengen Orientierung an katholische Erziehungsgrundsätze, die eine akademisch ausge-
richtete Volksschullehrerbildung keineswegs ausschlossen, in Bildungsfragen letztlich
von einem persönlichen Standpunkt ausging. Dies zeigte sich am klarsten in der Frage des
französischen Sprachunterrichts. Diese Maßnahme, die im folgenden vornehmlich mit
Blick auf ihre Durchführung als neues Hauptfach der Volksschule gesehen wird, wurde
schon für das Schuljahr 1946/47 anberaumt.
230 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
231 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates des Homburger Instituts vom 4. 12.
1947. Übersetzung der Stelle, die die Lehrerseminare betraf. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt.
Hochschulen, UIS - VR — Verwaltungsrat 1948/49.
232 Straus hatte selbst von 1912 bis 1916 die Präparandie und anschließend bis 1918 das Lehrerse-
minar in Würzburg besucht. Interview E. Straus vom 23. 11. 1976. Der Quellentext stammt aus
einem handschriftlich von Straus korrigierten Schreiben an Grandval vom 19.1.1948. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - VR - Verwaltungsrat 1948/49.
233 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates des Homburger Instituts vom 4.12.
1947. Wörtliche Übersetzung der Stelle, die die Ausbildung der Lehrer betraf. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - VR - Verwaltungsrat 1948/49.
106
9. Die Einführung des französischen Sprachunterrichts
9.1 Das Saarland, eine zweisprachige Insel?
Mit der gleichen Sicherheit, mit der behauptet werden kann, daß die von Straus betriebene
kirchenfreundliche Bildungspolitik dem Mehrheitswillen der saarländischen Bevölke-
rung entsprach, kann man andererseits auch sagen, daß er wegen seiner Sprachenpolitik
zugunsten des Französischen ein umstrittener Mann an der Saar wurde. In der Literatur
wird er gerade aus diesem Grunde immer wieder als einer der eifrigsten Handlanger der
französischen Machthaber eingestuft234. Seinen sprachenpolitischen Ehrgeiz hat Straus
stets mit der von ihm verfochtenen „germano-romanischen Kultursynthese“ be-
gründet235. Welche Absichten er damit verband, das wird in einem Vorwort zu einem Bei-
trag mitgeteilt, den Straus unter dem mißverständlichen Titel „La Sarre, île bilingue de
l’europe“ im Rahmen einer Publikation schrieb, die im Jahre 1953 unter dem Titel „Le
Monde où l’on s’entend“ erschien. Dort heißt es im Zusammenhang mit der Einführung
des obligatorischen Fremdsprachenunterrichts an saarländischen Volksschulen im Jahre
1946:
Emil Straus réussira cependant, et les résultats sont là, tangibles, son expérience, qui s’en-
tend à la fois aux différents secteurs de l’enseignement et aux différents enseignements na-
tionaux, l’aidera dans sa création et lui permettra de concilier en Sarre la conception chré-
tienne de l’éducation allemande et l’humanisme français236.
Auch heute noch verteidigt Straus seine kulturverbindende Theorie mit pädagogischen
Motiven. Er habe, um das Fiasko des Krieges zu überwinden, an der Saar eine geistige Ver-
ständigung der Völker herbeiführen wollen, deren erste Bedingung aber nun einmal die
Überwindung der Sprachbarrieren sei237. Inwieweit kann man diese idealistische Begrün-
dung einer einseitig —weil eben nur auf das Französische hin orientierten- Sprachenpolitik
angesichts der kühlen und berechnenden Machtpolitik Frankreichs an der Saar für glaub-
würdig halten ? Sicher ist, daß Straus mit seiner These von der „zweisprachigen Insel“ den
generellen Stellenwert der deutschen Muttersprache im Saarland gegenüber der französi-
schen Fremdsprache nicht verändern wollte238. Andere Erwägungen hegte man schließ-
234 Vgl. hierzu als Beispiele R. H. Schmidt, passim; K. Thewes, höhere Schulen, S. 271 f.; O.
Früh und H. Schneider, S. 82 f.
235 Nach K. Thewes, höhere Schulen, S. 271. In der Quelle ist die zitierte Begriffsbezeichnung
ebenfalls in Anführungszeichen gesetzt.
236 Le Monde oül’on s’entend. Editions, zusammengestellt von Jean-Marie Bressandin: Monde
Nouveau - Paru, Revue mensuelle internationale, No 65, Paris 1953, S. 117 — Vorwort zu E.
Straus, Sarre, S. 118 ff. Im Literaturverzeichnis unter E. Straus, Sarre, zu finden. In der 2. Le-
sung des Saarländischen Landtages über das französisch-saarländische Kulturabkommen vom
15.12.1948,die am 12.1.1949 stattfand, istStraus ebenfallsauf den Begriff Kultursynthese ein-
gegangen. Er sagte damals: Die Synthese beider Kulturkreise ist unser Ziel. Aber daß natürlich
unsere Sprache, die Tradition, in der wir groß ge worden sind, die Sitten und Gebräuche, die uns
von unserer frühesten Jugend an begleiten, daß wir sie weiter pflegen, darüber kann gar keine
Meinungsverschiedenheit bestehen, ohne daß ich noch einmal daraufhinweisen möchte, wie sehr
Herr Außenminister Schumann (!) uns die Pflege dieser Güter zugesichert und garantiert hat.
Landtag des Saarlandes, Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, 46. Sitzung, Tagesordnungs-
punkt 7 {12. 1. 1949), S. 6.
237 Interviews E. Straus vom 23. 11. 1976.
238 Vgl. dazu seine Ausführungen in seinem Beitrag in der Revue mensuelle internationale. E.
Straus, Sarre, S. 118 ff. Eine andere Schlußfolgerung ließe sich aber auch nicht aus der Gesamt-
heit seiner bildungspolitischen Aktivitäten ableiten.
107
lieh auch französischerseits nicht. Doch damit allein gewinnt die These, daß Straus an der
Saar wirklich nur die pädagogische Verbindung von deutschem und französischem Geist
im Interesse einer christlich-humanistisch begründeten Irenik gewollt hat, noch nicht an
Glaubwürdigkeit. Von ihm selbst wissen wir, daß sich Grandval im Kulturpolitischen
vorrangig nur für den französischen Sprachunterricht interessierte119. Damit ist aber zu-
gleich auch der politische Hintergrund dieser von Straus inszenierten Aktion deutlich an-
gesprochen, und zwar ebenso klar wie in der französischen Besatzungszone auch, wo die
forcierte Förderung der französischen Sprache offen politisch begründet wurde239 240. Auch
Woelfflin, der langjährige Leiter des Services Culturels in Saarbrücken, bestätigt, daß das
erste Interesse in der Kulturpolitik Frankreichs an der Saar der Sprachenpolitik galt. Nach
Meinung Woelfflins war aber nicht nur die gewollte Wirtschafts- und Zollunion für diese
Intention maßgebend, sondern auch die eher emotional zu deutende Sorge über den fort-
schreitenden Geltungsverlust der französischen Sprache überhaupt. Eine Assimilations-
absicht weist Woelfflin in diesem Zusammenhang ausdrücklich zurück. Deutsch als Mut-
tersprache und Französisch als erste Fremdsprache, mehr wollten wir nichtZ241.
Ein Indiz dafür, daß die von Straus eingeführte Praxis des französischen Sprachunterrichts
in Wirklichkeit stärker auf nationale Interessen Frankreichs Rücksicht nahm als auf die
von ihm vorgegebenen idealistischen Motive, steuert er selbst bei, wenn er seine Sprachen-
politik in ihrer Vorbedingung für eine Annäherung an die humanistischen Lebensideale
Frankreichs immer wieder in das Blickfeld jener kartesianischen Logik rückt, die er als ein
geschätztes Merkmal des französischen Nationalcharakters sieht; eine einseitige Deu-
tung, hinter der sich im Grunde eine Vorstellung von jenem Frankreich verbirgt, wie es
Grandval als selbstbewußter Repräsentant einer patriotisch geprägten französischen
Machtelite an der Saar verkörperte.
9.2 Der Mangel an geeigneten Lehrkräften als Hindernis
für einen erfolgreichen Sprachunterricht
Der saarländischen Eltern- und Lehrerschaft sowie natürlich den Schülern selbst blieb in
den ersten Nachkriegsjahren kaum eine andere Wahl, als sich den umfassenden und
strengen behördlichen Anordnungen zu einem allgemeinen französischen Sprachunter-
richt zu fügen. Zwar war eine klare Mehrheit der saarländischen Eltern bereit, im Rahmen
eines fakultativen Unterrichts ihre Kinder im Französischen schulen zu lassen242, eine Zu-
stimmung für einen umfangreichen Pflichtunterricht, wie ihn Straus im Interesse seiner
vagen pädagogischen Intentionen im Auge hatte, bedeutete das allerdings nicht. Unge-
achtet der schwierigen materiellen Situation der Nachkriegszeit wurde mit Beginn des
Schuljahres 1946/47 der französische Sprachunterricht an allen saarländischen Volks-
schulen vom zweiten Schuljahr an als obligatorisches Hauptfach eingeführt. Damit war,
wenn man von der im Jahre 1871 in Hamburg eingeführten Tradition eines allgemein ver-
bindlichen englischen Sprachunterrichts von der vierten Volksschulklasse an einmal ab-
239 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
240 Siehe oben, S. 50 f.
241 Interview P. Woelfflin vom 27. 12. 1976.
242 Im Bereich des Kreisschulamtes Ottweiler sagten von 14 002 befragten Eltern 12 915 eine Teil-
nahme an einem fakultativen französischen Sprachunterricht zu. Werte nach einem undatierten
Aktenvermerk. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 20.
108
sieht243, ein Novum in der deutschen Bildungsgeschichte geschaffen worden. Straus hat
diesen Vorgang im Jahre 1953 überschwenglich eine mutige Tat genannt, etwas que les
théoriciens, les formalistes de la parole, les superintellectuels croyaient impossibles dans
leur candeur spirituelle244. Diese sehr selbstbewußte Aussage verschweigt freilich die triste
Realität, in der sich der französische Sprachunterricht in seinem Anfangsstadium befand.
Da die Mehrzahl der Volksschullehrer aufgrund ihrer Bildungslaufbahn der französi-
schen Sprache nicht mächtig waren, mußten über 500 Lehrkräfte eingestellt werden, die
in einem Sonderexamen245 ihre Lehrbefähigung nachweisen mußten. Sie kamen zu einem
großen Teil aus dem benachbarten Elsaß-Lothringen, aus der Schweiz, aus Luxemburg
und Belgien. Da sie aber überwiegend für ihre pädagogische Aufgabe nur unzureichend
ausgebildet waren und darüber hinaus oft nur ungenügende deutsche Sprachkenntnisse
besaßen, mußte die mit viel Aufwand und Eifer eingeleitete Aktion bald wieder zurückge-
nommen werden. So ordnete die Militärregierung schon im Oktober 1946 die Entlassung
zahlreicher Lehrer für den Französischunterricht an und erlaubte nur dann die Einstellung
solcher Kräfte, wenn sie in einer strengen Prüfung ihre Eignung nachgewiesen hatten246.
Die schlechten Erfahrungen mit auswärtigen Sprachlehrern führte dazu, daß die Ausbil-
dung der Volksschullehrer um so stärker mit dem Französischunterricht in Verbindung
gebracht wurde. Jedes Lehrerseminar erhielt alsbald zwei französische Lektoren zugeteilt.
Gleichzeitig wurde Französisch für jeden Seminaristen in allen sechs Jahrgangsklassen
Hauptfach; in der Prüfungsordnung erhielt es konsequenterweise eine zentrale Stellung
zugewiesen. Jeder Absolvent mußte, bevor er als Junglehrer an einer saarländischen
Volksschule unterrichten durfte, ein Jahr lang als Schulassistent in Frankreich tätig ge-
wesen sein. Dieser vorgeschriebene Aufenthalt war, so versichert Straus ausdrücklich, n ’a
pas seulement une importance linguistique, mais, ce qui est plus important, une valeur hu-
maine et politique247. Obgleich Straus die Organisation seines sprachpolitischen Pro-
gramms energisch vorantrieb, war bis zum Jahre 1948 seinen Bemühungen nur ein ge-
ringer Erfolg beschieden. So ist dem Protokoll einer Schulleiterkonferenz, die am 30. Au-
gust 1948 stattfand, zu entnehmen, daß nach einer Mitteilung des Herrn Ministers ... der
französische Sprachunterricht sehr im argen liege248.
Im Bereich des gymnasialen Schulwesens konnte die Sprachenpolitik von Straus aufgrund
der überlieferten sprachlichen Bildungsaufgabe dieser Anstalten natürlich eher greifen.
Innerhalb des fremdsprachlichen Fächerkanons erhielt hier das Französische schon bald
243 In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde dieser Fremdsprachenunterricht nicht
erteilt.
244 E. Straus, Sarre, S. 119.
245 Gefordert wurden: ein französisches Diktat mit grammatikalischen Übungen und Auslegungen,
ein Aufsatz in französischer Sprache und eine mündliche Prüfung, die ausschließlich in französi-
scher Sprache stattfand. Nach E. Straus, Sarre, S. 123.
246 Schreiben der Verwaltungskommission (Schulabteilung) - E II a — Tgb. Nr. 3930/46 - an alle
Schulräte vom 11. 10. 1946. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 20.
24/ E. Straus, Sarre, S. 124.
248 Protokoll einer Schulleiterkonferenz am 30. 8. 1948 in Wemmetsweiler. LA Saarbrücken, Be-
stand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 7.
109
einen bevorzugten Stellenwert. An allen höheren Lehranstalten249 250 251 des Saarlandes mußte
diese Sprache vom Schuljahr 1946/47 an 9 Jahre lang als Hauptfach unterrichtet werden.
Auf den humanistischen Gymnasien altsprachlichen Zuschnitts waren außerdem 9 Jahre
Latein und 6 Jahre Griechisch verbindlich, auf den neusprachlichen rückte Englisch an die
Stelle des Griechischen. An den vier höheren Schulen ohne Latein war Englisch zweite
Fremdsprache, es wurde 7 Jahre gelehrt. Während im Bereich der Volksschule das Ziel des
französischen Sprachunterrichts „organisch“ aufgefaßt wurde, worunter Straus das
Einüben von exemples de langage courant250 verstand, fixierte man für den gymnasialen
Französischunterricht als Ziel, que les Sarrois étudiants suivent sans aucune difficulté les
cours bilingues de notre université, et qu’ils sont (!) à même de s’exprimer correctement
en français soit par écrit, soit oralement251. Gerade diese Begründung weist darauf hin,
daß die sprachpädagogischen Intentionen von Straus in Wirklichkeit stark politisch mo-
tiviert waren; denn die neue saarländische Universität und ihre geplante zweisprachige
Wirklichkeit wurde, wie noch zu berichten sein wird, von ihren Gründern und Gönnern
eindeutig im Zusammenhang mit der Existenz des ins Auge gefaßten autonomen Saar-
staates gesehen.
10. Die saarländische Schule im Zugriff einer wachsenden Machtbürokratie
Die geplante Fundamentierung einer kommenden saarländischen Staatlichkeit durch eine
eigene Universität führte dazu, daß das Gymnasium aufgrund seines Charakters als hoch-
schulvorbereitende Bildungsstätte schon früh in den Sog von separatistischen Zielset-
zungen hineingezogen wurde. Auf eine mögliche Politisierung der höheren Schulen in
diesem Sinne deuteten schon die intensiven Bemühungen von Straus hin, alle Gymnasien,
die sich noch in kommunaler oder privater Trägerschaft befanden, in staatliche Hand zu
überführen252. Während im Jahre 1945 noch 14 Gymnasien nichtstaatlich waren, verrin-
gerte sich ihr Anteil bis 1950 auf vier.253 Obgleich mit dieser Verlagerung der Schulträger-
schaften der Einfluß der Saarbrücker Kultusadministration schon erheblich angewachsen
war, lag dennoch nicht hier, sondern in dem im Jahre 1947 nach französischem Muster
249 Von den 23 höheren Lehranstalten im Saarland waren damals 22 Vollanstalten. 10 von ihnen
waren als sogenannte Doppelanstalten ausgebaut (alt- und neusprachlicher Zweig). 14 Schulen
waren für Jungen, 9 für Mädchen. Von den Knabenanstalten hatten 4 lateinlose Züge und
Klassen, von den Mädchenanstalten führten alle eine dieser sogenannten lateinlosen Oberreal-
schulklassen. 2 Lehranstalten führten lediglich bis zur Untersekunda.
250 E. Straus, Sarre, S. 122.
251 Ebenda, S. 123.
252 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
2J3 Vgl. dazu Statistisches Handbuch (Saarland 1952), S. 213.
110
eingeführten Zentralabitur254 das eigentliche Kontrollinstrument für den gymnasialen
Schulbereich. Der gewollte Steuerungseffekt gründet vor allem in der gänzlichen Verlage-
rung der Prüfungskompetenzen auf den Bereich der Schulaufsicht, die nicht nur den
Lehrer in der Beurteilung der Schülerleistungen ausschaltete, sondern auch Inhalt und Ef-
fizienz seines Unterrichts überprüfte. Das bisher gültige kollegiale und auf Selbstkontrolle
angelegte Prinzip des saarländischen Gymnasiums war damit praktisch ausgehöhlt. Dar-
über hinaus zeigte es sich bald — und dies wurde dann auch in den kommenden Jahren
immer wieder heftig kritisiert - daß man Praxen im Sinne der machtbürokratischen Ideen
des französischen Zentralismus nicht einfach auf Schulen deutscher Tradition übertragen
kann. Das im Grunde auf Nivellierung angelegte Prinzip des Zentralabiturs mußte inner-
halb ejnes leistungsorientierten und differenziert strukturierten Gymnasiums, wenn es die
verschiedenen sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer umfas-
send und ohne Rücksicht auf gesetzte Bildungsschwerpunkte auf hohem Niveau prüfen
wollte, zu unglaublich harten Prüfungsanforderungen führen. „Damals erschien“, so der
der CDU angehörende und nach 1955 als Mitarbeiter ins saarländische Kultusministe-
rium einrückende Philologe Klaus Thewes im Jahre 1958, „ein Staatsexamen leichter als
ein saarländisches Abitur“255.
Im Zeichen einer gewollten politischen Instrumentalisierung des saarländischen Gymna-
siums muß auch eine Verfügung von Straus gesehen werden, die nachdrücklich auf die
Veranstaltung von Schulferien aufmerksam machte und dabei für die Programmauswahl
in steigendem Maße die Berücksichtigung französischer Komponisten und Autoren emp-
fahl256. Solche „Empfehlungen“ sind neben seiner Sprachenpolitik in der zeitgenössischen
Saarlandliteratur immer wieder als eindeutige Belege für eine kollaborierende Gesinnung
von Straus angeführt worden257. Gleichwohl muß man diese Wertung insofern relati-
vieren, als Straus einen persönlichen Gestaltungswillen in der Bildungspolitik vertrat, der
zwar den französischen Machtanspruch respektierte und sanktionierte, letztlich aber
auch auf eigene und unverwechselbare Zielsetzungen zurückgriff, die er im Interesse einer
wie auch immer zu gestaltenden saarländischen Eigenstaatlichkeit zu verwirklichen
trachtete. Seine Eigenarten und Prämissen, die freilich oft den Eindruck eines mangelnden
Wirklichkeitssinns verraten, müssen dabei nicht unbedingt in Elementen wie Katholizität,
konfessionelle seminaristische Volksschullehrerbildung, intensiver französischer Sprach-
254 Vgl. dazu Schreiben der Verwaltungskommission (Schulabteilung) — V/UI — T — 80/47 Bu/Ka —
vom 11.9. 1947 an die Technische Hochschule Darmstadt. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt.
Hochschulen, UIS-T und UT — T. Nach einer Mitteilung von Straus an Hector vom 29. 6.1948
ist das Zentralabitur auf Anordnung der Militärregierung eingeführt worden. Es kann aber kein
Zweifel darüber bestehen, daß Straus aufgrund seiner machtstaatlichen Denkweisen dieser
Order gerne gefolgt ist. Zitat nach Schreiben von Straus an Hector vom 29. 6. 1948. LA Saar-
brücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Direktors der Präsidialkanzlei, E 3 b. Straus selbst un-
terrichtete die Leiter der höheren Schulen über die beabsichtigte Zentralisierung der Reifeprü-
fung 1947 per Rundschreiben — E III — A I 20 - 2833/46 - vom 5. 9. 1946. LA Saarbrücken, Be-
stand KM — Mk 4790. Siehe auch die Notiz zum Zentralabitur im Bericht der Éducation Publique
innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat Juni 1947. LA Saarbrücken, Bestand
Handelsamt Saar Nr. 6.
255 Zitiert nach K. Thewes, höhere Schulen, S. 273.
256 Straus an Leiter der höheren Schulen vom 9. 1. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allge-
meine Verwaltung, Z II - A 2 b 1945 - 1952.
257 Vgl. dazu R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 172; K. Thewes, höhere Schulen, S. 271 und H.
Schneider, S. 58.
111
unterricht, zentral strukturierte Schulaufsicht usw. gesehen werden, als vielmehr in
seinem merkwürdigen und nicht von Widersprüchen freien Versuch, deutsche und fran-
zösische Bildungserfahrungen nach eigenem Gutdünken für die saarländische Bildungs-
welt fruchtbar machen zu wollen. Seine Verwirklichung verdankte dieses in mancherlei
Hinsicht eigenwillige Bildungsprogramm nicht einem demokratisch legitimierten Auf-
trag, sondern allein einer durch Diktatur und Krieg herbeigeführten Ausnahmesituation
im Rahmen einer militäradministrativ ausgeübten Fremdherrschaft und ihren separatisti-
schen Zielen. Die so durch Zeitumstände bewirkte Eigenständigkeit und Handlungsfrei-
heit von Straus, die in den Jahren von 1947 bis 1949 ihren Höhepunkt erreichen sollte,
bestätigt auch der ehemalige Kulturattache in Saarbrücken, Pierre Woelfflin: Vieles, was
Herr Straus tat, kam nicht von uns. Das Fatale war nur, daß die Bevölkerung glaubte,
Herr Straus handele im französischen Auftrag25*. Das mußte sie auch im Falle des Herbst-
termins annehmen, der als jeweiliger Schuljahresbeginn bestimmt wurde. Ähnliches galt
für die Übernahme des französischen 20-Punkte-Schulnotensystems, das im Schuljahr
1947/48 für das Saarland übernommen wurde258 259, und für die vom gleichen Zeitpunkt an
einsetzenden Schülerwettbewerbe im Bereich der höheren Schulen, die ganz im Zeichen
französischer Gewohnheiten organisiert und durchgeführt wurden260. Obgleich alle diese
Maßnahmen eher formaler Natur waren und auch im Bereich der französischen Besat-
zungszone eingeführt wurden, empfand man sie an der Saar dennoch als Versuch einer
Französierung des einheimischen Schulwesens. Daß dieses Gefühl der Überfremdung
Ende der vierziger Jahre öffentlich noch nicht zum Ausdruck gelangte, lag vor allem an
der damals noch unerschütterten Machtposition Frankreichs und an der von ihr getra-
genen starken Stellung von Straus als verantwortlicher Leiter der Kultusabteilung. So
konnte Straus auch andere Angelegenheiten ungestört machtbürokratisch regeln. Die im
Saarland traditionelle Förderung begabter Kinder aus sozial schwachen Familien durch
Schuldgeldfreiheit beim Besuch der damals noch schulgeldpflichtigen höheren Schulen
handhabte er bis 1947 restriktiv261. Für die Begabtenauslese ordnete er darüber hinaus
sehr strenge Maßstäbe an, um ungeeignete Elemente auszuscheiden262. Rigide und klein-
lich zeigte er sich schließlich in Detailfragen des schulischen Alltags wie zum Beispiel der
Residenzpflicht der Volksschullehrer, den Mindestzahlen für Klassenarbeiten und der un-
angemeldeten Kontrolle des Unterrichts durch die Schulaufsichtsbeamten. Mit großem
Argwohn beobachtete er die Beschäftigung von verheirateten Lehrerinnen, eine für ihn
provozierende Angelegenheit, die er angesichts des akuten Lehrermangels bis zum Jahre
1950 jedoch dilatorisch behandeln mußte263.
Im Bereich der schulischen Allgemeinbildung existierten für Straus eigentlich nur zwei Be-
reiche: die Volksschule und das Gymnasium. Die beiden städtischen Mittelschulen in
258 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
259 Vgl. Schreiben der Verwaltungskommission (Schulabteilung) an die Technische Hochschule
Darmstadt vom 11.9.1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - T und UT
-T.
260 Vgl. Schreiben von Straus an die Lehrer der höheren Schulen vom 9. 1. 1947. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 2 b 1945 — 1952.
261 Vgl. Rundschreiben an die Schulleiter der höheren Schulen - E III Tgb. Nr. 2207/46 - vom 22.
7. 1946. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Aufbaugymnasium Ottweiler Nr. 3.
262 Ebenda.
263 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
112
Saarbrücken mußte er zwar aufgrund ihrer überlieferten Existenz264 265 dulden, ihr schuli-
sches Ziel betrachtete er aber nur als eine Art Halbbildung165. Diese Position bedarf der
näheren-Erläuterung, da sie auf einen ideologischen Kernpunkt seines Bildungsdenkens
aufmerksam macht. Sie ging von einer gezielten Sicherung des humanistischen Erbes im
höheren Schulwesen einerseits und einer entschiedenen Vertretung des konfessionellen
Prinzips auf der Grundlage katholischer Bildungslehren und -ideale für den Volksschulbe-
reich andererseits aus und schlug sich später in einem christlich-naturrechtlichen Verfas-
sungsansatz nieder, wie er zum Beispiel auch in Rheinland-Pfalz in der Konzeption des dor-
tigen ersten Kultusministers Adolf Süsterhenn zu finden ist. Rückhalt fand dieses bildungs-
und schul rechtliche Denken in „ständischen“ und „organischen“ Gesellschaftsvorstel-
lungen, die, wie erinnerlich, auch an der Saar damals noch stark verbreitet waren und im
schulischen Bereich in der populären Idee von der volkstümlichen Bildung zum Tragen
kam266. Für Straus, den Anhänger dieser pädagogischen Theorie und ihrer Fiktion von der
vertikalen Schichtung der Gesellschaft, war die Mittelschule lediglich eine Anstalt mit einem
„Zwischenbildungsziel“, für das es an der Saar keinen Platz geben konnte267. Mehr Auf-
merksamkeit schenkte er da schon den Berufsschulen, deren fortschreitende Differenzie-
rung in den kaufmännischen, gewerblichen und hauswirtschaftlichen Zweigen sich frei-
lich wenig von der Entwicklung in den Westzonen Deutschlands bis 1949 unterschied.
Da Grandval dem Ansinnen der unter französischer Kuratel stehenden Grubenverwal-
tung nicht nachkam, die ehemaligen Grubenschulen zu reaktivieren268, mußten im Saar-
land angesichts der Gegenwart französischer Bediensteter in Verwaltung, Wirtschaft,
Zoll und Militär zwangsläufig besondere französische Schulen eingerichtet werden.
Neben einer Reihe von ein- bis fünfklassigen Bildungseinrichtungen dieser Art in saarlän-
dischen Mittelstädten und Grenzorten war von ihnen die im Jahre 1946269 gegründete
Marechal-Ney-Schule270 in Saarbrücken die bekannteste271. Sie war, wenn an ihr auch
Religion als ordentliches Lehrfach gelehrt wurde, eine typisch französische Anstalt laizi-
stischen Charakters mit umfassenden durchlässigen Bildungsstrukturen (Kindergarten,
Volksschule und Gymnasium) und allen Einrichtungen für einen ganztägigen Unterrichts-
betrieb. Obgleich Straus inquisitorisch allen Säkularisierungstendenzen im staatlichen
Bildungswesen entgegentrat, so hat er es dennoch zulassen müssen, daß vom Zeitpunkt
der Eröffnung der Marechal-Ney-Schule an saarländische Kinder in den religionsneu-
264 Siehe oben, S. 39 f.
265 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
266 Siehe oben, S. 42.
267 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
268 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. Siehe auch oben, S. 105.
269 Vgl. dazu den Rapport mensuel Mars — Avril 1946 der Éducation Publique innerhalb der Saar-
brücker Militärregierung. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Nr. 8 und Anm. 163 auf S. 166.
270 Benannt nach dem bekannten Heerführer Napoleons I., der 1769 in Saarlouis als Sohn eines Bött-
chers geboren wurde und 1815 nach der Schlacht bei Belle-Alliance als Hochverräter verurteilt
und hingerichtet wurde.
21 Im Dezember 1946 gab es insgesamt 14 französische Schulen. Davon waren 13 sogenannte écoles
primaires. Sie waren 2 — 5klassig und hatten insgesamt 652 Schüler. Die Maréchal-Ney-Schule
hatte damals 413 Schüler. Der Anteil saarländischer Kinder an diesen Schulen ist für diesen Zeit-
punkt nicht bekannt. Siehe aber unten, S. 166 und die dortige Anm. 163. Angaben über die fran-
zösischen Schulen im Jahre 1946 nach Bericht der Éducation Publique für den Monat Dezember
1946. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 4.
113
tralen französischen Anstalten ihre Schulpflicht erfüllen konnten272. Auch dieser Wider-
spruch hat erheblich dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit seines bildungspolitischen
Wirkens zu erschüttern. Auf diese Thematik wird später noch einzugehen sein273.
Die Aufnahme saarländischer Schulkinder in französische Schulen erinnert aber auch an
den realen schulpolitischen Spielraum, welcher der saarländischen Politik zugestanden
wurde. Mit dieser Feststellung soll die in dieser Untersuchung im Vergleich mit der fran-
zösischen Besatzungszone konstatierte schulische Sonderentwicklung an der Saar nicht in
Frage gestellt werden, da im Saarland schon wegen der ungestörten Überlieferung der
konfessionellen Volksschule und des humanistischen Gymnasiums Marksteine gesetzt
waren, die im Gegensatz zur französischen Zone ungeachtet des Gemeinsamen in der Ent-
nazifizierung, der seminaristisch angelegten Volksschullehrerbildung, dem Zentral-
abitur, der Sprachenpolitik, den französischen Schulen und in einigen schulorganisatori-
schen Regelungen substanzielle Veränderungen im öffentlichen Bildungswesen nicht zu-
ließen. Unterstellt man die saarländische Bildungspolitik jedoch allein den Zielen der
französischen Saarpolitik und ihres separatistisch-autonomistischen Imperativs, so wird
allerdings ihre Abhängigkeit von dieser Zweckbestimmung sofort spürbar. Der jeweilige
Grad dieser Indienststellung wurde, wie bereits angedeutet, durch die Relevanz des bil-
dungspolitischen Gegenstandes für die autonomistischen Absichten bestimmt. Diese
Wechselwirkung wurde am deutlichsten beim Aufbau der Universität des Saarlandes, ln
ihrer Entstehung und Entwicklung, die im folgenden Kapitel thematisiert werden soll, sah
die französische aber auch, nach einer Zeit des Zögerns, die saarländische Seite eine wich-
tige Voraussetzung für die dauerhafte Existenz eines lebensfähigen saarländischen Ge-
meinwesens auf eigenstaatlicher Grundlage.
11. Auf dem Weg zur universitären Bildung an der Saar
11.1 Das Saarland, eine Region ohne Universität
Obwohl das Saarland im 19. und 20. Jahrhundert eine intensive industrielle Entwicklung
erlebte, konnte sich hier, wie bereits eingangs dieser Untersuchung festgestellt wurde, ein
durchstrukturiertes Bildungssystem nicht entfalten274, wozu neben einem dichten und lei-
stungsfähigen Primär- und Sekundarschulwesen schließlich auch ein akademisches Bil-
dungsangebot gehört hätte. Die Folge war, daß im Saarraum, übrigens in augenfälliger
Parallele zu einigen anderen montan orientierten Industriegebieten Deutschlands275, die
Entwicklung von Industrie- und Bildungsgesellschaft auf der Ebene des akademischen Bil-
dungssektors disharmonisch verlief. Dieses Auseinanderklaffen von ökonomischem und
pädagogischem Leistungsstand in einem wichtigen Teilbereich erfuhr durch den staatli-
chen Verwaltungsdirigismus der Vergangenheit einen zusätzlichen Impuls, weil die zen-
tral gelenkten Staaten wie Preußen und Bayern in ihrem beharrlichen Streben nach Ein-
272 Vgl. dazu im einzelnen Der katholische Erzieher, Organ des Verbandes katholischer Erzieher des
Saarlandes, Nr. 6/7 (1956), S. 184. Siehe auch unten S. 166 f.
273 Siehe unten, S. 184 ff.
274 Siehe oben, S. 27 ff.
275 Vgl. H. Küppers, Weimarer Schulpolitik, S. 29.
114
heitlichkeit bildungspolitisch mit einer Entwicklung in Vielfalt brechen mußten, die im
Saargebiet und in den nahegelegenen organisch gewachsenen Kulturzentren Trier, Mainz
und Speyer ihre Basis gehabt hätte. Hier gab es reiche auf der Grundlage kirchlichen Stifts-
wesens existierende Bildungstraditionen und -erfahrungen, die aber im Zuge der Säkula-
risierungsepoche im frühen 19. Jahrhundert und infolge des preußischen und bayerischen
Staatskirchentums verkümmerten. Dadurch schwand auch die Kraft zu einem Wandel,
der notwendig gewesen wäre, um den Ansprüchen der allmählich entstehenden Bildungs-
gesellschaft umfassend gerecht zu werden. Die nunmehr einsetzende Organisation des öf-
fentlichen Bildungswesens nach zentralstaatlich großflächigen Gesichtspunkten führte
vielmehr dazu, daß die akademischen Bildungseinrichtungen als Spitze des staatlichen Bil-
dungssystems zwangsläufig auf einen gebietsmäßigen Mittelpunkt hin konzentriert
werden mußten. Für die preußische Rheinprovinz, zu dem der größte Teil des Saargebietes
bis 1919 gehörte, war das aber konsequenterweise der Mittelrhein. So bestimmte der
preußische Staat im Jahre 1818 Bonn und nicht eine der alten rheinischen Universitäts-
städte Trier, Mainz oder Köln276 * zum Standort einer neuen nach den Reformideen Hum-
boldts konzipierten Hochschule. Sie sollte nach dem Willen des preußischen Königs Fried-
rich Wilhelm III. eine akademische Bildungsstätte für die Rheinprovinz sein, die wahre
Frömmigkeit, gründliche Wissenschaft und gute Sitte bei der studierenden Jugend fördere
und dadurch auch die Anhänglichkeit meiner westlichen Provinzen an den preußischen
Staat je länger, je mehr befestige177. In Aachen begann im Jahre 1870 die hochschulge-
mäße Ausbildung von Technikern und Naturwissenschaftlern. Diese neue Studienein-
richtung, die wie fast alle diese im Laufe des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufenen An-
stalten, aus einer Polytechnischen Schule hervorging, erreichte um die Jahrhundertwende
ihre akademische Anerkennung als Hochschule. Da sich auch im Raum der bayerischen
Pfalz eine akademische Bildungsstätte nicht entwickelte, waren Studierwillige aus dem
Saarraum bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen, an entfernteren Orten
ihre Studien aufzunehmen. Anziehend auf junge Menschen aus dem Saargebiet wirkten
vor allem Heidelberg, Freiburg, Bonn, Halle, Berlin und die Technischen Hochschulen in
Karlsruhe, Darmstadt und Aachen278. Ihre Zahl blieb freilich relativ gering, da an der Saar
die Substanz für eine mittelständisch orientierte Bürgerschicht, die im Interesse einer wirt-
schaftlichen, sozialen und beruflichen Sonderstellung einen starken akademischen Bil-
dungswillen entwickelt hätte, verhältnismäßig schwach blieb279. Dieses zum Teil menta-
litätsbedingte Bildungsdefizit, das der gezielten Personalpolitik preußischer und später
auch französischer Regierungen im Sinne einer lancierten Einstellung auswärtiger Füh-
rungskräfte im Bereich der staatlich verwalteten Gruben und der Administration sehr ent-
gegenkam, schrieb den pädagogischen Provinzialismus des Saargebietes endgültig fest,
wenn man einmal von dem wenig aussichtsreichen und darum gescheiterten Versuch einer
Hochschulgründung im Rahmen einer privaten französischen Initiative zur Zeit des Völ-
kerbundregimes absieht280. Wenn in dieser Region dennoch vor der allgemeinen Welle
276 In der Zeit der französischen Gegenwart im Rheinland waren die alten Universitäten von Trier
(1797), Mainz (1798) und Köln (1801) geschlossen worden.
2 Koblenzer Amtsblatt 1818, S. 321. Zitiert nach M. Bär, S. 543.
278 Die im Jahre 1919 wiederbegründete Universität zu Köln hat eine gleiche Bedeutung nicht er-
ringen können. Vgl. R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 652.
279 Vgl. oben, S. 27 ff.
280 W. Veauthier, S. 240 f.
115
von Hochschulgründungen in den sechziger Jahren eine neue Universität entstand, so ver-
dankt sie dies der separatistisch-autonomistischen Ausnahmesituation, in die sie nach
dem Zweiten Weltkrieg gestellt wurde. Nachfolgend gilt es also, die im groben schon an-
gesprochenen Motive für die im Jahre 1948 gegründete Universität zu präzisieren. Ihre
Analyse und weniger die Gründungsgeschichte als solche stehen darum hier im Mittel-
punkt der Betrachtungen. Diese gebotene Konzentration auf den politischen Hintergrund
ist aber auch im Interesse des hier gestellten Themas erforderlich, das - und daran darf
an dieser Stelle nochmals erinnert werden — in der Untersuchung der saarländischen Bil-
dungspolitik im Rahmen und unter den Bedingungen der separatistisch-autonomisti-
schen Bestrebungen nach 1945 seinen fundamentalen Schwerpunkt sieht.
11.2 Die Initiative zur Universitätsgründung
Einen ersten Versuch, die Gründungsgeschichte der Universität Saarbrücken in „Daten
und Fakten“ zu schreiben, hat Spangenberg im Rahmen einer Festschrift zum 25jährigen
Bestehen dieser Hochschule unternommen281. Sie entledigt sich der Frage nach den Mo-
tiven mit einem Hinweis auf die noch lückenhafte Quellenlage282. Die inzwischen ermit-
telten Quellen bieten jedoch eine ausreichende Basis, um nunmehr die Beweggründe für
die Inangriffnahme dieses Hochschulprojekts zu deuten.
Für ein solches Erkenntnisziel ist zuerst einmal die Tatsache von Belang, daß die Militär-
regierung, wie Pierre Woelfflin ausdrücklich bestätigt hat, erst vom Spätsommer 1946 an
konkrete Absichten zu einer Universitätsgründung entwickelte283. Untermauert wird
diese Aussage durch ein Schreiben Grandvals an den Vorsitzenden der Verwaltungskom-
mission, Müller, vom 28. 2. 1947. Nachdem sich der Militärgouverneur darin über die
Nichtanerkennung der am 15. Januar 1946 gestarteten medizinischen Hochschulkurse
im Landeskrankenhaus Homburg seitens der deutschen Universitäten ebenso erbost ge-
äußert hatte wie über die im August 1946 erfolgte Weigerung der erst im Mai 1946 neu
entstandenen Universität Mainz, Homburg in ihre akademische Obhut zu nehmen, kün-
digte er mit deutlichem Hinweis auf den beabsichtigten wirtschaftlichen Anschluß die of-
fensichtlich seit Monaten erwogene Konsequenz an, das gesamte Problem des Hochschul-
unterrichts an der Saar in Erwägung zu ziehen ... Durch diese Initiative soll das seit hun-
dert Jahren durch Preußen kolonisierte Saarland von neuem eine Elite schaffen können,
welche es verdient und welche es für seinen materiellen und moralischen Wiederaufbau
im wahren Geiste der Demokratie unumgänglich benötigt. Dadurch werden schließlich
engere kulturelle Bindungen zwischen Frankreich und dem Saargebiet (!) erzeugt, ent-
sprechend den geschichtlichen Gegebenheiten und der Geographie und (damit ein) we-
sentlicher Zweck unserer gemeinsamen Politik erfüllt284. Der Zeitpunkt des Schreibens
und vor allem die Begründung der angekündigten Aktion weisen darauf hin, daß
Grandval seine hochschulpolitische Initiative ganz klar im Rahmen des seit Sommer 1946
281 I. Spangenberg, S. 5 - 49.
282 Ebenda, S. 8.
283 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
284 Zitiert nach der deutschen Übersetzung des Schreibens von Grandval an Müller vom 28.2.1947.
LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS — 1 —. Im französischen Originaltext aus-
zugsweise zitiert bei I. Spangenberg, S. 15. Die deutsche Fassung des Schreibens ist wiederge-
geben im Quellenanhang (Anlage 2).
116
fest ins Auge gefaßten Ziels einer Eigenstaatlichkeit der Saar und der erstrebten Wirt-
schafts und Währungsunion sah. Die gewollte Flankendeckung läßt sich auch daraus ab-
leiten, daß ihn die äußerst prekäre Lage der studierwilligen Saarländer vor dem Hinter-
grund von schier unüberwindlich scheinenden Paß- und Verkehrsproblemen, Lebensmittel-
karten, Spruchkammerbescheiden und des gerade sie als „Auswärtige“ hart treffenden Nu-
merus Clausus der materiell und geistig stark angeschlagenen deutschen Universitäten vorher
nicht zu einem solchen Schritt bewegen konnte. Sogar die von Regierungspräsident Neu-
reuter und seinem Mitarbeiter Jung in den Jahren 1945 und 1946 ausgehenden Anre-
gungen zum Aufbau einer saarländischen Hochschule285 ignorierte er, ganz im Gegensatz
zu Mainz und Trier, wo solche lokalen Initiativen von den französischen Militärbehörden
aus einer Mischung von Separationsspekulationen und missionarischem Kultureifer auf-
gegriffen wurden und, im Falle Mainz, auch erfolgreich abgeschlossen werden
konnten286. Im Saarland konzentrierten sich die Bemühungen der zuständigen militäri-
schen und zivilen Stellen um die akademische Bildung zunächst nur auf die Vermittlung
von Studienplätzen in Deutschland und später auch in Frankreich, sowie auf die mate-
rielle Unterstützung von Studenten, die allerdings vom Jahre 1946 an einseitig in Form
von Stipendien für Studienaufenthalte in Frankreich gewährt wurde287. Ganz im Zeichen
dieser eher im praktischen Sinne gewährten Hilfen standen vorerst auch die vom Direktor
der militärgouvernementalen Gesundheitsabteilung, Médecin-Colonel René Springer,
285 Interview J. V. Wagner mit L. Jung vom 31. Mai 1966 und Interview J. V. Wagner mitB. Riegler
vom 31. Mai 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken, Sammlung J. V. Wagner. Im Bestand
Regierungspräsidium Nr. 65 des LA Saarbrücken befindet sich ein Aktenstück, das u. a. auch
über Vorstellungen im Bereich des Regierungspräsidiums mit Blick auf eine Universitätsgrün-
dung Auskunft gibt. Es ist ohne Kennzeichnung. Autor ist wahrscheinlich Regierungsdirektor
Jung, der seine Gedanken im Herbst 1945 niedergeschrieben haben dürfte. Danach wäre, falls
die Saar nicht französisches Departement, sondern in irgendeiner Form unter Beibehaltung einer
gewissen Selbständigkeit dem frz. (= französischen) Zoll- und Münzsystem eingegliedert wird,
die Frage der Universitätsgründung in Saarbrücken sehr akut und sogar wichtig. Die Existenz
einer Hochschule wurde von Jung vor allem mit bildungsökonomischen Bedürfnissen der kom-
menden politischen Einheit Saar, den Vorteilen für die Entwicklung der Stadt Saarbrücken als
Saarmetropole, den geringeren Studienkosten und schließlich damit begründet, daß eine saarlän-
dische Universität eine Begegnungsstelle franz.{ösischer) und deutscher Kultur und Zivilisation
sein könne. Als Aufgabe besonders erwähnt wird der geistige Austausch zwischen dem Saarland
und Lothringen. Die neue Universität sollte nach Jung etwa 1600 -1700 Studierende haben. Au-
ßerdem sollten ihr eine Akademie für Volksschullehrer, ein berufspädagogisches Institut und eine
Verwaltungsakademie angegliedert sein.
286 Vgl. dazu oben, S. 45 f.
287 Im Studienjahr 1946/47 studierten etwa 1000 Saarländer an deutschen Universitäten und 108 an
französischen (Angers 8, Aix en Provence 11, Besançon 7, Bordeaux 2, Dijon 9, Lille 13, Mont-
pellier 9, Nancy 7, Paris 12, Poitiers 8 und Toulouse 9). Geschätzte Zahl für Deutschland nach
Saarbrücker Zeitung vom 17. 4. 1949. Zahlen für Frankreich nach: Der Student an der Saar, Nr.
1, 1. Jg., Saarbrücken o. J. (Oktober 1947), S. 31. Die Universität Strasbourg hielt ihre Tore für
saarländische Studenten geschlossen, obgleich Grandval in einem persönlichen Schreiben an den
dortigen Rektor um die Bereitstellung von 10 bis 15 Studienplätzen bat. Vgl. Schreiben Grandval
an den Rektor der Universität Strasbourg vom 10. 8.1946. Privatakten E. Straus. Im Rechnungs-
jahr 1946 sicherte die Militärregierung 100 Stipendiaten eine Unterstützung für einen achtmona-
tigen Studienaufenthalt in Frankreich zu. Die dafür erforderlichen Mittel in Höhe von 240 000
RM wurden jeweils zur Hälfte von der Verwaltungskommission und der Militärregierung ge-
tragen. Schreiben der Kultusdirektion an die Finanzdirektion vom 16. 10. 1946. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS B 24. Vgl. hierzu auch den Bericht der Abteilung
Affaires Administratives innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat November
1946. Dort wird davon gesprochen, daß on peut faire mention du récent départ d’une centaine
d’étudiants sarrois à destination de diverses Universités Françaises. LA Saarbrücken, Bestand
Handelsamt Saar Nr. 4.
117
protegierten und unter der Regie des Leiters der chirurgischen Abteilung, Professor Dr.
Orth, im Homburger Landeskrankenhaus durchgeführten provisorischen Hochschul-
kurse für Medizinstudenten. Diese Lehrgänge, die schon vor dem Krieg regelmäßig als
Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt worden waren und sich eines anerkannten
Rufes auch außerhalb des Saarlandes erfreuten, konnten dank günstiger materieller und
personeller Voraussetzungen schon im Januar 1946 beginnen288. Als jedoch die eben erst
wiederbegründete Universität Mainz289, der man die akademische Patenschaft ange-
tragen hatte, im August 1946 ihr Plazet für Homburg als einer mit Lehr- und Prüfungs-
kompetenzen ausgestatteten wissenschaftlichen Bildungseinrichtung verweigerte290 291, da
war das für Grandval eine „Herausforderung“, die pariert werden müsse durch Anerken-
nung der Kurse durch eine französische Universität291. Damit war eine jener Situationen
eingetreten, in der der machtbewußte Grandval im Interesse seiner politischen General-
ziele an der Saar intuitiv und „ohne besondere Instruktionen“292 zu entscheiden wußte.
Ausschlaggebender Ansatzpunkt war für ihn dabei natürlich nicht die verweigerte akade-
mische Anerkennung von Homburg durch Mainz und ein damit in Frage gestelltes saar-
ländisches Studienangebot, sondern die seit Spätsommer 1946 endgültig erstrebte Stabi-
lisierung der saarländisch-französischen Zusammenarbeit293 durch eine saareigene aka-
demische Bildungsstätte294. Diese Interdependenz von Kulturpolitik und allgemeiner
französischer Saarpolitik hat Grandval im Jahre 1975 mit Blick auf die später gegründete
Universität des Saarlandes innerhalb eines Interviews des Saarländischen Rundfunks so
umschrieben:
Damit die Saar ihre politische Autonomie erhielt, mußte sie über ihre eigenen Mittel im
Hochschulwesen verfügen. Das war der Anlaß (Hervorhebung durch Sperrdruck vom
Vf), mich für die Gründung einzusetzen, die eine bedeutende Universität geworden ist. All
288 Vgl. im einzelnen I. Spangen berg, S. 9 ff. Detailliert aus der Sicht eigener Verantwortung R.
Springer, Hochschulkurse.
284 Mai 1946.
29° Vgl. dazu den Bericht von C. E. Alken, damals stellvertretender Direktor in Homburg, in der
Saarbrücker Zeitung vom 30. 11. 1973 (Sonderbeilage).
291 Zitiert nach R. Springer, Hilfe, S. 14.
292 J. Frey mond, S. 4L Grandval war ein kleiner Prokonsul. Interview P. Woelfflin vom 12. 10.
1977.
293 Siehe oben, S. 66 ff.
294 Die Gründung und Entwicklung der Universität Mainz hat Grandval übrigens mit Argwohn ver-
folgt. Über seine Furcht vor der Mainzer Konkurrenz, die vor allem durch Pariser Vorbehalte ge-
genüber zwei Universitätsgründungen genährt wurde, berichtet R. Minder, Kultur. Daß
Grandval für seinen hochschulpolitischen Kurs und den damit verbundenen Absichten später
Rückendeckung aus Paris erhielt, geht aus den kulturpolitischen Richtlinien des Quai d’Orsays
für das Saarland vom 17. 1. 1948 hervor, die auszugsweise auf S. 171 wiedergegeben sind.
118
das war vollkommen logisch und diese Kulturpolitik war ohne Hintergedanken293 * 295. Das,
was Grandval als Vorgang „vollkommen logisch“ nannte, gilt im gleichen Maße auch für
die Gründung anderer Einrichtungen wie etwa dem Konservatorium, der Schule für Kunst
und Handwerk 296 oder aber auch und vor allem dem Saarländischen Rundfunk. Für die
feste Einbindung der hochschulpolitischen Absichten Grandvals in das Generalziel einer
französisch kontrollierten saarländischen Autonomie spricht nicht zuletzt die enge Ver-
bindung zwischen dem Universitätsprojekt und der Genesis des Saarstaates und seiner
Verfassung297. In beiden Fällen lag die eindeutige Dominanz zuerst auf französischer
Seite. Sowohl die Überleitung der Homburger Medizinerlehrgänge zu einem Centre Uni-
versitaire am 8. März 1947 als auch dessen spätere Erhebung zu einem Institut d’Études
Supérieures298 mit vier Fakultäten299 standen eindeutig im Zeichen der französichen
Grundsatzentscheidungen des Jahres 1946. Mit seinen hochschulpolitischen Absichten
kam Grandval dank seiner guten Verbindungen zu den verschiedensten Stellen der Pariser
Kultusadministration und zu den französischen Universitäten schnell voran300. Für die
akademische Kuratel seiner saarländischen Hochschulpläne gewann er die Universität
Nancy.301 Deren Rektor, Pierre Donzelot, hat wenige Tage nach der Eröffnung des Hom-
burger Instituts das Ziel der akademischen Patenschaft seiner Hochschule in einem
Schreiben an Müller näher erläutert. Dabei orientierte er sich eindeutig an den Vorgaben
Grandvals, wenn er u. a. ausführte: Ich wiederhole nochmals, daß wir im Saargebiet nur
die Entwicklung eines Hochschulinstituts im Auge haben, das diesem schönen Lande die
Cadres liefert, welche es nötig hat302.
Die Eröffnungszeremonie am 8. März 1947 selbst wurde in Homburg mit großem Auf-
wand und Aufgebot in einer würdigen feierlichen Form gestaltet, wobei der in Frankreich
weitverbreitete Optimismus an die Wirksamkeit von Institutionen reichlich demonstriert
wurde. Anwesend waren seitens der französischen Regierung der Erziehungsminister
Naegelen, der ehemalige Generalsekretär des Commissariats aux Affaires Allemandes et
293 Zitiert nach H. Schwan, Kampf, S. 8 f. Grandval wiederholte hier inhaltlich seine Ausfüh-
rungen, die er bereits anläßlich der Einführung des ersten Rektors der Universität Saarbrücken,
Barriol, am 1. 10. 1948 gemacht hat. Vgl. dazu den Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 2. 10.
1948. In seinem Schreiben an Erwin Müller, dem Vorsitzenden der Verwaltungskommission,
vom 28. 2. 1947, in dem er die Eröffnung eines Hochschulinstituts ankündigte, äußerte er ähn-
liche Gedanken. Dort steht aber auch zu lesen, daß die neue Institution zwischen dem Unterricht
in den saarländischen Oberschulen und dem Unterricht in den französischen Hochschulen
(steht), zu welchem die Studenten nach 2-jährigem Studium in dieser Universität überführt
werden. Ob Grandval damit nur eine Übergangsregelung im Auge hatte, konnte weiter nicht ge-
klärt werden. Grandval an Müller vom 28. 2. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hoch-
schulen, UIS - 1 —. Wenn Grandval eine solche vorbereitende Studieneinrichtung auf Dauer ge-
wollt haben sollte, dann ist es der saarländischen Seite auf jeden Fall gelungen, eine solche Ab-
sicht zu verhindern.
296 Vgl. unten S. 182 ff.
24 Vgl. hierzu im einzelnen J. Freymond, S. 58 ff. und seine Verfassungsskizze auf S. 380 f. (An-
hang II).
298 Amtsblatt der Verwaltungskommission Nr. 31 vom 13. 11. 1947 und Journal Officiel vom 17.
11. 1947 (Verordnung Nr. 119).
299 Eingerichtet wurde eine medizinische, eine juristische, eine philosophisch-philologische und eine
naturwissenschaftliche Abteilung.
,0° Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
101 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
502 Zitiert nach dem Text der deutschen Übersetzung. Donzelot an Müller vom 12.3.1947, LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS — 1 — gen.
119
Autrichiennes, Savary, der Leiter der Kulturabteilung im französischen Außenministe-
rium, Louis Joxe, und der Generalsinspekteur für das französische Unterrichtswesen,
Santelly. Aus Baden-Baden war der Administrateur Général Laffon gekommen, der den
auf der Moskauer Außenministerkonferenz weilenden General Koenig vertrat. Der Einla-
dung gefolgt waren auch die Präfekten der Départements Meurthe-et-Moselle, Moselle
und Bas-Rhin und Rektoren sowie Vertreter des Lehrkörpers der Universitäten von Paris,
Nancy, Strasbourg und Poitiers. Dieser starken französischen Präsenz stand nur eine
kleine saarländische Abordnung gegenüber. Sie rekrutierte sich aus Mitgliedern der Ver-
waltungskommission, einigen Honoratioren aus Wirtschaft und Gesellschaft und schließ-
lich den Homburger Dozenten, sowie den 300 eingeschriebenen saarländischen Stu-
denten303. Dieses auffallende Mißverhältnis und die Tatsache, daß in den Ansprachen
immer wieder von den Quellen des französischen Geistes die Rede war, zu der die Saar-
länder im Interesse ihrer „wahren“ kulturellen Selbstbestimmung und der Entwicklung
der saarländisch-französischen Zusammenarbeit nunmehr zugelassen würden304, haben
erheblich dazu beigetragen, daß die Gründung des Hochschulinstituts, aus dem später die
Saarbrücker Universität hervorging, immer wieder mit „kulturimperialistischen“ Zielen
Frankreichs oder mit einer geschickt getarnten „pénétration culturelle“ in Verbindung ge-
bracht worden ist305. Solange jedoch diese Verdächtigungen ohne begriffliche Konkreti-
sierung und ohne exakte Beschreibung des Geschehens erhoben werden, können sie wenig
zur Ermittlung der wirklichen Intentionen beitragen. Gerade die Gründungsgeschichte
der Universität Saarbrücken zeigt, wie im folgenden Abschnitt erkennbar wird, daß die
von Schmidt und Schneider im allgemeinen und im Zusammenhang mit der von ihnen be-
schworenen „pénétration culturelle“ im besonderen wiederholt vorgebrachte Klage von
der ungleichen Partnerschaft zwischen fordernden französischen Besatzern und nachgie-
bigen saarländischen Quislingen erheblich relativiert werden muß.
303 Zahlenwert nach Bericht der Affaires Administratives innerhalb der Saarbrücker Militärregie-
rung für den Monat März 1947. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 5.
304 Vgl. im einzelnen die Reportage der Neuen Saar, dem Organ des MRS, vom 14. 3. 1947. Siehe
auch die Ankündigungsberichte in der Saarbrücker Zeitung vom 6. und 8.3. 1947 und der Saar-
ländischen Volkszeitung vom 1. und 8. 3. 1947.
305 So z. B. R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 652 ff. und H. Schneider, S. 145. Differenzierter und zu-
rückhaltender W. Veauthier,S. 239.
120
11.3 Einwände und Besorgnisse aus saarländischer Sicht
Von saarländischer Seite erhielt die Militärregierung für ihre forsch angegangene Hoch-
schulinitiative vorerst nur geringen Beifall. Zustimmung erntete sie vorläufig nur von der
Verwaltungskommission306. Deren Präsident, Erwin Müller (CVP), antwortete auf die
Ankündigung des Militärgouverneurs vom 28.2. 1947307, ein Hochschulinstitut in Hom-
burg schaffen zu wollen, euphorisch, daß er mit großer Freude und mit besonderer Dank-
barkeit ... von dem Entschluß der sofortigen Schaffung einer Universität (!) in Homburg
Kenntnis genommen habe308. Einen beflissenen Befürworter fand Grandval auch in
Straus, dem in der Verwaltungskommission zuständigen Direktor für Kulturfragen. Als
energischer Verfechter einer autonomen Saar erkannte er dank seines politischen In-
stinkts nicht nur sofort die Chance und die Bedeutung einer solchen Institution für den
kommenden Saarstaat, er erspürte in seinem bildungspolitischen Eifer in ihr zugleich auch
eine ausschlaggebende Vorbedingung für seine hochgesteckten bildungspolitischen Ziele,
die von dem Grundsatz beherrscht waren, an der Saar endgültig eine durchgängig ausge-
baute Bildungsstruktur zu etablieren309. Im Gegensatz zu dem in der Hochschulfrage ei-
gentlich desinteressierten Erwin Müller konzentrierte sich der stets agil operierende
Straus sofort um die Wahrung saarländischer Interessen. Wenn er auch im Grundsatz mit
Grandval darin übereinstimmte, daß es die Hauptaufgabe der kommenden Hochschule
sein müsse, den saarländischen Kader an Juristen und Philologen für Verwaltungsbeamte
und höhere Lehrerschaft auszubilden310, so war er dennoch, wie überhaupt in der Gesamt-
106 Die aus sieben Mitgliedern bestehende Verwaltungskommission unter dem Vorsitz von Erwin
Müller (CVP) trat am 8.10.1946 an die Stelle des bis dahin von Hans Neureuter geleiteten Re-
gierungspräsidiums. Ihre Einsetzung erfolgte durch die Militärregierung, wobei diese unter Be-
rücksichtigung des Kommunal Wahlergebnisses vom 15.9. 1946 (CVP 52,4 %, SPS 25,2 %, Freie
Liste 13,0 %, KP 9,1 % - die CVP stellte nach dieser Wahl 81,5 % der Bürgermeister) folgende
parteipolitische Parität festlegte: CVP 4 Mitglieder, SPS 2, KP 1 und DPS 1. Uber die Konzeption
und Strategie der Militärregierung hinsichtlich der neuen saarländischen Administration gibt uns
der Bericht (Synthèse générale) der Militärregierung für den Monat September folgende interes-
sante Informationen: Bien que ces élections aient été des élections communales, la campagne
électorale s’est faite en grande partie sur le plan politique et le parti chrétien populaire, à la suite
de son succès, a prié le Gouvernement Militaire de vouloir bien envisager la transformation de
l’actuel Regierungspräsidium. Il aurait désiré voir attribuer à M. Hoffmann, chef de ce parti, le
poste de Regierungspräsident. Tel n’était pas l’avis des partis minoritaires et notamment du plus
fort d’entre eux, le parti social démocrate. Pour régler cette situation, j’ai décidé d’adopter une
solution moyenne. J’envisage, après accord du Commissaire Général aux Affaires allemandes et
autrichiennes et du Commandement en Chef Français en Allemagne, de créer une commission
d’administration provisoire de 7 membres; l’actuel Regierungspräsident, qui ne nous a d’ailleurs
jamais donné de gages très précis et qui est de confession protestante ne serait pas remplacé. LA
Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 3. Zum französischen Vorurteil gegenüber prote-
stantischen Beamten siehe oben, S. 77 f. Angemerkt sei auch eine Stellungnahme im Rapport dé-
taillé für die Monate September bis Oktober 1946. Dort heißt es: Le Gouvernement Militaire,
soucieux de ne pas créer une administration ayant un caractère trop politique. LA Saarbrücken,
Bestand Handelsamt Saar Nr. 9. Die Synthese générale im Rahmen der Monatsberichte für den
Monat September 1946 ist wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 1).
107 Vgl. oben S. 116 und die dortige Anm. 284.
308 Müller an Grandval vom 5. 3. 1947. Zitiert nach I. Spangenberg, S. 15.
309 Vgl. dazu die Ausführungen von Straus in der Saarbrücker Zeitung vom 6.3.1947 (Artikel: „Auf
dem Wege zu einer saarländischen Universität“).
310 Zitiert nach einer Studie über die Errichtung einer Technischen Fakultät an der Universität des
Saarlandes vom 16. Juli 1954 (Autor: Dr. Hans Groh, Referent für Hochschulangelegen-
heiten im saarländischen Kultusministerium). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen,
UIS — T und UT — T. Vgl. auch die Ausführungen Grandvals und von Straus auf dem Homburger
Festakt am 8. März 1947. Dort äußerten sich beide in ähnlicher Weise. Neue Saar vom 14. 3.
1947.
121
heit seiner bildungspolitischen Bestrebungen, auch in dieser Angelegenheit von Anfang an
um eine möglichst breite Kompetenz der saarländischen Politik bemüht, wobei jedoch
auch an dieser Stelle hinzugefügt werden muß, daß diese Politik auf eine Option für eine
Zusammenarbeit mit Frankreich festgelegt war. Schon Anfang Oktober 1947 hielt er
seine Mitarbeiter an, die Bemühungen um die Gewinnung geeigneter deutschrechtlicher
Professoren fortzusetzennx. Ausgelöst wurde diese Anregung durch justizpolitische Be-
denken seines damaligen Mitarbeiters Sauerland, der darauf verwiesen hatte, daß ange-
sichts wirksam bleibender deutscher Rechtstraditionen an der Saar eine Ausbildung des
saarländischen Juristennachwuchses allein durch französische Professoren nicht möglich
sei. Etwa zum gleichen Zeitpunkt richtete Straus in seiner Dienststelle ein Dezernat für
Hochschulangelegenheiten ein, das zuerst in Personalunion von dem Abteilungsleiter für
das höhere Schulwesen, Burghardt, und vom Jahre 1948 an von dem Literaturkritiker und
früheren freien Mitarbeiter des MRS-Organs Neue Saar, Dr. Hans Groh, geleitet
wurde311 312. Im März 1948, die erste saarländische Regierung unter Ministerpräsident Jo-
hannes Hoffmann (CVP) war schon seit wenigen Wochen im Amt, legte Straus in seiner
Eigenschaft als Kultusminister den Rechtscharakter und Bildungsauftrag des Homburger
Instituts eindeutig im Zeichen saarländischer Interessen fest, indem er verfügte: Das
Hochschulinstitut Homburg ist eine saarländische Institution im Rahmen des Kultusmi-
nisteriums. Sie hat die Aufgabe, den akademischen Nachwuchs des Saarlandes heranzu-
bilden und darüber hinaus eine ideelle Ausstrahlung abendländischer Ideen in das ehema-
lige Reichsgebiet zu gewährleisten313. Engagierte Zustimmung fand die französische
Hochschulinitiative schließlich auch bei Richard Kirn, dem Vorsitzenden der Sozialde-
mokratischen Partei Saar (SPS) und Direktor für Arbeit und Wohlfahrt in der Verwal-
tungskommission, der später, im ersten und dritten Kabinett Hoffmann, im gleichen Res-
sort Minister war. Seine Aufmerksamkeit, die vor allem sozialpolitisch motiviert war, galt
dabei von Anfang an der akademischen Ausbildung im Medizinischen314.
Die zustimmende Haltung von Mitgliedern der Verwaltungskommission als kommissa-
risch eingesetzte Repräsentanten des Saarlandes kann jedoch nicht darüber hinwegtäu-
schen, daß die Absicht der Militärregierung, eine Hochschule zu gründen, von den nicht
gefragten Saarländern selbst im allgemeinen mit äußerster Reserve aufgenommen wurde.
Diese Distanziertheit äußerte sich, wenn man einmal die Zurückhaltung der Öffentlich-
keit in den ersten Nachkriegsjahren gegenüber solchen Fragen außer Betracht läßt, zu-
nächst in bildungsökonomischen Besorgnissen. Beispiel hierfür ist die Stellungnahme der
Landesversicherungsanstalt des Saarlandes aus dem Jahre 1948. In ihr wurde, eine kom-
mende Volluniversität vorausgesetzt, für die nahe Zukunft ein katastrophaler Überhang
an saarländischen Ärzten prophezeit. Unter diesen Verhältnissen, so der Leiter der Lan-
desversicherungsanstalt, Dr. René Springer, erscheint mir die Aufrechterhaltung und der
311 Aktenvermerk über ein Telefongespräch, das Sauerland mit Straus am 2. 10. 1947 geführt hat.
Die Notiz ist von Sauerland eigenhändig unterzeichnet. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt.
Hochschulen, UIS - 1 — (Einrichtung einer Rechtsfakultät).
312 Interview E. Straus vom 24. 11. 1976.
313 Durchschlag eines Briefentwurfs von Straus an den Generalsekretär im Hause (gemeint ist wahr-
scheinlich der Leiter der Staatskanzlei, Schlehofer) vom 25. März 1948. Der Entwurf trägt den
handschriftlichen Vermerk ab: 31.3. 1948. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen,
UIS-1-gen.
314 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
122
weitere Ausbau der medizinischen Fakultät in Homburg völlig unberechtigt und lediglich
eine schwere Belastung^. Ähnliche Bedenken, allerdings mehr mit Blick auf den juristi-
schen Nachwuchsbedarf, hörte man aus dem kommunalen Raum315 316 und von den An-
walts- und Wirtschaftskammern317. Bildungsökonomisch begründete Sorgen mit der
neuen Hochschule hegte auch Johannes Hoffmann, als Vorsitzender der politisch domi-
nierenden CVP und erst recht seit dem 20. Dezember 1947 als saarländischer Minister-
präsident der einflußreichste einheimische Politiker an der Saar. Hoffmann sah vor allem
zwei Risiken, nämlich eine übergebührliche Belastung des saarländischen Haushalts und
die mögliche Zukunft eines akademischen Proletariats, das im Falle politischer Krisen zu
einer unkalkulierbaren Hypothek werden könnte318. Solche Skepsis, die in der Existenz
einer Hochschule im Grunde die Gefahr einer Einengung des innen- und außenpolitischen
Handlungsspielraums saarländischer Politik sah, signalisiert eine realistische bildungspo-
litische Grundhaltung, die sowohl auf geschichtliche Erfahrungen seiner saarländischen
Heimat zurückzuführen ist als auch auf Erinnerungen an die bildungsökonomische Krise
in der Endphase der Weimarer Republik, als eine in die Verantwortung drängende akade-
mische Jugend abgewiesen wurde und dann anfällig wurde für die demagogischen Parolen
der Nationalsozialisten. Die nüchterne Kalkulation des Projekts Universität durch Hoff-
mann steht in einem auffallenden Gegensatz zu seinem späteren Kultusminister Straus,
der in seinem Ziel, das autonome Saarland im Interesse seiner gedeihlichen Entwicklung
und internationalen Reputation aus seinem bisherigen Dasein als kulturelle Wüste her-
auszuführen, eine Bildungspolitik des großen Fußes zu wagen bereit war319 320. Für Hoff-
mann war das aber der Weg eines merkwürdigen Mannesno, der die Gefahr einer von
Paris möglicherweise gewollten Instrumentalisierung der neuen Hochschule für eigene In-
teressen nicht ernst genug nahm. Im Gegensatz zu Straus favorisierte er lange Zeit das
„Luxemburger Modell“, d. h., er votierte unter Verzicht auf eine saarländische Univer-
sität für ein Studium der Saarländer im europäischen Ausland321. Die hier schon er-
kennbar werdenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Hoffmann und Straus über
den Stellenwert und die Effizienz von Bildungsangelegenheiten überhaupt, werden sich,
wie noch nachzuweisen sein wird, kontinuierlich fortsetzen. Sie zeigen zugleich an, daß
der oft gescholtene saarländische Nachkriegsseparatismus durchaus keinen politischen
315 Das Saarland zählte im Jahre 1948 insgesamt 572 Ärzte und 122 Fachärzte. Im Medizinstudium
befanden sich damals 450 Saarländer, 200 in Deutschland und 250 in Homburg bzw. in Frank-
reich. Jährlicher Bedarf an Jungärzten nach Angaben der Versicherungsanstalt 15. Nach
Schreiben Springers an Arbeitsminister Kirn vom 29. 9. 1948. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS — 1 —.
316 Vgl. hierzu insbesondere Schreiben Landrat des Kreises St. Wendel, Paul Schütz, an Hoffmann
vom 8. 8.1949. LA Saarbrücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 296.
Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 7).
317 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976. Vgl. auch Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann vom
31.5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken, Sammlung J. V. Wagner.
318 Vgl. dazu das Protokoll (deutsche Textfassung) über die erweiterte Zusammenkunft des Verwal-
tungsrates der Universität Homburg am 9. 4. 1948 im französischen Außenministerium, S. 3
(Äußerungen Hoffmanns). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS —VR —Ver-
waltungsrat 1948/49. Entsprechende Hinweise auch im Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann
vom 31. 5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken, Sammlung J. V. Wagner.
319 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
320 Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann vom 31. 5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken,
Sammlung J. V. Wagner.
321 Protokoll erweiterter Verwaltungsrat (siehe Anm. 318 auf dieser Seite).
123
Einheitswillen verkörperte, wobei die Trennlinien oft weniger durch Parteien als vielmehr
durch Personen markiert werden. Die gebotene Differenzierung muß letztlich auch für die
Zentralfrage der Zusammenarbeit mit Frankreich gesehen werden. Hoffmann, der in der
Literatur oft als ein ängstlich und gefügig agierender Mann dargestellt worden ist322, spe-
kulierte langfristig, und dies zeigt die Gründungsgeschichte der Universität deutlich an,
im Rahmen der ihm von Frankreich zugestandenen Bedingungen auf einen möglichst
großen saarländischen Gestaltungsspielraum hin323. Auch wenn er äußerlich schwerfällig
wirkte, so hat er doch mit erstaunlicher Phantasie, unerbittlicher Härte und auch mit
einem gewissen Maß an taktischer Verschlagenheit seine politische Zielvorstellung von
einer wirklich autonomen Saar, die zuerst von einem regionalpolitischen Ansatz ausging
und später ihre Verbindung zur europäischen Idee suchte, durchzusetzen versucht. Dabei
gehörte für ihn das Bildungsleben zu den Bereichen, die er schon im Jahre 1947 auf keinen
Fall über Gebühr französischer Bestimmung und Zielsetzung ausgesetzt sehen wollte324 325.
Hoffmann war jedenfalls nicht der Politiker, der sich zum Büttel für eine kulturpolitische
Strategie machen ließ, die, wie in den Pariser Instruktionen vom 17. 1. 1948 an das Hohe
Kommissariat noch selbstgefällig und selbstbewußt formuliert3243, allein von den saarpo-
litischen Zielen Frankreichs ausging. So verwundert es auch nicht, daß gerade ihn das ei-
genmächtige Vorgehen Grandvals und sein betont auf französische Wünsche Rücksicht
nehmendes Konzept stark beunruhigte, so daß er sogar öffentlich die Vertrauensfrage zu
stellen wagte. In einem Artikel in der von ihm herausgegebenen Saarländischen Volkszei-
tung schrieb er am 2. 8. 1947 unter der Überschrift „Was trübt die Zusammenarbeit?“
mutig unter anderem:
Man fragt sich nämlich, wie es kommt, daß unmittelbar vor Verwirklichung des wirt-
schaftlichen Anschlusses die Saarländer selbst in dieser oder jener Frage so wenig mitzu-
sprechen haben, und man schlußfolgert weiter: wie wird das erst später sein?
Das Beispiel der Homburger Universität hat in dieser Beziehung viele Gutwillige vor den
Kopf gestoßen. Die Parteien waren damals ebenso wie die Bevölkerung überrascht
worden. Darum konnten wir auch nicht vorher unsere Meinung zu dieser Sache sagen.
Wir freuen uns, heute feststellen zu dürfen, daß den nachträglich von uns zum Ausdruck
gebrachten Bedenken in erheblichem Umfange Rechnung getragen wurde, indem nun-
mehr Lehrplan und Professorenkollegium in einer Weise geregelt bzw. zusammengesetzt
werden, die dem wirklichen Interesse der Saar und Frankreichs gewiß besser entsprechen
wird, als es der ursprüngliche Plan vorsah A25
322 Als krassestes Beispiel sei hier nur das von H. Schneiderin seinem Erinnerungswerk in Wort
und Bildmontagen gefällte Urteil genannt.
123 Bestätigt wird diese Charakterisierung Hoffmanns durch R. Lahr, dem ehemaligen Staatsse-
kretär des Auswärtigen Amtes (S. 226).
324 In seinen Memoiren hat Hoffmann im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer europäischen
Lösung des Saarproblems seine Strategie wie folgt umschrieben: „Wenn ich auf eine allmähliche
Auflockerung mehr Wert legte als auf momentane Erfolge, so war das eine Sache der politischen
Taktik“. J. Hoffmann, Ziel, S. 24.
324a Siehe dazu oben, S. 68.
325 Saarländische Volkszeitung vom 2. 8. 1947.
124
11.4 Einigung zwischen Grandval und Hoffmann
Seine endgültige Zustimmung für das Unternehmen Universität gab Hoffmann, nunmehr
in seiner Eigenschaft als saarländischer Ministerpräsident, erst, als ihm auf der erwei-
terten Sitzung des Verwaltungsrates des Homburger Hochschulinstituts am 9. April 1948
im Quai d’Orsay ausreichende Garantien der Hilfe und die Wahrung saarländischer Inter-
essen zugesichert worden waren. Zugesagt wurden ihm von französischer Seite, daß die
neue Hochschule eine richtige saarländische Universität werden würde, eine klar defi-
nierte materielle und personelle Unterstützung und schließlich die Gewähr, daß die Uni-
versität des Saarlandes ... eine internationale Ausstrahlung haben sollte.326 Hoffmann in-
terpretierte die Offerte von der Internationalität dahingehend, daß die neue Universität
eine europäische sein werde. Allerdings ließ Grandval seinen konkreten Vorschlag hierzu,
nämlich einen Mainzer oder Freiburger Professor von europäischem Ruf als Gründungs-
rektor zu ernennen und den ins Auge gefaßten Verwaltungsrat der Universität auch mit
belgischen, luxemburgischen, schweizerischen, süddeutschen und rheinischen Persön-
lichkeiten zu besetzen, unbeantwortet327. Wenn dieses eher taktische Scharmützel für die
Entwicklung der Universität Saarbrücken an sich auch wenig Bedeutung gehabt hat, so
wird in diesem Detail dennoch eine stark unterschiedliche Interessenlage zwischen Hoff-
mann und Grandval deutlich. Erkennbar wird in diesem Einzelfall vor allem, daß Hoff-
mann von Anfang an kein von Paris abhängiger Günstling, sondern ein Anwalt für eine
möglichst mündige Saar sein wollte. Außerdem brachte er schon frühzeitig seine wie auch
immer zu beurteilenden politischen Absichten mit der europäischen Idee in Zusammen-
hang, um, wie er es im Jahre 1963 formuliert hat, die „Eigenliebe und Eigensucht“ der eu-
ropäischen Nationen zu überwinden328. Dagegen hat Heinrich Schneider, sein unerbittli-
cher Kritiker, in seinen Erinnerungen einen echten saarländischen Europawillen be-
stritten, indem er solche Bestrebungen, die er erst mit Beginn der fünfziger Jahre beob-
achtet haben will, als Farce bezeichnete329.
Auf der Sitzung des erweiterten Verwaltungsrates am 9. April, auf der die Gründung einer
saarländischen Universität mit vier Fakultäten zwischen Grandval und dem bis dahin zö-
gernden Hoffmann definitiv vereinbart wurde330, warb auf saarländischer Seite auch
Straus für einen supranationalen Charakter der Hochschule. Er nuancierte allerdings den
europäischen Anspruch Hoffmanns dahingehend, daß er von einer europäischen Aus-
strahlung der Universität sprach331. Für das Amt des Gründungsrektors schlug er einen
Hochschullehrer saarländischer Herkunft vor, für den Vorsitz im Verwaltungsrat er-
klärte er sich, wie übrigens Hoffmann auch, mit der Besetzung durch einen Franzosen ein-
verstanden. Aber auch Straus drang mit seiner personellen Anregung für das Rektorat
nicht durch. Man einigte sich schließlich auf einen Kompromiß, ihm zufolge sollte die
Universität zunächst durch einen Rektor und Vizerektor aus der französischen oder saar-
ländischen wissenschaftlichen oder literarischen Welt repräsentiert werden. Die eigent-
liche exekutive Leitung der kommenden Universität übertrug man jedoch einem paritä-
126 Protokoll erweiterter Verwaltungsrat (siehe Anm. 318 auf S. 123), S. 4 f.
!27 Vgl. Ebenda, S. 5 f.
328 J. Hoffmann, Ziel, S. 107.
329 H. Schneider, S. 199 ff., insbesondere S. 200.
330 Protokoll erweiterter Verwaltungsrat {siehe Anm. 318 auf S. 123), S. 9.
331 Ebenda, S. 7.
125
tisch aus Saarländern und Franzosen zusammengesetzten Verwaltungsrat, dessen Präsi-
dent ein Franzose sein sollte332. Dieses auf saarländisch-französische Gleichberechtigung
zielende duale Prinzip ist übrigens später im Rahmen der Saarkonventionen von 1950 und
1953 für fast alle Aufsichts- und Verwaltungsgremien übernommen worden, die bis dahin
von Frankreich usurpiert worden waren. Die dem Verwaltungsrat zugedachten umfas-
senden Kompetenzen im Finanz- und Personalpolitischen und die Tatsache, daß seine
Mitglieder fast ausschließlich aus der staatlichen Hochschuladministration kommen
sollten, zeigt an, daß man an einer akademischen Selbstverwaltung im Sinne des deut-
schen Hochschulrechts nicht dachte, sondern dem Bildungsdirigismus französischer Tra-
dition den Vorzug gab333. Einen solchen Verwaltungsrat, der in seinem Charakter eher
dem Aufsichtsrat eines Wirtschaftsunternehmens entsprach als einem Hochschulsenat,
hatte auch schon das Homburger Hochschulinstitut. Die hier mehrmals angesprochene
Verhandlungsrunde fand ja im Rahmen einer Sitzung dieses Gremiums statt. Wie der alte
Verwaltungsrat sollte auch der neue dreimal jährlich tagen.
11.5 Schwierige Gründerzeit
Die Bedeutung der erweiterten Sitzung des Verwaltungsrates des Homburger Hochschul-
instituts vom 9. April 1948 liegt in der generellen und endgültigen Einigung darüber, eine
saarländische Universität gründen zu wollen. Ungeklärt blieben natürlich konkrete
und praktische Einzelfragen wie Finanzierung und Haushalt, akademische Mitbestim-
mung, Berufung und Dienstrecht der Professoren, Struktur und Inhalte der Lehrveranstal-
tungen, Rechte und Pflichten der Studentenschaft, Studien- und Prüfungsbedingungen,
Promotions- und Habilitationsordnungen. Ihre endgültige Regelung sollte in einem Uni-
versitätsstatut und in Rechtsverordnungen getroffen werden. Aber erst am 3. April
19 5 0334 konnte die saarländische Regierung ein aus 100 Artikeln bestehendes Grundge-
setz für die Universität verkünden. Diese Verzögerung, die durch die schleppende Behand-
lung des saarländisch-französischen Kulturabkommens vom 15. 12. 1948 in den franzö-
sischen Parlamentsgremien verursacht wurde335, hat entscheidend zu der akademischen
Rechtsunsicherheit beigetragen, die bis zum Jahre 1950 das Saarbrücker Universitäts-
leben beherrschen sollte. Dies hatte unter anderem zur Folge, daß die 600 Studierenden,
die sich im Studienjahr 1948/49 in Saarbrücken eingeschrieben hatten, faktisch, wie es in
einem an die CVP-Landtagsfraktion gerichteten vertraulichen Bericht über die Univer-
sität hieß, nicht wußten, ob jemals die hier absolvierten Semester und Prüfungen den an
anderen Universitäten abgelegten gleichgestellt werdenii6. Da auch der dienstrechtliche
und soziale Status der Professorenschaft nicht verbindlich definiert war, entwickelte sich
132 Protokoll erweiterter Verwaltungsrat (siehe Anm. 318 auf S. 123), S. 9.
333 Ebenda, S. 9.
134 Amtsblatt des Saarlandes Nr. 37 vom 30. Juni 1950.
335 Die Unterzeichnung dieses Abkommens erfolgte anläßlich eines Besuchs des französischen Au-
ßenministers Robert Schuman und des Ministers für nationale Erziehung Yvon Delbos im Saar-
land. Siehe unten S. 164 ff.
336 Bericht über die Universität des Saarlandes. Vorgelegt zum internen Gebrauch der Landtagsfrak-
tion der CVP. Datumsvermerk: abgeschlossen Frühjahr 1949. Autor unbekannt. LA Saar-
brücken, Zeitgeschichtliche Sammlung Schneider/Becker, В III, 1 Universität. Das Zitat steht
dort auf S. 8. Vgl. hierzu auch H. Schneider (S. 179), der im Rückgriff auf eine Darstellung
von Jacques Dumaine die geschilderte Situation erwähnt.
126
auch die personalpolitische Situation bis zum Jahre 1950 zu einem höchst delikaten Pro-
blem. Nach Auskunft des vertraulichen Reports an die CVP-Fraktion lehrten im Sommer
1948 in der medizinischen Fakultät nur noch die Chefärzte des Homburger Landeskran-
kenhauses und einige nichthabilitierte französische Dozenten. Professoren aus Nancy, die
bis zum Frühjahr 1948 tätig gewesen waren, hatten sich inzwischen wegen der doch sehr
beschwerlichen Anreise und vor allem wegen der auf Sprachprobleme zurückzufüh-
renden Studienbeschwernisse von ihren Lehrverpflichtungen im Saarland zurückge-
zogen. Mit Blick auf die juristische Fakultät spricht der Bericht von einem den beschei-
denen Bedürfnissen genügender (sic) Lehrkörper der sich insofern als ausreichend er-
wies, als ein besonderes Studiensystem propagiert wurde, das allerdings nach menschli-
chem Ermessen weder für saarländische noch für französische noch für deutsche An-
sprüche ausreichen dürfte. Ähnlich kritisierte das Informationspapier die personale Lage
in der philosophischen und naturwissenschaftlichen Fakultät. Wie beklagenswert die Stu-
dienbedingungen insgesamt waren, wird in dem Eingeständnis des Reports deutlich, daß
die juristische und philosophische Fakultät noch nicht einmal über Bibliotheken verfügen
könnten337. In Anbetracht dieser äußerst prekären Lage war es für die saarländische Re-
gierung natürlich sehr schwer, geeignete deutsche Professoren nach Saarbrücken zu
holen338 339, um, wie Groh es formulierte, die Uni nicht zu sehr zu französisierenii9. Den per-
sonalpolitischen Interessen standen zudem noch der politische Hintergrund der Universi-
tätsgründung und das Problem der Entnazifizierung der deutschen Hochschullehrer-
schaft entgegen. Der erste namhafte deutsche Professor, der für Saarbrücken gewonnen
werden konnte, war der Bonner Germanist und Mystikforscher Josef Quint340. Er kam
schon 1948 an die Saar und hat seine Berufung gar nicht so als Politikum gesehen341. Da-
gegen scheiterten die aussichtsreichen Verhandlungen mit dem Nobelpreisträger für
Chemie, Adolf Butenandt, der ebenso wie Quint schon im Jahre 1948 nach Saarbrücken
kommen wollte, an den noch völlig unzureichenden Lehr- und Forschungsbedingungen
der neuen Universität342.
Dabei mangelte es nicht an Geld. Schon im Jahre 1949 beliefen sich die ordentlichen und
außerordentlichen Einnahmen der Universität auf rund 291 Millionen ffrs, ein Betrag,
der, umgerechnet auf den damals gültigen Kurs von 1 DM zu 81,70 ffrs, etwa 3,6 Mil-
337 Nach Bericht an die CVP-Fraktion (siehe Anm. vorher), S. 3 ff.
338 Das saarländische Kultusministerium bemühte sich u. a. vergeblich um die Rechtswissen-
schaftler Hans Lewald (Basel), Adolf Schnitzler (Paris), Max Gutzwiller (Fribourg/Schweiz), den
Religionsphilosophen Romano Guardini (Tübingen), den Angelisten Hans Gallinsky (Tü-
bingen), die Historiker Alfred Heuß (Göttingen) und Eugen Ewig (Mainz), den Pädagogen
Theodor Litt (Bonn) und den Theologen Johann Peter Steifes (Münster). Vgl. dazu Briefentwürfe
vom 26. 7., 19. 8. und 30. 10. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS— 1
- (Einrichtung einer Rechtsfakultät). Briefentwürfe vom 3. 6. und 5. 6. 1948. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - 3 -.
339 Interview J. V. Wagner mit H. Groh am 2. Juni 1966, S. 2. Universitätsbibliothek Saarbrücken,
Sammlung J. V. Wagner.
340 An Leben und Werk des im Jahre 1976 verstorbenen Quint erinnert der Nachruf von A. M.
Haas.
341 Interview J. V. Wagner mit H. Groh am 2. Juni 1966, S. 2. Universitätsbibliothek Saarbrücken,
Sammlung J. V. Wagner.
342 Ebenda, S. 2.
127
lionen DM entsprach343. Unter Berücksichtigung der Kaufkraftverhältnisse des Jahres
1949 und einer geplanten vorläufigen Kapazität von 1 000 Studienplätzen war das ein re-
lativ großzügiges Startkapital. Die Einnahmen schlüsselten sich wie folgt auf: Eigene Ein-
nahmen der Universität 4 Millionen ffrs, Hohes Kommissariat 55 Millionen ffrs, Saarlän-
dische Regierung 65 Millionen ffrs, Saargruben 35 Millionen ffrs, einmalige Zuwendung
aus dem saarländischen Haushalt 1949 50 Millionen ffrs, Haushaltsreste aus 1948 und
verschiedene Einkünfte 32 Millionen ffrs. Laut Haushaltsbericht der Universität kam zu
diesen Geldern noch ein Sonderzuschuß des Hohen Kommissariats in Höhe von 50 Mil-
lionen ffrs, der außerhalb der Rechnungslegung unmittelbar für Zwecke der Universität
verausgabt bzw. beim Trésor Français angewiesen worden war. Der Einnahmenseite
standen nur rund 240 Millionen ffrs (= 2,9 Millionen DM)344 an Ausgaben gegenüber,
so daß sogar noch eine Haushaltsrücklage von 51 Millionen ffrs (= 0,62 Millionen DM)
übrig blieb345.
Im Gegensatz zur erfreulich guten Kapitalausstattung der neuen Hochschule stand ihre
Baugeschichte. Sie war begleitet von zum Teil skandalösen Fehlplanungen, Fehlkalkula-
tionen, Baumängeln und minderwertigen Sachlieferungen. Diese Unbill betraf die Um-
bauten und Ausstattungen von Gebäuden des Homburger Landeskrankenhauses für die
medizinische Fakultät ebenso wie die notwendigen Bau- und Umbaumaßnahmen inner-
halb der seit 1938 existierenden Below-Kaserne im Saarbrücker Stadtwald346, wo die an-
deren Fakultäten und zugleich der Verwaltungssitz der Universität angesiedelt wurden347.
Noch im Mai 1950, als man schon aus dem Gröbsten heraus war, glaubte der amtierende
Prorektor Alken das saarländische Kultusministerium über den Stand der Bauvorhaben
alarmieren zu müssen. Angesichts der Schwierigkeiten in der Baudurchführung, so kon-
statierte er, habe er größte Bedenken für die gesamte Entwicklung des kommenden Stu-
dienjahres348. In dem Dickicht von fahrlässigen Bauverzögerungen und geschickt ge-
tarnter Korruption sank schließlich auch die Zahlungsmoral der Universitätskasse. So be-
schwerte sich die Arbeitsgemeinschaft des saarländischen Handwerks bei Straus, daß
handwerkliche Betriebe bereits seit 2 Jahren sich vergeblich um den endgültigen Ausgleich
ihrer Forderungen bemühen349.
Wenn die Universität trotz aller Widrigkeiten dennoch vom Jahre 1950 an allmählich
funktionstüchtig wurde, so lag das vor allem an dem unermüdlichen Einsatz des soge-
343 Die Umrechnung erfolgte auf der Grundlage des offiziell gültigen Wechselkurses vom 27. 4. bis
28. 9. 1949. Auskunft über den hier und die an späteren Stellen zugrunde gelegten jeweils gül-
tigen Wechselkurse erhielt der Verfasser von der Volksbank Saarbrücken.
344 Einschließlich Ausgaben aus dem Sonderfonds des Hohen Kommissariats.
345 Vermerk zur Prüfung der Kassenrechnung des Rechnungsjahres 1948 der Universität des Saar-
landes vom 15. 5. 1950. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/UIS - 39 -.
346 Vgl. dazu im einzelnen einen Aktenvermerk über die 2. Sitzung der Kommission zur Prüfung der
Bauarbeiten und des Zahlungsverkehrs am 8.3.1949 im Hohen Kommissariat. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - 46 — Kosten Universität.
347 Die Standortbestimmung der Universität in dieser Form wurde endgültig nach der Konferenz in-
nerhalb der erweiterten Verwaltungsratssitzung am 9. 4. 1948 bestimmt. Interview E. Straus
vom 23. 11. 1976.
348 Durchschlag eines Schreibens von Alken an Groh vom 27. 5. 1950. LA Saarbrücken, Bestand
KM, Abt. Hochschulen, UIS — 46 — Kosten Universität.
349 Arbeitsgemeinschaft des saarländischen Handwerks an Straus vom 29. 4. 1950. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS — 46 — Kosten Universität.
128
nannten „Comité Restreint“, im Grunde eine Kernmannschaft des Verwaltungsrates der
neuen Universität350. Dieser agile Ausschuß führte die Universität mit Geschick aus der
kritischen Phase ihrer Entstehungszeit heraus, indem er nicht nur ein umfangreiches Bau-
programm erfolgreich abschloß351, sondern auch die notwendigen verwaltungstechni-
schen Einrichtungen sowie die Voraussetzungen für die Wahlen der akademischen Kör-
perschaften schuf. Die Entschlossenheit des Ausschusses hob sich augenfällig von der zau-
dernden Persönlichkeit des Gründungsrektors, dem Nancyer Physik-Professor Jean Bar-
riol, ab, der am 1. November 1948 in sein Amt eingeführt worden war. Barriol genoß
zwar als Wissenschaftler Ansehen, es mangelte ihm aber an Dynamik und Organisations-
talent, um das schwierige Geschäft einer Hochschulgründung erfolgreich zu bewältigen.
Er war ein netter, liebenswürdiger Mann, der keine Feinde besaß. Seine Freundschaft zu
Donzelot brachte ihn nach Saarbrücken. Leider sprach er kein Wort Deutsch und au-
ßerdem war er kein Verwaltungsmann352. Dem Gründungsrektor Barriol stand der Hom-
burger Medizinprofessor Karl-Erich Alken als Prorektor zur Seite.
Seine guten Dienste für die Universität hatte das „Comité Restreint“ schon vor der Amts-
einführung Barriols bewiesen, als es im Mai 1948 den Saarbrücker Studentenstreik ent-
schärfte, der keineswegs den politischen Hintergrund gehabt hat, den Schmidt ihm bei-
messen will353. Das studentische Unbehagen entzündete sich vielmehr an der ungeklärten
Frage der Äquivalenz ihrer Semester und Examen sowie an dem mäßigen Lehrangebot
eines zum Teil wissenschaftlich nicht hinreichend qualifizierten Lehrpersonals. Man ver-
langte Klarheit im Rechtlichen, pochte auf geringere Studiengebühren und erwartete
schließlich einen regen akademischen Austausch mit anderen Hochschulen354. Für die ge-
ringe politische Motivation des Studentenstreiks spricht zuletzt auch seine rasche und re-
lativ friedliche Beilegung355.
Im Grunde entsprang der Ausstand der rund 600 Studenten356 im Jahre 1948 der unge-
wissen Zukunft ihrer akademischen Bildungsstätte und der damit verbundenen Unsicher-
heit ihrer persönlichen Zukunftserwartungen. Dabei muß man erwägen, daß eine große
Zahl der protestierenden Studenten wegen des Krieges einen kurvenreichen Bildungsgang
in Kauf nehmen mußte und nun als verspätete Studiengänger um so ungeduldiger einen
350 Mitglieder dieses Gremiums waren die Herren Alken (Professor der medizinischen Fakultät),
Babin (bis Oktober 1948, danach Woelfflin), Guinet, Leblay und de Liencourt (Hohes Kommis-
sariat), Groh und Zarth (saarländisches Kultusministerium), Purwin (saarländisches Finanzmi-
nisterium) und schließlich Mademoiselle Laumont, die Directrice du Budget beim Hohen Kom-
missariat, eine, wie es Woelfflin in Anspielung auf ihre couragierte Wesensart formulierte, parole
d’evangile. Interview P. Woelfflin vom 12. 10. 1977.
,51 Vgl. im einzelnen I. Spangenberg, S. 26 und 31.
152 Interview P. Wdelfflin vom 27. 11.1976. In einer vertraulichen Mitteilung, die Debré Louis Joxe,
dem Generaldirektor der Abteilung für kulturelle Beziehungen im französischen Außenministe-
rium, am 16.2.1949 zukommen ließ, ist in Bezug auf Barriol die Rede von einer certaine faiblesse
du Recteur et l’insuffisance d’attention du Haut Commissariat sur un problem de personell. Mi-
nistère des Affaires Etrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin.
Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 35.
353 Vgl. R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 656.
354 Vgl. I. Spangenberg, S. 28 und die Quellennachweise bei R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 657 und
S. 660 ff.
,5S Vgl. im einzelnen R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 662.
156 Zahlenwert nach Bericht für die CVP-Landtagsfraktion (1949). Quellennachweis auf S. 126,
Anm. 336. Das waren rund 30 % aller saarländischen Studenten. Etwa 1 200 studierten zur glei-
chen Zeit an deutschen und etwa 200 an französischen Universitäten. Interview E. Straus vom
23. 11. 1976.
129
klaren Weg zu einem akademischen Bildungs- bzw. Berufsziel suchte. Die Zeit des
bangen Wartens endete aber erst endgültig im Jahre 1950, als das saarländisch-französi-
sche Kulturabkommen auch von den zuständigen parlamentarischen Gremien des franzö-
sischen Vertragspartners ratifiziert worden war und damit rechtsgültig wurde. Erst dieser
legislative Akt erlöste die neue Universität aus ihrem provisorischen Dasein, da nunmehr
die Basis für eine noch zu konkretisierende Rechtsfähigkeit geschaffen worden war. Zwar
kann man das Jahr 1948 (Vereinbarung vom 9. 4. im Quai d’Orsay) als offizielles Ge-
burtsjahr der Universität des Saarlandes ansetzen, aus rechtlicher Sicht ist ihr eigentliches
Gründungsjahr jedoch 1950. Mit dieser Feststellung soll an dieser Stelle das Thema „saar-
ländische Universität“ vorerst beendet werden. Ihre weitere Entwicklung im Rahmen
neuer bildungspolitischer Konstellationen wird an späterer Stelle zu verfolgen sein.357
Die Unterbrechung an dieser Stelle ist allein schon durch den in diesem Hauptabschnitt
gesetzten chronologischen Maßstab geboten, zumal im letzten Kapitel der Zeit eigentlich
schon etwas vorausgeeilt wurde. Dieses zeitliche Vorgreifen geschah zunächst um einer
geschlosseneren Darstellung der Entstehungsgeschichte der Saarbrücker Universität
willen. Mit dieser Kompaktheit wird nicht nur die inhaltliche Übersicht erleichtert, son-
dern auch ein exemplarischer Wert erreicht; denn die Gründungsgeschichte der Univer-
sität ist zugleich Beispiel für die Genesis anderer Einrichtungen mit anspruchsvollen Bil-
dungsaufgaben, die im Saarland in den Jahren 1946/47 im Interesse bildungsökonomi-
scher Autarkie und Eigenstaatlichkeit geschaffen wurden bzw. in neuer Form entstanden.
Zu erwähnen sind hier das Musik-Konservatorium, die Staatliche Schule für Kunst und
Handwerk sowie die Höhere Technische Lehranstalt358. Auf ihr Wirken wird an anderer
Stelle noch näher eingegangen359. Eigentlich ausschlaggebend für das zeitliche Voraus-
eilen bis in das Jahr 1950 war allerdings ein anderer Grund. Er wird erkennbar in der
Gründungsgeschichte der saarländischen Universität selbst, wenn man sie, wie dies in
dieser Untersuchung geschehen ist, vor dem Hintergrund politischer Entwicklungen be-
leuchtet. Auffallend ist hier insbesondere das allmähliche Eingreifen der einheimischen
Bildungspolitik in die Gestaltung des Bildungswesens nach 1947 und das deutliche Gel-
tendmachen eigener Ansprüche und Interessen. Diese einsetzende Kompetenz der Saar-
länder ist aus analytischen Gründen bis jetzt zurückhaltend erwähnt worden. Im nächsten
Hauptkapitel wird diese Thematik jedoch schwerpunktsmäßig berücksichtigt, wobei die
Aufmerksamkeit zuerst auf die bildungspolitische Willensbildung und ihre geistig-politi-
schen Hintergründe gelenkt wird, um dann anschließend die bildungsrechtlichen Grund-
lagen (u. a. Schulartikel der Verfassung, saarländisch-französisches Kulturabkommen)
357 Siehe unten, S. 208 ff.
358 Die im Saarland früher existierende Kunstgewerbeschule war von den Nationalsozialisten ge-
schlossen worden. Das Staatliche Konservatorium und auch die Technische Höhere Lehranstalt
(Ingenieurschule) sind vor allem dann als Neuschöpfungen zu nennen, wenn man davon absieht,
daß es in Saarbrücken früher weniger leistungsfähigere Anstalten dieser Art in privater Träger-
schaft gegeben hat. Das Konservatorium entstand im Jahre 1946. Vgl. dazu Abschrift eines
Schreibens von Grandval an Neureuter vom 23. 7. 1946. LA Saarbrücken, Bestand Regierungs-
präsidium Nr. 64. Die Staatliche Schule für Kunst und Handwerk und die Höhere Technische
Lehranstalt wurden im Jahre 1947 eröffnet. Vgl. dazu im einzelnen den Bericht „Berufsfach-
schulen“ April - Juni 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II -
A— 1.
359 Vgl. unten, S. 182 ff.
130
erörtern zu können. Anschließend wird die bildungspolitische Entwicklung in der Amts-
zeit des Kultusministers Straus untersucht.
Aber schon jetzt ist klar erkennbar, daß die saarländische Bildungspolitik nach 1945 im
Grunde einen zwiespältigen Eindruck hinterläßt. Verursacht wurde er durch eine eigen-
tümliche Spannung, die im Konflikt zwischen französischer Separationsforderung und
saarländischem Selbstbehauptungs- und Selbstbestimmungswillen ihre Nahrung fand
und im Bildungsbereich das Bekenntnis zu den organisch gewachsenen deutschen Kultur-
traditionen einschloß. Dieser kaum zu überbrückende Orientierungsgegensatz wird wie
ein roter Faden das schulpolitische Wollen und Wirken an der Saar bis 1955 durchziehen.
Dabei wird sich bald zeigen, daß die saarländische Politik im Laufe der Jahre und insbe-
sondere in Bildungsangelegenheiten ein respektables Eigengewicht gewinnen konnte, das
sie dann aber, als die Auseinandersetzungen um die Saar zwischen Frankreich und der er-
starkenden Bundesrepublik Deutschland offen ausbrachen, wieder einbüßte, weil der
deutsche Anspruch auf Wiederherstellung der nationalstaatlichen Hoheit sich als stärker
und glaubwürdiger erwies als der saarländische Autonomismus mit seinem partikularisti-
schen Selbstgefühl und seinem wirklichkeitsfremd anmutenden Postulat, um der europäi-
schen Idee willen für einen Ausgleich zwischen Frankreich und einem inzwischen geteilten
Deutschland sorgen zu wollen.
Im Zuge werdender saarländischer Eigenstaatlichkeit bildete sich die französische Mili-
tärregierung zum Hohen Kommissariat um. Zum Leiter des Secrétariats Général und
damit zugleich zum Stellvertreter Grandvals wurde Eric de Carbonnei berufen. Das Amt
eines Directeurs du Cabinet ( = politische Abteilung) übernahm der Elsässer Paul Schwab.
Henri Gauthier wurde zum Chef du Cabinet Politique und Bernhard Lefranc zum Chef
de Cabinet bestellt. Die Leitung der Mission Juridique übertrug man Pierre Laurent, der
Mission Financière stand Jean Dejardin vor. Die Mission Économique, die nun zur domi-
nierenden Abteilung im Hohen Kommissariat aufstieg, erhielt Jean Robert zum Direktor.
'Directeur des Services de Contrôle wurde Michel Hacg und die Position eines Chefs du
Service de l’Information erhielt Jacques Dupuy zugewiesen. Die Kulturabteilung, die bis
zum Jahre 1948 von Jean Babin geleitet wurde, verlor ihren bisherigen Charakter als ei-
genständige Sektion innerhalb des Ressorts Affaires Administratives. Sie wurde als Unter-
abteilung dem Secrétariat Général unterstellt. Damit zeigt sich auch im Organisatorischen
der Wille Frankreichs zur Selbstbeschränkung im Kulturpolitischen. Zum Nachfolger Ba-
bins wurde im Sommer 1948 Pierre Woelfflin bestellt. Woelfflin, ein sehr umgänglicher
Mann, war ein germanistisch gebildeter Elsässer, der den Titel eines Agrégé d’Université
erworben und vorübergehend als Direktor der Maréchal-Ney-Schule in Saarbrücken fun-
giert hatte, bevor er auf dem Haiberg (Sitz des Hohen Kommissariats) tätig wurde. Die
hier erwähnte Verwaltungsstruktur der französischen Behörden blieb bis zum Jahre 1955
nahezu unverändert360.
360 Nach Aufzeichnungen im Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous - Direktion de la Sarre au
Quai d’Orsay, Nr. 3 (Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation). Stand Juni
1948. Im Jahre 1949 hatte das Hohe Kommissariat insgesamt 1 014 Mitarbeiter, davon 284
saarländische.
131
c.
Die Verfassungsartikel über schulische und universitäre Bildung
sowie Kulturpflege, das französisch-saarländische
Kulturabkommen und der Ausbau des
saarländischen Bildungswesens in den Jahren von 1947 bis 1951
1. Die Separation als Gewissensfrage
Johannes Hoffmann, der sich „voll verantwortlich“ für den Weg des Saarlandes in den
Jahren von 1945 bis 1955 erklärt hat1, begründete in seinem im Jahre 1963 erschienenen
Buch „Das Ziel war Europa“ die von ihm gewollte Politik der Zusammenarbeit mit
Frankreich generell mit der saarländischen Interessenlage. Für diese sei nicht nur die
Selbstverwaltung der Saar bzw. das Heimat- und Lebensrecht der Saarländer als Angehö-
rige der deutschen Kulturnation auf der Grundlage einer materiell gesicherten Existenz
ausschlaggebend gewesen, sondern auch der Wille, zur Aussöhnung des deutschen mit
dem französischen Volk beizutragen. In diesem Ausgleich erkannte Hoffmann die aus-
schlaggebende Vorbedingung für sein „oberstes Ziel“, nämlich „ein einheitliches friedlie-
bendes Europa“2 mitschaffen zu wollen, das in einer kommenden regionalistisch orien-
tierten föderativen Ordnungsstruktur endlich das nationalstaatliche Zeitalter mit seinem
ständigen Völkerhader überwinden sollte3. Hoffmann hat dieses Postulat, das Schicksal
einer autonomen Saar in den Dienst einer gerechteren und irenischen Europazukunft
stellen zu wollen, auch schon in seiner Regierungszeit zunehmend für sich in Anspruch ge-
nommen. Selbst wenn man die idealistische Begründung seiner politischen Zielsetzungen
ohne Argwohn würdigt, so wird man vom objektiven Standpunkt der deutschen Natio-
nalstaatsidee kaum daran vorbeikommen, ihn als Separatisten zu bezeichnen. Dieses
harte Urteil mag sich relativieren, wenn man weiß, daß Hoffmann aufgrund seines christ-
lich-abendländischen Weltbildes und infolge bitterer Erfahrungen einer zehnjährigen
Emigrationszeit, die er vorwiegend in Brasilien verbringen mußte, für nationalstaatliche
Wertkategorien nur noch wenig empfänglich war. Aber solche Erklärungsversuche für
verlorengegangenen Patriotismus waren für seine zahlreichen Gegner, die sich mit dem
Austritt des Saarlandes aus dem deutschen Staatsverband nicht abfinden konnten, in den
Jahren bis 1955 ohne Wert. Sie, die um die nationale Zugehörigkeit der Saar zu Deutsch-
land bangten, fühlten sich verpflichtet, Alarm zu schlagen, und bekämpften die Zielset-
zungen Hoffmanns mitleidlos als irreal, als sittlich verwerflich und manchmal auch als
Ausdruck einer perfiden persönlichen Haltung4. Für die sogenannte deutsche Opposition,
1 J. Hoffmann, Ziel, S. 109.
2 Ebenda, S. 109.
3 Vgl. im einzelnen die Begründungen ebenda, S. 103 ff. ln diesem Zusammenhang sei auf Hoff-
manns Interview mit der Saarländischen Volkszeitung vom 26. 9. 1952 hingewiesen, in dem er
nacheinander die vitalen Interessen der saarländischen Bevölkerung,den Beitrag der
Saar zum deutsch-französischen Ausgleich, die wirtschaftliche Einigung Europas und die Euro-
päisierung der Saar als Erfüllung unserer Politik nannte.
4 Erwähnt seien nur die von der Demokratischen Partei Saar besorgten Pamphlete „Joho — das bin
ich“ und „Wer kaufte Joho? — Dreimal an der Saar“. Nähere Einzelheiten darüber bei H.
Schneider, S. 378. Vgl. auch dort S. 63 ff. und Bilder Nr. 19 — 21.
132
die sich vom Jahre 1950 an zu regen begann, war der Weg der Autonomie nichts anderes
als der erneute Versuch Frankreichs, sich eines wichtigen deutschen Industriegebietes zu
bemächtigen. Aber war das, was sich im Saarland von 1945 bis 1955 getan hat, tatsäch-
lich nur eine Wiederholung der Geschehnisse nach dem Ersten Weltkrieg?
Gewiß, Heinrich Schneider, einer der regsamsten und konsequentesten Wortführer der
Oppositionellen, leugnet Unterschiede zwischen 1918 und 1945 nicht, indem er die zeit-
liche Begrenzung der Versailler Regelung, die Treuhandschaft des Völkerbundes und die
unangetastete Zugehörigkeit der Saar zum Deutschen Reich für die Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg herausstellt. Gleichwohl interpretiert er die Geschichte des Saarlandes nach
1945 apodiktisch als Renaissance der französischen Machtpolitik nach dem Ersten Welt-
krieg, deren Ursache er aber nicht nur in der Rivalität zweier europäischer Industrie-
staaten sieht, sondern auch in dem vermeintlichen jahrhundertlangen Wetteifer beider
Völker um die Gebiete zwischen Rhein und Mosel5. Bei einem solchen Interpretationsan-
satz kann es nicht verwundern, daß Schneider die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ganz
im Zeichen einer noch entschlosseneren und zielstrebigeren „Saareroberung“ durch
Frankreich sieht, wobei er die totale politische und verwaltungsmäßige Lostrennung
sowie die Überführung des gesamten saarländischen Wirtschaftspotentials und aller maß-
geblichen Kommunikationsmittel in französische Hände als Belege anführt6. Einen ei-
genen Gestaltungswillen der saarländischen Politik, wie ihn Hoffmann für sich reklamiert
hat, läßt Schneider bei seinem ausschließlichen Fingerzeig auf französische Machtinter-
essen nicht gelten. Für ihn und seine politischen Freunde waren die damals Verantwortli-
chen nichts anderes als Marionetten einer auswärtigen Macht, die aus eigensüchtigen Mo-
tiven aus dem deutschen Schicksal aussteigen wollten.
Die eigentliche Ursache für die unüberbrückbar scheinenden Standorte geht in ihrem Kern
auf gänzlich unterschiedliche Auffassungen in der Frage der nationalstaatlichen Legitima-
tion zurück. Für die Hoffmannopposition im Saarland und in Deutschland stand fest, so-
lange die Bevölkerung an der Saar nicht wirklich frei, also auch gegen die enge saarlän-
disch-französische Zusammenarbeit entscheiden konnte, war jedes Plebiszit über eine
von Deutschland losgelöste Existenz und jede Wahl einer saarländischen Regierung
rechtswidrig. Das nationale Lebensrecht der Saarländer als Deutsche erschien einigen
sogar als ein absolutes, das selbst durch einen Mehrheitswillen der saarländischen Bevöl-
kerung nicht aufgehoben werden durfte. Im Sinne der nationalen Verantwortung für alle
Deutsche haben bundesrepublikanische Politiker aus allen Parteien das sogenannte Hoff-
mann-Regime immer wieder für illegal erklärt. Aus der Fülle solcher Äußerungen seien
einige Beispiele ausgewählt. So gab es für Erich Ollenhauer (SPD) keinen prinzipiellen Un-
terschied zwischen dem Wahlsystem, das die separatistische Regierung Hoffmann und
ihre Mehrheit im Landtag geschaffen haben, und den kommunistischen Wahlkomödien
in den Ländern der Volksdemokratien und in der Sowjetzone Deutschlands... Herr Hoff-
mann ist nur der Grotewohl des Saargebiets. Der Vertragspartner der deutschen Regie-
5 Vgl. dazu im einzelnen seine Ausführungen über die Geschichte des Saarlandes vor dem Hinter-
grund deutsch-französischer Beziehungen seit dem 16. Jahrhundert, die er ohne besondere Rück-
sichtnahme auf den Wandel politischer Bewußtseinslagen vomimmt. H. Schneider, S. 15 ff.
6 H. Schneider, S. 30.
133
rung sitzt nicht in Saarbrücken; er sitzt in Paris7. Jakob Kaiser (CDU), bis zum Jahre 1957
unter Adenauer Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und neben dem rheinland-
pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmeier (ebenfalls CDU) einer der entschieden-
sten Verfechter für die Rückkehr der Saar nach Deutschland, nannte die Herren Hoff-
mann und Kirn ... ungetreue Söhne unseres Volkes, die Frankreich als Helfershelfer ge-
funden habe7 8. Die klarste Aussage im Sinne nationalstaatlicher Rechtsprinzipien in der
Saarfrage tat Thomas Dehler, der streitbare und einflußreiche FDP-Politiker. Er erklärte:
Der Gedanke ist unannehmbar, daß die Bevölkerung eines Teiles unseres Volkes die Le-
gitimation zur Entscheidung über deren Zugehörigkeit zu Deutschland habe9.
Diese „Nationaldoktrin reinsten Wassers“10, die von der Idee des Nationalstaates als
höchste politische Ordnungsform ausging und ihre juristische Begründung in dem
Rechtsanspruch der Bundesrepublik „als Rechtsträger in der deutschen Nation“11 12 13 fand,
vertrat im Grunde auch Heinrich Schneider. Sie entsprach weitgehend seinen nationalli-
beralen Überzeugungen. Deutlich wird sein Glaube an das nationale Recht seiner Saar-
länder im Zusammenhang mit seinem Besuch bei Konrad Adenauer im unmittelbaren
Zeitraum vor den saarländischen Landtagswahlen am 30. November 1952, über den er
in seinen Memoiren u. a. folgendes berichtet: Er trieb mit uns Wahlarithmetik. Wieviel
Prozent an ungültigen Stimmen wir schaffen könnten? Das war die immer wieder von ihm
aufgeworfene Frage. Wir verstanden das damals gar nicht so sehr. Für uns war das Re-
sultat zwar wichtig, aber nicht entscheidend. Heute ist uns natürlich längst klar ge-
worden, daß der Kanzler für die weiteren Verhandlungen mit Paris eine möglichst hohe
Zahl ’an weißen Stimmen’ (Stimmzettel ohne Wahlkennzeichnung als Ausdruck der Ab-
ehnung einer von Deutschland separaten Saar) im Saarland benötigte'11. Diese Vermu-
rung Schneiders war sicherlich nicht falsch, aber was Adenauer bei seinen Fragen zur
Wahl wirklich bewegte, das verrät uns das Protokoll über die Sitzung des CDU-Bundes-
vorstandes am 26.1.1953. In einer kritischen Replik auf Äußerungen Kaisers zu den saar-
ländischen Landtagswahlen vom 30. 11. 1952 berichtete Adenauer auch über Gespräche
mit Heinrich Schneider und anderen oppositionellen Saarpolitikern: Ich will den Herren
erzählen, wie meine erste Aussprache mit den drei Herrenli von der Saar verlaufen sind
7 Auszug aus der Bundestagsrede Ollenhauers vom 18. 11. 1952. Deutscher Bundestag, Verhand-
lungen (stenographische Protokolle), Bd. 13 (10. 9. 52 - 27. 11. 52), S. 10 924 ff.
8 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953 zu
Bonn (Palais Schaumburg), S. 200. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
9 Zitiert nach W. Eckhardt, S. 41. Der Autor erwähnt die Herkunft der Quelle nicht. Bestätigt
wird dieses Zitat durch einen Artikel Dehlers in der Süddeutschen Zeitung vom 20.10.1954, den
er bezeichnenderweise unter dem Titel „In der Saarfrage gibt es kein Recht auf Separation“ ver-
öffentlichte. Diese Stellungnahme war eine Replik auf den sogenannten Mommer-Plan, den der
SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Mommer im Namen seiner Partei in der Stuttgarter Zeitung
vom 9. 10. 1954 publiziert hatte und in dem er zwar die Einführung politischer Freiheiten an der
Saar forderte, den Saarländern aber das Recht einer freiwilligen separatistischen Entscheidung
zubilligte. Der Mommer-Plan ist auszugsweise abgedruckt bei R. H. Schmidt, Bd. 3, S. 677
ff. Vgl. auch den dort abgedruckten sogenannten Preusker-Plan (FDP) auf S. 681 ff. und das 7-
Punkte-Programm der Deutschen Saaropposition vom 18. 10. 1954, das bei J. Freymond auf
S. 327 in der dortigen Anmerkung 2 zu finden ist.
10 W. Kern, S. 15.
11 Nach Frankfurter Neue Presse vom 6.11.1953. Ausführungen von Walter Dirks zur Saarfrage.
12 H. Schneider, S. 323.
13 Gesprächspartner waren Hubert Ney (CDU), Heinrich Schneider (DPS) und Kurt Conrad (SPD).
134
'!) Das war, noch ehe die Wahlen von Hoffmann angesetzt worden sind14 15, als man freie
Wahlen verlangte. Nachdem sich Adenauer über die Ratlosigkeit und den Pessimismus
seiner Gesprächspartner in der Frage nach den Chancen ihrer Parteien bei wirklich freien
Wahlen beklagt hatte, sagte er dann: Ich muß ihnen ehrlich gestehen, als mir die drei
Herren gesagt haben, sie könnten nicht sagen, daß sie mit einer gewissen Wahrscheinlich-
keit bei wirklich freien Wahlen den Sieg davon trügen, da lief es mir kalt den Rücken her-
unter,5.
Kaiser hat Adenauer damals ganz im Sinne von Schneider geantwortet, indem er lako-
nisch darauf verwies, daß Frankreich sich selbst ins Gesicht schlägt, daß in dem von ihm
weggenommenen Teil nach Gesichtspunkten gewählt wird, wie im Grunde - mit einer
graduellen Verschiedenheit—in der Sowjetzone gewählt wird und wie in der Hitlerzeit ge-
wählt worden ist16. Nachdem Adenauer schon vor dieser Anklage gegen Frankreich
kundgetan hatte, daß die Politik, die wir mit Bezug auf die Saar getrieben haben, falsch
war und daß sie ein glänzendes Fiasko erlitten hat durch die Wahl im Saargebiet17 18, kon-
terte er nun noch härter, indem er erklärte, daß es ein schwerer Fehler von uns gewesen
(sei), daß wir von Anfang an die Leute diffamiert haben, die sich losgetrennt und dem
Saarregime zugestimmt haben. Es wäre viel klüger von uns gewesen, wenn wir den Leuten
gesagt hätten: was ihr gemacht habt, durftet ihr nicht tun, aber schließlich ward ihr in
einer schwierigen Situation. Das sehen wir einis. Politiker wie Kaiser und Altmeier und
erst recht die jeder öffentlichen Wirkung beraubten Oppositionspolitiker an der Saar
haben zu einem solchen Weg des Ausgleichs und der Versöhnung nicht finden können.
Die von Adenauer kühl kalkulierte Möglichkeit einer Metamorphose im politischen Be-
wußtsein der saarländischen Bevölkerung, die im Zeichen verschiedenster Motivationen
das nationalstaatliche Prinzip zu überwinden suchte und dabei möglicherweise einen ei-
genständigen Willen entwickelte, traf bei ihnen nur auf Unverständnis. Für Heinrich
Schneider war Adenauer selbst noch im Jahre 1973 ein „Rätsel“19. Aber schon kurz vor
der saarländischen Novemberwahl (30.11.) hatte Adenauer in der Saardebatte des Deut-
schen Bundestages am 18.11.1952in klarer Abgrenzung zu den dogmatischen Anschau-
ungen von einem im deutschen Schicksal aufgehobenen saarländischen Eigenwillen offen
erklärt: Wir schreiben dem Bewohner des Saargebietes keine Meinung vor. Er mag sich
entscheiden, wie er will. Aber wir können nicht zulassen, daß der Wille der Bevölkerung
an der Saar dadurch verfälscht wird, daß einem Teil des Volkes, und zwar einem sehr er-
heblichen, die Möglichkeit genommen wird, seinen politischen Willen zum Ausdruck zu
14 Der Bericht Schneiders bezieht sich auf eine 2. Zusammenkunft, Adenauers Äußerungen greifen
auf eine 1. Besprechung zurück, deren genauer Termin nicht ermittelt werden konnte, die wahr-
scheinlich aber im Frühsommer 1952 stattgefunden haben muß.
15 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S.
195 f. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
16 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S.
196. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
17 Gemeint sind die saarländischen Landtagswahlen vom 30. 11. 1952.
18 Die beiden Zitate stammen aus der Stenographischen Niederschrift über die Sitzung des CDU-
Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S. 194 bzw. S. 202. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses,
Bonn.
19 H. Schneider, S. 433. Seine dortige Bemerkung „Das Rätsel Konrad Adenauer“ steht im Zu-
sammenhang mit dem Abstimmungskampf im Jahre 1955.
135
bringen10. Wenngleich Adenauer hier in Übereinstimmung mit dem nationalen Stand-
punkt die politische Entscheidungsfreiheit der saarländischen Bevölkerung verlangt, so
wird doch auch in diesem Falle deutlich, daß für ihn die saarländische Politik ein macht-
politisches Faktum war, das durchaus ein Eigengewicht besaß und keineswegs nur als ein
Spielball der Interessen Frankreichs gesehen werden durfte. Natürlich hat Adenauer die
saarländische Politik unter Hoffmann niemals gutgeheißen. Da er aber, und dies über-
rascht bei seinem pragmatischen Naturell nicht, in der nationalstaatlichen Existenz einen
überholten Wert sah, erspürte er schon bald die Ursprünge, Motive und Ziele einer re-
gional orientierten Politik, die sich als Antwort auf das nationalstaatliche Zeitalter und
seine chauvinistischen Auswüchse verstand. So erklärte Adenauer im Bundesvorstand
seiner Partei am 26. April 1954 im Zusammenhang mit Beratungen über das vermeint-
liche Junktim von Saarfrage und Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Vertei-
digungsgemeinschaft (EVG) durch die französische Nationalversammlung:
Was heißt denn Staat und Volk? Tatsächlich leben wir —nackt heraus gesagt-in unserer
Freiheit nur deswegen, weil die Amerikaner ein paar tausend Atombomben haben, und
die Russen haben weniger! Das ist unsere ganze Souveränität. Wenn ich die Worte höre,
wie ’national’ und ’Nationalstaat’ und alle diese Sachen, so kommt mir das vor wie ein
Anachronismus. Sehen Sie bitte in die Zukunft! Seien Sie auch realistisch! Wenn wir nicht
mittun, erreichen wir für die Saar nicht sovieldann wird die Saar wirtschaftlich und
personell und in jeder Beziehung vollkommen von Deutschland abgeschnitten20 21.
Für seine Kritiker innerhalb seiner eigenen Partei stand dagegen fest, daß der „wahre“
Wille der saarländischen Bevölkerung solange verschüttet blieb, solange er sich nicht voll
in der nationalen Sonne Deutschlands auffalten konnte. Es liegt auf der Hand, daß dieser
Standpunkt, der im übrigen angesichts der Teilung Deutschlands und des sich in Mittel-
deutschland etablierenden kommunistischen Systems zusätzlich sensibilisiert wurde,
auch und gerade für das deutsch geprägte Kulturleben an der Saar die Gefahr einer ge-
wollten Entfremdung sah. Beispielhaft dafür ist der Kommentar der Wochenzeitung „Die
Zeit“ vom 7. 7.1955 anläßlich des Weggangs Grandvals aus Saarbrücken. Dort heißt es:
Die ’Eigenkultur der Saar’ ist eine alte Erfindung Grandvals und seiner Freunde; sie ist
so alt wie die bereits 1947 gewonnene Erkenntnis, daß die Saardeutschen sich nicht zu
dem Glück zwingen ließen, ’zu den Quellen französischen Geistes zugelassen zu werden,
Wollten Sie nicht Franzosen werden — und dafür gab es schon wenige Monate nach
jener Eröffnung der Quellen französischen Geistes sichere Anzeichen —, so mußte später
20 Deutscher Bundestag, Verhandlungen (stenographische Protokolle) Bd. 13 (10. 9. 52 —27.'11.
52) S. 10 924.
21 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 4. 1954, S.
123. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
136
die ’Eigenkultur des saarländischen Volkes’ herhalten, um zu beweisen, daß die Saar von
Deutschland kulturell abgesondert bleiben müsse.12.
Die sogenannte deutsche Opposition im Saarland und in Deutschland ist mit ihrem Bild
von der vor ihrem Nationalgewissen vergewaltigten saarländischen Bevölkerung in die
Abstimmungsentscheidung vom 23. Oktober 1955 gezogen, und hat dabei-triumphiert.
Das ersehnte Ziel, die Rückkehr der Saar nach Deutschland war damit zwar noch nicht
definitiv erreicht, offengelegt war aber für sie der intakte Wille der Saarländer zur natio-
nalen Solidarität. Mit ihrer klaren Absage gegen ein saarländisches Eigendasein im
Rahmen eines nach Ansicht der Oppositionellen fragwürdigen europäischen Statuts
hatten sich die „Saardeutschen“ genau so verhalten, wie das in der deutschen Publizistik22 23
und in den zahlreichen Abhandlungen über das damalige Geschehen an der Saar vor und
nach der siegreich bestandenen „Abstimmungsschlacht“ immer wieder als zwingend pro-
gnostiziert worden ist. Adenauer und auch andere CDU-Politiker, die seit 1952 den Rück-
kehrwillen der Saarländer in Zweifel gezogen hatten, waren nun endlich durch ein empi-
risch bestätigtes Wahlergebnis widerlegt. Das Resultat vom 23. Oktober 1955, das man
jetzt als Ausdruck der Selbstbefreiung einer unterjochten saarländischen Bevölkerung
feiern konnte, und die sich seit 1950 verfestigende öffentliche Meinung von einer absolut
deutschtreuen Saar haben entscheidend dazu beigetragen, daß im Saarland und vor allem
in Deutschland die Geschichte der Saar nach 1945 oft nur mit den Augen von 1955 ge-
sehen wird. Aber sprechen die historischen Ereignisse tatsächlich nur für die geschichtlich
Erfolgreichen vom 23. Oktober?
Einer der wenigen Autoren, die in der einschlägigen Literatur die saarländische Nach-
kriegspolitik als Faktum einer autonom wirkenden Gestaltungskraft anerkannt haben,
die aus der Erkenntnis und Zielsetzung eigener Interessen auf die von Frankreich ener-
gisch geforderte Zusammenarbeit einging, ist Jacques Freymond gewesen24. Er bestätigt
in seiner Untersuchung die von Adenauer schon im Jahre 1952 geäußerte Befürchtung,
daß die Mehrheit der Leute an der Saar uns gar nicht will25. Selbst Heinrich Schneider
räumt, wenn auch mit gänzlich anderen Begründungen, ein, daß die Rückkehr der Saar
nach Deutschland keineswegs absolut sicher war26. Diese Einschätzung hat ja auch dazu
geführt, daß er sein Buch „Das Wunder an der Saar“ nannte. Eine Beurteilung der saarlän-
dischen Politik von 1945 bis 1955 muß nicht unbedingt im Sinne der Meinung Johannes
Hoffmanns ausfallen, wonach der 23. Oktober 1955 der Endpunkt einer Entwicklung ge-
22 Die Zeit Nr. 27 (Artikel „Späte Einsicht“).
23 Vgl. hierzu A. H. V. Kraus, passim.
24 J. Frey mond, passim, insbesondere S. 84 ff., S. 222, S. 246 ff. und S. 277 ff.
25 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S.
201. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
26 H. Schneider, S. 14. Schneider beruft sich in seiner Argumentation u.a. auf eine repräsen-
tative Umfrage des Aliensbacher Instituts für Demoskopie, die im April 1955, also 6 Monate vor
der entscheidenden Abstimmung über das Saarstatut, durchgeführt worden ist. Danach wollten
20 % der saarländischen Bevölkerung für und 21 % gegen das Statut stimmen. 59 % erklärten
sich noch für unentschlossen. Schneider, der dieses Umfrageergebnis als Beleg für seinen er-
folgreichen politischen Kampf gegen das Statut reklamiert, verschweigt freilich die vom Institut
prognostizierte Mehrheit gegen das Statut, die es vor allem mit der Entscheidungstendenz der
überwiegenden Zahl der Unentschlossenen gegen das Statut begründet. Vgl. dazu die Ergebnisse
der Einzelfragen und den Umfragebericht des Instituts Allensbach. Die Stimmung im Saargebiet,
April 1955. Bundesarchiv Koblenz, Zsg. 132/416 I.
137
wesen sei, die seiner Saarheimat „in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht eine Chance“
geboten hatte, „wie sie ihr noch nie in der Geschichte gegeben war und auch nicht mehr
gegeben wird27. Sie wird aber auch nicht bei dem Urteil Schmidts stehen bleiben können,
dessen umfangreiche Darstellung über die Saarpolitik jener Jahre schon wegen des ge-
ringen zeitlichen Abstands zum Ereignis zu sehr dem Hang zur Anklage und Apologie aus-
gesetzt gewesen ist28.
Die saarländische Geschichte von 1945 bis 1955 darf nicht um einer nationalen Idee
willen geschrieben werden, sondern sie muß vom Faktischen ausgehen. Sie wird ihren
Ausgangspunkt in der Kriegsniederlage Deutschlands sehen müssen, als ein neues Kapitel
europäischer Geschichte zaghaft aber unwiderruflich begann. So kann man die Landtags-
wahlen vom 5. Oktober 1947 und vom 30. November 1952 durchaus, wenn auch mit
Vorbehalten29, als mehrheitsgetragene Vota der Bevölkerung für eine mögliche Politik der
saarländischen Eigenentwicklung werten30. Die Berechtigung dieser Annahme unter-
streicht, wenngleich man das Ergebnis auch mit Vorsicht zur Kenntnis nehmen muß,
zudem eine nicht zur Veröffentlichung bestimmte repräsentative Umfrage des Sozialpsy-
chologischen Instituts in Saarbrücken aus dem Jahre 1947. Danach erklärten sich zu
diesem Zeitpunkt 71 % der Saarländer für eine wirtschaftliche Angliederung an Frank-
reich und 60 % stimmten einer Verfassungskommission zu, die im Rahmen der Autono-
mievereinbarungen die Grundlinien für eine öffentliche Ordnung festlegen sollte31. Daß
die partikularistisch eigenstaatliche Position in der saarländischen Bevölkerung durchaus
ihre Chance hatte, verdeutlicht nicht zuletzt die in repräsentativen Umfragen ermittelte
ungewöhnlich hohe Zahl Unentschlossener im Zeitraum vor der Abstimmung32 vom Ok-
tober 1955 sowie die Stärke und Zähigkeit der CVP nach 195533. Noch im Jahre 1957
27 J.Hoffmann, Ziel, S. 427.
28 Die Arbeit von R. H. Schmidt erschien in den Jahren 1959 bis 1962. Sie war bis zum Jahre
1957 schon weitgehend abgeschlossen. Vgl. R. H. Schmidt, Bd. 2, S. IX (Vorwort).
29 So resümierte z. B. Kirchenrat Wehr in einem Vortrag im Roten Salon des Bonner Bundeshauses
am 27.1.1953, zu dem der Deutsche Evangelische Kirchentag 50 namhafte Vertreter aus Politik
und Zeitungswesen geladen hatte, daß er zwar gegenüber Hoffmann die Nichtzulassung von Par-
teien beklagt habe, daß man aber an sich gegen die Wahl nichts sagen könne. Jeder sei frei ge-
wesen, für die zugelassenen Parteien zu stimmen oder eine ungültige Stimme abzugeben. Nach
Aufzeichnungen über diese Veranstaltung (Datum 28. 1. 53), S. 3. Diese Bewertung der Wahl
wurde in der nachfolgenden Diskussion zum Teil scharf kritisiert. LA Saarbrücken, Bestand
Nachlaß Heinrich Schneider Nr. 103.
30 Bei der Landtagswahl von 1947 stimmten 90,2 % der Wahlbeteiligten für die zugelassenen Par-
teien, bei der Landtagswahl 195 2, bei der die für illegal erklärte deutsche Opposition zur Abgabe
„weißer Stimmzettel“ aufgerufen hatte, waren es 75,5 %. Abziehen muß man die Werte der
Kommunisten, die als einzige Partei, die sich gegen den Wirtschaftsanschluß erklärte, zugelassen
war. Sie erhielt 1947 8,4 % und 1952 9,5 % der gültigen Stimmen.
31 Sozialpsychologisches Institut, 3. Erhebung: Der wirtschaftliche Anschluß, Ausarbeitung einer
Verfassung, Die Ernährungslage, Saarbrücken o. J. (1947), S. 6 und S. 9.
32 Repräsentative Umfragen wurden durchgeführt von: Allensbach im April und Oktober und von
Emnid im August und September 1955. Emnid nimmt zur Frage der Unentschlossenen keine Stel-
lung. Das Institut Allensbach registriert in seiner Aprilumfrage 49 % und in seiner Oktober-
umfrage 30 % noch nicht festgelegte Abstimmungsberechtigte. Im Rahmen seiner Hintergrund-
analyse zur Aprilumfrage schreibt das Institut, daß die Gruppe der Unentschiedenen enorm groß
ist; die Erfahrungsberichte der Interviewer deuten darüber hinaus an, daß es sich hier um eine
echte Unschlüssigkeit, um einen wirklichen Zweifel in breiten Schichten der Bevölkerung han-
delt. Umfragebericht Institut Allensbach, Die Stimmung im Saargebiet, April 1955. Bundesar-
chiv Koblenz, Zsg. 132/416 I.
33 Vgl. hierzu im einzelnen das Schicksal der CVP im Rahmen der allgemeinen saarländischen Par-
teiengeschichte bei H. W. Herrmann und G. W. Sante, Saarland, S. 54 ff. Vgl. auch R. H.
Schmidt, Bd. 3, von S. 387 an passim.
138
mußte der damalige CDU-Bundesgeschäftsführer Bruno Heck eingestehen: Die CVP hat
sich bei den letzten Kommunalwahlen überraschend gut gehalten, und dies mit einem sehr
eigenartigen Wahlkampf. Sie hat nur Mitgliederversammlungen veranstaltet und Haus-
besuche gemacht*4.
Eine Gelegenheit, die saarländische Politik nach 1945 in ihrem Wesen und in ihrer tat-
sächlichen Wirkung zu erfassen, bietet die Bildungsgeschichte dieser Jahre. Sie ist ein Ge-
genstand, der wegen des saarländischen Anspruchs auf kulturelle Autonomie sogar be-
sonders geeignet erscheint, Kenntnis und Verständnis für die Vorgänge von damals zu ver-
tiefen. Dabei wird sich zeigen, welche Motive der Selbstverwirklichung die saarländische
Politik in sich barg und zu welchen Anpassungen und Widerständen sie gegenüber natio-
nalen französischen und deutschen Interessen fähig war. Zur Sprache kommt dabei selbst-
verständlich auch die Auseinandersetzung mit der saarinternen Opposition und ihrer For-
derung nach Wiederherstellung der nationalen Kulturgemeinschaft. Zuvor sei aber noch-
mals der Blick auf die Jahre 1945 bis 1947 gelenkt, als sich das einheimische politische
Leben an der Saar allmählich wieder zu organisieren begann, um eine Zukunft zu ge-
stalten, die aufgrund der festen Absichten Frankreichs nur getrennt von einer deutschen
Staatlichkeit möglich schien. Die Bereitschaft saarländischer Politiker zur Zusammenar-
beit mit Frankreich war dennoch nicht nur erzwungen, sie wurde auch durch Erfahrungen
begünstigt, deren Hintergründe im Verlauf der deutschen Geschichte ihre Erklärung
finden.
Die dezentralistische Tradition in Deutschland hat erheblich dazu beigetragen, daß die im
vorigen Jahrhundert geborene nationale Staatsidee hier stets in Konkurrenz zum partiku-
laristischen Gedanken gestanden hat. Dieses Spannungsverhältnis soll hier aber weniger
in seiner Auswirkung auf die Beziehungen der deutschen Einzelstaaten zu den bundes-
staatlichen Zentralbehörden erwägt werden. Anzusprechen sind vielmehr die religiös und
weltanschaulich begründeten Aversionen gegenüber dem Nationalstaat und sein Hang
zum zwangsläufig nivellierend wirkenden Zentralismus, die in ihren geschichtlichen Aus-
wirkungen bis in die Zeit beginnender moderner Staatlichkeit in vielfältiger Form zu be-
obachten sind. Nach den Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime,
seinem rüden Staatszentralismus und seiner rücksichtslosen Kriegspolitik konnte es nicht
verwundern, daß in weiten Teilen Deutschlands regionalistisch oder dynastisch ausge-
richtete Kräfte Auftrieb erhielten, die ihre Wertvorstellung von einer heimatbezogenen
politischen Selbstverwirklichung in die Tat umzusetzen versuchten. Im Saarland war es
Johannes Hoffmann, dem es gelang, eine populäre christliche Partei katholischer Prä-
gung34 35 zu schaffen, die in der saarländischen Selbstbestimmung einen ebenso hohen An-
spruch erkannte wie in der Pflicht zur nationalen Solidarität. Ausgangspunkt war dabei
seine christliche Auffassung von einer demokratisch strukturierten Ordnung, wie sie von
der Deutschen Zentrumspartei, der er wie viele seiner politischen Freunde angehört hatte,
in ihrer auf Gott bezogenen Orientierung für richtig erkannt worden war36. Hoffmann
34 Stenographischer Bericht über die 3. Sitzung des CDU-Bundesparteivorstandes am 1. 7. 1957,
S. 102. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
35 Die CVP war zwar offiziell überkonfessionell und hatte auch in ihren Reihen eine respektable
Minderheit protestantischer Abgeordneter. Hoffmann bestätigt aber in seinen Erinnerungen,
daß er und seine Freunde „an die Arbeit des deutschen Zentrums anknüpfen“ wollten. J. Hoff-
mann, Ziel, S. 25.
36 J. Hoffmann, Ziel, S. 25.
139
und seine Anhänger wollten im Grunde das verwirklichen, worin der preußische Zentra-
lismus und der deutsche Nationalismus im Interesse einer einheitlichen staatlichen Exi-
stenz und Zukunft die katholischen Politiker in Deutschland stets behindert hatten, näm-
lich die kompromißlose Gestaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne der katholischen
Sozial- und Sittenlehre. In diesem Geist sind, und dies ist für diese Untersuchung eine
wichtige Erkenntnis, zum Beispiel alle Schulartikel der saarländischen Verfassung, die am
17. Dezember 1947 Rechtskraft erlangte, von der CVP durchgesetzt worden. Ihre christ-
lich-katholischen Ordnungsvorstellungen fußten dabei auf einen Persönlichkeitsbegriff,
der sich zum Beispiel wesentlich von dem des weltanschaulichen Liberalismus unter-
schied. Für die CVP-Politiker war das Individuum kein sittlich freies Wesen, sondern ein
Staatsbürger, der stets einer höheren Ordnung verpflichtet blieb. Aus diesem Grunde
traten sie für die vollständige Freiheit und Selbständigkeit der Kirchen ein, damit diese
ihre gottgewollten Lehr- und Führungsaufgaben gegenüber den Menschen ungehindert
ausüben konnten. Die strikte Ablehnung einer staatlichen Kirchenhoheit und die Inter-
pretation der persönlichen Freiheitsrechte im Geiste des metaphysischen Naturrechts
zeigt an, daß die Erscheinung des saarländischen Autonomismus nach 1945 nicht nur als
ein Vorgang unter nationalem Aspekt gesehen werden darf, sondern, und dies vielleicht
sogar vorrangig, als eine Auseinandersetzung um Struktur und Charakter der öffentlichen
Ordnung an der Saar. Ihrer im Christentum verwurzelten politischen Ethik ordnete die
CVP alle anderen Zielsetzungen unter, auch die europäische. Europa war für Hoffmann
und seine CVP, und dazu darf man an dieser Stelle auch an sein Verhalten bei der Grün-
dung der Universität erinnern, eher eine Chance, um ein christlich geprägtes Saarland end-
gültig zu fundieren und es aus seinen Bindungen zur deutschen und französischen Nation
soweit als möglich herauszulösen. Pierre Woelfflin, der als französischer Kulturattache
die saarländische Szene lange Jahre unmittelbar miterlebt hat, urteilt durchaus richtig,
wenn er heute sagt:
Hoffmann wollte Europa, weil er das Saarland aus der französischen Abhängigkeit her-
auslösen wollte. Das wußten wir. Hoffmann wollte wirklich unabhängig werden. Das
Saarland und seine christliche Politik waren ihm eine Herzensangelegenheit37.
Einen solchermaßen regionalistisch eingefärbten Saar- bzw. Europagedanken hat die
zweitstärkste politische Kraft, die Sozialdemokratische Partei Saar (SPS) natürlich nie-
mals vertreten können. Sie sah das kommende Europa von einem supranationalen Ansatz
her, was ihrer Verpflichtung auf die politischen Grundsätze der Sozialistischen Internatio-
nale auch eher entsprang. Gleichwohl war auch für sie die europäische Dimension, die sie
viel früher entdeckte als die CVP38, ein wesentliches Moment, um ihre Zustimmung für
eine Politik der saarländischen Eigenständigkeit und der Zusammenarbeit mit Frankreich
zu begründen. Da die SPS die Zukunft Europas in einer Art Konföderation sich freiwillig
in ihrer Souveränität beschränkender Staaten sah, konnte sie in ihren innenpolitischen
Zielen, ohne mit sich selbst und ihrer Parteientradition in Widerspruch zu geraten, auf die
säkularen Ordnungsvorstellungen der deutschen Sozialdemokratie zurückgreifen. So
37 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. Vgl. hierzu auch die Ausführungen Hoffmanns in
seinen Memoiren. J. Hoffmann, Ziel, S. 110.
38 Es ist sicherlich kein Zufall, daß Hoffmann in seinen Memoiren den Nachweis „früher“ europäi-
scher Zielvorstellungen nur mit sozialdemokratischen Willensbekundungen belegen kann. J.
Hoffmann, Ziel, S. 77 ff.
140
übernahm die SPS in der Schulpolitik gänzlich den Part ihrer Mutterpartei aus der Zeit der
Weimarer Republik. Da auch die Liberalen, die sich zur Demokratischen Partei Saar
(DPS) zusammengeschlossen hatten, und die Kommunisten (KP) in ihren schulprogram-
matischen Zielsetzungen der Vergangenheit treu blieben, erneuerten sich nach 1945 an
der Saar bald jene schulpolitischen Fronten, wie sie während des Völkerbundregimes
analog den Verhältnissen im Deutschen Reich zur Zeit der Weimarer Republik bestanden
hatten. Auf der einen Seite fungierte die CVP energisch als Anwalt eines katholischen
Schulprogramms und seiner entschiedenen Forderung nach einem konfessionell struk-
turierten öffentlichen Bildungssystem, auf der anderen Seite formierten sich SPS und DPS
und kämpften für ein weitgehend säkularisiertes staatliches Schulwesen, in dessen
Rahmen der Kirche lediglich religiöse Lehrrechte zugestanden werden sollten. Die Kom-
munisten propagierten ihr Ideal von der sozialistischen Weltanschauungsschule, die im
Zeichen ihrer klassentheoretischen Kritik einheitlich strukturiert sein sollte39. Was den
Kampf um den pädagogisch-geistigen Charakter des öffentlichen Bildungswesens an der
Saar nach 1945 von Weimar unterschied, war die Eigenart einer lokalen Situation, die sich
konkret in klaren Mehrheitsverhältnissen ausdrückte und darum von vornherein jene di-
latorisch wirkenden Kompromißformeln im Verfassungsrechtlichen verhinderte, die mit
ihren vagen und beliebig interpretierbaren Aussagen in der Zeit von 1918 bis 1933 die An-
näherung schulpolitischer Gegensätze eher sabotiert als begünstigt hatten40. Diese Blok-
kade des schulpolitischen Gestaltungswillens hatte auch das Saargebiet erdulden müssen,
da hier das Schulpolitische trotz des Völkerbundregimes gänzlich an der Entwicklung im
Deutschen Reich orientiert blieb. Allerdings waren die Auseinandersetzungen um die
Schule an der Saar nur mittelbar spürbar41.
Die Aussicht auf eine christlich geprägte öffentliche Ordnung motivierte die CVP sicher-
lich in besonderem Maße für einen autonomistischen Kurs. Gleichwohl konnten auch die
Sozialdemokraten auf eine Fülle von Argumenten zurückgreifen, um ihre politische Zu-
stimmung zur saarländischen Autonomie zu geben und zu rechtfertigen. Das galt vor
allem für die dringend anstehenden Sozialfragen, in denen die SPS aber auch die CVP sehr
sensibel war und wo sie trotz aller weltanschaulichen Gegensätze ein hohes Maß an Ge-
meinsamkeit erreichten. Die Konvergenz nahm ihren Ausgangspunkt in der übereinstim-
mend postulierten Absicht, das französische Angebot zur Kooperation anzunehmen.
Beide Parteien begründeten ihre Haltung mit ihrer zuversichtlichen Erwartung, die mate-
rielle Existenz ihres Landes innerhalb einer geplanten saarländisch-französischen Wirt-
39 Die hier skizzierte schulpolitische Frontstellung der saarländischen Parteien spiegelt sich am
deutlichsten in den Niederschriften über die 14. und 15. Sitzung der Verfassungskommission am
13.8.1947bzw. 18.8.1947, in der Niederschrift über die 2. Sitzung des Verfassungsausschusses
der Gesetzgebenden Versammlung am 22. 10. 1947 und in den Sitzungsprotokollen der Gesetz-
gebenden Versammlung des Saarlandes am 6. 11. 1947 wider. Die Auswertung der Quellen er-
folgtim nächsten Kapitel. Sie sind abgedruckt bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider),
S. 194 ff., S. 221 ff., S. 330 ff. und S. 396 ff.
40 Beispielhaft hierfür ist der Artikel 146 der Reichsverfassung vom 11. 8. 1919, der aufgrund des
sogenannten Weimarer Schulkompromisses zustande kam und unter anderem auch den künf-
tigen Charakter der Volksschule festzulegen suchte. Dieser Passus war derart unklar und mehr-
deutig formuliert, daß er den Parteien hinreichend Gelegenheit bot, ihre schulpolitischen Ab-
sichten abweichend vom Sinngehalt der Verfassungsbestimmungen zu vertreten, ohne gleich-
zeitig die in der Verfassung gewollte Überbrückung der gegensätzlichen Auffassungen zu versu-
chen.
41 Vgl. hierzu im einzelnen M.Zenner, Parteien, S. 100 ff. und S. 152 ff.
141
schaftsunion sichern und ausbauen zu können42. Es war jene Grundsatzentscheidung, die
vom Standpunkt der doktrinären Nationalidee aus später als Verrat des nationalen Soli-
daritätsgebots heftig gescholten werden sollte. Zu wenig beachtet wurden dabei aller-
dings die Handlungszwänge der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Da wäre zuerst die absolut und nachdrücklich vorgetragene Forderung Frankreichs zu
nennen, das Saarland erneut seiner politischen Kontrolle unterwerfen zu wollen. Nach
den Erfahrungen der informellen Herrschaft Frankreichs über die saarländische Montan-
industrie in der Zeit des Völkerbundregimes wäre es absurd gewesen, an der Ernsthaftig-
keit eines solchen Anspruchs zu zweifeln. Dies um so weniger, als die französische Militär-
regierung selbst nach dem endgültigen Verzicht von Paris auf eine staatliche Einverlei-
bung der Saar im Spätsommer 1946 immer noch mit dem Damoklesschwert einer mögli-
chen politischen Annexion zu drohen wußte, ein geschicktes Taktieren43, dessen wirk-
liche Hintergründe für die saarländische Politik damals nur schwer zu erkennen waren.
Der Trierer Generalvikar Heinrich von Meurers, der aus seiner nationalen Denkhaltung
in der Saarfrage nie einen Hehl gemacht hat und deswegen im Jahre 1948 für das Saarland
auch keine Einreiseerlaubnis mehr erhielt44, notierte schon am 15. Oktober 1945 im Zu-
sammenhang mit der beabsichtigten Gründung einer katholischen Partei im Ton des Un-
ausweichlichen in seinem Tagebuch: Dazu kommt an der Saar die große politische Frage
einer etwaigen Abtrennung oder Selbständigmachung45. Es verwundert nicht, daß insbe-
sondere die stark heimatverwurzelte CVP auf die mögliche Gefahr einer Einverleibung in
den französischen Staatsverband Wirkung im Sinne von Kompromißbereitschaft zeigte,
da gerade sie das Saarland einer totalen Fremdbestimmung nicht aussetzen wollte. Die
französische Militärregierung taxierte die ängstliche Stimmungslage der saarländischen
Bevölkerung in der unmittelbaren Nachkriegszeit durchaus richtig, wenn sie mit Blick auf
die von ihr verfolgten Ziele im Frühjahr 1946 konstatierte, que le rattachement écono-
mique sera salué sinon avec joie, du moins avec soulagement par une population à qui de-
main fait peur et qui est lasse d’être incertaine de son sort46. Überwölbt wurden solche und
ähnliche sorgenvollen Zukunftsblicke durch das ungewisse Schicksal Deutschlands als
Nation und als europäischer Ordnungsfaktor. Die Kapitulation des Deutschen Reiches
und der totale Verlust seiner Souveränität dokumentieren am deutlichsten die wesentlich
andere Ausgangs- und Entscheidungslage von 1945 gegenüber 1918. Damals konnten die
Saarländer aufgrund der unangetastet gebliebenen Existenz Deutschlands als Einheits-
staat auf eine nationale Anwaltschaft vertrauen ; 1945 war das aber nicht der Fall, die Saar
stand sozusagen als Stück des gänzlich ohnmächtigen Deutschland zur freien Disposition.
Erinnert man sich dabei der ausgeprägten heimatverbundenen Mentalitäten und kalku-
42 Zu den politischen Beweggründen und Erwägungen, die von^den spezifischen Bedingungen der
Saarwirtschaft und ihrem hohen Zerstörungsgrad durch Kriegseinwirkungen ausgingen, im ein-
zelnen J. Hoffmann, Ziel, S. 66.
43 Bezüglich des MRS (gemeint ist die profranzösische Organisation, die sich die Annexion des
Saarlandes durch Frankreich zum Ziel gesetzt hatte) hat Grandval abgewartet, inwieweit diese
Bewegung Anklang in der Bevölkerung finden würde. Sie war jedenfalls eine gute Trumpfkarte.
Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
44 Vgl. hierzu die Eintragung von Meurers vom 11. 11. 1948. BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948,
S. 39.
43 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948 (15. 10. 1945), S. 87.
46 Zitiert nach dem Rapport détaille -1604 cab. - der Saarbrücker Militärregierung für die Monate
März und April 1946. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 8.
142
liert man darüber hinaus die oben erörterte Wirkkraft der saarländischen Geschichte vor
dem Hintergrund von Patriotismus in der Völkerbundszeit, Kampf gegen die nationalso-
zialistische Tyrannei sowie erlebter politischer Verfolgung und Emigration, dann wird
man die Haltung saarländischer Politiker, der Aufforderung Frankreichs zur Zusammen-
arbeit im Rahmen eines immerhin saarländische Autonomiewünsche respektierenden
Status zu folgen, schon eher verstehen. Der Faktor Emigration hat dabei, wie bereits oben
festgestellt wurde, für die saarländische Politik im allgemeinen und für ihre europäische
Ausrichtung im besonderen erhebliche Bedeutung gehabt47. Seine allgemeine Wirkung
war wesentlich stärker als die des MRS, dessen tatsächlicher Einfluß auf das Geschehen
an der Saar in der Literatur oft überschätzt worden ist. Diese für die politische Annexion
eintretende profranzösische Organisation hat die saarländische Innenpolitik im Grunde
nur wenig bewegt, ihre relative Kurzlebigkeit ist das beste Zeugnis dafür. Die saarländi-
schen Parteien, die vom Jahre 1946 an politische Mitverantwortung übernehmen durften,
haben zwar, mit Ausnahme der Kommunisten, einer politischen Lostrennung vom total
besiegten Deutschen Reich zugestimmt, eine Einverleibung in den französischen Staats-
verband im Sinne des MRS aber entschieden abgelehnt.
In dieser politischen Festlegung unterschied sich der saarländische Separatismus gänzlich
von der schleswigschen Loslösungsbewegung, die sogar freiwillig auf eine Einverleibung
in den dänischen Staatsverband drängte. Die von Erdmann gezogene Parallele zwischen
beiden Vorgängen ist daher von der inhaltlichen Zielsetzung her erheblich zu relati-
vieren48. Der saarländische Separatismus christlicher Prägung gehört im Grunde in die
Kategorie eines Partikularismus, wie ihn etwa die Gruppe in der rheinischen CDU um den
Kölner Juristen Fritz Opitz oder der spätere rheinland-pfälzische Kultus- und Justizmini-
ster Adolf Süsterhenn (CDU) und der spätere, ebenfalls der CDU angehörende Minister-
präsident Südbadens, Leo Wohieb, vertreten haben. Insbesondere zwischen Wohieb und
Hoffmann gab es in der politischen Grundhaltung und Taktik ein hohes Maß an Überein-
stimmung. So hat Wohieb, dem, wie Eschenburg es formuliert hat, „eine Art südwestdeut-
scher Eidgenossenschaft in einem späteren, lockeren deutschen Staatenbund“ vor-
schwebte49, erbittert gegen den sogenannten Südweststaat gekämpft. Er erhielt dabei,
wenngleich seine Zielsetzung von einem weitgehend eigenständigen Südbaden anders
motiviert war als die französischen Absichten, durch die Militärregierung in Baden-Baden
„regelrecht und reichlich“ Hilfe. „Seit 1948 ließ ihm die französische Militärregierung in
den Angelegenheiten seines Landes freie Hand, soweit nicht ihre eigene Interessen tangiert
wurden“50. Auch im Schulpolitischen gab es einen Gleichklang zwischen beiden Politi-
kern. Sowohl Wohieb als auch Hoffmann gingen vom Grundsatz eines konfessionell
strukturierten Schulsystems aus entschlossen auf das Problem der schulischen Chancen-
4 Vgi. oben, S. 34 f.
4S K. D. Erdmann, S. 703.
49 T. Eschenburg, S. 64. Vgl. hierzu auch P. L. Weinacht (Hrsg.), der das von Eschenburg
etwas verzerrte Bild eines skurrilen Lokalpolitikers zu korrigieren sucht. Hingewiesen sei auch
auf die Ausführungen von Schwarz über die auf Westorientierung, Föderalismus und Autono-
mismus ausgerichtete Publizistik der unmittelbaren Nachkriegszeit, die vornehmlich im Westen
und Südwesten Deutschlands erschien. H.-P. Schwarz, S. 393—422.
50 T. Eschenburg, S. 64.
143
gerechtigkeit zu, wobei sich beide an die bildungspolitischen Wertvorstellungen des so-
zialen Katholizismus anlehnten51.
Was Wohieb erspart blieb, war die Rücksichtnahme auf eine présence française à la Sarre,
und es wäre wissenschaftlich müßig, hypothetische Spekulationen darüber anzustellen,
wie sich der Südbadenser Wohieb in einer vergleichbaren Situation wie an der Saar verhalten
hätte. Im Saarland war dieser Anspruch konkret, seine uneingeschränkte Respektierung
bedingte überhaupt das Recht der Parteien zum politischen Handeln. Dies zwang sie zu
Kompromissen und zu einer Anpassung, die oft die eigene politische Identität und Inte-
grität berührten und sicherlich auch das beanspruchte Recht auf Selbstverwirklichung
fraglich erscheinen ließ52. Ein Spiegelbild dieses Dilemmas ist die am 17. Dezember 1947
in Kraft gesetzte saarländische Verfassung. Ihr wurde eine feierliche Erklärung vorge-
stellt, die die politische Entscheidung der Trennung von Deutschland und den Wirt-
schaftsanschluß an Frankreich als endgültige Regelung ebenso festschrieb wie die Bürger-
und Freiheitsrechte als Ausdruck einer politisch wirksam gebliebenen rechtsstaatlichen
Idee an der Saar. Mit dieser Verfassungspräambel und den saarländisch-französischen
Haushalts- und justizkonventionen, deren verfassungsrechtliches Inkrafttreten Frank-
reich zur Vorbedingung seiner Zustimmung zur Verfassung machte, wurde das von außen
aufgezwungene Statut zur eigentlichen Verfassungsgrundlage gemacht53, die jede Einzel-
entscheidung, und mochte sie auch ganz vom Willen zum liberal-demokratischen und
rechtsstaatlichen Prinzip getragen sein, angreifbar machte, wenn sie sich gegen die saar-
ländisch-französische Interessenallianz wandte54. Die sehr fragwürdige Methode der
Kopplung von an sich unvereinbaren Positionen ist zugleich der eigentliche Grund für die
umstrittene Legitimation der saarländischen Verfassung vom 17. Dezember 1947 und
weniger die oft kritisierten Begleitumstände wie der Ausschluß von 35 000 wahlberech-
tigten Saarländern oder die angebliche Verschleierung des Wahlziels vom 5. Oktober
1947, als in einem Wahlgang und mit einer Stimme der Landtag gewählt und über die Ver-
fassung abgestimmt wurde. Die saarländische Politik hat bis in die Tage des Abstim-
mungskampfes im Jahre 1955 den hier schon spürbar werdenden Widerspruch zwischen
51 Vgl. dazu Wohiebs Denkschrift „Die soziale Gestaltung der Schule“, in der er den Weg zu gerech-
teren Bildungschancen vor allem in einem anzugleichenden Wertverhältnis von beruflicher und
allgemeiner Bildung propagierte, in der Gegenüberstellung zum Programm der CVP, das im Ab-
schnitt III unter Punkt 5 die Förderung aller Begabten ohne Rücksicht auf ihre soziale Herkunft
verlangte. Dies war eine stete Forderung des Zentrums gewesen, die in ihrem Ursprung auf den
„linken“ Flügel dieser Partei zurückging. Die Denkschrift Wohiebs ist auszugsweise abgedruckt
bei J. Hohlfeld, Bd. VI (Dok. 32 b), die schulprogrammatische Aussage der CVP bei R. H.
Schmidt, Bd. 1, S. 575 (Anhang: CVP des Saarlandes — Programm).
52 Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die Krise, von der die CVP um die Jahreswende
1946/47 erfaßt wurde und die nur dadurch überwunden werden konnte, daß man sich program-
matisch auf eine ausdrückliche Absage an jede Form eines politischen Anschlusses einigte. Kon-
trahenten in diesem heftigen Streit waren vor allem Hoffmann und Koßmann. Nach Bericht der
Sûreté innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat Februar 1947. LA Saar-
brücken, Bestand Handeisamt Saar Nr. 5.
53 Zur Entstehungsgeschichte der saarländischen Verfassung vgl. im einzelnen H. Schneider, S.
88 ff.
54 Selbst Hoffmann räumt ein, daß „die im Wortlaut negativ ausgedrückte Herauslösung aus dem
deutschen Staatsverband eine besondere Schwierigkeit“ war. Wenig spater spricht er von einem
notwendigen positiven Bekenntnis zur Wirtschaftsunion, um die „zu Tage tretenden Friktionen“
gegen sie zu eliminieren. J. Hoffmann, Ziel, S. 94. Angemerkt seien an dieser Stelle zudem noch
die weitgehenden Überwachungs-, Genehmigungs- und Rechtskompetenzen, die nach Inkraft-
treten der Verfassung dem Hohen Kommissar verblieben. Sie sicherten ihm bis zum Abschluß der
Konventionen im Jahre 1950 sozusagen die Stelle eines Statthalters zu.
144
ihrem regionalistisch geprägten Willen zur Selbstbehauptung im Rahmen rechtsstaatli-
cher Setzungen und dem Zwang zur Anpassung an eine fremde nationale Oberhoheit
zwar abschwächen aber niemals durchgreifend auflösen können, wie vor allem das zum
Teil ruppig und mit taktischen Finessen geführte Gerangel um Parteienverbote, Presse-
recht55 und Ausweisung unliebsamer Politiker beweist.56
Auch die Bildungspolitik geriet in wichtigen Fragen in den Sog des Zwiespältigen, da der
Saarstatus trotz der von Anfang an geäußerten Zusicherung, die kulturelle Autonomie
der Saarländer respektieren zu wollen57, im Grunde das gesamte gesellschaftspolitische
Leben erfaßte58, so daß auch hier, freilich eher in mittelbarer Weise, seine bedrängende
Wirkkraft spürbar wurde. Der Artikel 30 der saarländischen Verfassung vom 17. 12.
1947, der die Lehre der französischen Sprache zur Entwicklung der kulturellen Bezie-
hungen zwischen Frankreich und dem Saarland verbindlich erklärte, ferner das saarlän-
disch-französische Kulturabkommen aus dem Jahre 1948 mit seinen weitreichenden Be-
stimmungen über den französischen Sprachunterricht und die saarländische Universität
sowie die französischen Schulen in ihrer Eigenschaft als Bildungsstätten schulpflichtiger
saarländischer Kinder und nicht zuletzt die Existenz und Geschichte der saarländischen
Hochschule sind die wohl aussagekräftigsten Belege für diese Rückwirkungen des franzö-
sischen Kontroll- und Gegenwartsanspruchs auf das Bildungswesen an der Saar. Obgleich
diese Tatbestände und die sie begleitenden Vereinbarungen und Richtlinien den deut-
schen Charakter des öffentlichen Bildungssystems prinzipiell nicht infrage stellten, so
55 Zur Medienpolitik der saarländischen Regierung neuerdings A. H. V. Kraus, S. 70 ff. Vgl.
auchD. Berwanger und die Studie von H.Schwan über den Saarländischen Rundfunk 1945
-1955.
56 Besonderes Aufsehen hat die im Januar 1948 ohne Angabe von Gründen erfolgte Ausweisung des
Pfarrers Franz Bungarten erregt, der 35 Jahre im Saarland tätig gewesen war, zuletzt als Pfarrer
der Pfarrei St. Josef in Saarbrücken. Bungarten war wegen seines Widerstandes gegen den Natio-
nalsozialismus im Saarland bekannt geworden. Außerdem war er Gründungsmitglied der CVP.
Seine Ausweisung oder, wie Grandval es ausdrückte, die Nichtverlängerung seiner Aufenthalts-
genehmigung, erfolgte, das beweisen die schriftlichen Quellen eindeutig, aufgrund einer einsei-
tigen Maßnahme des Hohen Kommissariats. Überdies machen sie offenkundig, daß Hoffmann
über das ungenierte französische Vorgehen ebenso verbittert wie bestürzt war. Damit ist dieser
Vorgang aber auch zugleich Zeugnis für die Ferne der saarländischen Wirklichkeit des Jahres
1948 vom freiheitlichen rechtsstaatlichen Ideal, ein Eindruck, der zudem noch verstärkt wird
durch die von Grandval an Hoffmann vertraulich mitgeteilten Motive der Ausweisung. Danach
habe er auf Weisung seiner Regierung so handeln müssen, weil der Pfarrer Bungarten nach der
Zustimmung der saarländischen Bevölkerung zum Verfassungsentwurf a continué de déployer
une activité contraire aux principes mêmes inscrits dans le préambule de la Constitution.
Grandval an Hoffmann vom 9. 1. 1948. LA Saarbrücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Di-
rektors der Präsidialkanzlei, V C 1 a. In diesem Aktenstück findet sich der gesamte Schriftverkehr
zwischen Hoffmann und Bornewasser einerseits und Hoffmann und Grandval andererseits in
dieser Angelegenheit. Vgl. in diesem Zusammenhang F. Bungarten, S. 8 ff., J. Hoffmann,
Ziel, S. 141 ff. und H. Schneider, S. 150 ff.
57 Aus den bisher vorliegenden französischen Quellen läßt sich eine solche Zusicherung für das
Frühjahr 1947 ermitteln. Im Bericht der Sûreté innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für
den Monat März 1947 heißt es, daß MM. Bidault et Schuman ont donné l’assurance que les Sar-
rois pourraient conserver leurs mœurs et leur culture postérieurement au rattachement écono-
mique et qu’ils ne sont pas partisans du rattachement politique. LA Saarbrücken, Bestand Han-
delsamt Saar Nr. 5. Wahrscheinlich sind ähnliche Garantieerklärungen schon früher abgegeben
worden.
58 Die Beschneidung der bildungspolitischen Meinungsfreiheit an der Saar belegt die in der Anlage
9 im Anhang wiedergegebene Quelle. Es handelt sich um ein Schreiben des Hohen Kommissariats
an die Saarregierung vom 24. 1. 1950, in dem diese aufgefordert wird, die Redaktion der „Ge-
werkschaftlichen Rundschau“ wegen einer Kritik am Französischunterricht zurechtzuweisen.
LA Saarbrücken, Bestand Verwaltungskommission des Saarlandes Nr. 20.
145
wurde die saarländische Politik dennoch auch in diesem Bereich auf den Prüfstand ihrer
Glaubwürdigkeit gestellt. Dies geschah aber, wie überhaupt, erst vom Jahre 1950 an, als
sich eine Opposition gegen die „Separatisten“ zu regen begann und sich die saarländische
Frage im Rahmen europäischer Zielsetzungen erneut zu einem nationalen Zwist entwik-
kelte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die politischen Auseinandersetzungen um schuli-
sche Angelegenheiten an der Saar kaum anders ausgetragen als in anderen deutschen Län-
dern auch. Erst als die saarländische Politik mit Beginn der fünfziger Jahre in den natio-
nalen Interessenausgleich zwischen Deutschland und Frankreich gezogen wurde, begann
ein Widerstand gegen die vermeintliche Französierung des saarländischen Bildungswe-
sens spürbar zu werden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte es sich allerdings so entfalten,
wie es sich die mit Frankreich kooperationswilhgen Saarländer erhofft hatten. Insbeson-
dere die CVP schöpfte die relativ weitreichende Souveränität in Bildungsfragen aus, die
den Saarländern seit 1946 gewährt worden war. Schon bei den Gemeindewahlen am 15.
9. 1946 und bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung (zugleich Wahl des er-
sten saarländischen Landtags) am 5. 10. 1947 stellte sie die Frage der Bekenntnisschule
bewußt in den Vordergrund. Dieses Vorschieben der Schulfrage ist in Bezug auf die Wahl
von 1947 später von der deutschen Opposition als taktisches Manöver kritisiert worden,
weil dadurch die eigentliche Entscheidung, nämlich die Frage der Verfassung und ihre völ-
kerrechtswidrige Problematik verstellt worden sei59. Dieser Vorwurf deckt sich aber mit
dem wirklichen politischen Empfinden nur bedingt. Im Jahre 1947 glaubten die Politiker
aller zugelassenen Parteien einen modus vivendi gefunden zu haben, der eine ausreichende
Wahrung saarländischer Interessen unter den gegebenen Umständen eines machtbe-
wußten Besatzungsregimes erhoffen ließ. Dabei glaubte man vorerst ein Äußerstes er-
reicht zu haben, so daß alle Parteien konkret-praktische Fragen in den Vordergrund ihrer
Werbung rückten. Die Schule erreichte dabei neben sozialen und wirtschaftlichen Fragen
besondere Popularität. Sie war sogar ein Gegenstand, der von den Parteien als geeignet er-
kannt wurde, die Bürger aus einer damals herrschenden politischen Lethargie herauszu-
führen.
2. Die verfassungsrechtliche Regelung der öffentlichen Bildung
2.1 Die Parteien und ihre Schulprogramme
Im Dezember 1945 verfügte die zentrale französische Militärregierung in Baden-Baden
die Wiederzulassung von Parteien und Verbänden60, so daß sich mit Beginn des Jahres
1946 das interne politische Leben in ihrer Besatzungszone und damit auch an der Saar all-
mählich wieder organisieren konnte. Die im Saarland um eine legale Existenz nachsu-
chenden politischen Gruppierungen mußten, wenn sie zugelassen werden wollten, wie im
übrigen Deutschland ihren verläßlichen demokratischen Charakter nachweisen, indem
sie politisch unbelastete Persönlichkeiten als Gründungs- und Vorstandsmitglieder be-
nannten und entsprechende Satzungen und Programme vorlegten. Die Erfüllung dieser
Forderung allein reichte aber an der Saar nicht für ein Mitwirkungsrecht aus. Es wurde
59 J. Hoffmann, Ziel, S. 99.
60 Verordnung Nr. 23 vom 13. 12. 1945 über die Gründung politischer Parteien demokratischer
und antinationalistischer Richtung und Verordnung Nr. 22 vom 12. 12. 1945 über die Wieder-
herstellung des Vereinsrechts.
146
erst gewährt, wenn die erklärte Bereitschaft zur saarländisch-französischen Zusammen-
arbeit im Rahmen der vorgesehenen Wirtschaftsunion vorlag. Die Wirkung dieser er-
zwungenen Verpflichtung verdeutlicht vor allem die Parteiengeschichte der Liberalen
(Deutsche Partei des Saarlandes (DPS)), die erst zugelassen wurden, nachdem sie ihren
Widerstand gegen eine Politik des ökonomischen Anschlusses und der Autonomie aufge-
geben hatten. Als sie, nachdem im Jahre 1950 die Führung an Richard Becker und Hein-
rich Schneider übergegangen war, erneut und noch heftiger gegen diese Grundentschei-
dung zu opponieren begannen, da wurden sie wegen „staats- und verfassungsfeindlicher
Betätigung“61 verboten62. Bis zu diesem Zeitpunkt strukturierte sich das zugelassene poli-
tische Parteienleben aus Christdemokraten (CVP), Sozialdemokraten (SPS), Liberalen
(DPS) und Kommunisten (KP).
Schulprogrammatisch orientierten sich diese Parteien, wie bereits im vorigen Kapitel fest-
gestellt wurde, an überlieferten Erfahrungen der deutschen Bildungsgeschichte, d. h., sie
übernahmen im Geist ihrer weltanschaulichen Bindung jeweils die bildungspolitischen
Positionen, die ihrer parteipolitischen Geschichte entsprachen: Die CVP vertrat katego-
risch das dogmatische katholische Schulprogramm des Zentrums, die SPS verfocht den sä-
kularen bildungsoptimistischen Standort der deutschen Sozialdemokratie, die DPS sorgte
sich um das Prinzip der interkonfessionellen nationalen Einheitsschule mit Religionsun-
terricht und die Kommunisten forderten entschieden die klassenlose atheistische Einheits-
schule. Kern der schulpolitischen Aussage aller Parteien war also, wie in der Weimarer
Zeit auch, die Frage nach dem Charakter der öffentlichen Bildung, den sie insbesondere
für den Bereich der Volksschule näher festzulegen trachteten. Das traf vor allem auf die
CVP zu, die mit ihrem bereits oben konstatierten Anspruch auf ein christlich geprägtes
Schulwesen erheblich dazu beigetragen hat, daß alle saarländischen Parteien die Gestal-
tung des Lebensbereichs Schule in enger Anlehnung an ihre jeweiligen Wertvorstellungen
vom Staatszweck zu begründen suchten. Diese Grundhaltung hatte zur Folge, daß an der
Saar der Maßstab schulpolitischer Willensbildung fast ausschließlich von den bildungsge-
schichtlichen Erfahrungen in Deutschland und nicht von den zum Teil emanzipatorisch
und sozialkritisch akzentuierten Schulempfehlungen der alliierten Siegermächte be-
stimmt wurde.
2.2 Die historisch begründeten Sonderinteressen des politischen Katholizismus
in Schulfragen
Der bewußte Rückgriff der saarländischen Parteien auf die Vergangenheit in der Schul-
frage macht es notwendig, an dieser Stelle in gebotener Kürze auf ihre historische Ent-
wicklung in Deutschland einzugehen. Sie hat ihren eigentlichen Ursprung im Wandel un-
seres Landes zum Industriestaat, zu dem sich in Korrelation die neuzeitliche Bildungsge-
sellschaft auszuprägen begann. Die Anfänge dieses Prozesses finden sich im frühen 19.
Jahrhundert, als das Verhältnis von Schule und Gesellschaft einerseits und Bildung und
Individuum andererseits neu bestimmt werden mußte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts of-
61 J. Hoffmann, Ziel, S. 448.
62 Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des Geschehens im Saarland bis 1955, daß die Kommunisti-
sche Partei ungeachtet ihrer Gegnerschaft zum wirtschaftlichen Anschluß und zur politischen
Absonderung der Saar von Deutschland nicht für illegal erklärt wurde und ungehindert politisch
aktiv bleiben durfte.
147
fenbarte sich dieser Wandel zu neuzeitlichen Bildungsauffassungen immer mehr als ein
Säkularisierungsprozeß besonderer Art, der seine Impulse vor allem durch die Entwick-
lung großflächiger Staatsstrukturen und ihre verwaltungsmäßige Durchdringung, den
Aufbruch zur nationalstaatlichen Einigung sowie die bereits erwähnte Industrialisierung
empfing. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Veränderungsprozesse waren die gesetzlich
eingeführte allgemeine Schulpflicht, die Vorrangigkeit der staatlichen Schulaufsicht und
schließlich der Ausbau und die fortschreitende Differenzierung des öffentlichen Schulsy-
stems. Es gehört zur Individualität der deutschen Bildungsgeschichte, daß die Kirchen un-
geachtet der immer stärker spürbar werdenden weltlichen Bestimmung und Ausrichtung
des Schulwesens bis weit in die Zeit unseres Jahrhunderts ihre Mitverantwortung im öf-
fentlichen Bildungssektor wahren konnten. Diese bemerkenswerte Tatsache verdanken
sie vor allem ihrer langen Tradition als anerkannte Bildungs- und Erziehungsmächte. Ins-
besondere die katholische Kirche und die politische Bewegung des deutschen Katholi-
zismus setzten dem Drängen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft nach pädagogischem
Fortschritt und schulischer Effizienz eine programmatische Alternative entgegen, die ge-
danklich in enger Verbindung zur transzendentalen thomistischen Staatsphilosophie des
christlichen Mittelalters und ihrer idealistischen Vorstellung von einer formatio chri-
stiana stand. Die Wechselbeziehung von Staat und Schule im Zeichen gottgewollter Ord-
nungsstrukturen war für den katholischen Standpunkt eine unabdingbare Forderung.
Kennzeichnend hierfür ist eine Kernaussage des Zentrumschronisten Karl Bachem, der
für die Weimarer Jahre die Schulfrage wie folgt umschrieb:
„Mit der konfessionellen Volksschule steht und fällt das wichtigste Bollwerk für den
christlichen Staat, soweit wir ihn aus den glaubensstarken Zeiten des christlichen Mittel-
alters noch gerettet haben“63.
Dieses Zitat belegt nicht nur die tiefe Verankerung der schulpolitischen Zielsetzungen des
Katholizismus in einem geschlossenen christlichen Menschen- und Weltbild und seine auf
letzte Prinzipien zurückgreifenden Begründungen, sondern zugleich auch sein primäres
Interesse an der Volksschule, jener Bildungsstätte, die im Schnitt bis in die sechziger Jahre
unseres Jahrhunderts von mehr als 80 v. H. aller Jungen und Mädchen besucht wurde64.
Ihre Festschreibung als konfessionelle Regelschule war daher eine ständige Forderung des
katholischen Lagers. Die Interkonfessionalität der Mittelschulen und Gymnasien in
Deutschland ist dagegen von der katholischen Seite stets toleriert worden. Das war auch
an der Saar so.
Der politische Katholizismus, der sich im Zuge der politischen Entwicklung in Deutsch-
land etwa vom Jahre 1870 an in Parteien und Verbänden formierte und dessen be-
kannteste und bedeutendste Gruppierung die Deutsche Zentrumspartei war, hat sich
mit seinem schulischen Generalziel von der konfessionellen Volksschule, das er trotz
mancher Richtungskämpfe um ordnungspolitische Grundsätze und ungeachtet seiner he-
terogenen Wählerstruktur stets einheitlich vertreten hat, freilich niemals generell durch-
setzen können. Vor allem die preußische Bildungsgeschichte und die der Weimarer Repu-
blik, an denen das Saarland partizipiert hat, weisen viele Beispiele auf, die die schulpoliti-
sche Defensivposition des Katholizismus in dieser Frage belegen. Schon das Preußische
63 K. Bachem, Bd. 1,S.28.
64 Vgl. hierzu im einzelnen die auf S. 39 und S. 276 angegebenen Zahlenwerte für das Saarland und
für die Bundesrepublik Deutschland.
148
Einen Ausgleich fand man auch in späteren Jahren nicht, und so wurde Weimar insgesamt
eine Zeit, in der sich der Katholizismus schulpolitisch zwar mühsam behaupten konnte,
kenntnismäßigen Struktur des Elementarschulwesens im Interesse einer geschlossen wir-
kenden öffentlichen Bildung relativiert. Die Verfassungsurkunde aus dem Jahre 1850
folgte dieser Empfehlung, indem sie im Artikel 24 verkündete: Bei der Einrichtung der öf-
fentlichen Volksschulen sind die konfessionellen Verhältnisse möglichst zu berücksich-
tigen65. Die dort im Artikel 26 angekündigte gesetzliche Regelung des Unterrichtswesens
kam erst nach sechs parlamentarischen Anläufen im Jahre 1906 zustande. Das soge-
nannte Volksschulunterhaltungsgesetz, das damals Rechtskraft erlangte, beendete ein
jahrzehntelanges Tauziehen, das im Kulturkampf seinen Höhepunkt erreicht hatte, mit
einem Kompromiß. Er bestand darin, das das Gesetz einerseits auf eine definitive Bestim-
mung des konfessionellen Charakters der preußischen Volksschule verzichtete, anderer-
seits aber die Bekenntnisschule, wo sie traditionell bestand, prinzipiell in ihrer Existenz
nicht mehr infrage stellte. Überbrückt werden konnte damit der weltanschaulich begrün-
dete Anspruch des Liberalismus auf ein bildungsökonomisch effizientes, einheitlich-zen-
tralistisches und im Grunde säkulares Schulleben und die Forderung des Katholizismus
nach einem ganzheitlichen Unterricht und (religiöse) Erziehung umfassendes Bildungssy-
stem, das im Einklang stand mit dem religiösen Lebenswillen des katholischen Staatsbür-
gers. Dennoch hat das Gesetz den schulpolitischen Argwohn der Katholiken niemals ganz
eliminieren können, denn es bedeutete nur „eine höchst unzureichende Sicherung der
staatlichen Volksschule als Konfessionsschule“65 66.
ln den ehemals bayerischen Teilen des Saarlandes war das konfessionelle Prinzip im
Volksschulbereich verfassungsrechtlich zwar stärker im Sinne katholischer Grundsätze
abgesichert, gleichwohl war auch die Bildungsgeschichte Bayerns nicht frei von Schul-
kämpfen. So konnte dort ein Angriff auf die bekenntnisgebundene Volksschule, der in
Form eines liberalen Schulgesetzentwurfs mit Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts vorgetragen wurde, nur mühsam abgewehrt werden. Im Jahre 1873 wurde in
Bayern immerhin das Pfarrschulprinzip durch das Gemeindeschulprinzip ersetzt und die
Simultanschule auf Antrag unter allerdings erschwerten Bedingungen rechtlich zuge-
lassen.
In der Weimarer Zeit, als der Staat sogar ganz im Sinne des weltanschaulichen Libera-
lismus verfassungsrechtlich für säkular erklärt worden war, und das Reich Kompetenzen
in der Gestaltung des öffentlichen Bildungswesens erhalten hatte, wurde die Schule, als
Einrichtung an der unmittelbaren Nahtstelle des Verhältnisses von Kirche und Staat ange-
siedelt, zwangsläufig und reichsweit zum Stichwort für eine ideologisch motivierte und
leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung, die Theodor Litt im Jahre 1926 in ihrer Ur-
sache wie folgt sah:
„Daß die Schule des Staates und die religiösen Bekenntnisse nicht zu einer glatten, beide
Seiten befriedigenden Einigung kommen können, das ist nicht die Folge von verbohrtem
Eigensinn, Beschränktheit und Herrschsucht, sondern beruht auf einem Gegensatz, der in
den letzten Gründen unseres Daseins liegt“67.
65 Zitiert nach B. Michael und H. H. Schepp, Bd. 1, S. 300 (Dok. 29).
66 K. Bachem, Bd. 6, S. 282.
67 T. Litt, Religion und Kultur, Aufsatz in: Die Erziehung, 1926, S. 85. Zitiert nach J. Schröteler,
149
Landrecht aus dem Jahre 1794, das später auch in der Rheinprovinz und in den zu ihr ge-
hörenden Teilen des Saarlandes schulrechtlich wirksam wurde, hatte die Frage einer be-
ohne allerdings seinen Anspruch auf eine ganzheitliche Einordnung der öffentlichen Bil-
dung nach der von ihm proklamierten Auffassung von Staat, Gesellschaft und Kultur
durchsetzen zu können. Gerade in der Weimarer Zeit zeigte es sich, daß der aus sozial-
theologischen Beweggründen geborene Subsidiarismus der katholischen Schulpolitik
unvereinbar war mit dem liberalen und sozialistischen Emanzipationspostulat vom sich
selbst bestimmenden Staatsbürger und dem politischen Gebot, die potentiellen Kräfte
einer Nation zum Wohle des Ganzen ohne Reibungsverluste zu einigen. Im „Leidensweg“
des Reichsvolksschulgesetzes, eine Metapher, mit der das erbitterte aber dennoch vergeb-
liche parlamentarische Ringen um Struktur, Charakter und Bildungsaufgabe der Volks-
schule, ausgehend von den unklaren und mehrdeutigen Formulierungen des Artikels 146
Absatz 2 der Reichsverfassung68 bis zum Jahre 1928 umschrieben worden ist, spiegelt
sich am deutlichsten der starke Gegensatz zwischen dem Anspruch des Liberalismus und
Sozialismus auf ein gesellschaftlich und staatlich integrierend wirkendes Bildungssystem
und der Sorge des Katholizismus wider, seine Identität zu verlieren, wenn er die
(Volks-)Schule als zentrales Instrument für die christliche Selbstverwirklichung verlieren
würde. Die bildungspolitisch dramatische Zeit von Weimar offenbarte erst recht, daß mit
der für die katholische Politik so bedeutsamen Schulfrage stets auch das Verhältnis des ka-
tholischen Bevölkerungsteils zur Idee des deutschen Nationalstaates im allgemeinen und
zur Republik von Weimar im besonderen berührt wurde69, d. h., der Gedanke der natio-
nalen Einheit im Rahmen einer zunehmend mobiler werdenden Industriegesellschaft und
einer immer stärker spürbar werdenden Verweltlichung des kulturellen Lebens forderte
den kirchentreuen katholischen Bürger ständig zu einer sensiblen Haltung in bildungspo-
litischen Angelegenheiten heraus. Die Erhaltung der Konfessionsschule wurde für ihn so-
zusagen zum Testfall für seinen Anspruch an Staat und Gesellschaft auf ein religiöses Le-
bensrecht. Der totalitäre Bildungsgedanke des Nationalsozialismus verhärtete diese Ein-
stellung zwangsläufig und endgültig, weil der Katholizismus nach der Euphorie über die
für ihn äußerst günstigen Schulbestimmungen des Reichskonkordats in bitterer Erfah-
rung einer Selbsttäuschung bald die Unvereinbarkeit seiner Erziehungslehren mit dem
apädagogischen Biologismus des Nationalsozialismus erkennen mußte. Die Gewaltpo-
litik der Hitlerbewegung, die im Bereich der öffentlichen Bildung mit den Schulkämpfen
der Jahre 1937 und 1938 einen Höhepunkt erreichte, mobilisierte den Katholizismus voll-
ends zu einer Abwehrhaltung gegenüber kirchen- und glaubensfeindlichen Bestrebungen
im Schulbereich70.
Die Erfahrungen fortwährender Auseinandersetzungen um die Schule, die in ihrer Wech-
selbeziehung zum unaufhaltsamen Takt des industrie- und nationalstaatlichen Zeitalters
68 Der Text lautete: Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von Erziehungsberechtigten
Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein
geordneter Schulbetrieb, auch im Sinne des Abs. 1, nicht beeinträchtigt wird. Der Wille der Er-
ziehungsberechtigten ist möglichst zu berücksichtigen. Das Nähere bestimmt die Landesgesetz-
gebung nach den Grundsätzen eines Reichsgesetzes. Zitiert nach B. Michael und H. H.
S ch ep p, Bd. 2, S. 52 (Dok. 5), Der Streit ging im Kern um die Frage, ob die konfessionelle Volks-
schule als Regelschule gleichberechtigt oder nur nachrangig neben der als christlich bezeichneten
Gemeinschaftsschule existieren sollte.
69 Vgl. hierzu im einzelnen G. Grünthal.
70 Vgl. dazu H. Hermans, Streit und H. Hermans, Zukunft.
150
im Katholizismus den Argwohn von der Bedrohung seiner christlichen Lebenswelt auf-
keimen ließ, ein Prozeß, der in der nationalsozialistischen Zeit überdies eine besondere Di-
mension erreichte, muß als Prämisse auch für die katholische Schulpolitik an der Saar
nach 1945 zur Kenntnis genommen werden, deren Anwalt die CVP unter Johannes Hoff-
mann wurde. Die Bedeutung dieser Anwaltschaft ist dabei ebenso in einem religiös gebun-
denen schulpolitischen Willen zu sehen als auch in dem durch die Säkularisierung provo-
zierten Hang, insgesamt die politische Kultur der Neuzeit im Geiste eines christlichen
Weltbildes bestimmen zu wollen.
Aus diesem Streben heraus die Behauptung abzuleiten, die CVP, die nach den Worten
Hoffmanns als „Christliche Gruppe“ im Saarland „an die Arbeit des deutschen Zentrums
anknüpfen“ wollte71, habe um ihres Standorts in der Schulpolitik willen Separation be-
trieben, wäre freilich nicht berechtigt. Ebenso verfehlt wäre auch der historisch untaug-
liche Versuch, aus der deutschen Bildungsgeschichte und ihrer säkularen Entwicklung
eine Separationshaltung des saarländischen Katholizismus konstruieren zu wollen. Sepa-
ration und Schule standen für die CVP nur insoweit in Beziehung, als sie in einer beson-
deren, von außen aufgezwungenen Bewährungssituation einer Wertentscheidung ausge-
setzt wurde, in der die Aussicht auf ein christlich geprägtes Bildungswesen mitausschlag-
gebend wurde, um die Lostrennung der Saar vom deutschen Staatsverband zu rechtfer-
tigen. Dafür spricht nicht zuletzt die „primäre Bedeutung“, die die CVP der Frage der Be-
kenntnisschule in den Wahlkämpfen der Jahre 1946 und 1947 beimaß72. In ihrer gesi-
cherten Existenz sah sie durchaus einen lebenswerten Vorteil, der mit Blick auf die von ihr
unterstützte verfassungsrechtliche Duldung einer informellen Fremdherrschaft kompen-
sierend wirken konnte. Abgekoppelt von hinderlichen kulturpolitischen Zwängen der
Vergangenheit73 und angesichts der von Frankreich zugesicherten Kulturautonomie
sowie der an der Saar zu erwartenden klaren Majorität der CVP stand nämlich der Ver-
wirklichung eines Schulprogramms, das gänzlich den tradierten Forderungen des deut-
schen Katholizismus entsprach, nichts mehr im Wege. Dazu gehörten vor allem: das in-
takte Verhältnis von Kirchen- und Schulgemeinde, die bevorzugte Stellung des Religions-
unterrichts im allgemeinen sowie die christliche Durchformung des gesamten Unterrichts
im Bereich der Volksschule, die konfessionelle Volksschullehrerbildung, die elterliche
Mitbestimmung im Sinne katholischer Rechtsauffassung, die Zulassung und Einrichtung
von kirchlichen Privatschulen und letztlich auch die Ablehnung der Koedukation74.
2.3 Die Gestaltung der Schulartikel nach dem Diktat der CVP
Die CVP hat ihr bildungspolitisches Hauptziel von einem christlich geprägten und konfes-
sionell gegliederten Volksschulwesen unbeirrt in den Beratungen zur saarländischen Ver-
fassung im Jahre 1947 durchgesetzt. Sie tat dies unbeeindruckt von den Argumenten, die
71 J. Hoffmann, Ziel, S. 25.
72 J- Hoffmann, Ziel, S. 99. Vgl. in diesem Zusammenhang auch einen Artikel zur Schulfrage in
der Saarländischen Volkszeitung, die der CVP bekanntlich sehr nahestand, vom 1.2.1947. Dort
wird offen mit einem Schulkampf gedroht, falls die von dem sozialdemokratischen Stadtschulrat
Friedrich Margardt angekündigte allgemeine Einführung von Gemeinschaftsschulen im Volks-
schulbereich in der Stadt Saarbrücken durchgeführt würde.
73 In diesem Sinne z. B. angesprochen von J. Hoffmann, Ziel, S. 111 und S. 118.
74 Vgl. hierzu das Programm der CVP aus dem Jahre 1946, Abschnitt III: Christliche Kultur. Abge-
druckt bei R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 575.
151
die anderen Parteien im Sinne ihrer programmatischen Ausrichtung für pädagogischen
Fortschritt, größere Chancengleichheit und bessere schulische Leistungsstrukturen vor-
brachten. Beirren konnte sie auch nicht der im Geist des weltanschaulichen Liberalismus
votierende Senatspräsident Alfred Levy74a, der an den Verfassungsberatungen als MRS-
Vorstandsmitglied und „Treuhänder“ der Militärregierung beteiligt war. Levy be-
kämpfte als Repräsentant einer Organisation, die das Ziel der Annexion der Saar durch
Frankreich verfolgte, vor allem das von der CVP verfochtene Prinzip der Bekenntnis-
schule. Im Rückgriff auf das politische Generalziel des MRS warf er in scharfen Wen-
dungen Hoffmann und seinen Freunden vor, sie wollten mit der Konfessionsschule nichts
anderes als einen kirchlich-politischen Westwall schaffen75. Mit dieser Attacke Levys ist
aber zugleich auch der einzige nennenswerte Beleg versuchter bildungspolitischer Ein-
flußnahme des MRS auf die verfassungsrechtliche Regelung der Schulfrage genannt. An-
sonsten blieb sie eine rein saarländische Angelegenheit, wobei SPS und DPS in der ihnen
jeweils eigenen Gegnerschaft zum konfessionellen Prinzip die textliche Fassung der Schul-
artikel zu gestalten suchten.
Profiliertester Sprecher dieser schulpolitischen Koalition war Heinz Braun (SPS)76, ein
Bruder Max Brauns, des sozialdemokratischen Parteiführers im Saargebiet bis 1935.
Dieser war im Juni 1945 im britischen Exil verstorben. Heinz Braun, im Jahre 1947 Ge-
neralstaatsanwalt und später im 1. und 3. Kabinett Hoffmann Justizminister, griff als ver-
sierter Kenner öffentlichen Schulrechts sofort den Schlüsselbegriff katholischer Schulpo-
litik, das Elternrecht, an. Mit seinen Plädoyers für ein schulisches Entscheidungsrecht der
Erziehungsberechtigten im Geiste emanzipatorischer Selbstbestimmung versuchte er
immer wieder die dogmatische Formel der katholischen Seite vom natürlichen Elternrecht
infrage zu stellen77, das in seinem metaphysisch begründeten Ansatz konsequenterweise
nicht als ein „autonomes“ aufgefaßt wurde, sondern eingebunden blieb in die Pflicht zur
Taufe und dem Gebot zur katholischen Kindererziehung. Den Kampf sagte er auch dem
Prinzip der Konfessionsschule an. Ausgehend vom laizistischen Schulprogramm des libe-
ralen Deutschen Lehrervereins, dem schärfsten außerparlamentarischen Widersacher ka-
tholischer Schulpolitik in der Weimarer Zeit, forderte Braun kategorisch eine simultane
Gemeinschaft auch für die Volksschule, denn die Trennung der Kinder infolge Religions-
verschiedenheit ist in der Schule durch nichts gerechtfertigt7*.
Der konkrete Hintergrund dieser Kritik lag in den völlig unterschiedlichen Maßstäben
von CVP einerseits und SPS und DPS andererseits in der Beurteilung schulischer Lei-
stungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit. Für die Christdemokraten war sie im Interesse
ihres Anspruchs von der Indienststellung der Schule in eine gottgefällige Erziehung in er-
ster Linie eine Angelegenheit religiöser Bildungswirksamkeit. Ihr Grad war nach Auffas-
74a Levy war zum 1. September 1946 zum Senatspräsidenten beim Oberlandesgericht Saarbrücken
ernannt worden.
75 Stenographische Niederschrift über die (15.) Sitzung der Verfassungskommission am 18. 8.
1947. Wiedergegeben bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S. 221 ff. Das Zitat steht
dort auf S. 224.
76 Vgl. J. Hoffmann, Ziel, S. 127.
77 Vgl. dazu seine Ausführungen in der (14.) Sitzung der Verfassungskommission am 13. 8. 1947
und in der (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes am 6. 11. 1947. Die
Passagen sind wiedergegeben bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S. 195 ff. und
S. 426 ff.
78 Ebenda, S. 195.
152
sung der CVP abhängig von einem gewissen katholischen Milieu in der sozialen Schulwelt
und einem garantierten Freiraum für die kirchliche Autorität in Bildungsangelegenheiten.
Sozialdemokraten und Liberale plädierten dagegen ganz im Sinne ihrer Formel vom mün-
digen Bürger und unter Flinweis auf die Wirklichkeit einer mobilen Industriegesellschaft
für pädagogische Toleranz und ein leistungsstarkes Bildungswesen. Dem von der CVP fa-
vorisierten Prinzip der konfessionell gebundenen christlichen Schulerziehung setzten sie
darum die optimistische Bildungserwartung einer technisch-wissenschaftlichen Lebens-
ertüchtigung entgegen. In den Auseinandersetzungen der Kontrahenten um die Existenz
der einklassigen Schule im Sinne des schulrechtlichen Begriffs „geordneter Schulbetrieb“,
die konfessionelle Volksschullehrerbildung und ihre seminaristische Organisation und
um die kirchliche Beaufsichtigung des Religionsunterrichts kam dieser Gegensatz am
stärksten zum Ausdruck79.
Obgleich die CVP in der 20-köpfigen Verfassungskommission aufgrund der bei Stimmen-
gleichheit ausschlaggebenden Stimme des Vorsitzenden Hoffmann nur eine knappe
Mehrheit behauptete80 und auch in der Gesetzgebenden Versammlung von den 50 Abge-
ordneten immerhin 22 gegen ihre schulrechtlichen Verfassungswünsche opponierten81,
so hat sie doch ohne besondere Rücksicht auf die, wie Walter Dirks es im Jahre 1955 all-
gemein ausdrückte, „reale Lebensgemeinschaft“ des mobilen Industriezeitalters82 83 ihren
zwangsläufig starren und singularisch angelegten Standpunkt einer konfessionellen Aus-
richtung des öffentlichen Schulbereichs an der Saar durchgesetzt. Festgeschrieben wurden
so die Befugnis der Eltern, auf der Grundlage des natürlichen und christlichen Sittenge-
setzes ... die Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen83 und, für den Volksschul-
bereich, das Prinzip der Bekenntnisschule84. Der Religionsunterricht erhielt ganz im Sinne
79 Vgl. dazu im einzelnen die stenographische Niederschrift über die (14.) Sitzung der Verfassungs-
kommission am 13. 8. 1947, die stenographische Niederschrift über die (15.) Sitzung der Verfas-
sungskommission am 18. 8. 1947, die stenographische Niederschrift über die (20.) Sitzung der
Verfassungskommission am 15. 9. 1947, die stenographische Niederschrift über die (2.) Sitzung
des Verfassungsausschusses der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes am 22.10.1947,
die stenographische Niederschrift über die (5.) Sitzung des Verfassungsausschusses der Gesetzge-
benden Versammlung des Saarlandes am 29. 10. 1947 und den stenographischen Bericht über
die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes am 6. 11. 1947. Die ange-
führten Quellen sind in der Reihenfolge ihrer Erwähnung abgedruckt bei R. Stöber (Pseu-
donym für H. Schneider), S. 194 ff., S. 221 ff., S. 299 ff., S. 330 ff., S. 343 ff., S. 396 ff. Vgl.
auch die stenographischen Berichte über die Sitzung der Unterkommission II „Kultur“ am 7. und
11. 8. 1947, S. 11 ff. Saarländischer Landtag. Archiv und Dokumentation. Vgl. auch B. F.
Fa ber, S. 185 ff.
80 Die Verfassungskommission setzte sich wie folgt nach Parteien zusammen: CVP 10, SPS 5, KP
2, DPS 2. Dazu kam, wie es im Bericht der Affaires Administration innerhalb der Saarbrücker
Militärregierung für den Monat Mai 1947 auf S. 3 heißt, ein Miglied, daß étant un magistrat sans
appartenance politique. Gemeint war damit das MRS-Vorstandsmitglied Alfred Levy. LA Saar-
brücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 6.
81 Vgl. hierzu den stenographischen Bericht über die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung
des Saarlandes am 6. 11. 1947. Die Schulartikel wurden mit den 28 Stimmen der CVP gegen 20
Neinstimmen angenommen. Die entsprechende Stelle im Protokoll ist abgedruckt bei R. S tö b e r
(Pseudonym für H. Schneider), S. 446. Bei der Wahl des saarländischen Landtags im Jahre
1947, der zugleich für die Aufgabe der Verfassungsgebung kompetent sein sollte, erreichte die
CVP 51,2 % der Stimmen. Die SPS kam auf 32,8 %, die DPS auf 7,6 % und die KP auf 8,4 %.
Sitzverteilung: CVP 28, SPS 17, DPS 3, KP 2.
82 W. Dirks, Schulstreit, S. 182.
83 Artikel 26 Absatz 2 der saarländischen Verfassung vom 17. 12. 1947.
84 Artikel 27 Absatz 2.
153
kirchlicher Wünsche die Steilung eines ordentlichen Lehrfaches85 86, wobei gleichzeitig seine
generelle Bedeutung auch für die Mittel- und Berufsschulen sowie für das Gymnasium ge-
sichert war, die laut Verfassung christliche Gemeinschaftsschulen86 sein sollten. Im Inter-
esse des konfessionellen Prinzips wurde der schulrechtliche Zentralbegriff „geordneter
Schulbetrieb“ in Beziehung zur einklassigen Schule gesetzt87 und schließlich die Ausbil-
dung der Volksschullehrer in konfessionellen Lehrerbildungsanstalten festgelegt88. Gene-
relle Einigkeit zwischen den Parteien bestand allein in der Frage der staatlichen Schulauf-
sicht89.
Hoffmann hat im Jahre 1963 das unbeirrte Vorgehen der CVP in der Schulfrage mit der
kirchentreuen Mentalität der saarländischen Bevölkerung begründet90. Setzt man seine
Bewertung jedoch in Beziehung zu einer empirischen Repräsentativumfrage des Sozial-
psychologischen Instituts Saarbrücken aus dem Jahre 1947, dann relativiert sie sich er-
heblich. Danach erklärten sich damals 54 % aller Befragten für die Einrichtung von kon-
fessionellen Volksschulen91. Dieser Prozentwert deckt sich annähernd mit den Stimman-
teilen der CVP bei den Wahlen der Jahre 1946 und 1947. Von den schulpolitischen Geg-
nern der CVP ist diese Mehrheit niemals infrage gestellt worden. Bezweifelt haben sie al-
lerdings, ob mit Hilfe des Mehrheitsprinzips die verfassungsrechtliche Legitimität einer
christlich interpretierten Bildungsverfassung zu rechtfertigen sei. Sie reklamierten die
Schulfrage als Gewissensfrage, die die persönlichen Grundrechte des einzelnen tangiere
und deshalb enger staatlicher Vorbestimmung zu entziehen sei. So appellierte zum Bei-
spiel der bereits mehrfach zitierte Braun unter Hinweis auf das von ihm positivistisch auf-
gefaßte Elternrecht in einer eindringlichen Mahnung an die CVP: Mit 51 Prozent können
Sie 49 Prozent nicht vergewaltigen. Mit welchen Worten der Überzeugung haben Ihre
Parteifreunde, das Zentrum im Reich, für das gekämpft, was ich jetzt beantrage. Der Wei-
marer Reichstag hat das angenommen, und meine Parteifreunde haben dafür gestimmt,
weil wir sagten, wir können die katholische Minderheit nicht majorisieren 92.
Diese Ausführungen, die offensichtlich auf den sogenannten Weimarer Schulkompromiß
und seine textliche Formulierung im Artikel 146 Absatz 2 der Reichsverfassung gemünzt
waren93, belegen nicht nur die Kontinuität deutscher Bildungsgeschichte im Saarland
nach 1945, sondern auch die bruchlose Wirksamkeit ihrer immanenten Spannungsmo-
mente, wie sie oben aus katholischer Sicht skizziert worden sind. Die CVP ist solchen An-
griffen stets mit dem Hinweis auf die Tradition der konfessionellen Schule an der Saar ent-
gegen getreten. Diese sei, so die Schulexpertin der CVP-Fraktion, die Neunkircher Rechts-
anwältin Irmgard Fuest, bei der Diskussion der Schulfrage in der Gesetzgebenden Ver-
sammlung am 6. 11.1947, für uns unter den gegenwärtigen historischen Umständen das
85 Artikel 29 Absatz 1.
86 Artikel 27 Absatz 4.
87 Artikel 27 Absatz 3.
88 Artikel 31
89 Artikel 27 Absatz 1.
90 J. Hoffmann, Ziel, S. 99.
91 Sozialpsychologisches Institut Saarbrücken, 4. Erhebung: Jugend und Erziehung, Saarbrücken
o.J. (1947), S. 6.
92 Stenographischer Bericht über die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes
am 6. 11. 1947. Zitiert nach dem Abdruck bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S.
428.
93 Siehe oben, S. 150 und die dortige Anm. 68.
154
Rechte; denn die konfessionelle Schule habe an der Saar eine lange und kämpferische Tra-
dition94. Fuest, die die verfassungsrechtlichen Wünsche ihrer Partei in einer bemerkens-
wert sachlichen Rede zu begründen wußte, erkannte durchaus die, wie sie sich ausdrückte,
unaufhebbare Problematik der Schulfrage an, indem sie nüchtern analysierend konsta-
tierte: Geschieden sind wir — das ist eine historische Tatsache — mag das uns lieb oder leid
sein, in einen christlichen und einen nichtchristlichen, in einen säkularisierten Volksteil9S 96.
Dennoch müsse sich, so Fuest, die CVP für die Bekenntnisschule als Regelschule ent-
scheiden, weil sie sich als christliche Partei mit einer Schulform, die die Gefahr einer
Gleichmacherei, einer Nivellierung, eines flachen optimistischen Hinwegsehens über den
Ernst der Bekenntnisse96 in sich berge, nicht abfinden könne.
2.4 Der Einstieg der Lehrerverbände
Die schulpolitische Selbstsicherheit der CVP stand freilich nicht nur in Zusammenhang
mit ihrer absoluten parlamentarischen Majorität, sie hatte ihre Ursache und Wirkung
auch in der Gewißheit, daß die Katholische Kirche und die organisierte katholische Leh-
rerschaft an der Saar hinter ihrem Schulprogramm stand. Die gemeinsame schulpolitische
Front von Katholischer Kirche und CVP belegt eine Notiz im Tagebuch des Trierer Gene-
ralvikars von Meurers. Danach ist der Saarbrücker Stadtdechant Prälat Philipp Kremer,
der schon bei der Gründung der CVP eine Rolle gespielt hatte97, privat von dem Vorsit-
zenden der Verfassungskommission, Herrn Johannes Hofmann (!), zur Mitarbeit an den
kirchlichen und Schulfragen herangezogen worden und hat einen Entwurf für die Ab-
schnitte vorgelegt... Die Bekenntnisschule ist als Regelschule bezeichnet98. Komplettiert
wurde die Allianz zwischen Katholischer Kirche und CVP, und zwar ganz im überlieferten
Geist des kämpferischen Verbandskatholizismus, durch die katholische Erzieherschaft.
Ihr Zusammenschluß war zwar schon seit Januar 1946 betrieben worden, doch kam es
erst am 8. Juni 1947 zur offiziellen Gründung des Verbandes katholischer Erzieher des
Saarlandes99. Die Ursache dieser langen Vorbereitungsphase wurzelte nicht in etwaigen
Behinderungen durch die Militärbehörden100, sondern in dem Willen, entgegen bishe-
rigem Brauch das Verbandsleben generell ohne Rücksicht auf Schulformen und Ge-
schlecht zu organisieren101. Dieses Streben nach Einheit vermochte jedoch konfessionelle
Barrieren nicht zu überwinden. Anregungen aus Lehrerkreisen, eine Einheitsorganisation
94 Stenographischer Bericht über die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes
am 6. 11. 1947. Zitiert nach dem Abdruck bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S.
423.
95 Ebenda, S. 422.
96 Stenographischer Bericht über die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes
am 6. 11. 1947. Zitiert nach dem Abdruck bei R. Stöber (Pseudonym fürH. Schneider), S.
423.
97 Vgl. R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 170 f.
98 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1947, S. 60. Die vollständige Quelle ist als Anlage 4 im Quellenan-
hang wiedergegeben.
99 Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch, S. 2.
100 Das Vereinsrecht war von der Militärregierung in Baden-Baden bereits im Dezember 1945
wieder hergestellt worden. Die entsprechende Verordnung, die bereits in der Anmerkung 60 auf
S. 146 erwähnt wurde, galt auch für das Saarland. Die näheren Ausführungsbestimmungen über
die Zulassungsbedingungen finden sich im Journal Officiel Nr. 25 vom 21. 12. 1945.
101 Es muß hier allerdings angemerkt werden, daß die Lehrerinnenverbände in Deutschland im Ge-
gensatz zu den Lehrervereinen stets Organisationen waren, die Erzieherinnen aller Schulformen
geschlossen in sich vereinigten.
155
ohne Rücksicht auf die Konfession102 zu bilden, sind von den katholischen Pädagogen
nicht angenommen worden; denn aus vielen Vorbesprechungen waren die kath. (oli-
schen) Lehrerinnen und Lehrer, auch Mittelschullehrer und Philologen sich klar, daß,
wenn ein Verband wieder entstehen sollte, er sich stärkstens an die Ideale anlehnen
müßte, die der einstige Verband katholischer Lehrerinnen vertreten und hochgehalten hat
103. Dieser programmatische Orientierungswille bedeutete zugleich ein klares und ent-
schiedenes Bekenntnis zu den Grundsätzen katholischer Bildungspolitik, galt doch gerade
der von Pauline Herber im Jahre 1885 gegründete und zur Zeit der Weimarer Republik
etwa 20 000 Mitglieder starke Verein katholischer deutscher Lehrerinnen seit jeher zu
den kompromißlosesten Verfechtern einer integralistischen konfessionellen Erziehung im
öffentlichen Bildungswesen102 103 104. Der katholische Lehrer- und Lehrerinnenverband zählte
bereits kurz nach seiner Gründung 1 065 Mitglieder105. Damit erreichte er bei einer Ge-
samtzahl von 2181 katholischen Lehrern, die damals insgesamt an den allgemeinbil-
denden Schulen des Saarlandes tätig waren106, einen relativ hohen Organisationsgrad von
etwa 48 %. Bis zum Jahre 1951 wuchs er in seiner Stärke auf rund 1 500 Mitglieder an107,
so daß er bei inzwischen 2 518 katholischen Lehrern 108 einen bemerkenswerten Organi-
sationsgrad von 60% erreichte. Erster Vorsitzender des Vereins war der Saarbrücker
Schulrat Gustav Schulz. Nach seinem Tod im Jahre 1950 übernahm Schulrat Peter Zenner
dieses Amt109. Zenner, in der Gedankenwelt des Katholizismus stark verwurzelt, war ein
im Saarland sehr bekannter Schulaufsichtsbeamter, der im Zuge der Entnazifizierung vor-
übergehend in das Amt eines Volksschulrektors nach Illingen versetzt worden und danach
als Lehrer des Seminars in St. Wendel tätig gewesen war110. Er war Vorsitzender des soge-
nannten kulturpolitischen Beirats der CVP111 und gehörte in seiner Partei jenem Flügel an,
der aus der Zentrumstradition kommend und vertreten durch Männer wie Koßmann,
Bungarten und Danzebrink die geschichtlichen Bindungen des Saarlandes an die deutsche
Nation politisch zu bewahren suchte. Dieser Teil der CVP, der in den Jahren 1933/34
102 Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch, S. 1.
103 Nach Ausführungen des Vorsitzenden des Verbandes bis 1950, Schulrat Gustav Schulz, auf der
1. Generalversammlung der katholischen Erzieherschaft an der Saar nach dem Kriege am 4. 9.
1948 in Saarbrücken. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokoll-
buch, S. 1.
104 Dafür spricht nicht zuletzt auch die tiefe religiöse Verankerung seiner berufs- und bildungspoli-
tischen Ideale, die dieser Verein vor allem in seinem hartnäckigen Widerstand gegen den natio-
nalsozialistischen Totalitarismus zu demonstrieren wußte, dem er als festgefügte Organisation
bis zum Jahre 1937 erfolgreich trotzen konnte. Vgl. dazu im einzelnen E. Mleinek. Der 25 000
Mitglieder zählende Katholische Lehrerverband, dem im Gegensatz zur Organisation der Lehre-
rinnen fast nur Volksschullehrer angehörten, löste sich bereits am 2. August 1933 auf. Vgl. dazu
H. Küppers, Lehrerverband.
105 Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch, S. 3.
106 Errechnet nach Angaben des Statistischen Handbuches (Saarland 1952), S. 211 ff.
107 Zahlenwert nach einem Bericht der Saarländischen Volkszeitung vom 27. 11.1951 über die Jah-
reshauptversammlung des katholischen Erzieherverbandes.
108 Errechnet nach Angaben des Statistischen Handbuches (Saarland 1952), S. 211 ff.
109 Protokoll über die Generalversammlung am 22. 11. 1950. Sammlung des Verbandes der katho-
lischen Erzieher des Saarlandes, Ablage 1950 — 1956.
110 Interview T. Haservom5. 10. 1976.
111 Einen entsprechenden Vermerk enthält das Protokoll über die Vorstandssitzung des katholi-
schen Erzieherverbandes am 16. 3. '1951 im Johannishof zu Saarbrücken. Sammlung des Ver-
bandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokolle Vertreterversammlungen. Das Organi-
sationsprinzip der Beiräte für verschiedene Fragen des politischen Lebens hatte die CVP vom
Zentrum übernommen.
156
überwiegend die Bildung der sogenannten Deutschen Front, einem überparteilichen Ak-
tionsbündnis mit Beteiligung der Nationalsozialisten für die Rückkehr der Saar zum
Deutschen Reich, gutgeheißen hatte, opponierte innerparteilich sowohl gegen das pro-
französische Element um Héctor und Straus als auch gegen die dominierende pragmatisch
orientierte „autonomistische“ Gruppe um Hoffmann, Müller und Franz Singer. Die poli-
tische Distanz Zenners zur Mehrheit seiner eigenen Partei, die in der Endphase der Hoff-
mannära sogar zu einem offenen Gegensatz wuchs, und noch mehr die erklärte Opposi-
tion des zweiten Vorsitzenden, Klaus Thewes, einem Saarbrücker Philologen112, haben er-
heblich dazu beigetragen, daß der Katholische Erzieherverband, wie noch zu berichten
sein wird, in wesentlichen Fragen der offiziellen Bildungspolitik nach 1945 wie etwa dem
französischen Sprachunterricht im Bereich der Volksschule, dem Zentralabitur und der
seminaristischen Volksschullehrerbildung auf Kollisionskurs ging.
Das Pendant zum Verband katholischer Erzieher war die Evangelische Erziehergemein-
schaft. Sie erreichte mit ihren rund 300 Mitgliedern113 natürlich bei weitem nicht das po-
litische Gewicht wie die Vereinigung der katholischen Kollegen, obwohl auch sie auf
einen Organisationsgrad von etwa 50 % stolz sein durfte114. Die evangelische Erzieherge-
meinschaft liierte sich bald mit dem Verband saarländischer Lehrer, der, an die Tradition
des liberalen Allgemeinen Deutschen Lehrervereins anknüpfend, vor allem die 30 v. H.
der saarländischen Lehrer im Bereich der Volksschule vertreten haben dürfte, die laut
einer repräsentativen Umfrage grundsätzlich und durchgängig für ein simultan struktu-
riertes Bildungswesen eintraten115. Vorsitzender dieser Koalition, die naturgemäß SPS
und DPS nahestand, war der nationalliberal gesonnene Volksschulrektor Otto Früh. Die
enge Kooperation zwischen evangelischer Erzieherschaft und dem Verband saarländi-
scher Lehrer ergab sich nicht nur aus der Tatsache, daß der Verband saarländischer
Lehrer eine protestantische Majorität besaß, sondern sie wurzelte auch in einer bemer-
kenswerten Kongruenz nationalen Denkens116. Zudem war den evangelischen Lehrern im
allgemeinen eine geschmeidigere Grundhaltung in der Frage der Bekenntnisschule eigen.
Zwar gab es auch im Saarland protestantische Stimmen, die im Sinne katholischer Schul-
doktrinen die Konfessionsschule gefordert haben, dominierend blieb jedoch die Tradition
des pluralistisch gegliederten Protestantismus, das moderne Schulwesen im Geiste ideali-
stischer Liberalität und Rationalität zu beurteilen. Daran änderte auch die klare Disposi-
tion Wehrs, des Superintendenten des Kirchenkreises Saarbrücken und Bevollmächtigten
der Evangelischen Kirche im Rheinland für das Saarland, zugunsten des Prinzips der Be-
kenntnisschule wenig. Seine Auffassung, daß im Saarland eine echte Konfessionsschule
existieren müsse, die in ihrem bekenntnismäßigen Charakter ... die Gesamtheit aller Un-
112 3. Vorsitzende wurde die Volksschulrektorin Franziska Bläs als Vertreterin der katholischen
Lehrerinnen. Vgl. im einzelnen Protokoll über die Generalversammlung am 22.11.1950. Samm-
lung des Verbandes der katholischen Erzieher des Saarlandes, Ablage 1950 — 1956.
113 Interview W. Schöpper vom 13. 12. 1976.
114 Die evangelische Erziehergemeinschaft organisierte fast nur Volksschullehrer. Laut Statistik
zählte das Saarland im Jahre 1951 643 evangelische Lehrkräfte an den Volksschulen. Statisti-
sches Handbuch (Saarland 1952), S. 212.
115 Sozialpsychologisches Institut Saarbrücken, 4. Erhebung: Jugend und Erziehung, S. 7.
116 Vgl. hierzu die Wahlanalysen bei K. Altmeyer, „Saardiözese“, S. 273. Sie belegen allgemein
die „nationalere“ Einstellung evangelischer Bevölkerungskreise.
157
terrichtsfächer umfasse117, teilte im Grunde nur die kleine Gruppe evangelischer Politiker
in der CVP wie die Landtagsabgeordneten Georg Krause-Wichmann (Saarbrücken) oder
Emil Weber (Bübingen) und ein Teil, allerdings ein beachtlicher, der evangelischen Erzie-
hergemeinschaft.
Die Wiederbegründung des Philologenverbandes erfolgte im Jahre 1949. Er blieb aber
wirkungsschwach, da der gymnasiale Bildungsbereich politisch weit weniger umstritten
war als die Volksschule und nicht zuletzt, weil sich ein beachtlicher Teil der Lehrer an
gymnasialen Schulen im Verband katholischer Erzieher organisierte. Größere Bedeutung
kam da schon dem Saarländischen Gewerbelehrerverband zu. Er war den etwa 450 Päd-
agogen der gewerblichen, hauswirtschaftlichen und kaufmännischen Berufsschulen ver-
bandspolitische Heimat.
Auf dem Feld des Berufspolitischen und später zunehmend auch in umstrittenen pädago-
gischen Einzelfragen wie zum Beispiel dem französischen Sprachunterricht im Bereich der
Volksschulen ist die saarländische Erzieherschaft geschlossen aufgetreten. Im Zeichen
dieser Gemeinsamkeiten existierte bis zum Jahre 1955 die Arbeitsgemeinschaft der saar-
ländischen Lehrer118. Eine Interessensunion bildeten die Lehrer auch im Saarländischen
Beamtenbund119, der im Jahre 1954 16 466 Mitglieder hatte und damit einen Organisa-
tionsgrad von fast 80 v. H. erreichte. Mit Wilhelm Meister, dem Direktor des evangeli-
schen Lehrerseminars in Ottweiler, stellten sie sogar bis zum Jahre 1954 einen der ihrigen
als Vorsitzenden dieser Organisation120.
Solche berufspolitisch motivierten Bündnisse oder Gemeinsamkeiten in Einzelfragen
haben freilich die schulpolitischen Trennlinien im Grundsätzlichen nicht aufgeweicht.
Das lag vor allem daran, daß der Verband katholischer Erzieher des Saarlandes an seiner
Treue zur katholischen Bildungspolitik niemals einen Zweifel aufkommen ließ. Damit
zeigte sich auch hier die Geschlossenheit und Eintracht des katholischen Lagers in der
Schulfrage, die ihre Tradition hatte und infolge der gegebenen Mehrheitsverhältnisse an
sich eine kirchenfreundliche Bildungspolitik an der Saar garantierte. Wenn diese schulpo-
litische Bastion dennoch Erschütterungen erfuhr, so resultierte das aus den allmählich
auflebenden Widerständen und Aversionen gegen den von Deutschland separierten Saar-
staat und seiner erzwungenen Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich. Sie
wurden selbstverständlich auch im Bildungsbereich spürbar. Dabei ist an dieser Stelle
noch nicht an direkte Unmutsbekundungen im Zusammenhang mit dem französischen
Sprachunterricht, den französischen Schulen, der Universität usw. gedacht als vielmehr
an eher mittelbar aktive Widerstandsfaktoren, die der saarländischen Sondersituation
nach 1945 entsprangen.
117 Schreiben Wehrs an das Kultusministerium vom 8. 11. 1948, Archiv des Kirchenkreises Saar-
brücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
118 Interview E. Wagner vom 5. 3. 1976.
119 R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 471.
12° Ebenda, Bd. 1,S. 471 f.
158
2.5 Kirche zwischen Separation und Schule
Einer der wohl wichtigsten dieser unterschwellig mitbestimmenden Umstände war das
schon im Jahre 1945 von Frankreich anvisierte121 und in späteren Jahren von der saarlän-
dischen Regierung mitgetragene Ziel, den Saarstaat in seiner Existenz durch die Errich-
tung autonomer Kirchenbezirke zu stabilisieren122. Dabei kam es zu besonders heftigen
Auseinandersetzungen zwischen der bischöflichen Amtsbehörde in Trier und den militä-
rischen bzw. zivilen Regierungsstellen in Saarbrücken. Das von der Militärregierung am
28. 12. 1945 verfügte Einfuhrverbot123 des „Paulinus“, der Kirchenzeitung des Bistums
Trier, die massiv vorgetragenen Drohungen der Militärregierung, in die Personalpoiitik
der Katholischen Kirche eingreifen zu wollen124, das im März 1948 verhängte Einreise-
verbot für den Trierer Generalvikar Heinrich von Meurers125, die Stornierung der im
Saarland erhobenen Kirchensteuer durch das saarländische Kultusministerium unter
Straus und die damit verbundene Ankündigung, sie solange aufrechtzuerhalten, bis si-
chergestellt sei, daß das Steueraufkommen nur noch saarländischen Kirchengemeinden
zugute kommen werde126, und schließlich die von dem französischen Botschafter am Va-
tikan, Jacques Maritain, betriebenen aber erfolglosen diplomatischen Bemühungen um
ein eigenständiges Saarbistum127 *, ein Ziel, das sowohl Grandval als auch Hoffmann im
Interesse ihrer jeweiligen politischen Zielsetzungen im Auge hatten, alles dies belegt die
Provokation der Kirchen im allgemeinen und die des Trierer Ordinariats im besonderen.
Ihren ersten Höhepunkt hatten die Spannungen zwischen Trier und Saarbrücken bereits
im Laufe des Jahres 1947 erreicht. So war man in Trier sehr verärgert über ein Interview
einer führenden Persönlichkeit der Christlichen Volkspartei mit der französischen Zeit-
schrift „Le Fait du Jour“, das am 14. Januar 1947 veröffentlicht wurde und in dem diese
...ganz klar und deutlich die Trennung von Trier forderte, da in Trier eine eideutig preu-
ßische Politik getrieben würde119. Hohe Wellen schlug dann natürlich der am Palm-
121 In Saarbrücken selbst war die Geistlichkeit, auch Dr. Kremer, der Ansicht, daß von Seiten der
Franzosen noch mehr gewünscht würde, nämlich eine kirchliche Abtrennung des Saarlandes von
Trier und Speyer und die Errichtung eines eigenen kirchlichen Sprengels für das Saargebiet. BA
Trier, Abt. 105, Chronik 1945, S. 86.
122 Über die Motive dieser Kirchenpolitik im einzelnen K. Altmeyer, „Saardiözese“. Vgl. auch den
von Albert Duquet verfaßten Artikel über die Bistumsfrage in Le Monde vom 8. 11. 1947.
Schon in den Jahren 1919 bis 1925 hatte Frankreich den Versuch unternommen, das Saargebiet
aus der Zugehörigkeit zu den Bistümern Trier und Speyer herauszulösen. Auch damals gab es
Pläne für ein eigenständiges Saarbistum. Zur Sprache kamen aber auch eine Angliederung an das
Bistum Metz und die Errichtung einer apostolischen Vikarie. Nach M. Zenner, Parteien, S. 155
ff.
123 Verfügung Nr. 1.158/DAA/Cab. vom 28. 12. 1945.
124 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1946, S. 56.
125 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948, S. 15.
126 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1949, S. 21 f.
12, BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948, S. 25. Der Vatikan ernannte lediglich einen Visitator ohne
Jurisdiktionskompetenzen, ein Amt, das vom 2. Juli 1948 an von Pater Michael Schulien be-
kleidet wurde, einem Mitglied der Steyler Ordensgesellschaft (SVD). Die Entscheidung des Vati-
kans wurde Bischof Bornewasser von Trier durch den späteren Vatikanischen Staatssekretär
Tardini mit Schreiben Nr. 3775/48 vom 6. 5. 1948 angekündigt. Diese Mitteilung, die der Ver-
fasser in deutscher Übersetzung in den Privatakten von Minister Dr. Straus fand, spricht davon,
daß das Amt des Visitators ein Einigungsring zwischen der Hierarchie und der staatlichen Obrig-
keit sein könne.
US Nach Tagebuchaufzeichnungen von Meurers. BA Trier, Abt. 105, Chronik 1947, S. 8. General-
vikar von Meurers nennt keinen Namen. Die Äußerung ist wahrscheinlich Straus oder Hector zu-
zuschreiben.
159
sonntag des Jahres 1947 (30. 3.) auf allen Kanzeln im Saarland verlesene Hirtenbrief des
Trierer Bischofs Franz Rudolph Bornewasser über die Vaterlandsliebe, in dem dieser die
klassische Idee der Staatsnation mit dem christlichen Gebot zur Treue in Verbindung
brachte 129. Hoffmann hat dieser Mahnung wenige Tage später erstmals seine Parole vom
Vaterland der Heimat entgegengehalten, womit er gleichzeitig die von Bornewasser gezo-
gene Quintessenz einer engen schicksalhaften Verbindung von Kultur, Nation und Staat
in Abrede stellte130. Diese Konfrontation zwischen bischöflicher Autorität und Christli-
cher Volkspartei um die, wie es Hoffmann später ausdrücken sollte, „Gewissensfrage“,
ob sich die Saarländer aus dem deutschen Staatsverband lösen dürften131, konnte natür-
lich nicht ohne Rückwirkungen auf die Eintracht des katholischen Lagers im Saarland
bleiben. Die aus dem politischen Separationswillen kommende Gefährdung der Einheit
des Trierer bzw. des Speyerer Bistums verminderte letztlich auch seinen gewohnten
Schwung und seine Geschlossenheit im Schulpolitischen.
Nach den Aufzeichnungen von Meurers hat der zu Trier gehörende saarländische Klerus
am 15. September 1947 im Saarbrücker Langwiedstift im Rahmen einer Dechantenkon-
ferenz über die damals anstehende Verfassungsfrage beraten. Anwesend waren auch
Weihbischof Metzroth und von Meurers selbst in seiner Eigenschaft als Generalvikar. In
seinen Notizen erwähnt von Meurers, nach Schneider „die Seele des Widerstandes gegen
die Abtrennung des Saarlandes vom Bistum Trier und vom Reich“132, daß er auf der Kon-
ferenz wiederholt an die Einigkeit des Saarklerus in politischen Angelegenheiten appel-
liert habe, ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Verfassungsfrage des Jahres 1947 von
den Anwesenden unterschiedlich beurteilt worden ist. Anlaß zur Diskussion gab vor allem
die bereits im letzten Kapitel angesprochene Koppelung von Separation und Verfassungs-
recht133 und die Frage, ob die Verfassung ihre Legitimation durch einen gesonderten
Volksentscheid oder durch den am 5. Oktober 1947 zu wählenden Landtag erhalten
sollte. Generalvikar von Meurers selbst sprach sich für die Pflicht der Christen und der
Führer der Christen (aus), eine Trennung des Volksentscheides für die Verfassung und die
Wahl zum Landtag zu fordern134. Demgegenüber unterbreitete Prälat Philipp Kremer,
Gründungsmitglied der CVP und darum über die politischen Taktiken seiner Partei und
den Spielraum saarländischer Politik wohlinformiert, den Vorschlag, die Artikel über die
Schule und Kirche einem Volksentscheid zu unterbreiten 135, ansonsten aber in der Verfas-
129 Das Hirtenwort ist in seiner vollen Länge abgedruckt bei R. H. Schmidt, Bd, 2, S. 170 ff. Die
Verärgerung der französischen Seite über die unbeugsame Haltung Bornewassers in der Separa-
tionsfrage spiegelt sich deutlich in den Berichten der Sûreté innerhalb der Saarbrücker Militärre-
gierung wider. Vgl. insbesondere den Rapport détaille für die Monate November 1946 bis Januar
1947, den Rapport détaille für die Monate Februar 1947 bis April 1947 (S. 6 f.) und die Monats-
berichte für Juni 1946, März 1947 (S. 4) und Mai 1947 (S. 2). Siehe auch den Bericht der Affaires
Administration für den Monat Mai 1947. Die genannten Quellen befinden sich im LA Saar-
brückenin den Beständen des Handelsamtes Saar Nr. 2,5, 6, 9 und 10. Der Monatsbericht März
1947 ist im Quellenanhang (Anlage 3) wiedergegeben.
130 Saarländische Volkszeitung vom 5. 4. 1947. Vgl. darüber hinaus die Ausführungen Hoff-
manns über das Verhältnis von Kultur und Nation in seinen Memoiren. J. Hoffmann, Ziel,
S. 104.
131 J. Hoffmann, Ziel, S. 103.
132 H. Schneider, S. 271.
133 Siehe oben, S. 144 f.
134 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1947, S. 60. Die Aufzeichnungen von Meurers über die Dechanten-
konferenz vom 15. 9. 1947 sind im Quellenanhang (Anlage 4) wiedergegeben.
135 Ebenda, S. 61 f.
160
sungsfrage zurückhaltend zu operieren. Die Beratungsrunde folgte dieser Empfehlung
und faßte darauf den Beschluß, die Verfassungskommission zu bitten, die Artikel über
Schule und Kirche getrennt einem Volksentscheid vorzulegen. Der Beschluß wurde gleich
formuliert und vom ältesten Dechanten, Geistlichen Rat HeldU6, gleich dem Vorsit-
zenden der Verfassungskommission, Herrn Hofmann (!), übergeben136 137. Vielleicht war
sich die Mehrheit der Anwesenden bewußt, daß sie sich im Grunde nur auf einen dilato-
rischen Formalkompromiß geeinigt hatten; denn der a priori feststehende gemeinsame
Wunsch nach einer christlich geprägten öffentlichen Bildungsstruktur berührte die vom
Saarklerus unterschiedlich beurteilte Verfassungsfrage und die mit ihr zusammenhän-
gende Separationsproblematik nur indirekt. Ausschlaggebend für den Verzicht auf einen
direkten und offenen Widerstand gegen die Separation im Spätsommer 1947 dürfte vor
ailem die Erkenntnis gewesen sein, daß dann möglicherweise die aus katholischer Sicht
vorteilhaft geregelte Schulfrage gefährdet gewesen wäre. Zu dieser Vermutung muß auch
die Militärregierung gelangt sein, wenn sie im unmittelbaren Vorfeld zur alles entschei-
denden Landtagswahl vom 5. Oktober 1947 intern mitteilen ließ, daß der Trierer Bischof
dans la campagne électorale a surpris de nombreux catholiques. One estime généralement
dans les milieux chrétiens que la position prise par le CVP sur la question de l’école con-
fessionelle a été la raison principale de ce silence, ainsi que, peut-être, la conclusion d’un
accord secret entre le leader Hoffmann et le prélat138.
Auf Dauer ließ sich die Spaltung der saarländischen Dechanten in zwei Lager jedoch nicht
verdecken. Das eine akzeptierte ohne nennenswerte Vorbehalte um den Vorteil einer
christlich geprägten Staats- und Gesellschaftsordnung willen die von Frankreich erwar-
tete und von Hoffmann praktizierte Taktik, Separationsfrage und das gesamte Verfas-
sungsrecht zu einer Entscheidung zu verbinden, das andere Lager, sicherlich die Mehrheit,
wollte aber auch nach den Entscheidungen des Jahres 1947 weiterhin, wie es der Saar-
brücker Stadtdechant Augustinus Braun später in der schon oft zitierten Erklärung der
saarländischen Dechanten vom 16. März 1950 erläutert hat, daß die Entscheidung für die
christlichen Anliegen der konfessionellen Schule, der Rechte und Freiheiten der Kirche
und des kirchlichen Lebens von den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen ab-
getrennt und einer besonderen Befragung unterstellt würde139. Wie stark diese Forderung
nach gesonderten Plebisziten jeweils national motiviert war, darüber kann man im
Grunde nur mutmaßen. Die Erklärung aus dem Jahre 1950 gibt in ihrer inhaltlichen Ge-
samtaussage für solche Hintergründe ebenso Anhaltspunkte wie auch ihre Begründung
durch Dechant Braun. Sie solle nämlich, so Braun in seinem Begleitschreiben an Hoff-
mann, heute und späterhin belastende Vorwürfe von unserer heiligen Kirche fern-
halten140. Dagegen hat die starke Besorgnis des saarländischen Klerus über die Gefahr
136 Dechant von Siersburg.
137 B A Trier, Abt. 105, Chronik 1947, S. 61.
138 Nach dem Bericht (Renseignements généraux) der Militärregierung für die Monate August bis
Oktober 1947. LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 11,
139 Erklärung der saarländischen Dechantenkonferenz vom 16.3.1950. Die Erklärung wurde Hoff-
mann durch Braun mit Schreiben vom 26. März 1950 übermittelt. In diesem ist vermerkt, daß
an einer Veröffentlichung unsererseits in der Presse nicht gedacht sei. BA Trier, Abteilung 59, Nr.
64.
140 Begleitendes Schreiben zur Erklärung der saarländischen Dechanten von Braun an Hoffmann
vom 26. 3. 1950. BA Trier, Abteilung 59, Nr. 64.
161
einer kirchlichen Separation von Trier und Speyer, die bis zum Jahre 1950 immer akuter
wurde, mit Gewißheit eine umfassende Opposition der katholischen Geistlichkeit gegen
den Hoffmannkurs wachgerufen. Sie wurde überdies noch gestärkt durch Disziplinie-
rungsmaßnahmen gegen Geistliche, die sich offen und mutig gegen die politischen und
kirchlichen Separationsziele zur Wehr setzten141 142. Daß sich derWiderstand des Klerus in
erster Linie aus kirchenpolitischen Gründen nährte, das geht u. a. aus einer weiteren Pro-
klamation der saarländischen Dechanten hervor, die Braun zeitlich parallel zur Erklärung
an Hoffmann dem Apostolischen Visitator, Prälat Schulien, zusandte. In ihr heißt es, daß
die Katholiken an der Saar die derzeitigen Bestrebungen politischer Stellen auf Errichtung
eines eigenen Saarbistums einmütig ablehnen. Die Erklärung der saarländischen De-
chanten vom 16. 3. 1950 an Schulien zur Bistumsfrage spiegelt einen Grad an Besorgnis
wider, der die Annahme zuläßt, daß die Mehrheit des katholischen Saarklerus ungeachtet
ihrer sicherlich unabweisbaren weltanschaulichen Kongruenz mit der CVP wegen der
drohenden Abtrennung von ihren Heimatdiözesen im Jahre 1950 zu einem gänzlichen
Bruch mit der Hoffmann-Regierung bereit war. Er hätte sicherlich auch das oben konsta-
tierte schulpolitische Bündnis gesprengt. So erklärten z. B. die Dechanten u. a. gegenüber
Schulien:
Eine tausendjährige Tradition, die uns mit der ältesten deutschen Diözese und dem ein-
zigen Apostelgrab diesseits der Alpen verbindet, läßt sich nicht ohne größere Gefährdung
der religiösen Bildungskräfte durch schneiden. Die großen Bischofsgestalten des letzten
Jahrhunderts haben eine außergewöhnliche tiefe Volksverbundenheit, eine organisch ge-
wachsene Treue und Anhänglichkeit an den Trierer Bischof gerade bei den Saarkatho-
liken bewirkt und das religiöse Leben an der Saar aufs tiefste formend und gestaltend be-
fruchtet. Eine Trennung vom ehrwürdigen Stuhl des hl. (— heiligen) Eucharius hätte eine
Enttäuschung, eine Erschütterung und Lähmung des religiösen Lebens zur Folge, die
durch Neuerungen nicht ausgeglichen werden könnten141.
Die Beilegung des Konflikts zwischen Saarklerus und CVP erfolgte auf einer turbulent ver-
laufenen Besprechung am 27. 12. 1950, die im Büro des Ministerpräsidenten Hoffmann
stattfand und an der auf der einen Seite die Dechanten des Saarlandes und auf der anderen
der CVP-Landesvorstand und alle CVP-Minister teilnahmen143. Sie endete damit, daß,
wie Hoffmann berichtet, „die Mehrheit der Dechanten zufriedenstellende Erklärungen“
abgab144, nachdem er wahrscheinlich, Hoffmann schweigt sich darüber in seinen Me-
141 Als Beispiel sei das rigorose Vorgehen gegen den Religionsprofessor im Lebacher Lehrerseminar,
Weber, genannt, der von seinem Dienst suspendiert wurde en raison de son attitude au moment
de la publication de la lettre pastorale de l’Evêque de Treues. Nach Bericht der Éducation Pu-
blique innerhalb der Saarbrücker Militärverwaltung für den Monat Mai 1947, S. 3. LA Saar-
brücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 6. Der Fall des Pfarrers Bungarten wurde bereits ange-
sprochen. Siehe hierzu oben, S. 145, Anm. 56.
142 Schreiben Brauns, in dem er die kirchenpolitische Erklärung der saarländischen Dechanten vom
16.3.1950 wiedergab, an Schulien vom 26. März 1950. BATner, Abteilung 59, Nr. 64. Wieder-
gegeben im Quellenanhang (Anlage 10).
143 Vgl. hierzu die Darstellung bei J. Hoffmann, Ziel, S. 104. Über die Turbulenz dieser Sitzung
berichtet H. Schneider, S. 270 f.
144 J. Hoffmann, Ziel, S. 104.
162
moiren aus, ein Nachgeben seiner Regierung in der Bistumsfrage signalisiert hatte145.
Worin liegt nun die Bedeutung der vorwiegend kirchenpolitisch motivierten Opposition
des katholischen Saarklerus für die praktische Bildungspolitik nach 1945 ? Auf den ersten
Blick wird man eine konkret faßbare Relevanz kaum ermitteln können. Beurteilt man je-
doch die Frage unter dem Gesichtspunkt psychologisch wirkender Umstände, dann wird
man bald erkennen, daß die tiefgehende schulpolitische Übereinstimmung zwischen der
im Saarland einflußreichen Katholischen Kirche und der CVP nicht in dem Maße stabili-
sierend im Interesse der Macht Hoffmanns und seiner Freunde wirken konnte, das man
angesichts ihres katholisch-kirchlichen Engagements für ein glaubensnahes Bildungs-
leben erwarten durfte. Dafür war die Beunruhigung der katholischen Geistlichkeit, wegen
eines autonomen Saarstaates von Trier bzw. Speyer abgetrennt zu werden, zu stark. Die
innere Schwächung der CVP als erste politische Gestaltungskraft an der Saar infolge des
scharfen kirchlichen Widerstands gegen jede Art von definitiven Separationsentschei-
dungen hatte die Saarbrücker Militärregierung schon im Frühjahr 1947 als Kernproblem
erkannt. In ihrem mit dem Vermerk „Secret“ versehenen Bericht für den Monat März
heißt es nach Vorwürfen gegen den Trierer Bischof wegen seines angeblichen über-
spannten nationalistischen Denkens und seiner raisons purement égoïstes: Il place le
parti chrétien populaire qui représente à lui seul la majorité de la population, dans une po-
sition délicate146. Ähnliches galt natürlich in noch größerem Maße für die evangelische
Kirche, da sie die Schulfrage niemals so dogmatisch bewertet hat wie die katholische
Kirche. Außerdem verband sie die Frage einer kirchlichen Trennung von Düsseldorf147
noch wesentlich stärker mit dem nationalstaatlichen Gedanken.
Die aus kirchenpolitischen Separationszielen folgenden Wirkungen auf die saarländische
Schulpolitik nach 1945 sind, auch wenn sie nicht spektakulär und greifbar waren, von
ebenso großer Bedeutung gewesen wie die direkten bildungspolitischen Folgen aus der
saarländisch-französischen Zusammenarbeit. Wenn auch die in diesem Kapitel unter-
suchte bildungspolitische Willensbildung ein erstaunliches Maß an kultureller Selbstbe-
stimmung der Saarländer aufgezeigt hat, so muß an dieser Stelle doch daran erinnert
werden, daß die Gegenwart Frankreichs auch in diesem Lebensbereich ein zweifellos stark
wirkender Faktor war und blieb. Seine Effizienz ist bereits im Zusammenhang mit dem
französischen Sprachunterricht, den französischen Schulen und nicht zuletzt bei der
Gründungsgeschichte der Universität hinreichend angesprochen worden. Die entspre-
chende Rückwirkung auf die Schulartikel der saarländischen Verfassung vom 17. 12.
1947 wurde auch schon erwähnt, wobei an dieser Stelle nochmals an den Artikel 30 erin-
nert148, aber auch der Artikel 33 besonders erwähnt sei. Der Artikel 30, der nach Schranil
145 Daß die kirchenpolitischen Separationsziele nach 1950 aufgegeben worden sind, darauf deutet
auch eine Äußerung des Kirchenrats Wehr auf der bereits oben erwähnten Bonner Tagung am
27. 1. 53 (siehe oben, S. 138, Anm. 29) hin. Danach sei er solchen Versuchen, die et/angelische
Kirche im Saarland von derjenigen des Rheinlandes zu trennen ... von Anfang an scharf entgegen-
treten ... Der Gedanke sei heute fallengelassen. Nach Aufzeichnungen über diese Tagung, S. 3.
LA Saarbrücken, Bestand Nachlaß Heinrich Schneider Nr. 103.
146 Bericht (Synthèse générale) der Saarbrücker Militärregierung für den Monat März 1947. LA
Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 5.
14 Sitz der Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, zu deren Bereich die protestantischen
Kirchengemeinden des ehemals preußischen Teils des Saarlandes gehörten.
148 Vgl. oben, S. 145.
163
„die Konsequenzen aus der Präambel“ zog149, verpflichtete das saarländische Unter-
richtswesen allgemein zu einer Erziehung im Geiste der Völkerversöhnung, eine an sich
sehr positive Vorschrift, die freilich durch ihre Festlegung auf eine primär zu pflegende
saarländisch-französische Kulturbeziehung in ihrer wahren Zweckbestimmung offen-
kundig wird. Der Artikel 33 schrieb vor, daß die Gründung und der Ausbau saarländi-
scher Hochschulen anzustreben sei150. Diese verfassungsrechtliche Absichtserklärung
deutet ebenfalls eine kalkulierte Einordnung der Bildungspolitik in das politische Gene-
ralziel saarländischer Autonomiebestrebungen an; denn in der Ausbildung eines eigenen
akademischen Nachwuchses erblickte man beiderseits, wie bereits oben ausführlich dar-
gelegt worden ist151, eine wesentliche Voraussetzung für die dauerhafte Existenz des Saar-
staates. Die konkreten Umschreibungen an Leistungen, die das öffentliche Bildungswesen
an der Saar im Zeichen der saarländisch-französischen Interessenallianz im Kulturpoliti-
schen zu erbringen hatte, erfolgte aber erst im Kulturabkommen vom 15.12.1948, dessen
Stellenwert nunmehr näher beleuchtet werden soll.
3. Das französisch-saarländische Kulturabkommen vom 15. Dezember 1948
Am 15. Dezember 1948, also sozusagen am ersten Jahrestag der Saarverfassung, kamen
der französische Außenminister Robert Schuman und sein Kabinettskollege für nationale
Erziehung, Yvon Delbos, zu einem Besuch nach Saarbrücken. Ein wesentlicher Grund für
ihr Kommen war die feierliche Unterzeichnung eines französisch-saarländischen Kultur-
abkommens, das allerdings erst nach seiner Ratifizierung durch die parlamentarischen
Gremien im Saarland und in Frankreich im Sommer 1949 in Kraft getreten ist152. Wäh-
rend Hoffmann in seinen Memoiren die Vereinbarung als den politischen Höhepunkt
seines ersten Regierungsjahres bezeichnet153, um damit die Vorteile des Vertragswerkes
für die saarländische Seite zu unterstreichen, verurteilt Schmidt das Kulturabkommen als
„alles andere als gleichwertig-gegenseitig“154. Nach seiner Auffassung bot die Vereinba-
rung „der französischen Seite weit größere Vorteile als der saarländischen. Es erlaubte die
Entfaltung einer französischen ’pénétration pacifique’ an der Saar“1S5. Die Schuld für den
nach seiner Auffassung für das Saarland wenig günstigen Vertrag glaubt er vor allem
Straus zuweisen zu können, der in seiner Eigenschaft als saarländischer Kultusminister für
die Aushandlung des Kulturabkommens verantwortlich war.
149 R. Schranil, S. 59.
150 Artikel 33 Absatz 1 der saarländischen Verfassung vom 17. 12. 1947.
151 Siehe oben, S. 114 und S. 118 ff.
152 Der saarländische Landtag verabschiedete das Kulturabkommen in seiner Sitzung am 12. 1.
1949 gegen eine Stimme in 2. und einstimmig in 3. Lesung. Landtag des Saarlandes, Stenographi-
sche Berichte, 1. Wahlperiode, 46. Sitzung, S. 6 - 15. Das Kabinett hatte sein Plazet auf seiner
Sitzung am 4.11.1948 gegeben, allerdings mit der Auflage einiger textlicher Veränderungen. Sie
waren aber nicht wesentlich. Nach auszugsweiser Abschrift des Schreibens der Regierung des
Saarlandes — Präsidialkanzlei — Nr. 1400/48 vom 6. 11. 1948. LA Saarbrücken, Bestand KM -
Mk 4805. Die Ratifizierung des Abkommens durch die parlamentarischen Gremien Frankreichs
erfolgte im Juli 1949. Vgl. dazu eine entsprechende Information des Hohen Kommissariats an
die saarländische Regierung vom 2. 7. 1949. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine
Verwaltung, Z II — A 1 — 1945 — neue Gesetze.
155 J. Hoffmann, Ziel, S. 152.
154 R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 240.
155 Ebenda, S. 241.
164
3.1 Zugeständnisse und Widerstände
Tatsächlich enthält das Vertragswerk einige Bestimmungen, die weit über das übliche
Maß einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über Kulturfragen hinausgehen und die
man im Einzelfall sogar als weitgehende Zugeständnisse des Saarlandes an Frankreich
werten muß. Das trifft insbesondere auf die Artikel 21 bis 23 zu. Sie verbürgten dem Fran-
zösischen eine Bevorzugung und besondere Förderung in allen saarländischen Schulen,
womit die bereits an der Saar praktizierte allgemeine Fremdsprachenschulung endgültig
festgeschrieben war. In welchem Umfang der französische Sprachunterricht in den
Schulen jeweils zu erteilen war, wurde nicht näher bestimmt. Darüber hinaus wurde der
französische Sprachunterricht als besondere Aufgabe der Erwachsenenbildung herausge-
stellt156. Ein tiefer Eingriff in Kompetenzen und in die Souveränität der saarländischen
Schulaufsicht bedeutete ohne Zweifel der Artikel 22. Er billigte nämlich dem Hohen
Kommissariat das Recht zu, den französischen Unterricht aller Schulen in Begleitung
eines saarländischen Vertreters besuchen respektive beaufsichtigen zu dürfen157. Selbst
Hoffmann mußte in seinen Memoiren zugeben, daß der Artikel 22 „sicher ein weitge-
hendes Zugeständnis an Frankreich“ gewesen sei, „über dessen Zweckmäßigkeit man
verschiedener Meinung sein konnte“158. Das Entgegenkommen der saarländischen Seite
in der Sprachenfrage geht eindeutig auf das Konto von Straus, der hier aufgrund seiner
profranzösischen Grundhaltung und seinen persönlichen sprachpädagogischen Zielset-
zungen159 über Gebühr Konzessionsbereitschaft zeigte. Saarländische Zugeständnisse in
weniger wichtigen Detailfragen waren die im Artikel 30 vorgesehene Verwaltungsschu-
lung von saarländischen Studenten bzw. Aufstiegsbeamten an einschlägigen Bildungsein-
richtungen in Frankreich und das in den Artikeln 24 und 25 vereinbarte Einvernehmen
zwischen dem Hohen Kommissariat und der saarländischen Regierung in Angelegen-
heiten des saarländischen Schulwesens, womit das allgemeine Vetorecht Frankreichs ge-
genüber saarländischen Verfassungsorganen auch für den kulturellen Lebensbereich —
und dies ungeachtet zugestandener Kulturautonomie — politisch bestätigt war.
Ansonsten hat sich Straus weiteren Forderungen der französischen Seite erfolgreich wi-
dersetzen können. So war der im Artikel 31 erwähnten paritätisch besetzten Schlichtungs-
kommission für Streitfälle im Vertragsentwurf zunächst noch ein gemeinsames Kontroll-
recht über das saarländische Kunst- und Fachschulwesen, die saarländischen Museen
usw. eingeräumt worden. Diese Bestimmung wurde auf Betreiben von Straus dahinge-
hend „entschärft“, daß in der textlichen Endfassung jeglicher konkrete Hinweis auf öf-
156 Die intensive Förderung französischer Sprachstudien im Rahmen der Erwachsenenbildung hatte
schon im Jahre 1946 eingesetzt. Damals liefen 270 Kurse mit insgesamt 7677 Teilnehmern an.
Dieser Stand konnte bis in das Jahr 1950 in etwa gehalten werden. Zahlen nach Bericht der Édu-
cation Publique innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für die Monate November/De-
zember 1946. LA Saarbrücken, Bestand Handeisamt Saar Nr. 4.
157 Vgl. dazu die Bestimmungen der Artikel 21 bis 23 des Kulturabkommens zwischen der Regierung
des Saariandes und der Regierung der Französischen Republik vom 15. 12. 1948. Das Zitat be-
züglich des Artikels 22 ist der endgültigen Fassung vor der Unterzeichnung entnommen. LA Saar-
brücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten, Nr. 297. Der Vertrag selbst ist
veröffentlicht im Amtsblatt des Saarlandes 1949, S. 1203 ff.
ISS J. Hoffmann, Ziel, S. 149.
159 Siehe oben, S. 107 ff.
165
fentliche saarländische Bildungs- und Kultureinrichtungen wegfiel160. Umstritten war
auch der Wortlaut des Artikels 20, der die im Saarland bestehenden neunzehn ^franzö-
sischen Schuleinrichtungen betraf, an deren Existenz Grandval aus Gründen der bil-
dungspolitischen Einflußnahme unbedingt festhielt161. Der im ersten Entwurf noch ver-
ankerte freie Zugang schulpflichtiger saarländischer Kinder zu diesen Institutionen
wurde nach zähen Verhandlungen zwischen dem Kultusministerium und dem Hohen
Kommissariat schließlich dahingehend einschränkend kanalisiert, daß laut Abkommen
Erweiterung und Neugründung französischer Schulen nur insoweit erfolgen (kann), als
der Bedarf der Bevölkerung französischer Sprache oder besonders gelagerter Fälle es er-
fordern162. Das von der saarländischen Seite gewünschte Plazet des saarländischen Kul-
tusministeriums für den Einzelfall des Besuchs schulpflichtiger saarländischer Kinder in
den laizistisch geprägten französischen Anstalten wurde vom Vertragspartner nicht ak-
zeptiert163. Das Ringen um die Formulierung des Artikels 20, das schließlich mit der
vorher zitierten Kompromißformel endete, entsprang in erster Linie der Sorge der Saarre-
gierung vor einer ungebührlichen Einschränkung ihrer Kultursouveränität, die möglich-
erweise zu ähnlich schweren Belastungen des saarländisch-französischen Verhältnisses
wie zur Zeit des Völkerbundregimes hätte führen können, als Frankreich auch damals mit
Hilfe der sogenannten Domanialschulen über das Medium Erziehung politischen Einfluß
160 Vgl. dazu einen entsprechenden Aktenvermerk zum französisch-saarländischen Kulturab-
kommen vom 20. 11. 1948. Er trägt die Verwaltungskennzeichnung V/Z II — A 1 —. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allg. Verwaltung Z II — A 1 — 1945 - neue Gesetze.
isoa Stand 1948. Im Jahre 1946 belief sich die Zahl erst auf vierzehn. Siehe oben, S. 113 und die dor-
tige Anm. 271.
161 So beantwortete Grandval die von Außenminister Robert Schuman aufgeworfene Frage, ob die
französischen Schulen nicht ebenso wie die saarländischen Schulen konfessionell sein könnten,
in seinem Schreiben vom 19.2.1949 wie folgt: Le création en Sarre d’écoles françaises à caractère
confessionnel ne poserait pas de problème à l’égard du développement de notre influence cultu-
relle, bien au contraire, mais le fait de renoncer à la fréquentation des établissements d’enseigne-
ment français par les jeunes Sarrois, correspondrait à la perte d’une position française à laquelle
il ne m’est pas possible de souscrire. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documenta-
tion, Bestand Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 34.
162 Artikel 20 des französisch-saarländischen Kulturabkommens. Der Quellennachweis findet sich
in der Anm. 157 auf S. 165.
163 Vgl. hierzu die entsprechenden Textvorschläge in einer Vertragsabschrift, die sich im Bestand Nr.
297 der Staatskanzlei findet. LA Saarbrücken, Akten des Ministerpräsidenten. In der Praxis (vom
Jahre 1948 an) war es so, daß nur die Maréchal-Ney-Schule in Saarbrücken und die französi-
schen Schulen in Saarlouis, Dillingen, Neunkirchen, St. Wendel, Homburg und Völklingen saar-
ländische Kinder aufnehmen durften. Die Maréchal-Ney-Schule hatte im Schuljahr 1952/53
etwa 1 800 Schüler. Davon waren rund 1 000 saarländische. Die übrigen erwähnten Schulen un-
terrichteten jeweils etwa 100 Kinder in 4 bis 5 Klassen. Von ihnen waren im Durchschnitt 30 v.
H. saarländische. Danach ließen sich schätzungsweise 1200 saarländische Kinder ermitteln, die
damals in französischen Schulen ihrer Schulpflicht nachkamen. Interview P. Woelff-
lin vom 27.11.1976. Am 1.10.1953 besuchten 110 242 Schüler die allgemeinbildenden Schulen
des Saarlandes (Statistisches Handbuch (Saarland 1958), S. 50. Berücksichtigt wurden die Zah-
lenwerte der Volksschulen, der Mittelschulen und der Höheren Schulen). Setzt man diesen Wert
in Relation zur Zahl 1200, so ergibt das einen Prozentwert von etwa 1 v. H. Die übrigen franzö-
sischen Schulen waren in Sulzbach, St. Arnual, Merzig, Dudweiler, Freisen, Jägersburg, Mett-
lach, Nenning, Nohfelden, Nonnweiler, St. Ingbert, Wadern, Weiskirchen. Bis auf St. Arnual und
Merzig, die zweiklassig waren, hatten diese Einrichtungen nur eine Klasse mit 10 bis 20 Schülern.
Ebenfalls Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
166
an der Saar zu erzielen hoffte164. Insbesondere die zum Teil engagiert geführten Auseinan-
dersetzungen um den Text des Artikels 20 zeigt an, daß die saarländische Seite dem großen
Partner durchaus selbstbewußt gegenüber trat und zäh die Durchsetzung eigener Inter-
essen und Ziele verfolgte.
3.2 Französische Gönnerschaft
Die Wachsamkeit der saarländischen Seite hinsichtlich ihrer kulturpolitischen Souve-
ränität entkräftet freilich den Vorwurf Schmidts von der Ungleichgewichtigkeit des Ver-
tragswerks noch nicht endgültig, denn seine Kritik bezieht sich vornehmlich auf die von
ihm ins Visier genommene Rolle Frankreichs als gebender Partner, womit nach seiner
Auffassung „dem französischen Kultureinfluß an der Saar... ein weit breiterer und inten-
siver Zugang eröffnet (war) als umgekehrt“165. Schon in der Präambel war die saarländi-
sche Position eines kulturellen Protégés Frankreichs formuliert worden, indem dort her-
vorgehoben wurde, daß Frankreich den Wunsch habe, die Aufwärtsentwicklung des kul-
turellen Lebens und des Unterrichtswesens im Saarland wirksam zu unterstützen166.
Ohne Zweifel war das eigentliche Charakteristikum dieses Vertrages nicht die partner-
schaftliche Regelung der saarländisch-französischen Kulturbeziehungen, sondern die ver-
tragliche Vereinbarung über Art und Umfang einer Subvention in Sachen Kultur für das
Saarland durch Frankreich. Das galt insbesondere für die Vertragsabsprachen über das
Hochschulwesen, aber auch für die Vereinbarungen über die kulturellen Beziehungen.
Zwar entsprach das Abkommen hier formal-inhaltlich üblichen Absprachen eines zwi-
schenstaatlichen Kulturvertrages, doch für die Praxis war aufgrund der gravierend unter-
schiedlichen Landesgrößen und der damit in Zusammenhang stehenden kulturellen Lei-
stungsfähigkeit der Partner ein echter Kulturaustausch kaum zu erwarten. So erkennt
Pierre Woelfflin zurecht in der Tatsache, daß das Saarland ein kleines Land ist und Frank-
reich ein großes ... die größte Schwierigkeit für eine ausgeglichene Begegnung auf kultu-
rellem Sektor. Wir haben zwar, so Woelfflin,
Herrn Wüst167 und sein saarländisches Orchester einmal im Jahr nach Angers vermitteln
können und auch Herr Stekel168 hat in Paris mit Soli, Chor und Orchester der Musikhoch-
schule den Messias von Händel aufführen können, aber die Beiträge Frankreichs waren
in Umfang und Niveau unvergleichlich größer bzw. höher. Es gab also keinen echten Aus-
gleich. Saarländische Künstler waren in Frankreich wenig gefragt. Denken Sie doch
einmal an das anspruchsvolle Pariser Publikum. Französische Künstler waren natur-
gemäß im Saarland gern gesehene Gäste, aber sie waren auch sehr teuer. So mußten wir
allein für einen Ballettabend der Pariser Oper in Saarbrücken 2 000 000 ffrs169 zahlen.
164 Diese Besorgnis hat z. B. Koßmann (CVP) in der Ratifizierungsdebatte des saarländischen Land-
tags am 12.1.1949überdas Kulturabkommen deutlich ausgesprochen. Landtag des Saarlandes.
Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, 46. Sitzung, S. 11. Über die Domanialschulen ist in
dieser Untersuchung auf S. 31 f. berichtet worden.
165 R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 240.
166 Französisch-saarländisches Kulturabkommen. Der Quellennachweis findet sich in der Anm. 157
auf S. 165.
167 Generalmusikdirektor Philipp Wüst war Dirigent des Städtischen Orchesters Saarbrücken.
m £ric pau] Steinl war zum Jahre 1951 Direktor des Saarbrücker Konservatoriums. Sein Nach-
folger wurde der bekannte Musikpädagoge Joseph Müller-Blattau.
169 Rund 24000 DM, errechnet nach dem höchsten Kurs (83,40) für den Zeitraum vom 29. 9. 1949
-16.2. 1950.
167
Ebensoviel Geld mußten wir für Aufführungen der Comédie Française aufbringen. So
kamen natürlich auch sehr bekannte französische Schauspieler nach Saarbrücken. Unter
ihnen befanden sich: Jean-Louis Barrault, Charles Dullien und Louis Jouvet. Wir holten
nach Saarbrücken die bekanntesten französischen Virtuosen. Das kostete aber, ich sagte
es schon, sehr viel Geld. Doch Paris war hier großzügig170.
Diese Stellungnahme Woelfflins, die hier nicht aus Gründen einer Bewertung des saarlän-
dischen Kulturlebens nach 1945 so ausführlich zitiert wurde, sondern um die partizipie-
rende Rolle zu unterstreichen, die dem Saarland zwangsläufig und generell nach diesem
Abkommen zufiel, traf in adäquater Weise auch für den vereinbarten Austausch von Pro-
fessoren, Lehrern und Schülern zu. Während man auf saarländischer Seite durchaus die
Vorstellung von Frankreich als einem attraktiven Land besaß, war das Saarland für die
überwiegende Zahl der Franzosen nichts anderes als eine kleine Grenzregion, die man al-
lenfalls in ihrer industriellen Bedeutung einzuschätzen wußte.
Ein wesentlicher Kern des Kulturabkommens war das Kapitel II über das Hochschul-
wesen. Im Rückgriff auf Artikel 33 der Saarländischen Verfassung, der, wie erinnerlich,
den Aufbau eines akademischen Bildungssystems als Ziel saarländischer Politik kundtat,
und ausgehend von der im Abkommen festgestellten Verpflichtung Frankreichs, der Re-
gierung des Saarlandes bei der Schaffung und Entwicklung der Universität des Saarlandes
kulturell und wirtschaftlich beizustehen171, beinhaltete dieser Abschnitt im einzelnen die
Modalitäten der materiellen und personellen Unterstützung, die Grandval im Namen
Frankreichs auf der Sitzung des erweiterten Verwaltungsrates des Hochschulinstituts
Homburg am 9. April 1948 im Quai d’Orsay Hoffmann zugesagt hatte172. Die wesentli-
chen Einzelbestimmungen darüber finden sich im Artikel 15. Danach mußte sich der Uni-
versitätshaushalt im Rahmen der eigenen Einkommen und der vom Saarland und Frank-
reich gewährten Zuschüsse halten. Außerdem verpflichtete sich Frankreich zur Abord-
nung und Bezahlung einer gewissen Zahl französischer Professoren aus dem Höheren und
Hochschuldienst, von außerordentlichen Professoren, Privatdozenten, Assistenten und
Lektoren. Sie sollten namentlich aus den Bereichen der romanischen Philologie, der Phi-
losophie, der Geschichte und des Rechts kommen173. Auffällig ist, daß das Abkommen,
abgesehen von einem Passus über einen von den Partnern zu gleichen Teilen zu tragenen
Garantiefond von 10 Millionen ffrs174, keine konkreten Abmachungen über die Höhe der
fiskalischen Leistungen bzw. den Umfang der personellen Leistungen Frankreichs ent-
hielt. Dagegen waren die Vereinbarungen über den Charakter der Universität als Körper-
schaft des öffentlichen Rechts, über die Struktur der Hochschulverfassung sowie über die
Universitätsorgane präzise. Sie wurden ohne nennenswerte Korrekturen der Absprachen
vom 9. April 1948 vertraglich fortgeschrieben175. Als erwähnenswerter Bestandteil des
170 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. Zur Entwicklung des Musiklebens an der Saar nach
1945 vgl. den nicht von Vorurteilen freien aber dennoch informativen Beitrag von E. Stilz.
171 Französisch-saarländisches Kulturabkommen, Artikel 11. Der Quellennachweis findet sich in
der Anm. 157 auf S. 165.
172 Siehe oben, S. 125 f.
1 1 Vgl. hierzu den Text des Artikels 15 des französisch-saarländischen Kulturabkommens. Der
Quellennachweis findet sich in der Anm. 157 auf S. 165,
174 Rund 126000 DM, errechnet nach dem höchsten Kurs (79,10) im Zeitraum 18. 10. 1948-26.
4. 1949.
175 Vgl. oben, S. 125f.
168
Vertrages ist schließlich noch die im Artikel 26 bekundete Absicht zu notieren, daß beide
Partner die gegenseitige Gültigkeit von Studienzeugnissen, Titeln, Diplomen, die zum
Hochschulstudium, und Titeln, die zu einer Berufsausübung berechtigten, im Verhand-
lungswege anstreben wollten176. Die Äquivalenzfrage, womit natürlich in erster Linie die
Anerkennung von Zertifikaten der saarländischen Universität in Frankreich und
Deutschland anstand, war schon im Rahmen der Pariser Absprachen vom 9. April 1948
ein zentrales Thema und ein erklärtes Ziel gewesen. Beide Partner wußten, daß sie diese
Angelegenheit politisch befriedigend lösen mußten, wenn die Universität eine gedeihliche
Entwicklung nehmen und ihre Wirkung zugunsten der saarländischen Staatlichkeit zum
Tragen kommen sollte177. Zudem hatte der Studentenstreik vom Mai 1948 nachdrücklich
auf die Regelung dieses Problems aufmerksam gemacht178.
3.3 Das Kulturabkommen aus französischer Sicht
Eine emotionsfreie Wertung des Kulturabkommens vom 15. 12. 1948 wird stets zu dem
Schluß kommen müssen, daß Frankreich die kulturelle Entwicklung im Saarland groß-
zügig zu fördern trachtete. Aber gerade diese Weitherzigkeit ist in der Literatur und in der
zeitgenössischen Publizistik immer wieder zum Anlaß genommen worden, argwöhnisch
nach den wirklichen Motiven des französischen Beistands zu fragen. So hat Werner Ve-
authier den „Edelmut“ Frankreichs mit Blick auf die Universität offen als eine Farce kari-
kiert. Nach seiner Auffassung waren die eigentlichen Absichten des französischen Mäze-
natentums allein von dem Ziel der Bildung einer ihm ergebenen Elite an der Saar be-
stimmt179. In den Memoiren Schneiders taucht die Universität als eine Gründung der fran-
zösischen Besatzung auf, die von Anfang an auf eine „pénétration culturelle“ im Verdier-
schen Sinne180 ausgerichtet gewesen sei181. Wenig später spricht Schneider von Versuchen
einer umfassenden „’geistigen Durchdringung’ unseres Landes und seiner Menschen“182,
womit er das bereits oben resümierte Urteil Schmidts bestätigt. Die von Veauthier,
Schneider und Schmidt konstatierte Schlußfolgerung einer versuchten romanischen Kul-
turinfiltration der saarländischen Bevölkerung durch Frankreich nach 1945 hat auch
Erich Dombrowski, der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in einem
176 Artikel 26 des französisch-saarländischen Kulturabkommens. Der Quellennachweis findet sich
in der Anm. 157 auf S. 165.
177 Vgl. hierzu das Protokoll erweiterter Verwaltungsrat, S. 3 ff. Quellennachweis in Anm. 318 auf
S. 123.
178 Siehe oben, S. 129 f.
179 W. Veauthier, S. 239.
ISO Angesprochen ist hier der ehemalige französische Konsul in Saarbrücken (von 1936 bis 1939),
L. Abel Verdier, der im Auftrag des französischen Außenministeriums als Leiter einer Kommis-
sion im Mai 1945 das Saarland bereiste und in einer Denkschrift u. a. eine allmähliche Assimila-
tion der saarländischen Bevölkerung für wünschenswert hielt. Vgl. hierzu oben, S. 73. Die Text-
stelle, auf die sich Schneider offensichtlich bezieht, lautet: Das Ziel, das wir erreichen wollen, ist
die reibungslose Integration des gesamten Wirtschaftslebens des Saargebietes in die französische
Wirtschaft, die fortschreitende Gewöhnung seiner Bewohner an uns durch zahlreiche und häu-
fige Kontakte. Sie müssen unsere Lebensart, unser politisches Ideal verstehen lernen und sich der
Anziehungskraft hingeben, die die französische Kultur und sein Genie ausstrahlen, so daß sie sich
eines Tages uns ganz nahe fühlen, um dann ehrlich und ohne Hintergedanken Glieder der großen
politischen Gemeinschaft zu werden, zu der sich die Union française entwickelt. Zitiert nach:
Flugschrift des Deutschen Saarbundes. Französische Kulturpolitik, S. 1.
181 H. Schneider, S. 145.
182 Ebenda, S. 146.
169
leidenschaftlichen Plädoyer für das Deutschtum an der Saar, das er im Januar 1955 veröf-
fentlichte, als Gefahr an die Wand gemalt, ln einem Leitartikel seiner Zeitung183 warnte
er nachdrücklich vor einer Trennung der Saar vom deutschen Volkstum und erinnerte
dabei an das kulturelle Schicksal Luxemburgs im 19. Jahrhundert. Dort sei, so Dom-
browski, nach der Entlassung des Großherzogtums aus der deutschen Bundesgenossen-
schaft im Jahre 1867 die gesellschaftliche Oberschicht rasch romanisiert worden und die
Mittel- und Unterschicht in kultureller Hinsicht heimatlich-provinziell geworden.
Bereits oben wurde ausführlich dargelegt, daß die französische Seite solche Spekulationen
um eine offene oder versteckte Französierung der saarländischen Bevölkerung generell
mit Entschiedenheit zurückgewiesen hat184 185 186 187. Im Zusammenhang mit dem Kulturab-
kommen hat sie das schon wenige Tage nach der Unterzeichnung getan. So versicherte
Frédéric Billmann, damals Leiter des Presseamtes des Hohen Kommissariats und später
Generaldirektor des Saarländischen Rundfunks, in der Weihnachtsausgabe der Saar-
brücker Zeitung des Jahres 1948:
Wie der Herr Kommissar es zu wiederholten Malen erklärte und der Herr Außenminister
der Französischen Republik es selbst bekräftigte, beabsichtigt Frankreich keinesfalls die
einheimische Sprache, die Gesittung, das Brauchtum, in einem Wort, die saarländische
Eigenart anzutasten™5.
Die stete Respektierung der saarländischen Kulturautonomie unter der Prämisse ihrer
deutschen Prägung durch Frankreich unterstrich Grandval ausdrücklich bei seiner Ab-
schiedsrede am 30. Juni 1955. Er sagte:
Pays de langue et de culture allemandes, aux traditions duquel vous savez mieux que qui-
conque que nous n’avons jamais voulu porter atteinte, la Sarre voit aujourd’hui s’ouvrir
à elle, grâce à cette interpénétration des esprits dont les uns et les autres sont également
bénéficaires les horizons d’une culture française dont la vocation universelle complète
heureusement la sienne popre,86.
Pierre Woelfflin räumt zwar heute ein, daß die aufgrund des Vertrages angelaufenen fran-
zösischen Kulturaktionen an der Saar politisch relevante Investitionen waren, bestreitet
aber ebenso wie Billmann und Grandval jeden französischen Versuch einer Romanisie-
rung der saarländischen Bevölkerung. Was wir wollten, so Woelfflin,
war eine kulturelle Blütezeit für das Saarland, die, und darin steckt natürlich eine politi-
sche Absicht, sich stabilisierend für die partikularistischen Kräfte an der Saar auswirken
sollte. Das wir die Saar als Land deutscher Kultur auch nach dem Kulturabkommen stets
respektiert haben, können Sie daraus ersehen, daß wir die Gelder für unseren Kulturetat
nicht aus einem politischen Referat des Quai d’Orsay, sondern von der Direction générale
des affaires et technique erhielten. Diese Dienststelle unseres Außenministeriums organi-
sierte die gesamte französische Kulturpolitik außerhalb unseres Landes in der Welt. Wir
waren von der Saar her der Unterdirektion Europa zugewiesen. Zweimal im Jahr fuhr ich
nach Paris, um den freilich relativ großzügigen Etat für das Saarland zu diskutieren™7.
183 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. 1. 1955 (Leitartikel: „Um das Deutschtum an der
Saar“).
184 Siehe oben, S. 61 ff.
185 Saarbrücker Zeitung vom 24. 12. 1948.
186 G. Gr and vai, Abschiedsrede (französische Textfassung), S. 4.
187 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
170
Die Ausführungen Woelfflins unterstreichen erneut, daß sich die französische Kulturpo-
litik nach der grundsätzlichen Entscheidung für die Autonomie im Sommer 1946 in ihren
Zielen auf die Festigung des saarländischen Partikularismus und damit auf die Stärkung
der saarländischen Eigenstaatlichkeit festgelegt hatte188. Daß Frankreich willens war, die
deutschen Kulturtraditionen an der Saar zu respektieren, das betonen schließlich auch die
Anweisungen des Quai d’Orsays an das Hohe Kommissariat in Saarbrücken vom 17. Ja-
nuar 1948. Gleichzeitig wird aber auch der Anspruch auf kulturpolitischen Einfluß ent-
schieden geltend gemacht:
Néanmois la France se doit de conserver une influence prépondérante au poste de radio
de Sarrebruck ainsi que dans le journal le plus important du territoire. Grâce à ces moyens
d’action puissants, l’influence française pourra s’imposer en profondeur. Plus importante
encore sera l’action à mener dans le domaine de l’enseignement. Tout en s’interdisant une
immixtion directe dans l’organisation de l’enseignement sarrois, les autorités françaises
devront exercer un contrôle efficace sur sa qualité et son esprit. Ce contrôle constituera
la meilleure garantie d’avenir du ’Centre d’Enseignement Supérieur et de Recherches
Scientifiques’ de Homburg. Grâce au bilinguisme, au concours de professeurs français et
sarrois et à une certaine équivalence des programmes il sera possible de réaliser sur le plan
de l’enseignement supérieur et de la formation des cadres une interpénétration des deux
cultures qui nous attachera les Sarrois en même temps quelle contribuera au rayonne-
ment de la France vers l’Allemagne rhénane,189
Diese weitreichenden Forderungen nach Kontrolle und Mitwirkung im Bereich der Me-
dien und auf dem schulischen Sektor rechtfertigen ebenso wie die immer wieder betonte
kulturelle Eigenart der Saarländer und die offen bekundete Erwartung einer großzügigen
Duldung französischer Schulen die Annahme, daß Frankreich im Falle einer Metamor-
phose der saarländischen Bevölkerung im Sinne einer Hinwendung zur romanischen
Kultur die sich daraus ergebenden Chancen für seine Politik genutzt hätte. Welche Folge-
rungen kann man aus dieser Vermutung ziehen? Die Antwort kann nur lauten, daß der
ausschlaggebende Faktor für einen möglichen Prozeß der Französisierung nicht beim
französischen Partner lag, sondern beim saarländischen. Die Kernfrage lautet also: War
die saarländische Bildungspolitik auch nach dem Kulturabkommen willens und in der
Lage, die im Artikel 30 der Saarländischen Verfassung ausdrücklich bekundete Pflege der
deutschen Kultur zu gewährleisten?
ln der einschlägigen Saarlandliteratur findet man hierauf, zumindest für den Zeitraum bis
zum Jahre 1951, fast immer eine verneinende Stellungnahme. Begründet wird sie, ausge-
hend vom französischen Sprachunterricht, den französischen Schulen und der Univer-
sität, stets mit der Person des ersten saarländischen Kultusministers Emil Straus. Die „Ära
Straus“, wie sie im Folgenden genannt werden soll, ist in ihrer Entwicklung oben bereits
188 Daß Hoffmann die Dinge auch so sah, läßt sich aus seiner Bewertung des Kulturabkommens ab-
leiten. In seinen Memoiren stellt er im Zusammenhang mit dem Vertragswerk und unter Hinweis
auf die Universitätsgründung fest: „Es ergab sich von selbst durch die gemeinsame Aufgabe (der
Zusammenarbeit) auch gemeinsam die erforderlichen Mittel und Einrichtungen zu schaffen“. J.
Hoffmann, Ziel, S. 148.
189 Projet d’instructions au Haut-Commissaire Français en Sarre, ausgegeben vom französischen
Außenministerium - Direction d’Europe, Sous-Direction Sarre — am 17. 1. 1948. Ministère des
Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Di-
rection de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 2.
171
mehrmals angesprochen worden. Sie wird bis heute durchgängig als Epoche einer pro-
französisch inspirierten saarländischen Kulturpolitik gesehen, die insbesondere wegen
einer bei Straus vermuteten kollaborierenden Gesinnung im Verdacht steht, verdeckte
französische Assimilationsabsichten begünstigt zu haben. Ob diese Vermutung ihre Be-
rechtigung hat, ist die wesentlichste Frage, die im nächsten Kapitel zur Untersuchung an-
steht. Gleichzeitig wird der bereits angekündigte Schritt in die bildungspolitische Praxis
getan, worunter hier freilich weniger eine Analyse des saarländischen Schulalltags ver-
standen werden soll als vielmehr eine Durchleuchtung der Folgen, die sich aus den verfas-
sungsrechtlichen Normen und den kulturellen Vereinbarungen mit Frankreich für das
saarländische Bildungswesen ergaben. Weiterhin gilt es, eine Leistungsbilanz zu ziehen,
die deutlich macht, was die saarländische Politik in dieser Zeit für den materiellen und gei-
stigen Wiederaufbau der öffentlich organisierten Bildung tun konnte. Diese Thematik im-
pliziert natürlich auch die Frage, ob und ggfs, in welchem Ausmaß die Kulturkonvention
mit Frankreich Anteil an der schulischen Entwicklung im Saarland genommen hat.
Schließlich muß auch den Gründen nachgegangen werden, warum Straus im Jahre 1951
aus seinem Amt als Kultusminister ausscheiden mußte.
Die Auseinandersetzungen mit der „Ära Straus“ und die sich daran anschließende Fort-
schreibung der Universitätsgeschichte können nicht alle Nuancen des bildungspolitischen
Geschehens an der Saar erfassen, dafür ist das moderne Bildungswesen in sich zu komplex
und differenziert. Unberührt von dieser angekündigten Konzentration bleibt das Haupt-
anliegen der folgenden Kapitel, nämlich den saarländischen Regionalismus dort auf den
Prüfstand seiner bildungspolitischen Absichten zu stellen, wo sein Anspruch auf eine un-
angetastete kulturelle Autonomie bisher am stärksten angezweifelt worden ist. Diese Stra-
tegie hat u. a. den Vorteil, daß im weiteren Verlauf dieser Untersuchung die saarländische
Bildungspolitik um so deutlicher als Bestandteil einer auf Eigenstaatlichkeit aber nun
auch auf Europa gerichteten Politik in den Mittelpunkt gerückt werden kann, wie sie sich
mit Beginn der fünfziger Jahre aufgrund neuer politischer Konstellationen an der Saar
immer stärker profilieren konnte. Anzusprechen sind hier ebenso saarinterne wie auch
Rückwirkungen internationaler Art, die insbesondere durch die Entstehung der Bundes-
republik Deutschland und den westeuropäischen Integrationsgedanken verursacht
wurden. In den Hintergrund gedrängt werden vom übernächsten Kapitel an die verglei-
chenden Analysen zwischen den bildungspolitischen Entwicklungen an der Saar und in
der Bundesrepublik. Sie gewinnen erst wieder an Bedeutung, wenn über die bildungspo-
litischen Anpassungen infolge der politischen und wirtschaftlichen Eingliederung des
Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland zu berichten sein wird.
4. Die „Ära Straus“ im Spiegel einer Leistungsbilanz
4.1 Günstige Vergleichsdaten
In ihrem Tätigkeitsbericht bis zu ihrer 100. Plenarsitzung, der den Zeitraum von 1948 bis
1962 umfaßt, bezeichnet die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bun-
desrepublik Deutschland die Jahre von 1948 bis etwa Ende 1954 bildungspolitisch als
Phase des materiellen 'Wiederaufbaus von Schulen, Fachschulen und Hochschulen und
172
der langsame (sic) Normalisierung des kulturellen Lebens'90. Diese allgemein gehaltene
Charakterisierung schul- und kulturpolitischen Bemühens im Nachkriegsdeutschland
traf auch und gerade auf das Saarland zu, denn hier war es infolge schwerer Luftangriffe
und aufgrund bewegter Frontverschiebungen zu besonders schlimmen Zerstörungen und
Verwüstungen gekommen190 191. An der Saar begann der eigentliche Wiederaufbau im Jahre
1948 und erreichte in den Jahren 1950 und 1951 einen ersten Höhepunkt. Von diesem
Aufschwung profitierte auch der Schulbau, dem im Jahre 1949 noch die Aufgabe bevor-
stand, etwa 1 000 Schulklassen neu zu errichten192. Allein in der Stadt Saarbrücken
fehlten zu diesem Zeitpunkt über 200 Schulräume. Hier wurden nach einem Bericht der
Saarbrücker Zeitung bis zum Juni 1953 neun Schulhäuser mit 113 Klassen wiederaufge-
baut bzw. neugebaut, sechs Schulhäuser mit 100 Klassen befanden sich nach diesem Re-
port zum gleichen Zeitpunkt im Bau193. Selbst Schmidt, der mit der saarländischen Politik
nach 1945 wegen ihrer separatistischen Ausrichtung hart ins Gericht gegangen ist, räumt
ein, daß in den Jahren nach 1947 für den „äußeren und inneren Wiederaufbau von
Schulen, Kirchen, Theatern, Festhallen, Museen, Bibliotheken und Sportstätten ... viel
getan“ worden ist194. Daß sich die enormen Anstrengungen und Erfolge im Bereich der
sächlichen Schulleistungen, die in der Ära Straus begannen und auch danach kontinu-
ierlich fortgesetzt worden sind, im Kulturhaushalt des Saarlandes nicht widerspiegeln,
liegt daran, daß die hierfür notwendigen Mittel in der Regel in den außerordentlichen
Etats der Kommunen ausgewiesen sind, die wiederum zum Teil durch Schlüsselzuwei-
sungen der saarländischen Regierung subventioniert wurden. Außerdem blieben die
Gelder und personellen Leistungen, zu denen sich Frankreich im Kulturabkommen ver-
pflichtet hatte, im Haushalt unberücksichtigt.
Der Anteil des saarländischen Kulturhaushalts am ordentlichen Gesamtetat bewegte sich
bis zum Jahre 1955 stets um die 10-Prozentmarke. Er erreichte für das Rechnungsjahr
1951, das als letztes unter Beteiligung von Straus als Kultusminister verabschiedet wurde
und das aus diesem Grunde als Stichjahr genommen werden soll, ein Volumen von reich-
lich 3 Milliarden ffrs (= 36 Millionen DM), was exakt einer Quote von 10,3 % der Aus-
gaben im ordentlichen Haushalt entspricht, die sich damals auf 29 Milliarden ffrs (= 348
Millionen DM)195 beliefen. Damit erreichte der Kulturetat des Saarlandes zwar einen ge-
ringeren Prozentanteil als die Kulturhaushalte des Jahres 1951 von Nordrhein-Westfalen
(14,24%) und Rheinland-Pfalz (12,5 %)196. Der Vergleich rückt aber sofort ins rechte
Licht, wenn man zu einer Pro-Kopf-Analyse übergeht. Schlägt man den jeweiligen Aus-
gaben für Kultur noch den Anteil der kommunalen Leistungen hinzu, die nach einer Sta-
190 Konferenz, Bericht 1961/62, S. 257.
191 Vgl. dazu oben, S. 37 und S. 80 ff.
192 Vgl. dazu die entsprechenden Angaben im Schreiben des Kultusministeriums an die Landräte des
Saarlandes und dem Bürgermeister der kreisfreien Stadt Saarbrücken vom 23. 5. 1949. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 18a - 1945.
193 Saarbrücker Zeitung vom 8. 6. 1953
194 R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 664.
195 Errechnet auf der Basis des Wechselkurses (100 ffrs = 1,19832 DM), der für den Zeitraum vom
17. 2. 1950 bis 14. 1. 1952 gültig war.
196 Ordentlicher Haushalt 1951 Nordrhein-Westfalen, Ein- und Ausgaben 2506623 250 DM,
davon für Kultus 357005 600 DM. Rheinland-Pfalz 542313 000 DM, davon für Kultus
67 811 000 DM. Die genannten prozentualen Haushaltsansätze blieben für die fünfziger Jahre in
etwa konstant.
173
tistik der Kultusministerkonferenz damals bei einem Satz von nahezu 35 % lagen197, so
erhält man für das Saarland ein geschätztes Ausgabenvolumen von 4,05 Milliarden ffrs
(= 48,6 Millionen DM)198, für Nordrhein-Westfalen von 482 Millionen DM und für
Rheinland-Pfalz von 91,5 Millionen DM. Ermittelt man aus diesen Zahlen eine Pro-Kopf-
Ausgabe, so ergibt sich für das Saarland ein Wert von 51,27 DM, für Nordrhein-West-
falen von 36,52 DM und für Rheinland-Pfalz ein solcher von 30,50 DM 199. Wenn auch
in dieser hier erstellten Vergleichsrechnung wegen der unterschiedlichen Haushaltsstruk-
turen, der Anwendung von Annäherungswerten und gewiß auch wegen des komplizierten
Regelkreises von Kaufkraft, Währung und Wechselkurs Imponderabilien kalkuliert
werden müssen, so offenbart sie dennoch, daß das Saarland in der Zeit bis 1955 einen ver-
gleichsweise anspruchsvollen Kulturhaushalt hatte. Diese günstige fiskalische Ausgangs-
lage, die mittelbar u. a. mit den merklich geringeren Belastungen des saarländischen Ge-
samtetats durch Kriegsfolgelasten im Zusammenhang stand200, war natürlich eine sehr
günstige Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung des Bildungswesens an der Saar.
Dies zeigt sich nicht zuletzt an den bildungsökonomischen Eckdaten, die das Saarland
schon bis zum Jahre 1951 zu erreichen vermochte.
Nach den Ermittlungen des Statistischen Landesamts registrierte das Saarland zu diesem
Zeitpunkt im Bereich der Volksschule, die damals wie in der Bundesrepublik in acht Jahr-
gangsstufen strukturiert war und in den ersten vier Klassen bis auf Ausnahmefälle von
allen schulpflichtigen Kindern gemeinsam besucht werden mußte, eine Durchschnitts-
quote von 41 Schülern pro Klasse201. Mit diesem Wert distanzierte es sich von der durch-
schnittlichen Klassenfrequenz der Volksschulen im Gebiet der Bundesrepublik von 43.
Unterboten wurde es dort von den Ländern Schleswig-Holstein (39), Württemberg-
Baden (40) und Baden (31 )202. Die achtbare Quote des Saarlandes ist umso erstaunlicher,
wenn man berücksichtigt, daß an der Saar damals ein stärkerer Lehrermangel spürbar
war als im Bundesgebiet. Im gymnasialen Sektor kam das Saarland im selben Schuljahr
sogar auf einen noch wesentlich günstigeren Vergleichswert. Mit seinen 27,9 Schülern pro
Klasse203 lag es klar unter der Durchschnittsmarke von 32 im Bundesgebiet. Dort er-
reichten lediglich die Länder Baden (26) und Württemberg-Hohenzollern (27) bessere
Werte204. Gleichwohl bedarf die gymnasiale Schulstatistik des Saarlandes an dieser Stelle
einer näheren Erläuterung; denn dem positiven Bild der Klassenfrequenz steht ein deutlich
negativer Quotient gegenüber, in dem das Verhältnis der Oberschüler zur Einwohner-
197 Konferenz, Bericht 1961/62, S. 245.
198 Errechnet auf der gleichen Grundlage wie in Anm. 195 auf S. 173 erläutert.
199 Errechnet unter Zugrundelegung der Bevölkerungsstatistik des Jahres 1950 (Stichtag 13. 9.
1950). Vgl. dazu im einzelnen Statistisches Jahrbuch (Bundesrepublik Deutschland 1952), S. 12.
200 So hatten die saarländischen Haushalte im Gegensatz zu den öffentlichen Etats in der Bundesre-
publik z. B. keine Mittel für Lastenausgleich und Flüchtlingsfürsorge bereitzuhalten. Zum La-
stenausgleich im Saarland vgl. den vom Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge
und Kriegsgeschädigte herausgegebenen Band.
201 Statistisches Handbuch (Saarland 1952), S. 211.
202 Statistisches Jahrbuch (Nordrhein-Westfalen 1952), S. 366 f. Bis zum Jahre 1955 konnte sich das
Saarland gegenüber den Bundesländern sogar noch weiter verbessern. Im Jahre 1953 erreichte
es mit dem Wert von 35,2 die zweitbeste Position. Vgl. dazu Statistisches Jahrbuch (Nordrhein-
Westfalen 1954), S. 340 f. in Verbindung mit dem Statistischen Handbuch (Saarland 1958), S.
50.
203 Statistisches Handbuch (Saarland 1952), S. 213.
204 Statistisches Jahrbuch (Nordrhein-Westfalen 1952), S. 366 f.
174
schaft zum Ausdruck kommt. Während im Bundesgebiet im Jahre 1951 auf 10 000 Ein-
wohner rund 135 Gymnasiasten kamen, erreichte das Saarland hier nur einen Wert von
99,5. Im Jahre 1947 hatte die Quote noch bei 114 gelegen, was in etwa der damaligen
Richtzahl in der Bundesrepublik entsprach. Sie sank dann aber aufgrund strenger Auslese-
und Prüfungspraktiken205 in der „Ära Straus“ stetig und erreichte im Jahre 1950 mit 95,7
ihren absoluten Tiefpunkt. Diese Entwicklung, die von Straus im Zeichen des Wechselbe-
zugs von harter und konsequenter Leistungsschulung und der Erwartung einer „staatstra-
genden“ Elite bildungspolitisch gewollt war, ist eine der primären Ursachen für die schul-
politischen Spannungen der Jahre 1947 bis 1951 gewesen. Andererseits, und vielleicht lag
darin ein verschärfendes Element für die allgemeine Unruhe jener Jahre an den saarländi-
schen Gymnasien, ist in der Hoffmannzeit insgesamt und auch in den Jahren von Straus
durch ein System von Freistellen und Erziehungsbeihilfen an den damals noch schuldgeld-
pflichtigen Oberschulen eine erhebliche Veränderung der Sozialstruktur in der gymna-
sialen Schülerschaft des Saarlandes herbeigeführt worden. Sowohl die starken Elemente
des sozialen Katholizismus in der CVP als auch die SPS unterstützen diesen Kurs der Be-
gabtenförderung minderbemittelter Schüler. So kamen, wenn man den Angaben Hans
Grohs, des Hochschulreferenten im saarländischen Kultusministerium, Glauben
schenken darf, im Jahre 1950 54 % aller saarländischen Oberschüler aus Arbeiter- und
Bauernfamilien206. Gerade dieses Beispiel führt deutlich vor Augen, daß infolge des sepa-
raten staatlichen Daseins der Wandel im Bildungsleben an der Saar zum Teil anders ver-
laufen ist als in der Bundesrepublik.
Das in sechs Jahrgangsstufen aufgebaute Mittelschulwesen erfuhr im Zeitraum 1945 bis
1955 im Saarland keinen Aufschwung207. Die beiden Saarbrücker Mittelschulen, eine für
Mädchen und eine für Jungen, blieben in dieser Zeit die einzigen an der Saar. Sie unterrich-
teten in den damaligen Jahren jeweils etwa 1 000 Schülerinnen bzw. Schüler. Damit kam
das Saarland auf einen statistischen Wert von nur rund 20 Schülern pro 10 000 Ein-
wohner, eine Quote, die im Vergleich zur Bundesrepublik auffallend gering war, wo im
Jahre 1951 auf 10 000 Einwohner nahezu 50 Mittelschüler kamen. Die durchschnittliche
Klassenfrequenz der Saarbrücker Mittelschulen war ebenfalls mehr als ungünstig. Sie
kam im Jahre 1951 auf 44 Schüler und erreichte damit einen Wert, der weit über den von
32 in der Bundesrepublik lag208. Emil Wagner, lange Jahre als Realschullehrer in Saar-
brücken tätig gewesen und nach 1955 Direktor in diesem Bildungsbereich und darum mit
205 Im Jahre 1947 erhielten noch 23,9 % der saarländischen Sextaner ihr Reifezeugnis. Danach
nahm die Anteilsquote kontinuierlich ab: 1948 = 19,5 %, 1949 = 16,1 %, 1950 = 14,7%. Vom
Jahre 1951 an, nach der Entlassung von Straus als Kultusminister, nahm sie wieder zu: 1951 =
20,6 %, 1952 = 23,4 %, 1953 = 22,6 %, 1954 = 22,6 %, 1955 = 26,4 %, 1956 = 25,9 %,
1957 = 32,2 %. Statistik nach: Saarland in Zahlen, Heft 4, Oktober 1958, S. 12. Vgl. in diesem
Zusammenhang auch das Schreiben des evangelischen Jugendpfarrers vom Berg an Oberkir-
chenrat Wehr vom 22. 6. 1954. Dort heißt es u. a.: Es scheint saarländische Mode zu sein, daß
man die für Höhere Schulen aufzunehmenden Schüler tagelang unter die Lupe nimmt und dann
aus diesem „Menschenmaterial“ sich diejenigen aussucht, die einem gefallen. Archiv des Kir-
chenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3, Lehrerseminar Ottweiler.
206 Vortrag Grohs über studentische Fragen am 23. 12. 1950. Manuskript der Rede. LA Saar-
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/Vl - UIS — 1 e -.
207 Die ideologischen Gründe für die unfreundliche Haltung TOn Straus gegenüber den Mittel-
schulen wurden bereits oben angesprochen. Siehe oben, S. 112 f. Vgl. auch oben, S. 39 f.
208 Errechnet nach Angaben aus dem Statistischen Handbuch (Saarland 1955), S. 254 in Verbindung
mit dem Statistischen Jahrbuch (Nordrhein-Westfalen 1952), S. 366 f.
175
der Entwicklung des saarländischen Mittelschulwesens von 1945 bis 1955 vertraut,
spricht sogar von einer gewollten regierungsamtlichen Diffamierung dieser in der Tradi-
tion der preußischen Mittelschule stehenden Einrichtungen209. Er begründet seinen
Standpunkt mit der bewußten Unterdrückung einer qualifizierten Mittelschullehreraus-
bildung210, den hartnäckigen Versuchen, den Bildungsauftrag dieser Schulgattung im
Sinne einer vorbereitenden Spezialausbildung für Wirtschaft und Verwaltung umzufunk-
tionieren211, und schließlich mit der Zeugnisfrage, derzufolge die Saarbrücker Mittel-
schulen nur ein Abschlußzeugnis und nicht das überlieferte Berechtigungszeugnis der
Mittleren Reife erteilten durften212.
Ein ebenso tristes Dasein wie die Mittelschulen mußten die Sonderschulen im Saarland fri-
sten, allerdings ohne dabei im Vergleich zum Bild in der Bundesrepublik negativ aufzu-
fallen. Vor allem in den Jahren der kulturpolitischen Verantwortung von Straus blieben
Impulse, die zu einer durchgreifenden Verbesserung der Lage der Hilfsschulen, wie man
damals die Sonderschulen nannte, hätten führen können, aus. Wenn auch die Zahl solcher
Bildungseinrichtungen von 1946 bis zum Jahre 1951 von 2 auf 6 anstieg, so bedeutete dies
allenfalls eine Linderung der heilpädagogischen Notsituation. Das lag zum einen daran,
daß die damalige Bildungspolitik an der Saar noch stärker als in der Bundesrepublik in der
Behindertenschulung zu sehr auf das Problem lernschwacher Kinder fixiert blieb, zum an-
deren daran, weil in jenen Jahren der Wiederaufbau des Volks- und Oberschulwesens ein-
deutig Priorität besaß. Ein Spiegelbild der desolaten Lage der saarländischen Sonder-
schule213 war sowohl die unzureichende Ausbildung und Qualifikation der Sonderschul-
lehrer, die sich meist aus der Volksschullehrerschaft rekrutierten214, als auch die Undefi-
nierte schulrechtliche und -gesetzliche Auftragsbestimmung für diesen Bildungssektor.
209 Bestätigt wird das harte Urteil Wagners durch einen Bericht des Neunkirchener Bürgermeisters
Brokmeier über eine Besprechung im Kultusministerium, die die Neugründung einer Mittel-
schule in Neunkirchen zum Inhalt hatte. Danach standen die Vertreter des Kultusministeriums
diesem Projekt sehr reserviert gegenüber, da es nach ihrer Ansicht ein besonderes Erziehungsziel,
das zu speziellen Berufen berechtigte, (für) die Mittelschule nicht gebe. An anderer Stelle heißt
es: Nach den jetzigen Erfahrungen würden die beiden Mittelschulen in Saarbrücken zur Haupt-
sache von Schülern besucht, die von der höheren Schule kommen unter der Annahme, daß sie die
gesteckten Ziele nicht erreichen würden. Bericht des Neunkirchener Bürgermeisters Brokmeier
über eine Besprechung im Kultusministerium vom 20.11.1954. LA Saarbrücken, Bestand Kreis-
schulamt Ottweiler Nr. 2. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 19). Neben Neunkirchen
beantragten auch der Kreis Wadern und die Städte Blieskastel und St. Ingbert vergeblich die
Gründung einer Mittelschule.
210 Vom Jahre 1952 an gab es zwei Möglichkeiten, sich als Mittelschullehrer zu qualifizieren: Volks-
schullehrer, die die 2. Staatsprüfung bestanden hatten, konnten sich in Vorbereitungskursen auf
die Mittelschullehrerprüfung vorbereiten, Abiturienten mußten ein dreijähriges Universitätsstu-
dium in zwei Fächern und in Pädagogik nachweisen, wenn sie zur Mittelschullehrerprüfung zu-
gelassen werden wollten.
211 Der von Wagner im Interview vom 5. 3. 1976 erwähnte Versuch einer Umformung der Saar-
brücker Mittelschulen in Einrichtungen nach dem Vorbild des „Lycée moderne“, einer in Frank-
reich neu eingeführten höheren Schule mit modernen Fremdsprachen, die dort die École primaire
supérieure ablöste, kann aus den Quellen nicht als ernsthaft nachgewiesen werden.
212 Interview E. Wagner vom 5. 3. 1976. Vgl. auch E. Wagner, S. 275 ff.
213 Vgl. hierzu im einzelnen A. Sander, S. 126 ff.
214 Im Saarland gab es, im Gegensatz zu den meisten Ländern in der Bundesrepublik, keine beson-
deren Institute für Heilpädagogik, die in zwei- bis viersemestrigen Kursen Sonderschullehrer
hätten ausbilden können. Statt dessen begnügte man sich bis zum Jahre 1955 mit Kurzkursen,
die etwa 1 lA Jahr dauerten und in denen die Kandidaten, die sich fast alle aus der Volksschulleh-
rerschaft rekrutierten, lediglich einmal wöchentlich im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften zu-
sammenkamen.
176
Wenn sich auch die Situation der saarländischen Sonderschule bis zum Jahre 1955 leicht
verbesserte, weil zu den 6 Sonderschulen noch 12 hinzukamen, so blieb das Resultat für
die Lernbehinderten dennoch völlig unbefriedigend. Von den insgesamt 18 Sonder-
schulen war nur eine, nämlich die Taubstummen- und Blindenschule in Lebach215, für
körperbehinderte Kinder einsatzbereit. Alle anderen blieben Einrichtungen für geistig be-
hinderte bzw. schwach begabte Kinder. Insgesamt unterrichteten diese Anstalten im Jahre
1955 661 Schüler216 217. Allgemeiner Erfahrungswert für die Zahl heilpädagogischer Be-
treuung bedürftiger Kinder ist ein Prozentsatz von 3,5 bis 4 v. H. der Gesamtzahl der
schulpflichtigen Kinder. Im Saarland wären demnach rund 4000 Schüler auf den Besuch
einer Sonderschule angewiesen gewesen. In Wirklichkeit konnte aber nur ungefähr jedes
sechste lernbehinderte Kind eine ihm gemäße Spezialbildung erfahren. Die Folge war, daß
im Saarland, wie es in einer Stellungnahme des Evangelischen Kirchenkreises Saar-
brücken aus dem Jahre 1955 hieß, etwa 80—90 % der hilfsschulbedürftigen Kinder in der
Volksschule blieben und dort in den 4. und 5. Klassen einen störenden Bodensatz bil-
deten. Unterrichtlich können sie nicht mehr gefördert werden. Erziehlich werden sie in die
Schwererziehbarkeit abgedrängt117.
Eine recht günstige Entwicklung nahm das berufsbildende Schulwesen an der Saar.
Brengel, der im Rahmen einer im Jahre 1961 vorgelegten Dissertation das saarländische
Berufsschulwesen detailliert untersucht hat, resümiert, daß die saarländische Berufs-
schule nach dem Kriege bald „nicht nur ihren früheren Stand ... behaupten“, sondern ihr
höheres Anspruchsniveau gegenüber den berufsbildenden Schulen im Bundesgebiet bei-
behalten konnte. Brengel führt dies auf die fortgesetzte Förderung des Berufsschulwesens
seit den Tagen des Völkerbundregimes einerseits und auf „das Bemühen der Regierung
des Saarlandes um den weiteren Ausbau des beruflichen Bildungswesens und dessen neu-
zeitliche Gestaltung nach 1945“ andererseits zurück218. Tatsächlich ist an der Saar die
gute Tradition, den berufsbildenden Bereich in Korrelation zu den stetig steigenden An-
forderungen einer immer mobiler werdenden Berufswelt auszubauen und qualitativ zu
verbessern, auch in den Jahren bis 1955 fortgesetzt worden. Seine positive Entwicklung
verdankt dieser Bildungssektor dabei günstigen Umständen, Da wäre sicherlich an erster
Stelle die wohlwollende bildungspolitische Unterstützung zugunsten der Berufsschule zu
erwähnen, die die Regierung durch die Kammern und Verbände der Wirtschaft sowie
durch die Gewerkschaften erfuhr. Vorteilhaft war auch der Konsens von CVP und SPS im
Zeichen einer gezielten Förderung des Berufsschulsektors und die grundsätzlich positive
Haltung Richard Kirns in dieser Frage. Er unterstützte im Kabinett jede Initiative zugun-
sten dieses Bildungsbereichs219. Einer der besonderen Erfolge dieser bildungspolitischen
215 Die Anstalt wurde im Oktober 1949 eröffnet. Die Federführung für diese Einrichtung lag be-
zeichnenderweise nicht beim Kultusministerium, sondern beim Ministerium für Arbeit und
Wohlfahrt, das damals von dem Vorsitzenden der SPS, Richard Kirn, geleitet wurde. Bezüglich
der Eröffnungszeremonie vgl. Bericht der Saarländischen Volkszeitung vom 29. 10. 1949. Da-
nach begann die Schule mit 110 taubstummen und 40 blinden schulpflichtigen Kindern, die bis
dahin in Anstalten in Trier, Euskirchen, Neuwied, Frankenthal und Düren untergebracht waren.
216 Statistisches Handbuch (Saarland 1958), S. 50.
217 Der Durchschlag der maschinengeschriebenen Stellungnahme ist ohne Datierung. Sie wurde
wahrscheinlich im Sommer 1955 dem saarländischen Kultusministerium übermittelt. Archiv des
Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr 1945 — 1958, Aktengruppe 3.
218 A. Brengel, Wirklichkeit, S. 647 ff.
219 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976
177
Entente war das Berufspädagogische Institut an der Universität des Saarlandes, mit dessen
Gründung am 17. 12. 1949 das bisher mannigfaltige Bild der Gewerbelehrerausbildung
allmählich in eine grundsätzlich akademisch strukturierte220 kanalisiert werden
konnte221. Allerdings blieb die Laufbahn des Berufsschullehrers für Abiturienten vorerst
wenig attraktiv, da sie in der Regel einen 6- bis 8 jährigen Ausbildungsweg in Kauf nehmen
mußten. So entschieden sich von den 253 saarländischen Gymnasiasten, die im Jahre
1952 ihr Reifezeugnis erhielten, nur zwei für den Beruf eines Gewerbelehrers. Dieser ge-
ringe Zuspruch war übrigens mitverantwortlich dafür, daß im Saarland bis zum Jahre
1957 ein größerer Mangel an qualifizierten Berufsschullehrern spürbar war als in der
Bundesrepublik. Er machte sich insbesondere in den Fachklassen Metall, Holz und Bau-
gewerbe bemerkbar222.
In organisatorischer Hinsicht entwickelte sich die saarländische Berufsschule kaum an-
ders als in der Bundesrepublik. Sowohl die vielgestaltige Ausformung dieses Bildungsbe-
reichs in einen teilzeitorientierten Sektor der Berufs- und Berufsfachschulen und einen
vollzeitig arbeitenden Bereich der Fachschulen, als auch seine Gliederung in einzelne
Zweige wie den des Bergbaulichen, des Gewerblich-Technischen, des Kaufmännischen,
des Hauswirtschaftlich-Sozialpflegerischen und des Landwirtschaftlichen geschah hier
sogar zeitlich eher als in den meisten Ländern der Bundesrepublik. Eine besondere Stärke
der saarländischen Berufsschule, sie verdankt sie der bereits erwähnten bildungspoliti-
schen Koalition von sozialem Katholizismus, Sozialdemokratie und Gewerkschaften, war
ihr breites Angebot im Fortbildungsbereich, vor allem im Kaufmännischen und Techni-
schen223. Dies hat erheblich dazu beigetragen, daß die saarländische Berufsschule in der
Nachkriegszeit bald in einem besseren Leistungslicht dastand als das Berufsschulwesen
im Bundesgebiet. Im Jahre 1951, also zur Zeit des Abgangs von Straus, kamen im Saar-
220 Im Jahre 1950 waren noch 3 verschiedene Werdegänge als Berufsschullehrer möglich: 1. Abitur,
mindestens 2jährige Berufspraxis, 6semestriges Fachstudium, sechs Semester Lehrerausbildung
(z. B. Berufspädagogisches Institut); 2. Mittlere Reife, mindestens 3 Jahre Berufspraxis, 6seme-
striges Fachstudium an einer Ingenieur-, Bau oder Kunstschule, sechs Semester Lehrerausbil-
dung; 3. Direkter Zugang aus der Berufspraxis und eine durch eine Sonderprüfung nachgewie-
sene Leistung, die den unter 1) und 2) beschriebenen gleichwertig war.
221 Direktor des Berufspädagogischen Instituts wurde Eric-Jean Teich, als früherer Handelsschul-
lehrer ein ehemaliger Kollege von Straus. Hauptberuflich blieb Teich außerordentlicher Pro-
fessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Saarbrücken. Hauptamtliche Dozenten des
Instituts waren bis zum Jahre 1952 lediglich Dr. Weber, vorher Direktor der Gewerblichen Be-
rufsschule Sulzbach, und Regierungsdirektor Dr. Ludwig Jung, den Straus im Januar 1946 aus
seinem Amt als Leiter der Saarbrücker Schulbehörde verdrängt hatte. Im Jahre 1951 hatte das
Institut 48 Studierende, 40 für das Gewerbelehreramt und 8 für das Handelsschullehreramt.
Nach Bericht des Berufspädagogischen Instituts über das Studienjahr 1951/52. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/Vl - UIS — Berufspädagogisches Institut. Bis zum Jahre 1955
erhöhte sich die Zahl auf 117, davon 86 für das Lehramt an einer gewerblichen Berufsschule und
31 für das Lehramt an einer Handelsschule.
222 Nach Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Wohlfahrt - A/ld -6104— an den Ministerrat
vom 25. 6. 1953. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr.
1064.
223 Angemerkt sei in diesem Zusammenhang die Gründung der sogenannten Akademie der Arbeit
im Jahre 1951, eine gewerkschaftlich geprägte Bildungsanstalt für Erwachsene, die es sich zur
Aufgabe machte, ihren Hörern einen Einblick in Wirtschaft und Verwaltung zu vermitteln und
sie auf wirtschafts-, sozialwissenschaftlichen und arbeitsrechtlichen Gebieten zu bilden. Zitiert
nach einem Werbeblatt der Anstalt aus dem Jahre 1953. Darüber hinaus erhielt das Saarland im
Jahre 1953 eine Wirtschaftsoberschule, die mit dem sogenannten Wirtschaftsabitur abschloß.
Erwähnt sei auch die im Jahre 1948 entstandene Technische Abendschule. Näheres dazu bei K.
Bernhard.
178
[and auf 10000 Einwohner 411 Berufs- und Handelsschüler, in der Bundesrepublik da-
gegen nur 362224. Erwähnt seien auch die Volkshochschulen im Saarland. Ihre Tradition
begann hier mit der Gründung der Saarbrücker Volkshochschule im Jahre 1927 durch
den evangelischen Pädagogen Oskar Hammelsbeck, ln den Jahren nach 1945 nahm sich
der Saarbrücker Stadtschuldirektor Friedrich Margardt dieser Institution an225. Weitere
Volkshochschulen wurden bis zum Jahre 1955 in Neunkirchen, Sulzbach, St. Ingbert und
Homburg errichtet.
Schon der bisherige Leistungsbericht läßt deutlich werden, daß das allgemein- und berufs-
bildende Schulwesen an der Saar in den Jahren 1945 bis 1955 seinen traditionell deut-
schen Charakter eigentlich nicht verlor, d. h., die saarländische Bildungsgeschichte dieser
Jahre läßt sich ungeachtet ihrer Eigenarten mühelos in den Rahmen der deutschen Bil-
dungsgeschichte stellen. Gewiß, es gab bemerkenswerte Sonderentwicklungen wie etwa
den obligatorischen französischen Unterricht vom 2. Schuljahr der Volksschule an, den
Schulbeginn im Herbst, das französische 20-Punkte-Notensystem, die seminaristische
Volksschullehrerbildung, das Zentralabitur und schließlich auch die Brüskierung der
Mittelschulen. Aber keine dieser Praktika, die teilweise auch im Bereich der französischen
Besatzungszone wirksam geworden waren, hat die überlieferte deutsche Prägung der öf-
fentlichen Bildung an der Saar wesentlich berührt. Ebenso unangetastet blieben die Ele-
mente des deutschen Schulrechts und die Gewohnheiten deutscher Schulverwaltung.
Diese Feststellungen gelten auch für die „Ära Straus“.
4.2 Der profranzösische Kern in der Bildungspolitik von Straus
Heinrich Kuhn, der in den Jahren von 1948 bis 1950 das Referat für den Französischun-
terricht im saarländischen Kultusministerium leitete und dessen Verdienste für die saar-
ländische Landesgeschichte und die gymnasiale Bildung an der Saar anläßlich seines allzu
frühen Todes im Jahre 1976 gewürdigt worden sind226, hat den ungebrochenen deutschen
Charakter des saarländischen Bildungswesens nach 1945 mit dem Hinweis zu unter-
mauern gesucht, daß die saarländische Schule auch nach 1945 in erster Linie eine Lei-
stungsschule blieb, d. h. eine Schule, die das in der Wilhelminischen Zeit geborene Lei-
stungsprinzip unbeirrt fortgesetzt hat. In dieser Zielsetzung, so Kuhn, lag sicherlich ein
gewisser konservativer Zug, aber diese Tatsache verbürgte einen hohen Leistungs-
stand227. Das von Kuhn konstatierte und insbesondere in der „Ära Straus“ angestrebte
Ziel zu anspruchsvollen Schulleistungen war neben dem erklärten bildungspolitischen
Willen, eine durch die Kategorien Religion und Heimat grundbestimmten Bildungswelt
aufzubauen, in der Tat ein besonderer Wesenszug saarländischer Bildungspolitik und
224 Errechnet nach Angaben des Statistischen Handbuchs (Saarland 1955), S. 254 und des Statisti-
schen Handbuchs (Bundesrepublik Deutschland 1953), S. 193. Nicht unterschlagen werden
dürfen allerdings die höheren Anteile an Gymnasiasten und Mittelschüler in der Bundesrepublik,
die einen Wert von 65,5 ausmachen.
225 Nach einem Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 28. 7.1955. Danach erreichte die Saarbrücker
Volkshochschule eine Mitgliederzahl von 150 im Jahre 1950, 800 in 1953 und 1000 in 1955.
Die Zahl ihrer Hörer betrug 1954 etwa 16000 und 1955 etwa 23 000. Weitere statistische An-
gaben enthält der Bericht nicht. Schwerpunkte des Schulungsprogramms waren: Sprachkurse,
sachkundliche Fächer, populärwissenschaftliche Studienkreise und musische Bildung.
226 H.-W. Herrmann, Kuhn, S. 9 — 11.
227 Interview H. Kuhn vom 11. 12. 1975.
179
-praxis nach 1945. In ihm spiegelt sich, so merkwürdig das auch klingen mag, eine wesent-
lich stärkere profranzösische Ausrichtung des gesamten Bildungswesens wider als in
jenen bildungspolitischen Maßnahmen und Entwicklungen der „Ära Straus“, die üblich-
erweise in der Literatur mit der Parole von der „pénétration culturelle“ attackiert worden
sind. Die eifrige Protektion des französischen Sprachunterrichts, die für saarländische
Kinder beschränkt geöffneten französischen Schulen, der französische Einfluß auf das
akademische Bildungswesen, die verschiedenen und zahlreichen Austauschaktionen im
Bereich der Kunst, der Wissenschaft und Bildung sowie des Sports, also Entwicklungen
und Vorgänge, die bereits mehrmals, vor allem aber im Zusammenhang mit dem Kultur-
abkommen angesprochen worden sind228, mögen zwar mehr oder weniger deutliche An-
haltspunkte für eine frankophile Grundhaltung von Straus liefern, gleichwohl wird man
das Eigentliche seiner frankreichfreundlichen Gesinnung nicht hier, sondern in der Inter-
dependenz zwischen einer anspruchsvollen Bildungspolitik und einer dauerhaften staatli-
chen Existenz des Saarlandes suchen müssen. Straus wollte sozusagen mit fanatischem
Eifer, ähnlich wie ein Fürst im Spätabsolutismus, durch einen hohen schulischen Lei-
stungsstandard wachsende Staatlichkeit erreichen. Auch darauf wurde schon, insbeson-
dere im Zusammenhang mit der Universitätsgründung229, dem Zentralabitur230 231 und dem
Kulturabkommen aufmerksam gemacht. Das Profranzösische in diesem Streben wird er-
kennbar, wenn an dieser Stelle nochmals kurz auf die saarpolitischen Absichten Frank-
reichs bis zum Jahre 1950 eingegangen wird.
Grandval hat im Rahmen eines Interviews, das er im Jahre 1980 der Saarbrücker Zeitung
gab, ausdrücklich bestätigt, daß Frankreich, bevor man für die Saar eine europäische Lö-
sung gesucht habe, während einer gewissen Zeit daran gedacht habe, aus der Saar ein
zweites Luxemburg zu machen231. Dieses Ziel eines Pufferstaates, das bis zum Aufkeimen
der europäischen Zusammenarbeit von französischer Seite nach dem Verzicht auf eine po-
litische Annexion im Sommer 1946 im Sinne der oben analysierten nationalstaatlich
orientierten Sicherheitspolitik verfolgt worden ist232 und auch noch danach die Lösungs-
versuche der Saarfrage unter europäischem Aspekt erschwert hat, fand auf saarländischer
Seite in Straus einen entschiedenen Befürworter233. Straus hat dem Verfasser gegenüber
mehrmals betont, daß für ihn stets das Land Luxemburg Vorbild für die politische Zu-
kunft des Saarlandes gewesen sei234. Damit vertrat Straus einen graduell stärkeren Sepa-
rationswillen als zum Beispiel Hoffmann. Während Hoffmann die Zusammenarbeit mit
228 Siehe oben, S. 164 ff.
229 Siehe oben, S. 121.
230 Siehe oben, S. 174 f.
231 Abgedruckt in der Saarbrücker Zeitung vom 21. 10. 1980. Beilage: „Vor 25 Jahren: Saarländer
zwischen Nein und Ja“, S. 6.
232 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 43 f. und 61 ff.
233 Im Jahre 1970 hat Straus in einer Kurzbiographie, die er dem Landesarchiv in Saarbrücken über-
ließ, seine persönliche politische Konzeption wie folgt erläutert: Das Saarland sollte wirtschaft-
lich mit Frankreich verbunden, politisch aber autonom sein, an seiner deutschen kulturellen FJ-
genart festhalten, als Grenzland jedoch die Sprache und Kultur des westlichen Nachbarn kennen
und schätzen lernen. LA Saarbrücken, Kurzbiographie Emil Straus, gebilligt und in wesentlichen
Punkten ergänzt von Minister a. D. Dr. Emil Straus anläßlich seines Besuchs im Landesarchiv am
21. 10. 1970.
234 So seine Formulierung im Interview am 23. 10. 1975. Sinngemäß wiederholte er diese Aussage
in den Gesprächen am 4. 10. 1976, 23. 11. 1976 und am 1. 5. 1978. Siehe auch oben, S. 77.
180
Frankreich praktizierte, weil ihm nach seiner Auffassung keine andere Wahl blieb235,
suchte Straus sie, ähnlich wie der spätere Innenminister Hector, aus Sympathie, d. h. kon-
kret, Straus wollte ein „zweites Luxemburg“, um der französischen Politik gefällig zu
sein. Hoffmann und noch entschiedener die Gruppe um Koßmann blieben dagegen stets
regionalistisch orientiert, die französische Politik interessierte sie vorrangig des Saar-
landes wegen und kaum um Frankreichs willen. Von da aus setzten Hoffmann und Straus
auch unterschiedliche Akzente in der Europapolitik. So sah Hoffmann im Wandel vom
nationalen zum regionalen Denken eine entscheidende Voraussetzung für das Erreichen
des Einigungsziels; Straus dagegen operierte, darüber können auch seine ständigen Mah-
nungen vor den Gefahren des chauvinistischen Nationalismus nicht hinwegtäuschen,
eher im Geist des patriotischen Prinzips wie es bis in die sechziger Jahre vom Gaullismus
vertreten worden ist. Wenn Grandval im Jahre 1954 anläßlich der Verleihung eines fran-
zösischen Verdienstordens an Straus in seinem Ankündigungsschreiben die Anrede Mon-
sieur le Ministre et cher Ami wählte und den Dank seines Landes damit begründete, daß
es einen Mann zu ehren gelte, der unablässig les liens d’amitié geknüpft habe, qui unissent
nos deux pays und der fut l’un des principaux artisans de l’accord culturel franco-saa-
rois236, wenn ferner der europaskeptische Michel Debré in einem Antwortschreiben an
Straus im Jahre 1957 versicherte, daß beide pendant dix ans parallèlement travaillé pour
la même cause, celle d’une Sarre libre und wenn er gleichzeitig durchblicken ließ, daß er
über die Entwicklung an der Saar nach 1955 ebenso verbittert sei wie Straus237, dann
kommt hier der Zuspruch an einen saarländischen Politiker zum Ausdruck, der in seiner
separatistisch-partikularistischen Grundhaltung im allgemeinen und mit seiner Bildungs-
politik im besonderen den außenpolitischen Kalkülen Frankreichs in der Saarfrage stets
zuverlässig entgegengekommen ist.
Inwieweit hat der von profranzösischen Motiven getragene Wille von Straus im Zeichen
der Prämisse einer staatlichen Sonderexistenz des Saarlandes nun auf die saarländische
Bildungspolitik eingewirkt? Diese Frage steht wegen der sie unmittelbar tangierenden Se-
parationsproblematik natürlich in Gefahr, durch ein Vorurteil generell negativ beant-
wortet zu werden. Analysiert man sie jedoch unvoreingenommen vom Standpunkt des
von Straus verfolgten Ziels, die potentiellen Bildungskräfte der saarländischen Gesell-
schaft um einer gedeihlichen und dauerhaften Zukunft des Saarstaates willen zu sammeln
und zu stärken, so wird das Urteil darüber keineswegs immer ungünstig ausfallen dürfen.
Wenngleich auch nicht bestritten werden soll, daß der bildungspolitische Ehrgeiz von
Straus und sicherlich noch mehr die ihn tragende Motivation für manche Turbulenz und
eine Menge an Dissonanzen verantwortlich war, so zeigten bereits die statistischen
Zahlen des Saarlandes über das allgemein- und berufsbildende Schulwesen an, daß die bil-
dungspolitische Entwicklung insgesamt durchaus positiv zu werten ist, vor allem dann,
wenn man vielleicht notwendige Reformen nicht erwägt. Das Bild einer günstigen Bilanz
verstärkt sich sogar erheblich, wenn man das in den Nachkriegsjahren aufblühende staat-
liche Fachhochschulwesen an der Saar hinreichend würdigt. Es entstanden bekanntlich
235 Vgl. J. Hoffmann, Ziel, S. 66 ff.
236 Schreiben Grandvals an Straus vom 28. 7. 1954. Privatakten E. Straus.
237 Schreiben Debres an Straus vom 14. 1. 1957. Privatakten E. Straus.
181
neu bzw. in neuer Form238 ein Staatliches Konservatorium, die Schule für Kunst und
Handwerk und die Höhere Technische Lehranstalt (Ingenieurschule).
4.3 Der Ausbau des saarländischen Bildungssystems durch Fachhochschulen
Wenn die Initiative zur Gründung dieser Institutionen, die alle in Saarbrücken beheimatet
wurden, ähnlich wie im Fall der Universität in den Jahren 1946/47 auch eindeutig von der
Militärregierung ausging, so hat Straus nach anfänglichem Zögern, das insbesondere
durch die allgemeine Not der Nachkriegszeit bewirkt wurde, dennoch bald die Entwick-
lung dieser Bildungsstätten mit Wohlwollen begleitet239. Seine anfängliche Skepsis wich
um so eher, als es der französischen Militärregierung gelang, namhafte Lehrer für diese
Schulen zu gewinnen. Die Leitung des Konservatoriums, das bis zum Jahre 1951 eine Aus-
bildungskapazität von rund 200 Schülern erreichte und erst danach weniger Zuspruch er-
hielt240, übernahm mit Eric Paul Stekel ein Mann, dessen musikalische Qualitäten selbst
in der kritischen Darstellung von Stilz über das Musikleben an der Saar nach 1945
„durchaus anerkannt“ werden241. Nachfolger Stekels wurde im Jahre 1952 der bekannte
Musikpädagoge Joseph Müller-Blattau242. Für die Meisterklasse in Klavier konnte man
mit Walter Gieseking sogar einen Pianisten von internationalem Rang verpflichten. Auf
Gieseking war Grandval durch François-Régis Bastide243 aufmerksam gemacht worden.
Diese Empfehlung war auch notwendig gewesen, denn, so Grandval, j’eus quelques diffi-
cultés à le faire admettre car on lui reprochait d’avoir donné plusieurs concerts en présence
de Hitler. Je parvins toutefois à lui faire donner, à la Salle Pleyel à Paris, un récital qui fut
un très gros succès244. Bekannte Namen verbinden sich auch mit der Schule für Kunst und
Handwerk, die nach dem Vorbild der seit 1934 in Deutschland meist im Anschluß an eine
Kunstgewerbeschule aufkommenden Werkkunstschulen konzipiert war und bis zum
Jahre 1950 etwa 150 und danach etwa 120 Schüler bildete245. Direktor der Anstalt, deren
Schwerpunkt von Anfang an auf den sogenannten freien Malklassen lag, wurde der aus
Hamburg stammende und lange Zeit in Nizza lebende H. H. Gowa. Neben ihm lehrten
238 Siehe oben, S. 130.
239 Aufgrund meines Artikels „La politique française de l’enseignement en Sarre après 1945“ in der
Dezemberausgabe der französischen Zeitschrift „documents“ des Jahres 1980, in dem die Ge-
nesis dieser Anstalten noch vor dem Hintergrund einer französisch-saarländischen Absprache
angenommen wurde, erhielt ich von Gilbert Grandval ein längeres Schreiben, in dem er Wert auf
diese Klarstellung legt. Grandval unterstrich seine Einwände mit dem Hinweis: Je peux en tout
cas vous préciser qu’il (gemeint ist Straus) ne fut pour rien dans la fondation du Conservatoire
de Sarrebruck ou dans celle de l’Ecole des Métiers d’Arts etc. Schreiben Grandvals an den Ver-
fasservom9.1.1981. Straus selbst räumte in einem Gespräch, das am 30.9.1981 in Saarbrücken
stattfand, ein, daß es der Zustimmung der Militärregierung zur Gründung dieser Bildungsein-
richtungen bedurfte, reklamiert aber für sich, daß er als Leiter der saarländischen Kultusverwal-
tung letztlich doch hauptverantwortlich für den sächlichen und personellen Aufbau dieser An-
stalten gewesen sei. Interview E. Straus vom 30. 9. 1981.
240 Im Studienjahr 1951/52 hatte das Konservatorium 142Schüler, 1952/53 — 117, 1953/54 — 128
und 1954/55 - 154 Schüler. Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 260.
24' E. Stilz, S. 375.
242 Auskunft über Leben und Werk Müller-Blattaus gibt der Nachruf, den die Saarbrücker Zeitung
anläßlich seines Todes am 21. 10. 1976 in ihrer Ausgabe vom 25. 10. 1976 veröffentlicht hat.
243 Bastide ist heute ein in Frankreich bekannter Literatur- und Medienkritiker.
244 Grandval an den Verfasser vom 9. 1. 1981.
245 Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 184 und Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S.
260.
182
der international bekannte belgische Graphiker und Maler Frans Masereel und mit Karl
Kunz und Boris H. Kleint weitere namhafte Vertreter der darstellenden Kunst. Leiter der
photographische Klasse wurde im Jahre 1948 der aus Saarbrücken gebürtige und heute
sehr bekannte Otto Steinert246. Die personalpolitischen Erfolge sind nach Angaben von
Grandval vor allem Jaques Chazelle zu danken, dem ersten Leiter seiner Informationszen-
trale und heutigem (1981) französischen Botschafter in Finnland247. Anteil an der guten
Entwicklung der Anstalten hatte aber auch, vor allem was die schon bald über 300 Stu-
denten248 zählende Ingenieurschule betraf249, Straus. Dies läßt sich sowohl anhand der
Haushaltsberatungen in Ausschüssen und im Parlament nachweisen als auch durch die
Tatsache, daß erst nach seiner Amtszeit die Schule für Kunst und Handwerk in eine ernste
Krise geriet.
4.4 Die Schule für Kunst und Handwerk zwischen den Fronten
Eine der Hauptursachen für den Niedergang dieser Anstalt, der im Jahre 1952 offen-
kundig wurde, nachdem zuvor Kunz entlassen und Gowa250 sowie Masereel nach Frank-
reich zurückgekehrt waren und die Leitung der Anstalt an Steinert übergegangen war,
gründete in dem mangelnden Rückhalt, den die Schule für Kunst und Handwerk in der
saarländischen Öffentlichkeit fand251 252. Insbesondere in Handwerkerkreisen betrachtete
man die Kunstakademie, in der man eine extravagante Einrichtung sah, derzuliebe die so-
lide Handwerksbildung hintangestellt werden würde, mit Mißtrauen. So klagte z. B. der
Beirat der Saarbrücker Handwerkskammer in einer Entschließung, die er auf seiner Sit-
zung am 7. 3. 1952 verabschiedete, daß es in der Vergangenheit leider nicht möglich ge-
wesen sei, die Schule auch für den Dienst am Handwerk ... in genügendem Maße... zu in-
teressieren. Im Rückgriff auf die gerade erfolgte Berufung Steinerts als Direktor der An-
stalt stellt der Beirat dann trotzig fest, daß er mit der Berufung dieses Herrn nicht einver-
standen sein kann und daß er unter diesen Umständen keine Möglichkeit sehe, weiterhin
eine Zusammenarbeit mit der Schule für Kunst und Handwerk zu fördern151. In dieser
spröden und aus kunstliebender Sicht sicherlich auch unverständlichen Kritik spiegelt
sich ein bodenständiges und auf praktische Effizienz angelegtes Bildungsdenken wider,
246 Nähere Einzelheiten über die Geschichte der Anstalt sowie weitere biographische Auskünfte über
die genannten Kunstlehrer bei J. A. Schmoll, genannt Eisenwerth, S. 352 f.
247 Schreiben Grandvals an den Verfasser vom 9. 1. 1981.
248 Statistisches Handbuch (Saarland 1950), S. 184.
249 Vgl. dazu die Denkschrift zum Neubau der Staatlichen Höheren Technischen Lehranstalt des
Saarlandes vom September 1950, S. 2. Danach gab es Sektionen für Architektur, Ingenieurbau,
Maschinenbau, Elektrotechnik. Ihre Aufgabe sah die Anstalt darin, Ingenieure für die prakti-
schen Aufgaben in der Industrie und für die gehobene Laufbahn im Staatsdienst, bei der Eisen-
bahn und Post auszubilden.
250 Gowa übernahm im Jahre 1955 die Leitung der Werkkunstschule in Offenbach (Main).
251 Einen Überblick über den Lehrkörper und die Arbeitsschwerpunkte der Anstalt im Jahre 1955
gibt der Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 10. 8. 1955.
252 Beglaubigte Abschrift der Entschließung des Beirates der Handwerkskammer Saarbrücken vom
7. 3. 1952. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, V/Z II - A la - p. Vgl.
auch Schreiben der Handwerkskammer Saarbrücken an Hoffmann vom 10. 3. 1952, in dem die
Beweggründe für den Protest nochmals erläutert werden. LA Saarbrücken, Bestand der Staats-
kanzlei, Akten des Direktors der Präsidialkanzlei (V) E 6. Hinweise auf das freilich vergebliche
Bemühen der saarländischen Regierung um eine stärkere Berücksichtigung der Handwerkeraus-
bildung durch die Schule für Kunst und Handwerk finden sich im Bestand der Staatskanzlei Nr.
1062. Vgl, auch den Bestand der Staatskanzlei Nr. 1061.
183
das wenig mit dem z. T. euphorischen Engagement einer zugewanderten Künstlergilde
und ihrem Streben nach internationaler Reputation anzufangen wußte. In diesem Span-
nungsverhältnis zwischen weltoffener Kunstverwirklichung und provinzieller Gewerbe-
mentalität spiegelt sich einmal mehr die widerspruchsvolle, zwischen Tradition und Ste-
tigkeit einerseits und fortschrittlichem Anspruch und Geltung andererseits schwankende
bildungspolitische Wirklichkeit der saarländischen Geschichte nach 1945 wider, die ihre
tiefere Ursache in der bewegten Vergangenheit zweier rivalisierender Nationalstaaten im
Industriezeitalter hatte und insbesondere in der „Ära Straus“ spürbar wurde.
Auf der einen Seite stand nämlich ein stets ungeduldiger Kultusminister, der, unterstützt
von Frankreich und erpicht auf eine dauernde Existenz der Saar als autonomer Staat, die
bis dahin mangelhaft durchstrukturierte und darum weniger anspruchsvolle saarländi-
sche Bildungswelt auf einen möglichst hohen Standard heben wollte, die dem kleinen
Land nicht nur Renommée verschaffen sollte, sondern auch weitestgehend bildungsöko-
nomische Autarkie. Auf der anderen Seite stand eine saarländische Öffentlichkeit, die
einer soliden und zuverlässigen Schulung gewiß sein wollte und jede hektische Betrieb-
samkeit an der Bildungsfront scheute, zumal sie nicht sicher war, ob diese Regsamkeit
nicht doch mehr den Interessen einer fremden Macht als den eigenen dienlich sein könnte.
Von einem Für und Wider um eine schulische Reform ging diese Konfrontation eigentlich
nicht aus. Dies beweist schon ein flüchtiger Blick auf die saarländische Schulstatistik, die
in den Jahren von 1945 bis 1955 ihr überliefertes Strukturbild nicht veränderte. Dennoch
macht sie die bildungspolitischen Anstrengungen deutlich, die im Saarland nach 1945 ge-
macht worden sind. Im Jahre 1951, als Straus demissionieren mußte, hatte das öffentlich
organisierte Bildungssystem an der Saar 573 Volksschulen, sechs Hilfsschulen, zwei Mit-
telschulen, 23 Höhere Schulen, 25 zentralörtliche Berufsschulen, 60 Bergschulen253, vier
Eisenbahnfachschulen, drei Wirtschaftsfachschulen, eine Ingenieurschule (Höhere Tech-
nische Lehranstalt), ein Konservatorium, eine Werkkunstschule (Schule für Kunst und
Handwerk), ein der Universität angeschlossenes Berufspädagogisches Institut für die Aus-
bildung der Berufsschullehrer, drei Seminare für die Ausbildung der Volksschullehrer und
eine Universität mit vier Fakultäten. Damit erreichte das Saarland aus der Sicht institutio-
neller Bildungseinrichtungen einen Standard im Bildungssektor wie zu keiner Zeit vorher.
Selbst wenn man für diese Entwicklung den allgemeinen Fortschritt hinreichend mitver-
antwortlich macht, so wird man nicht umhin können, die bildungspolitischen Leistungen
des Wiederaufbaus und insbesondere des Ausbaus bis hin zur universitären Bildung zu
würdigen. Dies gilt auch dann noch, wenn man die französische Protektion und die Ver-
nachlässigung des heil- und sozialpädagogischen Bildungsbereichs sowie der Mittelschule
erwägt.
5. Zur Person des ersten saarländischen Kultusministers
Nach dieser bildungspolitischen Bilanz drängt sich die Frage auf, warum Straus als ver-
antwortlicher Minister im April 1951 eigentlich aus seinem Amt entlassen wurde, noch
253 Diese Zahl erwähnt Straus in einem Beitrag in der französischen Zeitschrift „L’Enfant et Nous“
(Im Literaturverzeichnis E. Straus, situation, 1. Seite). Sie erscheint ziemlich hoch gegriffen.
Wahrscheinlich hat Straus auch die Kleinkinderschulen und Handarbeitsschulen für Frauen und
Töchter von Saarbergleuten mitgezählt, ln den amtlichen Statistiken sind die Bergschulen nicht
berücksichtigt.
184
mehr auf. Schon Schmidt hat in seiner dreibändigen Darstellung über die Geschichte des
Saarlandes in den Jahren 1945 bis 1955 darauf aufmerksam gemacht, daß sich „über den
CVP-Kultusminister ... außerhalb der CVP und innerhalb der Partei ein jahrelanger Streit
entsponnen“ habe254. Insbesondere der gegen eine allzu enge Zusammenarbeit mit Frank-
reich sich wehrende Flügel um Koßmann nahm gegen ihn eine distanzierte Haltung ein,
die manchmal sogar in offene Ablehnung umschlug. So griff der dieser Gruppe zuzurech-
nende Abgeordnete Heinrich Danzebrink schon im Jahre 1947 auf der V. Sitzung der Ge-
setzgebenden Versammlung Straus scharf an, als er, ohne den Namen des damals schon
designierten Kultusministers zu erwähnen, seine Bedenken deutlich machte:
Auf keinen Fall werden wir einen Mann zulassen, der gewillt ist, um den Preis einiger Sil-
berlinge die gewünschte Gesinnung vorzuheucheln (...). Für unsere Schulen an der Saar
brauchen wir einen ganzen Charakter, einen Mann, den wir unserer Jugend zeigen
können255.
Danzebrink sprach damit schon früh einen bereits angedeuteten Vorwurf gegen Straus an,
nämlich seine mangelnde Ausstrahlungskraft256. Straus hat es in den Jahren seines inten-
siven bildungspolitischen Wirkens in der Tat nicht vermocht, überall Vertrauen für seine
Ziele zu gewinnen. Dabei sollte man, wie das in der Literatur oft geschehen ist, die Zweifel
und das Mißtrauen der saarländischen Bevölkerung über Straus nicht nur in dessen pro-
französischer Grundhaltung suchen, sondern auch in seiner komplizierten Persönlichkeit.
Dafür spricht zunächst einmal, daß auch andere saarländische Politiker, die, wie etwa der
spätere Innenminister Hector, ebenfalls als ausgesprochen profranzösisch galten, bis zum
Jahre 1955 in ihrer angestammten politischen Verantwortung verblieben. Dagegen ist
Straus, wie er heute selbst sagt, im April 1951 regelrecht gef euert worden257 258. Der von ihm
angegebene Grund gelegentlicher Zusammenstöße mit Ministerpräsident Hoffmann, vor
allem wegen dessen Personalpolittk15g waren jedoch mehr Anlaß als Ursache. Um die
wirklichen Hintergründe seines Scheiterns ermitteln zu können, muß zunächst die Person
des ersten saarländischen Kultusministers betrachtet werden.
Emil Straus wurde am 7. September 1899 in Göllheim in der Pfalz als Sohn alteingeses-
sener jüdischer Eltern geboren. Nachdem er in Würzburg bis 1918 ein bayerisches Lehrer-
seminar besucht hatte, ging er als Junglehrer an eine Schule im damals zur bayerischen
Rheinpfalz gehörenden Speyer. Dort legte er dann auch im Jahre 1922 seine Abschlußprü-
fung als Volksschullehrer ab. In Würzburg und Mannheim besuchte der musikbegabte
Straus das Konservatorium. In Mannheim war er zuletzt Kapellmeisterschüler in der von
Wilhelm Furtwängler geleiteten Klasse. Im Jahre 1930 bestand Straus in Saarbrücken
nach verschiedenen Studien und Prüfungsqualifikationen an der Handelshochschule in
Mannheim und an der Universität in Frankfurt am Main die Staatsprüfung für das höhere
Lehramt an Handelsschulen. Drei Jahre später legte er als Schüler des Soziologen Karl
254 R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 329.
255 Stenographische Niederschrift über die Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saar-
landes am 7. 11. 1947. Zitiert nach R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S. 485.
256 Siehe oben, S. 107 ff.
257 Interview E. Straus vom 4. 10. 1976.
258 Zitiert nach Kurzbiographie E. Straus (Quellennachweis Anm. 233 auf S. 180), S. 3.
185
Mannheim seine Dissertation über „die gesellschaftliche Gliederung des Saargebietes“
vor. Seine Promotion zum Doktor der Philosophie erfolgte am 25. 7. 1934259.
An die Saar war Straus schon im Jahre 1924 gekommen. Als beamteter Lehrer wirkte er
hier zunächst an einer Handelsschule in Saarbrücken. Im Laufe des Jahres 1934 trat
Straus zum katholischen Glauben über260. Bis dahin hatte er politisch der Sozialdemo-
kratie nahegestanden, ohne jedoch, bis auf einige Beiträge in der „links“ orientierten
Volksstimme, auffällig in Erscheinung zu treten. Seine Haltung in den Auseinanderset-
zungen um die Zukunft der Saar in den Jahren 1933 bis 1935 entsprach der seiner politi-
schen Freunde. Obwohl ursprünglich für die Rückkehr der Saar nach Deutschland eintre-
tend, votierte er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme für den status quo,
weil er als jüdischer Mitbürger angesichts der sich etablierenden Diktatur Hitlers und
seiner das Judentum verfolgenden Rassenpolitik keine Alternative sah. Nach der Wieder-
eingliederung der Saar in das Deutsche Reich im Jahre 1935 emigrierte er mit seiner Fa-
milie nach Südfrankreich. In Nizza fand er nicht nur eine neue Bleibe, sondern auch eine
neue politische und geistige Heimat. Mit der gleichen intellektuellen Bravour, mit der er
Anteil am deutschen Kultur- und Geistesleben genommen hatte, suchte er nun auch die
französische Geisteswelt in sich aufzunehmen. Schon im Jahre 1937 erwarb er das Diplom
für das Fach „Civilisation française“ am Centre Universitaire in Nizza. An dieser Anstalt
erhielt er dann bald einen Lehrauftrag für deutsche Sprache und Literatur. Darüber
hinaus lehrte er das Fach Deutsch an verschiedenen privaten Schulen in Nizza. Im Jahre
1938 wurde Straus durch den nationalsozialistischen Staat als Deutscher ausgebürgert.
Daraufhin beantragte er, auch um seinen Kindern einen staatlichen Schutz zu geben261,
die französische Staatsangehörigkeit, die er aber erst im Jahre 1947 erhielt. Da Straus kurz
vorher auf entsprechende Nachfragen von CVP-Parteifreunden seine bevorstehende Na-
turalisation geleugnet hatte, führte dies übrigens zu einer ersten innerparteilichen Ver-
trauenskrise um seine Person262. Nach der Besetzung Südfrankreichs durch deutsche
Truppen schloß sich Straus der Résistance an, in der er Offiziersrang erreichte und deko-
riert wurde. In dieser Zeit lernte er auch den späteren französischen Außenminister und.
Ministerpräsidenten Georges Bidault kennen, dem er bis zu dessen Tod im Jahre 1982
persönlich verbunden blieb. Im September 1945 kehrte Straus nach Saarbrücken zu-
259 Nach E. Straus, Gliederung, Lebenslauf.
26° Nach eigenen Angaben von Straus in seiner Kurzbiographie (Quellennachweis in Anm. 233 auf
S. 180). Einem Bericht der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ vom 15.10.1949 zufolge soll Straus
im Jahre 1935 in Frankreich konvertiert haben, um berufliche Vorteile zu erheischen. Diese von
einer Unterstellung begleitete Information erscheint allerdings wenig glaubhaft, denn im gleichen
Artikel wird wahrheitswidrig behauptet, daß Straus ein führendes Mitglied des MRS und dafür
verantwortlich sei, daß von der ersten Volksschulklasse an wöchentlich sieben Stunden franzö-
sischer Unterricht praktiziert würden. Der Spiegel vom 15.10.1949, S.5. In Wirklichkeit begann
der französische Sprachunterricht im 2. Schuljahr im Rahmen von vier Wochenstunden. Erst im
5. Schuljahr erhöhte sich die Wochenstundenzahl auf fünf. Nach eigenen Angaben war Straus
kein Mitglied des MRS. Interview E. Straus vom 4. 10. 1976.
261 So Straus in einem Schreiben an J, V. Wagner vom 1. 7. 1966. Universitätsbibliothek Saar-
brücken, Sammlung J. V. Wagner.
262 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
186
rück263, um dann jenen politischen Weg zu beginnen, der bereits oben beschrieben
wurde264.
Straus kam dem Militärgouverneur Grandval für die zivile Verwaltungsaufgabe der öf-
fentlichen Bildung im Saarland wie gerufen. Er war ein Mann aus der Reihe jener zahlrei-
chen Emigranten, die im Jahre 1945 aufgrund bitterer Lebenserfahrungen mit antinatio-
nalen und zum Teil auch mit profranzösischen Gefühlen in das Saarland zurückkehrten.
Seine Zugehörigkeit zur Résistance signalisierte zudem mehr als eine loyale Haltung ge-
genüber Frankreich. Weitere Vorzüge von Straus waren für Grandval der erfolgreiche
akademische Bildungsgang, seine Zweisprachigkeit und nicht zuletzt seine ausgezeich-
nete Kenntnis des Saarlandes, die er schon mit seiner Doktorarbeit bewiesen hatte. Aber
mit diesen Vorzügen waren auch Schwächen verbunden. So hatten die Begegnung mit der
französischen Geistes- und Kulturwelt und noch mehr die schmerzlichen Erfahrungen der
Judenverfolgung zur Entfremdung von der einst selbstverständlichen Bindung an die
deutsche Geistes- und Kulturwelt geführt. Daraus entwickelte sich nun ein Streben zu
einer germanisch-romanischen Bildungssynthese, mit der er während seiner Amtszeit
vom bürokratischen Perfektionismus bis zur impulsiven Schwärmerei die Saarlandbevöl-
kerung bedrängte, die daraufhin, wie z. B. in der Sprachenfrage, erst recht in eine abweh-
rende Haltung auswich. Hier zeigte Straus seine „sprunghafte“ Natur und seinen
„spröden“ Charakter, wie er übereinstimmend von seinen Parteifreunden, seinen Mitar-
beitern und auch von französischer Seite berichtet wird. Straus, so versichert man immer
wieder, sei ein intelligenter, leistungsbereiter, pflichtbewußter und ein für Kunst und Wis-
senschaft aufgeschlossener Mann gewesen, aber leider auch ein wenig umgänglicher
Mensch, der oft arrogant, unbeherrscht und intolerant aufgetreten sei265. Außerdem sei
er für Schmeicheleien sehr empfänglich gewesen.
Diese Widersprüche im politischen Handeln von Straus spiegeln sich in seinen Wertvor-
stellungen und Überzeugungen vielfach wider. So konnte man bei ihm sowohl das Streben
nach einer Renaissance christlich-abendländischer Leitbilder erleben266 als auch eine Be-
geisterung für ein laizistisch geprägtes französisches Geistesleben und den betont säkula-
risierten Lebensstil dieses Landes267. Er befürwortete einerseits die Schaffung eines ge-
einten Europas, andererseits eine weitere Aufsplitterung dieses Kontinents, indem er für
die Autonomie der Saar kämpfte. Man erlebte in seinen Reden und Schriften sowohl einen
263 Die biographischen Angaben gehen teils auf Auskünfte zurück, die der Verfasser im Rahmen
mehrerer Interviews, insbesondere aber bei seinem Aufenthalt in Nizza vom 23. — 26. 11. 1976
von Straus persönlich erhielt, teils stammen sie aus Mitteilungen der Kurzbiographie von Straus,
über die das Landesarchiv in Saarbrücken verfügt (Quellennachweis Anm. 233 auf S. 180). Vgl.
auch die biographischen Notizen bei D. M. Schneider, S. 544 f.
264 Siehe oben, passim, insbesondere aber S. 104 f.
265 Interviews P. Woelfflin vom 12. 10. 1977; W. Braun vom 4. 3. 1976; F. Schlehofer vom 11. 3.
1976; W. Schöpper vom 12. 12. 1975; H. Kuhn vom 11. 12. 1975.
266 Ygj dazu ajs Beispiel seine Ausführungen auf dem ordentlichen Landesparteitag der CVP, der
vom 23. bis 26. 11. 1950 unter dem Motto „Christliches Saarland im christlichen Europa“ statt-
fand. Wiedergegeben im Bericht: Christliche Volkspartei, Bericht 5. Parteitag, S. 9 f.
267 Vgl. dazu den Artikel “Eine schöne Rede auf dunklem Hintergrund“ in der Ausgabe der Volks-
stimme vom 17. 7. 1948. Unter Bezugnahme auf eine Rede von Straus im Saarländischen Rund-
funk anläßlich des französischen Nationalfeiertages (14. Juli) wird dort unter Anspielung auf
seine kirchenfreundliche Schulpolitik und auf seinen autoritären Regierungsstil nicht ohne Ironie
angemerkt, daß man überrascht sei, von diesem Mann einen wunderbaren Vortrag über die Frei-
heit und die Ideale der französischen Revolution zu hören.
187
Politiker, der im Sinne der strengen Grundsätze eines katholischen Integralismus die Welt
interpretierte, als auch den Befürworter eines eigenständigen saarländischen Bildungsge-
dankens, den er ohne Rücksicht auf konfessionelle Trennlinien forderte. Er bejahte im
Jahre 1946 eine staatlich dezentralisierte Neuordnung Deutschlands, akzeptierte aber
gleichzeitig mit der Bildung eines saarländischen Pufferstaates nationalstaatliche An-
sprüche Frankreichs. Er verstand sich als Minister einer parlamentarisch kontrollierten
und legitimierten Regierung, äußerte aber Sympathien für autoritäre Staatsstrukturen
nach dem Vorbild Österreichs in der Zeit unter Dollfuß und Schuschnigg268. Er über-
nimmt das französische Vorurteil gegen alles Preußische, befürwortet aber dennoch eine
Volksschullehrerbildung, die sich in Struktur, Charakter und Tradition eindeutig an dem
bis zur Weimarer Zeit gültigen Vorbild seminaristischer Lehrerbildung in Preußen orien-
tierte. Im Grunde blieb Straus nach 1945 ein Mann, der ruhelos nach einem stetigen
Standort und Halt suchte, den er aber, in der Folge von Emigration, Judenverfolgung, Ju-
denvernichtung und Krieg weiter verunsichert, nicht finden konnte. Daraus erklären sich
die politischen Spannungen seiner Amtszeit, die, trotz mancher beachtlichen Erfolge,
nicht nur zur Distanz, sondern auch zum Zweifel an der Echtheit und Aufrichtigkeit seiner
christlichen Auffassungen, an seiner Begeisterung für den Heimatgedanken und seinem
Bekenntnis zum politischen Katholizismus geführt haben269. Die Folge war, daß Straus
sich in der praktischen Politik bald in Widersprüche verstrickte und dadurch in seiner
Partei zum Außenseiter wurde. Dies bestätigt auch die harte Aussage von Pierre Woelfflin,
der aus französischer Warte feststellt, daß Straus vom Jahre 1949 an keinen Einßuß mehr
hatte. 'Wir hatten längst bemerkt, daß er keinen mehr besaß270.
Die geistige Distanz, die Straus zu seiner eigenen Partei, der CVP, selbst in Schulfragen
hatte, läßt sich am ehesten am Beispiel der von ihm organisierten Schulverwaltung be-
legen. Diese stand in ihrer Struktur und Arbeitsweise dem zentralistisch organisierten
Schulverwaltungssystem Frankreichs und dem gaullistischen Geist der Staatsomnipotenz
wesentlich näher als der relativ toleranten Praxis saarländischer Schuladministration zur
Zeit des Völkerbundregimes. Die saarländische Schulverwaltung der Nachkriegszeit des-
wegen schon als „französisiert“ einstufen zu wollen, wäre freilich verfehlt; denn ebenso
gut ließe sich für sie ein Vergleichsbeispiel aus der preußischen Bildungsgeschichte finden.
So könnte man die saarländische Schulverwaltung sehr wohl und vielleicht noch eher mit
der preußischen Hochschulverwaltung unter Friedrich Theodor Althoff (1882 bis 1907,
insbesondere die Jahre 1897 bis 1907) vergleichen, die zwar sehr dynamisch und erfolg-
268 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976. Vgl. hierzu auch seinen Artikel in der Saarländischen
Volkszeitung vom 13.10.1950, in dem er u. a. mit Blick auf die Zukunft Europas klagt: Der Par-
lamentarismus mit seiner Langsamkeit ist ein Hemmschuh.
269 Als im Jahre 1949 Passagen mit antifranzösischen Akzenten aus seiner im Jahre 1935 gedruckten
Dissertation publik wurden, erhielt das Mißtrauen gegen seine Person neue Nahrung, weil man
nun in ihm einen Mann von opportunistischer Gesinnung zu erkennen glaubte. Zitiert wurden
immer wieder Auszüge der Seiten 93 ff. und 154 ff. Dort hatte sich Straus nicht nur kritisch über
„einen schlimmen Terror“ (S. 95) der französischen Besatzungstruppen und die Unterdrückung
bürgerlicher Freiheiten durch die französischen Militärbehörden und den Versailler Vertrag ge-
äußert, sondern auch die Gefahren für die kulturelle Identität der Saarländer durch die französi-
sche Gegenwart an der Saar in den Jahren nach 1918 beschrieben. Vgl. hierzu E. Straus, Glie-
derung, S. 93 ff. und S. 154 ff.
270 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
188
reich gewesen war271, aber, um im Staatsinteresse ein zentralisiertes und vereinheitlichtes
Hochschulwesen zu erreichen, äußerst gouvernemental-autoritär agiert und darum die
akademische Selbstverwaltung hart bedrängt hatte. Wenn der Verband Saarländischer
Lehrer im November 1955 unmittelbar nach der Volksabstimmung, aber immerhin
schon 3 I/2 Jahre nach der Demission von Straus als Kultusminister, seine erste Erklärung
zur neuen Lage ausgerechnet mit einem gezielten Angriff auf den unseligen Dirigismus
eröffnete, der als Strauß’chens (!) Erbe ... im Kultusministerium sein Unwesen trieb, dann
dokumentiert das die Härte der Verbitterung, die die saarländische Lehrerschaft über das
von Straus geschaffene straffe System der Schulaufsicht und -Verwaltung damals emp-
funden hat. Man hätte, so heißt es in der Proklamation weiter, am liebsten aus dem ganzen
pädagogischen Sektor eine pädagogische Kolchose, ein pädagogisches Kollektiv gemacht.
Ein Druck auf das Knöpfchen, und überall hätte die bevormundete, uniformierte Lehrer-
schaft am gleichen Stoff, zur gleichen Stunde und in den geforderten gleichen Resultaten
in ihren Anstrengungen zur Erfüllung des Solls kontrolliert werden können111. Die Erklä-
rung sieht in der starken Gängelung des öffentlichen Bildungswesens einen gewollten An-
satz zur Verwelschung unserer Schule273, eine Schlußfolgerung, die zwar pauschal ge-
sehen nicht zutreffend war, die aber beispielhaft zeigt, wie sensibel die Lehrerschaft auf
vermutete Verfremdungen in den Jahren nach 1945 reagiert hat und wie vielschichtig der
Vorwurf frankophiler Bildungspolitik motiviert war. Der Hang von Straus zum Nor-
mieren und Reglementieren der öffentlichen Bildung durch Gesetz und Bürokratie, wie er
zum Beispiel im Zusammenhang mit der von ihm betriebenen Einführung des Zentralab-
iturs deutlich wird, muß jenseits der Separationsfrage zuerst einmal im Licht einer persön-
lichen Verantwortung gesehen werden. Aus dieser Perspektive bestätigt sich nicht nur das
oben konstatierte widersprüchliche Persönlichkeitsbild von Straus, sondern auch die da-
durch bewirkten Konflikte in der saarländischen Bildungspolitik bis 1951. Der antagoni-
stische Kern liegt darin, daß Straus als militanter Befürworter einer katholischen Schulpo-
litik eine Administration praktizierte, die im völligen Gegensatz zum subsidiären Prinzip
des katholischen Schulprogramms stand. Damit soll keineswegs die bereits festgestellte
Orientierung von Straus an Grundsätzen katholischer Bildungspolitik widerrufen, son-
dern lediglich ein Widerspruch im Partiellen aufgedeckt werden, nämlich der Gegensatz
seiner schulischen Verwaltungspraxis zur katholischen Auffassung vom gottgesetzten,
gegenüber dem Erziehungsauftrag der Kirche sich freiwillig begrenzenden Staat. Die
starke Inanspruchnahme der Bildungsverwaltung für staatspolitische Zwecke, die wie-
derum in enger Verbindung mit seiner profranzösischen Einstellung zu sehen ist, war im
Grunde eine säkulare bildungspolitische Erwartung, die die Katholische Kirche und der
politische Katholizismus in Deutschland aus grundsätzlichen staatsphilosophischen Er-
wägungen im Interesse des Freiheitsanspruchs der Kirche gegenüber dem Staat niemals
akzeptiert haben. In diesem Zusammenhang braucht nur an die Haltung der katholischen
Geistlichkeit in der Bistumsfrage erinnert zu werden, zu deren Verschärfung Straus durch
-?1 Althoff hatte maßgeblichen Anteil am Ausbau der Universitäten Straßburg und Göttingen und
an der Gründung der Universität Münster sowie der Technischen Hochschulen von Breslau und
Danzig.
271 Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer Lehrer, Nr. 9, November 1955.
273 Ebenda.
189
seine Verweigerungshaltung in der Kirchensteuerfrage wesentlich beigetragen hatte274 275.
Sie steuerte ungeachtet aller kirchenfreundlichen Schulpolitik sofort auf den Konflikt zu,
weil der saarländische Staat um seiner Existenz willen in die Souveränitätsrechte der
Kirche eindringen wollte. Am Beispiel der Strauschen Verwaltungspraxis zeigt sich deut-
lich, wie die widersprüchlichen Wertvorstellungen und der komplizierte Charakter des er-
sten saarländischen Kultusministers auf die praktische Bildungspolitik durchgeschlagen
sind. Gleichzeitig wird offenkundig, daß der Konvertit Straus eigentlich niemals rechten
Zugang zu den Grundsätzen katholischer Politik in Deutschland gefunden hat. Damit ist
der Konflikt mit seiner eigenen Partei aber auch schon angezeigt; denn sie war eine poli-
tische Organisation, die ungeachtet der Separationsfrage mehrheitlich an den tradierten
Orientierungen des politischen Katholizismus festhielt. Um wieviel schärfer mußten da
die Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner, der Lehrerschaft, den Erziehungs-
berechtigten, den Studenten und erst recht mit dem politischen Widerstand gegen den se-
paratistischen Saarstaat sein?
6. Die Spannungen nehmen zu
6.1 Die Provokation der Volksschullehrerschaft durch die
seminaristische Lehrerbildung
In seinem vertraulichen Situationsbericht für den Monat Mai 1950 notierte der damalige
Leiter des Informationsamtes, Albert Dorscheid, daß er aus CVP-Kreisen von starken
Animositäten gegen den Herrn Kultusminister in Kenntnis gesetzt worden sei. Besonders
stark werde das diktatorische Vorgehen kritisiert, wodurch die Lehrerschaft sehr verbit-
tert sei175. Die Hintergründe für dieses frostig gewordene Verhältnis zwischen Straus und
der saarländischen Lehrerschaft waren sowohl persönlicher als auch sachlicher Natur.
So war die Volksschullehrerschaft sehr verärgert über die von Straus durchgesetzte semi-
naristische Form ihrer Berufsbildung. In der Wiederaufnahme dieser Praxis, die man seit
Weimar für überwunden glaubte, sah sie nicht nur einen bildungspolitischen Rückschritt,
sondern vor allem auch einen Angriff auf ihr Berufsprestige. So klagte der katholische Er-
zieherverband im Jahre 1954, daß man an der Saar in der Lehrerbildungsfrage immer
noch auf dem Stand stehe, den wir 1917... erreicht hatten276. Mit der Rückkehr zur semi-
naristischen Lösung im Jahre 1946 und ihre verfassungsrechtliche Festschreibung im
Jahre 1947 war für die saarländische Volksschullehrerschaft ein Tatbestand geschaffen
worden, der sie zwangsläufig zu einer scharfen Oppositionshaltung drängen mußte. Be-
lege für die starke Enttäuschung und den Trotz der Volksschullehrer in dieser für sie be-
ruflichen Kardinalsfrage sind die in ununterbrochener Folge und zum Teil in scharfer
Form artikulierten kritischen Stellungnahmen zum Thema Lehrerseminar in den Ver-
bandszeitschriften und auf den Lehrertagungen. Angegriffen wurden dabei immer wieder
der Zwang zur frühen Berufsentscheidung der 14jährigen Volksschüler, die ihren Weg
274 Siehe oben, S. 159 f.
275 Situationsbericht des Informationsamtes der Regierung des Saarlandes für die Zeit vom 1. bis 31.
Mai 1950. Privatakten E. Straus.
276 Protokoll der Generalversammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes am 17.
11,1954, S. 10. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch.
190
über die Präparandie zum Lehrerseminar antraten, die zu kurze Dauer des sogenannten
wissenschaftlichen Abschnitts der Seminarausbildung277, die den Seminaristen vorenthal-
tene Studienberechtigung an einer Universität und die dadurch bewirkte Barriere gegen
einen beruflichen Aufstieg der Volksschullehrer zum Studienrat278 sowie die strenge inter-
natsmäßige Organisation der gegenüber der Öffentlichkeit abgeschirmten Anstalten und
ihr dadurch geförderter Hang zur Verschulung, Kritisiert wurde aber auch die mangelnde
Kapazität der Seminare, d. h., die seit 1948 bestehenden Einrichtungen in Ottweiler
(evangelisch und koedukativ strukturiert), Lebach (katholisch und nur für Knaben bzw.
angehende Lehrer) und Blieskastel (katholisch und nur für Mädchen bzw. angehende Leh-
rerinnen) konnten die benötigte Zahl an Junglehrern nicht ausbilden, weil sie mit Blick auf
die Bedarfsdeckung zu wenig Studienplätze anboten279. Im Grunde griff die Schelte der
saarländischen Volksschullehrer über ihre berufliche Bildungslaufbahn auf Argumente
zurück, die in Deutschland bis zur Einführung der akademischen Lehrerbildung in den
Jahren der Weimarer Republik zu hören waren, womit erneut die Kontinuität der deut-
schen Bildungsgeschichte im Saarland nach 1945 deutlich wird. Ihre ungebrochene Wir-
kung unterstreichen auch die von den Volksschullehrern befürchteten ungünstigen besol-
dungspolitischen Rückwirkungen der seminaristischen Lehrerbildung; denn der von dem
ehemaligen preußischen Finanzminister Johannes Miquel280 überlieferte Grundsatz, daß
Vorbildung und Arbeitsleistung die Besoldungshöhe bestimmen müßten, blieb auch nach
1945 im Saarland anerkannt281.
6.2 Besoldungspolitische Pluspunkte
Dennoch wäre es verfehlt zu sagen, daß die Volksschullehrer in der „Ära Straus“ besol-
dungspolitisch enttäuscht worden wären. In der am 29. Juli 1948 in Kraft getretenen Be-
soldungsordnung wurden die rund 2 400 Volksschullehrer in der Eingangsstufe des geho-
benen Beamtendienstes (= Inspektor) ausgewiesen, eine Zuordnung, wie sie damals auch
in den meisten Ländern der Bundesrepublik üblich war. Die 330 Schulleiter wurden eine
Rangstufe höher eingruppiert (= Oberinspektor). Besoldungsrechtlich noch vorteilhafter
277 Bis zum Jahre 1953 dauerte dieser Abschnitt im Anschluß an die vierjährige Präparandiezeit 2
Jahre, von diesem Zeitpunkt an wurde er, nicht zuletzt auf Druck der Lehrerverbände, auf 3 Jahre
verlängert.
278 Die Ausbildung der Lehrer an höheren Schulen war durch Verfügung vom 5.3.1950 neu geregelt
worden. Dabei orientierte man sich an traditionellen Vorstellungen über den Berufsweg der Phi-
lologen in Deutschland: Vierjähriges Universitätsstudium, Wissenschaftliche Staatsprüfung,
zweijährige pädagogische Ausbildung mit abschließender pädagogischer Prüfung, Ernennung
zum Studienassessor (Beamter auf Widerruf), endgültige Ernennung zum Studienrat.
279 Die saarländischen Lehrerseminare entließen bis 1957 im Jahr durchschnittlich etwa 90 Lehrer
und Lehrerinnen. Der regierungsamtlich ermittelte Lehrerbedarf, in dem auch die ungünstige Al-
tersstruktur und langfristig eine Senkung der Klassenfrequenzen berücksichtigt wurde, lag aber
bei 160- 170 Lehrkräften pro Jahr. Vgl. dazu auch den Kommentar der Neuesten Nachrichten
(Parteizeitung der CDU-Saar) vom 12. 12. 1957. Dort wird im Zusammenhang mit dem schon
immer beklagten Lehrermangel festgestellt: Das Seminar hat in der Frage der Deckung des Leh-
rerbedarfs bisher versagt. Zur Geschichte des Lehrerseminars in Lebach vgl. im einzelnen E.
Bopp.
28° Preußischer Finanzminister von 1890 bis 1897.
28i Vgl. hierzu das Protokoll der Generalversammlung des Verbandes katholischer Erzieher vom 17.
11. 1954. Dort heißt es auf S. 10: Wir müssen zuerst einmal eine entsprechende (akademische)
Ausbildung haben, damit eine entsprechende Besoldung erfolgen kann. Sammlung des Ver-
bandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch.
191
eingestuft waren die 13 (saarländischen) Inspektoren für den französischen Unterricht
und die Seminarlehrer282; sie erreichten aber nicht wie die 13 Schulräte und die Seminar-
direktoren die Eingangsstufe des höheren Dienstes (= Rat), mit der auch, aufgrund beruf-
licher Vorbildung und entsprechend deutscher Tradition, die Besoldungshierarchie der
über 500 Philologen begann. Sehr unübersichtlich war die Besoldungsstruktur der rund
700 Berufs- und Handelsschullehrer. Deren Einstufung in die Besoldungsskala schwankte
hier, bestimmt durch den stark unterschiedlichen Grad der beruflichen Vorbildung, zwi-
schen den Gruppen des gehobenen und des höheren Dienstes. Die 65 Lehrer der Saar-
brücker Mittelschulen erhielten eine Besoldung, die in etwa der Position eines Amtmannes
entsprach283. Bis auf kleinere Korrekturen änderte sich bis zum Jahre 1955 an diesem Be-
soldungsraster für Lehrer nichts. Im allgemeinen entsprach das Einkommensniveau der
saarländischen Lehrer dem ihrer Berufskollegen in der Bundesrepublik. Wenn er auch no-
minell etwa 15 % mehr an Bezügen erhielt284, was vor allem auf die Übernahme der fran-
zösischen Praxis langfristig festgelegter Besoldungserhöhungen bzw. automatischer An-
passungen an den Inflationsindex zurückzuführen war, so haben der höhere Steuerstan-
dard bzw. das andersgelagerte Steuergefüge und die dynamischere Inflationsrate an der
Saar dennoch einen Vorsprung im Lebensstandard nicht zugelassen.
Das lag aber auch daran, daß der saarländische Lehrer in der allgemeinen Einkommens-
skala vergleichsweise nicht den gleichen Rang einnehmen konnte wie der Lehrer in der
Bundesrepublik. Die Folge war, daß er kaum von dem sozialwirtschaftlichen Plus profi-
tierte, das das Saarland gegenüber der Bundesrepublik bis etwa 1952 halten konnte. Die
damit angesprochene „ausnehmende Nivellierung“285 der saarländischen Lehrerbesol-
dung wurde allerdings weniger durch die Einführung der Frankenwährung und die Einmi-
schung französischer Ordnungselemente in das an der Saar weiterhin von deutschen Prin-
zipien beherrschte Beamten- und Besoldungsrecht verursacht, wie das die verärgerte Leh-
rerschaft286 und später auch Thewes287 angenommen haben, sondern in erster Linie durch
die mehrheitliche Gegenwart der gegenüber Beamteninteressen kritisch eingestellten Ge-
werkschaftsvertreter in der zentralen Besoldungskommission, einer beratenden Instanz,
die im Saarland Kompetenzen für besoldungsgesetzliche Vorschläge besaß. So beklagte
sich der Justitiar im Kultusministerium, Johann Leo Zarth, am 28. 2. 1949 in einer ver-
traulichen Mitteilung an Straus darüber, daß gerade die Vertreter der Gewerkschaften,
die in der Besoldungskommission das Übergewicht haben (...), in kaum zu überbietender
282 Sofern sie sich aus der Volksschullehrerschaft rekrutierten. Ehemalige Studienräte wurden höher
besoldet.
283 Vgl. hierzu im einzelnen den Planstellenkegel des saarländischen Kultusministeriums, o. D.
(wahrscheinlich 1950). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II — A 3
-1950/1952.
284 Ende 1949 erhielt ein saarländischer Volksschullehrer (Endgehalt, 2 Kinder, Lohnzone I, Steuer-
klasse III) ein Nettogehalt von 32 295 ffrs, das entsprach, umgerechnet nach dem damals gültigen
Kurs von 100 ffrs = 1,1904 DM etwa 471,00 DM. Ein Volksschulrektor verdiente etwa 10 %,
ein Studienrat etwa 25 % mehr.
285 K. Thewes, S. 272.
286 Vgl. hierzu als Beispiel das Schreiben des Vorsitzenden des Verbandes katholischer Erzieher des
Saarlandes, Gustav Schulz, an das Kultusministerium vom 23. 11. 1948. Sammlung des Ver-
bandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Ablage 1946 - 1958.
287 Siehe K. Thewes, S. 272.
192
Weise gegen die Lehrer eingestellt sind2SS. Dieses Gremium hatte zwar, ungeachtet der
eingetretenen Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich, in Sachen Beamtenbesol-
dung, wie Grandval es in einem Schreiben an Hoffmann formulierte, maintenir l’ossature
du regime allemand288 289; dennoch hatten die gewerkschaftlichen Vertreter dort immer
wieder versucht, unter Hinweis auf die fühlbar niedrigere Entlohnung französischer Päd-
agogen ein bescheideneres Gehalt für saarländische Lehrer durchzusetzen290. Ausgelöst
war damit eine heftige Kontroverse zwischen der Besoldungskommission und dem Kul-
tusministerium, die, da das Hohe Kommissariat sein Plazet für das Besoldungsgesetz des
Jahres 1948 und seine späteren Novellierungen geben mußte, bald in eine Auseinanderset-
zung zwischen Grandval und Straus einmündete. Hierbei hat sich Straus weitgehend
durchsetzen können, so daß die Lehrerschaft immerhin eine Besoldung erhielt, die zwar
nicht allen Wünschen gerecht wurde, aber doch ein zufriedenstellendes Niveau erreichte.
Die engagierte Anwaltschaft von Straus in der Besoldungsfrage hat seinem gestörten Ver-
hältnis zur Lehrerschaft allerdings keine Wendung geben können. Dazu fühlten sich die
Lehrer zu sehr durch Straus provoziert.
6.3 Die Nachwehen der Entnazifizierungsfrage und der Ärger über politisch
motivierte Personalentscheidungen
Tiefe Wunden hatte vor allem die wenig glückliche Rolle von Straus in der Entnazifizie-
rungsfrage geschlagen, die in ihrer Folgewirkung für die saarländische Lehrerschaft be-
reits oben ausführlich angesprochen worden ist291. Insbesondere die von Straus dilato-
risch behandelte Wiedereinstellung entnazifizierter Lehrer in der Phase der Erleichte-
rungen bzw. der Bereinigungen, die im Saarland im Jahre 1947 einsetzte und, wenn man
Einzelfälle berücksichtigt, bis zum Jahre 1951 andauerte, belebte die Aversionen der
Lehrer gegen ihren Kultusminister. Den starken Unwillen der Pädagogenschaft über die
selbstherrliche Art und Weise, mit der Straus den Abschluß der Entnazifizierung provoka-
torisch verzögerte, läßt die Entschließung des einflußreichen Verbandes der katholischen
Erzieher vom 10. 10. 1949 anklingen, in der es u. a. heißt:
Der Verband erwartet und verlangt die Wiedereinstellung aller epurierten Lehrer und
Schulaufsichtsbeamten im Sinne der ergangenen Spruchkammerentscheide und im Sinne
des Gesetzes zur Bereinigung von Dienst- und Beamtenverhältnissen des Saarlandes vom
31. 7. 1948 ... Der Verband betont... eindringlichst die Notwendigkeit, ein neues Be-
288 Vertrauliche Notiz Zarths an Straus vom 28. 2. 1949. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allge-
meine Verwaltung, ZII - A 3 - 1945/1949. Die zentrale Besoldungskommission, die die im Jahre
1948 in Kraft getretene Besoldungsneuordnung vorbereitet hatte, bestand aus 13 Mitgliedern.
Von diesen waren 7 gewerkschaftlich orientiert.
289 Grandval an Hoffmann. Das Schreiben ist lediglich mit dem Datumsvermerk mars 1949 ver-
sehen. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 3 — 1945/1949.
i9n Vgl. ebenda.
291 Siehe oben, S. 85 ff.
193
amten- und Pensionsgesetz zu schaffen, das unter Wahrung aller Rechte dem Beamten die
Überzeugung einer neuen Rechtssicherheit schenkt191.
Überhaupt steigerte die Neigung von Straus, personelle Angelegenheiten im Bildungsbe-
reich zu politisieren, die ohnehin schon durch die Entnazifizierungsproblematik verur-
sachte spannungsgeladene Atmosphäre. Bereits im Oktober 1948 hatte der Verband ka-
tholischer Erzieher sein Bedauern darüber geäußert, daß immer wieder Klagen darüber
verlauten, daß Beamte, die als festangestellt zu betrachten sind, ohne vorherige Kündi-
gungentlassen oder strafversetzt werden. Solche Vorkommnisse seien vor allem dann un-
verständlich, wenn den Betroffenen weder die Gründe der Entlassung, der Versetzung
oder der Rückversetzung bekannt gegeben werden292 293. Die Hintergründe für solche Will-
kürakte waren mannigfach. So spielte die von Straus mit Nachdruck vertretene Auffas-
sung von der Residenzpflicht der Lehrer, d. h., die im Interesse einer intensiv betreuten
Schulgemeinde verlangte Identität von Wohn- und Dienstort eine ebenso große Rolle wie
die von ihm apodiktisch abgelehnte und nur wegen des eklatanten Lehrermangels vor-
übergehend geduldete Anstellung verheirateter Lehrerinnen mit Doppeleinkommen294.
Eine andere, aber sicherlich die wichtigste Ursache für die steten Ärgernisse in der Perso-
nalpolitik war das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 15. Juli 1948, das mit seinen fragwür-
digen Kategorien von „saarländischen Staatsangehörigen“ und „Saarländern“ unter-
schiedliche Qualifizierungen im Staatsbürgerrecht schuf und damit gleichzeitig auch Ge-
legenheiten, politisch unliebsame Lehrer zu entlassen und eventuell sogar auszuweisen295.
In diesem Sinne gefährdet war z. B. ein nicht im Saarland geborener Lehrer, der nicht be-
292 Der katholische Erzieher Nr. 1/1949/1950, S. 10. Vgl. hierzu auch das Protokoll über die Gene-
ralversammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes am 4. 9.1948, S.3 f. Samm-
lung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch. Daß Straus den zügigen
und gütlichen Abschluß der Entnazifizierung hintertrieb, darauf deutet auch sein Beschwerde-
schreiben vom 22. 9. 1950 an den damals noch als Staatssekretär im Innenministerium fungie-
renden Hector hin. Nachdem das Innenministerium mehrere Milderungsersuche von bestraften
Lehrern günstig entschieden hatte, beschwerte sich Straus bei Hector, daß das für den betref-
fenden Beamten zuständige Ministerium nicht gehört wird. Straus an Hector vom 22. 9. 1950.
LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299. Erwähnt sei
auch die Kritik der Volksstimme (SPS-nahestehend) an der Haltung von Straus in der Entnazifi-
zierungsfrage. Sie gipfelt in dem Vorwurf, daß allein das Kultusministerium die nach dem Gesetz
vorgeschriebene Entscheidung über Wiedereinstellung und Entlassung durch eine zentrale Kom-
mission sabotiere. Es heißt dann weiter: Er (gemeint ist Straus) allein entscheidet ausschließlich
über die Wiedereinstellung von Lehrkräften an der Saar. Die Entscheidungen verstoßen aus-
nahmslos gegen das Gesetz. Volksstimme Nr. 110 vom 22. 4. 1949.
293 Protokoll über die Besprechung des Vorstandes des katholischen Lehrerverbandes und der Kreis-
vorsitzenden am 16. 10. 1948. Sammlung des Verbandes der katholischen Erzieher des Saar-
landes, Protokollbuch.
294 Vgl. dazu das Rundschreiben von Straus an die Schulräte des Saarlandes vom 24. 2. 1948. LA
Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 8. Siehe auch das Schreiben des Senatspräsi-
denten Johann Leo Zarth an Straus vom 17.2.1954. Dort wird aus juristischer Sicht ausführlich
über eine Klage einer verheirateten Lehrerin vor dem Oberlandesgericht in Saarbrücken be-
richtet, die im Zuge dieser Aktion entlassen worden war. Privatakten E. Straus. Siehe auch den
Bericht der Volksstimme vom 8. 7. 1950 über eine Anfrage der SPS-Fraktion im Landtag wegen
der Entlassung verheirateter Lehrerinnen.
295 Vgl. hierzu im einzelnen J. Hof f mann, Ziel, S. 139 ff. und H. Schneider, S. 150 ff. Vgl. auch
oben, S. 95 f. und die dortige Anm. 183.
194
reit war, die saarländische Staatsangehörigkeit zu beantragen296 oder der es ablehnte, den
Eid auf die saarländische Verfassung abzulegen. Die Vereidigungen selbst sind im Laufe
des Monats Februar 1949 im Rahmen von dienstlich angeordneten Versammlungen vor-
genommen worden297. Straus hat in der Regel, und damit wäre ein weiterer Beleg für seine
kompromißlose Auffassung vom Vorrang der Staatsinteressen erwähnt, jeden nicht im
Saarland geborenen beamteten Lehrer, der selbst nach ultimativer Aufforderung den An-
trag auf Erwerb der saarländischen Staatsbürgerschaft nicht stellte oder den Verfas-
sungseid verweigerte, ohne Pardon aus seinem Dienstverhältnis entlassen; denn, so Straus
im Interview, von einem Beamten muß man erwarten können, daß er staatstreu ist. Im
gleichen Atemzug verneinte Straus in Sachen Staatsbürgerschaft und Verfassungseid jede
Toleranz gegenüber dem Anspruch, vor seinem Gewissen die Aufgabe seiner nationalen
Identität als Deutscher nicht verantworten zu können. Wer nicht mit uns deichen wollte,
der mußte eben weichen298. Daß die Frage von Staatsbürgerschaft und Verfassungseid für
Straus stets weniger eine rechtliche als vielmehr eine politische Angelegenheit war, be-
weist der Fall Gowa. Dieser Leiter der Schule für Kunst und Flandwerk lehnte kategorisch
die Annahme einer saarländischen Staatsbürgerschaft ab, weil er aus Prinzip staatenlos
bleiben wollte. Tatsächlich durfte Gowa, weil er ein Aushängeschild für den jungen Staat
war, staatenlos bleiben299.
Ein weiterer Unruheherd war die Benachteiligung der evangelischen Lehrer gegenüber
ihren katholischen Kollegen, ein Tatbestand, der bei dem militant integralistischen
Standort von Straus und seinem von der französischen Seite übernommenen Vorurteil
gegen die preußische Mentalität des deutschen Protestantismus nicht überrascht. Im Jahre
1949 hatten von den damals 22 existierenden Gymnasien an der Saar nur drei einen evan-
gelischen Direktor300. Alle anderen Anstalten hatten, obgleich in diesem Schulbereich die
konfessionelle Parität bei Lehrern und Schülern abweichend von der 4 : 1-Norm der all-
gemeinen Statistik ein Verhältnis von etwa 3 : 1 erreichte301, einen katholischen Schul-
leiter. Noch unausgeglichener war die Situation im Berufsschulbereich. Dort war im Jahre
1949 von den insgesamt zehn zu vergebenden Direktorenposten nur derjenige in Sulzbach
evangelisch besetzt302. Daß diese einseitige Personalpolitik politisch gewollt war, darüber
informiert die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen dem Bevollmächtigten der Evan-
gelischen Kirche im Saarland, Kirchenrat Wehr, und Innenminister Hector im Jahre 1953.
296 Zeugnis über angedrohte Entlassungen von Lehrern, die sich als nicht im Saarland geborene wei-
gerten, die saarländische Staatsangehörigkeit zu beantragen, gibt uns ein Schreiben von Straus
an die Kommission zur Vorbereitung einer Verwaltungsreform vom 18. 1. 1951. Dort heißt es:
Ich habe gemäß dem Antrag vom 25. Juli 1950... die Lösung des Dienstverhältnisses beantragt
im Hinblick darauf, daß die Genannten sich weigern, die saarländische Staatsangehörigkeit zu
erwerben. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZII — A 2 b 1945 —1952.
297 Verfügung des Kultusministeriums — V/EII - A 2 c — vom 22.1. 1949. LA Saarbrücken, Bestand
Kreisschulamt Ottweiler Nr. 8.
298 Interview E. Straus vom 1.5.1978. Nach Angaben von Straus dürften etwa 10 bis 15 Lehrer von
einer solchen Maßnahme betroffen gewesen sein.
299 Interview E. Straus vom 1. 5. 1978.
300 Nach einer Mitteilung des evangelischen Jugendpfarrers vom Berg an Kirchenrat Wehr vom 31.
1. 1950. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
301 Von den 477 Philologen (Stand 15. 10. 1949) waren 149 evangelisch, von den 9 195 Schülern
2 978. Statistisches Flandbuch (Saarland 1950), S. 182.
302 Nach Aufzeichnungen des Kircbenrats Wehr über ein Gespräch mit Hector am 10. 6. 1953. Ar-
chiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bestand 12-19 Saarland Nr. 2.
195
Demnach antwortete Hector auf die Beschwerde Wehrs über die Zurückstellung evange-
lischer Lehrer bei Personalentscheidungen unverblümt:
Die Regierung müsse natürlich auch politische Gesichtspunkte bei der Besetzung berück-
sichtigen. Es wäre ja natürlich, daß beispielsweise die CVP zuerst für ihre Leute sorge, die
aktiv die Verantwortung für den Staat mit übernähmen. Es wären zu wenig Evangelische,
die in die politische Verantwortung einträten...303
Im Volksschulbereich verhinderten die festgelegten konfessionellen Strukturen eine per-
sonalpolitische Verschiebung zugunsten der einen oder anderen Seite. Dies war auch hin-
sichtlich der beiden Saarbrücker Mittelschulen so. Hier war es üblich, die Schulleiter-
stellen je einem katholischen und einem evangelischen Direktor anzuvertrauen304. Aller-
dings fühlten sich die evangelischen Volksschullehrer in der sachlichen Ausstattung ihrer
Wirkungsstätten und in der Frage der Klassenfrequenzen benachteiligt305, obgleich diese
gegenüber den der katholischen Volksschulen nur geringfügig höher lagen306.
6.4 Die Lehrerschaft wehrt sich
Das Gefühl der evangelischen Erzieherschaft, hintangesetzt zu sein, berührte freilich die
gemeinsame und allgemeine Frontstellung der saarländischen Lehrerschaft gegen die dik-
tatorische Behandlung307 durch Straus kaum. Sie war ein Charakteristikum der „Ära
Straus“ und könnte darum an vielen Beispielen demonstriert werden. Angesprochen
seien an dieser Stelle jedoch nur der äußerst umstrittene Erlaß über Krankmeldun-
gen und die bewegte Gründungsgeschichte der Vereinszeitschrift des Verbandes katho-
lischer Erzieher, da gerade in diesen beiden Fällen die komplizierte Persönlichkeit von
Straus, sein überzogener Glaube an die Staatsmacht und seine überempfindliche Witte-
rung gegen „staatsfeindliche“ Verhaltensweisen zum Ausdruck gelangt.
Im April 1950 erschien im Amtlichen Schulblatt308 eine Verwaltungsverordnung, die,
erinnernd an verschiedene mahnende Verfügungen aus den Jahren zuvor und ausgehend
von dem Vorwurf einer lässigen Auffassung von den Berufspflichten309, die Schuldirek-
toren und Schulaufsichtsbeamten dazu anhielt, die Krankmeldungen der Lehrer scharf zu
überwachen. Vorgeschrieben wurde eine sofortige Meldepflicht aller Erkrankungen der
Lehrer an das Kultusministerium, ärztliches Attest nach 3 Tagen und amtsärztliches At-
test nach 14 Tagen Dienstunfähigkeit sowie das Führen besonderer Krankheitslisten.
Drohend wurde dann noch hinzugefügt, daß die Krankheitsliste eines jeden Lehrers dem-
nächst in den Personalvorgängen ... entscheidend berücksichtigt würde310. Parallel zu
diesem Erlaß erhielten die Schulleiter ein Schreiben, in dem offen der Verdacht simulie-
renden Verhaltens vieler Lehrer geäußert wurde. Zur Beweisführung dieser Vermutung
3°3 Wie Anm. 302.
304 Vgl. hierzu das Protokoll über die Sitzung der evangelischen Schulreferenten am 2. 2. 1949. Ar-
chiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
305 Ebenda.
306 Im Jahre 1949 betrug die durchschnittliche Klassenfrequenz an katholischen Volksschulen 48,6,
an evangelischen 50,6 Schüler. Errechnet nach Statistischem Handbuch (Saarland 1950), S. 181.
307 Zitiert nach Ausführungen des evangelischen Jugendpfarrers vom Berg in seinem Schreiben an
Kirchenrat Wehr vom 28. 1. 1949. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3.
308 Amtliches Schulblatt für das Saarland Nr. 7 vom 5. 4. 1950.
309 Ebenda.
310 Ebenda.
196
wurde jeweils eine Liste jener Lehrer beigefügt, die sich des öfteren „krankgemeldet“
hatten. Sie mußte von den Lehrerkollegien in kollektiver Form zur Kenntnis genommen
werden311 312. Vor allem dieses „Spießrutenlaufen“ steigerte die gewaltige Empörung der
Lehrerschaft zum Protest, dessen Heftigkeit sich in zahlreichen schriftlichen und mündli-
chen Beschwerden, bissigen Kommentaren ihrer Verbandspresse, scharfen Stellung-
nahmen auf Versammlungen und in Briefen an politische Persönlichkeiten widerspiegelt.
So wandten sich die saarländischen Lehrerverbände in einem gemeinsamen Schreiben di-
rekt an Hoffmann und klagten dabei ganz offen, daß die Amtsblattverfügung den Geist
eines starken Mißtrauens atme und daß die scharfen Überwachungsvorschriften ... die
Lehrerschaft in einen Unsicherheits- und Angstzustand versetzt hätten. Nachdem sie
dann ausführlich den relativ hohen Krankenstand der Lehrer mit den Folgen des Krieges
und der allgemeinen Not der Nachkriegszeit erklärt und expressis verbis die unberech-
tigten Angriffe gegen den beruflichen Einsatzwillen der Lehrer zurückgewiesen hatten,
zeigte die abschließende Vier-Punkte-Erklärung, wie stark das Vertrauensverhältnis zwi-
schen Kultusminister und Lehrerschaft im Frühjahr 1950 bereits gestört war. Es heißt
dort u. a.:
Die Lehrerschaft bedauert es außerordentlich, daß der Herr Kultusminister, von dem sie
Schutz, Fürsorge und Wahrung ihrer Berufsehre und Rechte erwarten müßte, verallge-
meinernd gegen sie Stellung nimmt, ohne mit einem Wort ihre Leistungen anzuerkennen.
Wohl kaum ein Beruf bedarf der inneren Freiheit und Freude so sehr wie wir, um erziehen,
lehren und junge Menschen bilden zu können. Wir bedauern, ... Druck und Drohung
empfinden zu müssenin.
Die Protestwelle der saarländischen Lehrerschaft war schließlich so stark, daß Straus sich
bald gezwungen sah, seine Aktion in Sachen „Krankmeldung“ stillschweigend zurückzu-
nehmen.
Noch deutlicher zeigte sich die reizbare Natur und der politische Übermut von Straus in
der sogenannten Zeitschriftenfrage, die im Sommer 1948 aktuell wurde. Der Kern des
Streits lag darin, daß die größte und einflußreichste Lehrerorganisation im Saarland, der
Verband katholischer Erzieher, in ihrem Wunsch nach einem unabhängigen interessenpo-
litisch orientierten Verbandsorgan313 auf den Widerstand von Straus stieß. Dieser wollte,
um die politischen Aktivitäten der Lehrer besser kontrollieren zu können, die katholische
Erzieherschaft medienpolitisch in eine halbamtliche Schulzeitschrift einbinden, die von
einem aus Mitarbeitern des Kultusministeriums und Beauftragten der Lehrerverbände pa-
ritätisch besetzten Gremium redaktionell betreut werden sollte314. Zu einer ersten
311 Vgl. dazu das Schreiben des Studienrats Fritz Wilke aus Neunkirchen an das Kultusministerium
(Oberregierungsrat Zarth) vom 9. 5. 1950, das er in Abschrift auch an Ministerpräsident Hoff-
mann sandte. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr.
299. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 11).
312 Gemeinsame Stellungnahme der saarländischen Lehrerverbände vom 3. 5. 1950 zur Verfügung
V/Z I — A 11 vom 28. 3. 1950 über Krankmeldungen, die im Amtlichen Schulblatt Nr. 7 vom 5.
4. 1950 veröffentlicht worden war. Übermittelt mit Schreiben vom 3. 5. 1950 an Ministerpräsi-
dent Hoffmann. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr.
299.
313 Den Antrag auf Genehmigung einer solchen Verbandszeitschrift stellte der Verband am 23. 7.
1948. Der katholische Erzieher, Nr. 1 1949/1950, S. 2.
314 Dieser Interessengegensatz wird u. a. in einer Aktennotiz ausgesprochen, die der Leiter des Infor-
mationsamtes, Albert Dorscheid, am 23.5.1948 angefertigt hat. LA Saarbrücken, Bestand Infor-
mationsamt (Der Bestand ist noch nicht geordnet).
197
scharfen Auseinandersetzung in dieser Angelegenheit kam es zwischen Straus und dem
Vorsitzenden des katholischen Erzieherverbandes, Gustav Schulz, am 21. April 1948, als
Schulz in einer Besprechung über die Zeitschriftenfrage standhaft den Beschluß seines
Vorstandes über eine unabhängige Verbandszeitschrift verteidigte und Straus ihm dann
aufgebracht entgegnete: Ihre ablehnende Haltung betrachte ich als unfreundlichen Akt
gegen michils. In der Folge wurde der Streit immer heftiger ausgetragen, wobei der verär-
gerte Straus sogar zu polizeistaatlichen Maßnahmen griff, um die in seinen Augen auf-
müpfigen Lehrer zu bändigen und einzuschüchtern. So sorgte er u. a. dafür, daß die Ver-
sammlungen der katholischen Lehrerschaft mehrmals unter Polizeiaufsicht statt-
fanden315 316. Aber auch in der Zeitschriftenfrage mußte Straus schließlich klein beigeben,
weil es, wie es in der Stellungnahme des Leiters des Informationsamtes, Dorscheid, an
Hoffmann vom 25. 8. 1948 hieß, für eine Ablehnung keinen rechtlichen Grund gebe.
Die Angelegenheit, die in Erwartung einer noch endgültigen Stellungnahme des Herrn Mi-
nister Dr. Straus auf die lange Bank geschoben worden sei, müsse darum umgehend gere-
gelt werden317. Am 2. Juni 1949, also etwa nach einem Jahr harter Konfrontation, erhielt
der Verband katholischer Erzieher schließlich seine Lizenz für eine staatlich unabhängige
Zeitschrift durch die saarländische Regierung318, womit gleichzeitig deutlich wird, daß im
Saarland jenseits der Separationsfrage im Rahmen vorgegebener Bedingungen durchaus
eine erfolgreiche innenpolitische Opposition möglich war.
Schon der Streit um die Verbandszeitschrift der katholischen Lehrerschaft zeigte, daß
Straus vermutete Angriffe auf den saarländischen Staat stets auch als Angriffe auf seine
Person sah. Noch deutlicher wird dies bei seinen Auseinandersetzungen mit der Studen-
tenschaft der Ingenieurschule in Saarbrücken. Ausgangspunkt des Zusammenpralls
waren hier öffentlich vorgetragene Forderungen nach einem Mehr an Mitbestimmung
und akademischer Anerkennung sowie Kürzung des Studienwochensolls. Diese Presse-
kampagne war für Straus Anlaß genug, um den Studenten der Ingenieurschule den Feh-
dehandschuh hinzuwerfen. Er drohte ihnen, daß er beim nächsten Examen zugegen sein
werde und sie von hinten und vorn auf ihre geistigen Fähigkeiten prüfen werde. Das An-
liegen studentischer Selbstverwaltung provozierte ihn in seinem Machtdenken so sehr,
315 Protokoll über die Besprechung der Mitglieder des Verbandsvorstandes der katholischen Erzie-
herschaft und Herren Kreissektionsvorsitzenden am 16.10.1948, S. 2. Sammlung des Verbandes
katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch.
316 Vgl, dazu den Vermerk im Protokoll über die Sitzung des Direktionsausschusses des katholischen
Erzieherverbandes am 29. 4. 1948. Dort steht auf S. 2 zu lesen: Unter Aufsicht eines Polizeibe-
amten eröffnete... Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Ablage 1946
- 1958.
317 Dorscheid an Hoffmann vom 25. 8.1948. Dorscheid begründet seine Genehmigungsempfehlung
u. a. auch mit dem Argument, daß er es für unwahrscheinlich halte, die Zeitschrift (der katholi-
schen Lehrerschaft) auf längere Zeit finanziell zu sichern, eine Spekulation, die sich freilich als
falsch erwies. LA Saarbrücken, Bestand Informationsamt (Der Bestand ist noch nicht geordnet).
Zwischen dieser Stellungnahme und dem endgültigen Plazet vom 2. 6. 1949 war aufgrund einer
Anweisung Hoffmanns das Genehmigungsverfahren in Sachen Verbandszeitschrift gestoppt
worden, bis eine Unterredung zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten, dem Kultusminister,
einem beauftragten Vertreter des Verbandes und dem Leiter des Informationsamtes, Dorscheid,
stattgefunden habe. Zu dieser Besprechung kam es dann am 5. 4. 1949. Nach Schreiben Dor-
scheids an den Vorsitzenden des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Gustav Schulz,
vom 3.9. 1948. Das Datum der Besprechung ist auf diesem Schriftstück handschriftlich ver-
merkt. LA Saarbrücken, Bestand Informationsamt (Der Bestand ist noch nicht geordnet).
318 Die Lizenz wurde per Verfügung des Informationsamtes der saarländischen Regierung - Zi/Ke
— erteilt. Sie ist abgedruckt im Verbandsorgan Der katholische Erzieher, Nr. 1 1949/1950, S. 2.
198
daß er sogar die Kontrolle über sich verlor und den Studenten zurief: Sie sind wohl wahn-
sinniggeworden! Das könnte Ihnen so passen, bei schul- und pädagogischen Fragen mit-
zubestimmen ... Das ist eine staatliche SchuleZ319
Die Dominanz des Staatlichen, die im bildungspolitischen Handeln von Straus immer
wieder deutlich wird, hat, wenn man einmal von seinen Anweisungen über die Behand-
lung der Landesfahne und der „Saarhymne“ im Schulunterricht sowie seinen Erlassen zur
propagandistischen Gestaltung der Schulfeiern am Verfassungstag (15. 12.) absieht320 321,
freilich nie zu einem „Staats- und Parteipädagogismus“ geführt, wie er in Deutschland zur
Zeit der Hitlerdiktatur Praxis war. Lehrbücher, Bildungsziele und Richtlinien waren, wie
Emil Wagner ausdrücklich bestätigt, nicht viel anders als in der Bundesrepublik auchiU.
Das galt auch für Fächer wie Deutsch und Geschichte, die der Gefahr einer politischen
Pädagogik bekanntlich am ehesten ausgesetzt sind. Für diese Tatsache spricht insbeson-
dere, daß die Lehr- und Lernmittel überwiegend aus der Bundesrepublik kamen. Wenn
das innere Schulleben an der Saar dennoch politisiert wurde, dann lag das vor allem an
den Auseinandersetzungen um den französischen Sprachunterricht und die zentralen
Schulprüfungen, wobei hier in erster Linie an das Zentralabitur gedacht ist. Diese bil-
dungspolitischen Spannungsherde, die in ihrer Genesis oben bereits ausführlich angespro-
chen worden sind322, sollen an dieser Stelle deswegen wieder aufgegriffen werden, weil sie
zum einen wesentlich zum Sturz von Straus als Kultusminister im April 1951 beigetragen
haben und zum anderen deswegen, weil sie die nach einer anfänglichen Lethargie aufkei-
mende politische Empfindsamkeit bzw. Einsatzbereitschaft der saarländischen Bevölke-
rung anzeigt, die sich natürlich auch in Bildungsfragen artikulierte. Spürbar wurde das
definitive Ende der Ausnahmezeit der Jahre nach 1945, in denen das öffentliche Leben ins-
gesamt eher administrativ gestaltet worden war. Im Grunde waren es Jahre einer autori-
tären Ordnungspolitik gewesen, die dem Aufstieg und der Entfaltung eines staatsmacht-
gläubigen Mannes wie Straus nicht nur sehr entgegen kam, sondern wahrscheinlich die
Karriere dieses Mannes überhaupt erst möglich gemacht hat. Begonnen werden soll mit
den Widerständen gegen den französischen Sprachunterricht, die vornehmlich aus den
Reihen der Lehrerschaft an Volksschulen kamen, aber auch bei den Pädagogen des gym-
nasialen Schulbereichs spürbar waren.
319 Protokoll über die Zusammenkunft von Studierenden der Höheren Technischen Lehranstalt mit
Kultusminister Straus am 1. 12. 1948. Das Protokoll wurde von Studenten der Ingenieurschule
verfaßt. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 295.
320 Zum Thema Landesfahne und „Staatshymne“ im Unterricht vgl. Rundschreiben des Kultusmi-
nisteriums vom 29. 8. 1949. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St.
Wendel Nr. 14. Siehe auch Rundschreiben des Kultusministeriums an die Schulleiter und Schul-
räte vom 4.12.1950. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 14. Hinsichtlich der
Verfassungsfeiern in den Schulen vgl. Rundschreiben an alle Schulen vom 1.12. 1950. Es enthält
genaue Anweisungen über die inhaltlichen Aussagen, die in den Ansprachen zu machen waren.
Danach war auf die bisherigen Leistungen der Regierung (Wiederaufbau, soziale Betreuung,
Ausbau des Schulwesens, Beiträge zur Völkerverständigung durch Ferienaufenthalte und Schü-
leraustausch) ebenso hinzuweisen wie auf die Zukunftsaufgaben (Einigung Europas, Jugender-
tüchtigung). Zum Abschluß der Feier mußte die Verfassungspräambel vorgelesen werden. LA
Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, V/Z II - A 1 a + c.
321 Interview E. Wagner vom 5. 3. 1976.
322 Mit Blick auf den französischen Sprachunterricht siehe oben vor allem S. 107 ff. und S. 165, be-
züglich des Zentralabiturs vgl. insbesondere oben S. 110 f. und S. 174 f.
199
6.5 Erste Widerstände gegen den Französischunterricht
Die Volksschullehrerschaft war nicht grundsätzlich gegen den Französischunterricht ein-
gestellt, der, wie Hoffmann es in seinen Memoiren als Ziel pädagogischen Fortschritts
und als notwendige Konsequenz schulischen Aufgabenwandels ausgibt, in einer Grenzre-
gion einer „breiten Schicht der Bevölkerung die aus den unterschiedlichsten Gründen
nicht den Bildungsweg über eine höhere Schule oder eine sprachliche Spezialausbildung
nehmen kanndie Kenntnis wenigstens einer Fremdsprache ... für das Zusammenleben
und Zusammenarbeiten“ vermitteln sollte323. Ihre Kritik betraf vielmehr die Art und
Weise seiner Durchführung wie auch seinen Umfang. Auf Unverständnis stieß dabei vor
allem der nach ihrer Ansicht zu frühe Beginn fremdsprachlicher Erziehung im zweiten
Schuljahr und die stringente Durchführung des Französischunterrichts als Hauptfach in-
nerhalb der in fremdsprachlichen Bildungsaufgaben ungeübten Volksschule. Diese Son-
derstellung bedeutete nämlich nicht nur eine hohe Zahl von Stunden für dieses Fach324,
sondern auch, daß die Französischstunden, wie es die Lehrerverbände formulierten, wie
ein erratischer Block im Stundenplan lagen325. Außerdem, so argumentierte die Lehrer-
schaft immer wieder, sei es für schwächer begabte Schüler besser, wenn sie sich im Bereich
der sprachlichen Bildung auf ihre Muttersprache konzentrieren könnten und nicht durch
fremdsprachliche Studien irritiert würden. In diese eher aus erzieherischen Motiven her-
rührenden Einwände mischten sich bald Töne mit politischem Hintergrund. Sie klangen
insbesondere bei der Forderung an, daß der muttersprachliche Unterricht durch das Fran-
zösische keine Benachteiligung erfahren dürfe und daß Deutsch unsere Muttersprache ist
und bleiben soll326. Zum Ausdruck gelangte hierbei eine allgemeine Verunsicherung der
Lehrerschaft, die ihren Ausgangspunkt in den von Straus provozierten kulturpolitischen
Irritationen nahm. Gerade wegen des von Straus eifrig geförderten französischen Spra-
chunterrichts glaubten nach Meinung des ehemaligen Ministerialdirigenten im saarländi-
schen Kultusministerium, Walter Braun, viele Lehrer, in ihm einen Mann zu erkennen, der
kein Vaterland hatte. Sie wußten eigentlich nie, welche Kultur ihr Kultusminister wirklich
favorisierte, die deutsche oder die französische327.
Die wachsende Dramatik um das Schulfach Französisch rührte vor allem von den Prü-
fungs- und beruflichen Bewährungszwängen sowie vom Personalpolitischen her. In der
zweiten Staatsprüfung für Volksschullehrer bedeutete zum Beispiel eine mangelhafte Lei-
stung in Französisch ebenso das endgültige Nichtbestehen wie in der Lehrprobe, die nur
für dieses Pflichtfach für alle Kandidaten obligatorisch war. Für alle anderen Prüfungsfä-
323 J. Hoffmann, Ziel, S. 150.
324 Im Schuljahr 1950/1951 wies die Stundentafel für Volksschulen folgende Stundenzahlen für den
französischen Unterricht aus: 2. Schuljahr 3, 3. Schuljahr 4 und vom 4. Schuljahr durchgehend
bis zum 8. Schuljahr 5. Der Französischunterricht ging nicht zu Lasten anderer Fächer. Dadurch
erklärt sich auch das hohe Wochensoll saarländischer Volksschüler, das vom 5. Schuljahr an 33
Wochenstunden betrug. Vgl. Stundentafel für das Schuljahr 1950/1951. LA Saarbrücken, Be-
stand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 13.
325 Zitiert nach Informationsblatt „Kulturpolitik 6/54“ des Deutschen Saarbundes vom 15.7.1954.
Bundesarchiv Koblenz, Sammlung Z Sg. 1.
326 Zitiert nach der Entschließung des Verbandes Saarländischer Lehrer vom 28. 12. 1953. Solche
oder ähnliche Forderungen wurden von den Lehrerverbänden seit 1950 erhoben. Archiv des Kir-
chenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
327 Interview W. Braun vom 4. 3. 1976.
200
eher, die in vorgeschriebenen Kombinationen gewählt werden durften, war ein Leistungs-
ausgleich durch gute Noten aus anderen Bereichen möglich328. Der Druck der Prüfungs-
ordnung in Bezug auf das Französische schmerzte die Volksschullehrerschaft um so mehr,
als ihnen trotz der abverlangten intensiven Sprachstudien und -leistungen das Zuge-
ständnis einer akademischen Bildungslaufbahn verwehrt blieb. In den Schulen wurde der
französische Sprachunterricht streng überwacht. Sowohl die Sonderbeauftragten der
saarländischen Schulaufsicht, die sogenannten Inspektoren für den französischen Unter-
richt, als auch die zuständigen Beamten des Hohen Kommissariats bzw. der Mission Di-
plomatique kontrollierten durch regelmäßige Unterrichtsbesuche und im Rahmen von
verbindlich vorgeschriebenen Fortbildungsveranstaltungen die Leistungsbereitschaft und
-fähigkeit der saarländischen Volksschullehrer in diesem Fach. Ihre Beurteilungen waren
mitausschlaggebend für die berufliche Karriere. Schon im September 1948 waren die
Schulräte per Verfügung des Kultusministeriums aufgefordert worden, alle Lehrer zu
melden, die besondere Erfolge im französischen Unterricht aufzuweisen hatten329. Die
einflußreiche dienstliche Stellung der Inspektoren für den französischen Sprachunter-
richt330, die bereits im Zusammenhang mit der Besoldungspolitik aufgefallen ist, und das
Beaufsichtigungsrecht einer fremden Macht331 waren ein ständiger Unruheherd an den
saarländischen Schulen. Selbst Pierre Woelfflin räumt heute ein, daß das Hohe Kommis-
sariat bzw. die Mission Diplomatique zwar stets sehr erfahrene Schulmänner mit der Be-
aufsichtigung des Sprachunterrichts beauftragt habe, daß es aber im Bezirk Neunkirchen
zu manchen Reibereien gekommen sei, weil es dem dortigen Attaché Pfeifer manchmal an
nötigem Einfühlungsvermögen gemangelt habe332. Tatsächlich ist es hier des öfteren vor-
gekommen, daß auf Veranlassung Pfeifers, also eines Aufsichtsbeamten einer auswär-
tigen Macht, Lehrer ihren französischen Unterricht... an eine geeignete Lehrkraft abzu-
treten hatten333.
Im Vergleich zur Volksschule forderte die französische Sprachschulung im gymnasialen
Bereich natürlich viel weniger Kritik heraus, weil hier das Französische zum traditionellen
Fächerkanon gehörte. Dennoch haben auch die Philologen seine Sonderstellung argwöh-
nisch betrachtet. Allerdings war ihre Besorgnis vor einer kulturellen Verfremdung we-
sentlich geringer als die der Volksschullehrer. Ihre Kritik konzentrierte sich vielmehr auf
die stark unterschiedlichen Methoden von Volksschule und Gymnasium, so daß die in den
Schuljahren zwei bis vier erworbenen sprachlichen Vorkenntnisse in der Unterstufe des
328 Amtliches Schulblatt für das Saarland Nr. 23 vom 13. 4. 1949.
329 Rundschreiben des Kultusministeriums an die Schulräte vom 27. 9. 1948. LA Saarbrücken, Be-
stand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 20.
330 Vgl. dazu die vorläufige Dienstanweisung über die Dienststellung der Inspektoren für den fran-
zösischen Unterricht an saarländischen Volksschulen vom Dezember 1948. LA Saarbrücken, Be-
stand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 20.
331 Das Hohe Kommissariat und später die Mission Diplomatique verfügten über drei Kulturatta-
chees, die für die Beaufsichtigung des französischen Sprachunterrichts insgesamt zuständig
waren. Kontrollbezirke waren dabei Saarbrücken, Saarlouis und Neunkirchen.
332 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
333 Zitiert nach einem Bericht des Inspektors für den französischen Unterricht im Schulaufsichtsbe-
zirk Ottweiler II vom 10. 3. 1949. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 52.
201
Gymnasiums kaum zum Tragen kamen334. Überdies zeigte sich die Philologenschaft be-
sorgt darüber, daß in den Sexten mit zwei Fremdsprachen begonnen werden mußte. Diese
Pflicht bedeutete nämlich eine unbotmäßige Überbürdung der jungen Gymnasiasten, daß
selbst das Ministerium im Jahre 1951 Einsicht zeigte und eine Reduzierung der zu bewäl-
tigenden Stoffmenge im Lateinischen und Französischen erlaubte335.
6.6 Die Auseinandersetzung zwischen Hoffmann und Straus
um die Praxis des Zentralabiturs
An der im Laufe der Jahre wachsenden Entfremdung zwischen Straus und der Philologen-
schaft hat der Französischunterricht eigentlich nur geringen Anteil gehabt. Für die in
dieser Beziehung auftretenden Gegensätze war in erster Linie das Zentralabitur verant-
wortlich, das in seiner bedrückenden Kontrollwirkung auf das Schulleben der Gymnasien
und in seinem aus bildungspolitischen und bildungsökonomischen Gründen gesuchten
Ausleseeffekt oben schon angesprochen wurde336. Da sowohl Lehrer als auch Schüler hier
den machtbürokratischen Anspruch von Straus zu spüren bekamen und erzieherische Be-
weggründe weit weniger als beim Französischunterricht ins Feld geführt werden konnten,
drängte diese Konfrontation viel eher und vor allem heftiger in eine breitere Öffentlich-
keit.
Das von Straus als absolut extraskolär bezeichnete und im Sinne des französischen Con-
cours-Systems337 wirkende Prinzip zentraler Abiturprüfungen geriet erstmals im Jahre
1948 in das Schußfeld einer vornehmlich von Philologenschaft, Schülern und Eltern getra-
genen Kritik. Ziel der Angriffe war dabei vor allem die anonyme, d. h., die schulische Mit-
wirkung völlig ignorierende und allein in Regie der Kultusbehörde durchgeführte Prü-
fungspraxis. Die Liste der Vorwürfe und Beschwerden, die in diesem Zusammenhang ge-
macht wurden, war lang. Sie reichte von der als provozierend empfundenen Mißachtung
der schulischen Erziehungs- und Beurteilungskompetenz über die als fragwürdig attak-
kierte Bestimmung, daß alle ausgewählten schriftlichen Prüfungsaufgaben mit Ausnahme
der Fächer Latein und Mathematik für alle gymnasialen Schultypen einheitlich durch das
Kultusministerium gestellt und alle Arbeiten im Aufträge dieser Behörde ohne Beteiligung
der Schulen korrigiert würden, bis hin zu der von Straus geduldeten Taktlosigkeit, die
Namen der nicht zur mündlichen Reifeprüfung zugelassenen Schüler durch die Presse ver-
öffentlichen zu lassen338. Der Sturm der Entrüstung war so stark, daß sich bald das Kabi-
334 Vgl. hierzu das Rundschreiben des Kultusministeriums an die Höheren Schulen des Saarlandes
vom 1. 10. 1951. Danach wurden alle gymnasialen Französischlehrer verpflichtet, auf den fran-
zösischen Unterricht der Volksschule aufzubauen; denn es wäre sündhaft, wenn das dort Er-
lernte und Erworbene ungenützt verkümmern müßte. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches
Mädchenrealgymnasium St. Wendel Nr. 23.
335 Rundschreiben des Kultusministeriums — V/E III — A II 23 — vom 4. 7. 1951. LA Saarbrücken,
Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St. Wendel Nr. 14. Schon am 19.2. 1951 hatte es
in einem Rundschreiben geheißen, daß nach Informationen des Kultusministeriums 80 v. H. aller
Sextaner Nachhilfestunden erhielten. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymna-
sium St. Wendel Nr. 23.
336 Siehe oben, S. 110 ff. und S. 174 f.
337 Zitiert nach Ausführungen von Straus in seinem Schreiben an Staatssekretär Hector vom 29. 6.
1948. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Direktors der Präsidialkanzlei, (V)
E 3b.
338 Vgl. dazu ein Beschwerdeschreiben von vier Erziehungsberechtigten des Mädchengymnasiums
von Saarlouis an das saarländische Kultusministerium vom 12. 6. 1948. LA Saarbrücken, Be-
stand der Staatskanzlei, Akten des Direktors der Präsidialkanzlei, (V) E 3b.
202
nett mit der Frage des Zentralabiturs beschäftigen mußte. Hier verteidigte Straus sich mit
dem Argument, daß nur das Zentralabitur dazu geeignet erscheint, nachzuprüfen, in wel-
chem Maße die Kandidaten ein von ihnen erworbenes Wissen zu einer bestimmten Stunde
in anderer Umgebung und unter gegebenenfalls anders formulierten Anforderungen be-
reit halten und sinnvoll verwenden können. Straus räumte zwar ein, daß auch das gegen-
wärtige Prüfungssystem Vor- und Nachteile habe, dennoch habe es sich durchaus be-
währt339. Aus den kritischen Anmerkungen Hectors in einem Schreiben an Hoffmann ist
zu entnehmen, daß man schon im Jahre 1948 die Begründungen von Straus zum Thema
Zentralabitur als nicht für zufriedenstellend hielt. Wenn man, so Hector, das französische
Prüfungssystem eingeführt hat, ist es meines Erachtens notwendig, den Kandidaten auch
die Möglichkeit zu geben, sich im gleichen Jahr den Examen ein zweites Mal zu stellen,
um so ein vielleicht zufälliges Versagen auszugleichen340.
Obgleich sich das Kultusministerium im Jahre 1949 in der Frage des Zentralabiturs etwas
geschmeidiger zeigte, indem es unterrichtliche Ratschläge zur Verbesserung der Prüfungs-
aussichten und eine gewisse Lockerung der doch sehr rigiden Prüfungsbestimmungen ak-
zeptierte341 342, ebbte die Protestwelle nicht ab. Sie erreichte im Jahre 1950 sogar einen neuen
Höhepunkt. So berichtete der Leiter des Informationsamtes, Albert Dorscheid, in einer
vertraulichen Mitteilung an Hoffmann unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die umstrit-
tenen Verfahrensmechanismen des Zentralabiturs von einer unerhörten Erbitterung
weiter Bevölkerungskreise. Gleichzeitig spricht er von der Besorgnis, daß die CVP bei den
nächsten Wahlen eine erhebliche Einbuße erleiden könnte, sofern Herr Minister Dr.
Straus im Amte bleibe3,42. Dieses Alarmzeichen mag erheblich dazu beigetragen haben,
daß die Frage des Zentralabiturs kurz nach den Terminen der Reifeprüfung des Jahres
1950 zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen Hoffmann und Straus Anlaß gab.
Ausgangspunkt der Kontroverse war ein Schreiben Hoffmanns an Straus vom 13. Juli, in
dem er, ausgehend von ihm zugespielten Nachrichten über eine bevorstehende Zurück-
nahme der seit 1949 eingeräumten Möglichkeit von Nachprüfungen, Straus mehr oder
weniger vorwarf, daß er mit der ungeprüften Übernahme französischer Prüfungsprak-
tiken und ihrer staatsdirigistischen Eigenarten die Bewährungsqualifikationen im gymna-
sialen Schulwesen des Saarlandes in unzumutbarer Weise gesteigert habe; denn, so Hoff-
mann, an der Saar erfolgt das „Sieben“ bereits bei den einzelnen Versetzungen, was in
Frankreich nicht der Fall ist, ... Dort ist die Durchschnittsziffer für die Versetzung 8343,
während sie bei uns über 10 liegen muß. Mit Nachdruck forderte Hoffmann dann von
Straus die Anweisung für das Nachabitur, ...da die Angelegenheit schon Staub genug auf-
gewirbelt hat344.
339 Zitiert nach der gleichen Quelle wie die in Anm. 337 auf S. 202 angegeben.
340 Hector an Hoffmann vom 3.7.1948. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Di-
rektors der Präsidialkanzlei, (V) E 3b.
341 Vgl. dazu das Rundschreiben des Kultusministeriums - V/E III - AII 20 — an die Direktoren der
Höheren Schulen im Saarland vom 5.1.1949. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenre-
algymnasium St. Wendel Nr. 24.
342 Vertrauliches Informationsschreiben Dorscheids an Hoffmann vom 22. 4. 1950. LA Saar-
brücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299.
343 Bezogen auf das von Frankreich übernommene 20-Noten-System.
344 Schreiben Hoffmanns an Straus vom 13.7.1950. Privatakten E. Straus. Wiedergegeben im Quel-
lenanhang (Anlage 12).
203
Der Konter von Straus ließ nicht lange auf sich warten. Da er den Informationen Hoff-
manns über eine Zurücknahme des Nachprüfungstermins für das Abitur 1950 ein hand-
festes Dementi entgegensetzen konnte, fiel es ihm sogar leicht, den Angriff von Hoffmann
zu parieren. Dabei sagte er ihm offen, daß er seiner Interpretation über das Nachabitur,
zumal sich 20 Studienräte seiner Auffassung ausdrücklich angeschlossen hätten, sowohl
vom allgemein schulischen wie von meinem persönlichen Erfahrungsstandpunkt her ...
nicht völlig teilen könne, er habe aber dennoch der Forderung nach einem Nachprüfungs-
termin nachgegeben, weil er wieder einmal schulische Probleme politischen Notwendig-
keiten unterordnen zu müssen glaubte. Dieser direkte Vorwurf einer überzogenen Politi-
sierung des Schulwesens an der Saar, die Straus freilich durch seinen bildungspolitischen
Ehrgeiz im Interesse der Saarstaatlichkeit selbst genügend provoziert hatte, offenbart
einmal mehr den von Straus beherzten Glauben an die Staatsraison, die ihren Vortritt vor
Individual-, Partei- und Verbandsinteressen haben muß. Zum Schluß seines Schreibens
plädierte Straus für ein Mehr an kollegialer Zusammenarbeit, die er seit geraumer Zeit
vermisse345.
Die Auseinandersetzungen zwischen Hoffmann und Straus um das Zentralabitur sind ein
Beispiel für das, wie es Walter Braun ausrückte, permanent gestörte Verhältnis, das seit
1949 zwischen beiden Politikern herrschte346. Die Aversionen zwischen beiden Männern
hatten sowohl politische als auch persönliche Hintergründe. Für Hoffmann war Straus im
Grunde ein Mann suspekten Charakters. Sein Hang zu intellektualistischen Spitzfindig-
keiten, der dennoch nicht immer in diskursiv orientiertem Schaffen mündete, seine Lust,
andere in politischen Debatten ohne Not zu brüskieren, seine Kulturbeflissenheit und sein
Selbstbewußtsein als Akademiker sowie der Eindruck einer aufgesetzt wirkenden Religio-
sität haben dabei sicherlich ebenso eine Rolle gespielt wie die Kenntnis von dem wechsel-
vollen Lebensweg des Konvertiten Straus, dem ehemaligen Sozialdemokraten und - seit
1947 — naturalisierten Franzosen. Hoffmann hatte längst erkannt, daß dieser eitle und oft
impulsiv reagierende Politiker eine Quelle permanenter bildungspolitischer Unruhe war
und damit eine Belastung für ihn und seine Regierung. Das mußte er um so mehr an-
nehmen, als sich nach 1950, wie er selbst in seinen Memoiren mitteilt, „mehr und mehr
eine Opposition gegen die bisherige Saarpolitik bemerkbar (machte), in der sich Unzufrie-
denheit, wie sie überall besteht, mit grundsätzlicher Ablehnung unserer Politik ver-
mischte“347.
6.7 Die Entlassung von Straus als Kultusminister
Gelegenheit zur Entlassung des ungeliebten Ministers bot Hoffmann die infolge des Koa-
litionsbruchs mit der SPS notwendig werdende Regierungsumbildung im April 1951. Sie
wurde nach Angaben von Straus in einer neunköpfigen Sonderkommission beraten, der
neben Hoffmann u. a. Bartholomäus Koßmann, Emil Lehnen (Generalsekretär der CVP),
Erwin Müller und Wirtschaftsminister Franz Singer als Mitglieder angehörten. Meine
Entlassung war dort bereits beschlossene Sache, weil Herr Hoffmann es so wollte. Be-
345 Zitate nach Schreiben von Straus an Hoffmann vom 15. 7. 1950. Privatakten E. Straus. Wieder-
gegeben im Quellenanhang (Anlage 13).
346 Interview W. Braun vom 4. 3. 1976.
347 J. Hoffmann, Ziel, S. 213.
204
gründet wurde die Forderung nach meiner Demission hauptsächlich mit dem Hinweis,
daß ich ein gestörtes Verhältnis zur Lehrerschaft hättet. Unerwartet kam die Entlassung
von Straus freilich nicht. Angekündigt hatte sie sich bereits mit der Stellungnahme des
Kulturpolitischen Beirats der CVP zum Zentralabitur, die am 6. März veröffentlicht
worden war. ln ihr wurde, ganz im Sinne Hoffmanns, eine Revision der Reifeprüfung ge-
fordert. Noch aufreizender als dieses Papier selbst war für Straus der Kommentar in der
von Hoffmann herausgegebenen Saarländischen Volkszeitung zur Willensäußerung des
CVP-Organs. Es kam schon einer Desavouierung des amtierenden Kultusministers gleich,
wenn dort über seinen Kopf hinweg angekündigt wurde: Es ist anzunehmen, daß die Ver-
wirklichung der aufgestellten Forderungen (des Kulturpolitischen Beirats zum Zentral-
abitur) schon bis zur nächsten Reifeprüfung erfolgt™9.
Wie Straus heute selbst einräumt, spielten bei seiner Entlassung aber auch die bereits an-
gesprochenen differenten Standorte zwischen ihm und Hoffmann über den politischen
Kurs der Saar eine wichtige Rolle, die insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit mit
Frankreich und die europäische Zukunft spürbar waren. Während Herr Hoffmann, so
Straus im Jahre 1976, nach 1950 in einer stärkeren Annäherung an die Bundesrepublik
Deutschland eine unumgängliche Bedingung für eine auf Dauer erfolgreiche saarländi-
sche Politik im Rahmen einer europäischen Ordnung erblickte, konnte ich diesen Zwang
nicht einsehen. In der Bildungspolitik, so Straus weiter, wollte Hoffmann seine Ruhe
haben. Er wollte einfach nicht wahrhaben, daß eine anspruchsvolle Bildungspolitik im In-
teresse unserer Zukunft als autonome Saar einfach notwendig war348 349 350 *. Tatsächlich suchte
Hoffmann, wohl auch, weil er die kommenden stürmischen Zeiten der Auseinanderset-
zungen um die Saar erahnte, die bildungspolitische Entwicklung seines Landes vorrangig
von der Prämisse eines funktionierenden Bildungssystems aus zu gestalten. Die Gefähr-
dung der innenpolitischen Stabilität durch Hektik und Unruhe an der Bildungsfront
wollte er unbedingt vermeiden. Straus dagegen wollte und suchte ehrgeizig bildungspoli-
tische Dynamik im Interesse eines anspruchsvollen Bildungssystems und seiner Indienst-
stellung für eine eigenstaatliche Saar, eine für ihn absolute Zielsetzung, für die er ebenso
französischen Beistand erhoffte wie er auch die dadurch bewirkte erhöhte Abhängigkeit
von Frankreich akzeptierte. In Kontext mit diesem Urteil steht die von dem früheren
Leiter der Präsidialkanzlei, Franz Schlehofer, gemachte Aussage, daß Straus in seiner
Suche nach Verwirklichung einer christlich geprägten Erziehung im Sinne der überlie-
ferten Ziele des Zentrums mit Hoffmann zwar kongruent war, daß er sich aber mit seiner
Sympathie für die gaullistische Vorstellung eines Frankreich als Kernland eines abendlän-
disch-christlichen Europas klar von Hoffmann distanzierte, da Hoffmann nach 1945 na-
tionalstaatliche Wertkategorien für überholt hielt351. Bestätigt wird das Urteil auch durch
die Äußerung Woelfflins, daß Herr Straus als Saarländer im Grunde „nationalistischer“
war als irgendein französischer Nationalist. Er nahm das Kulturabkommen viel ernster
als wir, für uns war das Kulturabkommen nicht die Bibel352.
348 Interview E. Straus vom 4. 10. 1976.
349 Saarländische Volkszeitung vom 17. 3. 1951.
350 Interview E. Straus vom 4. 10. 1976.
3il Interview F. Schlehofer vom 11.3. 1976.
352 Interview P, Woelfflin vom 27. 11. 1976.
205
Im zweiten Kabinett Hoffmanns, das bis auf den parteilosen Minister für Finanzen und
Forsten, Friedrich Reuter, nur aus CVP-Politikern bestand, übernahm der neu in die Re-
gierung einrückende ehemalige Vorsitzende der Verwaltungskommission, Erwin Müller,
neben dem Justizministerium auch das Kultusministerium. Er leitete die Kultusbehörde
freilich nur politisch. Die eigentliche Verantwortung übernahm im Range eines Direktors
der damals 58jährige parteilose Professor für mittelalterliche Geschichte an der Univer-
sität des Saarlandes, Eugen Meyer. Als Freund der schönen Dinge im Leben und als Lieb-
haber Bach’scher Musik scheute er den politischen Konflikt ebenso wie die politische Ent-
scheidung. In den Augen der Lehrerschaft galt er nach den Worten Emil Wagners als un-
politischer Fachminister mit sehr sauberer und guter saarländisch-deutscher Weltan-
schauung353. Meyer, ein gebürtiger Saarländer und Schulkamerad von Johannes Hoff-
mann, hat seine Position als Verwaltungsaufgabe gesehen354 und hat sie auch im Geist der
strengen und gerechten Maßstäbe, die für ihn in den Jahren von 1921 bis 1939 als Archiv-
beamter, zuletzt als Staatsarchivdirektor in Münster, verbindlich waren, erfüllt355. Bil-
dungspolitische Impulse sind allerdings von ihm, wenn man einmal von der von ihm ver-
anlaßten überfälligen Entschärfung des Zentralabiturs und der Annäherung des universi-
tären Prüfungswesens an deutsche Traditionen sowie von seinen Initiativen zur Bildung
einer Kommission für saarländische Landesgeschichte356 absieht, nicht ausgegangen.
Einen eigenen Fachminister hat die Kultusbehörde bis zum Rücktritt Hoffmanns im Jahre
1955 mit Franz Singer lediglich vom Dezember 1952 bis zum Juli 1953 gehabt. Nach
seinem Tod übernahm Hoffmann selbst das Kulturressort. Vor dem Hintergrund der
Wechsel an der Spitze der Kultusverwaltung vollzogen sich auch einige Veränderungen in-
nerhalb ihres Beamtenkörpers. So entließ Meyer mit Wirkung vom 1. Mai 1951 den bei
der Lehrerschaft der höheren Schulen wenig beliebten Oberschulrat Burghardt. Zu
seinem Nachfolger bestellte er den Saarbrücker Studienrat Josef Quack. Johann Leo
Zarth, unter Straus Justitiar im Kultusministerium, übernahm das Amt eines Senatspräsi-
denten am Oberverwaltungsgericht in Saarlouis. Sein Nachfolger wurde Regierungsrat
Günther Tiebel. Die anderen Beamten des höheren Dienstes, Jakob Fleck (katholisches
Volksschulwesen), Arthur Fätkenheuer (evangelisches Volksschulwesen), Dr. Hans Groh
(Hochschulabteilung u. a.), Franz-Josef Erfurt (Rechtsabteilung), Albertine Kies und Eli-
gius Müller (Berufsschulwesen), blieben in ihren Ämtern. Mit der Übernahme des Kultus-
ministeriums durch Hoffmann im Sommer 1953 stieg der Saarbrücker Philologe Walter
Braun zum höchsten Beamten dieser Behörde auf. Braun gelangte bald in den Rang eines
Ministerialdirigenten (1954) und erhielt damit im Grunde die gleichen Kompetenzen wie
353 Interview E. Wagner vom 5. 3. 1976.
354 Daß Meyer sein Amt „unpolitisch“ gesehen hat, äußert sich auch darin, daß er nur an 6 der 38
Sitzungen des Saarländischen Landtags im Laufe seiner ersten Dienstperiode (April 1951 — De-
zember 1952) teilnahm und zwar am 14. 4. 51 (Vorstellung der neuen Regierung), am 1. 2.1952
(Dritte Lesung Haushalt) am 2. 2. 1952 (ebenso), am 28. 2. 1952, 7. 10, 1952 und am 29. 10.
1952. Dagegen war sein Kollege, der Direktor des Amtes für Arbeit und Wohlfahrt (dieser Ge-
schäftsbereich wurde vom 14.4.1951 an von Hoffmann ministeriell betreut), fast regelmäßig an-
wesend.
355 Weitere biographische Daten zur Person und eine Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen
Eugen Meyers finden sich in dem Nachruf, den sein Schüler H. W. Herrmann anläßlich seines
Todes am 29. 8. 1972 verfaßt hat. H. W. Herrmann, Eugen Meyer, S. 74 - 79.
356 Über Entstehung, Entwicklung und Tätigkeit der Kommission in den Jahren 1952 bis 1977 gibt
eine Druckschrift Auskunft, die anläßlich ihres 25jährigen Bestehens herausgegeben worden ist.
Siehe unter Kommission.
206
zuvor Meyer, der mit dem Amtsantritt Singers am 23.12.1952 seine Position als Direktor
der Kultusbehörde wieder aufgeben mußte.
Die personalpolitischen Bewegungen im Kultusministerium haben die Schulpolitik an der
Saar ebensowenig aus ihrer Stagnation herausführen können wie das ministerielle Inter-
mezzo durch Franz Singer, die fast lethargisch anmutende Ruhe an der Bildungsfront
wurde aus politischem Antrieb heraus nicht mehr gefährdet. Wenn die Schule dennoch in
den Sog der nun bald beginnenden Auseinandersetzungen um das Schicksal der Saar ge-
zogen wurde, so lag das daran, daß die saarländische Bildungspolitik der Jahre nach 1951
trotz oder gerade wegen des Übergangs vom politisch gestaltenden zum eher passiven Ver-
waltungsprinzip mit den Hypotheken aus den Tagen von Straus belastet blieb. Zentral-
abitur, französischer Sprachunterricht, französische Schulen blieben ungeachtet einiger
Veränderungen und Modifikationen Themen der nationalen Opposition innerhalb und
außerhalb des Saarlandes. Sie boten genügend Angriffsflächen, um die separatistische Po-
litik der Hoffmanns und der Kirns zu attackieren. Damit zeigt sich auch auf dem Sektor
der Bildung das Jahr 1951 als Zäsur in der Politik des Saarlandes nach 1945. Wenn auch
der Abgang von Straus unter dem Gesichtspunkt einer personalpolitischen Konsequenz
gesehen werden muß, so signalisierte seine Demission dennoch ebensosehr einen Wandel
des politischen Klimas. Im Zuge dieses Übergangs zu neuen Handlungsbedingungen,
deren Hintergründe später noch zu analysieren sein werden, gelang es der saarländischen
Politik zwar, Terrain in ihren Beziehungen zu Frankreich zu gewinnen, sie mußte aber
gleichzeitig und dafür liefert die Bildungspolitik der Jahre 1951 bis 1955 genügend Hin-
weise, in der Gestaltung ihrer eigenen Lebensbereiche zunehmend eine Wendung vom
Agieren zum Reagieren hinnehmen, weil den Saarländern ihre nationale Schicksalsfrage
immer bewußter wurde. Dieses Gedrängtwerden in die Defensive deutete sich selbst in der
Entwicklung der Universität an, obwohl gerade diese Institution, deren Entstehungsge-
schichte ja bereits bekannt ist357, zu den bemerkenswertesten Leistungen saarländischer
Bildungspolitik der Jahre bis 1955 zu zählen ist. Die nationale Opposition an der Saar und
in der Bundesrepublik glaubte nämlich gerade in ihr das gefährlichste Instrument einer
französisch gesteuerten Kulturaktion zu erkennen, die allein im Dienst einer angestrebten
geistigen Verklammerung der Saar mit Frankreich stände. Die Fortschreibung der Univer-
sitätsgeschichte, die im folgenden Hauptkapitel ansteht, wird darum nicht nur im Sinne
ihres materiellen und geistigen Aufbaus vorgenommen werden können, sondern auch
unter dem Zeichen des Wandels ihrer inneren Strukturen sowie der Hintergründe, die sie
bewirkten. Im Universitätsleben taucht auch der Name Emil Straus wieder auf, allerdings
nur in der Rolle eines Mitgliedes des Verwaltungsrates. Seine politische Karriere setzte
Straus als Vertreter des Saarlandes in Paris fort, zu dem er am 28.4. 1951 ernannt wurde.
Am 1.2.1952 erfolgte dann seine offizielle Ernennung in den Rang eines Gesandten. Die
Berufung von Straus war übrigens nicht unumstritten. Insbesondere die SPS opponierte
gegen ihn mit dem polemischen Argument, daß ein französischer Staatsbürger wohl kaum
die Interessen der Saar in Paris hinreichend vertreten könne. Straus blieb auf dem einzigen
diplomatischen Dienstposten des Saarlandes im Ausland, der vereinbart und eingerichtet
worden war, um den staatlichen Charakter des Saarlandes zu stärken, bis zum 12. 11.
1955. Seiner Abberufung folgte schließlich seine Versetzung als 56jähriger in den Ruhe-
stand.
357 Siehe oben, S. 114 ff.
207
D.
Die Universität des Saarlandes im Spannungsfeld zwischen lokalen
Interessen und europäischer Perspektive
Am 16. Dezember 1950 hielt der Hochschulreferent im Kultusministerium, Dr. Hans
Groh, im Saarländischen Rundfunk eine etwa halbstündige Rede, in der er sich ausführ-
lich mit den Notwendigkeiten und Zielen der neuen Universität des Saarlandes auseinan-
dersetzte. Dabei betonte er nicht nur die Unentbehrlichkeit eines geistigen Zentrums in
unserem Industrielande, sondern auch die erstrebte und erwünschte Stabilisierung saar-
ländischer Staatlichkeit durch diese Institution. Wenn man, so Groh, unsere Eigenstaat-
lichkeit bejaht und man anerkennt, daß Bildung Pflicht ist..., dann muß das auch in den
Bildungseinrichtungen des Saarlandes zum Ausdruck kommen ... Die 22 Höheren
Schulen des Saarlandes beweisen einen Drang des Saarvolkes nach höherer Bildung, der
nicht mit der Reifeprüfung abgestoppt werden sollte. Die Universität als Krönung des ge-
samten Bildungswesens wird damit, wenn sie finanziell tragbar ist, zur unabdingbaren
ForderungL Die neue Hochschule solle dennoch, so Groh weiter, keine Landesuniversität
werden. Wir wollen den Landesrahmen auf dem Gebiet des Bildungswesens bewußt
sprengen im Sinne eines föderativen Europas2. Diese Bekundung verband Groh mit der
Notwendigkeit einer gezielten Begabtenförderung der Arbeiter- und Bauernjugend; denn
Europa kann es sich nicht leisten, in seinem gegenwärtigen Kampf um Sein oder Nichtsein
tausende junger Intelligenzen brach liegen zu lassen, nur weil die Finanzierung eines
Hochschulstudiums für breite Arbeiter- und Bauernschichten unmöglich ist3.
Das hier von Groh beschworene Ziel einer wahren Volksuniversität4 war mit ähnlichen
ideellen Begründungen auch in den Regierungsparteien von CVP und SPS populär.
Gleichwohl wurden Grohs reformpolitische Ankündigungen nicht nur von dem Wunsch
nach saarländischer oder europäischer Selbstverwirklichung diktiert, sondern auch und
vielleicht sogar vorrangig von der Erkenntnis, daß eine Universität an der Saar nur dann
lebensfähig sein konnte, wenn es durch bildungspolitische Fördermaßnahmen gelang, das
Handikap einer im Saarland relativ schwach ausgebildeten bürgerlichen Schicht zu über-
winden, die die Kosten und Anforderungen eines akademischen Studiums um ihrer so-
zialen Vorzugsstellung willen nicht scheute. Wenn Groh darum in seiner Rundfunkrede
mit den ungewöhnlich niedrigen Studienkosten der Saaruniversität warb5 und diesen Vor-
! Zitiert nach dem Manuskript des Beitrages, S. 3. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hoch-
schulen, V/V 1 - UIS -1 e
2 Ebenda, S. 5.
3 Ebenda, S. 5.
4 So die Saarbrücker Zeitung vom 19. 10. 1955 in einem propagandistisch aufgemachten Artikel
über die Saaruniversität.
5 Die Studiengebühren der Universität des Saarlandes beliefen sich im Studienjahr 1950/51 auf
rund 2 000 ffrs (= 24,50 DM) jährlich, ln der Bundesrepublik betrugen sie zum gleichen Zeit-
punkt etwa 360,00 DM. Das Wohnen in den drei Studentenheimen {1955 = 536 Betten) und die
Verpflegung in der Mensa kosteten insgesamt nur rund 5 500 ffrs (= 67,50 DM) monatlich. In
diesem Zusammenhang sei auch die Großzügigkeit der saarländischen Regierung bei der Ver-
gabe von Stipendien erwähnt. Sie erteilte z. B. im Studienjahr 1949/1950 384 Stipendien in Höhe
von insgesamt 159 100 000 ffrs (= 190 920 DM). Vergeben wurden sie an 67 Studierende in
Deutschland, 109 an Studierende in Frankreich und 108 an Studierende im Saarland. Nach Saar-
ländische Volkszeitung vom 5. 1. 1951.
208
teil zurecht als ein einziges großes Stipendiensystem bezeichnete6, so stand da nicht nur
der energische Wille zu einem Wandel in der gesellschaftlichen Herkunft des akademi-
schen Nachwuchses Pate, sondern auch die Überlegung, die für die Universität des Saar-
landes existenznotwendigen Studentenzahlen durch ein gesteigertes Interesse breiterer
Bevölkerungskreise an einem akademischen Studium zu gewinnen. Der Erfolg der Begab-
tenförderung belegt die Statistik. Von den 1 117 Studenten der Saarbrücker Universität
im Studienjahr 1950/51 kamen rund 700 aus Arbeiter- und Bauernfamilien. Der hier
sichtbar werdende Strukturwandel einer Studentenschaft ist sicherlich als bemerkens-
wertes Faktum in die bildungspolitische Leistungsbilanz des Saarlandes nach 1945 einzu-
ordnen. Sein Ausmaß erkennt man erst recht, wenn man die Studentenstatistik von Saar-
brücken mit derjenigen von Heidelberg vergleicht. An dieser traditionsreichen Universität
waren im Wintersemester 1949/50 4 363 Studenten eingeschrieben. Von diesen kamen
nur rund 200 aus dem Arbeitermilieu7. Tatsächlich ist die „kleinbürgerliche“ Prägung der
Saarbrücker Studentenschaft von Anfang an ein Charakteristikum der neuen Universität
gewesen8 und zweifelsohne deswegen ein bemerkenswerter bildungspolitischer Reform-
erfolg, weil er ohne Abstriche am überlieferten Leistungsprinzip des Gymnasiums als vor-
bereitende Anstalt auf akademische Bildungslaufbahnen erreicht wurde.
Diese Aktiva einer ökonomisch und reformistisch begründeten Bildungspolitik standen
jedoch, ebenso wie die Forderung Grohs nach einer Vervollständigung des Bildungs-
systems um der saarländischen Autonomie willen, in einem gewissen Gegensatz zu der von
ihm propagierten europäischen Zielrichtung der neuen Universität, da eine solche Inten-
tion wohl kaum dominierend von lokalen Interessen bestimmt sein durfte, sondern vor-
rangig von der Suche nach Verständigung durch ein weltoffen organisiertes und geprägtes
Universitätsleben. Bis zum Jahre 1955 ist es, wie später noch nachzuweisen sein wird, der
saarländischen Bildungspolitik nicht gelungen, die Saaruniversität aus der nur schwer zu
überbrückenden Diskrepanz zwischen saarländischer Interessenlage und europäischer
Dimension herauszuführen. Schon in seiner Rundfunkrede vom Dezember 1950 konnte
Groh im Zusammenhang mit den Staatsprüfungen dem bald aufkommenden Zwiespalt
in der saarländischen Hochschulpolitik kaum ausweichen, als er davon sprach, daß die
zum Staatsdienst gleich welcher Art berechtigenden Examina nur an der saarländischen
Hochschule abzulegen seien. Wir sind bereit, so Groh weiter, für die Einheit des europäi-
schen Bildungssystems jedes Opfer zu bringen, glauben aber nicht, daß die Vereinheitli-
chung sich jemals auf die Staatsexamina erstrecken wird9. Die sich hier im Zusammen-
hang mit der Universitätsgeschichte erneut ankündigende Gratwanderung der saarländi-
6 Manuskript, siehe Anm. 1 auf S. 208.
Nach Angaben von Groh in seiner Rundfunkrede vom 16. 12. 1950 (Quellennachweis in Anm.
1 auf S. 208) in Verbindung mit dem Statistischen Handbuch (Saarland 1952), S. 217.
* Nach einer statistischen Mitteilung der Universität des Saarlandes vom 12. 12. 1955 kamen im
Studienjahr 1955/56 von den 1 749 eingeschriebenen Studenten 217 Studierende aus Arbeiterfa-
milien und 399 aus Familien, deren Väter zur Kategorie der mittleren Einkommensempfänger
(oberste Grenze: Kaufmännischer Angestellter) zu rechnen ist. Das entsprach einem Prozentsatz
von 35,2 % (217 + 399 = 616/1 749). Dieser Wert hebt sich von den Angaben Grohs erheblich
ab und zwar deswegen, weil in der Statistik des Jahres 1955 keine Angaben über Studenten aus
der bäuerlichen Welt ausgewiesen sind. In der Bundesrepublik betrug der Anteil der Studenten
aus Arbeiterfamilien Mitte der 50er Jahre nur 4,4 %. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hoch-
schulen, UIS Bibliothek.
4 Zitiert nach der Rundfunkrede Grohs vom 16.12.1950 (Quellennachweis in Anm. 1 auf S. 208).
209
sehen Politik zwischen Europa und autonomistischer Selbstbehauptung führt dazu, daß
schon in diesem Abschnitt auf die im nächsten Hauptkapitel anstehende Zentralfrage
nach der bildungspolitischen Entwicklung im Rahmen der Auseinandersetzungen um die
Saar nach 1951 einzugehen sein wird. Gleichwohl wird das Hauptaugenmerk dem bemer-
kenswerten Versuch gelten, eine Hochschule zu etablieren, die insbesondere zur Erfüllung
folgender Aufgaben beitragen sollte: der bildungsökonomischen Abstützung für das
Saarland, dem wissenschaftlich-kulturellen Austausch zwischen dem Saarland und
Frankreich und der Verständigung der westeuropäischen Völker. Bereits die geschriebene
Verfassung der Universität wird zeigen, daß Europa in dieser Konstellation nur eine unter-
geordnete Rolle spielte.
1. Verfassung und Verwaltungsorgane der Universität
Laut Artikel 13 des Statuts der Universität des Saarlandes vom 3. April 195010 11 hatte die
Universität des Saarlandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit finanzieller Auto-
nomie'' folgende Organe: den Verwaltungsrat, den Rektor und Prorektor, den General-
sekretär als Chef der Universitätsverwaltung und den Universitätsrat. Von diesen Gre-
mien war, darauf hatte man sich schon im Jahre 1948 bei den Gründungsverhandlungen
im Quai d’Orsay geeinigt12, der paritätisch aus Saarländern und Franzosen zusammenge-
setzte Verwaltungsrat das eindeutig Bestimmende. Ausgehend von der Formel des Arti-
kels 14, daß der Verwaltungsrat die Leitung der Universität auszuüben habe, war er näm-
lich grundsätzlich und weitgehend kompetent für alle Personal- und Haushaltsangelegen-
heiten, für Satzungen, für die Organisation von Forschung und Lehre sowie für alle Beru-
fungen, Abberufungen, Beförderungen und Ernennungen von Mitgliedern des Lehrkör-
pers.
Für die Ämter des Rektors und Prorektors, die in Absprache durch die Regierungen in
Paris und Saarbrücken vergeben wurden, hatte der Verwaltungsrat lediglich ein Vor-
schlagsrecht. Bei Berufungen bedurfte es der Zustimmung des saarländischen Kultusmini-
sters und eines qualifizierten französischen Mitglieds des Verwaltungsrats, bei der Wahl
der Dekane und Prodekane hatten die Fakultäten ein Vorschlagsrecht13.
Die fast absolute Dominanz des Verwaltungsrates wäre durchaus mit dem im Artikel 6
des Statuts bejahten Gedanken akademischer Selbstverwaltung zu vereinbaren gewesen,
wenn es sich um ein aus der Universität hervorgegangenes kollegiales Gremium gehandelt
hätte. Dies war aber, wie erinnerlich,14 nicht der Fall. Seine 16 respektive mit dem Vorsit-
zenden 17 ordentlichen Mitglieder kamen ausschließlich aus behördlichen Bereichen des
Saarlandes und Frankreichs, aus Kreisen der Wirtschaft sowie, soweit es sich um saarlän-
10 Veröffentlicht im Amtlichen Schulblatt für das Saarland Nr. 15 vom 5. 8. 1950, S. 27 — 32.
11 Artikel 1 des Universitätsstatuts.
12 Vgl. oben, S. 125 f.
13 Vgl. hierzu im einzelnen die Artikel 14 bis 29, 56 und 68 des Universitätsstatuts.
14 Vgl. oben, S. 125 f.
210
dische Mitglieder handelte, aus dem saarländischen Landtag15. Die von Pierre Woelfflin
getroffene Feststellung, der Verwaltungsrat sei praktisch ein kleines Ministerium16 ge-
wesen, ist sicherlich eine zutreffende Charakterisierung dieser zum Teil mit Spitzenpoliti-
kern und hohen Verwaltungsbeamten besetzten Körperschaft und zugleich ein Hinweis
darauf, daß sie faktisch ein verlängerter Arm der Regierungen in Saarbrücken und Paris
war. Woelfflin, der als Leiter der Kulturabteilung des Hohen Kommissariats bzw. der
Mission Diplomatique bis zum Jahre 1956 geborenes Mitglied des Verwaltungsrates war,
kennzeichnet diese Einrichtung außerdem als ein saarländisches Unikum, für das es weder
in Deutschland noch in Frankreich ein Vorbild gegeben habe17. Er hätte gleich hinzufügen
können, daß diese gemeinsame Instanz etabliert werden mußte, damit der saarländischen
und französischen Administration eine notwendige institutionelle Koordinierungsstelle
für ihre hochschulpolitische Aufgabe zur Verfügung stand. Diese Schlußfolgerung unter-
streicht freilich a priori erneut, daß die Universität des Saarlandes von ihrer geschriebenen
Verfassung her nur wenig mit der deutschen Tradition einer akademischen Selbstverwal-
tung gemeinsam hatte, sondern eindeutig dem rigiden und auf Uniformität hin angelegten
präfektoralen Prinzip der französischen Hochschulverwaltung zuneigte.
Wenn man dennoch der Auffassung Woelfflins zustimmen kann, daß die Verfassung der
Saaruniversität eine Synthese aus französischen und deutschen Universitätstraditionen
15 Im Jahre 1950 gehörten von saarländischer Seite folgende Vertreter dem Verwaltungsrat an: Dr.
Fritz Allmers (Oberregierungsrat im Arbeitsministerium), Luitwin von Boch-Galhau (Generaldi-
rektor der Firma Villeroy & Boch, Mettlach), Angelika Braun (SPS-Abgeordnete des Saarländi-
schen Landtags), Dr. Hans Groh (Oberregierungsrat im Kultusministerium), Erwin Müller
(CVP-Abgeordneter des Saarländischen Landtags), Walter Purvin (Oberregierungsrat im Mini-
sterium für Finanzen und Forsten), Dr. Bernhard Riegler (Vorsitzender der Anwaltskammer des
Saarlandes), Willi Weiten (CVP-Abgeordneter des Saarländischen Landtags). Für jeden dieser
ordentlichen Mitglieder war ein persönlicher Vertreter benannt. Bis zum Jahre 1953, als die
Amtszeit des ersten Verwaltungsrates zuende ging, kam es zu folgenden Veränderungen: Im Juli
1950 löste Oberregierungsrat Paul Leistenschneider (Ministerium für Finanzen und Forsten)
Walter Purvin ab. Am 15. April 1951 rückte der soeben als Kultusminister entlassene Dr. Emil
Straus für Erwin Müller ein, und am 1.4. 1952 kam der im ersten Kabinett Hoffmann tätig ge-
wesene Wirtschaftsminister Dr. Franz Singer für den verstorbenen CVP-Abgeordneten Willi
Weiten in den Verwaltungsrat. Im Laufe des Frühjahrs 1953 löste der SPS-Abgeordnete Ernst
Kunkel seine Fraktionskollegin Braun ab. Der seit dem 1. Juli 1953 amtierende Verwaltungsrat
hatte von saarländischer Seite folgende Mitglieder: Allmers, von Boch-Galhau, Groh, Kunkel,
Leistenschneider, Riegler und Straus. Für den am 22. 7.1953 verstorbenen Franz Singer kam der
Landtagsabgeordnete und Generalsekretär der CVP, Emil Lehnen, in das wichtigste Gremium
der Universität.
Die französische Seite benannte für den Verwaltungsrat der Periode 1950 bis 1953 folgende Ver-
treter: P. Bouffanais (Mitarbeiter im Hohen Kommissariat bzw. der Mission Diplomatique),
Pierre Couture (Generaldirektor der Regie des Mines de la Sarre), Louis Joxe (Generaldirektor
der Abteilung für kulturelle Beziehungen im französischen Außenministerium), L. Juliot de la
Morandiere (Dekan der juristischen Fakultät der Pariser Sorbonne), F. de Liencourt (Gesandt-
schaftssekretär im französischen Außenministerium), Jean Robert (Leiter der Finanz- und Wirt-
schaftsabteilung im Hohen Kommissariat bzw. der Mission Diplomatique), L. Rolland (Perso-
nalchef in der Generaldirektion für das höhere Unterrichtswesen im französischen Erziehungs-
ministerium) und Pierre Woelfflin (Direktor der Kulturabteilung im Hohen Kommissariat bzw.
der Mission Diplomatique). Für den 2. Verwaltungsrat erneuerte sich das Mandat für die Herren
Couture, de la Morandiere, Robert und Woelfflin. Als neue ständige Mitglieder wurden ernannt:
J. Baillou (Kulturabteilung des französischen Außenministeriums), Tanguy de Courson de la Vil-
leneuve (Leiter der Unterdirektion Saar im Quai d’Orsay) G. Berger (Leiter der Generaldirektion
für das höhere Unterrichtswesen im französischen Erziehungsministerium), P. Gauthier (Erster
Rat in der Mission Diplomatique). Auch die französischen Mitglieder des Verwaltungsrates
hatten jeweils einen persönlichen Vertreter.
16 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
17 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
211
darstellte, die ergänzt wurde durch die saarländische Besonderheit des Verwaltungs-
ratesn, so liegt das vor allem daran, daß das Amt des Rektors zwar ähnlich wie in Frank-
reich administrativ vergeben wurde, wobei, wie bereits dargelegt, der Verwaltungsrat und
die Kultusministerien in Saarbrücken und Paris beteiligt waren, seine Aufgaben aber an-
gesichts der Kontinuität des öffentlichen Bildungslebens im Geist deutscher Überliefe-
rungen anders definiert werden mußte als in Frankreich. Dort fungiert der Rektor einer
Universität bekanntlich als Grand-Maître de l’université nicht nur als Leiter einer akade-
mischen Institution, sondern auch und insbesondere als oberster Aufsichtsbeamter über
das gesamte Schulwesen eines sogenannten akademischen Distrikts. Diese Inspektions-
aufgabe fiel im Saarland völlig weg. Aufsicht und Verwaltung des saarländischen Schul-
wesens blieben im Sinne der zugestandenen Kulturautonomie in der alleinigen Zuständig-
keit des saarländischen Kultusministeriums. Der Rektor der Saarbrücker Universität kon-
zentrierte sich wie in Deutschland gänzlich auf seine Aufgabe als Repräsentant und ge-
schäftsführender Leiter seiner Hochschule. Er war zwar für sein Amt nicht, wie es die
deutsche Tradition akademischer Selbstverwaltung verlangt, kollegial legitimiert, son-
dern mußte es, wie bereits dargelegt, im Auftrag des Verwaltungsrates ausüben. Da dieser
aber in der Regel nur dreimal im Jahr tagte, konnte er ungeachtet der umfangreichen
Kompetenzen dieses administrativ geprägten Aufsichts- und Entscheidungsorgans den-
noch einen bemerkenswerten Handlungsfreiraum gewinnen und für sich in Anspruch
nehmen18 19. Als gesetzlicher Vertreter der Universität war nur er zeichnungsberechtigt, er
war Vorgesetzter aller Mitglieder des Lehrkörpers und des nichtwissenschaftlichen Perso-
nals, ihm oblag die Aufsichtspflicht in der Haushaltsführung, und er war „von Amts
wegen“ in der Regel Vorsitzender aller akademischer Gremien und der Sozialeinrich-
tungen.
Einziges ständiges Kontrollorgan des Rektors war der sogenannte Direktionsausschuß,
den der Verwaltungsrat aus seiner Mitte bestellte. Er rekrutierte sich laut Statut aus zwei
französischen und zwei saarländischen Mitgliedern. Während die französischen Vertreter
schon aus technischen Gründen aus dem Bereich des Hohen Kommissariats bzw. der Mis-
sion Diplomatique bestellt wurden, war für die saarländische Seite die Abordnung je eines
Vertreters aus dem Kultus- bzw. dem Finanzministerium verbindlich vorgeschrieben. Den
Vorsitz im Direktionsausschuß führte, allerdings ohne Stimmrecht, der Rektor20.
Verwaltungsrat, Direktionsausschuß und Rektor, die wie alle Verfassungsorgane der
Universität für eine dreijährige Amtsperiode bestimmt wurden, stellten sozusagen die le-
gislative und exekutive Gewalt der Saaruniversität dar, alle übrigen Ämter und Körper-
schaften hatten, wenn man einmal von der Position des Prorektors als Vertreter des Rek-
tors und der Funktion des Generalsekretärs als Leiter der Universitätsverwaltung absieht,
nur Befugnisse beratender Natur. Dabei hatte der Universitätsrat, der sich aus Rektor,
Prorektor, den Dekanen und Prodekanen, den Institutsdirektoren und je einem Professor
der Fakultäten zusammensetzte, immerhin ein Vorschlagsrecht für alle Fragen des Lehr-
betriebs und damit auch ein personelles im umfassendsten Sinne. Außerdem durfte er zu
allen Angelegenheiten der Verwaltung und des Universitätshaushaltes Stellung nehmen.
18 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
19 Vgl. hierzu Artikel 30 bis 35 des Universitätsstatuts.
20 Vgl. hierzu Artikel 23 bis 28 des Universitätsstatuts.
212
Eine ähnliche Richtschnur galt auf unterer Ebene auch für die Fakultätsräte und -Ver-
sammlungen, während die studentischen Körperschaften lediglich ein Recht auf Anre-
gungen hatten21.
2. Die Verfassung der Universität in der Praxis
Wenn man die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und die Beziehungen der Universi-
tätsorgane untereinander näher beleuchtet, so stellt man bald fest, daß der Grad akademi-
scher Mitbestimmung an der Saaruniversität im Zeitraum bis 1956 entscheidend davon
abhing, in welcher Weise und in welchem Umfang die gouvernemental instrumentali-
sierten Gremien von Verwaltungsrat, Direktionsausschuß und Rektorat das Vorschlags-
recht des Universitätsrates zu berücksichtigen bereit waren, oder anders gefragt: in wel-
cher Stärke hat sich der kollegial strukturierte Universitätsrat mit seinem Beratungs- und
Mitspracherecht praktisch in Szene setzen können? Nach den übereinstimmenden Aus-
sagen von Straus und Woelfflin ist der Verwaltungsrat sowohl in seinen Haushalts- als
auch in seinen Personalentscheidungen den Vorschlägen aus dem Universitätsrat, die ihm
durch den Rektor übermittelt wurden, in der Regel weit entgegengekommen22. Diese Be-
zeugungen lassen sich nicht nur anhand der Sitzungsprotokolle des Verwaltungsrates be-
legen23, sondern auch durch die Tatsache, daß die oft aus nationalem Paritätsdenken ge-
borenen Reibereien um Personalvorschläge im Universitätsrat wesentlich stärker spürbar
waren als im Verwaltungsrat.
Die Kulanz des Verwaltungsrates stand natürlich auch in engem Zusammenhang mit der
günstigen Haushaltslage der Universität. Für das Jahr 1955 erreichte der ordentliche Etat
ein Volumen von rund 718 Millionen ffrs (= 8,6 Millionen DM) und im außerordentli-
chen Haushalt ein solches von rund 290 Millionen ffrs (= 3,5 Millionen DM)24. Damit
vermehrte es sich ingesamt gegenüber dem Rechnungsjahr 1949 fast um das Dreifache.
Der Anteil der französischen und der saarländischen Regierung am ordentlichen Haus-
halt belief sich dabei auf jeweils 278 Millionen ffrs (= 3,34 Millionen DM)25. Mit ihren
Gesamteinnahmen von 1 008 Millionen ffrs (= 12,1 Millionen DM) erreichte die Saar-
universität einen Etat, um den sie manche Universität vergleichbarer Größe in Frankreich
und Deutschland auch dann noch beneidet hätte, wenn man hinreichend die Mehraus-
gaben einer sich im Aufbau befindlichen Hochschule berücksichtigt. Die günstige Haus-
haltslage dokumentiert sich nicht zuletzt in den nicht ausgegebenen Restsummen, die der
Verwaltungsrat als Rücklage jeweils auf das folgende Rechnungsjahr zu übertragen
hatte26. Sie erreichten für das Geschäftsjahr 1953 sogar eine solche Höhe, daß Straus im
21 Vgl. dazu die Artikel 36 ff. des Universitätsstatuts in Verbindung mit den Ausführungen von W.
Veauthier, S. 246 und S. 256 ff. sowie I. Spangenberg, S. 37 ff.
22 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976 und E. Straus vom 25. 11. 1976.
23 Vgl. dazu im einzelnen die Aufzeichnungen der Jahre 1950 bis 1956. LA Saarbrücken, Bestand
KM, Abt. Hochschulen, UIS - Verwaltungsrat 1950 — 1956.
24 Kurs vom 15. 1. 1952 bis 11. 8. 1957.
25 Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates vom 19.7.1954. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS Universitätsrat und Verwaltungsrat 1954 - 1955.
16 Bekannt sind die Überschüsse bis zum Jahre 1952. Sie betrugen für das Haushaltsjahr 1948 7,3
Mill. ffrs, für 1949 51 Mill. ffrs, für 1950 23 Mill. ffrs, für 1951 162 Mill. ffrs und für 1952 103
Mill. ffrs. Amtlicher Prüfbericht der Generalfinanzkontrolle des Saarlandes betreffend Univer-
sität des Saarlandes vom 25. 8. 1953. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/UIS
— 39 -.
213
Verwaltungsrat besorgt fragte, ob man nicht durch die erheblichen Überbeträge Gefahr
laufe, daß die Zuschüsse des nächsten Jahres (der saarländischen und französischen Re-
gierung) herabgesetzt werden17.
Der vorteilhafte Einfluß des Faktors haushaltspolitische Liquidität zugunsten akademi-
scher Mitbestimmung wurde indes noch übertroffen durch das Wirken zweier Männer,
deren Namen mit der Entwicklungsgeschichte der Universität des Saarlandes unbedingt
genannt werden sollten: Pierre Donzelot, der aus Nancy kommende Pharmazie-Professor
und langjährige Rektor der dortigen Universität, der den Vorsitz des Verwaltungsrates bis
1954 innehatte, und Joseph François Angelloz, der französische Rektor der Saaruniver-
sität von 1950 bis 1956. Daß die Spitzenämter der jungen Universität durch Franzosen re-
präsentiert waren und nicht, wie es der Artikel 12 des Kulturabkommens für den Verwal-
tungsratsvorsitz direkt und für das Amt des Rektors nach Ablauf von 5 Jahren vom Tag
der Unterzeichnung des Vertrages (15. 12. 1948) an fakultativ zuließ, durch zumindest
einen Saarländer, hatte natürlich vorrangig politische Gründe. Eine Rolle spielte aber
auch die Tatsache, daß dem Saarland als Universitätsneuland, wie Woelfflin es formu-
lierte, noch keine geeigneten Persönlichkeiten für eine solche Aufgabe zur Verfügung
standen. Hinzu kam, so Woelfflin gegenüber dem Verfasser, daß ein Franzose im Amt des
Rektors eine bessere Voraussetzung für finanzielle und personelle Unterstützungen aus
Frankreich war. Sie müssen nämlich wissen, daß die französische Regierung in der Bereit-
stellung von Geldmitteln oft Schwierigkeiten machte, insbesondere wenn es um den Kul-
turbereich ging1*. Die von Woelfflin ins Feld geführten Vorzüge eines französischen Rek-
torats für die noch im Aufbau.befindliche Universität scheint auch die saarländische Seite
schnell erkannt zu haben; denn sie verzichtete sehr bald auf die von ihr nach dem Abgang
des Gründungsrektors Barriol favorisierte Nachfolge von Professor Eugen Meyer27 28 29. Ähn-
lich gelagert waren die Motive bei der Vergabe des Vorsitzes im Verwaltungsrat an Don-
zelot. So votierte Groh in seiner Eigenschaft als Hochschulreferent im saarländischen Kul-
tusministerium im Vorfeld der Entscheidungen über die personelle Zusammensetzung des
Verwaltungsrates für die Periode 1953 bis 1956 nachdrücklich für eine erneute Kandi-
datur des bisherigen Vorsitzenden Donzelot. Es sei, so Groh, einfach verfrüht, jetzt schon
einem Saarländer den Vorsitz anzuvertrauen. Herr Donzelot ist durch seine derzeitige Tä-
tigkeit in der Lage, der Universität des Saarlandes erhebliche Hilfe zufließen zu lassen. Da
Herr Donzelot in der internationalen wissenschaftlichen Welt ein hohes Ansehen genießt,
ist er als Vorsitzender des Verwaltungsrates zweifellos besser geeignet als irgendein in
Frage kommender Saarländer30. Donzelot, der als Freund Grandvals schon bei der Grün-
dung der neuen Hochschule eine Rolle gespielt hatte31, war im Jahre 1950 zum General-
direktor für das höhere Lehrwesen im französischen Erziehungsministerium berufen
worden. In dieser Position hat er in der Tat für die junge Saaruniversität in Frankreich
27 Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates vom 23.5.1952. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS Verwaltungsrat 1952.
28 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
29 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. Im Kulturabkommen war die Möglichkeit eines saar-
ländischen Rektorats zu so einem frühen Zeitpunkt nicht vorgesehen.
30 Aktenvermerk Grohs über den Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes vom 13. 3. 1953.
LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Universitätsrat und Verwaltungsrat 1954
-1955.
31 Siehe oben, S. 119.
214
werben und auch erfolgreich personelle und materielle Unterstützung für sie organisieren
können. Darüber hinaus trug seine auf Ausgleich angelegte Wesensart erheblich dazu bei,
daß der Verwaltungsrat, der nicht nur von seiner verfassungsrechtlichen Auftragsbestim-
mung her, sondern auch wegen seiner Besetzung mit profilierten Politikern und Verwal-
tungsbeamten ein starkes Gewicht hatte32, die aus den akademischen Mitbestimmungsor-
ganen der Universität artikulierten Personal- und Finanzwünsche hinreichend gewürdigt
und berücksichtigt hat. Durch das geschmeidige Agieren des Verwaltungsrates wurde das
Wirksamwerden hochschulfremder Interessen auf ein erträgliches Maß beschränkt, so
daß man getrost von einer insgesamt gedeihlichen Atmosphäre akademischen Forschens
und Lehrens an der Saaruniversität bis 1955 sprechen darf. Mit Ablauf des Jahres 1954
hat Donzelot sein Amt als Vorsitzender des Verwaltungsrates aufgeben müssen, weil er
aufgrund seiner Berufung als ständiger Vertreter der französischen Universitäten in den
Vereinigten Staaten zeitlich derart in Anspruch genommen wurde, daß er für Saarbrücken
nur noch schwer abkömmlich war. Nachfolger Donzelots wurde nach einer Absprache
zwischen der saarländischen Regierung und Grandval der inzwischen zum saarländischen
Gesandten in Paris ernannte Emil Straus33, der allerdings in dieser Funktion bis zum Ok-
tober 1955 nur zweimal auftreten konnte.
Da der Verwaltungsrat in der Regel nur dreimal im Jahr tagte, entwickelte sich sein Exe-
kutivorgan, der Direktionsausschuß, zwangsläufig zu einem Machtzentrum, das es ei-
gentlich nach der Hochschulverfassung nicht sein durfte34. Auch darin lag, so überra-
schend diese Mitteilung auch im Augenblick klingen mag, ein wichtiges Moment für den
relativ hohen Grad an akademischer Selbstverwirklichung. Der Grund ist vor allem darin
zu sehen, daß es dem Vertreter des saarländischen Kultusministeriums, Hans Groh, ge-
lang, hier eine dominierende Rolle zu übernehmen35. Groh war aber auch der Mann, der
im Laufe der Jahre personalpolitisch immer enger mit den Fakultäten paktierte. Faktisch
wurde damit eine Berufungspraxis Usus, wie sie auch an deutschen Universitäten üblich
war36. Daß dieses Einvernehmen durch restriktive kulturpolitische Maßnahmen der Bun-
desrepublik zusätzlich Auftrieb erhielt, sei hier nur angemerkt, da auf diese Thematik
später noch näher eingegangen werden soll.
Neben dem Direktionsausschuß profitierte auch, wie oben bereits angedeutet, das Rek-
torat von der „Universitätsferne“ des Verwaltungsrates. Dennoch konnte man nicht er-
warten, daß sich das Amt des Rektors unbedingt zu einer ebenbürtigen Instanz neben dem
Verwaltungsrat etablieren würde. Daß es dazu aber doch kam, dafür war wohl die
32 Vgl. dazu Anm. 15 auf S. 211.
33 Vgl. dazu den Durchschlag eines von Groh Unterzeichneten Schreibens an Grandval vom 12. 2.
1954. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Universitätsrat und Verwal-
tungsrat 1954 — 1955.
34 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
35 Langjährige Mitglieder des Direktionsausschusses waren über den Genannten hinaus P. Leisten-
schneider vom Finanzministerium sowie Mademoiselle Laumont (Finanzreferentin) und Fran-
çois Leger (Kultusabteilung) von der Mission Diplomatique. Seitens der Hochschule kam neben
dem Rektor noch der Prorektor Gottfried Koller dazu. Vorübergehend engagiert im Direktions-
ausschuß waren P. Woelfflin und Schang von der Mission Diplomatique.
36 Ausgenommen davon blieben lediglich die französischen Professoren, die von der Regierung in
Paris an die Saaruniversität befristet abgeordnet wurden. Ihre Ernennung erfolgte dann durch
den Verwaltungsrat, der vor einer Abordnung seine Zustimmung zu erteilen hatte. Vom Jahre
1953 an gingen die Personalvorschläge für die französischen Professoren ebenfalls von den Fa-
kultäten aus.
215
stärkste Persönlichkeit verantwortlich, die das Saarbrücker Universitätsleben bis zum
Jahre 1956 erlebte, nämlich Joseph François Angelioz. Es war schon in vielfacher Hinsicht
eine glückliche Fügung, daß Angelioz im Jahre 1950 nach Saarbrücken kam37. Er war da-
mals 57 Jahre alt und als französischer Germanist wissenschaftlich ebenso hervorragend
ausgewiesen wie als Verwaltungsmann. Geboren und aufgewachsen im Savoyischen, war
er nach Studien in Annecy, Lyon und Leipzig 1920 Deutschlehrer geworden. 1936 war
sein bekanntes Rilkebuch entstanden, das er 1952 neu überarbeitet vorlegte und das 1955
in deutscher Übersetzung erschien. 1943 brachte er eine zweisprachige kommentierte
Ausgabe von Rilkes Duineser Elegien und den Sonetten an Orpheus heraus, und im Jahre
1949 legte er eine Monographie über Goethe vor, die zeigte, daß er auch in der Literatur
der deutschen Klassik zuhause war. Zu seinen zahlreichen Übersetzungsarbeiten gehört
auch die Übertragung von Heinrich Manns Einführung in Nietzsches Werk ins Französi-
sche im Jahre 1938. Populär war Angelioz auch als führender Mitarbeiter der Zeitschrift
„Le Mercure de France“. In ihr informierte er das französische Publikum in regelmäßigen
Beiträgen über die deutsche Literatur der Klassik und der Gegenwart38. Angelioz kam aus
dem normannischen Caen nach Saarbrücken. Dort war er seit 1936 Professor für deut-
sche Literaturgeschichte gewesen. Nebenher hatte er noch das „Germanische Institut“ in
Paris geleitet. Angelioz gehörte zur Minderheit französischer Germanisten, die im Sinne
Robert d’Harcourts auch nach den Erfahrungen mit Hitlerdeutschland bereit waren, die
Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland ohne Ressentiments und im Geist
christlicher Nächstenliebe zu beurteilen. Dazu gehörte angesichts des damals düsteren
Deutschlandbildes in der breiten Öffentlichkeit Frankreichs und dem Hang der französi-
schen Nachkriegsgermanistik, die Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands mit Hilfe
zweifelhafter völkerpsychologischer Herleitungen und deterministischer Denkansätze zu
deuten, viel Mut und Fingerspitzengefühl. Seine wissenschaftlichen Leistungen und si-
cherlich auch seine auf Verständigung angelegte Einstellung gegenüber Deutschland
haben dazu geführt, daß ihm zahlreiche Ehrungen zuteil wurden, deren bedeutendste
ohne Zweifel die „Goethe-Plakette“ der Stadt Frankfurt im Jahre 1951 war39 40, Angelioz
hat sein Amt als Rektor energisch und mit Autorität sowie Konsequenz geführt, ohne
dabei den Charme zu verlieren, der seiner Person eigen war. Man kam mit ihm ausge-
zeichnet zurecht, nur manchmal, da war er etwas kauzigr40, urteilt sein Landsmann
Woelfflin über ihn, womit er als ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrates wohl an-
deuten wollte, daß Angelioz alles andere als ein willfähriger Beauftragter dieses Gre-
miums war.
37 Für das Amt des Rektors hat Donzelot im übrigen zuerst den französischen Germanisten Robert
Minder zu werben versucht. Minder lehnte aber ab, weil er seine Skrupel gegenüber einer von ihm
befürchteten fremdbestimmten Kulturpolitik an der Saar nicht ablegen konnte. R. Minder,
Deutsche Kultur.
38 Biographische Angaben und die Auflistung seiner wissenschaftlichen Leistungen nach Saar-
brücker Zeitung vom 1. 4. 1978, die anläßlich des Todes von Angelioz am 29. 3. 1978 das Leben
und Werk des ersten Rektors der Saaruniversität würdigte, wobei sie nach Angaben der Redak-
tion auf einen Text von André Banuls zurückgriff. Dieser Beitrag geht auch auf den Lebenslauf
und die wissenschaftlichen Arbeiten von Angelioz nach 1956 ein.
39 Vgl. hierzu im einzelnen I. Spangenberg,S. 40 und die dortige Anm. 50.1960 erhielt Angelioz
die Ehrendoktorwürde der Universität des Saarlandes, und 1976 wurde ihm der Peter-Wust-Preis
zugesprochen. Nach Saarbrücker Zeitung vom 1. 4. 1978.
40 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
216
Die Berufung Angelloz zum Rektor der Saaruniversität bedeutete ein Entgegenkommen
an die saarländische Seite und zwar aus zwei Gründen: erstens kam mit ihm ein Mann an
die Spitze dieser wichtigsten öffentlichen Bildungseinrichtung im Saarland, der, wie Span-
genberg es formulierte hat, „eine beglückende Synthese von französischer und deutscher
Kultur und Bildung verkörperte“41 42, und zweitens hatte man mit Angelloz einen politisch
engagierten Wissenschaftler gefunden, der einerseits fest an die Zukunft der Universität
Saarbrücken als europäische Universität glaubte und mit Begeisterung für dieses Ziel zu
kämpfen bereit war42 und der andererseits aber auch verläßlich genug war, um den bil-
dungspolitischen Auftrag der Universität als Studienzentrum für den akademischen
Nachwuchs im Saarland pragmatisch und standhaft zu akzeptieren. Die Begeisterung der
saarländischen Regierung über den von europäischen Idealen erfüllten, germanophilen
und dennoch politisch loyalen Kandidaten Angelloz43 verrät uns eine Mitteilung Schleho-
fers, des Leiters der Präsidialkanzlei, an Straus vom 19. 5. 1950. Dort heißt es, daß die Be-
rufung in jeder Weise begrüßt werden müsse, da Angelloz zweisprachig sei und in
Deutschland eine Reihe von Vorträgen über Goethe und Rilke gehalten habe. Mitgeteilt
wird in diesem Schreiben auch, daß Hoffmann sich ausführlich mit Angelloz unterhalten
habe und erfreut sei, daß Angelloz Jacques Maritain, den Essayisten und damals wohl be-
deutendsten Vertreter des Neuthomismus, der sich als französischer Botschafter im Va-
tikan (1945 — 1948) für eine kirchenpolitische Separation der Saar stark gemacht hatte,
nach Saarbrücken holen wolle, was nach Ansicht des Herrn Ministerpräsidenten der Saar-
brücker Universität einen unerhörten Auftrieb ins Politische gäbe. Daß Angelloz ein
Rektor der Tat sein würde, darauf deutete schließlich die an Straus übermittelte Bitte hin,
daß unbedingt... eine größere Bibliothek zu errichten sei, die der neue Leiter der Univer-
sität persönlich beschaffen und einrichten will. Es sei darum im Nachtragsetat eine ent-
sprechende Summe für die Universität bereitzuhalten, da man beabsichtige, ein Biblio-
theksgebäude und eine Bibliothek zu erstellen44. Angelloz hat, auch wenn Maritain nicht
an die Saar kam, die in ihn gesetzten Erwartungen ohne Zweifel erfüllt, denn mit ihm kam
der hochschulpolitische Erfolg nach Saarbrücken.
In der Zeit seines Rektorats stieg die Zahl der Studenten von 1 117 auf 1 91145, eine sehr
günstige Entwicklung, die in Korrelation zu einer wachsenden Attraktivität der Saaruni-
versität stand, die nicht zuletzt durch ein umfangreiches und erfolgreich abgeschlossenes
Bauprogramm herbeigeführt wurde. Die Bilanz ist imponierend: Bau der Universitätsbi-
bliothek, der Philosophischen Fakultät, eines Studentenwohnheimes und von sechs stu-
dentischen Wohnblocks; Renovierungen und Umgestaltungen von Altbauten, Ausbau
von Instituten und schließlich die rasche Beseitigung des wohl größten Hindernisses für
einen erfolgreichen Studienbetrieb, nämlich den eklatanten Mangel an Bibliothekskapa-
41 I. Spangenberg, S. 40.
42 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
43 Als besonderes Zeichen seiner Verbundenheit mit dem Land an der Saar darf sicherlich die Tat-
sache gesehen werden, daß Angelloz sich als renommierter französischer Germanist wissen-
schaftlich mit Peter Wust (1884-1940), dem gebürtigen Saarländer und katholischen Philoso-
phen, auseinandersetzte, der in der Nachkriegszeit an der Saar hochgeschätzt war. Vgl. hierzu J. -
F. Angelloz, Briefe.
44 Schreiben Schlehofers an Straus vom 19. 5. 1950. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei,
Akten des Ministerpräsidenten Nr. 296.
45 Zahlenwerte nach Statistischem Handbuch (Saarland 1952), S. 217 und Statistischem Hand-
buch (Saarland 1958), S. 58.
217
zitäten. Bis zum Jahre 1956, als Angelloz Saarbrücken verließ, steigerte sich die Zahl der
Bucheinheiten von 8 000 auf nahezu 300 00046. Der erstaunliche Fortschritt im Sächli-
chen sagt freilich noch wenig darüber aus, in weichem Maße die Saaruniversität mit ihren
Fakultäten und Instituten47 ihrem selbst gewählten Ruf als international ausgerichtete
und auf Völkerversöhnung angelegte Bildungsstätte einerseits und ihrem Auftrag als
Hochschule für den akademischen Nachwuchs des Saarstaates andererseits gerecht ge-
worden ist. Diese Fragestellung ist schon deswegen nicht leicht zu beantworten, weil die
aus saarländischen und französischen Interessen geborenen Bildungsanliegen der neuen
Universität allzuoft in einer komplizierten Beziehung zu den im Überschwang der Aufbau-
pläne emphatisch verkündeten Verpflichtungen zum europäischen Gedanken und zur
deutsch-französischen Verständigung standen. Idealismus und Pragmatismus, Begeiste-
rung und Mißtrauen, Interessen und Ressentiments, Wesentliches und Unwesentliches,
Sein oder Schein lagen hier oft eng beieinander, und es fällt auch im Abstand von 30
Jahren nicht immer leicht, im einzelnen Echtes und Unechtes zu identifizieren. Dennoch
gilt es, da es sich hier um ein Geschehen handelt, das wesentliche Erkenntnisse über die
hochschulpolitischen Interessen der Saar, die saarländisch-französischen Kulturbezie-
hungen und die gezielte Tabuisierung der Saaruniversität durch die deutsche Seite liefert,
sich dieser Aufgabe zu stellen. Dabei sollen freilich nicht, wie im Falle einer Universitäts-
geschichte, alle Feinheiten des Hochschullebens analysiert werden. Angebracht ist viel-
mehr eine Konzentration auf Schwerpunkte, die am besten geeignet erscheinen, den ge-
stellten Erkenntniszielen zu dienen, wobei die Entwicklung des Lehrkörpers und ausge-
wählte Beispiele aus der Studien- und Prüfungspraxis besondere Berücksichtigung finden
sollen.
3, Der Lehrkörper
Heinrich Schneider kommt in seinen Memoiren im Rückgriff auf eine Studie von Eduard
Martin aus dem Jahre 1952 zu dem Schluß, daß der Lehrkörper der jungen Universität des
Saarlandes überwiegend französisch und vom Anspruch her als klar unter dem Niveau
einer anerkannten deutschen oder französischen Hochschule zu qualifizieren sei48. Dieses
vernichtende Urteil verwundert deswegen stark, weil Schneider im Juli 1956 als saarlän-
disches Mitglied in den Verwaltungsrat der Universität einrückte und damit eine gute Ge-
legenheit erhielt, sich darüber zu informieren, was die Wochenzeitung „Die Zeit“, unbe-
eindruckt von ihrer sonst sehr kritischen Einstellung gegenüber dem Hoffmann-Regime,
über die personelle Situation in der Juristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
schon im Jahre 1954 positiv zu berichten wußte. Sie schrieb: Die neun deutschen und
sechs ausländischen Professoren mit dem früheren Breslauer Landgerichtsrat Dr. (Ru-
dolf) Bruns als Dekan würde auch dem Lehrkörper jeder anderen Universität zur Zierde
46 Vgl. hierzu im einzelnen Universitätsbibliothek Saarbrücken, Bericht über die Jahre
1973 und 1974 mit einer historischen Einleitung.
47 Zu nennen sind das im Jahre 1948 entstandene Dolmetscher-Institut, das im Jahre 1949 eröffnete
Berufspädagogische Institut, das im Jahre 1951 gegründete Europa-Institut und das im Jahre
1954 ins Leben gerufene Institut für Leibeserziehung.
48 H. Schneider,S. 146. Schneider gibt dort ein Zitat aus der von Martin unter dem Pseudonym
Martin Hoffmeister erstellten Flugschrift „Wer regiert die Saar?“ (Köln 1952) wieder, das
er offensichtlich als Resümee einer persönlichen Stellungnahme gewertet wissen will.
218
gereichen49. Die personalpolitische Situation der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftli-
chen Fakultät hatte sich bis zum Studienjahr 1954/55 in der Tat mehr als günstig entwik-
kelt und bei einem Blick in das Vorlesungsverzeichnis entdeckt man unter den 30 ordent-
lichen und außerordentlichen Professoren Namen bekannter und geschätzter Fachver-
treter wie etwa den des Völker- und Staatsrechtlers Friedrich August von der Heydte oder
den von André Philip, dem französischen Nationalökonom und sozialistischen Politiker.
Beide hatten in Saarbrücken allerdings nur Gastprofessuren. Ansässiger Ordinarius war
dagegen der tüchtige Volkswirtschaftler Paul Senf. Senf wurde im 4. Kabinett Hoffmann
Finanzminister. Nur nebenamtlich engagiert war sein ebenso befähigter Fachkollege
Adolf Blind. Blind blieb neben seiner Lehrtätigkeit Leiter des Statistischen Amtes des Saar-
landes und der Stadt Saarbrücken. Er übernahm von 1955 bis 1957 in verschiedenen Ka-
binetten der saarländischen Landesregierung das Finanzressort und folgte danach einem
Ruf an die Universität Frankfurt am Main. Die zwölf französischen Mitglieder des Lehr-
körpers der Juristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät kamen bis auf wenige Aus-
nahmen als Gastprofessoren aus Nancy nach Saarbrücken. Unter ihnen waren auch die
befähigtsten Rechtsgelehrten, die die dortige Universität hatte: Jean Imbert (Droit ro-
main), François Luchaire (Droit public et constitutionnel), Pierre Voirin (Droit civil fran-
çais et comparé) und Felix Senn (Droit romain et Philosophie du Droit), der sogar längere
Zeit als Dekan der Juristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung
stand. Aber auch jüngere Professoren konnten sich bewähren. Namentlich erwähnt seien
hier der Lehrstuhlinhaber für bürgerliches und römisches Recht, Heinz Hübner, der im
Jahre 1956 Nachfolger von Angelloz im Amt des Rektors wurde, und der Staatsrechtler
Werner Maihofer, der später als liberaler Politiker und Innenminister der Bundesrepublik
Deutschland bekannt geworden ist.
Ein Nachteil der Juristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät waren sicherlich die
vielen „Anleihen“ von anderen Hochschulen in Form von Gastprofessuren. Solche Bela-
stungen waren in den anderen Fakultäten wesentlich weniger spürbar. So hatte die Philo-
sophische Fakultät nur zwei Gastprofessuren. Davon war eine mit dem Nancyer Lingu-
istiker Marcel Cressot im Bereich der Romanistik hervorragend besetzt. Ihm ebenbürtig
waren der als Germanist ebenso wie als Meister-Eckart-Forscher bekannte Josef Quint50
und der Philologe Ernst Zinn, ein vorzüglicher Latinist und Rilke-Forscher. Anerkennung
gefunden hatten auch schon der Philosoph Bela Freiherr von Brandenstein, der Kunsthi-
storiker Adolf J. Schmoll, gen. Eisenwerth, der Musikpädagoge Joseph Müller-Blattau51
und der Mediävist Eugen Meyer, der bereits als Direktor der saarländischen Kultusver-
waltung vorgestellt worden ist. Andere Namen sind erst später bekannt geworden. So der
des Pädagogen Josef Derbolav und der des später so auf tragische Weise ums Leben ge-
kommenen Althistorikers Jacques Moreau52. Namhaft geworden sind auch einige junge
49 Zitiert nach Informationsrundschreiben Nr. 12/54 des Deutschen Saarbundes über die Kultur-
politik im Saarland vom 30. 12. 1954. Bundesarchiv Koblenz, Z Sg. 1.
50 Vgl. oben, S. 127 und die dortige Anm. 340.
51 Müller-Blattau war vom Jahre 1952 an gleichzeitig Direktor des Staatlichen Konservatoriums.
Näheres zur Person siehe oben S. 182 und die dortige Anm. 242.
52 Jacques Moreau ging im Jahre 1960 nach Heidelberg. Er verunglückte am 23. 9. 1961 bei einem
Flugzeugabsturz in der Nähe Ankaras mit sämtlichen Mitgliedern einer wissenschaftlichen Ex-
kursion, die von Heidelberg ausgegangen war, tödlich. Nach J. Vogt, S. 777. Dort findet sich
auch eine Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistungen.
219
französische Wissenschaftler der Philosophischen Fakultät. So der Zeithistoriker Jean
Baptiste Duroselle, ein Amerikaexperte, der heute (1981) an der Sorbonne lehrt, und der
französische Philologe Claude Digeon, gegenwärtig (1981) Professor an der Universität
zu Nizza.
Die Naturwissenschaftliche Fakultät hatte es naturgemäß schwerer, sich personalpoli-
tisch zu profilieren, da für sie ein umfassender und kostspieliger Forschungsapparat nötig
war, den die junge Universität bis 1955 nur teilweise bereitsteilen konnte. Dennoch gelang
es auch hier, mit Jacques-Emiie Dubois einen renommierten Physiker zu gewinnen.
Personell günstiger als die Naturwissenschaftliche Fakultät repräsentierte sich die medizi-
nische. Mit A. M. Jung, einem Schüler Sauerbruchs und Leurichs, hatte man einen sehr
tüchtigen Chirurgen verpflichten können. Stolz war man auch auf den Orthopäden Ru-
dolf Wilhelm, der nach dem Gutachten des bedeutenden Internisten Ludwig Heilmeyer
(Universität Freiburg) auch in Freiburg Hervorragendes geleistet und das beste Andenken
hinterlassen hatte53, ferner auf den Neurologen Klaus Conrad, den Gynäkologen Her-
mann Franken und auf die Physiologen Hans Lullies54 und Robert Stämpfli.
Die Berufungspolitik der jungen Universität Saarbrücken war, vor allem wenn man die
trostlose Ausgangslage der Jahre bis 1950 erwägt55, ohne Zweifel sehr erfolgreich.
Gewiß, es gab, wie Woelfflin heute einräumt, einige Mißgriffe, von denen der Fall des
nicht habilitierten Chirurgen Hector, einem Bruder des Innenministers Edgar Hector,
wohl der spektakulärste gewesen ist56. Sie können jedoch das insgesamt positive Bild eines
durch Solidität und Anspruch getragenen Lehrkörpers nicht trüben. Die Erfolge im Perso-
nalpolitischen sind umso erstaunlicher, wenn man über die Beschwernisse einer Grün-
dungsuniversität hinaus die Schwierigkeiten bedenkt, die der Universität aufgrund der
komplizierten politischen Situation des Saarlandes entgegengeschlagen sind. Selbst aus
Frankreich war es, wie Woelfflin konstatiert, nicht einfach, geeignete Persönlichkeiten für
Saarbrücken zu gewinnen. Angelloz, so Woelfflin weiter, war für uns ein Glücksfall. Ob-
gleich Donzelot aufgrund seiner einflußreichen Stellung als Generaldirektor für das (hö-
here) französische Unterrichtswesen mit der Bereitstellung von Geldmitteln und durch
Werbung französischer Professoren die Entwicklung der Universität Saarbrücken kräftig
unterstützte, war es für uns oft schwer, etablierte Hochschullehrer aus Frankreich für das
Saarland zu gewinnen. Viele sahen das Problem der Sprache, anderen war die besondere
saarpolitische Situation fremd. So kam es, daß in der Regel qualifizierte und zielstrebige
junge französische Wissenschaftler, die oft gerade ihr ’viceprofessorat57 erreicht hatten,
zu uns nach Saarbrücken kamen. Sie wollten hier ihre Voraussetzungen für eine erfolg-
reiche Hochschullaufbahn verbessern58.
Noch diffiziler war die Berufung deutscher Professoren. Dabei muß man beachten, daß
die zwischen dem Saarland und der Bundesrepublik bestehenden politischen, wirtschaft-
lichen und kulturellen Barrieren nicht nur von saarländischer Seite, sondern auch von
53 Gutachten Heümeyers vom 2. 10. 1948, erstellt aufgrund einer Anfrage des saarländischen Kul-
tusministeriums. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/V 1 — UIS - B 3 —.
54 Lullies kam aus Köln nach Saarbrücken. In Köln war er bereits Dekan der Medizinischen Fa-
kultät gewesen.
55 Siehe oben, S. 126 ff.
56 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
57 Entspricht in etwa der deutschen Habilitation.
58 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
220
deutscher Seite aus errichtet wurden. Eines dieser von Deutschland ausgehenden Hinder-
nisse war der automatische Verlust aller erworbenen Beamtenrechte für diejenigen Hoch-
schullehrer, die sich an die Saaruniversität berufen ließen. Entschiedenster Verfechter
dieser wie eine hochschulpolitische Sanktion wirkenden Abschreckungsmaßnahme war
der konsequent aus nationalen Motiven um die abtrünnige Saar besorgte Bundesminister
für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser. Obwohl von Adenauer immer wieder ermahnt,
die kulturellen Beziehungen zu pflegen und zu versuchen, die Saar möglichst politisch und
auch wirtschaftlich von Frankreich freizumachen59, setzte er unbeirrt und mit Vehemenz
seinen personalpolitischen Isolierungskurs gegenüber einer Institution fort, die in seinen
Augen zu den gefährlichsten Werkzeugen zu rechnen war, mit denen man den Deutschen
die Saar zu entwinden trachtete. Seine entschiedene Haltung spürt man auch in seiner Ant-
wort an Adenauer, dem er im Bundesvorstand der CDU barsch erklärte, daß sich an der
Saaruniversität Dinge tun, die einfach nicht sein können und nicht sein dürfen60. Kaiser
hat mit seinem personalpolitischen Sperrfeuer wenig Erfolg gehabt, und das lag vor allem
daran, daß die Saaruniversität eben nicht jenen französisierten Charakter hatte, den er an-
genommen hat61 62.
Schon im Jahre 1952 war man sich im Verwaltungsrat der Saaruniversität darüber einig,
die bisherige Praxis befristeter Anstellungsverträge um die Möglichkeit einer Verbeam-
tung von Professoren zu erweitern. Gleichzeitig wollte man ein dazu notwendiges Ruhe-
gehalts- und Emiritierungssystem etablieren, da kein Professor aus Deutschland... unter
Verzicht auf ein Beamtenstatut im eigenen Land gegen einen befristeten Vertrag ins Saar-
land kommen werde. Außerdem, so befürchtete man, würden gute Kräfte nach Deutsch-
land abgezogen, wenn man sie nicht durch lukrative Verträge auf Beamtenbasis binden
würde. Allgemeine Zustimmung fand auch der Standpunkt, daß es unerläßlich sei, Profes-
soren aus Deutschland an die Universität des Saarlandes zu berufen61. Ergebnis dieser
Willensbildung war in den folgenden Jahren eine stetig steigende Verbeamtung von deut-
schen bzw. saarländischen Hochschullehrern, die die saarländische Regierung in Ab-
59 So Adenauer auf der Vorstandssitzung der Bundes-CDU am 26. 1. 1953 in Bonn. Stenographi-
sche Niederschrift, S. 203. Siehe dort auch S. 195. Ähnlich äußerte er sich auch auf der Vor-
standssitzung anläßlich des 5. Bundesparteitages der CDU am 28. 5. 1954 in Köln, Stenographi-
scher Bericht, S. 129 o, S. 130 c und S. 130 f, und auf der Vorstandssitzung der Bundes-CDU am
5. 2.1955 in Bonn, Stenographische Niederschrift, S. 23. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses,
Bonn.
60 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 26. 1.
1953 zu Bonn, S. 200. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
61 Das galt auch und gerade für das Personalpolitische. Bereits im Jahre 1949 (16. 2.) beklagte Mi-
chel Debré in einer vertraulichen Mitteilung an Louis Joxe, dem Generaldirektor der Abteilung
für kulturelle Beziehungen im französischen Außenministerium, daß le nombre des professeurs
allemands a augmenté, d’une manière considérable, ce qui est peut-être nécessaire, mais d’autre
part que la situation, titre et traitement, faite à ces professeurs allemands dépasse tout ce qui est
fait pour les professeurs français. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation,
Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 35.
62 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats vom 30. 6. 1952. Die Zitate gehen auf Äußerungen
Grohs (S. 9) zurück, der den Verbeamtungsantrag für Professoren begründete. Der Verwal-
tungsrat billigte einstimmig das Begehren. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS
Verwaltungsrat 1952.
221
spräche mit dem Verwaltungsrat vornahm63. Im Jahre 1954 verabschiedete der saarländi-
sche Landtag sogar ein besonderes Besoldungsgesetz für Hochschullehrer64. Die Notwen-
digkeit eines beamten- und besoldungspolitischen Wettbewerbs mit der Bundesrepublik
in der Hochschullehrerfrage im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung der Universität
war an der Saar nie umstritten. Kontrovers waren allerdings von Anfang an die Mei-
nungen über die von den beamteten Professoren zu fordernden politischen Garantien.
Schon auf der Verwaltungsratssitzung vom 30. 6. 1952, als man die Verbeamtung der
Hochschullehrer erstmals ausführlich diskutierte, wurde um diese Frage heftig gerungen.
Während Singer und vor allem Straus von auswärtigen Hochschullehrern, wobei sie vor
allem an deutsche gedacht haben werden, unbedingte Loyalität erwarteten und darum
den Erwerb der saarländischen Staatsangehörigkeit und die Vereidigung auf die saarlän-
dische Verfassung zur Bedingung machen wollten, hielten Groh, Allmers und das franzö-
sische Mitglied de Beaumarchais die Dienstordnung der Universität für ein ausreichendes
Verpflichtungsinstrument. De Beaumarchais hielt es sogar für eine Unmöglichkeit, an
einer europäischen Universität Professoren unter Verzicht ihrer Nationalität statutäre
Garantien anzubieten65.
Der Dissens über die von Professoren zu fordernden Loyalitätsbeweise66 führt erneut den
grundlegenden Interessengegensatz vor Augen, den die saarländische Politik im allge-
meinen und die Universität im besonderen auszuhalten hatten, nämlich den Widerspruch
zwischen den gouvernementalpragmatischen Notwendigkeiten einer autonomistisch-se-
paratistischen Politik im Rahmen der Kontrolle einer auswärtigen Macht und den ideali-
stischen Zielsetzungen einer europabegeisterten Zukunftserwartung. Es war ein ständiges
Lavieren zwischen einer ängstlich gehüteten und von der Gunst Frankreichs abhängigen
lokalen Gestaltungshoheit, gegen die selbst die geringste Oppositionsregung nicht ge-
duldet wurde, und einem regionalen Selbstverwirklichungsdrang, der, beseelt von einem
missionarischen Eifer, Motor für eine neue Grundordnung in Europa werden wollte.
Wenn aus diesen Wechselbädern von Kalkül und Illusion auch manche politische Akro-
batik entstanden ist, so darf in Bezug auf die Hochschule hier nochmals deutlich unterstri-
chen werden, daß sie nicht zuletzt wegen des kulturpolitischen Selbstbehauptungswillen
der Saarländer keineswegs die Anstalt eines kulturimperialistischen Romanismus ge-
wesen ist, wie das von Kaiser und seinen Freunden immer wieder apodiktisch behauptet
worden ist. Ebenso sicher ist aber auch, daß die Saaruniversität bis zum Jahre 1955 ihrem
63 Vgl. dazu als Beispiel einen Aktenvermerk vom 30.12.1953, in dem für das Haushaltsjahr 1954
21 Professoren zur Verbeamtung vorgeschlagen werden. Es handelte sich dabei um 4 Saarländer,
13 Deutsche, 2 Schweizer und 2 Belgier. Ausgeklammert von den Verbeamtungsabsichten
blieben also die französischen Professoren, da sie in der Regel von der französischen Regierung
nur abgeordnet wurden. Vgl. auch die Mitteilung der Präsidialkanzlei — Tgb. Nr. G 1105/52 -
vom 4.11.1952 an das Kultusministerium, in der von 12 Beamtenplanstellen für Professoren im
Stellenplan 1952 die Rede ist. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, Universität
ohne weitere Kennzeichnung.
64 Vgl. dazu das Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 19. 2.1954. LA Saarbrücken, Be-
stand KM, Abt. Hochschulen, UIS Verwaltungsrat 1953/54.
65 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 30. 6.1952, S. 9. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS Verwaltungsrat 1952,
66 Die Diskussion hielt bis weit in das Jahr 1954 an. Vgl. hierzu den Entwurf zu einer Vereidigungs-
regelung für ordentliche und außerordentliche Professoren der Universität zu Beamten des Saar-
landes. Verfassungseid und Annahme der saarländischen Staatsbürgerschaft wurden hierin nicht
zur Pflicht gemacht. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS, A, 2 - 3 - 5.
222
Anspruch, eine Hochschule europäischer Offenheit zu sein, nur sehr bedingt gerecht ge-
worden ist, es sei denn, man verengt den Blick für das Europäische allein auf die Begeg-
nung und den Austausch der deutschen mit der französischen Kultur- und Wissenswelt
und umgekehrt, zu der sich die Saaruniversität ja auch verpflichtet fühlte. Ein Blick in die
Statistik belegt diese Feststellung. Im Jahre 1955 hatte die Saaruniversität einschließlich
der Assistenten und Unterrichtsbeauftragten insgesamt 305 Lehrbefugte. Davon waren
218 Saarländer bzw. Deutsche und 61 Franzosen. Das waren rund 91,5 % der Lehrenden.
Nur 26 Lehrberechtigte (= 8,5 %) kamen aus anderen europäischen Ländern, ein Wert,
der auch für deutsche oder französische Universitäten nichts Außergewöhnliches darstellt
und sicherlich niemand dazu animieren würde, sie als Institution europäischen Charak-
ters zu bezeichnen. Eine saarländisch bzw. deutsch-französische Hochschule war die
Saaruniversität aber allemal, doch war sie es nicht in allen Fakultäten gleichermaßen.
Während in der Medizinischen Fakultät von 63 Lehrtätigen nur 5 Franzosen waren, lau-
tete das Verhältnis in der Philosophischen 35 zu 16, in der Naturwissenschaftlichen 50 zu
20 und in der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen 52 zu 1367. Die Präsenz franzö-
sischer Professoren und Assistenten war also in jenen Bereichen der Universität stark, die
von ihrem Bildungsauftrag her für die saarländisch-französische Zusammenarbeit beson-
ders bedeutsam waren, z. B. die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät für
die Ausbildung von spezialisierten Juristen und Kaufleuten mit Blick auf die Wirtschafts-
union oder die Philosophische für die Ausbildung von gymnasialen Französischlehrern.
4. Saarlandorientierte „Europa“-Universität
Die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Internationalität und der wirklichen Exi-
stenz einer Hochschule, die fest in den Bedingungen ihres lokalen Umfeldes eingebunden
blieb, war nicht nur bezüglich des Bildungsauftrags, der Verfassung und des Lehrkörpers
spürbar, sie läßt sich auch aus der Praxis des Universitätslebens mannigfach belegen.
Dabei kann selbst das Europäische Institut als Beispiel herausgegriffen werden, das dem
europabegeisterten Angelloz eine Herzensangelegenheit war und im Jahre 1951 mit
großer Fanfare als Bildungsanstalt für Europa eröffnet worden war68. Selbst hier konnte
man letztlich die saarländisch-französische Enge nicht überwinden. Wenn man das von
Angelloz im November im Rahmen einer Pressekonferenz erläuterte Ziel des Instituts, Be-
amte für den höheren staatlichen Dienst und für den diplomatischen Dienst auszu-
bilden69, auch noch arglos unter einem europäischen Aspekt einordnen kann, so weckt
seine Ankündigung, daß eine solchermaßen ins Auge gefaßte Bildungsaufgabe wegen der
bevorstehenden Europäisierung der Saar notwendig sei, gleichwohl den Verdacht, daß
hier weniger im Interesse des europäischen Gedankens als vielmehr zum Vorteil einer
saarländisch-französischen Auffassung von der Zukunft der Saar als europäisches Terri-
67 Das ergibt zusammen 254 Lehrende. Die zur Gesamtzahl 279 fehlenden 25 Lehrkräfte waren in
den Instituten tätig. Die Statistik über den Lehrkörper veröffentlichte die Universität des Saar-
landes am 28. 11. 1955. Sie befindet sich im LA Saarbrücken, Zeitgeschichtliche Sammlung
Schneider/Becker, B III, 4.
68 Vgl. im einzelnen I. Spangenberg, S. 179, Anm. 51. 1953 gab es ähnliche Hochschulinstitute
in Brügge, Nancy, Straßburg und Turin.
69 Zitiert nach Volksstimme vom 26. 11. 1953.
223
torium gearbeitet werden sollte. Dieser Eindruck wird endgültig, wenn man Angelloz’ Ar-
gument von der notwendigen Existenz des Europäischen Instituts wegen der Ausbildung
künftiger Diplomaten für das Saarland vernimmt, da, so Angelloz, durch die Verabschie-
dung der französisch-saarländischen Staatsverträge... bekanntlich dem Saarland u. a. das
Recht (zusteht), im Ausland diplomatische Vertretungen emzunchten70. Vom europäi-
schen Geist, den Angelloz in seiner Antrittsrede als Rektor am 6. November 1950 be-
schworen hatte, entdeckt man in dieser Ankündigung nur dann etwas, wenn man in der
staatlichen Existenz und in der internationalen Aufwertung der Saar eine wesentliche
Vorbedingung für eine europäische Integration akzeptiert. War das aber echte europäi-
sche Gesinnung? Oder stand hier nicht eher der national motivierte Gedanke vom Gleich-
gewicht zwischen Deutschland und Frankreich Pate, bevor man an Europa denken
wollte? Wie dem auch sei, die examinierten Studenten der Philosophischen oder Juristi-
schen Fakultät der Saaruniversität, die im Europainstitut praktisch wie auf einer Verwal-
tungshochschule speziell für ihre Führungsaufgaben in Verwaltung und Diplomatie vor-
bereitet wurden, sahen sich in erster Linie den Interessen der Saar und kaum dem europäi-
schen Gedanken nähergebracht71. Im übrigen hatte das von Angelloz geleitete Europäi-
sche Institut keine hauptamtlichen Lehrkräfte, seine sechs Mitarbeiter72 kamen als Beauf-
tragte aus der Philosophischen und Juristischen Fakultät. Sie betreuten im Studienjahr
1954/55 insgesamt nur 24 Studierende, das waren ganze 1,5 % aller eingeschriebenen
Studenten der Saaruniversität. Damit war das Europäische Institut trotz mancher propag-
andistischen Fanfare mit Abstand das kleinste73 und offenbar auch das am wenigsten ge-
fragte, weil die Bedeutung der dort zu erwerbenden Berufsberechtigungen wohl doch zu
sehr von der Verwirklichung höchst vager politischer Zukunftshoffnungen abhing.
Wenn man im Zusammenhang mit dem Europäischen Institut immerhin noch einen guten
Willen zugunsten des europäischen Gedankens annehmen darf, so hinterläßt das folgende
Beispiel schon sehr deutlich den Eindruck, daß Europa für die saarländische Hochschul-
politik oft nicht mehr war als eine reine Propagandaangelegenheit. Als das Saarland im
Jahre 1950 gerade assoziiertes Mitglied des Europarates und seiner Organisationen ge-
worden war, beantragte die saarländische Delegation unter der Wortführung des dama-
ligen Kultusministers Emil Straus in der dortigen Kulturkommission die Anerkennung der
Saaruniversität als eine europäische Universität74. Daß die saarländische Seite dabei wohl
kaum selbstlos an eine für die akademische Welt Europas offene Hochschule gedacht
haben kann, sondern eher eine Stärkung ihres staatlichen Renommées im Auge hatte, das
eröffnet uns ein Schreiben, das Straus im Februar 1954 in seiner Eigenschaft als Gesandter
des Saarlandes in Paris empfing. Es beinhaltete eine jener regelmäßigen Berichterstat-
tungen, die er von seinem Intimus und früheren Justitiar im Kultusministerium, dem in-
70 Zitiert nach Volksstimme vom 26. 11. 1953.
71 Vgl. hierzu die Prüfungsordnung der Kandidaten für den diplomatischen und konsularischen
Dienst. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS -1 —. Siehe auch die Liste der Prü-
fungsthemen, o. D., die wahrscheinlich aus dem Jahre 1953 stammt. LA Saarbrücken, Bestand
der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 296.
72 Statistischer Überblick über den Lehrkörper der Saaruniversität vom 28. 11. 1955. LA Saar-
brücken, Zeitgeschichtliche Sammlung Schneider/Becker, B III, 4.
73 Das Dolmetscher-Institut hatte zum gleichen Zeitpunkt 143 und das Berufspädagogische Institut
80 Studenten. Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 261.
74 Vgl, dazu den Bericht der Saarländischen Volkszeitung vom 25. 8. 1950.
224
zwischen zum Senatspräsidenten am Oberlandesgericht Saarbrücken aufgestiegenen Jo-
hann Leo Zarth, erhielt. Dort äußerte sich dieser auch zum Thema Universität. Nach be-
sorgten Anmerkungen über manche zur Gewohnheit werdenden Gebräuche der deut-
schen Universitäten kommt Zarth schließlich in deutlicher Blickwendung auf die Existenz
des Saarlandes als Staat und ohne den Namen Europa überhaupt zu erwähnen zu der War-
nung: Wenn die maßgeblichen Personen hier nicht hellwach sind, dann werden sie bald
in der Universität einen ausgezeichneten und wirkungsvollen Vorposten für die Interessen
sehen, die sich nicht mit den saarländischen Interessen decken75. Natürlich wird man eine
Institution wie die einer Universität niemals in einer unpolitischen Sphäre sehen können
und dürfen, aber das, was ein hochgestellter Richter hier anmahnte, war im Grunde nichts
anderes als die Forderung nach einer umfassenden politischen Kontrolle der jungen Hoch-
schule im Interesse einer umstrittenen staatlichen Existenz. Wenn die Universität in ihrem
Dasein auch nicht überall mit solchen Argusaugen gesehen worden ist, so drängt sich an
dieser Stelle dennoch die Frage auf, ob für die Saaruniversität angesichts der Zwänge, die
für die saarländische Politik von innen und außen spürbar wurden, überhaupt eine
Chance bestand, über ihre Aufgabenstellung als Hochschule für das Saarland und als gei-
stiges Zentrum für die saarländisch-französische Zusammenarbeit hinaus eine Univer-
sität europäischen Zuschnitts zu werden.
Schon die Wirklichkeit des Europäischen Instituts zeigte, daß der junge europäische Ge-
danke der Nachkriegszeit noch viel zu unstet, zu wenig greifbar und zu sehr mit eigensüch-
tigen Interessen verknüpft wurde, um sich in der Praxis konkret durchzusetzen. Aber
nicht nur der Mangel an selbstlosem Denken für Europa hat die Möglichkeiten einer wer-
denden Europahochschule an der Saar be- bzw. verhindert, es waren auch die unmittel-
baren Wachstumsbedingungen selbst, die einen solchen Weg verstellt haben.
Dabei ist hier weniger an umstrittene Einzelfragen der Studien- und Prüfungspraxis ge-
dacht wie etwa das französische Prinzip des Studienjahres, die Ausrichtung der Studien-
und Prüfungsordnung nach dem französischen System der Jahresprüfungen, die Sonder-
heit der propädeutischen Prüfungen nach dem ersten Studienjahr, das Experiment der
deutsch-französischen Zweisprachigkeit und ihre Problematik als gleichberechtigte Lehr-
und Prüfungssprachen76, die vor allem in der Naturwissenschaftlichen Fakultät wegen
fehlender internationaler Fachtermini und mangelnder Sprachkenntnisse einiger Profes-
soren zu großen Schwierigkeiten führte, oder an die sehr problematische Doppelgleisig-
keit des französischen und deutschen Rechts in Forschung und Lehre der Juristischen Fa-
kultät oder gar an Wechselkurs-, Paß- und Zollhindernisse77, sondern vielmehr an den
5 Zarth an Straus vom 17. 2. 1954. Privatakten E. Straus.
76 Vgl. dazu den Bericht der am 19. 7. 1954 vom Verwaltungsrat berufenen Kommission zur Prü-
fung der Zweisprachigkeit. Anlage zum Protokoll über die Verwaltungsratssitzung vom 14. 3.
1955. In ihm wurde auch der Begriff „Zweisprachigkeit“ definiert. Er bedeutete nicht, wie das
in der Literatur immer vermerkt worden ist, zwei absolut gleichberechtigte Sprachen, sondern er
respektierte eindeutig den Vorrang der deutschen Muttersprache gegenüber dem Französischen.
Beide Sprachen waren lediglich offiziell und generell zugelassen. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS Universitätsrat und Verwaltungsrat 1954 - 1955.
Vgl. dazu das Beschwerdeschreiben von Straus an Grandval vom 11. 5.1949, indem ersieh über
die monatelange Zollabfertigung wissenschaftlicher Bücher für die Universität beschwert. Solche
Vorkommnisse haben sich später in dieser Stärke nicht wiederholt, aber dennoch machte der
französische Zoll in ähnlich gelagerten Fällen immer wieder Schwierigkeiten. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medizinische Fakultät.
225
Wechselbezug zwischen den politischen Handlungsspielräumen des Saarlandes und den
Entwicklungsmöglichkeiten einer europäischen Saaruniversität überhaupt. Da wäre zu-
erst das Problem der Tradition zu erwähnen, das der Universität als wirklicher übernatio-
naler Erziehungsstätte im europäischen Sinne entgegenstand. Es war einfach nicht zu er-
warten, daß die aus umstrittenen politischen Motiven geborene Saaruniversität einen grö-
ßeren Reiz auf junge nationalbewußte französische oder deutsche Studenten ausüben
könnte als die ehrwürdige Sorbonne oder Heidelberg78. Dazu kam die „lokale“ Konkur-
renz von Nancy, Straßburg und Mainz. Saarbrücken blieb, auch wenn der germanistische
Studiengang eine beachtliche Zahl französischer Studenten und der romanistische Stu-
diengang eine stattliche Zahl deutscher Studenten an die Saar lockte, im Grunde eine Uni-
versität der Saarländer und damit faktisch eine Landesuniversität, was sie nach 1955 ja
dann auch bald offiziell werden sollte. Die Statistik beweist es: Von den 1 536 Studenten
des Studienjahres 1954/55, von denen 382 der Philosophischen, 543 (227 + 316) der Ju-
ristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen, 224 der Naturwissenschaftlichen, 140 der Medi-
zinischen, 143 dem Dolmetscherinstitut, 80 dem Berufspädagogischen Institut und 24
dem Europäischen Institut angehörten79, besaßen 1 133 (= 74 %) die saarländische, 201
(= 13%) die deutsche und 145 ( = 9,5 %) die französische Staatsangehörigkeit. Die üb-
rigen, nämlich 57 (= 4,0 %), war verschiedener Nationalität80. Die Aussichten, die Zahl
nichtsaarländischer Studenten zu erhöhen, hatten sich im Laufe der Jahre eher verschlech-
tert als verbessert. Das lag vor allem daran, daß die saarländische Universität in ihrem
Lehr- und Prüfungswesen immer stärker in den Sog des saarländischen Staatsprüfungs-
rechts gezogen wurde. Wenn auch die medizinischen und pharmazeutischen Approba-
tionen, die juristischen und philologischen Examina usw. im wesentlichen in der Überlie-
ferung deutscher Normen und Anforderungen existent blieben, so führte die durch die
Prestigesucht des Saarlandes ausgelöste Politisierung der Staatsexamina81 dennoch dazu,
daß die deutschen Universitäten nur sehr zögernd etwa vom Jahre 1952 an und dann auch
nur bestimmte Studienleistungen der Saaruniversität anerkannten. Der französische
Partner verschloß sich sogar trotz intensivster Bemühungen Grandvals in der Frage gegen-
seitiger Anerkennung von staatlich vorgeschriebenen Examensleistungen aus bildungs-
78 Auf dieses Problem wurde Hoffmann bereits im Jahre 1949 durch den Landrat des Kreises St.
Wendel aufmerksam gemacht. Vgl. Schreiben Landrat des Kreises St. Wendel, Schütz, an Hoff-
mann vom 8. 8. 1949. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsi-
denten Nr. 296. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 7).
79 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 262.
80 Ebenda, S. 262.
81 Dieser Aspekt wurde z. B. im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der SPS-Fraktion bezüg-
lich medizinischer und juristischer Staatsexamen im Saarland deutlich (September 1952). Die
entsprechenden Unterlagen hierzu finden sich im LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei,
Akten des Ministerpräsidenten Nr. 1063.
226
ökonomischen und grundsätzlich rechtlichen Bedenken völlig diesem Anliegen82. Das to-
tale Äquivalenzenghetto der Staatsprüfungen gegenüber Frankreich und das bedingte ge-
genüber Deutschland, das unter umgekehrten Vorzeichen zudem noch durch die saarlän-
dischen Ausgleichsexamina im juristischen Bereich einen zusätzlichen Akzent erhielt83,
konnte — und wenn die Dezemberrede Grohs des Jahres 1950 als Beleg angeführt wird84,
so kann sogar gesagt werden - wollte die saarländische Bildungspolitik bis zum Jahre
1955 nicht überwinden85. Sie wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für einen interna-
tionalen Charakter der Saaruniversität gewesen. Wir hatten zwar, so Woelfflin zu diesem
Problem, im Kulturabkommen vereinbart, beiderseits Leistungsnachweise grundsätzlich
zu akzeptieren86 87, aber es kam nur in den Bereichen der Medizin, Geologie, Zoologie, Bo-
tanik, Jura und Philologie zur gegenseitigen Anerkennung von Certifikationen für die
beiden ersten Studienjahre. Im Bereich der akademischen Prüfungen sind wir etwas groß-
zügiger verfahren, aber das liegt ja in der Natur der Sache97.
Noch deutlicher als die Äquivalenzenfrage zeigte die Diskussion um die Notwendigkeit
einer Technischen Fakultät, die in den Jahren 1953 und 1954 besonders intensiv geführt
wurde, daß die Universität von der saarländischen Bildungspolitik fast gänzlich als An-
stalt für den akademischen Bedarf an der Saar aufgefaßt worden ist. Kern der Meinungs-
bildung war und blieb nämlich allein die Zahl der von der saarländischen Industrie benö-
tigten Ingenieure, der Kostenfaktor für den saarländischen Haushalt und schließlich die
Sorge, ob man gegenüber Nancy und Aachen konkurrenzfähig werden könne88. Da man
diese Risiken für die saarländische Politik scheute und der Ingenieur ja eigentlich kein Po-
litiker ist89, entschied man sich im Falle des Technikerstudiums für das „Luxemburger
Modell“, d. h., man beließ es bei der Praxis, daß der Nachwuchs an Diplomingenieuren
82 Interview P. Woelfflin vom 27.11.1976. Vgl. hierzu auch das Schreiben Grandvals an Hoffmann
vom 19. 9.1949, in dem er seine Sorge über eine unzureichende Regelung der Äquivalenzenfrage
zum Ausdruck brachte. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsi-
denten Nr. 725. In Frankreich durfte z. B. das sogenannte diplôme d’état im medizinischen Be-
reich, das in etwa der Approbation in Deutschland entspricht, nur von Ärzteanwärtern mit fran-
zösischer Staatsbürgerschaft erworben werden. Protokoll über die Besprechung am 22. 3.1950
in der AGA (= die profranzösisch orientierte Allgemeine Studentengemeinschaft für internatio-
nalen Austausch) in Saarbrücken. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medi-
zinische Fakultät. Die saarländische Regierung erkannte ihrerseits das von saarländischen Stu-
denten in Frankreich erworbene Doctorat en Médicine nur dann als gültige Voraussetzung für
die Approbation an, wenn der Kandidat vor einem Ausschuß der Ärztekammer nachgewiesen
hatte, daß er mit speziellen für das Saarland wichtigen Bestimmungen vertraut ist. Entwurf einer
Prüfungs- und Approbationsordnung für Ärzte im Saarland vom 24. 5. 1950. LA Saarbrücken,
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medizinische Fakultät.
83 Saarländische Nachwuchsjuristen, die als Referendare in die 2. Ausbildungsphase eintreten
wollten, mußten an der Juristischen Fakultät ein zweisemestriges Studium über die Besonder-
heiten des saarländischen Rechts absolvieren und in einem sogenannten Ausgleichsexamen ihre
Befähigung nachweisen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf das im Quellenanhang
(Anlage 6) wiedergegebene Antwortschreiben von Justizminister Braun an Grandval vom 1. 8.
1949. Es gibt Auskünfte über Inhalte und Absichten des jur. Ausgleichsexamens.
84 Siehe oben, S. 209.
85 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
86 Artikel 13 des Kulturabkommens vom 15. 12. 1948. Vgl. auch oben, S. 169.
87 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
88 Vgl. dazu das Interview von Angelloz mit der Saärländischen Volkszeitung vom 15. 10. 1954.
89 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
227
weiterhin vornehmlich in Aachen, Karlsruhe und Darmstadt sowie in Clausthal, Mün-
chen und Stuttgart ausgebildet wurde90.
Auch die erstrebte aber letztlich am Widerstand der evangelischen und katholischen
Kirche gescheiterte Errichtung einer Theologischen Fakultät kann als Beleg für die beson-
deren lokalen Bindungen der Saaruniversität erwähnt werden. Sowohl Trier bzw. Speyer
als auch Düsseldorf erblickten in einer solchen Fakultät ein verstärkendes Element für kir-
chenpolitische Separationsziele und lehnten aus diesem Grunde alle Pläne in dieser Rich-
tung ab9!1.
Die Saaruniversität blieb weit davon entfernt, eine Institution zu sein, in der auch Europa
zuhause war. Europabegeisterung einzelner reichte nicht aus, um die intern veranlagten
und strukturell bedingten politisch-geistigen Widerstände und Widersprüche zu über-
winden. Zudem erwies sich das Europa des 19. und 20. Jahrhunderts mit seinen national-
staatlich gewachsenen Trennlinien in Kultur und Wirtschaft insgesamt noch als zu stark,
um den Weg freizugeben.
Die guten Absichten für einen europäischen Gang hat es dennoch gegeben, und es sei hier
ein unverdächtiger Zeuge genannt, der sie bestätigt, gleichzeitig aber auch Europa an-
mahnt. Es ist der Nobelpreisträger Adolf Butenandt, der im Jahre 1954 in einem
Schreiben an Donzelot die vor Jahren gediehenen Pläne zum Aufbau einer internationalen
europäischen Universität im Saarland expressis verbis erwähnt und sich gerne an die von
soviel Idealismus und echtem Wollen getragenen Aussprachen über dieses kühne Projekt
erinnert. Was ich, so Butenandt im selben Brief an anderer Stelle im Rückgriff auf einen
Besuch an der Saar im Jahre 1954, in Saarbrücken und Homburg sehen konnte, hat mich
stark beeindruckt, und ich glaube, daß die Universität eine große Aufgabe erfüllen kann,
wenn man den ursprünglichen Gedanken weiter nachgeht, nicht nur alle Lehrstellen pa-
ritätisch (gemeint im saarländisch-französischem Sinne) zu besetzen, sondern auch für
einen internationalen Austausch von Gelehrten und Gastprofessoren zu sorgen91 92.
Das von Butenandt anerkannte hohe Anspruchsniveau einer Universität, die als akademi-
sche Bildungsinstitution das Dasein des saarländischen Staates und seiner Gesellschaft
bildungsökonomisch abzusichern half, und die trotz ihrer Ausrichtung auf die saarlän-
disch-französische Zusammenarbeit die verfassungsmäßige Verankerung der kulturellen
Autonomie nicht ausgehöhlt hat, konnte in diesem Kapitel bestätigt werden, den von ihm
erhofften Weg zu einer internationalen Hochschule jedoch nicht. Gleichwohl wäre es ver-
fehlt, den europäischen Idealismus nur eine Donquichotterie nennen zu wollen. Dies kann
man schon deswegen nicht tun, weil das Projekt einer weltoffenen Saaruniversität wegen
der zunehmend spürbar werdenden national motivierten Rivalität zwischen der Bundes-
republik und Frankreich um die Saar die Möglichkeiten persönlicher Gestaltung immer
weiter einschränkte. Die europäische Idee und der an der Saar mit ihr verbundene Drang
90 Im Jahre 1954 studierten rund 300 Saarländer in der Bundesrepublik mit dem Ziel, Diplominge-
nieur zu werden. Nach Saarländische Volkszeitung vom 15. 10. 1954.
91 Interview E. Straus vom 23.11. 1976. Vgl. auch Aufzeichnungen Vortrag Wehr vom 28. 1.1953
in Bonn. Danach ist Wehr nach eigenem Bekunden allen Versuchen, die Organisation der evan-
gelischen Kirche im Saarland von derjenigen des Rheinlandes zu trennen und eine evangelisch-
theologische Fakultät an der Universität Saarbrücken einzurichten, entschieden entgegenge-
treten. LA Saarland, Bestand Nachlaß Heinrich Schneider Nr. 103.
92 Butenandt an Donzelot vom 30. 6. 1954. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/
UIS - A 1 —. Es handelt sich um eine Abschrift. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 17).
228
nach regionaler Selbstverwirklichung wurden durch die Wucht patriotischer Forde-
rungen zu imaginären Werten degradiert und zwar durch die nationalen Lösungsan-
sprüche ebenso stark wie auch durch die staatlichen Profifierungsversuche des Saarlandes
als Antwort auf diese Forderungen. Schon die Geschichte der Saaruniversität zeigte sehr
deutlich, wie der europäische Traum zwischen diesen Fronten zerdrückt wurde. Ein Spie-
gelbild der enttäuschten Hoffnungen waren die intensiven aber wenig aussichtsreichen
Bemühungen der saarländischen Regierung, Saarbrücken zur europäischen Hauptstadt
bzw. zum Sitz europäischer Behörden zu machen93. Im letzten Hauptkapitel soll nun auf-
gezeigt werden, wie der Wandel der strukturellen Faktoren und des Problembewußtseins
bildungspolitisch insgesamt schicksalhaft geworden ist.
93 Quellen, die über diese Bestrebungen näher informieren, finden sich nach Auskunft des LA Saar-
brücken im Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 231 - 233 und Nr.
236. Hingewiesen sei gleichzeitig auf die Presseverlautbarungen zu dieser Thematik, die sich in
der Zeitgeschichtliche Sammlung Schneider/Becker VIII, 10 finden und auf die Druckschrift
„Warum nicht Saarbrücken“ (1952).
229
E.
Im Sturm der Jahre 1951 bis 1955
1. Keine Ruhe an der Schulfront
Am Schluß des Hauptkapitels C wurde in einer Zwischenbilanz schon deutlich gemacht,
daß die saarländische Bildungspolitik nach den grundlegenden Entscheidungen der Nach-
kriegszeit und der dynamischen aber auch sehr unsteten und provozierenden „Ära
Straus“ an sich in ein ruhigeres Fahrwasser einmündete. In diesem bildungsgeschichtli-
chen Gang unterschied sich das Saarland im übrigen kaum von den Ländern in der Bun-
desrepublik. Wenn sich die schulische Szenerie an der Saar in den Jahren von 1951 bis
1955 von der Entwicklung in der Bundesrepublik dennoch deutlich abhob, so wurde dies
vor allem durch den nun aufziehenden Konflikt um die Zukunft der Saar verursacht.
Durch ihn wurde die saarländische Bildungswelt unweigerlich in eine eskalierende Politi-
sierung hineingezogen, ein Prozeß, der durchaus gewisse Parallelen zur deutschen Bil-
dungsgeschichte der Jahre 1930 bis 1933 hat, als eine Wirtschafts- und Staatskrise eine
eingetretene bildungspolitische Lethargie verstärkte, gleichzeitig aber zu einer ungewöhn-
lichen Politisierung des öffentlichen Bildungslebens führte1. Daß es an der Saar in diesem
Lebensbereich nach 1951 eine zwar anders motivierte aber ähnlich eigenartige Stim-
mungslage gab, dies vermittelt uns der Bericht des wegen seiner autonomistischen Nei-
gungen bekannten Senatspräsidenten Zarth an Straus vom 17. 2.1954. Dort heißt es, aus-
gehend vom Vorwurf übertriebener bildungspolitischer Zurückhaltung an die Adresse
Hoffmanns u. a.:
Er will aber seine Ruhe haben. Er will auch seine Ruhe mit den Lehrern, mit den Lehrer-
verbänden und auf allen Zuständigkeitsgebieten des Kultusministeriums haben. Das war
ja wohl auch der entscheidende Grund, daß er die Funktion des Kultusministers über-
nahm2. Diese Einstellung bedeutet aber nicht nur Stillstand, sondern, das wissen Sie ganz
besonders gut, eine Ermutigung für all die, die dagegen sind. Es ist also sicher sehr wahr,
daß Sie sich blau und schwarz ärgern würden, wenn Sie hier wären und zwar deswegen,
weil Sie erkennen müßten, was zu tun ist und dabei verpflichtet wären, trotzdem nichts
zu tun. Als ob das Nichtstun Probleme lösen könnte, das Nichtstun vertagt nicht einmal
die Entscheidung über Probleme, sondern ist bereits eine Entscheidung3.
Was Zarth in seinem Report „Entscheidung“ nannte, bezog sich eindeutig auf das kom-
mende Schicksal des Saarlandes und das war, wie bereits mehrmals erwähnt, seit etwa
1950 heftig umstritten. Die Genesis der Saarfrage und ihre Hintergründe sind in der Lite-
ratur schon oft und breit abgehandelt und auch in dieser Arbeit immer wieder ange-
schnitten worden, und da sich das hier behandelte Thema in diesen Rahmen letztlich nur
einfügt, sollen sie hier nur thesenhaft und zusammengefaßt aufgelistet werden:
1. Abgelaufen war die Zeit, in der Frankreich in der von ihm beanspruchten Rolle als
Mitsieger der alliierten Mächte seine Saarkonzeption im Geist eines fait accompli
durchsetzen konnte.
1 Vgl. hierzu J. Erger, S. 233 ff. und H. Küppers, Lehrerverband, S. 53 ff.
2 Nach dem Tod von Franz Singer am 22. 7. 1953, der das Kulturressort seit Dezember 1952 ge-
leitet hatte, übernahm Hoffmann dieses Ministeramt.
3 Zarth an Straus vom 17. 2. 1954. Privatakten E. Straus.
230
2. Das Ende der französischen Handlungsfreiheit wurde durch mannigfache Wandlungs-
prozesse herbeigeführt. Da war zuerst der immer selbstbewußter auftretende saarlän-
dische Autonomismus als Partner, der sich auf keinen Fall protektionistisch von
Frankreich bevormunden lassen wollte. Auf den Plan getreten war inzwischen auch
eine saarinterne Opposition. Sie verneinte jede Form separaten Daseins ihrer Heimat
und pochte z. B. im Kulturpolitischen entschieden für eine Unversehrtheit des natio-
nalen Deutschtums. Gestärkt wurde ihre Position durch die Provokation einer ge-
wollten kirchlichen Separation, die aber erfolgreich abgewehrt werden konnte.
3. Dieser wachsende Widerstand an der Saar gewann, und damit wird ein weiterer Grund
für das Aufkeimen der Saarfrage genannt, in dem Maße an Kraft, wie die Bundesrepu-
blik Deutschland an politischer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität gewann.
Gleichzeitig erhielt die Saar eine politische Anwaltschaft, die vom Standpunkt natio-
naler Solidarität und im Namen des nationalen Selbstbestimmungsrechts die politi-
schen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Saarländer zu vertreten suchte.
Diese Haltung erhielt einerseits durch die schmerzhaft empfundene deutsche Teilung
einen zusätzlichen Impuls, weil die Saarfrage sozusagen zum Testfall für den Anspruch
der Bundesrepublik auf eine gesamtdeutsche Legitimation wurde, sie erfuhr aber an-
dererseits durch den Beginn der westeuropäischen Integration auch ihre Grenzen, weil
die angesichts der sowjetischen Bedrohung als notwendig erkannte Zusammenarbeit
eine Konfliktslösung nur im Rahmen von Kompromissen zuließ.
4. Eine wesentliche Voraussetzung für den friedlichen Ausgang des Saarstreits war das
erkennbar werdende Schicksal Deutschlands als geteilte Nation, da der ausschlagge-
bende Grund für die französische Saarpolitik, nämlich die deutsche Vormacht verhin-
dern zu wollen, nicht mehr gegeben war.
5. Parallel zum nachlassenden französischen Interesse an der Saar, ein Prozeß, der durch
das persönliche Engagement Grandvals sicherlich verlangsamt und vielleicht dadurch
in seinen Wirkungen bis 1955 verdeckt geblieben ist, stand die wachsende Anteil-
nahme Deutschlands an der Saar, die wiederum bei den Saarländern deswegen ihr
Echo fand, weil die dynamisch sich erholende Bundesrepublik schnell an Anziehungs-
kraft gewann und gegenüber dem krisengeschüttelten Frankreich der Vierten Repu-
blik einen Wechsel im Kräfteverhältnis schaffte. Daß die Saarfrage schon im Jahre
1950 für die französische Außenpolitik mehr eine Angelegenheit der Pflicht als der Lei-
denschaft war, darauf deutet eine Äußerung des Europäers Schuman gegenüber dem
Europäer Adenauer im Zeitraum erster deutsch-französischer Gespräche über die Saar
hin. Danach habe er die Saarpolitik nicht begonnen, sondern er habe sie über-
nommen4.
6. Seine Chancen in den bald einsetzenden Auseinandersetzungen um die Saar suchte
auch der saarländische Autonomismus. Er verlor aber zusehends an Ansehen und
Profil, weil er sich mit seinem Postulat von einer regionalen Selbstverwirklichung und
4 Zitiert nach Ausführungen Adenauers vor dem CDU-Bundesvorstand. Stenographisches Proto-
koll über die 3. Vorstandssitzung des CDU-Bundesparteivorstandes am 10. 5. 1951 zu Bonn, S.
24. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn. In seinen Memoiren zitiert Adenauer eine ähn-
liche Aussage Schumans. Sie steht im Zusammenhang mit der Erörterung von komplizierten
Rechtsfragen um die Saar und lautet in der erzählenden Wiedergabe von Adenauer: „Er habe sie
(die Saarfrage) nicht geschaffen, sondern bei seinem Antritt als Außenminister im Jahre 1948 so
vorgefunden“. K. Adenauer, Bd. 1, S. 300.
231
mit seinen europäischen Visionen zu sehr von den konkreten politischen Gestaltungs-
möglichkeiten einer noch stark in nationalen Mentalitäten stehenden Zeit entfernte.
Die Hypothek der Kollaboration erwies sich außerdem als zu schwer, um eine ideali-
stische Politik überzeugend zu vertreten.
Im Grunde hatte die Saarfrage eine international-europäische und eine lokale Dimension.
Ihre Kompliziertheit entstand dabei weniger durch den Streit um den wie auch immer ge-
arteten Status der Saar als europäisches Sondergebiet, sondern durch die sich aus überlap-
penden wirtschaftlich-politischen Interessen, gewundenen Rechtsauslegungen, kollek-
tiven Emotionen, heimatlichen Empfindungen und Sehnsüchten, nationalen Spekula-
tionen und Forderungen, persönlichem Ehrgeiz und verwickelter Diplomatie aufbau-
enden Gegensätze. Sie begannen akut mit der Aufnahme der Saar als assoziiertes Mitglied
in den Europarat und dem Abschluß der ersten saarländisch-französischen Konventionen
im Jahre 1950 und setzten sich fort mit den europäischen Montanverträgen vom 18. April
1951, als das Saarhindernis nur durch einen vertragsbezogenen Briefwechsel zwischen
Paris und Bonn umgangen werden konnte, in dem der gegenwärtige Status der Saar bis
zum Abschluß eines Friedensvertrages als provisorisch erklärt wurde. Es folgten die diplo-
matischen Initiativen der Bundesrepublik zugunsten der unterdrückten Menschenrechte
und Freiheiten an der Saar, bis dann der französische Außenminister Schuman im Juli
1952 die Europäisierung der Saar vorschlug. Aber der Weg dorthin erwies sich mehr als
steinig. Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich wegen freier Land-
tagswahlen an der Saar scheiterten, weil es zu keiner Übereinkunft über das Schicksal der
saarländisch-französischen Wirtschaftsunion und die Zulassung oppositioneller Parteien
kam. An der Saar selbst kommt es zum Verbot aller politischen Gruppierungen, die sich
gegen das Saarland in seiner separaten halbautonomen staatlichen Existenz und gegen
seine ökonomischen Bindungen an Frankreich wenden. Diese sogenannten prodeutschen
Parteien dürfen nicht an den Landtagswahlen im November 1952 teilnehmen. Eindeu-
tiger Sieger dieser Entscheidung wurde, vor allem wegen seiner Erfolge auf sozialpoliti-
schem Gebiet, Johannes Hoffmann, der seit April 1951 mit einem reinen CVP-Kabinett
regierte5. In der Folgezeit verhärteten sich die Fronten. Folgende Ereignisse sind dabei von
besonderer Bedeutung gewesen: die saarländisch-französischen Konventionen des Jahres
1953, die die im Jahre 1950 abgeschlossenen mit dem Ziel revidierten, die Kraft und Ei-
genständigkeit des saarländischen Autonomismus weiter zu stärken; das von dem franzö-
sischen Regierungschef René Mayer im Januar 1953 formulierte sogenannte Saar-
junktim, das die Zustimmung seines Landes zur Europäischen Verteidigungsgemein-
schaft (EVG) von einer für Frankreich befriedigenden Lösung der Saarfrage abhängig
machte; der Natersplan, eine Initiative der Beratenden Versammlung des Europarates für
5 Wahlbeteiligung 93,1 %. 24,5 % der Wahlberechtigten stimmten, wie von den verbotenen pro-
deutschen Parteien empfohlen, ungültig. Von den 75,5 % gültigen Stimmen erhielt die CVP mit
54,7 % die absolute Mehrheit. Es folgten die SPS mit 32,4 %, die KP mit 9,5 % und die liberale
Demokratische Volkspartei mit 3,4 %.
232
eine Europäisierung der Saar6 und schließlich das hoffnungsvoll begonnene aber letztlich
doch gescheiterte Tete-a-tete zwischen Adenauer und dem französischen Ministerpräsi-
denten Pierre Henri Teitgen im Mai 1954. Als die französische Nationalversammlung
schließlich am 30. August 1954 den Vertrag über die EVG verwarf, bestanden für eine eu-
ropaorientierte supranationale Lösung der Saarfrage keine Hoffnungen mehr. Die
nächste Verhandlungsrunde eröffnete Frankreich mit einem erneuten Saarjunktim.
Diesmal machte es seine Zustimmung zur Wiederherstellung der deutschen Souveränität
von einer vorherigen befriedigenden Regelung des Saarstreits zur Bedingung. Der Durch-
bruch gelang dann auf der Pariser Konferenz vom 19. bis 23. Oktober 1954. Bevor die
Verträge über den Beitritt der Bundesrepublik zur Westeuropäischen Union (WEU) bzw.
zum Nordatlantikpakt (Nato) und über die Wiederherstellung der deutschen Hoheitsge-
walt unterzeichnet wurden, vereinbarten Adenauer und der französische Ministerpräsi-
dent Pierre Mendes-France ein europäisches Statut für die Saar, das im Zeichen der zwi-
schenstaatlich organisierten WEU wirksam werden sollte, allerdings unter dem Vorbehalt
einer endgültigen Regelung bis zu einem Friedensvertrag. Das Abkommen selbst und ein
ergänzender Brief von Mendes-France sicherten der deutschen Seite größere Einflußmög-
lichkeiten in allen Lebensbereichen an der Saar zu, insbesondere auf politischem Gebiet.
U. a. wurde es der prodeutschen Opposition gestattet, in den letzten drei Monaten vor der
vereinbarten Volksabstimmung über das Statut für ihre Positionen öffentlich einzutreten
und zu werben. Das Referendum fand genau ein Jahr später, also am 23. Oktober 1955,
statt. Nach einem äußerst leidenschaftlich geführten Wahlkampf entschieden sich bei
einer Wahlbeteiligung von 97,5 v. H. 67,7 v. H. der Wahlberechtigten für eine Ablehnung
des Statuts.
Selbst dieser äußerst geraffte Überblick läßt deutlich werden, wie bewegt die Geschichte
im und um das Saarland in den Jahren von 1951 bis 1955 gewesen ist, und es liegt auf der
Hand, daß auch das saarländische Bildungswesen trotz der eingetretenen „Windstille“ im
Schulpolitischen von der spannungsreichen Atmosphäre dieses Zeitraumes ergriffen
wurde. Betroffenheit zeigte hier vor allem die Lehrerschaft, so daß sie im folgenden
stärker in den Blickpunkt der Erörterungen rücken wird. Zurücktreten wird dagegen die
französische Seite, da sie sich vom Jahre 1950 an in ihrer Saarpolitik fast nur noch auf die
existenzielle Sicherung des Wirtschaftsbündnisses konzentrierte.
Die überwiegende Mehrheit der Saarländer und insbesondere die Lehrerschaft fühlte sich
unbeeindruckt von gesetzten politischen Zwängen aufgrund ihrer Mentalität und ihrer
Muttersprache dem deutschen Kulturraum zugehörig. Schon allein diese Tatsache pro-
blematisierte zunehmend das politische Ziel einer saarländischen Staatlichkeit. Je stärker
nun die kommenden Entscheidungen über die Saar spürbar wurden und je nachdrückli-
cher der saarländische Autonomismus im Zuge dieser Entwicklung um seiner und Eu-
ropas Zukunft willen sein Postulat vom kulturellen Eigengeist der Saarländer ins Feld
6 Benannt nach dem niederländischen Sozialisten Marinus van der Goes van Naters, der im Auf-
trag dieses Gremiums im September 1953 einen entsprechenden Plan für die Saar vorlegte. Die
revidierte Fassung des Naters-Plan vom 26. 4. 1954 ist abgedruckt bei R. H. Schmidt, Bd. II,
S. 760 — 768. Die Aktion des Europarates scheiterte endgültig, als die französische Nationalver-
sammlung den Vertrag über die EVG ablehnte. Damit war eine supranationale Lösung des Saar-
problems, wie sie der Naters-Plan vorsah, nicht mehr möglich. Einige Elemente des Plans sind je-
doch in den Pariser Saarvertrag vom 23. 10. 1954 eingegangen.
23 3
führte, umso größer wurde die Zahl derjenigen, die sich zum nationalen Bekenntnis pro-
voziert fühlten. Bis zum Abstimmungskatnpf war allerdings eine offene kulturpolitische
Opposition nicht möglich, sie vollzog sich, wie noch darzustellen sein wird, in verkappten
Formen kritischer Äußerungen in bildungspolitischen Grundsatz- oder Interessenfragen.
Bei diesem oft wie ein Katz- und Mausspiel anmutenden Geschehen konnten politische
Pepressalien nicht ausbleiben. Auch darüber wird zu berichten sein.
2. Die Entfremdung wächst
Gut zwei Monate vor der Abstimmungsentscheidung des 23. Oktober 1955 berichtete die
Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Hinweis auf eine politische Maßregelung eines
CDU-orientierten Schulrektors über erhebliche Spannungen zwischen der Saarregierung
und einem großen Teil der Lehrerschaft. Es sei, so das Blatt, schwer begreiflich, warum
die Saarregierung gerade jetzt die ... Lehrerschaft herausgefordert habe, da sie doch
wissen müsse, daß die Lehrer an der Saar unbestreitbar einer (sic) jener Stände bilde, auf
deren Stimmung die Regierung besondere Rücksicht zu nehmen hat, weil sie in den zahl-
reichen kleinen Gemeinden als Bildungsträger das Urteil vieler Mitbürger bestimmen7.
Die gespannte Atmosphäre, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung der saarländischen
Schulwelt für das Jahr 1955 zuschreibt, war, wie erinnerlich, in Wirklichkeit schon in den
Tagen der „Ära Straus“ geboren worden. Wenn sie sich, und hier mag der Hauptgrund
für die von der Zeitung übersehene längerfristige Verursachung des getrübten Verhält-
nisses liegen, in den Jahren nach Straus durch die Beschwichtigungsstrategie Hoffmanns
auch oberflächlich normalisierte, so war die dadurch erwirkte Ruhe doch mehr als trüge-
risch. Immer belastender wurde vor allem der Vertrauensschwund spürbar, den das Hoff-
mann-Regime bis zum Jahre 1955 in ihrem Verhältnis zur Lehrerschaft hinnehmen
mußte. Das war für sie eine schmerzliche Erfahrung, weil die Lehrerschaft damals tatsäch-
lich einen relativ starken politischen Einfluß auf die Bevölkerung, insbesondere in den
ländlichen Gebieten des stark katholischen Nordens ausübte. Zur wachsenden Entfrem-
dung zwischen Erzieher und Regierung haben viele Gründe beigetragen. Auf die bewe-
gendsten soll im Folgenden näher eingegangen werden.
2.1 Der Wille der Lehrerschaft zur Verbundenheit mit Deutschland wird stärker
Eine der wichtigsten Ursachen für die Unruhe der Lehrer muß man in ihrem stetig zuneh-
menden Drang sehen, die Beziehungen zum pädagogischen und schulpolitischen Leben in
Deutschland planvoll pflegen und entfalten zu wollen, damit das Zusammengehörigkeits-
bewußtsein ständig wachgehalten wird8. Schon ein flüchtiger Blick in die Mitteilungsor-
gange ihrer Verbände9 zeigt an, wie lebendig der Wille zum Kontakt mit dem erzieheri-
schen Leben in Deutschland und wie stark das Gefühl der Verbundenheit mit der deut-
7 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. 7. 1955, S. 2.
8 Zitiert nach einer Stellungnahme des Vorstandes des Verbandes katholischer Erzieher aus dem
Jahre 1956 zum Kurs des Vereins in den Jahren vor 1955. Der katholische Erzieher, Nr. 11/12,
1956, S. 341.
9 Vgl. hierzu insbesondere: Der katholische Erzieher, dem monatlich erscheinenden Organ des
Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Saarbrücken 1949 ff. und das ebenfalls monat-
lich aufgelegte Mitteilungsblatt des liberal orientierten Verbandes Saarländischer Lehrer, Saar-
brücken 1952 ff.
234
sehen Bildungswelt geblieben war. Gleichgültig, ob es um Fragen der schulischen Me-
thodik und Didaktik10, um Lehrerbildung, Besoldung und Versorgung oder um bildungs-
politische Reformvorhaben wie die Einführung des 9. Schuljahres, des Abendgymna-
siums, des Wirtschaftsabiturs oder der Frauenoberschule ging, stets erfolgte die Erörte-
rung und Willensbildung im Rückgriff auf die bildungspolitische Entwicklung in den Län-
dern der Bundesrepublik11. In den Gazetten der saarländischen Fach- und Verbandspresse
erschienen in regelmäßigen Abständen schulpolitische Stellungnahmen, Grundsatzerklä-
rungen und Tagungsberichte deutscher Erzieherverbände12 und auf den Tagungen der
saarländischen Lehrerschaft sprachen namhafte Pädagogen und Schulexperten aus
Deutschland13. Wenn der Vorstand des Verbandes der katholischen Erzieher auf der Ge-
neralversammlung seiner Organisation am 18. 11. 1952 erklärte, daß die Aufgaben der
Bildungsarbeit nur im lebendigen Kontakt mit dem pädagogischen Leben im deutschen
Kulturraum und Kulturprozeß erfüllt werden können14, oder wenn der Direktor des Ott-
weiler Lehrerseminars, Meister, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Saarländischen
Beamtenbundes an den Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes, Hans Schäfer
(Köln), im gleichen Jahr schrieb, daß sich die Arbeit beider Organisationen zwar völlig
getrennt voneinander vollziehen müsse, aber doch in der gleichen Richtung und im
10 So enthalten z. B. die Protokolle über die sogenannten pädagogischen Konferenzen des Staatli-
chen Mädchenrealgymnasiums St. Wendel immer wieder Hinweise auf bekannte Namen deut-
scher Pädagogen wie Herbart, Ziller und Schleiermacher oder auf anerkannte Vertreter der päd-
agogischen Reformbewegung im deutschsprachigen Raum wie Gaudig, Kerschensteiner, Pe-
tersen, Scharrelmann usw. Eingegangen wird auch auf die pädagogischen Lehren Maria Montes-
soris, auf den Daltonplan der Helen Parkhurst und den Winnetkaplan eines Carleton Wash-
burne. Damit zeigt sich, daß solche Konferenzen an saarländischen Schulen kaum anders abge-
laufen sein dürften als in der Bundesrepublik. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenre-
algymnasium St. Wendel Nr. 14 und 15.
Ein weiteres Beispiel ist die im Jahre 1953 vom saarländischen Kultusministerium ins Leben ge-
rufene Kommission für die Neubearbeitung einer Lesefibel. Ihre Aufgabe sollte es sein, eine Fibel
zu entwickeln, die inhaltlich und vom Standard her einer bundesdeutschen Lesefibel adäquat sein
sollte. Protokoll der Schulrätekonferenz vom 3. 10. 1953. LA Saarbrücken, Bestand Kreis-
schulamt Ottweiler Nr. 2.
11 Ein besonderes Beispiel dafür ist die Diskussion um die Einführung eines 9. Schuljahres in Volks-
schulen, die im Saarland zeitlich parallel zu den Erörterungen in der Bundesrepublik im Jahre
1952 in Gang kam. Vgl. hierzu Saarbrücker Zeitung Nr. 49 vom 28. 2. 1952 und Neue Woche
(MRS-Organ) Nr. 15 vom 10. 4. 1952.
12 In ihren Abdrucken bevorzugten die saarländischen Lehrerverbände jeweils die Fachvereine in
Deutschland, die ihnen ideologisch am nächsten standen. Der Verband der katholischen Erzieher
fühlte sich insbesondere mit den christlich orientierten Lehrern verbunden, der Verband Saarlän-
discher Lehrer mit denjenigen der gewerkschaftlichen Richtung. Als Beispiele für die aufmerk-
same Teilhabe der saarländischen Lehrerschaft an den pädagogischen Diskussionen in der Bun-
desrepublik seien genannt: Der katholische Erzieher, Nr. 1 —3,1953, S. 19 {Artikel anläßlich des
30jährigen Bestehens des Deutschen Instituts für wissenschaftliche Pädagogik in Münster); Nr.
2, 1954, S. 141 f. (Bericht über die Tagung des Unesco-Instituts für Pädagogik in Hamburg zum
Thema Volksschullehrerbildung); Nr. 4-6, 1954, S. 141 ff. (Bericht über die Tagung des Katho-
lischen Lehrerverbandes in Nordrhein-Westfalen zum Thema Geschichte und Geschichtsunter-
richt); Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer Lehrer Nr. 7,1953 (Juli), (Bericht über den
Flensburger Lehrerkongreß zu Pfingsten 1953); Nr. 10,1953 (November), (Bericht über die Wo-
chenendtagung des Verbandes Saarländischer Lehrer am 26. und 27. 9.1953 zuBerchweilerzum
Thema Einheitsschule); Nr. 7,1954 (Juli), (Veröffentlichung der Programmatischen Grundsätze
der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände (AGDL), beschlossen auf der Vertreterver-
sammlung am 11.6. 1954 in Bielefeld).
13 Prominentester Gastredner war der bekannte Passauer Pädagoge Franz Xaver Eggersdorfer. Er
kam im Oktober 1953 an die Saar und unterstützte in seiner Rede die Forderung der saarländi-
schen Volksschullehrer nach einer Akademisierung ihrer Berufslaufbahn.
14 Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch, S. 3.
235
gleichen Sinne ..., weil es, wie mir scheinen will, für eine auf dem Boden des alten Beam-
tentums stehende Organisation gar keinen anderen Weg geben kannis, so tritt hier eine
in der saarländischen Bildungswelt der Jahre 1951 bis 1955 weitverbreitete Haltung zu-
tage, die dadurch gekennzeichnet war, daß man zwar einerseits eine offene Rebellion
gegen die machtpolitisch gezogene Trennlinie zwischen Kultur- und Staatsnation ver-
mied, andererseits aber im Herzen die Identität mit dem angestammten Deutschtum zu
wahren wußte. Spürbar wurde hier das wachsende Dilemma einer vom Mutterland un-
freiwillig getrennten Region, deren Lehrerschaft aus Überzeugung im Takt mit der schu-
lischen Entwicklung in Deutschland bleiben will, dabei aber in ihren Erwägungen und
Sehnsüchten immer wieder durch die harte Realität einer politischen Separierung einge-
holt wird, die den Zwiespalt zwischen fremdherrschaftlichem Protektorat und echter Au-
tonomie niemals hat überwinden können. Diese Zwangslage blieb einem versierten Poli-
tiker wie Hoffmann natürlich nicht verborgen. Auf dem zweiten Saarländischen Berufs-
schultag am 14. November 1952, also kurz vor den Landtagswahlen, suchte er darum in
einer längeren Rede dem komplizierten Verhältnis von staatlicher Eigenentwicklung und
kulturellem Zusammengehörigkeitsgefühl einen tieferen Sinn zu geben. Unter ausdrück-
licher Bezugnahme auf die Verfassung erklärte er die deutsche Kultur an der Saar für un-
antastbar und forderte dann:
Wir haben dieses uns zugehörige deutsche Kulturgut nicht nur zu erhalten, wir wollen es
nicht nur pflegen, wir müssen es fördern, vertiefen und weiterentwickeln, soweit wir dazu
in der Lage sind. In diesem Sinne sind wir deutsche Menschen, auch wenn wir nicht dem-
selben Staatsraum angehören, der noch nie identisch war mit dem Kulturraum. Wir
werden in einer größeren Gemeinschaft, der europäischen, ohne die jetzt noch durch das
Festhalten am Begriff der Nationalstaaten notwendigen Grenzen wieder zu den deut-
schen Menschen dieser europäischen Gemeinschaft gehören15 16.
Den europäischen Gedanken verband Hoffmann dann noch mit der Aufforderung zur
Völkerversöhnung, wobei er für das Saarland die Verständigung mit dem französischen
Nachbarn als eine besondere Aufgabe hinstellte17. Es kann kein Zweifel darüber be-
stehen, daß eine Mehrheit der saarländischen Lehrer im Jahre 1952 für die europäische
Sache durchaus offen war. Das war schließlich auch in der Bundesrepublik so. Teile der
Lehrerschaft akzeptierten sogar die von Hoffmann im Interesse dieses Ziels für erforder-
lich gehaltene Bedingung einer separaten saarländischen Staatlichkeit, da in ihren Augen
durch sie die Möglichkeit der Identifikation mit der deutschen Kultur nicht versperrt
wurde. Insbesondere in Reihen der katholischen Erzieherschaft konnte Hoffmann auf
Verständnis und Rückhalt hoffen. So erklärte der Vorsitzende des Verbandes katholi-
scher Erzieher, Zenner, ansonsten kritisch gegenüber Hoffmann eingestellt und stets für
die Koppelung der saarländischen mit der deutschen Bildungswelt eintretend, auf der Ge-
neralversammlung seiner Organisation am 18. 11. 1953 in einem Grundsatzreferat:
15 Durchschlag des Schreibens von Meister an Schäfer vom 9. 1. 1952. LA Saarbrücken, Bestand
Staatliches Aufbaugymnasium Ottweiler Nr. 5. Vgl. dort auch seine Schreiben vom 6. 11. 1952
und 9. 12. 1952.
16 Zitiert nach dem Manuskript der Rede, S. 2. Privatakten Jakob Feiler. Hoffmann argumentierte
hier übrigens ähnlich wie Straus schon im Jahre 1949. Der Gegensatz zwischen beiden Politikern
entzündete sich dann aber an der Frage nach dem Grad der Zusammenarbeit mit Frankreich. Vgl.
hierzu oben, S. 123 f., S. 179 ff und S. 205.
17 Ebenda, S. 2 f.
236
Es versteht sich für den katholischen Erzieher von selbst —... — daß er sich stets bewußt
ist, daß er die (saarländische) Verfassung zu halten und zu achten hat, die Verfassung
ihrem Geiste und ihrem Buchstabe nach, wobei der Geist den Buchstaben zu erleuchten
hatu.
Diese Loyalitätserklärung Zenners entsprang keineswegs einer taktischen Verhaltens-
weise. Warum er und sein Verband und noch mehr seine Kollegen aus den anderen Leh-
rervereinen den europäischen Weg, der damals ohne die Bedingung eines staatlich abge-
sonderten Deutschtums an der Saar offensichtlich nicht zu gehen war, schließlich doch
verlassen haben, soll im Folgenden näher nachgegangen werden.
2.2 „Prestigegeschädigte“ Volksschullehrer
Da wäre zuerst die tägliche Erfahrung der protektoralen Gegenwart Frankreichs zu er-
wähnen, die den idealistisch formulierten Postulaten von Heimat, Religion, Autonomie
und Europa auch und gerade im Bildungsbereich viel von ihrer Glaubwürdigkeit nahm.
Ein treffliches Beispiel dafür ist der Argwohn, den das Kultusministerium gegenüber Lehr-
fahrten saarländischer Schulklassen in das Gebiet der Bundesrepublik hegte. So durften
die traditionellen Fahrten an den Rhein erst fortgesetzt werden, nachdem ein Regie-
rungsrat aus dem Kultusministerium durch Inspektion festgestellt hatte, daß die Fahrten
in der Tat immer den Charakter reiner Lehrfahrten hätten18 19. In frischer Erinnerung
blieben überdies die Tage des Kultusministers Straus. Zwar gelang es Hoffmann leidlich,
die durch ihn entstandene bildungspolitische Hektik und Unruhe in den Griff zu be-
kommen, er versäumte es aber, durch reformerische Maßnahmen die Lehrerschaft für
sich und seinen Staat zu gewinnen. Das hätte er zum Beispiel in der Frage der Volksschul-
lehrerbildung tun können, die an der Saar unter Straus auf eine seminaristische Form zu-
rückgeführt worden war20. Gerade an dieser Frage rieb sich die Verärgerung der um ihr
Berufsprestige sehr besorgten Volksschullehrer immer wieder auf. Sie entwickelte sich
schließlich für sie zu einer einzigen Enttäuschung, die umso stärker wirkte, als die Regie-
rung Hoffmann trotz steten Drängens selbst eine Revision der seminaristischen Lehrpläne
dilatorisch behandelte, von denen sich die Lehrerschaft immerhin Hochschulreife und
eine besoldungstechnische Höherstufung erhoffte21. Wer die Geschichte der Volksschul-
lehrerschaft kennt, weiß, in welchem Ausmaß das Selbstwertgefühl dieser Erziehergruppe
der akademischen Anerkennung ihres Berufsstandes ausgesetzt war. ln Deutschland war,
mit Ausnahme Bayerns und Württembergs, seit etwa 1926 die Volksschullehrerbildung
in Form von Pädagogischen Akademien oder Pädagogischen Hochschulinstituten mit
18 Zitiert nach dem Manuskript der Rede, S. 6. Sammlung des Verbandes der katholischen Erzieher
des Saarlandes, Ablage 1950 — 1956.
19 Nach einer Notiz des Direktors im Kultusministerium, Professor Eugen Meyer, für Ministerprä-
sident Hoffmann. Sie datiert vom 15.5.1951. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten
des Ministerpräsidenten Nr. 299.
20 Vgl. oben, S. 103 f. und S. 190 f.
21 Vgl. dazu als Beispiel die programmatische Aussage des Verbandes der katholischen Erzieher zur
Lehrerbildung. Abgedruckt in: Der katholische Erzieher, Nr. 1/2, 1952, S. 244. Erwähnt sei in
diesem Zusammenhang auch die Klage Zenners in seiner Rede auf der Generalversammlung
seiner Organisation am 18. 11. 1953 über die vielfältige Herabsetzung, ja man kann fast sagen,
vielfältige Diffamierung des Lebrerstandes in weiten Kreisen der saarländischen Öffentlichkeit.
Manuskript der Rede, S. 3. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Ab-
lage 1950-1956.
237
dem Ziel einer anspruchsvolleren Ausbildung reformiert worden. Nachdem die National-
sozialisten im Jahre 1941 mit der Einführung der Lehrerbildungsanstalten im Grunde
wieder auf die alte seminaristische Form zurückgegangen waren, lebte nach 1945 die in
Weimar begonnene akademische Lehrerbildung rasch wieder auf. Neben Bayern blieb
nur das Saarland von diesem endgültigen Durchbruch zur Akademisierung ausgesperrt,
und es ist leicht verständlich, daß die saarländischen Lehrer wegen dieser groben Benach-
teiligung im Berufspolitischen über das normale Maß hinaus mit ihren Interessen, Sym-
pathien und Erinnerungen auf Deutschland hin ausgerichtet blieben. Deutlich wird das
vor allem bei den Auseinandersetzungen um die Lehrerbesoldung, die an der Saar zwar
nur wegen der geringeren Zahl von Beförderungsstellen und einiger Einstufungshärten in
Nuancen ungünstiger dastand als in den meisten Ländern der Bundesrepublik22, vom
Jahre 1952 an aber dennoch immer wieder mit Vergleichen problematisiert wurde, weil
sie von den Volksschullehrern in ihrer Interdependenz zu ihrer Berufsbildung gesehen
wurde23. So forderte selbst der gegenüber dem Hoffmann-Regime am wenigsten kritisch
eingestellte katholische Erzieherverband zu diesem Zeitpunkt ungeachtet einer soeben er-
folgten Besoldungserhöhung für Lehrer, die den saarländischen Haushalt mit der erkleck-
lichen Summe von 455 Millionen ffrs (= 5,5 Millionen DM>24 belastete25 26, unter ausdrück-
lichem Hinweis auf die Korrelation von Vorbildung und Besoldung: Die Lehrerschaft
würde es einhellig und freudig begrüßen, wenn die Verbesserungen unter Anpassung an
unsere Verhältnisse in demselben Rahmen geschähen wie in der Bundesrepublik26. Da die
saarländische Regierung in der Lehrerbildungsfrage aber untätig blieb, mündete die Be-
soldungsfrage in ein stetes Klagen ein, das für die Regierung deswegen unerwünschte
Folgen hatte, weil dadurch die von ihr erwünschte Identifikation der Lehrer mit den poli-
22 Vgl. dazu im einzelnen oben, S. 191 ff.
23 Für die seit 1951 geführten Kämpfe der Lehrerschaft um eine Wiedergutmachung von Ver-
schlechterungen der Einstufung usw. waren in erster Linie Gründe ideeller Art maßgebend. Der
katholische Erzieher, Nr. 1, 1954, S. 37.
Natürlich, die Lehrer wollten unter anderem ihre akademische Lehrerbildung, um in der Besol-
dungsfrage weiterzukommen. Interview E. Straus vom 24. 11. 1976.
24 Berechnet auf der Basis des Kurses, der vom 15. 1. 1952 bis zum 11. 8. 1957 gültig war.
25 Schreiben Meyers an Hoffman vom 6. 9. 1952. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei,
Akten des Direktors der Präsidialkanzlei, (V) A 1.
26 Der katholische Erzieher, Nr. 6,1952, S. 383.
238
tischen Zielen des saarländischen Autonomismus geradezu unmöglich gemacht wurde27.
Daran änderten auch die Höhergruppierungen einzelner Lehrergruppen im Zuge der Be-
soldungsreform vom Juli 195 5 28 nichts mehr, da diese Verbesserungen allzusehr im Ge-
ruch eines Wahlgeschenks standen. Dafür spricht nicht zuletzt der Eifer, mit dem vor
allem Innenminister Hector sich seit 1954 um die Lehrer kümmerte. Unter eindeutig
wahltaktischen Überlegungen versprach er auf mehreren CVP-Sonderveranstaltungen
für Pädagogen eine wohlwollende Behandlung der Lehrerbildungs- und Besoldungs-
frage29. Die Tatsache, daß sich ein ressortfremder Minister um die Belange der Lehrer
sorgen mußte, beweist überdies erneut, daß an der Saar nach 1951 ein wirkungsstarker
bildungspolitischer Gestaltungswille nicht mehr existierte.
2.3 Permanenter Zankapfel: Der französische Sprachunterricht
Ein weiterer Prüfstein für ein tragbares Verhältnis zwischen den Verantwortlichen in der
Bildungspolitik und der Lehrerschaft war und blieb der französische Sprachunterricht im
Volksschulbereich. Hoffmann gesteht in seinen Memoiren ein, daß es wegen dieser Frage
„auch in den eigenen Reihen“ bis zum Jahre 1955 heftige Diskussionen und scharfe Kritik
gegeben habe, um dann expressis verbis den hartnäckigen Widerstand der Lehrerschaft
zu erwähnen. In seinen Erinnerungen nennt Hoffmann über das damals hochgesteckte,
für ihn aber schon selbstverständlich gewordene Ziel, die allgemeine Volksbildung wegen
des Wandels zur internationalen Mobilität um fremdsprachliche Studien zu erweitern30,
noch zwei weitere Motive für seinen beharrlichen Kurs in der Sprachenfrage: erstens, die
Überwindung sprachlicher Trennlinien im Interesse der Verständigung mit dem französi-
schen Nachbarn, und zweitens, die bildungspolitischen Konsequenzen, die sich aus dem
„ständigen vielfältigen Austausch mit Frankreich“ aufgrund der bestehenden Wirt-
schaftsunion ergaben31. Mit ähnlichen Argumenten hatte im Jahre 1951 auch schon die
27 Beispiele herber Kritik an der Lehrerbesoldung, die von der Verbandspresse der Lehrer mit Blick
auf die besseren Verhältnisse in der Bundesrepublik geübt wurde, finden sich in: Der katholische
Erzieher, Nr. 4, 1953, S. 55; Nr. 1, 1954, S. 37; Nr. 4-6, 1954, S. 163 ff.; Nr. 8, 1954, S. 255
ff. sowie im Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer Lehrer Nr. 1,1953 (Januar) und Nr.
8,1954 (September). Vgl. auch die Denkschrift des Verbandes katholischer Erzieher zur Lehrer-
besoldung vom 25. 8.1952 (Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Ab-
lage 1946 — 1958), in der vor allem die Einrichtung von Beförderungsstellen und eine Anglei-
chung an die Besoldung der Studienräte gefordert wurde, und die Denkschrift zur Lehrerbesol-
dung der Arbeitsgemeinschaft der Volksschullehrerverbände des Saarlandes vom 28. 3.1953, in
der es u. a. heißt: Die Lehrerschaft des Saarlandes ist aufs tiefste enttäuscht, ja verbittert über das
völlig negative Ergebnis der Verhandlungen über die Wiederherstellung einer gerechten Lehrer-
besoldung. Die Denkschrift ist abgedruckt im Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer
Lehrer Nr. 4,1953 (April). Hingewiesen sei auch auf den vertraulichen Bericht Meyers an Hoff-
mann im Vorfeld der Landtagswahlen 1952 über die Unruhe in der Lehrerschaft wegen der Be-
soldungsfrage (Meyer an Hoffmann am 22. Juli 1952. LA Saarbrücken, Bestand der Staats-
kanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299), sowie auf das Protokoll über die Generalver-
sammlung der katholischen Erzieher am 18. 11. 1953, in dem von einer erschreckenden Unter-
bewertung ihrer Bildungsarbeit die Rede ist und auf die in der Bundesrepublik vorgenommene
mustergültige Neuregelung der Lehrerbesoldung Bezug genommen wird. Sammlung des Ver-
bandes katholischer Erzieher des Saarlandes, Protokollbuch, S. 3.
28 Gesetz Nr. 469 vom 19. Juli 1955.
29 Vgl. dazu als Beispiel den Bericht der Saarländischen Volkszeitung vom 28. 5. 1954 über eine
Lehrertagung der CVP-Kreispartei Saarbrücken-Stadt. Siehe auch Mitteilungsblatt des Ver-
bandes Saarländischer Lehrer Nr. 8, 1954 (September).
30 Vgl. oben, S. 200.
31 J. Hoffmann, Ziel, S. 149 f.
239
von Hoffmann herausgegebene Saarländische Volkszeitung die gezielte Förderung des
französischen Sprachunterrichts verteidigt32, womit deutlich wird, daß der von Straus im
Jahre 1946 begonnene sprachpolitische Kurs bei Hoffmann, auch wenn seine Motive zum
Teil anderer Natur waren33, durchaus seinen Rückhalt gefunden hatte. Die Stellung-
nahme des Blattes selbst war durch eine Leserzuschrift ausgelöst worden, die sich auf ein
Gutachten des namhaften Ethymologen und Romanisten Albert Dauzat bezog, in dem
sich dieser aus pädagogischen Gründen sehr zurückhaltend über die Möglichkeiten einer
zweisprachigen Bildung an elsässischen Grundschulen geäußert hatte. Dauzat befürwor-
tete zwar grundsätzlich eine Schulung in der deutschen Sprache im Rahmen eines ordent-
lichen Schulfaches neben der muttersprachlichen Bildung im Französischen, akzeptierte
einen solchen Schritt aber erst für den „Cours supérieur“, also vom sechsten Volksschul-
jahr an. Einen zu frühen Beginn fremdsprachlicher Bildung, etwa vom zweiten Schuljahr
an, hielt er aus lern- und entwicklungspsychologischen Gründen für verfrüht, da ein
Schüler in der Regel erst mit 12 Jahren in der Lage sei, eine zweite Sprache par la lecture
et par la grammaire zu erlernen34. Dauzats eindeutiges Votum für den absoluten Vorrang
der muttersprachlichen Bildung sowie sein pädagogisch motiviertes „Nein“ zu einem
Fremdsprachenunterricht im Bereich der unteren Schulklassen war natürlich Wasser auf
die Mühlen der saarländischen Lehrerverbände, die u. a. mit ähnlichen Begründungen die
Zulässigkeit und den Sinn eines zu frühen französischen Sprachunterrichts schon in der
Zeit der „Ära Straus“ infrage gestellt hatten35. Der Druck der Lehrerverbände nahm in
den Jahren danach kontinuierlich zu. Es gibt, so das Mitteilungsblatt des Verbandes Saar-
ländischer Lehrer im Januar 1955, keine Lehrerveranstaltung (auch bei den anderen Ver-
bänden), die sieb nicht mit der Erteilung des französischen Unterrichts in der Volksschule
beschäftigt36. Dabei zeigte sich bald, daß die ruhelose Suche nach einer theoretisch und
schulpraktisch akzeptablen Lösung dieses Problems letztendlich doch politisch motiviert
war.
Daran trugen allein schon die personalpolitischen Zwänge und Repressalien bei, die die
Regierung wegen des Französischunterrichts auch in den Jahren nach Straus ausübte37.
Im Unterschied zu damals wurde der Gegensatz nun aber weniger durch die Angst vor
einer kulturellen Entfremdung bestimmt ais vielmehr durch die Furcht vor einer zusätzli-
chen kulturpolitischen Trennlinie mit dem Mutterland. Provoziert wurde sie insbeson-
dere durch die Formel von der kulturellen Eigenart des Saarlandes, die nach dem Willen
der Regierung durch die umfassende Protektion des französischen Sprachunterrichts
einen besonderen Akzent erhalten sollte38. Die Fronten waren damit klar. Während die
32 Saarländische Volkszeitung vom 5. 1. 1951.
33 Vgl. oben, S. 107 ff. und S. 200 ff.
34 Die gutachtliche Stellungnahme Albert Dauzats unter dem Titel „La défense de la langue fran-
çaise“ ist abgedruckt in der Ausgabe von Le Monde vom 26. 4. 1950.
35 Siehe im einzelnen oben, S. 200.
36 Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer Lehrer Nr. 1, 1955 (Januar).
37 Zugestanden wurde im Januar 1954 lediglich der Wegfall der wissenschaftlichen Französisch-
Prüfung im Volksschullehrerexamen. Rundschreiben des Kultusministeriums an die Schulräte
vom 15. 11. 1954. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 52. Vgl. dazu auch
Mitteilungsblatt des Verbandes Saarländischer Lehrer Nr. 1, 1955 (Januar).
38 Vgl. hierzu Hoffmanns Ausführungen in seinen Erinnerungen auf S. 150 und die Stellungnahme
der Saarländischen Volkszeitung zum französischen Sprachunterricht vom 5.1.1951. Siehe auch
den propagandistisch aufgemachten Artikel der Saarländischen Volkszeitung vom 20. 10. 1955
über den französischen Sprachunterricht an Volksschulen.
240
Lehrerverbände im Interesse der Verbundenheit mit der kulturellen Entwicklung in
Deutschland unbedingt die muttersprachliche Bildung in der Volksschule und gewisser-
maßen auch in den anderen Schulbereichen in das absolute Zentrum der sprachlichen Bil-
dung rücken wollten, hielt die Regierung, wie Hoffmann in seinen Memoiren ausdrück-
lich bestätigt, aus politischen, pädagogischen und kulturellen Erwägungen „die Kenntnis
der französischen Sprache... für so wichtig, daß (für Lehrer) selbst ganzjährige Beurlau-
bungen genehmigt wurden, um an innerfranzösischen Schulen sich der Erweiterung und
Vervollkommnung der Kenntnis in der französischen Sprache widmen zu können39.
Der Gegensatz zwischen Regierung und Lehrerschaft in der Sprachenfrage bedeutet frei-
lich nicht, daß sich die Hoffmannregierung im Rückgriff auf geäußerte pädagogische
Kritik nicht um eine Reform des Französischunterrichts bemüht hätte. Am 14. Oktober
1952 schlug der saarländische Ministerpräsident in einem Schreiben an Grandval vor, den
Beginn des französischen Unterrichts in das dritte Schuljahr zu verlegen, damit bis dahin
die Elemente der schriftdeutschen Sprachregeln vermittelt werden können. Außerdem sei
es der Wunsch seiner Regierung, für alle Klassen einheitlich die Stundenzahl für den fran-
zösischen Unterricht auf vier Stunden festzusetzen. Die dadurch erreichte allgemeine Kür-
zung um eine Stunde solle dem Deutschunterricht zugute kommen, da es bei der augen-
blicklich vorhandenen Anzahl an Deutschunterrichtsstunden in der Oberstufe (der
Volksschule) nicht möglich (sei), gutes Schrifttum in genügendem Ausmaß als Ganz-
schrift lesen zu lassen. Hinzu komme, daß die weiterführenden Schulen und die Lehr-
herren dauernd berechtigte Klage über die mangelnden Rechtschreibe- und Ausdruck-
kenntnisse der aus der Volksschule zur Entlassung kommenden Schüler führen40. In
seinem Antwortschreiben vom 27.11.1952 erklärte sich Grandval spontan mit den beab-
sichtigten Änderungen einverstanden. Er verknüpfte seine Zustimmung aber mit der Be-
dingung, daß sich die nach Artikel 31,1 des Kulturabkommens zuständige gemischte
Kommission41 zunächst ausführlich mit den praktischen Einzelfragen der Neuerung be-
fassen müsse und daß die neuen Quantitäten (Beginn drittes Schuljahr, vierstündiges Wo-
chensoll) im neuzufassenden Artikel 21,1 des Kulturabkommens festzuschreiben seien42.
Die signalisierte Bereitschaft der französischen Seite zum Entgegenkommen43 führte je-
doch nicht zum Erfolg. Zwar gelang es, eine Verhandlungskommission zwecks Beratung
39 j. Hoffmann, Ziel, S. 151.
40 Hoffmann an Grandval - AA V 179/52 —vom 14. 10. 1952. Das Schriftstück ist von Hoffmann
eigenhändig paraphiert und trägt den Vermerk ab 20.10. LA Saarbrücken, Bestand Amt für aus-
wärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 104. Hoffmann griff in seinem Schreiben inhalt-
lich weitgehend die Argumente auf, die der Dezernent für das katholische Volksschulwesen im
Kultusministerium, Fleck, in seiner Stellungnahme zur Reform des französischen Unterrichts
vorgetragen hatte. Fleck an das Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten — V/EII —
F 25 — vom 18.9. 1952. LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und europäische Angele-
genheiten Nr. 104.
4! In diese Kommission waren jeweils drei saarländische und französische Vertreter zu berufen. Sie
sollten alle Fragen, die den Anwendungsbereich des Kulturabkommens betrafen, erörtern
dürfen.
42 Vgl. dazu Schreiben Grandvals an Hoffmann — 3622/S.C. - vom 27.11.1952, das in einer Zweit-
ausfertigung dem Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten zuging. LA Saar-
brücken, Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 104.
43 Eigentlich war die saarländische Regierung in der Bestimmung des Umfanges des französischen
Sprachunterrichts in ihren Schulen souverän, denn das Kulturabkommen aus dem Jahre 1948
enthielt sich hierzu jeder konkreten Stellungnahme (Vgl. oben. S. 165).
241
der vorgesehenen Änderungen der Eckdaten zu bilden, konkrete Gespräche hierüber
konnten aber nicht mehr durchgeführt werden, da, wie es in einer Stellungnahme des
Amts für auswärtige und europäische Angelegenheiten an das Kultusministerium vom 1.
6.1953 hieß, die übrigen Verträge (gemeint sind die am 20.5.1953 Unterzeichneten saar-
ländisch-französischen Konventionen, die die Vereinbarungen aus dem Jahre 1950 revi-
dierten, und über die seit Dezember 1952 verhandelt worden war) die gesamte Zeit in An-
spruch nahmen44. Eine andere Ursache für die Verharrung in Sachen französischer
Sprachunterricht ging auf den Schwebezustand zurück, in dem sich die Regelung des
Deutschunterrichts im Elsaß befand. Dies geht u. a. aus einer handschriftlichen Notiz
hervor, die sich auf dem vorher zitierten Schreiben des Amtes für auswärtige und europäi-
sche Angelegenheiten an das Kultusministerium vom 1. 6. 1953 findet. Dort steht zu
lesen, daß Herr Reg{ierungs) Rat Braun vom Kultusministerium (darum) bittet, die Ange-
legenheit (gemeint ist die Neuregelung des französischen Sprachunterrichts) ruhen zu
lassen, bis der Deutschunterricht im Elsaß geregelt ist und bis die im Gang befindlichen
Untersuchungen über Fremdsprachen-Unterricht im Europa-Rat zu Ende geführt
worden sind45.
Der nächste Vorstoß seitens der saarländischen Regierung erfolgte dann erst im Juni
1954. Hoffmann erweiterte dabei den Forderungskatalog gegenüber Grandval um die
Herabsetzung des Französisch-Unterrichts bei den Gewerblichen und Hauswirtschaftli-
chen Berufsschulen von bisher zwei Stunden pro Woche auf eine Stunde46. Gleichzeitig
wies er darauf hin, daß Professor Meyer in seiner Eigenschaft als Direktor des saarländi-
schen Kultusministeriums mit ausdrücklicher Billigung der Mission Diplomatique schon
auf der Generalversammlung des Verbandes katholischer Erzieher am 19. 11. 1952 das
erzielte Einverständnis zur Neugestaltung des Französischunterrichts (Beginn 3. Schul-
jahr/ vier Stunden je Woche für alle Jahrgänge) bekanntgegeben habe, womit Hoffmann
indirekt nicht nur auf die stark angewachsene Ungeduld der Lehrerschaft und der Öffent-
lichkeit in dieser Angelegenheit aufmerksam machte, sondern auch ihre sofortige Rege-
lung in seinem Sinne anmahnte. So forderte er dann auch konsequent, daß die bereits ge-
bildete gemischte Kommission ihre Arbeiten mit dem Ziele der vorerwähnten Abände-
rungen des Kulturabkommens unverzüglich aufnimmt47. Am 27. 9. 1954 teilte Ministe-
rialdirigent Braun vom Kultusministerium dem Direktor des Amtes für auswärtige und
europäische Angelegenheiten, Gotthard Lorscheider, mit, daß nach Vortrag der Herr Mi-
nisterpräsident ... damit einverstanden ist, daß die Frage des französischen Unterrichts an
Volks- und Berufsschulen nunmehr beschleunigt geklärt werde, um möglichst bald in der
von uns vorgeschlagenen Weise eine entsprechende Regelung für die Schulpraxis zu
finden48.
Das angestrebte Ziel, die Sollwerte des Französischunterrichts zu reduzieren, wurde frei-
lich auch jetzt nicht erreicht, so daß der alte Zustand bis zum Referendum unverändert
44 LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 104.
45 Ebenda.
46 Hoffmann an Grandval vom 25. 6. 1954. LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und eu-
ropäische Angelegenheiten Nr. 104. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 16).
47 Ebenda.
48 Braun an Lorscheider vom 27. 9. 1954. LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und euro-
päische Angelegenheiten Nr. 104.
242
bestehen blieb. Die Verhinderung der erstrebten Reform hatte sich die saarländische Re-
gierung aufgrund ihrer bis zum Sommer 1954 andauernden abwartenden Haltung selbst
zuzuschreiben, zumal sie damit der französischen Seite hinreichend Gelegenheit gab, die
Angelegenheit dilatorisch zu behandeln. Daß Paris es mit der Sprachenfrage selbst im
Jahre 1954 nicht eilig hatte, darauf deutet eine Notiz hin, die sich in der Niederschrift über
die Sitzung des Synodalvorstandes der evangelischen Kirchengemeinde Saarbrücken am
10. November 1954 findet. Sie beruht auf Mitteilungen des Oberkirchenrats Wehr über
ein am 4. 10. 1954 gehabtes Gespräch mit Hoffmann, in dessen Rahmen auch die Spra-
chenfrage angeschnitten worden war. Danach mußte Hoffmann, nachdem er den von
Wehr vorgetragenen pädagogischen Bedenken gegenüber dem gegenwärtig praktizierten
Französischunterricht zugestimmt hatte, einräumen, daß eine Neuregelung nur dann
möglich sei, wenn es gelänge, Paris über eine Änderung der Kulturkonventionen aus dem
Jahre 1948 zu bewegen49. Da es Hoffmann jedoch nicht gelang, mit der französischen
Seite eine neue Übereinkunft zu erzielen50, geriet er in eine prekäre Lage, weil eine unge-
duldig auf Reform drängende und sich zunehmend patriotisch findende Lehrerschaft und
Öffentlichkeit die Einlösung wiederholt gemachter Zusagen in dieser Angelegenheit for-
derte und dabei nicht davor zurückschreckte, die Frage nach der Glaubwürdigkeit seiner
Regierung zu stellen. So wurde er selbst vom eigentlich regierungsfreundlichen Verband
katholischer Erzieher mit massiven Beschwerden heftig attackiert. In einer Erklärung, die
der Vorstand dieser Organisation am 23. 2. 1955 veröffentlichte, heißt u. a.:
Trotz völlig eindeutiger Zusage an den Verbandsvorsitzenden am 18. 11. 1952, die auf
Veranlassung von Regierungsstellen auch durch Radio und Presse verbreitet wurde, ver-
schob man die Durchführung (einer Reform des Französischunterrichts im Sinne der Leh-
rerverbände) unter Angabe von wechselnden Gründen immer wieder, und es tauchen
daher begreiflicherweise ernste Zweifel auf, ob man überhaupt eine Änderung des gegen-
wärtigen Zustandes will51.
Daß die Auseinandersetzungen um den französischen Sprachunterricht über die pädago-
gische Diskussion hinaus einen politischen Hintergrund hatten, das beweisen schließlich
die immer wieder vorgetragenen Vergleiche mit der Situation im Elsässischen. Dort wurde
seit 1950, wie es die saarländischen Lehrerverbände in etwa adäquat auch forderten, der
deutsche Fremdsprachenunterricht fakultativ vom 4. Schuljahr an im Rahmen von zwei
Wochenstunden gelehrt.
Aber nicht nur darin unterschied sich die elsässische Situation von der saarländischen.
Während im Saarland eine Regelung ä la Elsaß von den Lehrerverbänden und einer
49 Niederschrift vom 10. 11. 1954. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3. Es handelt sich um einen Auszug. Vgl. auch Schreiben (Durchschlag) des
Oberkirchenrats Wehr an Hoffmann vom 30.10.1954, in dem er unter Bezugnahme auf sein Ge-
spräch mit Hoffmann seine vorsichtig vorgetragenen Bedenken gegen den Französischunterricht
in Volksschulen wiedergibt. Wehr argumentiert im Grunde ganz im Sinne der Lehrerverbände.
Die Quelle ist im Anhang (Anlage 18) wiedergegeben. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken,
Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
50 Eine Änderung erfolgte lediglich mit Blick auf die Aufnahmeexamen zur Sexta, bei denen vom
Jahre 1952 an zwar weiterhin Kenntnisse der französischen Sprache geprüft wurden, ein Nicht-
bestehen der Prüfung wegen der Leistungen im Französischen aber als nicht mehr möglich ver-
ordnet wurde. LÄ Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St. Wendel Nr. 23.
51 Der katholische Erzieher, Nr. 6,1955, S. 211. Vgl. hierzu auch die im Anhang wiedergegebene
Quelle Nr. 14.
243
breiten Öffentlichkeit sicherlich akzeptiert worden wäre, opponierten im Elsaß das „Syn-
dicat national des instituteurs“ und die französische Schulverwaltung selbst gegen diese
relativ bescheidenen Ansätze eines auf Zweisprachigkeit angelegten Bildungssystems und
dies, obgleich weite Teile der elsässischen Bevölkerung im Interesse der Absicherung ihrer
regionalen Sprachkultur ein noch höheres Maß an deutscher Sprachenlehre wünschten52.
Solche Sehnsüchte nach sprachlicher Identität vor dem Hintergrund einer komplizierten
Verkettung von deutschem Dialekt und zwei als lebensnotwendig anerkannte nationale
Hochsprachen im Rahmen eines intensiven regionalen Denkens53 gab es an der Saar nicht.
Hier war das Sprachinteresse der Bevölkerung in erster Linie auf die deutsche Mutter-
sprache gerichtet. Die rigide Sprachpolitik Frankreichs in seinen eigenen Grenzgebieten
und gegenüber einer Bevölkerungsgruppe, die offen für den zweisprachigen Bildungsweg
auftrat, auf der einen Seite, und seine in der saarländischen Öffentlichkeit als fordernd
und engherzig empfundene sprachpolitische Haltung gegenüber einer Bevölkerung, deren
Verhältnis zur Muttersprache, Kultur und Nation eigentlich festgelegt und intakt war, auf
der anderen Seite, mußte zwangsläufig die Glaubwürdigkeit einer Position erschüttern,
die ihre sprachpolitischen und sprachpädagogischen Ziele mit den Intentionen von Völ-
kerverständigung und Europa zu identifizieren suchte54. Im Grunde bildete der französi-
sche Sprachunterricht im Bereich der Volksschule die stärkste bildungspolitische Barriere
zwischen Regierung und Lehrerschaft. Darum sollen an dieser Stelle in einer Rekapitula-
tion die Gründe für diesen Gegensatz zusammengefaßt werden, um gleichzeitig die Gele-
genheit zu erhalten, am Detail zu demonstrieren, wie vielschichtig die wachsende Ent-
fremdung zwischen Regierung und Lehrerschaft motiviert war und warum die Lehrer
zwangsläufig und zunehmend auf Distanz zu einem autonomistischen Kurs und seinen
ihm eigentümlichen Vorstellungen von einem zukünftigen Europa gedrängt wurde:
Da wäre erstens die engherzig gehandhabte Lehrerbildung und -besoldung zu erwähnen,
die eine im Berufspolitischen äußerst sensible Volksschullehrerschaft in ihren zentralen
Anliegen in die Zeit vor Weimar zurückwarf. Ihr wurde eine als fortschrittlich und not-
wendig deklarierte Fremdsprachenschulung für breite Bevölkerungskreise übertragen,
die gewissermaßen diametral zur ideell-materiellen Unterbewertung ihres Berufes (z. B.
seminaristische Lehrerbildung) stand und schon aus diesem Grunde provozierend wirkte.
Diese Herausforderung erhielt durch die personalpolitische Begünstigung der im Franzö-
sischunterricht erfolgreichen Lehrer einen besonderen Akzent der Spannung.
52 Vgl. hierzu im einzelnen die Publizistik zu dieser Thematik im Bestand B VIII, Geschichte und
Landeskunde (Unter-Nr. 4: Sprache), der Zeitgeschichtlichen Sammlung Schneider/Becker. LA
Saarbrücken. Ob die im Schreiben des Amtes für auswärtige und europäische Angelegenheiten
an das Kultusministerium vom 1.6.1953 mitgeteilte Absicht, den Französischunterricht an saar-
ländischen Volksschulen parallel zur Entwicklung des Deutschunterrichts im Elsaß an vergleich-
baren Bildungseinrichtungen im Rahmen von vier Wochenstunden vom 3. Schuljahr an zu orga-
nisieren, einen realen Hintergrund gehabt hat, konnte leider nicht geklärt werden. LA Saar-
brücken, Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 104.
53 In diesem Zusammenhang sei auf die von K. H. Rothenberger vorgelegte Studie über die el-
sässisch-lothringische Heimat- und Autonomiebewegung in der Zeit zwischen den beiden Welt-
kriegen hingewiesen.
54 Vgl. dazu als Beispiel das Protokoll über die Philologenversammlung am 4. 11. 1953 in Saar-
brücken, in dem dieser Graben zwischen Lehrerschaft und Regierung in der kontroversen Dis-
kussion über die Sprachenfolge an Oberschulen deutlich wird. LA Saarbrücken, Zeitgeschicht-
liche Sammlung Schneider/Becker, Bestand B VIII.
244
Zweitens, eine klare Mehrheit der Volksschullehrerschaft sorgte sich aus pädagogischer
Überzeugung über den zu frühen Beginn des französischen Sprachunterrichts, den Um-
fang und seine Pflicht auch für schwächer begabte Schüler. Gleichzeitig bezweifelten sie
eine echte Effizienz des Fremdsprachenunterrichts an Volksschulen.
Die ungehemmte Protektion des Französischen, und damit wäre der dritte Punkt genannt,
ließ die Lehrerschaft eine bedrängte Stellung der muttersprachlichen Bildung befürchten,
eine tiefe Besorgnis, die nicht zuletzt durch die Angst vor einer möglichen kulturellen Ent-
fremdung gestärkt wurde.
Zu nennen wäre schließlich viertens die zwiespältige sprachpolitische Haltung Frank-
reichs im Elsaß einerseits und im Saarland andererseits. Sie ließ jeden Versuch, im Namen
der Völkerverständigung Sprachbarrieren abbauen zu wollen, unglaubwürdig er-
scheinen, weil der sprachpolitische Egoismus Frankreichs kein Vertrauen für ein solches
Aufeinanderzugehen aufkommen ließ.
Der Streit um den französischen Sprachunterricht zeigt einmal mehr, wie verwickelt die
Situation an der Saar in den Jahren von 1945 bis 1955 im allgemeinen und die bildungs-
politische Lage im besonderen gewesen ist. Erzieherischer Fortschrittswille und kulturpo-
litische Stabilität und Kontinuität, europäische Begeisterung und nationaler Argwohn,
idealistisch gesuchte Völkerverständigung und mißtrauisch befürchtete Verfremdung, re-
gionalistischer Gestaltungswille und nationalstaatliche Spekulation, ja, man könnte
schließlich noch hinzufügen, Vergangenheit und Zukunft lagen hier oft beieinander und
liefern ein diffiziles und zum Teil auch diffuses Erscheinungsbild, das im bildungspoliti-
schen Bereich auf der einen Seite sehr deutlich die Erfahrungen einer Grenzbevölkerung
in ihrem kurvenreichen Gang zur industriellen Gesellschaft im Zeichen nationalstaatli-
cher Rivalitäten aufzeigt, auf der anderen Seite aber auch den ehrlichen Willen, den euro-
päischen Weg im Rahmen supranationaler Ordnungseinheiten durch Bildung zu ebnen.
Die freie Selbstbestimmung als Saarländer und Europäer wäre sicherlich ein Weg ge-
wesen, der aus diesem Irrgarten des Wollens und Fürchtens herausgeführt hätte. Doch die
Anwälte eines solchen Kurses waren auch diejenigen, die die schwere Hypothek einer
immer schärfer kritisierten separatistischen Politik zu verantworten hatten. Gegen dieses
fait accompli war eine legale Opposition bekanntlich nicht zugelassen. Die zwangsläufige
Folge dieses Verbots der freien Selbstbestimmung, das von Hoffmann und seinen
Freunden zur Sicherung der heißersehnten selbständigen staatlichen Existenz als selbst-
verständlich, von einer zunehmenden Zahl von Saarländern jedoch als Ausdruck einer un-
erlaubten und unglaubwürdigen Politik gewertet wurde, waren Einschränkungen der per-
sönlichen Freiheiten, Parteienverbote und Gesinnungskontrolle55. Auch die Schule blieb
von diesen Vorgängen nicht verschont, womit ein weiterer wunder Punkt angesprochen
ist, der zur wachsenden Entfremdung zwischen Administration und Lehrerschaft in den
Jahren 1951 bis 1955 beigetragen hat.
55 Vgl. hierzu im einzelnen R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 250-480, J. Freymond, S. 64- 156, H.
Schneider, passim, insbesondere aber S. 265-365. Verwiesen sei auch auf die Rechtfertigung
J. Hoffmanns, Ziel, S. 268 ff.
245
2.4 Provozierte Opposition durch politische Disziplinierungsmaßnahmen
Auf der Generalversammlung des katholischen Erzieherverbandes am 18. 11. 1953 in
Saarbrücken attackierte sein Vorsitzender, Peter Zenner, in einer öffentlichen Rede scharf
die
bekannte Tatsache, daß schon in den ersten Monaten dieses Jahres über eine Reihe von
Leuten aus der Lehrerschaft auf nicht amtlichem Wege geheime Informationen durch
dienstlich nicht verantwortliche Personen in zahlreichen, ja in hunderten von Fällen an-
hand von bestimmten Bogen mit bestimmten Fragestellungen, vor allem bei der Volks-
schullehrerschaft, stattgefunden haben. Es ist nicht bekannt geworden, von welcher Stelle
der Antrieb zu dieser Form der Information ausging. Aber es ist doch so, daß dieser Vor-
gang eben das Gefühl der Sicherheit in der Lehrerschaft tief erschüttert hat, zumal, an-
scheinend als Abschluß dieser Aktion, eine sehr erhebliche Zahl von Lehrern versetzt
werden sollte, daß dann doch eine immerhin bedeutungsvolle Zahl versetzt wurde und
daß auch zwei Entlassungen vorkamen56.
Die von Zenner heftig angegriffene Disziplinierung aus politischen Motiven wurde von
der Lehrerschaft in engem Zusammenhang mit den Landtagswahlen vom November
1952 gesehen57. Gemaßregelt wurden insbesondere beamtete Lehrer, die im Wahlkampf
offen ihre Sympathien für die verbotenen prodeutschen Parteien von DPS (Liberale), CDU
und DSP (Deutsche Sozialdemokraten) geäußert und die Legalität der Wahlen infrage ge-
stellt hatten58. Zenner berichtet in seiner Rede darüber hinaus von Repressalien gegen
Junglehrer, die als Beamte auf Widerruf wegen illoyalen Verhaltens ohne... vorher gehört
worden zu sein und ohne ein rechtmäßiges Disziplinarverfahren gehabt zu haben, von
ihren Lehraufgaben entbunden worden seien59.
Die scharfen Proteste der Lehrerverbände und wohl auch die zahlreichen Vermittlungsbe-
mühungen katholischer und evangelischer Geistlicher veranlaßten Hoffmann dann
schließlich, eine wohlwollende Prüfung der „Disziplinarfälle“ zuzusagen60. Die Folge war
die Rücknahme von getroffenen Maßnahmen im Einzelfall. Die Weigerung der Regie-
rung, die Angelegenheit gänzlich zu bereinigen, sollte sich wie ein Bumerang für sie aus-
wirken. Sie vergiftete nämlich nicht nur das Beziehungsklima zwischen ihr und der Leh-
rerschaft vollends, sondern, und dies war für das Hoffmann-Regime viel nachteiliger, sie
machte einer verunsicherten Lehrerschaft endgültig bewußt, daß sie mit ihrer pädagogi-
56 Zitiert nach dem Manuskript der Rede, S. 6 f. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher
des Saarlandes, Ablage 1950 — 1956.
57 Bestätigt wird diese Feststellung in den Informationsschreiben des Vorsitzenden des Verbandes
Saarländischer Lehrer, Otto Früh, an Kirchenrat Wehr vom 29. 8. 1953. Dort heißt es, daß nun-
mehr das Gerücht Tatsache geworden sei, daß die Wahlen des November 1952 gewisse Vergel-
tungsmaßnahmen auslösen würden. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3.
58 Vgl. hierzu die in Anm. 57 angegebene Quelle. Vgl. hierzu auch H. Schneider, S. 391 f.
59 Wie Anm. 56 S. 7. Im Nachlaß Heinrich Schneider (Bestand Nr. 109) findet sich eine Notiz, der-
zufolge insbesondere Regierungsrat Erfurt (Leiter der Rechtsabteilung) und Ministerialdirigent
Braun für die politisch motivierten Disziplinierungsmaßnahmen verantwortlich zu machen
seien.
60 Vgl. dazu das gemeinsame Protestschreiben der saarländischen Lehrerverbände und des saarlän-
dischen Beamtenbundes an Hoffmann in seiner Eigenschaft als Kultusminister vom 29. August
1953. Es befindet sich in Abschrift im Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3. Vgl. hierzu auch Schreiben des Kirchenrats Wehr an Früh vom 28. 9.
1953. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 15).
246
sehen Arbeit im Grunde zwischen zwei nicht zu vereinbarenden Wertfronten stand. Ver-
langte Treue zum saarländischen Staat und das Verbot des Bekenntnisses zum nationalen
Deutschtum wurden hier zum Ausgangspunkt für ein Dilemma, das oft genug zur Nöti-
gung des Gewissens zwang, zumal die Lehrerschaft als Vermittler und Wahrer deutscher
Kultur in besonderer Weise und fast täglich mit der Sinnfrage für die gezogene Barriere
zur inzwischen wieder vollkommen intakten deutschen Staatlichkeit konfrontiert wurde.
Dal? dieser nun (1953) verstärkt einsetzende Weg in den Nonkonformismus durch den ge-
scheiterten Versuch, eine supranationale europäische Ordnungsstruktur zu schaffen
(1954), zusätzlich Auftrieb erhielt, weil eine Alternative zum nationalen Deutschtum da-
durch mehr oder weniger wegfiel, bedarf wohl kaum einer weiteren Erläuterung. Die
Trennwand zwischen Regierung und Lehrerschaft nährte sich zudem noch durch die ne-
gativen Begleiterscheinungen einer üblen Gesinnungsschnüffelei wie opportunistischer
Anpassungen und Denunziationen, in die auch ein im Saarland sehr bekannter Schulauf-
sichtsbeamter verwickelt war61 62. Eine durch Mißtrauen vergiftete Atmosphäre, politischer
Druck und zum Teil auch Drohungen sollten hier zu äußerst unerfreulichen Erfahrungen
werden. Sie steigerten den Groll der Lehrer auf einen Siedepunkt, ln welchem Ausmaß die
Beziehungen zwischen Regierung und Lehrerschaft schließlich im Vorfeld des Volksent-
scheids vom Oktober 1955 gestört waren, darüber informiert ein Protokoll über eine
dienstlich angeordnete Schulräteversammlung im Bereich des Kreisschulamts Ottweiler.
Etwa zwei Drittel dieser Aufzeichnungen widmen sich den galligen Vorwürfen des Mini-
sterialdirigenten Walter Braun vom Kultusministerium über die angeblich regierungs-
feindliche Denkungsart der saarländischen Lehrerschaft. Brauns Zorn galt vor allem den
Adventisten und Arrivisten, die immer auf etwas anderes warten; auf eine angeblich bes-
sere Zeit in kultureller und politischer Hinsicht. Mit aller Schärfe, so Braun, müsse auch
gegen die Unbelehrbaren vorgegangen werden, deren Zahl in der Lehrerschaft zwar nicht
groß sei, die aber verantwortlich dafür seien, daß die gesamte Lehrerschaft bei der Regie-
rung und in der Öffentlichkeit als politisch unzuverlässig gelte. Die Regierung müsse aus
diesem dissidierenden Verhalten ihre Konsequenzen ziehen, wobei er eine noch schärfere
Prüfung der politischen Zuverlässigkeit bei Personalentscheidungen ankündigte. Braun,
der zu den treuesten Gefolgsleuten Hoffmanns zu rechnen ist, kündigte dann zur Überra-
schung aller Anwesenden an, daß die Regierung künftig nur noch positive Mittel zur Sin-
nesänderung anwenden werde. Er versprach den Lehrern ein Ende der geheimen Dossiers
über politisches Verhalten, eine bessere Besoldung, günstigere Beförderungsdaten und
eine überzeugende Begründung für den autonomistischen Kurs seiner Regierung durch
Vorträge. Wir wollen, so Braun im Rückgriff auf eine Äußerung Hoffmanns, niemand zu
unserem Programm zwingen, aber er muß sich im Rahmen des Gegebenen mit den Tatsa-
chen abfinden61. Selbstverständlich wird man, vor allem wenn man die Geschichte der
Saar nach 1945 vom nationalen Standpunkt aus beleuchtet, die unverhohlene Kampfan-
sage von Braun als eines der vielen Beispiele anführen, um das saarländische Schicksal in
61 Genauere Einzelheiten im Brief des Schulrats Hard an Hoffmann vom 17. 1. 1954. LA Saar-
brücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299.
62 Protokoll über eine Lehrerversammlung, o. D. (wahrscheinlich Frühjahr 1955). LA Saar-
brücken, Bestand Kreischulamt Ottweiler Nr. 2. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 20).
247
seiner Fremdbestimmung und Unfreiheit zu brandmarken63. Doch die Frage der Libera-
lität allein, das muß an dieser Stelle erneut unterstrichen werden, reicht nicht aus, um den
Weg der Saar nach 1945 zu deuten. Die vielschichtige Problematik der saarländischen
Nachkriegsgeschichte, die aus Erfahrungen und Motiven wie Drang nach heimatlicher
Selbstverwirklichung, bodenständigem Christentum, Aversionen gegen den staatlichen
Zentralismus, Fremdherrschaft, Chauvinismus, Patriotismus, Grenzlage, Emigration
und Krieg erwuchs, fand sich in den Jahren 1952 bis 1955 in dem Gegensatz von natio-
naler und regionaler Orientierung wieder. Damit standen sich von der reinen Idealvorstel-
lung zwei unüberbrückbare Geschichts-, Gefühls- und Wertwelten gegenüber, die auch
die europäische Perspektive erfassen mußte. Die Ausgangslage war für die Regionalisten
und ihre Europaziele anfangs nicht ungünstig. Laut Umfrage des Instituts für Demoskopie
Allensbach bejahten im Herbst 1952 54 % aller Saarländer eine Europäisierung der
Saar64. Selbst der entschlossen gegen das Hoffmann-Regime kämpfende Deutsche Saar-
bund bestätigte im Jahre 1955 die bereits oben getroffene Feststellung65, daß es an der
Saar ... viele ehrlich und aufrechte „Europäer“ gebe66. Warum das Europa der Regiona-
listen an der Saar schließlich doch unterlag, das soll für den Lebensbereich Schule nun-
mehr im einzelnen untersucht werden.
3. „Europa“ verliert auch in der Schule
Schon die Geschichte der Saaruniversität hat gezeigt, daß das Europäische als Maßstab
und Vorstellung einer saarländischen Zukunft nebulös und nicht frei von egoistischen
Spekulationen war67. Dabei ist auch an dieser Stelle weniger an die Merkwürdigkeit einer
fanatisch verfochtenen saarländischen Staatlichkeit und ihrer ökonomischen Union mit
Frankreich als Vorbedingung für ein kommendes Europa oder an die Erschütterung der
Autorität gedacht, die Europa als vorgesehene Ordnungsmacht ausgerechnet durch den
Protektor der Saar, nämlich durch Frankreich hinnehmen mußte, indem sich dieses Land
im August 1954 einem kollektiven westeuropäischen Verteidigungssystem versagte, son-
dern eher an die im Saarland versuchte Ausrichtung des Alltags im Zeichen einer europäi-
schen Perspektive. Daß Europa hier von vornherein im Nachteil sein würde, das läßt
schon das stark getrübte Verhältnis zwischen Regierung und Lehrerschaft vermuten, dem
im vorherigen Kapitel in seinen Ursachen nachgegangen worden ist. Schon hier zeigte
sich, daß der Abstand zwischen pädagogischer Mitbestimmung und bildungspolitischem
Zwang sich als zu groß erwies, als daß es der Regierung Hoffmann hätte gelingen können,
eine überzeugende Sinnbestimmung für ein europaoffenes Bildungssystem zu liefern.
63 So etwa O. Früh in seiner harten Anklage des französischen Sprachunterrichts in den Volks-
schulen des Saarlandes, insbesondere auf S. 284.
64 Bericht des Instituts für Demoskopie Allensbach über die Stimmung an der Saar vom 30.1.1953,
S. 14, Bundesarchiv Koblenz, Z Sg. 132/206 II.
65 Siehe oben, S. 228 f.
66 Deutscher Saarbund e. V., Informationen und Hinweise II/9 vom 17.2.1955, S. 6. Bundesarchiv
Koblenz, Z Sg. 1.
67 Siehe oben, S. 223 ff. In diesem Zusammenhang sei an die Angriffe von Michel Debré und Karl
Mommer (SPD) gegen einen Weg der Europäisierung der Saar erinnert. Beide Politiker begrün-
deten ihre oppositionelle Haltung aus der Sicht der jeweiligen nationalen Interessenlage mit der
vagen Begrifflichkeit, die nichts anderes bewirke als Verzichte französischer bzw. deutscher Be-
lange. Vgl. dazu E. Kosthorst, S. 325 f.
248
Diese Schwäche erspürte die saarländische Lehrerschaft natürlich sehr bald, zumal sie als
erklärter Anwalt des Deutschtums einen immer stärkeren Strang zum nationalen Ge-
danken zog.
Außerdem versäumte es die saarländische Regierung, die Stellung ihrer Bildungspolitik
im Spannungsfeld von europäischer Verständigung und saarländischen Kulturinteressen
rechtzeitig zu definieren. Erst im Herbst des Jahres 1953 stellte sie im Zuge eines Nach-
trags erstmals Mittel zur Durchführung des Europa-Unterrichts in allen saarländischen
Schulen sowie in der allgemeinen Volksbildung einschließlich Jugendpflege bereit. Ausge-
worfen wurde ein Betrag von 10 Millionen ffrs (= 120 000 DM)68, der vornehmlich dazu
dienen sollte, in laufenden Lehrgängen nach und nach die Lehrer aller saarländischen
Schulen sowie die Jugendpfleger mit dem Gedankengut und der Methode eines wirk-
samen Europa-Unterrichts vertraut zu machen mit dem Ziele, in allen Schulen und in der
Volksbildung die Europa-Idee und das europäische Bewußtsein in Bälde lebendig werden
zu lassen69. Hauptverantwortlicher Wegbereiter des europäischen Gedankens in den
saarländischen Bildungsanstalten sollte das Europäische Institut der Universität des Saar-
landes werden, das dann in der Tat bis zum Jahre 1955 in Form von einwöchigen Lehr-
gängen und Arbeitsgemeinschaften eine solche Aufgabe übernahm. Der Themenkatalog
solcher Veranstaltungen, an denen in der Regel jeweils vierzig Lehrer teilnahmen, war
recht vielfältig, wobei Europa als Erziehungs- und Unterrichtsprinzip unter den verschie-
densten pädagogisch-psychologischen Aspekten abgehandelt wurde70. Eine nachhaltige
Bewußtseinswirkung zum Vorteil der europäischen Sache haben die Schulungen aber
ebenso wenig gehabt wie die Einführung einer Europa-Gedenkstunde in den Schulen am
5. Mai71 oder die Ankündigung eines europäischen Geschichtsbuches72. Wie gering das
Interesse der saarländischen Lehrerschaft an einer direkten Belebung der europäischen
Idee durch Schule oder durch persönliches Engagement war, das vermittelt eine Meldung
des Schulrats Diener (Ottweiler) an das Kultusministerium vom 18. 3. 1954, in der er die
Zusage von Lehrern zu Musterstunden für europäischen Unterricht mitzuteilen hatte.
Dort heißt es, daß sich keine Lehrkraft des Kreisschulamtes Ottweiler-St. Wendel II bereit
erklärt habe, Lektionen im Sinne eines europäischen Unterrichts zu halten73. Ein weiterer
Hinweis darauf, daß der nationalkulturelle Selbstbehauptungswille der saarländischen
Lehrerschaft als Deutsche stärker war als irgendeine verführerische Formel einer fragwür-
digen Gesinnungserziehung im saarländisch-europäischen Geist, findet sich im Protokoll
der Schulrätekonferenz vom 3. Oktober 1953. Dort steht zu lesen, daß ein saarländischer
68 Errechnet nach dem gültigen Kurs für den Zeitraum 15. 1. 1952 bis 11. 8. 1957.
69 Schreiben des Kultusministers Singer zwecks Herbeiführung eines Umlaufbeschlusses an den Mi-
nisterrat vom 17. März 1953. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Direktors
der Präsidialkanzlei, (V) A 1.
70 Das Programm für die pädagogische Arbeitstagung vom 14. -17. September 1953 lautete z. B.:
1. Über die psychologische Ausbildung zum Europäer (Prof. Dr. Boesch), 2. Der Geschichtsun-
terricht als Weg zur europäischen Gesinnung (Prof. Dr. Stadtmüller), 3. Die geistigen Kompo-
nenten der abendländischen Kultur mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands und Frank-
reichs (Prof. Dr. von Rinteln, Mainz), 4. Die Sprache als Tor zum europäischen Verständnis
(Prof. Dr. Klumb, Mainz), 5. Die wirtschaftlichen Grundlagen Europas (Prof. Dr. Senf). LA Saar-
brücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St. Wendel Nr. 14.
71 Rundschreiben des Kultusministeriums an die höheren Schulen des Saarlandes vom 30.4.1954.
LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St. Wendel Nr. 15.
72 Vgl. dazu den Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 11. 7. 1955.
73 Diener an Kultusministerium. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 14.
249
Verlag auf Geheiß der Regierung 400 000 Europahefte für die schulische Erziehungsar-
beit aufgelegt hätte, daß aber der Absatz sehr schlecht und das Interesse an diesen Heften
sehr gering sei74.
Die Front gegen ein Europa, das in den Augen der Lehrer möglicherweise nur auf Kosten
eines stabilen Deutschtums an der Saar zu haben war, organisierte sich auf zwei Ebenen.
Die eine bildete sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen eine Politik der Trennung
von Deutschland zugunsten einer eigenen europäisch disponierten Staatlichkeit sowie
einer von Frankreich konkret geforderten Wirtschaftsunion, weil sie darin die Gefahr
einer dauernden und nicht mehr reparablen Abkopplung vom kulturgeschichtlichen
Schicksal Deutschlands befürchtete, die andere erwuchs aus den Ärgernissen über die Bil-
dungspolitik im allgemeinen und aus den Verbitterungen über die berufspolitischen Zu-
rückstellungen der Lehrer im besonderen75. Im Jahre 1955 war die Entscheidung der
Lehrer gegen einen Saarstaat im Zeichen Europas endgültig gefallen. Wenn die eigentliche
Schulpolitik im allgemeinen Abstimmungskampf zum 23. Oktober 1955 auch nur ein
Randthema war, weil er im Bewußtsein der Saarländer vorrangig als Entscheidung für
oder gegen Deutschland bzw. für oder gegen das Hoffmann-Regime geführt wurde, so
kann man dennoch auch ohne Rückgriff auf statistische Wahlwerte sagen, daß eine relativ
hohe Zahl der saarländischen Lehrer im Interesse eines eindeutig deutschen Charakters
ihrer saarländischen Schule und wegen der berufspolitischen Enttäuschungen durch das
Hoffmann-Regime gegen das Saarstatut votiert haben wird. Dafür spricht nicht zuletzt
der zeitige Austritt namhafter Schulmänner wie Peter Zenner und Wilhelm Hard aus der
CVP und ihr Beitritt zu den sogenannten Heimatbundparteien in der Endphase des Ab-
stimmungskampfes76.
4. Die saarländische Bildungswelt aus deutscher Sicht
und in der Strategie deutscher Politik
„Die Tragik der Hoffmann-Regierung lag“, so der Rundfunkjournalist Werner Kern im
Jahre 1975, „unter anderem darin, daß er und seine Mannschaft bis zu den Pariser Ver-
trägen von 1953 immer wieder heftige Versuche unternahmen, dem Saarland auch eine
von Frankreich unabhängige staatliche Souveränität zu sichern — wirtschaftlichen An-
schluß allerdings mit einbegriffen. Als sich seit 1950 die Bundesrepublik in die Saarfrage
einschaltete, wurden die Hoffmann-Bemühungen um ein souveränes Saarland im diplo-
matischen Interessenausgleich zwischen Paris und Bonn mitleidlos zerrieben77“.
Die von Kern konstatierte Paralysierung der saarländischen Politik durch die wachsende
und im Zuge der westeuropäischen Integration auch als notwendig erkannte deutsch-
französische Annäherung ist zweifellos richtig; man muß jedoch hinzufügen, daß der po-
74 Protokoll der Schulrätekonferenz vom 3.10.1953. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ott-
weiler Nr. 2.
75 Daß Schulfragen im Abstimmungskampf höchst selten direkt angesprochen wurden, bestätigt
auch die Untersuchung von A. H. V. Kr aus über die Erörterung der Saarfrage in der Publizistik
der Jahre 1954/55. Vgl. dort insbesondere S. 313-400.
76 Interview W. Braun vom 4. 3. 1976. Über den Wechsel von Politikern, Honoratioren und hohen
Beamten von den „Ja“ - Parteien zu den „Nein“ - Parteien vgl. im einzelnen R. H. Schmidt,
Bd. 3, S. 362 ff.
77 W. Kern,S. 12.
250
litische Rückhalt der autonomistischen Bewegung an der Saar, wie diese Untersuchung
gezeigt hat, auch durch interne Gründe und Entwicklungen geschwächt wurde. Darüber
hinaus muß man ganz allgemein den Wechselbezug zwischen internen und externen Ein-
flüssen beachten. Diese Interdependenz muß, wie die Untersuchungen von Freymond78
und Kraus79 auch bestätigt haben, in den Jahren zwischen 1950 und 1955 vor allem für
das saarländisch-deutsche Verhältnis kalkuliert werden. Zur bundesrepublikanischen
Aufmerksamkeit gegenüber der Saar gehörte natürlich auch die saarländische Bildungs-
welt. Sie war zwar weitgehend im Zeichen deutscher Kulturtraditionen gestaltet worden,
verfiel hier aber dennoch auf breiter Front dem Zorn nationalen Denkens, weil sie in den
Augen ihrer besorgten Kritiker zur Stabilisierung der saarländischen Eigenstaatlichkeit
und der Wirtschaftsunion mit Frankreich mißbraucht wurde. Zum Anwalt der konse-
quenten Ablehnung des saarländischen Separatismus generell und seiner Bildungspolitik
im besonderen machte sich der im Jahre 1951 gegründete und in den Jahren 1953 bis 1955
sehr aktive überparteilich organisierte Deutsche Saarbund80 81.
Für ihn war es eine selbstverständliche patriotische Pflicht, sich mit allen verfassungsmä-
ßigen Mitteln jedem endgültigen oder vorläufigen Verzicht auf das Saargebiet zu wider-
setzenu. Aus diesem Generalanliegen nach Wiedervereinigung heraus attackierte er alle
bildungspolitischen Sonderentwicklungen an der Saar, von denen er eine Gefahr für das
nationale Deutschtum befürchten mußte. Dazu gehörte in erster Finie die besondere Stel-
lung des französischen Sprachunterrichts, die französischen Schulen in ihrem Charakter
als Bildungsanstalten für schulpflichtige saarländische Kinder82, die verschiedenen saar-
ländisch-französischen Austausch- und Begegnungsaktionen von Schülern, Fehrern und
Professoren, die französische Gönnerschaft im saarländischen Kulturleben, die man gänz-
lich im Sinne einer langfristig geplanten Romanisierung interpretierte, und schließlich die
Universität des Saarlandes, die sozusagen zum Inbegriff einer angenommenen „pénétra-
tion culturelle“ wurde83. Die Sorge um die Entfremdung der saarländischen Jugend von
der deutschen Sprache und Kultur und die argwöhnisch beobachteten Bemühungen der
Saarregierung um bildungspolitische Eigenständigkeit zogen sich wie ein roter Faden
durch die Stellungnahmen des Saarbundes zur saarländischen Kulturpolitik. Im Rahmen
seiner generellen Kampagne gegen die Verletzung der Menschenrechte und Freiheiten an
der Saar beklagte der Saarbund natürlich auch die politische Disziplinierung der saarlän-
78 J. Freymond, S. 223 ff.
79 A. H. V. Kraus, passim.
80 Im Jahre 1955 zählte der Deutsche Saarbund nach eigenen Angaben 17 Mandatsträger der CDU/
CSU im Bundestag oder Bundesrat, 15 der FDP, 17 der SPD, 10 des Gesamtdeutschen Blocks/
BHE und 5 der Deutschen Partei (DP). Nach Mitteilung des Deutschen Saarbundes 48/55 vom
12. 9. 1955. Bundesarchiv Koblenz, Z Sg. 1, 39/2.
81 Zitiert nach Mitteilung des Deutschen Saarbundes 73/54 vom 31. 12. 1954. Bundesarchiv Ko-
blenz, Z Sg. 1. Zur Geschichte, Struktur und zu den Zielen des Deutschen Saarbundes im ein-
zelnen R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 527 ff.
82 Siehe oben, S. 113 f. und S. 166 sowie die dortige Anm. 163.
83 Vgl. hierzu im einzelnen das umfangreiche Informationsmaterial des Deutschen Saarbundes aus
den Jahren 1953 bis 1955, insbesondere die Informationen zur Kulturpolitik 3/54 vom 1.6.1954
und 11/54 vom 16. 12. 1954 sowie sein Material zur Saarfrage Folge A/13 vom 12.7. 1953 (Po-
litik und Kulturpolitik). Diese Quellen sind auch Grundlage für die nun folgenden Ausfüh-
rungen. Vgl. auch das Schreiben des Deutschen Saarbundes an den Staatssekretär im Auswär-
tigen Amt, Walter Hallstein, vom 11. 3. 1954, in dem er gegen einen Briefwechsel einer Frei-
burger Hochschulgruppe, deren Ehrenmitglied Hallstein war, mit dem saarländischen Minister-
präsidenten Hoffmann protestiert. Bundesarchiv Koblenz, Z Sg. 1, 39/4 und 39/5.
251
dischen Lehrerschaft und die Vergewaltigung ihres Gewissens, weil man sie zwinge, im In-
teresse einer geistigen Separation zu unterrichten, die allein der Herrschaft eines landes-
verräterischen Regimes diene. Mit seiner vornehmlich für die Öffentlichkeit in der Bun-
desrepublik bestimmten Propaganda, die oft genug in agitatorischer Form vorgetragen
wurde, erreichte der Saarbund über die verschiedensten Kanäle bald auch die Saar und
stärkte hier den Widerstand gegen das Hoffmann-Regime. Die den Saarländern von
Frankreich gemachten Zugeständnisse wie Heimatrecht, Verwaltungshoheit und kultu-
relle Autonomie waren für den Saarbund lediglich taktische Instrumente, um die tatsäch-
liche Existenz der Saar als französisches Protektorat zu kaschieren und um, ähnlich wie
im Fall Elsaß-Lothringens, eine letztlich doch ins Auge gefaßte geistige Hinwendung der
Saarbevölkerung nach Frankreich durchzusetzen. Der Deutsche Saarbund hat ohne
Zweifel erheblichen Anteil daran gehabt, daß das von Vorurteilen und Ressentiments
nicht freie Bild eines aktiven französischen Kulturimperialismus an der Saar für die öffent-
liche Meinung in Deutschland bestimmend wurde84. Es wurde zur Quelle für einen kultur-
politischen Kreuzzugsgedanken, der in der Unterstützung des Deutschtums an der Saar
seine Erfüllung suchte und gegenüber den sogenannten Separatisten auf strikte Abgren-
zung drängte. Stimmen, die die Saar, wie Walter Dirks es im Jahre 1954 formulierte, als
„dritten Faktor85“, d. h. als eigenständige politische Potenz akzeptierten und respek-
tierten, hörte man in der Bundesrepublik höchst selten. Spezielle kulturpolitische Stel-
lungnahmen im Sinne von Dirks waren natürlich noch dünner gesät. Appelle für eine ge-
genüber der Saar offene und vorurteilsfreie deutsche Kulturpolitik las man am ehesten im
Rheinischen Merkur, der in seiner abendländisch-europäischen Ausrichtung und wegen
seiner Sympathien für christliche Politik gern dem Prinzip der Subsumierung der Saar-
frage unter europäischem Aspekt folgte und darum der Saarregierung gegenüber eine ver-
ständnisvollere Haltung einnahm. Dort war es vor allem Otto B. Roegele, der Chefredak-
teur des Blattes, der gegen den großen nationalen Kirchenbann zu Felde zog und eine ak-
tivere Kulturpolitik gegenüber der Saar verlangte. Im Jahre 1954 warnte er: So richtig es
ist, daß das Volk an der Saar deutsch spricht und fühlt, so richtig ist es auch, daß ein Baum
nicht gerade wachsen kann, wenn der Wind immer und stets nur von der einen Seite (ge-
meint ist die französische) weht*6.
Ausgeglichener als in der deutschen Öffentlichkeit waren die Meinungsgewichte zwi-
schen Separatistenächtung und dem Willen zur Verständigung und Annäherung in den re-
gierungsamtlichen Stellen gelagert, obwohl der Saarbund in dem von Jakob Kaiser gelei-
teten Ministerium für gesamtdeutsche Fragen und in der von Peter Altmeier geführten
Landesregierung von Rheinland-Pfalz starke Bastionen hatte. Vor allem das Bundesmini-
sterium Kaisers als Geburtshelfer des Deutschen Saarbundes87 entwickelte sich in den
Jahren bis 1955 zu einem Zentrum jener „nationalen Wiedervereinigungspolitik“, die
von Kosthorst in ihrem weniger vom Ziel dafür aber umso stärker von der politischen
Strategie her bestimmten Gegensatz zur Westeuropapolitik Adenauers gewürdigt worden
84 Vgl. hierzu J. Freymond, S. 265 ff.
85 Vgl. dazu den Beitrag von Walter Dirks in der Frankfurter Neuen Presse vom 12. 5. 1954 unter
dem Titel „Die Saar: der dritte Faktor“.
86 Rheinischer Merkur vom 28. 5.1954. Leitartikel „Verpaßte Gelegenheiten - Wir brauchen eine
aktivere Kulturpolitik“.
87 E. Kosthorst, S. 317.
252
ist88. Einer der Marksteine auf diesem von zum Teil heftigen Mißtönen begleiteten Weg
war der Briefwechsel zwischen Kaiser und Adenauer im Zeitraum Dezember/Januar
1952/1953, als die Saarfrage im Zuge der Landtagswahlen vom 30. November 1952, dem
französischen Saar Junktim (Januar 1953) und der beginnenden Spekulation um eine mög-
liche Ablehnung der EVG-Verträge durch Frankreich einen Grad an Brisanz und Kompli-
ziertheit erreichte, der eine dilatorische Behandlung des Konflikts nicht mehr erlaubte.
Die Fortsetzung des ziemlich ruppig geführten Dialogs, der von Kosthorst minuziös ge-
schildert und bewertet worden ist89, fand im Rahmen der CDU-Bundesvorstandssitzung
am 26. Januar 1953 in Bonn statt. Dort antwortete Adenauer auf die Offerte Kaisers, daß
er ein sehr dringendes Interesse daran habe, daß es zwischen dem Bundeskanzler und ihm
möglichst bald zu einer Annäherung, besser noch, zu einer Verständigung in der Saarfrage
kommen möge:
In bezug auf den Briefwechsel, verehrter Herr Kaiser, haben sie eigentlich offene Türen
aufstoßen wollen. Ich bin durchaus mit Ihnen der Auffassung, daß wir die deutsche
Kultur an der Saar betonen und auf dem Gebiete arbeiten sollen, und daß wir weiter ver-
suchen sollen, den Saar-Leuten auf wirtschaftlichem Gebiet möglichst Freiheit zu ver-
schaffen. Nur wenn wir den Leuten auf wirtschaftlichem Gebiet möglichst Freiheit ver-
schaffen, können wir erwarten, daß sich dort Institutionen oder Gremien entwickeln, die
nicht so völlig von Frankreich abhängig sind. Das ist doch der Gegensatz90.
Mit seiner scharf formulierten Replik eröffnete Adenauer einen Schlagabtausch, in dem
beide Politiker keinen Zoll ihrer unterschiedlichen Positionen in der Saarfrage preiszu-
geben bereit waren91. Selbst der von Adenauer festgestellte gemeinsame Wille zur Erhal-
tung der Saar als Land deutscher Kultur erwies sich bald als wenig tragfähig für eine Ver-
ständigung, da Adenauer unter der Formel Pflege der kulturellen Beziehungen mit der
Saar alles andere als die von Kaiser protegierte bloße Unterstützung der prodeutschen Op-
position verstand. Er wollte, um an der Saar Einfluß zu gewinnen, ohne Rücksicht auf die
von Kaiser immer wieder gestellte conditio sine qua non von Legitimation einerseits und
nationaler Treue und Selbstbestimmung andererseits materielle und geistige Kommuni-
kation pflegen, d. h., er distanzierte sich auch und gerade in der Frage möglicher deutsch-
saarländischer Kulturbeziehungen entschieden von der kompromißlosen Abgrenzungs-
strategie seines Ministers für gesamtdeutsche Fragen gegenüber den Saarseparatisten. Die
im Laufe der Jahre wachsende Kluft zwischen Adenauer und Kaiser in der Saarfrage ist
in ihren rechtlichen und politisch-moralischen Hintergründen sowie in dem erbitterten
Ringen der Kontrahenten um Kompetenzen in dieser Angelegenheit von Kosthorst einge-
hend untersucht worden92, so daß hier nicht näher darauf eingegangen werden muß. An
dieser Stelle braucht nur die unterschiedliche Bewertung des Naters-Planes93 durch beide
Politiker erwähnt zu werden, um die Fronten noch deutlicher zu machen. Dieser Plan zu
88 Vgl. hierzu E. Korsthorst, S. 312 ff.
89 Ebenda, S. 331 ff.
90 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 26. 1.
1953 zu Bonn, S. 194 f. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
91 Ebenda, S. 195 ff. Von einer Bereitschaft Adenauers zum Einlenken gegenüber Kaiserin der Saar-
frage, wie sie in dieser Phase von Korsthorst (S. 333) angenommen worden ist, war auf dieser
Vorstandssitzung nichts zu verspüren.
92 E. Korsthorst, S. 334 ff.
93 Siehe oben, S. 232 f und die dortige Anm. 6.
253
einer supranationalen Lösung der Saarfrage empfahl, und dies ist für die hier untersuchte
Thematik wesentlich, unter anderem auch ein Kulturabkommen zwischen der Saar,
Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, dessen Hauptzweck es sein sollte, die
deutsche Kultur und Sprache an der Saar in jeder Weise zu bewahren. Darüber hinaus
stand in ihm die Anregung, die Saaruniversität in eine europäische Universität umzuwan-
deln, deren Diplome von allen Mitgliedsstaaten des Europarates anerkannt werden94.
Während Adenauer die Vorschläge van Naters als einen ungeheurer (sic) Fortschritt be-
zeichnete, da die Leute an der Saar... vollkommen frei darüber (bezieht sich auf den Na-
ters-Plan insgesamt) abstimmen (können), ob sie das wollen oder ob sie es nicht wollen95,
war sich Kaiser im Gleichklang mit CDU-Politikern wie Altmeier und Zimmer sowie der
überwiegenden Mehrheit der SPD, DP und FDP darin einig, daß der Naters-Plan, wie es
Heinrich Schneider später einmal formulieren sollte, „völlig einseitig“ zugunsten Frank-
reichs ausgefallen und darum strikt abzulehnen sei96.
Die von Adenauer kalkulierte Möglichkeit, das Saarproblem im supranationalen europäi-
schen Rahmen lösen zu können, läßt sich auch in seinen Konzeptionen für einen kulturpo-
litischen Ausgleich mit der Saar erkennen. Während Kaiser und seine Mitstreiter jeden
Kontakt zwischen der saarländischen und bundesdeutschen Bildungswelt zu sabotieren
suchten, indem sie z. B. jedem deutschen Professor androhten, daß er seine Pensionsrechte
verlieren würde, wenn er einen Ruf der Universität des Saarlandes annehmen würde97,
ließ Adenauer schon um die Jahreswende 1952/53 durch seinen neuen Saarreferenten im
Außenministerium, Rudolf Thierfelder98, Pläne und Vorschläge entwickeln, die im Falle
einer Europäisierung der Saar auf eine gegenüber Frankreich gleichberechtigte Rolle der
Bundesrepublik in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen und auf eine Festi-
gung der Saar als Land deutscher Kultur im Rahmen starker kultureller Bindungen an die
Bundesrepublik hinausliefen99.
Dem Ziel enger kulturpolitischer Kooperation glaubte Thierfelder am besten durch einen
Kulturverbund innerhalb der kommenden EVG-Staaten näher zu kommen, in dem die
Bundesrepublik und die Saar zwar formell getrennt, in Sachen Kultur aber inhaltlich doch
gemeinsam auftreten sollten. Die Zustimmung zu einer solchen Form der Zusammenar-
beit verknüpfte er freilich mit einer Reihe von Vorbedingungen. Sie reichten von der For-
derung, das saarländisch-französische Kulturabkommen aus dem Jahre 1948 aufzu-
94 Dokument 225 der Assemblée Consultative des Europarates; deutsch nach „Allgemeiner Zei-
tungsdienst West“, Jg. II, Nr. 94 vom 15. 7.1954, Dokumentationsteil, Blätter 1-9 (Revidierte
Fassung des Naters-Plan vom 26.4. 1954). Zitiert nach R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 764.
95 Stenographische Niederschrift über die 2. Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 26.
4.1954 zu Bonn, S. 129p. Adenauer machte diese Aussage in einer Antwort auf eine Stellung-
nahme Altmeiers zur Saarfrage. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
96 H. Schneider, S. 223. Siehe auch J. Freymond, S. 238.
97 Interview Luitwin von Boch-Galhau vom 14. 3. 1978. Von Boch-Galhau beruft sich auf ein Ge-
spräch mit Kaiser im Jahre 1953, in dem Kaiser zum Thema Abordnung bundesdeutscher Profes-
soren nach Saarbrücken außerdem noch gesagt haben soll: Wenn einer geht, dann sorge ich
dafür, daß er keine Pension erhält.
98 Thierfelder war Nachfolger Gustav Strohms, den Adenauer von seinen Aufgaben als Saarreferent
des Auswärtigen Amtes im März 1952 suspendierte. Strohm stand in der Saarfrage Kaiser und
dem Saarbund nahe und war aus diesem Grunde Adenauer suspekt geworden. Vgl. dazu im ein-
zelnen E. Kosthorst, S. 317 f.
99 Die Herkunft der Quellen, auf die die nachfolgenden Ausführungen beruhen, kann leider nicht
erwähnt werden.
254
heben, über das Verlangen, alle kulturpolitischen Schranken zu beseitigen, bis hin zu der
Erwartung an die Saarländer, alle Ansprüche auf eine saarländische Eigenkultur aufzu-
geben, da Thierfelder gerade hierin die Gefahr einer heimatlich-provinziellen Kulturenge
sah, die nach seiner Auffassung letztlich zu einer kulturellen Heimatlosigkeit ä la Elsaß-
Lothringen führen müsse.
Thierfelder entwickelte aber auch konkrete Vorstellungen für die praktische Bildungsar-
beit, wobei er ebenso wie Kaiser und seine Mitarbeiter seine besondere Aufmerksamkeit
auf die Saaruniversität lenkte. Obwohl Thierfelder der Ansicht war, daß diese Hochschule
mit einem Einzugsgebiet von nur einer Million Einwohner kaum lebensfähig sei, bejahte
er dennoch ihre Existenz aus politischen Gründen. Nach seiner Ansicht gab es für die Zu-
kunft der Saaruniversität nur zwei Möglichkeiten: entweder wird sie zu einer besonderen
Hochschule für europäische Fragen degradiert, oder sie wird, und hier kalkulierte er, was
diese Untersuchung bereits bestätigt hat100, ihre Entwicklungsmöglichkeiten durchaus reali-
stisch, eine Landesuniversität in enger Anlehnung an den deutschen Universitätskreis, da die
französischen Universitäten kein lebendiges Interesse an ihr haben. Wenn sie, so Thier-
felder, nicht selbstbezogen, provinziell und steril werden will, so sei sie auf Dauer gera-
dezu auf den engen akademischen Kontakt mit bundesdeutschen Hochschulen ange-
wiesen. Die Hinwendung zur deutschen Universitätswelt zöge zwangsläufig eine Reform
der Lehr- und Prüfungsordnungen, die Anerkennung des Deutschen als dominierende Un-
terrichts- und Prüfungssprache und einen festen Grundstock an deutschen Lehrkräften
nach sich. Im Rahmen dieser Voraussetzungen bejahte er den Charakter der Universität
als europaoffene Bildungsanstalt. Als notwendig erachtete er auch eine Reform der Uni-
versitätsverfassung, wobei er im Rückgriff auf entsprechende vertrauliche Angebote des
französischen Außenministers Robert Schuman vom August 1952 der Ernennung des
Rektors, des Prorektors und des Präsidenten des Verwaltungsrates durch den europäi-
schen Ministerrat und einer paritätischen Zusammensetzung des Verwaltungsrates aus
Vertretern der deutschen Kultur und der französischen Kultur zustimmte. Bei einem Ver-
gleich der Überlegungen Thierfelders mit den hochschulpolitischen Interessen der saar-
ländischen Regierung ist sicherlich manche Kongruenz zu entdecken, vor allem was die
Personalpolitik und die Studiengänge angeht. Dennoch sollten diese Gemeinsamkeiten
nicht dazu verleiten, den Gegensatz im Politischen zu übersehen. Während Thierfelder im
Grunde mit seinen Vorschlägen längerfristig die Überwindung der saarländischen Eigen-
staatlichkeit im Auge hatte, suchte Saarbrücken den als notwendig erkannten Wandel der
Universität für die Stabilisierung seiner Existenz als Staat zu nutzen.
Die französischen Schulen sollten nach Thierfelder in europäische Anstalten umgewan-
delt werden, da im Zuge der Europäisierung des Landes die französischen Beamten durch
europäische ersetzt würden. Der französische Sprachunterricht in saarländischen Schulen
sollte nach seiner Auffassung im Interesse gutnachbarlicher Beziehungen seine Vorzugs-
stellung zwar behalten, aber dennoch auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden.
Ansonsten enthalten die Überlegungen Thierfelders, wenn man einmal von seiner gene-
rellen Forderung nach völlig offenen Grenzen des Saarlandes für deutsche Schulbücher
absieht, keine weiteren Hinweise zum allgemeinbildenden Schulwesen, womit erneut un-
100 Vgl. oben, S. 218 ff.
255
terstrichen wird, daß das öffentlich-rechtliche Bildungswesen an der Saar in den Jahren
bis 1955 in seinem deutschen Charakter unangetastet blieb.
Die von Thierfelder entwickelten kulturpolitischen Grundsätze für eine aus seiner Sicht
erfolgreiche Saarpolitik fügen sich reibungslos in das von Adenauer verfolgte Konzept
einer behutsamen Lösung der Saarfrage unter europäischem Aspekt ein. Dies wurde, wie
Repgen nachgewiesen hat, von dem Grundsatz beherrscht, daß Adenauer „bei aller West-
politik die Rücksicht auf die Wiedervereinigung (der Saar mit Deutschland) im Auge“ be-
hielt101, d. h., er zielte auf einen langfristig disponierten Lösungsprozeß mit dem letztend-
lichen Ziel der Rückkehr der Saar nach Deutschland, ohne dabei die Integration Westeu-
ropas gefährden zu wollen. Der in seinem Auftrag entwickelte Entwurf einer kulturpoli-
tischen Allianz zwischen der Bundesrepublik und dem Saarland paßte in diese auf Zeit
und Geduld angelegte Strategie ebenso wie seine wiederholten Appelle, den deutschen
Einfluß an der Saar durch Kontaktaufnahme mit den Saarländern aller Richtungen zu
pflegen oder sein hartnäckig vertretener Standpunkt, daß die Saarfrage erst endgültig im
Rahmen eines Friedensvertrages geregelt werden könne. Was Adenauer von seinen Kriti-
kern im Grunde unterschied, das war seine Entschlossenheit, die aus Krieg erneut gebo-
rene Saarfrage zu regeln, ohne Frankreich in seiner nationalen Empfindsamkeit zu
kränken und ohne Hoffmann und seine Freunde, deren Haltung er zwar nicht billigte aber
doch in ihren Motiven sehr wohl erspürte, einem Scherbengericht auszusetzen, ln seinem
Willen zum Ausgleich war er trotz scheinbaren Entgegenkommens eigentlich nie in Ge-
fahr, eine endgültige Separation der Saar zu akzeptieren102. Er war überzeugt, daß sich
101 K. Repgen, Adenauer, S. 83.
102 In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß Hoffmann auf dem Landespar-
teitag der CVP vom 12. bis 16. Januar 1955 in Saarbrücken für sich eine Übereinstimmung mit
Adenauer in der großen europäischen Politik reklamierte. Seine Interpretation des Pariser Ab-
kommens über die Saar vom 23. 10. 1954, das nun endgültig die saarländische Eigenstaatlich-
keit, die Wirtschaftsunion mit Frankreich und intakte kulturelle Beziehungen der Saar mit dem
deutschen Staat garantiert seien, zeigt aber, daß zwischen ihm und Adenauer eine Kongruenz der
Auffassungen im entferntesten nicht bestanden hat. Stellungnahme Hoffmanns nach Informa-
tionen und Hinweise II/2 des Deutschen Saarbundes vom 16. 1. 1955. Bundesarchiv Koblenz, Z
Sg. 1, 39/4.
256
eine positive Entwicklung in seinem Sinne letztlich nicht aufhalten ließ103. Diese Selbstsi-
cherheit gab ihm Rückhalt, sie war aber auch nicht ohne Risiko, wenn man, wie Adenauer
es tat, einen Selbstbehauptungswillen der Saarländer als Deutsche oft nur bedingt kalku-
lierte.
Mit Blick auf den 23. Oktober 1955 könnte man fast sagen, daß das „Nein“ der Saarbe-
völkerung zum europäischen Statut und das in ihm enthaltene „Ja“ zu einer Rückkehr
nach Deutschland für ihn zu früh kam. Gewollt hat er sie gewiß. Das saarländische Bil-
dungswesen stand nach diesem Votum, wie erinnerlich, nicht in seinem Kern, wohl aber
in seinen Sonderentw'icklungen aufgrund der 10jährigen saarländisch-französischen Zu-
sammenarbeit zur Disposition. Reformen waren hier nicht zu umgehen. Bevor sie jedoch
eingeleitet werden konnten, mußte man nicht nur die kulturellen Beziehungen zu Frank-
reich auf eine neue Grundlage stellen, sondern auch die bildungspolitischen Zwänge ab-
klären, die eine Teilhabe und Teilnahme am allgemeinen Leben der Bundesrepublik mit
sich zog. Die Hürden, die das Saarland hier zu nehmen hatte, sollen nunmehr im Rahmen
einer Bilanz betrachtet werden, die zum Schluß dieser Untersuchung über die Entwicklung
des saarländischen Bildungswesens von 1945 bis 1955 gezogen werden soll.
103 Daß Adenauer auf Dauer eine Saarlösung im deutschen Interesse wollte und erwartete, daß be-
legen eine Reihe von Aussagen von ihm im Bundesvorstand der CDU. Am 26. 1. 1953 sagte er
in einer Antwort auf Kaiser: Die einzige Möglichkeit, Herr Kaiser, die Saar wieder in irgendeiner
Form an uns heranzubringen, ist die, daß wir bis zum Friedensvertrag die Saar lösen von Frank-
reich, Auf keinem anderen Wege halte ich das für möglich. Wir müssen sie politisch von Frank-
reich lösen, und wir müssen versuchen, sie weitestgehend wirtschaftlich von Frankreich zu lösen.
Das übrige müssen wir dann der Entwicklung der Dinge an der Saar überlassen. Stenographische
Niederschrift über die Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 26. 1. 1953 zu Bonn, S.
201. Am 5. 2. 1955 erklärte er: Wenn wir also Vertrauen zur Saar haben, wenn wir wirklich
glauben, daß die Saarbevölkerung Deutsche sind, dann müssen wir auch der Auffassung sein,
daß die Saar, wenn in einigen Jahren Friedensvertragsverhandlungen kommen — und die werden
eines Tages kommen —, auch mit Mehrheit erklärt: wir wollen zu Deutschland zurück! Stenogra-
phische Niederschrift über die 1. Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 5. 2.1955 zu
Bonn, S. 27. Am 13.1. 1956, also knapp 3 Monate nach dem Referendum vom 23.10,1955 ver-
riet er seinen erstaunten Parteifreunden, daß er wegen der inzwischen geringen Aussichten auf
einen Friedensvertrag, die er nun mal nach dem Verlauf der Genfer Konferenzen (Genfer Gipfel-
konferenz vom Juli 1955 und Genfer Außenministerkonferenz vom Oktober/November 1955)
realistisch kalkulieren müsse, schon am 6. 10. 1955 gegenüber dem französischen Ministerprä-
sidenten Edgar Faure und seinem Außenminister Antoine Pinay im Rahmen einer Zusammen-
kunft in Luxemburg erklärt habe, nach drei, höchstens vier Jahren, gleichgültig ob ein Friedens-
vertrag geschlossen ist oder nicht, soll die endgültige Regelung durch eine Volksabstimmung
kommen. — Ich habe den Herren weiter gesagt: Sie können natürlich ohne ihr Kabinett zu fragen,
jetzt nicht sagen, wir sind damit einverstanden. Aber ich muß diese Forderung erheben, und ich
hoffe, daß Sie einsehen, daß das notwendig ist. — Und keiner der beiden Herren hat mir wider-
sprochen. Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesparteivorstandes am
13. 1. 1956 zu Bonn, S. 28. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn. Vgl. auch die Ausfüh-
rungen Hoffmanns über den Streit um die Auslegung des Saarstatuts. Sie bestätigen das hier Ge-
sagte aus saarländischer Sicht sehr deutlich. J. Hoffmann, Ziel, S. 394 ff.
257
F.
Der Übergang zur Bildungspolitik als Bundesland
Dadurch, daß Frankreich und mit ihm Hoffmann und seine Freunde die politischen Kon-
sequenzen aus dem Referendum vom Oktober 1955 zogen, indem sie den klaren Mehr-
heitswillen der saarländischen Bevölkerung gegen eine separate Staatlichkeit einer „euro-
päischen“ Saar im Rahmen der Oberhoheit der Westeuropäischen Union anerkannten
und ihn gleichzeitig als indirektes Plebiszit für eine Rückkehr der Saar nach Deutschland
hinnahmen, reduzierte sich die Liquidation der Saarfrage zu einer vorwiegend ökonomi-
schen Angelegenheit. Ihre Erledigung erfolgte nach langwierigen Verhandlungen in dem
am 27. Oktober 1956 in Luxemburg von Adenauer und dem französischen Ministerprä-
sidenten Guy Mollet Unterzeichneten Vertrag zur Regelung der Saarfrage. Ausgehend von
der Generalbestimmung, daß das Saarland zum 1. Januar 1957 politisch nach Deutsch-
land zurückkehrt und bis spätestens 31. Dezember 1959 auch wirtschafts- und währungs-
politisch, gab der Kontrakt der französischen Seite die von ihr geforderten ökonomischen
Garantien und Kompensationen an die Hand, die sie für eine allseits befriedigende Lösung
der Saarfrage geltend machte. Darüber hinaus erhielt sie noch einige Zusagen, die, wie
etwa die Schiffbarmachung der Mosel für 1500-Tonnenschiffe, zwar mit der Saarfrage
nicht zusammenhingen, die sie aber zur Vorbedingung für einen Ausgleich gefordert
hatte.
Die Regelung der künftigen saarländisch-französischen Kulturbeziehungen wird man im
Luxemburger Vertrag allerdings vergeblich suchen1. Sie blieben besonderen Verhand-
lungen zwischen Saarbrücken und Paris Vorbehalten. Die separate Neubestimmung der
saarländisch-französischen Kulturbeziehungen ergab sich zwangsläufig aus der neu zu
definierenden Souveränität des Saarlandes als künftiger Gliedstaat der Bundesrepublik
Deutschland; denn aus der Tradition des deutschen Verfassungsrechts heraus bestimmte
auch das Grundgesetz2, daß die Länder kulturpolitisch völlig selbständig und vonein-
ander unabhängig seien, also auch und gerade in der Gestaltung ihres Schul- und Ausbil-
dungswesens bis hin zu den wissenschaftlichen Hochschulen. Auszugleichen waren die
kulturpolitischen Interessen zwischen Paris und Saarbrücken insbesondere in Bezug auf
den französischen Sprachunterricht und hier vor allem auf seinen Stellenwert im Bereich
der Volksschulen, die französische Marechal-Ney-Schule in Saarbrücken und schließlich
hinsichtlich der künftigen finanziellen Beteiligung und Mitwirkung Frankreichs an der
Universität des Saarlandes. Wenn diese Fragen angesichts der generösen Haltung Frank-
reichs nach dem 23. Oktober 1955 auch auf den ersten Blick wenig problematisch
schienen, so wurde der neuen, seit dem 10. Januar 1956 unter Ministerpräsident Hubert
Ney amtierenden Saarregierung3 dennoch viel diplomatisches Geschick abverlangt, um
sie zu lösen.
1 Vgl. im einzelnen den Text des am 27. 10. 1956 in Luxemburg Unterzeichneten Vertrags mit An-
lagen und Briefen in französischer und deutscher Sprache, hrsgg. von der Regierung des Saar-
landes, Saarbrücken o. J. (1956).
2 Vgl. hierzu die Artikel 71 bis 75 des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949.
3 Vom 29. 10. 1955 bis zum 9. 1. 1956 amtierte ein Übergangskabinett unter Heinrich Welsch.
Seine Mitglieder waren sämtlich parteilos.
258
Beachten mußte sie einmal die Erwartungen Frankreichs nach gutnachbarlichen Bezie-
hungen, auf die es trotz oder gerade wegen der empfindlichen Abstimmungsniederlage
Wert legte. Eine harmonische kulturpolitische Begegnung zwischen dem Saarland und
Frankreich war hierzu eine unentbehrliche Voraussetzung. Daß Paris in dieser Hinsicht
Hoffnungen hegte, zeigte sich sehr deutlich am 11. Juli 1956, als der französische Bot-
schafter in Saarbrücken, Eric de Carbonnei4, in Begleitung Woeifflins im saarländischen
Kultusministerium vorsprach, um die künftigen Kulturbeziehungen zu orten. Nachdem
Kultusminister Egon Reinert den Willen seiner Regierung erläutert hatte, die bisherige
Vorzugsstellung des französischen Unterrichts abzubauen und ihn, ausgehend vom
Grundsatz der Gegenseitigkeit, nur noch in dem Maße zu fördern, wie sich der deutsche
Unterricht in den Ostprovinzen Frankreichs entwickele, und nachdem Reinert kundgetan
hatte, daß seine Regierung allerhöchstens drei Gastprofessuren statt der von Frankreich
gewünschten sechs ständigen Lehrstühle für französische Professoren mit Personal zuge-
stehen könne, zeigte sich de Carbonnei sehr bekümmert und erklärte, diese Vorschläge
könne er seiner Regierung überhaupt nicht weitergeben. Er sei zwar ... (der) Auffassung,
daß ein Junctim zwischen den Saarverträgen und einem Kulturabkommen (...) nicht zur
Rede stehe, daß aber eine allzu geringe Bereitschaft, mit Frankreich in kulturelle Bezie-
hungen zu treten oder die bestehenden wenigstens in einem Mindestmaß zu erhalten, psy-
chologische und politische Rückwirkungen auf die Saarverhandlungen und ihren Ver-
tragsabschluß haben werden. Erst die von Reinert angebotenen großzügigen Übergangs-
lösungen halfen dann der Besprechung über den toten Punkt hinweg und ließen den Bot-
schafter erklären, daß er mit seiner Regierung diese noch besprechen und am kommenden
Montag mit dem Herrn Ministerpräsidenten und mir (Reinert) weiter erörtern wolle 5 6.
Der damit bekundete Wille zur kulturpolitischen Verständigung ließ zwar auf einen bal-
digen Ausgleich hoffen, er war aber deswegen nicht einfach zu finden, weil die saarländi-
sche Regierung die Aversionen und Widerstände kalkulieren mußte, die in der Hoffmann-
zeit und vor allem im Abstimmungskampf gegen die französischen Kultureinflüsse ge-
wachsen waren und die nunmehr mit Fingerspitzengefühl abgebaut werden mußten. Wei-
tere Schwierigkeiten, die bildungspolitisch auf das Saarland zukamen, rührten direkt aus
seiner zu erwartenden Rolle als kommendes Bundesland her. So mußte die saarländische
Regierung bald zur Kenntnis nehmen, daß der Kulturaustausch mit Frankreich im Gegen-
satz zu früher nicht mehr ganzheitlich, sondern nur noch partiell möglich war. Diese Er-
fahrung sammelte zum Beispiel Kultusminister Reinert bei seinen Verhandlungen über ein
neues Kulturabkommen am 28. 6. 1956 im Quai d’Orsay, als ihm der Staatssekretär
Maurice Faure auf seine Forderung nach ausgeglichenen Kulturbeziehungen trocken
sagte, daß die Frage der Reziprozität eine Angelegenheit der französisch-deutschen und
nicht der französisch-saarländischen Verhandlungen bleiben müsseC Auch wenn man
4 Grandval hatte Ende Juni 1955, also drei Monate vor dem Referendum, das Saarland verlassen
und war als französicher Generalresident nach Marokko gegangen. Sein Nachfolger wurde Eric
de Carbonnei, der schon vorher einmal als Generalsekretär der Mission Diplomatique an der
Saar tätig gewesen war. Siehe oben, S. 131.
5 Aktenvermerk über die Besprechung am 11. 7. 1956, angefertigt von Reinert am 14. 7.1956. LA
Saarbrücken, Bestand KM - Mk 4803.
6 Zitiert nach der Niederschrift über die Verhandlungen der saarländischen Delegation im franzö-
sischen Außenministerium am 28. 6. 1956, S. 11. LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige
und europäische Angelegenheiten Nr. 383.
259
hier berücksichtigen muß, daß Reinert mit Blick auf die Vergangenheit mit seinem Ver-
langen nach einem gleichberechtigten Kulturaustausch politisch argumentierte und Faure
eher juristisch antwortete, wobei er allerdings in einem Atemzug den Wunsch seines
Landes unterstrich, daß die allgemeinen kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich
und der Saar doch wohl anders und intensiver sein sollten, als zwischen Frankreich und
den übrigen deutschen Bundesländern7, so wurde doch hier schon deutlich, daß an einer
Fortsetzung der engen und umfassenden kulturpolitischen Kooperation wie in den Tagen
Hoffmanns nicht mehr zu denken war. Wahrscheinlich wurde sie von einer starken Mehr-
heit der saarländischen Bevölkerung und ihrer Regierung auch nicht gewünscht, aber
auch diese gewollte Distanz konnte die Tatsache nicht verwischen, daß das Saarland künf-
tighin auf die an sich vorteilhaften Zusagen aus dem Kulturabkommen des Jahres 1948,
die insbesondere mit Blick auf die Hochschulfinanzierung ins Auge fallen, verzichten
mußte. Konsequenzen waren schließlich auch aus der kulturpolitischen Teilhabe des
Saarlandes an der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen.
Hier hatten die Länder nach 1945 ihre Souveränität in Kulturangelegenheiten noch
stärker als in der Weimarer Zeit gegenüber der Zentrafgewalt verfassungsrechtlich absi-
chern können. Damit hatten sich ihre Möglichkeiten, den Lebensbereich Bildung jeweils
entsprechend den gewachsenen historischen, sozialen und weltanschaulichen Strukturen
zu gestalten, noch verbessert. Gleichzeitig verstärkte sich aber auch die schon im späten
19. Jahrhundert in Deutschland einsetzende Erkenntnis, daß eine moderne Industriege-
sellschaft ohne ein gewisses Maß an Einheitlichkeit seiner politischen und sozialen Welt
kaum vorteilhaft zu organisieren ist. Sie hatte inzwischen so an Kraft gewonnen, daß kein
ernstzunehmender Bildungspolitiker sich dem Gebot versagen konnte, in der schulischen
Gesetzgebung und Verwaltung aufeinander Rücksicht zu nehmen. In den Westzonen
Deutschlands hatten die Kultusminister darum schon im Jahre 1948 nach dem Vorbild
des Reichsschulausschusses bzw. des Ausschusses für das Unterrichtswesen in der Wei-
marer Zeit eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft begründet, die als „Ständige Konferenz“
eine bundesstaatliche Verantwortung in der Kulturpolitik erreichen sollte8. Auf schuli-
schem Sektor fand dieser Koordinationswille einen vorläufigen Abschluß in dem
Staatsabkommen zwischen den Ländern zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schul-
wesens, dem sogenannten Düsseldorfer Abkommen vom 17. Februar 1955, auf das
später noch näher einzugehen sein wird. Wenn dieses Vertragswerk auch das
Prinzip historisch gewachsener Eigenentwicklungen im bundesdeutschen Bildungswesen
ausdrücklich anerkannte, so war seine Relevanz dennoch stark genug, um den schulpoli-
tischen Gestaltungswillen der Länder im Interesse gemeinsamer Zielsetzungen zu beein-
flussen. Das Bildungswesen an der Saar war aber, auch wenn es in seiner deutsch ge-
prägten Struktur und in seinem deutschen Charakter erhalten geblieben war, von diesem
Aufeinanderzugehen bis 1955 abgekoppelt gewesen. Zudem hatte es Sonderformen und
Abweichungen erfahren, so daß das Saarland sich von dem Generalanliegen der Kultus-
ministerkonferenz, Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit
dem Ziel gemeinsamer Willensbildung und der Vertretung gemeinsamer Anliegen anzu-
7 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 11.
8 Vgl. dazu Konferenz (1963/64), S. 254.
260
gehen9, zum Teil schon weit entfernt hatte. Dieser Abstand rührte aber nicht nur, wie man
vorschnell annehmen könnte, von der saarländisch-französischen Zusammenarbeit, son-
dern auch, und dies vielleicht sogar noch eher, von dem Hang des Hoffmann-Regimes her,
das Leben an der Saar im Sinne seiner tragenden Ideen von Religion und Heimat zu ge-
stalten.
Das Saarland befand sich um die Jahreswende 1955/56 bildungspolitisch in einer unange-
nehmen Zwangslage. Sie ergab sich einerseits aus dem Wunsch Frankreichs nach beson-
deren kulturellen Beziehungen als Ausgleichsbeitrag für seinen generellen Rückzug aus
dem Saarland sowie aus dem Erbe eines bildungspolitisch eigenwilligen Separatismus und
andererseits aus der Pflicht zur kommenden bundesstaatlichen Mitverantwortung in
Schul- und Bildungsfragen.
Ein genereller Wandel schulpolitischer Gestaltungsabsichten wurde durch die politischen
Konsequenzen der Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955 freilich nicht eingeleitet.
Das lag vor allem daran, daß die vom Personellen her stark katholisch geprägte Saar-
CDU, wenn man einmal von einigen national-prodeutschen Akzentuierungen absieht, in
Schulfragen auf die gleichen weltanschaulichen Positionen der alten Zentrumspartei zu-
rückgriff wie die CVP10, und daß die DPS unter Heinrich Schneider das Konfessions-
prinzip im Bildungswesen betont tolerierte11. Zudem erhielt das Kulturressort von nun an
stets einen eigenen Minister, und da es fortwährend von der CDU besetzt wurde, war auch
von der Regierungsseite her Kontinuität gesichert. Im Kabinett Hubert Ney, das am 10.
1. 1956 vereidigt wurde, hieß der Kultusminister Egon Reinert. Als er im Juni 1957 zum
Ministerpräsidenten bestimmt wurde, gelangte Dr. Franz-Josef Röder in dieses Amt, das
er dann bis zum 30. 4.1959 verwaltete, als ihm nach dem tragischen Tod Reinerts12 selbst
das Amt des Ministerpräsidenten angetragen wurde. Innerhalb des Kultusministeriums
kam es infolge der neuen Lage ebenfalls zu einigen personellen Verschiebungen. Der rang-
höchste Beamte, Ministerialdirigent Walter Braun, der sich energisch für den politischen
Kurs Hoffmanns exponiert hatte und dabei, nicht zuletzt wegen politisch motivierter Dis-
ziplinierungsmaßnahmen, in einen scharfen Gegensatz zur großen Mehrheit der saarlän-
dischen Lehrerschaft geraten war, wurde vorübergehend in den Wartestand versetzt. Er
kehrte im Jahre 1957 ins Kultusministerium zurück und übernahm hier die Leitung der
Hochschulabteilung. Hans Groh, der in der Hoffmannzeit diesem Dezernat vorgestanden
hatte, wurde im Jahre 1956 zum Ausscheiden veranlaßt13. Eugen Meyer, vom April 1951
9 Konferenz (1963/64), S. 254.
10 Vgl. hierzu das Parteiprogramm der CDU des Saarlandes aus dem Jahre 1952, den aktionspro-
grammatischen Aufruf der CDU-Saar vom 27. 7. 1955 im Hinblick auf das Referendum vom 23.
10. 1955 und das Parteiprogramm vom 12. 12. 1955. Abgedruckt bei R. H. Schmidt, Bd 1,
S. 598 - 601, S. 613 - 623.
11 Vgl. hierzu das Programm und die Ziele der DPS vom 27. 7.1955, insbesondere Abschnitt X. Ab-
gedruckt bei R. H. Schmidt, Bd 1, S. 606 — 609. Siehe auch die Texte auf den Wahlplakaten
der DPS zur Landtagswahl vom 18. 12. 1955, die Schmidt im Bd 3 auf S. 400 und 401 wieder-
gibt. Dort (S. 400) steht u. a. zu lesen, daß die DPS auch die unbedingte Aufrechterhaltung der
Konfessionsschule wolle.
12 Reinert verunglückte tödlich bei einem Verkehrsunfall.
13 Groh beantragte seine vorzeitige Pensionierung im Rückgriff auf Artikel 2 der politischen Be-
stimmungen des Luxemburger Vertrages zur Regelung der Saarfrage vom 27.10.1956 sowie der
dort in Anlage 1 getroffenen Vereinbarung über den Schutz von Personen. Interview W. Braun
vom 4. 3. 1976.
261
bis Dezember 1952 als Direktor der Erziehungsbehörde im Amt, übernahm vorüberge-
hend die Position von Braun, eine Stellung, die in ihrer Bedeutung inzwischen faktisch fast
zur Funktion eines beamteten Staatssekretärs angewachsen war. Sein Nachfolger wurde
am 1.4. 1956 Oberstudienrat Arnold. Mit Klaus Thewes, dem Zweiten Vorsitzenden des
Verbandes katholischer Erzieher, und Walter Abegg kamen zwei weitere Philologen ins
Kultusministerium, die als CDU-Mitglieder zu den erklärtesten Opponenten der Lehrer-
schaft gegen das Hoffmann-Regime gehört hatten. Thewes wurde enger Berater von Kul-
tusminister Reinert. Mitarbeiter im Kultusminsterium wurde auch Wilhelm Hard, der als
namhafter Schulaufsichtsbeamter im Vorfeld des Referendums seinen Übertritt von der
CVP zur CDU erklärt hatte.
Der machtpolitische Wechsel, der sich nach der Volksbefragung vom 23. Oktober 1955
vollzog und durch die Landtagswahl vom 18. 12. 1955 betätigt wurde, hat die saarländi-
sche Bildungspolitik ebensowenig von den dadurch gestellten Aufgaben der Neuorientie-
rung entlasten können wie die personellen Veränderungen im Kultusministerium. Aus-
gangspunkt konnte dabei selbstverständlich nur der kulturpolitische Ausgleich mit Paris
sein.
1. Kulturpolitischer Ausgleich zwischen dem Saarland
und Frankreich
Fast genau drei Monate vor Unterzeichnung des Luxemburger Vertrages am 27. Oktober
1956, nämlich am 28. Juni, traf eine saarländische Delegation unter Leitung des Kultus-
ministers Egon Reinert in Paris ein, um im Quai d’Orsay mit der französischen Seite über
Form und Inhalt der künftigen Zusammenarbeit auf dem kulturellen Sektor und über die
Folgen zu beraten, die sich aus der zu erwartenden Rückkehr der Saar nach Deutschland
kulturpolitisch ergaben. Begleitet wurde Reinert, der in Saarbrücken mit dem französi-
schen Botschafter de Carbonnei und dem Direktor der Kulturabteilung der Mission Di-
plomatique, Pierre Woelfflin, schon Vorgespräche geführt hatte, die auch die erwünschte
personelle Zusammensetzung der beiden Verhandlungsdelegationen betrafen, von dem
Geschäftsträger der noch amtierenden saarländischen Gesandtschaft in Paris, Ewald
Etzler, ferner von Eugen Meyer, und von Oberstudienrat Arnold, der inzwischen (1.4.
1956) als Nachfolger Meyers zum ranghöchsten Beamten im Kultusministerium ernannt
worden war. Die französische Verhandlungskommission wurde von Jean Baillou, dem
Direktor der Kulturabteilung tm französischen Außenministerium, geleitet. Ihm zur Seite
standen Pierre Charpentrat (Kulturabteilung im französischen Außenministerium), Eric
de Carbonnei (französischer Botschafter in Saarbrücken), Pierre Woelfflin (Direktor der
Kultusabteilung der französischen Mission in Saarbrücken), François Leger (Hochschul-
referent in der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Saarbrücken) sowie
Tanguy de Courson de la Villeneuve, der Leiter der Unterdirektion Saar im Quai d’Orsay.
Die Tagesordnung, die zuvor zwischen Reinert und de Carbonnei abgesprochen worden
war, sah drei Schwerpunkte vor: den französischen Sprachunterricht in den Volks-
schulen, die Maréchal-Ney-Schule in Saarbrücken und die künftige französische Beteili-
gung an der Universität des Saarlandes14.
14 Nach Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 1 f. Vgl. hierzu auch oben S. 259 und R. H.
Schmidt, Bd. III, S. 533.
262
Am schnellsten waren sich die Verhandlungsdelegationen erstaunlicherweise in der Frage
des französischen Sprachunterrichts einig. Schließlich hatte er in den vergangenen Jahren
die Gemüter am stärksten erhitzt. Über diesen guten Start war in erster Linie die saarlän-
dische Seite erleichtert; denn in dieser Angelegenheit stand sie besonders unter Druck.
Verpflichtet fühlte sie sich insbesondere der saarländischen Volksschullehrerschaft, die
nach dem Referendum natürlich ihre Chance für eine Reform des französischen Spra-
chunterrichts in Volksschulen erkannt hatte und sie nun auch in Anlehnung an früher ar-
tikulierte Veränderungswünsche15 mit Vehemenz forderte. Danach sollte der Sprachun-
terricht erst mit dem 5. Schuljahr beginnen, nur für Schüler mit mindestens befriedigenden
Noten in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik auf freiwilliger Basis möglich und
auf vier Stunden wöchentlich begrenzt sein. In der Berufsschule sollte er im Rahmen von
wöchentlich zwei Stunden fakultativ angeboten werden16. Wenn die Lehrerverbände
damit auch zweifellos weitreichende Forderungen stellten, so haben sie dennoch das un-
bestritten fortschrittliche Prinzip einer breiten fremdsprachlichen Schulung nicht elimi-
nieren wollen. In diesem Sinne hat auch Reinert die saarländische Position in Paris ver-
treten. Er folgte den Vorgaben der Lehrerverbände bezüglich des Beginns, Umfangs und
freiwilligen Charakters sowie der Bedingung, daß nur begabtere Schüler am französi-
schen Sprachunterricht teilnehmen sollten. Die französische Seite akzeptierte diese Reform-
erwartungen hinsichtlich des Französischunterrichts in Volksschulen ohne Widerstand,
reklamierte aber für die Sicherung seines Stellenwertes einige Garantien. So sollte die vor-
gesehene Zustimmungspflicht der Eltern für eine Teilnahme ihrer Kinder am Franzö-
sischunterricht auf ein Widerspruchsrecht abgesenkt, die organische Einordnung der
Fremdsprachenschulung in die Stundentafel verbürgt und eine zusätzliche Stundenzahl-
belastung für französische Sprachenschüler vermieden werden. Gegen die Einbeziehung
des französischen Sprachunterrichts in die normale Wochenstundenzahl machte die saar-
ländische Delegation geltend, daß dann das Prinzip der Freiwilligkeit durchlöchert sei.
Aus diesem Grunde könne sie ihre Zustimmung nicht geben. Volle Übereinstimmung er-
zielten die Verhandlungspartner dagegen über den Stellenwert der französischen Sprache
im höheren Schulwesen. Dort sollte das Französische als erste Fremdsprache seinen Platz
behalten17.
Meinungsverschiedenheiten gab es dagegen wiederum über die Zukunft der Marechal-
Ney-Schule. Während die französische Seite im Interesse der Lebensfähigkeit dieser An-
stalt auf ein großzügiges Aufnahmerecht mit Blick auf schulpflichtige saarländische
Kinder hoffte, stellte sich die saarländische Delegation auf den Standpunkt, daß die Ma-
rechal-Ney-Schule den Charakter einer französischen Schule habe, die aus verfassungs-
rechtlichen Gründen künftighin ohne saarländische Kinder auskommen müsse. Erst als
die französische Seite ankündigte, daß sich die Lehrpläne, Stundenzahl und auch die Prü-
fungsanforderungen der Anstalt bald an die der höheren Schulen des Saarlandes anglei-
chen würden, konnten die Standpunkte etwas angenähert werden. In Aussicht genommen
wurde eine Zulassung deutscher Schüler vom 14. Lebensjahr an. Das Recht auf eine deut-
15 Vgl. oben, S. 239 ff.
16 Vgl. dazu das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der saarländischen Lehrerverbände an das Kul-
tusministerium vom 24.1.1956. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes,
Ablage 1950-1956.
17 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 5.
263
sehe Reifeprüfung wollte die saarländische Seite dem gymnasialen Zweig der Marechal-
Ney-Schule vorerst jedoch nicht zugestehen.
Wichtigster Verhandlungspunkt war natürlich die Universität des Saarlandes. Die von der
Saardelegation angekündigte Umwandlung der Universität in eine Landesuniversität,
wurde, wie es im Protokoll lakonisch heißt, von französischer Seite zur Kenntnis ge-
nommen1&. Ähnlich gleichgültig nahm die französische Seite die Mitteilung einer vorgese-
henen Reform der Universitätsverfassung im Zeichen einer deutsch geprägten akademi-
schen Selbstverwaltung auf. Umso interessierter zeigte sie sich für die Frage nach dem
künftigen Anteil französischer Professoren am Lehrkörper der Universität. Da die saar-
ländische Delegation den Vorschlag eines satzungsmäßig verankerten französischen In-
stituts19 ebenso ablehnte wie das Angebot von Stiftungslehrstühlen ..., die von der franzö-
sischen Regierung bezahlt und besetzt werden sollten, wobei die saarländische Regierung
außer einer Vorschlagsliste das Auswahl- und Ernennungsrecht haben sollte10, einigte
man sich schließlich auf ein Quantum von sechs Lehrstühlen, die unter saarländischer
Regie nach den Normen der neuen saarländischen Hochschulgesetze mit französischen
Professoren besetzt werden sollten18 19 20 21. Das war für die französische Seite an sich ein ma-
geres Ergebnis, das vor allem auf die etwas engherzige Haltung der saarländischen Dele-
gation zurückzuführen war. Hier zeigte sich eine Reserve, die ihre Wurzeln in den noch
sehr starken Ressentiments hatte, die die für den Zeitraum bis 1955 vermutete Romanisie-
rungspolitik Frankreichs entstehen ließ und die noch lange an der Saar lebendig bleiben
sollten. Diese schmerzlichen Nachgefühle zeigten sich am deutlichsten in der von Reinert
wiederholt vorgetragenen Forderung nach einem „echten“ Kulturaustausch22, die jedoch
vom Verhandlungspartner stets mit dem Hinweis auf das umfassendere Programm des
deutsch-französischen Kulturabkommens zurückgewiesen wurde. Wenn diese Konferenz
auch noch keine endgültigen Ergebnisse zeitigte, so kann man dennoch sagen, daß die
saarländische Seite dort insgesamt recht erfolgreich verhandeln konnte. Die Fronten für
ein neues Kulturabkommen waren praktisch so abgesteckt, daß eine besondere Belastung
der kulturpolitischen Gestaltungshoheit des Saarlandes unwahrscheinlich geworden war.
Der für die saarländische Seite gute Verlauf der Verhandlungen gründete letztlich in der
deutlich erkennbaren Absicht Frankreichs, die „Akte“ Saar ohne viel Aufhebens zu
schließen.
Dies wurde vor allem in der abschließenden Besprechungsrunde spürbar, als auf franzö-
sischer Seite der Staatssekretär im Quai d’Orsay, Maurice Faure, die Verhandlungsfüh-
rung übernahm und den Dialog mit dem Wunsch Frankreichs eröffnete, die Saarverträge
18 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 7.
19 Schon im Mai 1956 hatte Frankreich im Rahmen von diplomatischen Konsultationen mit dem
Bonner Außenministerium ein komplettes französisches Institut innerhalb der Saaruniversität
gefordert. Nach Protokoll über die Besprechung der Staatssekretäre Hallstein und Faure am 15.,
16. und 17. 5. 1956 in Paris, S. 6. Darüber hinaus forderte Frankreich damals, daß der französi-
sche Unterricht an den Schulen in allen Stufen begünstigt und ein deutsch-französisches Lyzeum
in Saarbrücken errichtet wird. Ebenda, S. 6. LA Saarbrücken, Bestand KM - Mk 4803.
20 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 7.
21 Davon sollten drei an der philosophischen, zwei an der naturwissenschaftlichen und einer an der
juristischen Fakultät eingerichtet werden. Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 8.
22 Vgl. dazu auch seine Ausführungen vor dem Landtag des Saarlandes bei der Beratung einer
Großen Anfrage bezüglich der kulturellen Forderungen Frankreichs am 10. 7. 1956. Stenogra-
phische Berichte, 3. Wahlperiode, 19. Sitzung, S. 525 f.
264
möglichst schnell abzuschließen, nicht mehr in die Vergangenheit zurückzublicken und
die Zukunft ins Auge zu fassen, weil es eine Reihe dringlicher europäischer Angelegen-
heiten gebe, die im europäischen Geist behandelt werden müßten12. Mir dieser Grundsatz-
erklärung nahm Faure den Verhandlungen bewußt die letzten Reste an Schärfe, und so
wundert es nicht, daß beim Abschluß der Verhandlungen, die auf französischen Wunsch
hin als streng vertraulich zu behandeln vereinbart wurden, nur noch ein Streitpunkt übrig
blieb, nämlich die Frage, ob, wie von französischer Seite gefordert, saarländische Kinder
schon mit 10 Jahren Aufnahme in der Maréchal-Ney-Schule finden dürften.
Die vorläufigen Ergebnisse der Pariser Erörterungen sind nach einigen Modifikationen in-
haltlich weitgehendst in das saarländisch-französische Kulturabkommen vom 26. Ok-
tober 1956 übernommen worden. Diese Übereinkunft, die durch Austausch von gleich-
lautenden Briefen zwischen Reinert und de Carbonnei Rechtskraft erlangte, stand zwar
außerhalb der Luxemburger Saarverträge vom 27. 10. 1956, weil Bonn für Schulfragen
keine Zuständigkeiten hatte. Sie war aber schon in den Pariser Verhandlungen am 28.
Juni von der französischen Seite als Vorbedingung für die anderen Verträge über die Re-
gelung des Saarproblems gemacht worden23 24. Die bemerkenswertesten Veränderungen ge-
genüber Paris betrafen den französischen Sprachunterricht an Volksschulen und das
Französische Institut25. Für den Sprachunterricht wurde die Wochenstundenzahl auf min-
destens zwei festgelegt, womit die Pariser Absprachen noch um zwei Stunden unterboten
und sozusagen elsässische Verhältnisse26 erreicht waren. Dem Entgegenkommen Frank-
reichs standen freilich saarländische Zugeständnisse gegenüber. So verpflichtete sich die
saarländische Seite, die Stunden des französischen Sprachunterrichts soweit technisch
möglich, in die Unterrichtsstunden des allgemeinen Lehrplans einzubeziehen. Das Zu-
stimmungsrecht der Eltern wurde ziemlich neutral formuliert, so daß restriktive Ausle-
gungen nicht möglich waren27 * 29. Die in Paris in Aussicht genommene Einrichtung von sechs
Universitätslehrstühlen für französische Professoren wurde formell nicht in das Abkom-
men aufgenommen. Vertraglich vereinbart wurde dagegen die Gründung eines “Instituts
d’Etudes françaises de Sarrebruck“, dessen Aufgabe es sein sollte, zur Lehre der französi-
schen Sprache, Literatur und Kultur beizutragen sowie die Kenntnisse des französischen
Rechts und französischer naturwissenschaftlicher Zeitfragen zu vermitteln1*. Wenn zwi-
schen der neuen Einrichtung und der Saaruniversität auch keine organische Verbindung
bestehen sollte, so erklärte man dennoch eine enge Zusammenarbeit für wünschens-
wert19. Aus diesem Grunde vereinbarte man konkret programmatische Absprachen zwi-
schen Institut und Universität sowie Nießrechte des Instituts an den Räumen der Univer-
sität. Optisch erreichte Frankreich mit der Vereinbarung über ein Französisches Institut
23 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 10.
24 Ebenda, S. 15.
25 Vgl. hierzu den Text des saarländisch-französischen Kulturabkommens vom 26. 10. 1956.
Drucksache Abt. II, Nr. 148 des Saarländischen Landtags. Abgedruckt bei R. H. Schmidt, Bd.
3, S. 803 ff.
16 In den elsässischen Schulen begann der deutsche Sprachunterricht im 4. Schuljahr mit einem Wo-
chensoll von zwei Stunden.
2 Saarländisch-französisches Kulturabkommen vom 26. 10. 1956. Zitate nach R. H. Schmidt,
Bd. 3,S. 804.
2!i Ebenda, S. 805. Über die Trägerschaft des Instituts haben die französische und die saarländische
Regierung erst am 17. 1. 1966 einen Vertrag geschlossen.
29 Ebenda, S. 805.
265
eine wesentliche Verbesserung der Pariser Absprachen. Dort waren seine Vorstellungen
von einer solchen Einrichtung, die freilich damals im Sinne einer universitätsverbundenen
Anstalt vorgetragen worden waren, von der saarländischen Delegation nicht akzeptiert
worden30. Kompensiert wurde dieser Erfolg allerdings durch die nunmehr vollständige
Freiheit der saarländischen Regierung in der universitären Personalpolitik im Rahmen der
von ihr anerkannten Selbstverwaltung, die in Paris infolge der französischen Ansprüche
auf bestimmte Lehrstühle noch nicht ganz erreicht worden war. Die saarländische Regie-
rung verpflichtete sich in den Übergangsbestimmungen lediglich dazu, bis zum 30. Sep-
tember 1957 die moralischen und materiellen Rechte der französischen Lehrkräfte anzu-
erkennen31 32.
Einen Kompromiß erzielte man auch in der Frage der Zulassung saarländischer Kinder
zur Marechal-Ney-Schule (gymnasiale Abteilung). Die Altersgrenze wurde zwar, wie in
Paris von saarländischer Seite in Aussicht gestellt, auf das 14. Lebensjahr limitiert, gleich-
zeitig wurde aber ausdrücklich festgehalten, daß drei Jahre nach Inkrafttreten ... im Wege
der Verhandlung unter Berücksichtigung der dann gegebenen Situation32 diese Regelung
abgeändert werden kann. Damit war der Weg offen für eine gedeihliche Entwicklung
dieser Anstalt und zwar deshalb, weil ihr nicht nur ein fester Schülerstamm garantiert
blieb33, sondern weil für sie Zeit gewonnen war, sich im Sinne einer Oberschule zu wan-
deln, deren Zeugnisse sowohl in Deutschland als auch in Frankreich Anerkennung finden
sollten. Ihre endgültige Form gewann sie dann im Deutsch-Französischen Gymnasium,
wie es bis zum heutigen Tag in Saarbrücken existiert.
Das saarländisch-französische Kulturabkommen vom 26. Oktober 1956 korrigierte na-
türlich erheblich die Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte der französischen Kulturpo-
litik an der Saar, eine Feststellung, die aber auf keinen Fall so interpretiert werden darf,
als sei das alte Kulturabkommen ein bloßes Instrument einer gezielten Romanisierungs-
politik gewesen. Andererseits war Frankreich eine Reihe von Verpflichtungen ledig, die
es im Jahre 1948 mit Blick auf die Festigung der Wirtschafts- und Währungsunion und
der saarländischen Staatlichkeit auf sich genommen hatte. Das Kulturabkommen des
Jahres 1948 war für die saarländische Bildungspolitik der Hoffmannzeit sogar leichter in
den Gesamtrahmen schulischer Überlegungen zu rücken als das Kulturabkommen von
1956 für die Ney-Regierung, da das Saarland, wie oben bereits dargelegt wurde, vom
30 Im Gegensatz zu den Vereinbarungen über den Sprachunterricht, die französischen Lehrstühle
sowie die Maréchal-Ney-Schule wäre die Rechtsgrundlage für das Institut eigentlich nicht im
saarländisch-französischen Kulturvertrag vom 26.10.1956, sondern als Ergänzung zum franzö-
sisch-deutschen Kulturvertrag vom 23. 10. 1954 zu regeln gewesen, da Einrichtungen dieser Art
als eine auswärtige Angelegenheit gesehen werden. Die Sonderregelung in einem Ländervertrag
war nur möglich, weil das Saarland erst am 1.1. 1957 politisch in die Bundesrepublik eingeglie-
dert wurde. Die von Paris immer wieder betonte Reziprozität der deutsch-französischen Kultur-
beziehungen mußte zum Teil also doch auf die erstrebten kulturellen Sonderbeziehungen zwi-
schen dem Saarland und Frankreich abgetreten werden.
31 Saarländisch-französisches Kulturabkommen vom 26. 10. 1956. Zitiert nach R. H. Schmidt,
Bd. 3,S. 806.
32 Ebenda, S. 804.
33 Im Jahre 1956 hatte die Maréchal-Ney-Schule (ohne den elementaren Bereich) 661 Schüler.
Davon waren rund 300 saarländische. Die Nachfolgeanstalt, das Deutsch-Französische Gymna-
sium hatte im Jahre 1961 rund 800 Schüler, davon etwa 450 deutsche. Interview P. Woelfflin
vom 12. 10. 1977.
266
Jahre 195 6 an trotz verbriefter kulturpolitischer Souveränität den Zwängen einer bundes-
staatlichen Koordination der Länder in Schulfragen ausgesetzt wurde34.
2. Die Hypothek der Vergangenheit und das Düsseldorfer Abkommen
Als Kultusminister Egon Reinert im Herbst 1956 seine Unterschrift unter das saarlän-
disch-französische Kulturabkommen setzte, wußte er mit Sicherheit, daß er damit eine
Sonderstellung der Saar als zukünftiges Land der Bundesrepublik in der schulischen
Fremdsprachenbildung festschrieb. Sie resultierte aus dem Düsseldorfer Länderab-
kommen zur Vereinheitlichung des deutschen Schulwesens aus dem Jahre 1955, das im
Jahre 1964 in modifizierter Fassung erneuert wurde. Eine seiner wesentlichsten Bestim-
mungen war nämlich die generelle Einstufung des Englischen als vorrangige Fremd-
sprache, womit es geradezu diametral zu den sprachpolitischen Vereinbarungen des saar-
ländisch-französischen Kulturabkommens stand. Während also alle übrigen Bundes-
länder, auch die, in denen sich im Schutz der Besatzungsmacht das Französische eine pri-
vilegierte Stellung erobert hatte (Rheinland-Pfalz und die südwürttembergischen und süd-
badischen Teile von Baden-Württemberg), vom Jahre 1956 an das Englische dem Franzö-
sischen vorzogen, war und blieb es im Saarland genau umgekehrt. Mehr noch, das Saar-
land konnte sogar die besondere Pflege des Lateinischen erhalten, ein Anliegen, auf das
z. B. Nordrhein-Westfalen nach dem Düsseldorfer Abkommen widerwillig verzichten
mußte. Natürlich war man in Paris über die allgemeine Sprachnormierung der deutschen
Kultusminister zugunsten des Englischen sehr verärgert35, zumal das deutsch-französi-
sche Kulturabkommen vom 23. Oktober 1954 dem Französischen eine Art Meistbegün-
stigungsklausel eingeräumt hatte36. Die Entscheidung für das Englische, wodurch das
Französische im Grunde zu einem Wahlfach degradiert war, enttäuschte aber nicht nur
wegen des empfindlichen Rückschlags mit Blick auf eine mögliche deutsch-französische
Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Sie schmerzte auch als
Niederlage vor dem Hintergrund einer damals auf dem Höhepunkt angelangten Rivalität
der Weltsprachen, die eine ihrer Hauptursachen in der in der Nachkriegszeit stark einset-
zenden Mobilität der nationalen Lebensräume im Sinne weltoffener Gestaltung und der
damit verbundenen Einsicht in die Unentbehrlichkeit einer allgemein anerkannten Ver-
kehrssprache hatte. Die dadurch geweckte Sensibilität Frankreichs in Sprachenfragen
hatte zur Folge, daß es im Jahre 1956 eine Übernahme der Düsseldorfer Sprachregelungen
für das Saarland auf keinen Fall hingenommen hätte, wobei jedoch hinzugefügt werden
muß, daß auch von saarländischer Seite ein solcher Wunsch nicht bestand. Ausschlagge-
bend waren dabei aber nicht nur politische Gründe, sondern auch, schon mit Blick auf das
Saarland als Grenzraum zu Frankreich, pädagogische.
Die Ausnahmestellung, die die saarländische Bildungspolitik in der Sprachenfrage für sich
in Anspruch nehmen und auch überzeugend begründen konnte, galt jedoch nicht für die
34 Vielleicht ist in diesem Anpassungszwang auch der Grund für die recht tief angesetzte äußere
Form des Kulturabkommens zu sehen, das lediglich in den Rahmen eines an den französischen
Botschafter (in Saarbrücken) gerichteten Briefes gekleidet wurde.
35 Vgl. dazu den Korrespondentenbericht in der Segeberger Zeitung vom 9. 3. 1955.
36 Vgl. dazu im einzelnen den Kommentar von Brigitte Beer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Nr. 46 vom 24.2. 1955.
267
anderen Regelungen des Düsseldorfer Abkommens. Sie betrafen zum einen die Festlegung
des Schuljahres für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März sowie die Gesamtlänge
der Schulferien und zum anderen die Schul- und Klassenbezeichnungen der mittleren und
höheren Schulen, die Reifeprüfung und das Notensystem. Den Abschluß der Mittel-
schulen legte das Abkommen generell auf das 10. Schuljahr fest, die höheren Schulen
schlossen grundsätzlich mit dem 13.. Zur Normalform des Gymnasiums erklärte man die
Langform, die prinzipiell auf der Grundschule aufbauen sollte. Die Kurzform, womit die
Aufbauschulen gemeint waren, sollte dagegen spätestens nach dem 7. Schuljahr der
Volksschule beginnen. Für die Langform des Gymnasiums gestattete man altsprachliche,
neusprachliche und naturwissenschaftlich-mathematische Typen, für die Kurzform nur
neusprachliche und mathematisch-naturwissenschaftliche37.
Bis zum Jahre 1958 hat das Saarland sein Schulwesen weitgehendst den Düsseldorfer
Normbestimmungen angepaßt, wobei die Umstellung auf den Schulbeginn zu Ostern
wohl die fühlbarste Angleichung war38. Ihr folgte in den sechziger Jahren ein erneuter
Wechsel auf den Herbsttermin. Der stärkste reformerische Impuls, der vom Düsseldorfer
Abkommen auf die saarländische Schule ausging, war ohne Zweifel die Bestimmung über
die sechsjährige Mittelschule. Sie bewirkte nämlich, daß diese bisher an der Saar stiefmüt-
terlich behandelte Schulart eine Aufwertung erfuhr, die nicht zuletzt in dem Recht zur Er-
teilung eines anerkannten Qualifikationszeugnisses gründete39. Eine erwähnenswerte
Nebenwirkung des Düsseldorfer Abkommens, sie wurde im Saarland im allgemeinen mit
Erleichterung aufgenommen, war die Entscheidung des saarländischen Kultusministe-
riums, daß vom Schuljahr 1957/58 an in den Sexten aller höheren Schulen nur noch eine
Fremdsprache gelehrt wird40. Natürlich sind nicht nur vom Düsseldorfer Abkommen her
Impulse für schulische Reformen an der Saar nach 1955 ausgegangen, ebenso motivierend
war der Anpassungswille der saarländischen Bildungspolitik an die Entwicklung in der
Bundesrepublik. Daß damit kein hemmungsloser Konformismus gemeint sein kann, liegt
auf der Hand, und so gebietet es sich zwangsläufig, daß bei der weiteren Erörterung dieser
Thematik die Frage der bildungsgeschichtlichen Kontinuität im Auge zu behalten ist.
3. Das Saarland findet Anschluß
Auf dem Landesparteitag der Saar-CDU am 18.10.1959 sagte der inzwischen zum Mini-
sterpräsidenten avancierte Franz-Josef Röder:
Die Grundsätze unserer Kulturpolitik sind in der Verfassung unseres Landes festgelegt
und daher von jeder Regierung zu beachten. Das bedeutet auf dem wichtigen Gebiet von
Erziehung und Unterricht die Erhaltung und Verteidigung der konfessionellen Volks-
schule und der konfessionellen Lehrerbildung, die Förderung der Kirchen- und Religions-
gemeinschaften, der Schutz des Elternrechts, die Anerkennung von Privatschulen, die
37 Vgl. hierzu das Rundschreiben des saarländischen Kultusministeriums an die höheren Schulen
— V/EIII —A 1 a — vom 27. 2.1958 über die Vereinheitlichung des höheren Schulwesens im Sinne
des Düsseldorfer Abkommens. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4823.
38 Vgl. dazu den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. 7. 1957.
39 Vgl. oben, S. 175 f.
40 Bis dahin begannen alle saarländischen Gymnasien mit Ausnahme der Oberrealschule mit zwei
Fremdsprachen, in der Regel mit Latein und Französisch. Zitat nach Rundschreiben des Kultus-
ministeriums vom 28.2.1957. LA Saarbrücken, Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St.
Wendel Nr. 16.
268
Pflicht, jedem Mitbürger, der geeignet und willens ist, die Möglichkeit der Weiterbildung
einzuräumen, schließlich die Unterstützung aller Kräfte, die bestrebt und in der Lage sind,
kulturelle Werte zu pflegen und weiterzugeben41 42.
Das war ein klares und bemerkenswertes Bekenntnis zu den verfassungsrechtlichen Schul-
bestimmungen des Jahres 1947, womit erneut sehr deutlich wird, daß die saarländische
Bildungspolitik in ihren Grundpositionen durch die Entscheidung vom Oktober 1955
vorerst kaum verrückt wurde, zumal die für Bildungsfragen relevanten Mehrheitskonstel-
lationen kontinuierlich blieben. Korrigiert werden mußte im Jahre 1956 lediglich der Ar-
tikel 30, weil er die engen saarländisch-französischen Kulturbeziehungen im Rahmen der
separaten staatlichen Existenz der Saar vorschrieb. Ihn ersetzte man durch eine für die
deutsche Bildungsgeschichte typische Fassung, in der die schulische Bildungsaufgabe mit
den Tugenden eines christlich-humanistischen Weltbildes und seinen Demokratievorstel-
lungen in Verbindung gebracht wurde, wenn es dort heißt:
Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der Nächstenliebe und der Völkerver-
söhnung, in der Liebe zu Heimat, Volk und Vaterland, zu sittlicher und politischer Ver-
antwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokrati-
scher Gesinnung zu erziehen41.
Gebilligt wurde dieser Text übrigens auch von der CVP, nachdem sie ihren Änderungsan-
trag, den Begriff „Heimat“ in den Wortlaut aufzunehmen, durchgesetzt hatte43. Einfluß
auf die saarländische Schulgeschichte hat die Verfassungsänderung jedoch nicht gehabt.
Viel bedeutsamer waren da die auch bald im Saarland einsetzenden Diskussionen um not-
wendige Schulreformen, die sich aus dem Wandel des schulischen Berechtigungswesens
ergaben. Angesprochen sind damit die durch Schulbesuch erworbenen Berechtigungen
auf bestimmte Berufs- und Bildungslaufbahnen, die mit dem Übergang Deutschlands zum
Industriestaat ihren Anfang nahmen. Die persönliche Eignung und Befähigung für eine
bestimmte berufliche und gesellschaftliche Stellung erfolgte von nun an in der Regel durch
nachgewiesene Schulqualifikationen und Fachprüfungen. Bis in die Mitte des 20. Jahr-
hunderts hatte das für eine Industriegesellschaft unentbehrliche Berechtigungswesen in
Deutschland einen starken ständischen Hintergrund, weil das hierarchisch und undurch-
lässig strukturierte Bildungswesen weitgehend identisch war mit adäquaten Gesell-
schaftsformationen, die hier nur grob in der Differenzierung von Bürgertum und Arbeiter-
schaft und dem Hinweis auf den gegensätzlichen Lebensstil städtischer und ländlicher So-
zialkreise angedeutet werden soll. Wenn die Aufweichungen dieser ständisch geprägten
Schulstrukturen auch schon zur Weimarer Zeit einsetzte, so hat sich doch erst in den fünf-
ziger Jahren die Erkenntnis endgültig durchgesetzt, eine mögliche Bildungslaufbahn un-
abhängiger von der sozialen Herkunft eines Schülers zu gestalten und noch mehr die Kri-
terien Begabung und Leistungsbereitschaft anzuerkennen. Das war auch im Saarland so.
Die Reform der Volksschuloberstufe und die allmähliche Einführung des 9. Schuljahres,
der Beginn eines allgemeinen Fremdsprachenunterrichts, ländliche Progymnasien, Auf-
baugymnasien, Abendgymnasien, das auf Fachhochschulreife aufbauende Saarland-
Kolleg, die Möglichkeit begabter Mittelschüler, in die Oberstufe des mathematisch-na-
41 F. J. Röder, S. 21 f.
42 Artikel 30 der Verfassung des Saarlandes in seiner Fassung vom 20.12.1956. Zitiert nach Ver-
fassung, (siehe unter B. 7.}, S. 26.
43 Vgl. dazu die Stenographischen Berichte des Saarländischen Landtags, 3. Wahlperiode, S. 715 ff.
269
turwissenschaftlichen Gymnasiums wechseln zu dürfen, Wirtschaftsoberschule, Frauen-
oberschule, Schulgeldfreiheit und Erziehungsbeihilfen sind hier Stichworte für eine ge-
zielte Begabtenförderung, die zum Teil schon in der Hoffmannzeit eingesetzt hatte und
nach 1955 verstärkt fortgesetzt wurde44. Daß die Politik der Mobilisierung bisher brach-
liegender Begabungsreserven an der Saar besonders erfolgreich war, lag nicht zuletzt an
den schon vor 1955 eingeleiteten Förderungsmaßnahmen für minderbemittelte Schüler,
die zwar wegen der im Saarland ungünstigen Bildungsstrukturen aus einer Mischung von
idealistisch-sozialethischen Motiven und handfesten politisch-bildungsökonomischen
Spekulationen zustande kamen, aber trotzdem eine gute Ausgangslage für die Zeit nach
1955 geschaffen hatten. Im Zeichen von Stetigkeit muß auch der Schulbau im Saarland
gesehen werden. Rund 300 Millionen DM wurden in den Jahren von 1957 bis 1962
hierfür ausgegeben45. So ließe sich der Nachweis bildungsgeschichtlicher Kontinuität an
der Saar an vielen Beispielen belegen, wobei hier nur noch auf das berufsbildende Schul-
wesen in seiner bevorzugten Förderung und auf die Lehrpläne für Volksschulen hinge-
wiesen sei, die noch bis zum Jahre 1959 gültig blieben, bevor sie in Anlehnung an die
Richtlinien von Rheinland-Pfalz neu gefaßt wurden46.
Es gab nach 1955 aber auch Zäsuren. In diesem Zusammenhang müssen vor allem das
Sonder- und Mittelschulwesen erwähnt werden. Dringend notwendig war vor allem eine
fachliche Ausbildung der Sonderschullehrer und der weitere Ausbau der Sonderschule. Im
Jahre 1962 erreichte das Saarland mit 100 Lehrern und 1 800 Schülern einen Wert, der
es möglich machte, etwa jedes zweite der der Sonderpädagogik bedürftigen Kinder adä-
quat zu beschulen47. Die Zahl der Mittelschulen stieg bis 1962 von zwei auf acht und die
ihrer Schüler von 1 800 auf rund 5 000, womit man, wie es im Rückgriff auf die klassische
Interpretation des Bildungsziels der alten preußischen Mittelschule in der Informations-
schrift der saarländischen Regierung formuliert wurde, eine ausreichende Zahl von
jungen Menschen zu einem qualifizierten Abschluß führen konnte, die keine Hochschul-
reife erstreben und ihren Arbeitsplatz in den mittleren Führungsschichten von Industrie,
Verkehr und Handel und in sozialpflegerischen Berufen suchen48.
Als gravierender Einschnitt muß natürlich auch die Reform der Berufs- und Volksschul-
lehrerbildung gesehen werden. Sämtliche saarländische Berufsschullehrer mußten vom
Jahre 1958 an ein erfolgreiches mindestens achtsemestriges Universitätsstudium nach-
weisen, wenn sie zum zweijährigen Vorbereitungsdienst mit abschließender 2. Staatsprü-
fung zugelassen werden wollten. Die Berufslaufbahn der Gewerbelehrer war damit von
den geforderten Qualifikationen her einheitlich geregelt und der der Philologen formal
gleichgestellt. Noch bedeutsamer war die grundlegende Änderung der Volksschullehrer-
44 Vgl. hierzu im einzelnen Regierung, Fünf Jahre, S. 9 ff. Siehe auch Regierung, Schule —Bil-
dung und Ausbildung; Regierung, Bildung in Stufen und Regierung, Bildungspolitische Be-
standsaufnahme (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 5. zu finden).
45 Aufgeschlüsselt nach Bildungsbereichen: Volksschulen 210 Millionen, Berufsschulen 27 Mil-
lionen, Mittelschulen 10 Millionen, Plöhere Schulen 23 Millionen, Ingenieurschule 4 Millionen,
Universität 26 Millionen. Von den 300 Millionen trug das Land rund zwei Drittel, also rund 200
Millionen. Das waren rund 30 v. H. der zur Verfügung stehenden Mittel in den Kulturetats in
diesen Jahren. Das andere Geld wurde von den Gemeinden aufgebracht. Nach Regierung,
Fünf Jahre, S. 20 ff. (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 5. zu finden).
46 Regierung, Fünf Jahre, S. 10.
47 Vgl. dazu oben, S. 176 f. in Verbindung mit Regierung, Fünf Jahre, S. 10.
48 Regierung, Fünf Jahre, S. 11.
270
bildung49. Sie wurde vom Jahre 1957 an in grundsätzlich akademischer Form eingeführt.
Die alten Lehrerseminare in Lebach, Ottweiler und Blieskastel schlossen nach einer Über-
gangszeit von fünf Jahren ihre Tore. An ihre Stelle traten Aufbauschulen. Volksschul-
lehrer konnte vom Jahre 1962 an nur noch der werden, der nach der Reifeprüfung sechs50
Semester an einer Pädagogischen Hochschule studiert hatte. Der Verfassungsforderung
gemäß blieb die Volksschullehrerbildung aber weiterhin konfessionell ausgerichtet, so
daß man je eine katholisch und evangelisch geprägte Studienanstalt einrichten mußte.
Dies war für die katholischen Lehramtskandidaten die Peter-Wust-Hochschule und für
die evangelischen die Comenius-Hochschule, beide in Saarbrücken beheimatet51. Mit Ge-
nugtuung wurde die Akademisierung natürlich von den Lehrerverbänden aufgenommen,
die eine Reform in diesem Sinne nach 1955 sogar als eine moralische Verpflichtung ein-
klagten52. Noch zufriedener waren sie natürlich, als der Neuerung alsbald eine wesent-
liche Besoldungsverbesserung folgte. Dennoch verlief der Übergang nicht reibungslos. So
mußte selbst der seit dem 4. Juni 1957 als Kultusminister amtierende Franz-Josef Röder
im Januar 1958 vordem Parlament eingestehen: Was die Pädagogische Hochschule selbst
angeht, meine Damen und Herren, sie ist wie ein Alpdruck53. Anlaß zu diesem drastischen
Urteil über die neuen Lehrerbildungsanstalten gab ihm vor allem die voreilige Übernahme
der fünften Klassen der Lehrerseminare durch die Pädagogischen Hochschulen, die sonst
wegen der mangelnden Nachfrage von Abiturienten nur wenig ausgelastet gewesen
wären. Dadurch hat man, so Röder, den Charakter dieser Schule als Pädagogische Aka-
demie von vornherein verdorben, da man dort Schüler mit Abitur und ohne Abitur ge-
mischt hat. Wenn man also eine saubere Einrichtung schaffen will, wenn man konsequent
den Standpunkt vertreten will, daß es Pädagogische Hochschulen sein sollen und daß die
Voraussetzungen zum Besuch dieser Schulen die Reifeprüfung ist, dann muß man es auch
konsequent durchhalten54. Die Stellungnahme Röders war durch eine Anfrage des CSU/
CVP55 Abgeordneten Werner Scherer ausgelöst worden, der im Rückgriff auf einen Pro-
testbrief des Kollegiums des Lehrerseminars Ottweiler über den unorganischen Ab-
49 Die Entscheidung fiel auf der Kabinettssitzung am 6. 6.1956. Vgl. hierzu Schreiben der Präsidial-
kanzlei an das Kultusministerium-Tgb. Nr. G 976/56-vom 12. 6. 1956. Bestand Staatskanzlei
ungeordnet.
50 Von 1957 bis 1961 begnügte man sich mit einer Studiendauer von vier Semestern, erhöhte sie
vorübergehend auf fünf, bis sie dann vom Jahre 1963 an endgültig auf sechs festgelegt wurde. Die
vorsichtige Einführung des sechssemestrtgen Studiums stand in Zusammenhang mit dem damals
stark spürbaren Lehrermangel.
51 Vgl. dazu Päd. Hochschule Saarland, S. 33 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B
I, 6. zu finden).
52 Vgl. dazu als Beispiel die Resolution des Verbandes katholischer Erzieher. Abgedruckt in: Der
katholische Erzieher, Nr. 11/12, 1956, S. 336. Siehe auch das Protokoll über den Delegiertentag
des Verbandes katholischer Erzieher am 19.11.195 8. Sammlung des Verbandes katholischer Er-
zieher des Saarlandes, Protokolle Vertreterversammlungen.
53 Stenographische Berichte des Saarländischen Landtags, 3. Wahlperiode, S. 1248.
54 Ebenda, S. 1248.
55 Die CVP war, da sie sich mit der CDU über eine Vereinigung nicht verständigen konnte, aufgrund
einer Vermittlung der Bonner CDU-Parteileitung eine Verbindung mit der CSU eingegangen.
Ausschlaggebend hierfür war die Absicht, die CVP-Stimmen für die Union bei der Bundestags-
wahl des Jahres 1957 zu retten. Die CVP operierte seitdem im Saarländischen Landtag als CSU-
Fraktion.
271
bruch56 ihrer Anstalt auf dieses Problem aufmerksam gemacht hatte, womit ein weiterer
Beleg für die bewegten Begleitumstände der Lehrerbildungsreform im Saarland erwähnt
wäre. Eine der Hauptursachen des Gerangels um die Volksschullehrerbildung lag in der
berechtigten Sorge begründet, ob die neue akademische Laufbahn auch von einer genü-
genden Zahl von Abiturienten angenommen werden würde. Erst im Jahre 1962 erreichten
die Pädagogischen Hochschulen, nachdem man im Jahre 1957 mit 228 Lehrerstudenten
begonnen hatte, mit 524 Studierenden eine Kapazität, die eine spürbare Linderung eines
immer noch herrschenden Lehrermangels, auch ein Erbe aus vergangenen Tagen, ver-
sprach57. Im Jahre 1969 kam das Ende der konfessionellen Lehrerbildung im Saarland.
Nachdem der Saarländische Landtag am 9. Juli 1969 den Beschluß gefaßt hatte, den
darauf bezogenen Verfassungsartikel 31 ersatzlos zu streichen, wurden durch Erlaß die
beiden Hochschulen aufgelöst. Gleichzeitig wurde die Pädagogische Hochschule des
Saarlandes errichtet, die durch das Gesetz vom 17. Dezember 1969 den Status einer wis-
senschaftlichen Hochschule erhielt58. Wenige Monate später, im April 1970, wurde die
Pädagogische Hochschule mit der Universität, der Fachhochschule und der Musikhoch-
schule zur „Hochschule des Saarlandes“ zusammengefaßt59. Der Wandel zur verwissen-
schaftlichten Volksschullehrerbildung60 war Ausdruck eines Säkularisierungsprozesses,
der seine Dynamik von einem zum Teil anmaßenden emanzipatorischen Wirkungsspruch
der pädagogischen Wissenschaften empfing.
Eine starke Bastion war dem konfessionellen Prinzip schon im Jahre 1957 genommen
worden, als das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil über das Reichskonkordat
zwar die völkerrechtliche Gültigkeit des Vertragswerkes anerkannte, expressis verbis
aber seine Rechtskraft für die Bundesländer in Schulfragen verneinte. Damit war nicht nur
die Kulturhoheit der Länder, die im Dritten Reich einem rücksichtslosen Staatszentra-
lismus geopfert worden war, wieder vollgültig hergestellt, sondern auch die wichtigsten
Rechtsbestimmungen im Interesse katholischer Schulpolitik neu zur Disposition gestellt
worden. Anfang der sechziger Jahre begann dann die Diskussion um die „deutsche Bil-
dungskatastrophe“, und in diesem Zusammenhang fiel dann auch bald das Wort vom
„katholischen Bildungsdefizit“61, mit dem man den merklich geringeren Anteil von Kin-
dern aus katholischen Familien an qualifizierten Schulabschlüssen beklagte. Die tiefere
Ursache dieser zum Teil mit Vehemenz vorgetragenen Kritik stand im Zusammenhang
mit einer tiefgehenden Veränderung im Bildungsbewußtsein katholischer Bevölkerungs-
kreise, die sich im Laufe der Jahre auch im Saarland dadurch bemerkbar machte, daß das
dort einmal tief verwurzelte Wertbild einer religiös gebundenen schulischen Erziehung
56 Der Inhalt des Briefes ist, da er von Scherer zitiert wurde, in den Stenographischen Berichten des
nSaarländischen Landtags, 3. Wahlperiode, auf S. 1247 wiedergegeben. Das Original datiert
vom 21. 4. 1956 und befindet sich im LA Saarbrücken, Bestand KM - Mk 4813.
57 Vgl. hierzu im einzelnen Regierung, Fünf Jahre, S. 24 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis
unter B I, 5. zu finden). Der Volksschullehrerbedarf lag, wenn man eine Klassenfrequenz von
etwa 30 erstrebte, im Saarland bei rund 3 200 Lehrern. Bis zum Jahre 1962 zählte man dort aber
nur rund 3 000 Lehrer.
58 Pädagogische Hochschule Saarland, S. 34 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter
B I, 6. zu finden).
59 H.-W. Herrmann und G. W. Sante, Saarland, S. 57.
60 Hierbei ist zu bedenken, daß die eigentliche Volksschule mit der Reform ihrer Oberstufe in den
sechziger Jahren aufgehört hatte zu bestehen.
61 Vgl. hierzu im einzelnen K. Erlinghagen und M. Klöcker.
272
immer mehr von säkularen Erwartungen und Anforderungen einer modernen Leistungs-
gesellschaft im Industriezeitalter verdrängt wurde, ein Prozeß, der im Zuge eines immer
spürbarer werdenden Wandels zwangsläufig erscheint. Gleichzeitig wurde eine Anpas-
sung der schulischen Organisation immer dringender. Das Hamburger Abkommen zur
Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens vom 28. 10. 1964 leitete das Ende der
Volksschule ein; der Hauptgegenstand katholischer Schulpolitik im letzten Drittel des vo-
rigen Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war damit praktisch auf-
gelöst. Schon am 23. Februar 1965 erließ der saarländische Landtag ein verfassungsän-
dernd wirksames Gesetz, demzufolge auch im Saarland in allen öffentlichen Bildungsbe-
reichen christliche Gemeinschaftsschulen eingerichtet werden konnten62 63. Am 5. Mai
1969 besuchte der saarländische Kultusminister, Werner Scherer, den Apostolischen
Nuntius in Deutschland, Corrado Bafile, um das Einverständnis der Katholischen Kirche
für das bayerische Modell einzuholen. Gemeint war damit eine Schulreform nach bayeri-
schem Vorbild, derzufolge es im allgemeinbildenden Schulwesen in der Regel nur noch
christliche Gemeinschaftsschulen geben sollte. Religion als ordentliches Lehrfach und die
Vollfinanzierung von Privatschulen sollten den Kirchen garantiert bleiben. Bafile hat
dieses Angebot, das im Jahre 1950 für die Katholische Kirche unannehmbar gewesen
wäre, offensichtlich ohne erkennbaren Widerstand akzeptiert. Er schrieb nämlich am 7.
Mai 1969 an den Trierer Bischof, Bernhard Stein, da mir bekannt war, daß die Lösung
von den Ordinariaten in Trier und Speyer nicht abgelehnt wird, und daß für eine bessere
Lösung kaum Aussicht besteht, übernahm ich den Auftrag, einen Entwurf für ein Ab-
kommen vorzubereiten67,. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß ausgerechnet
ein ehemaliger Nachwuchspolitiker der besonders kirchenfreundlichen CVP die weitge-
hende Entkonfessionalisierung des Schulwesens im Saarland der Katholischen Kirche
mitzuteilen hatte, womit sehr wohl deutlich wird, daß der Prozeß der Verweltlichung im
öffentlichen Bildungswesen seine Eigendynamik hatte. Er wäre vermutlich auch durch
einen separaten Saarstaat ä la Hoffmann mit seinem dogmatischen Anspruch auf christ-
lich-heimatliche Selbstverwirklichung nicht aufgehalten worden, zumal auch und gerade
ein eigenständiger saarländischer Staat verstärkten utilitaristischen Spekulationen um
Bildungseffizienz und Bildungsökonomie ausgesetzt gewesen wäre. Mit Beginn der sieb-
ziger Jahre wurde auch an der Saar die religiöse Erziehungsaufgabe des öffentlichen Bil-
dungswesens im Rahmen einer inzwischen überwiegend als wissenschaftlich charakteri-
sierten schulischen Allgemeinbildung nur noch bedingt erfüllt. Unterrichtet wird hier ge-
genwärtig im Primarbereich in der vierjährigen Grundschule, wo sich freilich noch ein be-
achtliches Maß an kirchlich-konfessioneller Bindung erhalten konnte, und leistungsdiffe-
renziert in Haupt-, Mittel- bzw. Realschulen und Gymnasien.
Das Saarland besitzt heute (1981) ein insgesamt sehr effizientes, breit und durchgängig
strukturiertes Bildungswesen, eine Feststellung, die sehr leicht durch statistische Zahlen
zu belegen wäre64. Der einstmals hier spürbare Zwiespalt zwischen hohem Industrialisie-
rungsstand und nicht vorhandenen akademischen Bildungsstrukturen ist längst über-
62 H.-W. Herrmann und G. W. Sante, Saarland, S. 57.
63 Darstellung und Zitate nach Schreiben Bafiles an Stein vom 7. Mai 1969. BA Trier, Generalvika-
riat Trier, Registratur, Hauptabteilung 1.
64 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die vom Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister über die Kulturpolitik der Länder herausgegebenen Berichte, Bonn 1963 ff.
273
wunden. Der Grundstein zu dieser nunmehr harmonischen Korrelation wurde zwar
schon in der Zeit des Völkerbundregimes gelegt, ihre eigentliche Fundamentierung er-
folgte aber erst in der Zeit zwischen 1945 und 1955, womit hier, ohne diese oft geschol-
tene Ära rechtfertigen zu wollen, ihre bildungsgeschichtliche Bedeutung für das Saarland
nochmals unterstrichen werden soll. Der besonders in der Zeit von Straus stark spürbare
Wille, das Bildungswesen an der Saar um einer gesicherten staatlichen Existenz willen auf
ein hohes Leistungsniveau zu führen und mit dem Ausbau eines akademischen Systems
strukturell zu vervollständigen, hat dazu geführt, daß die Saar zum Zeitpunkt ihrer Rück-
kehr zur Bundesrepublik in bestimmten Bildungsbereichen gegenüber anderen Ländern
sogar überlegen war.
Zu erwähnen wäre hier das Gymnasium, das damals an der Saar einen ungewöhnlich
hohen Leistungsstand erreicht hatte65 und der berufsbildende Sektor, der vor dem Hinter-
grund einer wachsenden Zahl von Vollzeitschülern zu einem lückenlosen Netz erwerbs-
orientierter Ertüchtigung ausgebaut werden konnte66 67. In Einzelbereichen konnte die Saar,
weil sie aus Vorgaben der Hoffmannzeit schöpfen konnte, sogar die Vorreiterrolle eines
bildungspolitischen Fortschritts übernehmen. So konnte Kultusminister Röder im Jahre
1959 stolz verkünden, daß die Einrichtung des Abschlußjahres an der Volksschule und
die Einführung des Französischen nach dem 4. Grundschuljahr ... sich inzwischen so be-
währt (haben), daß auch andere Bundesländer sich mit dem Gedanken tragen, diese Ein-
richtung in ihrem Lande einzuführen61. Vor allem die Idee der allgemeinen Fremdspra-
chenschulung, die man in den Jahren bis 1955 an der Saar sicherlich nicht nur aus Einsicht
in eine zeitgemäße Bildungsaufgabe zu verwirklichen gesucht hat, darf als bemerkens-
wertes Erbe saarländischer Bildungsgeschichte herausgestellt werden. Wenn sie auch in-
folge des neuen saarländisch-französischen Kulturabkommens vom 26. Oktober 1956
und aufgrund vorhandener Aversionen gegen überzogene Anforderungen des französi-
schen Unterrichts in der Vergangenheit vorübergehend etwas bedrängt wurde, so hat das
saarländische Beispiel doch zu ihrem Durchbruch in Deutschland in den sechziger Jahren
beigetragen. Mit dieser Feststellung wird die anders gelagerte Motivation, nämlich die Si-
cherung eines durchlässigen Schulsystems im Interesse offener Bildungschancen für alle
Kinder, nicht übersehen. Das Saarland mußte in der allgemeinen Fremdsprachenschulung
allerdings eine Sonderrolle übernehmen, da die übrigen Bundesländer sie entsprechend
dem Düsseldorfer Abkommen konsequenterweise auf das Englische ausrichteten. Im
Schuljahr 1961/62 nahmen übrigens 8 063 saarländische Volksschüler am freiwilligen
französischen Unterricht teil. Das waren immerhin gut 20 v. H. aller Schüler von der
fünften Klasse an68. Wenn man bedenkt, daß sie nur dann zur Fremdsprachenschulung
zugelassen wurden, wenn sie in den Fächern Deutsch und Mathematik mindestens die
Note „befriedigend“ erreichten, dann war das sogar eine respektable Bilanz, die auf Inter-
65 Die besondere Leistungsfähigkeit des saarländischen Gymnasiums nach 1955 bestätigt selbst K.
The wes in seinem kritischen Beitrag über das höhere Schulwesen im Saarland. Vgl. dort vor
allem S. 270 f.
66 Vgl. im einzelnen A. Brengel, Wirklichkeit, passim. Siehe auch Berufsbildendes Schul-
wesen, Saarland 1962 — 1972. (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 8. zu finden).
67 F. J. Röder, S. 22.
68 Vgl. dazu Regierung, Fünf Jahre, S. 10 (Im Quellen-und Literaturverzeichnis unter B 1,5. zu
finden).
274
esse schließen läßt. Die Volksschüler mit Fremdsprachenschulung wechselten in der Regel
zu den weiterführenden Schulen über, eine Erfahrung, die im Saarland schon früh die enge
Verbindung zwischen schulischer Mobilität und Begabtenförderung offen legte.
An dieser Stelle sei wiederholt, daß die verantwortlichen saarländischen Bildungspolitiker
nach 1955 das von ihnen Vorgefundene Schulwesen weitgehend übernahmen und nur im
Detail reformerische Korrekturen Vornahmen. Nur in einem Fall war diese Fortführungs-
bereitschaft für kurze Zeit infrage gestellt. Bedenkzeit brauchten sie für die ihnen überlas-
senen akademischen Bildungseinrichtungen und hier vor allem für die Saaruniversität.
Obwohl der erste nach dem 23. Oktober 1955 durch demokratische Legitimation ins Amt
gekommene saarländische Ministerpräsident, Hubert Ney, in seiner Regierungserklä-
rung am 10. Januar 1956 ausdrücklich versicherte, daß die Saaruniversität erhalten
bleibe69, war es, wie Schuster in seinem Beitrag über die Geschichte dieser Hochschule be-
stätigt, bis zum Beginn des Jahres 1957 „ungewiß, ob die junge, durch ein Kulturab-
kommen zwischen der französischen Regierung und der Regierung des Saarlandes errich-
tete Universität eine Überlebenschance haben würde“70. Diese Zeit des Zweifels hatte ver-
schiedene Gründe. Sie lassen sich zum Teil nur psychologisch deuten, wobei der Gedanke,
daß die Saaruniversität im Grunde ja nur ein Danaergeschenk der Franzosen gewesen sei,
eine erhebliche Rolle gespielt hat.
Für erste Irritationen sorgte ein Beschluß der saarländischen Regierung Ende Januar
1956, demzufolge die bisher Anfang Juli abgelegten Reifeprüfungen so vorzuverlegen
seien, daß die Abiturienten sich noch rechtzeitig an deutschen Universitäten einschreiben
könnten. Natürlich wurde diese Entscheidung von der saarländischen Öffentlichkeit als
erstes Zeichen eines beabsichtigten Verzichts auf eine eigene Universität gewertet71. Auf-
trieb erhielten solche Vermutungen durch die immer häufiger gestellte Frage der Finanzie-
rung. Würde der Bund, wie man hoffte, den 50-Prozent-Anteil der Universitätskosten
übernehmen, den bisher Frankreich aufgebracht hatte? Immerhin belief sich der Etat der
Hochschule im Jahre 1955 schon auf 12,1 Millionen DM72 und für das Jahr 1957 war mit
Ausgaben von rund 20 Millionen zu rechnen73. Bei einem Gesamtetat des Saarlandes von
rund 440 Millionen DM war das eine Belastung, die durchaus Anlaß zum Nachdenken
geben konnte. Ein „Ja“ zum Fortbestand der Universität implizierte zudem eine Zustim-
mung zu ihrer Weiterentwicklung als leistungsfähige Studienanstalt mit einer vorläufigen
Aufnahmekapazität für etwa 5 000 Studierende, und das bedeutete ein umfangreiches
und damit kostspieliges Bauprogramm. Zu klären waren schließlich auch noch recht dif-
fizile Eigentumgsverhältnisse, da der Bund als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches
Ansprüche auf das Gelände der ehemaligen Below-Kasernen im Saarbrücker Stadtwald
69 Nach Saarbrücker Zeitung vom 1. 2. 1956.
70 H. J. Schuster, S. 51.
71 Vgl. dazu auch den Kommentar von Joachim Schweben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
vom 2. 2. 1956.
72 Vgl. im einzelnen oben, S. 213 f. Umrechnung der Beträge nach dem gültigen Kurs vom 15. 1.
1952 bis 11. 8, 1957.
73 Nach einer Referentenauskunft für Kultusminister Reinert vom 20. 8. 1956 für Verhandlungen
mit der Bundesregierung (S. 14). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z
II - A — 1.
275
geltend machen konnte74, wo bekanntlich mit Ausnahme der Medizinischen Fakultät die
Universität angesiedelt war. Angesichts der neuen politischen Situation wurde zu guter
Letzt die Frage wieder aktuell, ob eine Grenzregion wie die Saar als Hinterland für eine
lebensfähige Universität überhaupt ausreiche75.
Bedenken dieser Art wurden freilich bald durch den sich abzeichnenden Wandel der Schü-
lerstrukturen zerstreut. Zwar hatte sich im Jahre 1957 das Verhältnis der Volksschüler zu
den Mittelschülern und zu den Gymnasiasten mit 84,6 % : 2,8 % : 12,6 % gegenüber
1951 (86,9%: 2,1% : 11,0)76 nur unmerklich verschoben, aber bis zum Jahre 1962 sollte
sich das grundlegend ändern. Die Werte lauteten nun schon 75 % : 6 % : 19 %77 und die
Tendenz zeigte für die Zukunft weitere starke Veränderungen in gleicher Richtung an. Im
Zeitraum 1955 bis 1960 setzten zudem, wie es im Bericht der Kultusministerkonferenz für
die Jahre 1963/64 heißt, die Bemühungen um eine nachdrückliche Förderung der Wissen-
schaften ein78. Sie führten im Jahre 1957 zur Gründung des Wissenschaftsrats, womit sich
neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder auf dem Hochschulsektor
abzeichneten. Seine Beratungen und Stellungnahmen über den Ausbau des deutschen
Hochschulwesens haben zwar erst mit Beginn der sechziger Jahre zu konkreteren Vor-
schlägen geführt, als man die Errichtung von fünf neuen Universitäten anregte, gleich-
wohl darf für das Jahr 1956 die Feststellung gewagt werden, daß ein Abbau der jungen
Saaruniversität im damals schon spürbaren Aufwind der Wissenschaften eigentlich un-
denkbar war. Diese Wirklichkeit war es dann auch, die alle Instanzen, die an der Saaruni-
versität Interesse hatten, die Regierungen in Saarbrücken, Bonn und Paris, die Westdeut-
sche Rektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz, immer gewillter machte, ihre
Existenz zu sichern und sie weiter auszubauen. Daran hinderte sie auch eine vorüberge-
hend unter den Professoren der Universität schwelende Krise nicht, die ihre eigentliche Ur-
sache in der vorgesehenen Zukunft der Saaruniversität als Landesuniversität hatte.
Für die neue saarländische Regierung stand nämlich von Anfang an fest, daß die in der
Hoffmannzeit euphemistisch als „Europäische“ gepriesene Hochschule, wie es Kultusmi-
nister Reinert anläßlich der Sitzung des Universitätsverwaltungsrates am 31. Juli 1956
formulieren sollte, in aller Kürze in den bunten Kranz der Universitäten Deutschlands ein-
gereiht sein würde79. An sich war ein anderer Weg auch gar nicht möglich. Schon in den
Jahren bis 1955 hatte sich, wie bereits oben dargelegt worden ist, die Idee einer europäi-
schen Universität als Wunschbild erwiesen, weil das Mixtum compositum der Prüfungen
und Diplome noch nicht einmal die saarländisch-französischen Barrieren zu überwinden
vermochte. Die politischen Prämissen des Jahres 1956 ließen erst recht Scheinlösungen
nicht zu. Die idealistische Vorstellung einer Hochschule, die im Geist einer umspan-
74 Nach Niederschrift über die Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verhandlungen mit
der Bundesregierung zwecks Regelung der zwischen dem Saarland und der Bundesrepublik zu
behandelnden Fragen am 20. 8. 1956, S. 4. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Ver-
waltung, Z II - A - 1.
75 Interview L. von Boch-Galhau vom 14. 3. 1978.
76 Vgl. oben, S. 39.
77 Errechnet nach Zahlen des Statistischen Handbuchs (Saarland 1958), S. 50 ff. in Verbindung mit
den Statistiken aus Regierung, Fünf Jahre, S. 11 f. (Im Quellen-und Literaturverzeichnis unter
B I, 5. zu finden).
78 Konferenz (1963/64), S. 257.
79 Zitiert nach einem Bericht der Neuesten Nachrichten vom 1. 8. 1956.
276
nenden Idee von (West-)Europa stehen sollte, war schon in der Hoffmannzeit an den Rea-
litäten einer immer noch stark nationalstaatlich geprägten Gegenwart gescheitert, deren
Charakteristikum immer noch das Credo von der Selbstverwirklichung der Völker in sou-
veränen Eigenwelten war. Die Idee von einer Saaruniversität, die frei von nationalen
Selbstsüchten in akademischer Freiheit, finanzieller Unabhängigkeit und international
anerkannter Prüfungskompetenz hätte existieren können, war und blieb ein unerfüllbarer
Traum, der für manchen zu bittersten Erfahrung saarländischer Bildungsgeschichte vor
und nach 1955 geworden ist.
Ein Beispiel für Wirklichkeitssinn zeigte dagegen Frankreich. Es hatte schon bei den Ver-
handlungen in Paris am 28. 6. 1956 keinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Um-
wandlung der Saaruniversität in eine deutsche Landesuniversität erhoben. Die französi-
schen Mitglieder im Verwaltungsrat, der bis zum Inkrafttreten des neuen Universitätsge-
setzes am 26. März 1957 im Amt verblieb, bewiesen durch ihre konstruktive Mitarbeit
den guten Willen ihres Landes, mitzuhelfen, die dauerhafte Existenz der durch Paris ins
Leben gerufenen Institution zu sichern. Dies erkannte auch die saarländische Seite an, und
die von Landtagsvizepräsident Wilhelm Kratz in seiner Eigenschaft als neuer Vorsit-
zender des Verwaltungsrates auf der letzten Sitzung dieses Gremiums gegenüber den fran-
zösischen Vertretern geäußerte Hochachtung, weil sie mit vorbildlicher Objektivität und
Sachlichkeit mitgewirkt hätten80, die Saaruniversität zu erhalten, war mehr als eine bloße
Höflichkeit. Die nunmehr endgültig auf Ausgleich angelegte Haltung Frankreichs hat er-
heblich dazu beigetragen, daß entsprechend den in Paris getroffenen aber nicht ins Kultur-
abkommen aufgenommenen Vereinbarungen ohne größere Reibung sieben Lehrstühle an
französische Professoren vergeben werden konnten. Dabei fanden, wie in Paris abgespro-
chen, die vergleichenden Fächer auf dem Gebiet des Rechts, der Literatur, der Geschichte
und der Sprachwissenschaften besondere Berücksichtigung. Allerdings war das saarländi-
sche Entgegenkommen nicht ganz so freiwillig, wie es der Vorsitzende Kratz in der letzten
Verwaltungsratssitzung glaubhaft machen wollte81. Sein großzügiges Urteil war aber für
die Tatsache, daß der Weg für die Umwandlung der Saaruniversität nun auch personalpo-
litisch frei war, ohne Belang. Die Mitarbeit französischer Professoren, deren Anteil ange-
sichts eines anwachsenden und vorzugsweise sich nur noch aus deutschsprachigen Ge-
bieten rekrutierenden Lehrkörpers in den folgenden Jahren allerdings relativ zurückging,
sicherte den Studenten der Saaruniversität Bildungsmöglichkeiten, wie sie an anderen
deutschen Hochschulen nur selten zu finden waren. Auch das darf als ein positives Erbe
der Jahre 1945 bis 1955 gewertet werden. Die Wende im Personalpolitischen hatte sich
schon im Sommer 1956 angekündigt, als auf der Juli-Sitzung des Verwaltungsrates erst-
mals ein Deutscher zum Rektor der Saaruniversität gewählt wurde. Es war Heinz Hübner,
seit 1953 Lehrstuhlinhaber für römisches und bürgerliches Recht in Saarbrücken. Sein
80 Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 27. 3. 1957, S. 1. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS — VR1956/57. Vgl. dort auch die Protokollaufzeichnungen der Sitzungen
vom 31. 7. 1956 und 22. 1. 1957.
81 Ebenda, S. 2. Die sieben Berufenen rekrutierten sich vorwiegend aus dem Stamm der französi-
schen Professoren, die bereits vorher auf der Grundlage von befristeten Dienstverträgen in Saar-
brücken waren. Es waren: Maurice Bemol (vergleichende Literaturwissenschaft), Laurent
Champier (Kultur- und Wirtschaftsgeographie), Claude Digeon (französische Philologie), Jean
Besson (anorganische Chemie), Jacques-Emile Dubois (physikalische Chemie) und A. M. Jung
(Chirurgie).
277
Stellvertreter wurde der französische Literaturwissenschaftler Maurice Bemol. Beide
traten ihr Amt am 1. Oktober 1956 an. Zum gleichen Zeitpunkt verließ Joseph François
Angelloz, der tüchtige Rektor der Jahre von 1950 bis 1956, das Saarland. Er übernahm
ein gleichwertiges Amt an der Universität im südfranzösischen Montpellier und folgte im
Jahre 1958 einem Ruf nach Straßburg82.
Eine richtige deutsche Landesuniversität wurde Saarbrücken aber erst im Jahre 1957,
nachdem der Landtag am 26. März ein neues Universitätsgesetz erlassen hatte, das das
Statut vom 3. April 1950 außer Kraft setzte83. Es gab „Grünes Licht“ für eine Hochschul-
verfassung, die entsprechend deutscher Tradition freie Rektorenwahl, kollegiale Selbst-
verwaltung und studentische Mitbestimmung zuließ84. Geebnet war der Weg zudem für
neue Studienordnungen und die Eliminierung der obligatorischen Zweisprachigkeit85.
Heinrich Schneider hat in seinen Memoiren für sich und seine politischen Freunde in An-
spruch genommen, die Saaruniversität „im Sinne aller bundesdeutschen Universitäten
umgestaltet und ihr schon frühzeitig eine der neuzeitlichsten Verfassungen gegeben“ zu
haben86, um damit den eigentlichen, von allem politischen Egoismus des Separatismus be-
freiten Beginn eines saarländischen Hochschullebens zu betonen. Doch die Wirklichkeit
deckt sich ebensowenig mit dieser von Schneider festgestellten Zäsur wie mit der von ihm
diagnostizierten radikalen Reform der Universitätsverfassung. Modern war das neue
Statut bezüglich der Mitsprache nichtprofessoraler Lehrenden und der Studenten, aber
die andere von ihm als Fortschritt gepriesene Neuerung, nämlich die Überbrückung der
andernorts üblichen Frontstellung zwischen Universität und Staat, die man in einer Art
Symbiose von Hochschulsenat und öffentlich strukturiertem Universitätsrat gefunden zu
haben glaubte, war eindeutig aus den Erfahrungen der Jahre bis 1955 entwickelt worden.
Im Grunde hatte man das Kompetenzverhältnis dieser Gremien nur verkehrt. Der Senat
wurde zur dominierenden Kraft im Hochschulleben, der Universitätsrat war nur noch zu-
stimmend zuständig in fiskalischen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Natür-
lich wird man auch damit die generelle Absicht des neuen Universitätsgesetzes, die Prinzi-
pien des deutschen Hochschulrechts auch für Saarbrücken einzuführen, nicht bestreiten.
Doch sollte man bei einem Vergleich nicht nur, wie es Schneider offensichtlich tut, die Pa-
ragraphen miteinander messen, sondern auch die Verfassungswirklichkeiten. Dann frei-
lich wird man bald feststellen, daß der Unterschied vor und nach 1955 so gravierend nicht
gewesen ist87. Dafür spricht nicht nur der bemerkenswert harmonische Übergang von der
alten zur neuen Verfassung, immerhin blieb der Verwaltungsrat bis zum Jahre 1957 im
Amt88, sondern auch die Kontinuität im Personalpolitischen, womit hier das oftmals zu
beobachtende Einrücken von Persönlichkeiten in verantwortliche Positionen der univer-
82 Interview P. Woelfflin vom 12. 10. 1977.
83 Gesetz Nr. 573 vom 26. 3. 1957. Veröffentlicht im Amtsblatt des Saarlandes Nr. 41 vom 5. 4.
1957, S. 291 ff.
84 Vgl. dazu die Berichterstattung und 3. Lesung des Universitätsgesetzes in den Stenographischen
Berichten des Saarländischen Landtags, 3. Wahlperiode, S. 918 ff.
85 Die neue Universitätsverfassung wurde am 10.9.1958 verkündet. Nach H. J. Schuster,S. 75.
86 H. Schneider, S. 146.
87 Vgl. oben, S. 213 ff.
88 Von den acht saarländischen Mitgliedern dieses Gremiums wurden allerdings nach dem 23. Ok-
tober 1955 sechs aus ihren ehrenamtlichen Diensten entlassen und durch Kandidaten der Hei-
matbundparteien (CDU, SPD, DPS) ersetzt.
278
sitären Selbstverwaltung gemeint ist, die bis 1955 dort auch schon eine Rolle gespielt
hatten.
Der Studienbetrieb konnte ebenfalls relativ reibungslos den neuen Aufgaben und Zielen
angepaßt werden. Gewiß, die Zeit der Kaderschmiede für einen autonomen Saarstaat war
abgelaufen. Da aber die Staatsprüfungen und Diplome vor 1955 ganz im Zeichen überlie-
ferter deutscher Qualifikationsgewohnheiten standen, waren grundlegende Verände-
rungen auch hier nicht notwendig. Viel bedeutsamer für die Existenz der Universität war
der Wegfall der Trennlinie zur großräumigen Bildungswelt der Bundesrepublik, die seit
einigen Jahren deswegen starken Veränderungen ausgesetzt war, weil die Bildungspoli-
tiker aus bildungsökonomischen Gründen und im Interesse gerechterer Bildungschancen
damit angefangen hatten, ein dichtes Netz von qualifizierten Bildungsangeboten zu
knüpfen. Im Saarland erkannte man nach einer Weile des Abwartens dann doch sehr
schnell den Zug der Zeit und vor allem den Vorsprung, den die aus politischen Separa-
tionszielen geborenen Anstrengungen auf dem Bildungssektor im allgemeinen und in
Bezug auf die Förderung der Wissenschaften im besonderen geschaffen hatte. Nachdem
sich diese Einsicht durchgesetzt hatte zögerte die saarländische Regierung nicht mehr,
die bisher erfolgreich wirkenden akademischen Bildungseinrichtungen anzunehmen, die
ihr die Hoffmannzeit als Erbe überlassen hatte. So liest man denn auch folgerichtig im Lei-
stungsbericht der saarländischen Regierung über die Jahre 1957 bis 1962:
Unmittelbar nach Übernahme des Ministeriums (gemeint ist das Kultusministerium) hat
der Minister die Abteilung V ’Hochschulen’ ins Leben gerufen. Nach seiner Auffassung
mußten in einer Zeit, die der Forschung und wissenschaftlichen Lehre besondere Bedeu-
tung beimißt, die Belange der Hochschulen sorgfältig beachtet und tatkräftig unterstützt
werden89.
Diese Willensbekundung ist dann auch in Taten umgesetzt worden. Bis zum Jahre 1962
wurde nicht nur die Zahl der Institute und Lehrstühle erhöht, die saarländische Regierung
zeigte sich auch großzügig in der Bereitstellung von Mitteln für ein umfangreiches Bau-
programm90. Dabei erhielten die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät und
insgesamt elf Institute neue Gebäudeeinrichtungen, die Unterkunft der Philosophischen
Fakultät wurde erheblich erweitert. Die Saaruniversität gewann dadurch natürlich weiter
an Attraktivität, eine Feststellung, für die vor allem die Studentenstatistik spricht. Vom
Sommersemester 1957 bis zum Wintersemester 1962/63 stieg die Zahl der Studierenden
von 2 229 auf 5 88491. In diesen Zahlen spiegelt sich ein Aspekt schulischen Wandels
wider, der vor allem seine Kraft durch das allgemein geförderte und gewachsene Interesse
an qualifizierten Bildungsabschlüssen gewann. Intensiviert wurde er aber auch durch die
traditionell geringen Studienkosten der Saaruniversität und durch die allmähliche An-
nahme der Saarbrücker Hochschule durch Studenten aus der benachbarten Pfalz und aus
jenen bürgerlichen Kreisen an der Saar, die bis dato den Traditionsuniversitäten in Heidel-
berg, Paris und Bonn den Vorzug gegeben hatten. Auch bei ihnen setzte sich die Er-
kenntnis durch, daß die Universität des Saarlandes, wie es die saarländische Regierung in
ihrem Leistungsbericht 1957—1962 stolz verkündete, inzwischen eine Bedeutung erlangt
89 Regierung, Fünf Jahre, S. 22 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 5. zu finden)
90 Vgl. dazu oben Anm. 45 auf S. 270.
91 Nach Regierung, Fünf Jahre, S. 23.
279
(hat), die sie gleichwertig an die Seite der alten deutschen Universitäten stellt91. Dieser
selbstbewußten Aussage soll hier nur noch hinzugefügt werden, daß Pläne zur Errichtung
einer Technischen Fakultät aus Kostengründen verworfen worden sind. Finanzielle Be-
denken verhinderten auch den beabsichtigten Umzug der Medizinischen Fakultät von
Homburg nach Saarbrücken92 93. Diese unerfüllten Wünsche ändern jedoch nichts daran,
daß sich das Saarland mit seiner nunmehr endgültig etablierten Hochschule erstmals in
seiner Geschichte ein durchorganisiertes Bildungswesen geschaffen hatte. Die entschei-
denden Schritte dazu wurden in den Jahren der Separation getan. Wenn auch das tragende
Motiv dieser Hochschulgründung, nämlich die Sicherung einer bildungsökonomischen
Autarkie im Interesse saarländischer Eigenstaatlichkeit, immer umstritten bleiben wird,
so wird man dennoch die im Grunde umsichtige und auf ein hohes wissenschaftliches An-
spruchsniveau hinzielende Aufbauarbeit jener Jahre ebensowenig infrage stellen können
wie die Tatsache, daß die Initiative dazu von Frankreich ausging und das Projekt dann in
Zusammenarbeit mit den damals Verantwortlichen an der Saar in Angriff genommen
wurde. Vorstellungen von einer europäischen Universität hatten sich vor 1955 als Illusion
erwiesen.
In der Tatsache, daß die Saar seit etwa 1950 ein ganzheitliches, d. h., ein von der Grund-
schule bis zur Universität etabliertes öffentliches Bildungsleben hat, ist zweifellos das be-
merkenswerteste bildungsgeschichtliche Ergebnis der Hoffmannära, wobei in diesem Zu-
sammenhang auch an die Ingenieurschule und das Konservatorium, das im Jahre 1962 in
eine Staatliche Hochschule für Musik umgewandelt wurde, erinnert sei. Zu erwähnen
wäre auch noch die ehemalige Schule für Kunst und Handwerk. Sie verkümmerte bis zu
ihrer Auflösung im Jahre 1962 immer mehr, ein Dahinsiechen, das weniger vom Willen
der Bildungspolitiker abhing als vielmehr von der allgemeinen Krise, von der diese Art von
Kunstakademien erfaßt wurde94.
Die Hoffmannzeit hat aber auf die bildungspolitische Entwicklung an der Saar nicht nur
positive Wirkungen gehabt. Dabei ist hier weniger an Alltagssorgen wie zoll- und devi-
sentechnische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Büchern und Lehrgerät für die
Schulen95 oder an die nur zögernd einsetzende Bundeshilfe für wissenschaftliche Einrich-
tungen gedacht, weil das Saarland bis zum Jahre 1958 außerhalb der dafür geltenden Re-
gelung des Königsteiner Abkommens vom 30./31. März 194996 blieb97, sondern eher an
die bildungsökonomischen Strukturschwächen, die sich im Saarland durch die Separa-
92 Nach Regierung, Fünf Jahre, S. 23 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 5. zu
finden). Auskünfte und Hinweise über das Bild der Universität in der saarländischen Öffentlich-
keit finden sich in den Neuesten Nachrichten vom 28. 11.1955 und 5.4.1957, in der Rheinpfalz
vom 21. 5. 1957, in den Neuesten Nachrichten vom 13. 11. 1957, in der Saarbrücker Zeitung
vom 13. 11. 1958, in der Saarländischen Volkszeitung vom 15.11. 1956 und in der Saarbrücker
Zeitung vom 12. 3. 1960.
93 Nähere Einzelheiten dazu in einem Aktenvermerk für den Hochschulreferenten im saarländi-
schen Kultusministerium, Braun, vom 22. 7. 1959. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hoch-
schulen, UI — S Med. Fakultät.
94 Vgl. dazu den Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19. 4. 1960 über den Abbau
der Werkkunstschule Saarbrücken.
95 Die Wirtschafts- und Währungsunion zwischen dem Saarland und Frankreich blieb bis zum 6.
Juli 1959 in Kraft.
96 Verlängerungsabkommen vom 12. 2. 1954 und vom 19. 2. 1959.
97 Vgl. hierzu das Schreiben des saarländischen Kultusministeriums an das saarländische Wirt-
schaftsministerium vom 16. 10. 1957. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwal-
tung, Z II - A - 1.
280
tionsära noch verstärkt haben. Darauf hat der inzwischen verstorbene langjährige saar-
ländische Ministerpräsident Franz-Josef Röder anläßlich des Festaktes „20 Jahre Volks-
abstimmung“ am 25. Oktober 1975 im Saarbrücker Staatstheater aufmerksam gemacht,
als er mit der für ihn sprichwörtlichen Nüchternheit darauf verwies, daß alle großen Bun-
desbehörden und Zentralverwaltungen großer Wirtschaftsunternehmen bereits in an-
deren Teilen Deutschlands angesiedelt waren, bevor das Saarland Teil der Bundesrepu-
blik wurde. Das gleiche gilt für die große Zahl wissenschaftlicher Forschungseinrich-
tungen mit starken und hochqualifizierten Mitarbeiterstäben .. .9S. Ohne Zweifel hat die
traditionell riskante bildungsökonomische Randlage der Saar durch die zehnjährige Ab-
koppelung vom deutschen Schicksal eine Verschärfung erfahren, die nur teilweise durch
den aufkommenden Verwaltungs- und Wirtschaftsapparat einer Sonderstaatlichkeit auf-
gefangen werden konnte. Hoffmann hat das heikle Verhältnis von Angebot und Nach-
frage auf dem Bildungssektor seines kleinen Landes durchaus erkannt, als er Bedenken
gegen die Gründung einer Universität anmeldete und sie dennoch hintanstellte, als er den
Hintergrund ihrer politischen Zweckmäßigkeit erkannte. Bis zum Jahre 1955 hatte er den
Bildungshaushalt in etwa immer ausgleichen können, das Saarland kannte jedenfalls kein
akademisches Proletariat. Bis zum Jahre 1970 stieg die Zahl der Studenten an saarländi-
schen Hochschulen um das Fünffache gegenüber 1955 an. Dieser Effizienz des saarländi-
schen Bildungswesens stand aber keine adäquate Aufnahmefähigkeit des saarländischen
Steifenmarktes gegenüber, da, und hier wird die bildungspolitische Kehrseite der Hoff-
mannzeit sichtbar, der Aufbau einer ausreichenden bildungsökonomischen Bedarfs-
struktur durch die Separationszeit verhindert worden ist. Ein anderes Problem dieser Ef-
fizienz, nämlich das allmähliche Sinken des schulischen Anspruchsniveaus infolge stei-
gender Quantität von Bildungsabschlüssen, die als qualifiziert angesehen werden, ist eine
auch an der Saar sorgenvolle Erscheinung unserer Tage. Die Hoffmannzeit hat sie nie ge-
kannt.
98 Saarland, 20 Jahre Volksabstimmung, S. 10 (Im Quellen- und Literaturverzeichnis unter B I, 3.
zu finden).
281
G.
Zusammenfassung
Als sich Gilbert Grandval am 30. Juni 1955 nach fast zehnjähriger „Residenz“ an der Saar
verabschiedete, umschrieb er die Hauptaufgabe seiner Tätigkeit mit folgenden Worten:
En Sarre,..., j’ai d’abord défendu les intérêts français. Personne, je pense, ne me le repro-
chera. Ce n’est pas moi, en tout cas, qui chercherai à le dissimuler^.
Nach den wenig guten Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Deutschland, sei es
seinem Land, so Grandval zur Begründung seiner Position, in erster Linie darum ge-
gangen, die Bergwerke und Hütten an der Saar endgültig dem deutschen Militärpotential
zu entziehen. Frankreich strebte darum auch jetzt noch danach, die Saar wirtschaftlich
mit dem lothringischen Industriegebiet zu verbinden. Es gelte ein wirtschaftliches Gegen-
gewicht zur enormen industriellen Konzentration an der Ruhr zu schaffen und dies sei am
ehesten möglich, wenn die naturgegebene Kombination von Kohle und Stahl des lothrin-
gisch-saarländischen Raumes gesehen und im Sinne dieses Ziels genutzt würde. Aus-
sichtsreiche Europapolitik sei nur auf der Grundlage eines solchen Ausgleichs möglich.
Für den Gaullisten Grandval war und blieb die Saar jenseits aller europäischen Integra-
tionsbestrebungen auch im Jahre 1955 eine Angelegenheit, die zunächst vorrangig im Zei-
chen nationaler Interessen Frankreichs zu regeln war. Sicherheit vor Deutschland durch
Verschiebung der Wirtschaftspotenzen, das war offensichtlich auch noch im Jahre 1955
das unverrückbare Ziel einer Politik, die strategisch im Gedankenkreis von Separation,
Protektorat, Autonomie, Wirtschafts- und Währungsunion ihren tragenden Rückhalt
fand. Im Raum stand damit eine Forderung, die, wie Freymond es formuliert hat, „die
Züge des ’grand commis’ Ludwig XIV.“1 2 trug, und die von Grandval ungeachtet sich
wandelnder Handlungsbedingungen durchgängig mit persönlichem Engagement und
sogar manchmal im Affronj: zu Paris unbeirrt vertreten worden ist.
Im Zeichen einer nach 1945 durchsetzbaren Außenpolitik suchte Frankreich, eine von
ihm kontrollierte saarländische Autonomie zu sichern, den Saarländern blieben Heimat,
Selbstverwaltung und ihre deutsche Kulturtradition. In diesem Rahmen durfte und
konnte sich die saarländische Bildungspolitik nach 1945 allmählich entfalten. Diese
Grundbedingungen galten auch für die bildungspolitischen Entscheidungen, die die Mili-
tärregierung in Saarbrücken noch ohne größere Beteiligung einheimischer Politiker in der
Zeit bis zum Oktober 1946 traf. Sie lassen die Absicht der Militärregierung erkennen,
durch Rücksichtnahme auf den vermuteten bildungspolitischen Mehrheitswillen der
saarländischen Bevölkerung die Weichen für eine Zusammenarbeit zwischen dem Saar-
land und Frankreich zu stellen. So restaurierte die Militärregierung das bekenntnisgebun-
dene Volksschulwesen und die überlieferten Formen des deutschen Gymnasiums. Ihren
auf Zusammenarbeit angelegten Kurs in Bildungsfragen bahnte die Militärregierung be-
reits im Jahre 1945 an, womit die Annahme, daß Frankreich eigentlich schon zu diesem
Zeitpunkt eine politische Annektion der Saar scheute, sicherlich gestützt wird. Der innere
Zusammenhang zwischen bildungspolitischer Einfühlung und erstrebter Saarautonomie
1 G. Grandval, Allocution, o. Seitenangabe.
2 J. Freymond, S. 298.
282
zeigt sich auch in der Tatsache, daß die Militärregierung in Saarbrücken in Bildungsange-
legenheiten, wenn man einmal von den Rückwirkungen der generellen Zielsetzungen Ent-
nazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung auf die Schule absieht, andere
Wege ging als die französische Militärregierung in Baden-Baden, die mit ihrem antikirch-
lich geprägten Gestaltungswillen bald auf den energischen Widerstand der einheimischen
Bevölkerung und vor allem der Kirchen traf. Bildungspolitisch motivierte Auseinander-
setzungen gab es im Saarland nur, wenn die Militärregierung im Interesse ihres allge-
meinen politischen Ziels Versuchungen zu eigenmächtigem Vorgehen erlag. Ein Beispiel
hierfür ist insbesondere die Gründungsgeschichte der Universität des Saarlandes, spürbar
wurden sie aber auch bei der Einführung des französischen Sprachunterrichts an den
Volksschulen und im Zuge der Entnazifizierung der Lehrerschaft, die oft genug von Per-
sonalspekulationen diktiert wurde, die den saarpolitischen Zielen Frankreichs dienlich
waren.
Einen Ausgleich der Interessen fand man im Kulturabkommen vom 15. Dezember 1948.
Es eröffnete der französischen Seite zwar punktuell einen starken kulturpolitischen Ein-
fluß, der insbesondere den französischen Sprachunterricht und seine Beaufsichtigung
durch Kulturattachés der Mission Diplomatique, die französischen Schulen und ihre Auf-
nahmeberechtigung für schulpflichtige saarländische Kinder sowie die Universität des
Saarlandes betraf. Zugleich bestätigte das Abkommen aber die kulturpolitische Souve-
ränität der Saar als einem Land mit deutsch geprägter Kultur. Frankreich übernahm mit
diesem Abkommen eher die Rolle eines Förderers im gesamten Kultur- und Bildungsbe-
reich, wobei seine Zielsetzungen kaum von einer ihm in der Literatur oft unterstellten
„pénétration culturelle“ beherrscht waren, sondern von dem Gedanken, die Autonomie
der Saar durch ein anspruchsvolles Kultur- bzw. Bildungsniveau zu betonen und zu
stärken. So war das Kulturabkommen ein wichtiges Instrument für den weiteren Ausbau
eines durchstrukturierten Bildungssystems, vor allem im Hochschulbereich. Universität,
Fachhochschulen und neue Anstalten für die berufliche Weiterbildung sind an der Saar
nach 1945 aufkeimende Einrichtungen, die der Saarbevölkerung Bildungsmöglichkeiten
anboten, wie sie in Anspruch und Vielfalt vorher nicht bestanden. Das saarländisch-fran-
zösische Kulturabkommen hat die Selbstbestimmung der Saarländer in Bildungsfragen im
Kern nicht berührt. Anpassungen gab es lediglich auf dem Gebiet des französischen
Sprachunterrichts, des Hochschulwesens und bezüglich der Zulassung schulpflichtiger
saarländischer Kinder zu den Schulen in französischer Trägerschaft. Die Bildungspolitik
blieb weitestgehend eine Angelegenheit der Saarländer, ein Freiraum, der zum Teil jedoch
auch erkämpft werden mußte und damit Ausdruck eines regional orientierten Selbstbe-
hauptungswillens ist. Insgesamt gesehen stand einer kontinuierlichen Fortentwicklung
des deutsch geprägten Bildungswesens nach dem Kulturabkommen nichts mehr im Wege.
Die Schulartikel der saarländischen Verfassung, die am 17. Dezember 1947 in Kraft
traten, wurden inhaltlich weitgehend nach den Vorstellungen der Christlichen Volks-
partei abgefaßt. Als katholisch-konfessionelle Partei konnte sie sich unter Führung Jo-
hannes Hoffmanns aufgrund ihrer soliden Mehrheit gegen Sozialdemokraten, Liberale
und Kommunisten durchsetzen. In erklärter Anlehnung an die schulpolitischen Grund-
sätze der Deutschen Zentrumspartei zur Zeit der Weimarer Republik vermochte sie das
auch von ihr anerkannte staatliche Aufsichts- und Gestaltungsrecht mit den tradierten
schulischen Forderungen der katholischen Kirche zu verbinden. Die bekenntnisgebun-
283
dene Volksschule, konfessionelle Volksschullehrerbildung, Religion als ordentliches
Lehrfach und ein kirchenfreundliches Elternrecht, das waren die Grundvoraussetzungen
für ein christlich geprägtes Schulrecht, das vom politischen Katholizismus in Deutschland
zwar stets mit Nachdruck gefordert worden war, aber nur in Ausnahmefällen mit ähnli-
cher Konsequenz wie an der Saar nach 1945 durchsetzbar war. Die Möglichkeit einer kir-
chennahen Ausrichtung der saarländischen Schule hat den Autonomiegedanken zwar
nicht ausgelöst und getragen, aber dennoch bei den Kräften in Kirche und Staat, denen die
Sicherung der religiösen Erziehung ein übergeordnetes Bildungsziel war, erheblich zu
seiner Stabilisierung beigetragen.
Gleichwohl hat die schulpolitische Kongruenz zwischen Staat und Kirchen die Stellung
Hoffmanns und seiner Freunde nur wenig stärken können. Das lag vor allem daran, daß
die Saarfrage auch von einer kirchenpolitischen Separation her problematisiert wurde, die
insbesondere in den Bestrebungen um ein eigenständiges Saarbistum im Interesse saarlän-
discher Staatlichkeit sichtbar wurde.
In der Zeit der Militärregierung, als die öffentliche Ordnung noch stark administrativ ge-
staltet und kontrolliert wurde, und auch in der ihr folgenden Ära zaghaft aufkeimender
saarländischer Staatlichkeit war dem Wirken von Einzelpersonen mehr Raum gegeben als
sonst. Auf dem Bildungssektor war es der aus der Emigration zurückgekehrte Emil Straus,
dem es gelang, in den Jahren von 1946 bis 1951 großen Einfluß zu gewinnen und die prak-
tische Bildungspolitik maßgeblich zu bestimmen. Seine Person und sein politisches Han-
deln sind zugleich Beispiel für die besondere Bedeutung, die Persönlichkeiten aus der Emi-
gration in der Geschichte des Saarlandes nach 1945 gespielt haben. Der starke persönliche
Gestaltungswille und die persönliche Verantwortung von Straus als Leiter der saarländi-
schen Schulverwaltung (1946 - 1947) und als erster Kultusminister des Saarlandes (1947
- 1951) lassen sich insbesondere im Zusammenhang mit der seminaristischen Volks-
schullehrerbildung, dem französischen Sprachunterricht, der Entnazifizierung der Leh-
rerschaft, dem Zentralabitur sowie mit dem Aufbau von Fachhochschulen und der Uni-
versität nachweisen. Obgleich die „Ära Straus“ bildungspolitisch durchaus Erfolge auf-
zuweisen hat, die Gründung der Universität ist zweifellos ihr besonderer Höhepunkt ge-
wesen, so wird sie im Saarland dennoch in der Erinnerung bis zum heutigen Tage auch
sehr kritisch gesehen. Diese betonte Distanz hat eine ihrer Hauptwurzeln in der sicher un-
leugbaren und oft kritisierten Frankophilie von Straus, so daß er selbst bei seinen
Freunden in Verdacht geriet, zu sehr französischen Einflußwünschen nachzugeben. Sie
gründet aber auch in der komplizierten Persönlichkeitsstruktur des ersten saarländischen
Kultusministers, dessen reizbare Natur sich insbesondere dann zeigte, wenn er das von
ihm argwöhnisch gehütete staatliche Bildungsmonopol und seine Interdependenz zu einer
Autonomie des Saarlandes gefährdet sah. Die dadurch entstehenden Spannungen fanden
in dem pauschalen Vorwurf der Kollaboration mit Frankreich eine bequeme, aber so nicht
zutreffende Begründung. Die Aversionen gegen seine Person erschütterten zunehmend
sein Ansehen in der Christlichen Volkspartei, weil er aufgrund eines eher autoritären Re-
gierungsstils die Erwartungen der Bevölkerung auf pädagogische Selbstbeschränkung des
Staates in Schulfragen enttäuschte. Als Kultusminister ist Straus schließlich am Wider-
stand seiner eigenen Partei gescheitert. Die ständige Bewegung in der Bildungspolitik,
deren Ursache nicht zuletzt in dem Bemühen von Straus um eine deutsch-französische
Kultursynthese und in seinem mangelnden Gefühl für das politisch Machbare lag, wie es
284
insbesondere in den Auseinandersetzungen um das Zentralabitur zum Ausdruck kam,
provozierten eine Spannung zur saarländischen Öffentlichkeit und der Lehrerschaft, die
angesichts der zwischen Deutschland und Frankreich sensibel werdenden Saarfrage von
einem erfahrenen Politiker wie Hoffmann rechtzeitig erkannt und entschärft wurde.
Hoffmann ließ Straus im Jahre 1951 fallen, weil er eine Politisierung der Schule fürchtete,
die seine Stellung und damit auch seine Zielsetzungen hätten gefährden können. Zutage
tritt hier eine unterschiedliche Orientierung in der saarländischen Politik, die ihre Wur-
zeln in der nie eindeutig definierten Stellung der Saar als Protektorat oder teilautonomem
Staat hatte und sich hier in dem Gegensatz des Kultusministers Straus zu dem Regionali-
sten Hoffmann als Konflikt widerspiegelte.
ln der Folge hat Hoffmann die Spannungen um die Schule aber nicht in der Schule auf-
lösen können, er erreichte dieses bescheidene Ziel auch nur um den Preis einer Erstarrung
der Bildungspolitik zur verwaltungsmäßigen Routine. Es war im Grunde ein repressiver
Weg, der die Politisierung nicht verhindern konnte, in die auch die Schule im Zuge der
1951 einsetzenden politischen Auseinandersetzungen um die Zukunft des Saarlandes hin-
eingezogen wurde. So führte die Zurückhaltung der Hoffmannregierung in der Reform
der Volksschullehrerbildung und des französischen Sprachunterrichts im Bereich der
Volksschule zu einer ständig wachsenden Entfremdung und förderte gleichzeitig die
Rückbesinnung der Lehrerschaft auf die Zugehörigkeit zu Deutschland, die bald in eine
erklärte Opposition der Lehrerschaft gegen die bestehende Situation der Separation ein-
mündete. Der Versuch der Regierung, die Lehrerschaft politisch zu disziplinieren, diskre-
ditierte die öffentliche Gewalt vollends. Die europäische Perspektive der Regierung, die
auch in der Schule wirksam werden sollte, wurde dadurch erheblich geschwächt.
Eine der großen Leistungen saarländischer Bildungspolitik in den Jahren 1945 bis 1955
war die Gründung und der Aufbau der Saaruniversität. Ein mit französischer Hilfe ge-
schaffener Finanzrahmen, starker staatlicher Einfluß, die aber dennoch für eine funktio-
nierende akademische Bildungsanstalt brauchbare Verfassung, erfahrene Hochschul-
lehrer im Rektorat und in den Universitätsorganen sowie eine anspruchsvolle Personalpo-
litik sicherten eine positive Entwicklung ebenso wie ein beeindruckendes Bauprogramm
und die äußerst günstigen materiellen Studienbedingungen der neuen Hochschule. Die in
dieser Arbeit immer wieder aufgeworfene Frage nach der Instrumentalisierung der Bil-
dungspolitik durch das politische Ziel der Eigenstaatlichkeit wird im Blick auf die Univer-
sität besonders deutlich. Spürbar wurde sie aber auch im Zusammenhang mit den Fach-
hochschulen und dem eingeführten Zentralabitur. Die Annahme jedoch, die Saaruniver-
sität sei eine Institution im Dienst einer versteckten Romanisierungspolitik gewesen, ist
nicht gerechtfertigt. Freilich ist sie ihrem eigenen Anspruch, eine europaoffene Hoch-
schule zu sein, nur ansatzweise gerecht geworden. Schon in den Jahren vor 1955 war die
Saaruniversität in Wirklichkeit eine Landesuniversität. Die zum Teil mit viel Idealismus
gesuchte Begegnung der deutschen mit der französischen Kultur- und Geisteswelt war
noch zu sehr nationalen Interessen ausgesetzt, als daß sie ein schwungvoller und glaub-
würdiger Ausgangspunkt für eine europäische Universität hätte sein können. Ein Wirken
in diesem Sinne hätte zudem eine „kräftigere“ europäische Struktur des Lehrkörpers und
der Studentenschaft erfordert. Als selbst geschaffenes und kaum überwindbares Hin-
dernis erwies sich das Staatsprüfungsrecht. So wurden z. B. die an der Saaruniversität ab-
285
gelegten Staatsexamen in Frankreich nur in geringem Umfang und in Deutschland nur be-
dingt anerkannt.
ln den leidenschaftlichen Auseinandersetzungen um das Für und Wider des Saarstatuts
war der bildungspolitische Bereich nur ein Randthema. Gleichwohl war auch er ein Ge-
genstand, der zum Protest gegen die politische Situation Anlaß gab. Angegriffen wurden
insbesondere bestimmte Studienpraktiken der Universität, der französische Sprachunter-
richt in der Volksschule und die französischen Schulen in ihrer Eigenschaft als Bildungs-
stätten für schulpflichtige saarländische Kinder. Obgleich diese Tatbestände das deutsch
geprägte Bildungswesen an der Saar kaum berührten und damit im Grunde eine wirklich
existierende Kulturautonomie bestätigen, trugen sie dennoch zur Mobilisierung des Wi-
derstandes gegen den saarländischen Autonomismus und seine europäischen Ambitionen
bei. Damit zeigt sich, daß das Hoffmannregime in der Endphase seiner Herrschaft selbst
in den Bereichen ungenügenden Rückhalt fand, in denen es einen besonderen Anspruch
auf Selbstverwirklichung hätte geltend machen können.
Die zunächst schwache prodeutsche Opposition an der Saar hatte dagegen im Jahre 1955
eine starke Position erreicht, zu der nicht zuletzt die starke moralische Unterstützung bei-
trug, die sie von Seiten der Bundesrepublik und ihrer öffentlichen Meinung erhielt. Zum
entschiedenen und kompromißlosen Anwalt einer wieder mit Deutschland vereinten Saar
machte sich hier der Deutsche Saarbund. Dabei prangerte er auch die Kulturpolitik an der
Saar an, die nach seiner Auffassung letztlich vom Ziel einer „pénétration culturelle“ be-
stimmt sei. Damit steigerte er erheblich die in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik ge-
hegten Befürchtungen um das Deutschtum, die infolge einer verdeckten Romanisierungs-
politik beständen. Innerhalb der Bundesregierung fand der überparteilich organisierte
Deutsche Saarbund insbesondere durch den Minister für Gesamtdeutsche Fragen, Jakob
Kaiser, Unterstützung. Dieser wiederum befand sich im Gegensatz zu Bundeskanzler Ade-
nauer, der die Lösung der Saarfrage ohne Gefährdung seiner europapolitischen Integra-
tionsziele erstrebte. Der dadurch bewirkte Konflikt zwischen beiden Politikern über die
anzuwendende Strategie übertrug sich auch auf den Kultursektor. Kompromißlosigkeit
einerseits und geschmeidig gesuchte Einflußnahme andererseits läßt sich hier vor allem
mit Blick auf die Saaruniversität nachweisen.
Der 23. Oktober 1955 bedeutete keine Zäsur in der Bildungspolitik des Saarlandes. Die
verfassungsrechtlich verankerte Grundlage eines glaubensnahen Bildungswesens blieb
vorerst unangetastet, das in der Separationsfrage gespaltene christliche Lager ließ unge-
achtet seiner konträren Positionen eine Entkonfessionalisierung der saarländischen
Schule noch nicht zu. Die im Saarland nach 1955 eingeleiteten Veränderungen auf dem
Bildungssektor wurden fast ausschließlich durch die Anpassung an die Bildungspolitik
der Bundesrepublik verursacht. Zugleich galt es aber, die gewachsenen kulturpolitischen
Verbindungen mit Frankreich so weit wie möglich zu erhalten. Es war selbstverständlich,
daß Frankreich nach seinem politischen Rückzug von der Saar sein kostenträchtiges kul-
turpolitisches Engagement aufgeben wollte und mußte, ohne freilich die in zehnjähriger
Zusammenarbeit gewachsenen gemeinsamen kulturellen Anliegen aufzukündigen. Dazu
gehörten vorrangig der bevorzugte Stellenwert des französischen Sprachunterrichts in
allen Schulformen, die Existenz und Zukunft des gymnasialen Zweigs der Maréchal-Ney-
Schule in Saarbrücken und schließlich die Universität des Saarlandes, deren Pflege der
französischen Kultur- und Geisteswelt insbesondere durch enge Beziehungen zu dem neu
286
zu gründenden „Institut d’Etudes françaises“ und durch die Einrichtung einiger „franzö-
sischer“ Lehrstühle gesichert bleiben sollte. Seinen Anschluß an die bundesrepublikani-
sche Bildungspolitik in Schulfragen bekundete das Saarland durch die Übernahme der Be-
stimmungen des Düsseldorfer Abkommens zur Vereinheitlichung des Schulwesens, das
am 17. Februar 1955 zwischen den deutschen Bundesländern vereinbart worden war und
am 1. April 1957 in Kraft trat. Eine Sonderstellung machte es lediglich in der Sprachen-
frage geltend, d. h. im Saarland blieb aufgrund gebotener Rücksicht auf Paris Französisch
erste Fremdsprache, während alle anderen Bundesländer sich für Englisch als erste le-
bende Fremdsprache entschieden hatten.
Insgesamt kann die bildungspolitische Bilanz der Hoffmannzeit positiv bewertet werden.
Anzuerkennen sind hier wie in der gesamten Bundesrepublik vor allem die Leistungen des
Wiederaufbaus bzw. Neubaus von Bildungseinrichtungen. Hervorzuheben sind sodann
die Anstrengungen um den Aufbau eines geschlossenen Bildungssystems von der Grund-
schule bis zur Universität. Das Saarland verfügte 1955 über ein breites und vielfältiges Bil-
dungsangebot, das bisherige Benachteiligungen auch in diesem Raum überwunden hatte
und den Herausforderungen einer auf qualifizierte Bildung angewiesenen Gesellschaft im
modernen Industriezeitalter gerecht werden konnte. Erwähnt sei in diesem Zusammen-
hang auch die innere Bereitschaft der saarländischen Bildungspolitiker zwischen 1945
und 1955 zum schulischen Wandel im Sinne eines betonten Strebens nach einem Mehr an
Chancengleichheit.
Die der Hoffmannära zu attestierende Aufwärtsentwicklung auf dem Bildungssektor
findet an der Saar freilich bis zum heutigen Tage nur bedingt Anerkennung, weil sie von
der dortigen Bevölkerung nach wie vor als Begleiterscheinung einer von Frankreich und
der Regierung Hoffmann gewollten Eigenstaatlichkeit gesehen wird. Spürbar wird hier
ein Protest, der seine Wurzeln in der Verfolgung nationalen Denkens in den Jahren vor
1955 hat. Er hinterließ auch in der Schulfrage tiefe Spuren, obgleich hier eine weitrei-
chende Kongruenz zwischen Bevölkerung und politisch Verantwortlichen für ein an Chri-
stentum und Kirchen gebundenes Schulwesen bestand und der überkommene Charakter
der schulischen Einrichtungen eigentlich nur in Randbereichen gefährdet war. Es war im
Grunde eine unüberbrückbare Frontstellung, die am deutlichsten im Widerspruch zum
obligatorischen französischen Sprachunterricht an den Volksschulen spürbar wurde. Er
wurde nämlich von der saarländischen Bevölkerung und der Volksschullehrerschaft in er-
ster Linie als Beginn einer Romanisierungspolitik aufgefaßt und nicht als Fortschritt zu
einer allgemeinen Fremdsprachenschulung in einem modernen Bildungssystem, wie das
die offizielle Politik als Intention ausgab. Ähnlich zwiespältig war das Empfinden der
Mehrheit der Saarländer gegenüber der Zweisprachigkeit der Universität ihres Landes
und dem Aufnahmerecht der französischen Schulen für saarländische Kinder. Auch hier
stand jeweils die Glaubwürdigkeit einer Politik auf dem Prüfstand, deren Kraft und Kom-
petenz letztlich nicht ausreichte, sich mit ihrer Idee der regionalen Selbstverwirklichung
als Grundlage einer europäischen Entwicklung überzeugend durchzusetzen. Ihr Scheitern
sollte jedoch den Blick auf die durch die internationale Politik bestimmten vorteilhaften
Sonderentwicklungen, die sich bildungspolitisch in den Jahren 1945 bis 1955 an der Saar
vollzogen, nicht verstellen.
287
Quellenanhang
VERZEICHNIS DER QUELLEN
1 Rapport mensuel (Synthèse générale) der Saarbrücker Militärregierung
für den Monat September 1946 ................................................. 289
2 Grandval an den Vorsitzenden der Verwaltungskommission (Erwin Müller)
vom 28. 2. 1947 ............................................................... 291
3 Rapport mensuel (Synthèse générale) der Saarbrücker Militärregierung
für den Monat März 1947 ...................................................... 292
4 Auszug aus der Chronik des Bistums Trier (Tagebuchaufzeichnungen des Trierer
Generalvikars Heinrich von Meurers). Stichtag: 15. 9. 1947 ..................... 294
5 Kirchenrat Otto Wehr (Saarbrücken) an den Vorsitzenden der Verwaltungs-
kommission (Erwin Müller) vom 18. 8. 1947 ...................................... 295
6 Justizminister Braun an Grandval vom 1. 8. 1949 ................................ 297
7 Landrat des Kreises St. Wendel (Paul Schütz) an Hoffmann vom 8. 8. 1949 ........ 298
8 Aktenvermerk des Justitiars im saarländischen Kultusministerium,
Oberregierungsrat Johann Leo Zarth, vom 24. 1. 1950 ........................... 302
9 Grandval an Hoffmann vom 24. 1. 1950 .......................................... 304
10 Stadtdechant Braun (Saarbrücken) an den Apostolischen Visitator Schulien
vom 26. 3. 1950 ............................................................... 305
11 Studienrat Fritz Wilke (Neunkirchen) an Oberregierungsrat Zarth (Kultusministerium)
vom 9. 5. 1950 ................................................................. 306
12 Hoffmann an Kultusminister Straus vom 13. 7. 1950 ............................. 308
13 Kultusminister Straus an Hoffmann vom 15. 7. 1950 ............................. 309
14 Aktenvermerk des Direktors des Amts für europäische und auswärtige Angelegenheiten
(Gotthard Lorscheider) vom 18. 11. 1952 ........................................310
15 Kirchenrat Wehr an den Vorsitzenden des Verbandes Saarländischer Lehrer,
Otto Früh, vom 28. 9. 1953 .................................................... 311
16 Hoffmann (Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten) an Grandval
vom 25. 6. 1954 ............................................................... 312
17 Nobelpreisträger Adolf Butenandt an Pierre Donzelot (Vorsitzender des Verwaltungsrats
der Universität des Saarlandes) vom 30. 6. 1954 ................................ 314
18 Oberkirchenrat Wehr an Hoffmann vom 30. 10. 1954 .............................. 315
19 Bürgermeister Brokmeier (Neunkirchen) an Schulrat Hoer (Kreisschulamt Ottweiler II)
vom 20. 11. 1954 ............................................................... 316
20 Protokollartige Aufzeichnungen über Ausführungen des Oberregierungsrats Braun
(Kultusministerium) im Vorfeld der Volksabstimmung am 23. 10. 1955. Ohne Datum. . 318
21 Protokoll der französisch-saarländischen Besprechungen über kulturelle Fragen
am 28. 6. 1956 ................................................................. 320
288
Gouvernement Militaire
de la Sarre
Anlage 1
a
b
Rapport mensuel
Septembre 1946
Synthèse générale 1
Le mois de septembre 1946 a été essentiellement en Sarre le mois des élections munici-
pales.1
La campagne électorale qui s’est déroulée dans un calme relatif, a eu pour conclusion une
participation massive des électeurs au vote: 93,8 % des inscrits ont en effet déposé leur
bulletin dans l’urne.
Ces bulletins se sont répartis très inégalement entre les diverses tendances politiques, le
pourcentage le plus fort revenant au parti chrétien populaire avec 52,76 % des voix, les
socialistes venant assez loin derrière avec 24,72 %, les listes indépendantes recueillant
13,81 % des suffrages et les communistes ne réunissant que 8,71 %.
Ces chiffres font ressortir la place importante que le parti chrétien populaire tient dans la
vie politique sarroise. Bon succès, dû en grande partie à l’influence du clergé, est encore
renforcé par les élections des maires et adjoints du 22 septembre: 81,5 % des maires et
79,4 % des adjoints appartiennent à ce parti.
Tel qu’il se présente après les élections communales, le tableau de la situation en Sarre est
favorable dans l’ensemble à la politique française: une grande majorité des élus appartient
aux partis qui se sont déclarés pour le rattachement économique de ce territoire à la
France. Il faut noter en outre que plusieurs membres du M.R.S. ont été élus sur les listes
des divers partis.
Le parti communiste, le seul qui fit une campagne d’opposition, n’a obtenu qu’une faible
part des suffrages. Sur 385 maires que compte la Sarre, il n’y a que 4 maires communistes,
et, fait intéressant à noter, ces maires sont tous à la tête de communes de moins de 1 000
habitants.
Bien que ces élections aient été des élections communales, la campagne électorale s’est
faite en grande partie sur le plan politique et le parti chrétien populaire, à la suite de son
succès, a prié le Gouvernement Militaire de vouloir bien envisager la transformation de
l’actuel Regierungspräsidium. Il aurait désiré voir attribuer à M. Hoffmann, chef de ce
parti, le poste de Regierungspräsident. Tel n’était pas l’avis des partis minoritaires et no-
tamment du plus fort d’entre eux, le parti social démocrate. Pour régler cette situation, j’ai
décidé d’adopter une solution moyenne. J’envisage, après accord du Commissaire Gé-
néral aux Affaires Allemandes et Autrichiennes et du Commandement en Chef Français
1 Vervielfältigter Schreibmaschinendruck, LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 3.
a Handschriftlicher Vermerk „3360/eab“.
b Stempel „Secret“.
1 Gemeint sind die Gemeinderatswahlen vom 15. 9. 1946.
289
en Allemagne, de créer une commission d’administration provisoire de 7 membres;2 l’ac-
tuel Regierungspräsident,3 qui ne nous a d’ailleurs jamais donné de gages très précis et qui
est de confession protestante ne serait pas remplacé. Les différents partis m’ont donné leur
agrément à l’établissement de cette commission qui restera en place jusqu’à ce qu’aient eu
lieu les éventuelles élections au Landesrat.
La situation, somme toute satisfaisante sur le plan politique, a été également favorable
dans les autres domaines de la vie sarroise. Une nette amélioration de la situation alimen-
taire s’est dessinée en septembre. Elle a permis de porter la ration journalière à plus de
I 300 calories. Cependant, certains déficits dans les arrivages en provenance de la zone
d’occupation française ne sont pas favorables à la formation des stocks, capables de servir
de volants de sécurité lorsque le rattachement économique sera décidé.
Cette nouvelle tendance du ravitaillement a eu des conséquences heureuses sur le marché
du travail: l’absentéisme a subi une régression; le rendement s’est légèrement accru dans
les mines où les nouveaux mineurs semblent s’adapter à leur métier. La vie syndicale s’est
ressentie de cet état de choses, puisqu’elle a connu un regain d’activité.
Si la production industrielle a accusé une faible diminution dans les industries de la fonte
et d’acier, une activité fructueuse a régné dans les autres industries, ainsi que dans le do-
maine des travaux publics. Seuls les transports routiers ont été affectés par un manque de
pneumatiques qui menace de paralyser un grand nombre de véhicules utilitaires.
Ces quelques difficultés mises à part, le mois de septembre a donc été l’objet de nouveaux
et importants développements dans la vie de la population sarroise. Celle-ci semble s’at-
tendre à une décision peu éloignée en ce qui concerne la question du rattachement écono-
mique: le déplacement de douaniers vers le nord, le discours de M. Byrnes à Stuttgart l’ont
confirmée dans cet espoir.
La venue du Général Koenig en Sarre lui avait fait croire à l’annonce du rattachement pour
une date rapprochée.
II existe donc à l’heure actuelle une ambiance assez favorable à notre politique. La popu-
lation sarroise, après l’annonce de la création d’un État rhéno-palatin espère qu’elle sera,
elle aussi, bientôt fixée sur son sort.
2 Diese sogenannte Verwaltungskommission tritt am 8. Oktober unter Vorsitz von Erwin Müller
, (CVP) ihr Mandat an.
3 Bezieht sich auf den bis zum 7. Oktober 1946 amtierenden Saarbrücker Regierungspräsidenten
Hans Neureuter.
290
Anlage 2
Militärregierung des Saargebietes
Direktion der Verwaltungsangelegenheiten
Saarbrücken, den 28. Februar 1947
Nr. 407/7 DAA/Cab.
Gilbert Grandval
Gouverneur de la Sarre
an den Herrn Vorsitzenden der Verwaltungskommission1 des Saarlandes1
Herr Präsident,
die unterlaufenen (!) Schwierigkeiten mit den deutschen Universitäten für (!) die offizielle
Anerkennung der medizinischen Fakultät in Homburg, die Weigerung der Universität
Mainz, die Prüfungen dieser Schule anzuerkennen, die Realisierung im Verlaufe des wirt-
schaftlichen Anschlusses und die Schwierigkeiten der Geldüberweisungen zwischen der
Saar und Deutschland, welche daraus folgen und das Studium in Deutschland er-
schweren, wenn nicht unmöglich machen für die saarländischen Studenten, haben mich
veranlaßt, das gesamte Problem des Hochschulunterrichts an der Saar in Erwägung zu
ziehen.
Da dieses Problem in der gleichen Weise für alle Lehrfächer gestellt ist, habe ich die Schaf-
fung einer Universität im Saargebiet ins Auge gefaßt, wo alle Fächer gelehrt werden und
welche eine Etappe bilden würden zwischen dem Unterricht in den saarländischen Ober-
schulen und dem Unterricht in den französischen Hochschulen, zu welchem die Studenten
nach 2jährigem Studium in dieser Universität überführt werden.
Ich habe die französische Universität gebeten, diese neue Schaffung unter ihre Obhut zu
nehmen.
Der Herr Rektor von Nancy hat infolgedessen auf meine Bitte dem Rat der Universität
Nancy das Projekt der Schaffung einer Fakultät in Homburg, welche der Universität
Nancy angeschlossen werden soll, unterbreitet. Der Rat der Universität Nancy hat dieses
Projekt gutgeheißen und es an den Herrn Ministre de l’Éducation Nationale weiterge-
reicht.
Im Prinzip ist das Projekt angenommen worden und der Herr Ministre de l’Éducation Na-
tionale hat die Eröffnung eines Universitätsinstitutes für Medizin in Homburg genehmigt,
dessen Einweihung am 8. März unter seinem Vorsitz erfolgen soll. Die Vorlesungen sollen
am 10. des gleichen Monats beginnen. Es wird dies der erste Schritt für die Schaffung wei-
terer Institute sein.
1 Amtliche Übersetzung, LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS - 1 —.
1 Erwin Müller (CVP). Die Verwaltungskommission amtierte vom 8. 10. 1946 bis 19. 12. 1947.
291
Ein Institut der Wissenschaften wird gleichzeitig eröffnet für den P.C.B.2 3, ein Institut für
Rechtswissenschaft wird voraussichtlich im Oktober eröffnet mit einer Verwaltungs-
schule. Die Schaffung eines Instituts für Literatur ist für später vorgesehen.
Schließlich werden 3 Laboratorien für wissenschaftliche Forschungen nach dem Saarge-
biet verlegt (Forschungen für Mineralien, Eisenhüttenkunde und Arbeitsbedingungen),
welche es uns ermöglichen, den Instituten ein Institut für wissenschaftliche Forschungen
anzugliedern, was übrigens in dem Plan vorgesehen ist.
Jedes Institut erteilt den Unterricht für die ersten 2 Jahre plus P.C.B. für Medizin; die Stu-
dien müssen an einer französischen Universität nach Wahl des Studenten beendigt
werden.
Für die Studenten der Medizin ist hinsichtlich der an deutschen Universitäten absolvierten
Semester die Gleichwertigkeit schon jetzt amtlich anerkannt und genehmigt.
Allein eine Regulierung bleibt noch vorzunehmen hinsichtlich der Gültigkeit der im Saar-
gebiet erhaltenen Diplome, für welche ich beabsichtige, Ihnen einen Vorschlag zu ma-
chen.
Durch diese Initiative soll das seit hundert Jahren durch Preußen kolonisierte Saarland
von neuem eine Elite schaffen können, welche es verdient und welche es für seinen mate-
riellen und moralischen Wiederaufbau im wahren Geiste der Demokratie unumgänglich
benötigt.
Dadurch werden schließlich engere kulturelle Bindungen zwischen Frankreich und dem
Saargebiet erzeugt, entsprechend den geschichtlichen Gegebenheiten und der Geographie
und wesentlicher Zweck unserer gemeinsamen Politik.
Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner hohen Wertschätzung.
gez. Grandval
Anlage 3
Gouvernement Militaire
de la Sarre
Rapport Mensuel Mars 1947
Synthèse générale1
Au contraire du mois précédent, le mois de mars a été caractérisé par une intense activité,
dans les domaines politique, économique et culturel.
Tout d’abord, en effet, l’ouverture de la Conférence de Moscou1 a eu cette conséquence
politique d’ordre général, que partis, mouvements et syndicats ont voulu préciser leur po-
2 P,C,B = Physik, Chemie, Biologie.
1 Vervielfältigter Schreibmaschinendruck, LA Saarbrücken, Bestand Handelsamt Saar Nr. 3.
3 Handschriftlicher Vermerk „242/cab“.
b Stempel „Secret“.
1 Gemeint ist die Moskauer Außenministerkonferenz des Jahres 1947.
292
sition de principe à l’égard du rattachement de la Sarre à la France. Cette position s’est
concrétisée par l’envoi de télégrammes adressés aux quatre Ministres des Affaires Étran-
gères réunis à Moscou. Le parti chrétien populaire, le parti social démocrate, le parti dé-
mocratique de la Sarre, les syndicats et les étudiants ont exprimé leur hâte de voir s’opérer
le rattachement économique2. En ce qui concerne les syndicalistes, ils ont pu préciser leur
position à M. R. Madier au cours de l’entrevue que celui-ci leur a accordée le 21 mars. Le
parti communiste de son côté se faisait le héraut de la thèse adverse.
Ces opinions contraires ne sont d’ailleurs que l’expression traditionelle des programmes
des différents partis.
Un fait nouveau cependant est à signaler. L’Evêque de Trêves qui, jusqu’ici s’était borné
à opposer à notre politique une certaine résistance passive, a, pour la première fois, pris
une position ouverte dans deux documents qui ont été lancés en Sarre à une semaine d’in-
tervalle. Le premier est une pétition destinée à être envoyée à Rome, qu’on a fait circuler
parmi les curés sarrois et qui demande le maintien de la Sarre dans le Diocèse de Trêves.
Le second consiste en une lettre pastorale lue le 30 mars3 dans presque toutes les églises
de la Sarre (plusieurs prêtres cependant se sont d’eux-mêmes refusés à cette lecture) qui
exalte le patriotisme et donne le nom de traître à ceux qui, pour des raisons purement égoi-
stes, abandonnent leur patrie dans le malheur.
Cette façon d’agir traduit vraisemblablement la crainte de l’évêché de perdre la plus riche
partie de son Diocèse et représente un fait important dans la politique sarroise.il place le
parti chrétien populaire qui représente à lui seul la majorité de la population, dans une po-
sition délicate. Il est difficile de prévoir dès à présent l’évolution de la situation ainsi créée,
mais il est cependant indéniable que la plupart des Sarrois attendent la réponse de la
France avant de prendre une position ferme.
Les milieux catholiques sont en général hésitants car ils voudraient pouvoir concilier leur
fidélité traditionnelle envers leur évêque et le désir qu’ils éprouvent pour le rattachement
économique. L’appel qui est fait à leur nationalisme allemand leur paraît plutôt inopp-
ortun, car seul le rattachement de la Sarre à la France peut rendre à leur pays la prospérité
qu’il a connue avant 1935. Ils n’en veulent d’ailleurs pour preuve que la renaissance de
leur économie. Chaque mois apporte de nouveaux progrès. La production sidérurgique
a augmenté au cours du mois de 15 à 19 %. L’extraction du charbon se maintient à
857 500 tonnes. Seul le problème du ravitaillement n’a pas encore reçu de solution satis-
faisante et les Sarrois se demandent avec impatience si les promesses faites le mois précé-
dent par le Président Bidault vont être suivies d’exécution.
Une amélioration en ce sens est vivement souhaitable, car il convient que la France marque
des points à la fois dans tous les domaines.
Le Centre Universitaire d’Etudes Supérieures de Hombourg a été inauguré au début du
mois de mars4 avec un plein succès et la population sarroise a applaudi cette initiative,
2 Gemeint ist das gemeinsame Telegramm dieser Parteien und Verbände vom 27. April 1946, in dem
die wirtschaftliche Vereinigung des Saarlandes mit Frankreich gefordert wird.
3 Bezieht sich auf den Hirtenbrief des Trierer Erzbischofs Franz Rudolph Bornewasser über die Va-
terlandsliebe vom 30. 3. 1947.
4 8. März 1947.
293
mais il ne faudrait pas qu’après avoir marqué un avantage très net dans le domaine cul-
turel, la France perdît du terrain sur un autre plan.
Quoiqu’il en soit, les Sarrois attendent avec de plus en plus d’impatience que soit fixé le
sort réservé à leur pays. Les prises de position se font de part et d’autre de plus en plus
nettes; elles sont largement en notre faveur et bien qu’il soit trop tôt encore pour juger de
la question, il est peu vraisemblable que les efforts que tente actuellement, au moment de
la Conférence de Moscou, 1’ évêché de Trêves, puissent amener dans le pays un change-
ment d’attitude de la majorité de la population à l’égard du rattachement économique de
la Sarre à la France. —
Anlage 4
Auszug aus den Tagebuchaufzeichnungen des
Trierer Generalvikars Dr. Heinrich von Meurers1
Am Montag, den 15. September, hielt ich nachmittags in Saarbrücken eine Dechanten-
konferenz für die Dechanten des Saarlandes. Alle Dekanate waren vertreten durch die De-
chanten oder Definitoren. Die Konferenz war im Langwiedstift von 14 — 16.30 Uhr.
Außer mir nahm noch Weihbischof Metzroth und Ehrendomherr Msgr. (= Monsignore)
Dr. Kremer an der Konferenz teil. Die Konferenz diente der Stellungnahme zur Frage der
Verfassung an der Saar. Zu Beginn der Konferenz berichtete Dr. Kremer1 über den Verfas-
sungsentwurf. Er ist privat von dem Vorsitzenden der Verfassungskommission, Herrn Jo-
hannes Hofmann (!), zur Mitarbeit an den kirchlichen und Schulfragen herangezogen
worden und hat einen Entwurf für diese Abschnitte vorgelegt. Er berichtete dann über den
Entwurf, der alle Forderungen der Kirche berücksichtigt. Die Bekenntnisschule ist als Re-
gelschule bezeichnet.
Abschließend sprach Weihbischof Metzroth zur Frage der Bekenntnisschule und wies auf
die Leitsätze der deutschen Bischöfe von 1946 hin (Vgl. hierzu auch KNA2 1947 Nr. 256).
Ich sprach dann davon, daß an und für sich viele Fragen mit den Saardechanten zu bespre-
chen waren, daß wir heute aber nur die Verfassungsfrage besprechen wollten. Der Saar-
klerus brauche Verschwiegenheit, Mut und Einigkeit. Ich wies dann besonders auf die
Pflicht der Verschwiegenheit hin, die nicht immer beachtet worden wäre. Viele Vorgänge
aus den Konferenzen würden gleich anderen Stellen mitgeteilt, auch intime Vorgänge aus
Pfarrhäusern. Es sei das unwürdig und müsse unbedingt unterbleiben. Auch Einigkeit sei
notwendig.
In der Aussprache wurde dann über den Verfassungsentwurf gesprochen. Einstimmig war
der Wunsch der Herren, daß ein Hirtenwort des Herrn Erzbischofs vor der Wahl er-
1 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1947, S. 60 f.
1 Dr. Philipp Kremer war nach 1945 rangältester katholischer Geistlicher des Bistums Trier im Saar-
land. Vorgänger des Dechanten Braun in Saarbrücken. Danach Prälat in Trier.
2 = Katholische Nachrichtenagentur
294
scheinen möge. Im Verlaufe der Aussprache wurde dann die entscheidende Frage berührt,
daß an der Saar die Verfassung nicht getrennt zur Volksabstimmung vorgelegt werde,
sondern daß dort nur die Landtagswahl für bestimmte Parteien ausgesprochen würde. Ich
wies darauf hin, daß dieser Vorgang einmalig nach dem Kriege sei und nicht ohne Absicht.
Es sei eine Pflicht der Christen und der Führer der Christen, eine Trennung des Volksent-
scheides für die Verfassung und die Wahl zum Landtag zu fordern. Nur so könnten die
Gläubigen sich frei entscheiden. Dr. Kremer machte darauf den Vorschlag, die Artikel
über Schule und Kirche einem Volksentscheid zu unterbreiten.
Die Dechanten faßten darauf den Beschluß, die Verfassungskommission zu bitten, die Ar-
tikel über Schule und Kirche getrennt einem Volksentscheid vorzulegen. Der Beschluß
wurde gleich formuliert und vom ältesten Dechanten, Geistl. Rat Held3, gleich dem Vor-
sitzenden der Verfassungskommission, Herrn Hofmann (!), übergeben.
Anlage 5
Kirchenrat O. Wehr Saarbrücken 1, den 18. 9. 47
Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz für das Saargebiet
a)Tg.V. Nr. 2614/47*» c>
An den
Herrn Vorsitzenden der
Verwaltungskommission des Saarlandes1
d)Saarbrückene>1
Die in den letzten Tagen an die Lehrer ergangenen Epurationsentscheide mit ihren Sank-
tionen haben nicht nur bei den Betroffenen, auch nicht nur bei den Schülern und Schüle-
rinnen einschließlich der früheren Schüler, sondern darüber hinaus auch in weiten Kreisen
der Eltern und der Bevölkerung lebhafteste Beunruhigung hervorgerufen.
An diesen Ereignissen kann die Evangelische Kirche darum nicht schweigend vorüber-
gehen, weil sie auf das Ernsteste mit ihrer Verantwortung für die Erziehung und Bildung
der Jugend von diesen Ereignissen bewegt und in Hinsicht des Religionsunterrichts selber
mitbetroffen wird.
3 Dechant von Siersburg, nordwestlich von Saarlouis gelegen.
1 Abschrift, LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, ZU — A2g 1945 — 1947.
a_b unterstrichen
c Eingangsstempel des saarländischen Kultusministeriums vom 24. September 1947 mit Aktenver-
merk V/Z II — A2g.
d~e gesperrt und unterstrichen.
1 Vorsitzender der Verwaltungskommission, die vom 8. 10. 1946 bis 19.12.1947 amtierte, war der
Rechtsanwalt Erwin Müller (CVP).
295
Die Evangelische Kirche hat in der Frage der Entnazifizierung in ganz offizieller Form ihr
Wort auf der Kirchenversammlung in Treysa im vergangenen Jahr gesprochen und dieses
Wort an alle zuständigen Stellen geleitet2. Ich lege dieses Wort in der Anlage bei. Von
diesem Wort aus haben die Vertreter der Evangelischen Kirche je und dann zu besonderen
einzelnen Fällen Stellung genommen.
Mit der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die innere Erneuerung des Volkes hat die
Evangelische Kirche zum Ausruck gebracht, daß sie und wie sehr sie an einer wirklichen,
echten Reinigung von dem das Volk verderbenden und die Völkerbeziehung vergiftenden
Ungeist der nationalsozialistischen Ideologie und Praxis innerlich mitbeteiligt ist.
Gerade darum muß sie in Erfüllung des ihr von ihrem Herrn aufgetragenen Wächteramtes
ernstlich und dringend bitten, daß die Säuberungsaktion alle Forderungen der Gerechtig-
keit erfüllt, damit nicht Verbitterung und aus der Verbitterung Verzweiflung erwächst,
die den Geist eines neuen Nazismus heraufbeschwört, der im totalen Nihilismus voll-
endet, was Hitler begonnen hat.
Es ist nicht nur den zunächst Betroffenen, sondern weiten Kreisen unbegreiflich, wie man
Lehrer zwei Jahre lang unbedenklich unterrichten lassen, um sie dann plötzlich — ohne
einen besonderen Anlaß — frist- und pensionslos zu entlassen. Noch unbegreiflicher wird
es empfunden, daß die ein Maß allerschwerster Belastung dokumentierenden Urteile erst
im September zugestellt worden sind, nachdem sie bereits im Juli gefällt wurden. Ein sol-
ches Vorgehen ist nur zu sehr geeignet, die schon lange erschütterte Glaubwürdigkeit der
Sachlichkeit der Epurationsentscheide vollends zu erschüttern. Die Kirche aber hat ein
sehr ernstes Interesse daran, daß das Vertrauen auf Gerechtigkeit wachsen kann und die
von Gott gesetzte Autorität aller Obrigkeit durch die Ermöglichung eines solchen Ver-
trauens gestärkt und gefestigt wird.
Als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche darf ich darauf hinweisen, daß es für die
Evangelische Kirche sehr schwer erträglich ist, daß ihr Urteil, wie es beispielsweise im Fall
des Studienrats Krieger, der den Religionsunterricht am Ludwigsgymnasium erteilt, ge-
schehen ist, durch den gegen ihn ergangenen Entscheid als eine belanglose Angelegenheit
behandelt worden ist. Die Evangelische Kirche hatte auf Grund sehr genauer, umfas-
sender, persönlicher und sachlicher Kenntnis diesem Lehrer nicht etwa ein harmloses, be-
schönigendes Zeugnis ausgestellt, sondern ihm seine ganz besondere, ausführlich begrün-
dete, dazu noch mit der persönlichen Bürgschaft des Unterzeichneten bekräftigte Qualifi-
kation bescheinigt.
An diesem Fall wird symbolisch für viele andere Fälle deutlich, daß auf dem bisherigen
Wege der Epuration summum jus zur summa injuria wird.
Daß die Erkenntnis von der Unmöglichkeit des bisherigen Weges des Säuberungsverfah-
rens auch in den Parteien gewachsen ist, ist der Kirche ein Zeichen dafür, daß sie mit ihrem
Wort zu der Frage der Entnazifizierung den rechten und einzig möglichen Weg gewiesen
hat.
2 Gemeint ist die Erklärung der Evangelischen Kirche Deutschlands zur Entnazifizierungsfrage vom
2. Mai 1946, die auf einer Versammlung der EKD im hessischen Treysa verabschiedet wurde.
296
Ich bitte deshalb nicht nur im Interesse der Betroffenen, der Schule, der Schüler und Schü-
lerinnen, der Eltern und der gesamten Öffentlichkeit, sondern auch und nicht zuletzt im
Interesse der Stabilisierung einer echten Autorität,
1. daß die gegen die Lehrer ergangenen Entscheide ausgesetzt und die Lehrer wieder in
ihren Dienst eingesetzt werden,
2. daß die Spruchkammerverfahren die Fälle der Erzieher mit besonderer Vordringlich-
keit erledigen, weil die ruhige und stetige Arbeit der Schule von ganz entscheidender Be-
deutung für das gesamte Leben des Volkes ist,
3. daß der bisherige Weg der Sanktionen, die in keinem echten Verhältnis zu den durch
kein geordnetes Verfahren bewiesenen Belastungen stehen, verlassen und eine wirkliche
Rechtsgrundlage und Rechtssicherheit geschaffen wird.
Ich bitte, der Militärregierung von diesem Schreiben Kenntnis zu geben.
Der Bevollmächtigte der Evangelischen
Kirche
gez. Wehr
Anlage 6
Die Regierung des Saarlandes
Ministerium für Justiz
61—S—14
Saarbrücken, 1. 8. 1949
An den
Hohen Kommissar der
französischen Republik des Saarlandes
- Generalsekretariat -
ina Saarbrücken131
c)Betrifft:d Ausgleichsexamina an der Universität des Saarlandes
Hoher Kommissar!
Ich habe die Ehre, in Beantwortung Ihres Schreibens vom 29. 7. 1949 und unter Bezug-
nahme auf die Besprechung mit den Herren de Liencourt1 und Woelfflin2 vom 30. 7. 1949
folgendes mitzuteilen:
1 Auszug aus einer Abschrift, LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UI — S- jur, betref-
fend: Jur. Fakultät usw.
a-b unterstrichen.
c~d unterstrichen.
1 Bis 1949 Mitarbeiter der Militärregierung bzw. der Mission Diplomatique, danach Gesandt-
schaftssekretär im französischen Außenministerium.
2 Direktor der Kultusabteilung innerhalb des Hohen Kommissariats in Saarbrücken.
297
M.E. (= Meines Erachtens) sollte im wesentlichen nur dasjenige im Saarland geltende
Recht Gegenstand der Ausgleichsexamina sein, das, sei es an französischen, sei es an deut-
schen Universitäten nicht Gegenstand von Vorlesungen und Übungen ist. Dies trifft in er-
ster Linie zu auf das Recht der saarländischen Verfassung und die Sonderregelungen, wie
sie im Zusammenhang mit dem in der Präambel der Verfassung verankerten wirtschaftli-
chen Anschluß des Saarlandes an Frankreich, insbesondere in den Konventionen, ge-
troffen sind. Ich halte es deshalb für unerläßlich und besonders wichtig, daß an der saar-
ländischen Universität über diese Besonderheiten der saarländischen Rechtsentwicklung
Vorlesungen gehalten werden.
Beglaubigt: gez. Dr. Braun3
Reg.-Angestellte c
Anlage 7
Der Landrat St. Wendel, den 8.8. 1949
des Kreises St. Wendel Fernruf 401-404
bAbt.: Dr. Sch/Mac
An den
Herrn Ministerpräsidenten
dSaarbrückene1
Regierung des Saarlandes
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
In brennender Sorge um das Wohl der heranwachsenden Jugend und die sozialen Auswir-
kungen, welche die Erziehung der Jugend für die Zukunft unserer Heimat hat, drängt es
mich, Ihnen meine Meinung über die Universität des Saarlandes aus tiefstem Pflichtgefühl
heraus mitzuteilen.
Ich möchte und kann Ihnen nicht verhehlen, daß ich von Anfang an der Gründung der
Universität in Homburg größte Zurückhaltung und innere Ablehnung entgegenbrachte.
e Handschriftliche und unleserliche Unterschrift,
3 Saarländischer Justizminister im 1. und 3. Kabinett Hoffmann.
1 Original, LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 296.
a Handschriftlicher Vermerk: „Eine Behandlung im Kabinett erübrigt sich im Augenblick.“ Na-
menszug Schlehofers, Leiter der Präsidialkanzlei.
b-c unterstrichen,
d_e gesperrt und unterstrichen.
298
Die Entwicklung, die die Universität seitdem genommen hat, hat meine Skepsis nicht ver-
mindern können.
Ich will keine bestehenden Mängel an der Universität kritisieren, es geht mir vielmehr nur
darum, Ihnen meine Ansicht über die Universität, ihre Entwicklungsmöglichkeit und Exi-
stenzberechtigung grundsätzlich darzulegen.
Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß die Universität des Saarlandes auf die Dauer
nur lebensfähig ist und im Sinn ihrer Gründer nach nur dann ihre Aufgabe erfüllen kann,
wenn es gelingt, sie zu einer wirklich übernationalen Erziehungsstätte im europäischen
Sinn zu machen. Dies wird jedoch meines Erachtens die Universität des Saarlandes nie er-
reichen, wenn auch noch so sehr für den Gedanken geworben wird. Die Gründe sind sehr
einfach psychologischer Natur. Die deutschen Jugendlichen werden aus innerer natio-
naler Abneigung heraus niemals in großer Anzahl nach dem Saarland zum Studium
kommen, weil nationale Gefühle Hemmungen bei ihnen hervorrufen werden und ich bin
sicher, daß auch die Eltern der Studierenden diese Einstellung der Jugendlichen teilen und
sie in ihrer Abneigung bestärken werden. Außerdem wäre es schon bei Nichtbestehen
dieser inneren Abneigung sehr schwer, deutsche Studenten an die junge Universität in
Saarbrücken zu ziehen bei der reichen Anzahl von bestens renommierten Universitäten in
Deutschland mit großen Namen und noch größerer Vergangenheit. Ziehen Sie bitte
einmal einen Vergleich zwischen der Universität Heidelberg, die prozentual immer die
meisten Angehörigen fremder Staaten angezogen hat und auch den meisten Anreiz auf die
Ausländer ausübte infolge der besonderen Lage der Stadt Heidelberg, Im Verhältnis zu
der Zahl der Studierenden war die Zahl der Ausländer dennoch immer eine bescheidene.
Sollte die Universität des Saarlandes auf die Ausländer einen größeren Anreiz ausüben als
etwa Heidelberg oder die Sorbonne? Ich glaube es nicht. Ausländer werden an die großen
Universitäten aller Länder gehen, aber nicht an eine junge Universität, die sich im übrigen
den hochqualifizierten und zahlreichen Lehrkörper aus finanziellen Gründen schon gar
nicht leisten kann.
Die Franzosen ihrerseits werden aus ihrem starken nationalen Selbstbewußtsein heraus
genau so wenig nach Saarbrücken oder ins Saarland kommen zur Absolvierung ihres Stu-
diums wie die Deutschen. Sie haben in Straßburg bereits eine Universität, in der die deut-
schen Disziplinen gelehrt werden und im Ernstfälle geht, wenn überhaupt ein Interesse
daran besteht, der französische Student eher an die französische Universität Straßburg als
an die saarländische Universität in Saarbrücken. Im übrigen hat auch der französische
Student, genau wie der deutsche, bereits eine sehr reiche Auswahl von allerbesten und be-
rühmten Universitäten im eigenen Lande. Sei nationales Vorurteil wird es ihm kaum ge-
statten, Saarbrücken der Sorbonne vorzuziehen. Die andere Seite, die mir noch problema-
tischer erscheint ist folgende. Wegen der Kleinheit des Saarlandes kann praktisch jeder aus
jedem Dorf des ganzen Saarlandes, wenn er will, täglich nach Saarbrücken zur Universität
fahren und dort ein akademisches Studium aufnehmen. Das bedeutet einen enormen Zu-
gang zum akademischen Studium, weil es so außerordentlich leicht ist, das Studium
durchzuhalten und zu finanzieren. In den Universitätsstädten ist dieses Beispiel ja vorex-
erziert.
Wir sind auf dem besten Wege, uns ein akademisches Proletariat an der Saar zu schaffen,
weil es unmöglich ist, nach bestandenem Abschlußexamen alle die akademisch gebildeten
299
Kräfte unterzubringen oder auch nur einigermaßen ihrer Vorbildung entsprechend unter-
zubringen.
Vom Parteistandpunkt aus betrachtet, scheint mir die Sache noch viel bedrohlicher, denn
wir schaffen durch Errichtung und Unterhaltung der Universität durch Gewährung von
Stipendien und Subsidien uns unsere eigenen erbittertsten Gegner von morgen, denn die
Studenten, die nachher nicht Unterkommen so wie sie sich das erträumten und aufgrund
ihres akademischen Studiums und des akademischen Abschlußexamens glauben einen
Anspruch zu haben, werden sich in 95 % der Fälle einer radikalen politischen Richtung
anschließen, gleichgültig ob rechts oder links. Wir bilden also heute mit großem Wohl-
wollen unsere Gegner von morgen mit unserem eigenen Gelde aus. Auch das soziale und
öffentliche Leben wird durch diese unzufriedenen Akademiker in Zukunft immer unru-
higer werden. Denken wir doch an die Entwicklung des Nationalsozialismus. Wer waren
die ersten Treiber 1923: zum großen Teil entwurzelte und unzufriedene Akademiker; wer
macht in der ganzen Welt die Palastrevolutionen: die Studenten. Hier scheint mir eine Ge-
fahr im Anzug zu sein, die in ihrer Schwere gar nicht überschätzt werden kann. Ich be-
trachte es deshalb als meine persönliche und menschliche Pflicht, dem Herrn Ministerprä-
sidenten meine Bedenken vorzutragen.
Es kommt hinzu, daß die jungen Leute nach bestandenem Examen weder nach Frankreich
noch nach Deutschland können, weil die Staatsexamina wahrscheinlich weder in Frank-
reich noch in Deutschland anerkannt werden und der ganze Gang des Studiums dies auch
praktisch unmöglich macht, denn nehmen wir den Juristen; von Jahr zu Jahr wird sich
durch die Eigengesetzgebung der juristische Studienstoff mehr und mehr verselbständigen
und sich weder vollständig mit dem deutschen noch mit dem französischen Recht decken.
Daß man einigen jungen Ärzten Gelegenheit gab, in die französischen Kolonien abzuwan-
dern, ist eine Tatsache, die man vom Standpunkt der Unterbringung des gesamten akade-
mischen Nachwuchses als sehr problematisch — aus verschiedenen Gründen — bezeichnen
muß. Der Arzt kann im übrigen aus der Not seiner Situation heraus sich entschließen, in
die Kolonien zu gehen, aber was soll der Philologe, der Jurist und der Historiker machen?
Das Land Luxemburg hat bisher ganz von der Einrichtung von akademischen Bildungs-
stätten abgesehen und hat sicher nicht schlecht dabei gefahren. Die Schweiz bietet mit
ihrer 3-sprachigen Universität schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten genügend Gele-
genheit, auf internationaler Basis ein Studium durchzuführen. Das Saarland kann sich mit
ihr nicht messen. Dem Sinn, der der Universität des Saarlandes zu Grunde liegt, wäre
meines Erachtens in weit besserem Maße entgegengekommen, wenn man die jungen
Leute nach Deutschland, nach Frankreich, in die Schweiz und nach England und wohin
sie immer wollen zum Studium ließe. Sie hätten dann den Vorteil, daß sie wirklich in einer
weltweiten Atmosphäre aufwachsen würden und erzogen würden.
Das Erlebnis im fremden Land unter den Bedingungen, unter denen der Einwohner dieses
Landes lebt und denkt, in den jungen, bildungsfähigen Jahren wird in den jungen Men-
schen gerade auf fruchtbaren Boden fallen und ihnen den Charakter der fremden Völker
ad oculos am Objekt demonstrieren. Dadurch bekäme der junge Student auf die Dauer
einen Einblick und Überblick über das gesamte öffentliche Leben, der von unersetzlichem
Wert ist für den, der das Glück hatte, ihn zu erwerben.
Nach abgeschlossenem Studium im Ausland könnte die saarländische Regierung, zum
mindesten von denen, die später in den öffentlichen Dienst einzutreten gedenken, ver-
300
langen, daß im Saarland ein Staatsexamen abgelegt wird. Dem Staatsexamen könnte eine
ein- bis zweisemestrige Sonderausbildung vorausgehen, falls überhaupt nötig, um bei-
spielsweise den Juristen das im Saarland geschaffene und von anderen Ländern abwei-
chende Recht nahe zu bringen. Diese Zeit könnte jedoch auch zum größten Teil eingespart
werden, indem man diese Sonderausbildung zwischen das Referendar- und Assessor-
examen legen würde. Diese Regelung ist übrigens in vielen Priesterseminarien eingeführt,
wo sich beispielsweise nach abgeschlossenem philosophischem, theologischem und wis-
senschaftlichem Studium eine zweisemestrige Sonderausbildung für den angehenden Seel-
sorger anschließt.
Was im Saarland aus der Landschaft und der Struktur der Bevölkerung heraus wirklich
eine Existenzberechtigung hätte und auch Aussicht hätte, einen Namen zu bekommen,
wäre eine ausgezeichnete höhere technische Lehranstalt und ein vorzüglich ausgebautes
Dolmetscherinstitut.
Der Ingenieur ist kein Politiker. Ingenieure findet man sehr selten auf der politischen
Bühne. Außerdem sind sie fast die einzigen, die sich ohne Staatsexamen in jedem fremden
Lande durchsetzen können, wenn sie nur das nötige Wissen haben, denn die Technik
kennt keine nationalen Grenzen und keine Landesgrenzen und deswegen könnte auch der
eventuelle Überschuß an Technikern sehr viel leichter außerhalb des Saarlandes Unter-
kommen als die übrigen akademischen Berufe, weil sie im wahren Sinne des Wortes ein
übernationales Wissen und einen internationalen Beruf haben. Eine angegliederte Aka-
demie für Bergbauingenieure würde auch den Interessen des saarländischen Bergbaues
und der angrenzenden lothringischen Grubenverwaltung Genüge leisten. Wenn man
hierauf seine Energie und die Mittel konzentrieren würde, glaube ich, daß man damit Er-
folg haben würde.
Man soll im übrigen nicht sagen, wir werden die Anforderungen so hoch schrauben, daß
nur der Beste das Examen besteht. Das ist keine Lösung des Problems des akademischen
Nachwuchses, ganz im Gegenteil, denn dadurch wird die geschilderte Gefahr der Schaf-
fung des akademischen Proletariats nur noch vergrößert, denn, wie ebenfalls die Erfah-
rung lehrt, ist der Halbgebildete viel viel schlimmer als der Ganzgebildete und der
schlimmste von allen ist der gestrandete oder verkrachte Student. Er ist zu allen Taten be-
reit.
Es könnte den Anschein haben, als ob durch diese meine Ausführungen und die Ableh-
nung der Universität des Saarlandes eine unsoziale Note in die Diskussion hineingetragen
würde, indem eingewandt wird, daß die finanziell Minderbemittelten dann nicht stu-
dieren können. Ich bin der grundsätzlichen Meinung, daß man nur eine Begabtenförde-
rung betreiben soll und keine Förderung auf allgemein anonymer Grundlage. Noch lange
nicht jeder, der glaubt studieren zu müssen, hat die notwendigen geistigen Fähigkeiten.
Wie viel mittelmäßig und unter mittelmäßigbegabte beschreiten heute den Weg zum
Gymnasium und zur Universität, weil die Eltern glauben, ihr Sohn muß studieren. Aber
noch lange nicht alle verdienen es wirklich auf Grund ihrer geistigen Fähigkeiten zu La-
sten der Staatskasse ganz oder teilweise ein Studium durchzuführen, das sie doch nur zum
Halbgebildeten machen kann, weil ihre geistigen Fähigkeiten nicht weiter reichen. Gerade
diese sind es, die später die größten Ansprüche stellen und sich über alle anderen erhaben
dünken, denn es ist, wie das Volkssprichwort sagt: „Dummheit und Stolz wachsen auf
einem Holz“.
301
Vielleicht wäre es auch richtig, an den Gymnasien bereits in den alleruntersten Klassen die
Begabtenauslese sehr intensiv zu betreiben, damit die Leute nicht am Abitur straucheln,
nachdem sie bereits 9 Jahre auf ein Studium verwandt haben, das ihnen doch für das prak-
tische Leben und die berufliche Entwicklung nichts oder fast nichts geben kann. Von der
allgemein menschlichen Erziehung will ich dabei nicht sprechen.
Genehmigen Sie, Herr Ministerpräsident, den Ausdruck meiner
vorzüglichen Hochachtung
f
Anlage 8
aVermerkb 24. Januar 1950
vorzulegen Herrn Minister Dr. Straus1
cBetrifft:d 1.
2.
Beförderungen innerhalb der durch Epurationsentscheidungen auferlegten
Bewährungsfrist.
Beförderungen und Höhergruppierungen von Nichtsaarländern.
Zu 1.
Epurationsentscheidungen enthalten vielfach die Auferlegung einer Bewährungsfrist. Das
muß natürlich einen Sinn haben. Bei Beamten kann das meines Erachtens nur den Sinn
haben, daß sie sich in dieser Zeit auch beamtenmäßig — also im Verhältnis zum Staat—be-
währen müssen. Das hat zwangsläufig zur Folge — diese Auffassung vertrete ich in der Per-
sonalkommission — daß innerhalb dieser Bewährungsfrist eine Beförderung nicht statt-
finden soll. Es ist schon gefühlsmäßig ein Widerspruch in sich, wenn innerhalb einer Be-
währungsfrist eine Beförderung ausgesprochen wird. In der Personalkommission sind je-
doch die Herren Vertreter des Justizministeriums, des Wirtschaftsministeriums und des
Finanzministeriums der Auffassung, daß auch in den Fällen einer auferlegten Bewäh-
rungsfrist Beförderungen erfolgen sollen (bzw. können) denn, so ist die Begründung, es
handele sich ja nur um eine politische Bewährung. Meines Erachtens ist das verfehlt, denn
es besteht ja keine Rechtspflicht zu einer politischen Betätigung. Die Bewährungsfrist
würde auch lediglich nur auf dem Papier stehen wenn man ihren Sinn darin erblicken
wollte, daß letzten Endes nur Angriffe gegen den Staat ein Fall der Nichtbewährung sein
soll. Die politische Bewährung des Beamten liegt jedenfalls in der Art und Weise der Aus-
übung seiner Staatstätigkeit. Die Art und Weise der Berufsausübung muß daher Inhalt der
Bewährungsfrist sein, sodaß, wenn man davon ausgeht, innerhalb dieser Frist von Beför-
derungen abzusehen ist.
f Handschriftliche Unterschrift des Landrats Paul Schütz.
1 Vermerk des Oberregierungsrats Johann Leo Zarth, Justitiar des Kultusministeriums zur Proble-
matik von Entnazifizierung und saarländischer Staatsangehörigkeit (Original), Privatakten Dr.
Emil Straus.
a - b Gesperrt geschrieben und gestrichelt unterstrichen.
c-d unterstrichen.
302
Zu 2.
Nichtsaarländer sind noch in erheblicher Anzahl im Angestelltenverhältnis tätig, ohne
daß ein Antrag auf Erwerb der saarländischen Staatsangehörigkeit gestellt ist. Ich vertrat
hierzu in der Personalkommission die Auffassung, daß in diesen Fällen kein Anlaß vor-
liegen könne, Höhergruppierungen vorzusehen. Die Herren Vertreter des Justizministe-
riums, des Wirtschaftsministenums und des Finanzministeriums vertraten jedoch in der
Sitzung vom 10. 10. 1949 die Auffassung, daß, wenn der Staat diese Angestellte in ihrer
Tätigkeit belasse und sie nicht kündige wenn sie die saarländische Staatsangehörigkeit
nicht beantragen, die Höhergruppierung bei diesen Angestellten genau wie bei Saarlän-
dern zu erfolgen habe. Ich bin der Meinung, daß es durchaus nicht so zu sein braucht.
Saarländer zu sein oder geworden zu sein rechtfertigt durchaus einen Vorzug vor denen,
die die saarländische Staatsangehörigkeit bewußt nicht erwerben und doch hier im Staats-
dienst tätig sind. Meines Erachtens sollte man allerdings Angestellte, die Nichtsaarländer
sind und den Antrag auf Erwerb der saarländischen Staatsangehörigkeit nicht stellen,
kündigen. Bis dahin oder bis sie die saarländische Staatsangehörigkeit erworben haben,
wäre es zweckmäßig diese Frage so zu regeln, daß in all diesen Fällen von einer Höher-
gruppierung Abstand genommen werden soll. Sonderfälle brauchen dadurch in keiner
Weise berührt zu werden.
Es wäre nützlich, wenn der Ministerrat sich einmal mit den Fragen zu 1. und 2. beschäf-
tigen würde und zu den dargelegten Themen Beschlüsse zur Beachtung durch die Perso-
nalkommission fassen wollte.
Saarbrücken, den 11. 10. 1949
e Namenszug Johann Leo Zarths.
303
Anlage 9
Haut-Commissariat Saarbrücken, den 24. 1. 1950
de la République Française en Sarre
Cabinet
No. 20.277/CAB.
Gilbert Grandval
Haut-Commissaire de la République Française en Sarre
an den
Herrn Präsidenten der Regierung des Saarlandes
aSaarbrückenb1
ln einem Artikel mit der Überschrift „Die Amtssprache“ der Januarnummer 1950 der
„Gewerkschaftlichen Rundschau“ verlangt ein anonymer Berichterstatter dieser Zeit-
schrift die Abänderung des Unterrichtsplanes in den Volksschulen.
Man kritisiert insbesonders den Französisch-Unterricht ab dem 2. Schuljahr unter dem
Vorwand, daß ein Kind die Muttersprache erst nach mehreren Schuljahren korrekt be-
herrscht.
Ich habe die Ehre, Ihre Aufmerksamkeit auf diese Kritiken zu lenken, die ich als absolut
unzulässig betrachte. Es würde sich gehören, daß dem verantwortlichen Direktor dieser
Zeitschrift eine Zurechtweisung erteilt würde, indem man ihn an das Kulturabkommen
zwischen Frankreich und der Saar erinnert, welches ausdrücklich den Unterricht in der
französischen Sprache von den ersten Schuljahren an vorsieht.
Ich verlasse mich auf Sie, daß Sie bei der verantwortlichen Direktion die Richtigstellung
erreichen werden, die diese Erklärung, welche zweifelsohne eine eindeutige Feindseligkeit
gegen die Grundsätze selbst des Kulturabkommens aufweist, erfordert.
Für den Hohen Kommissar
Le Préfet
Directeur du Cabinet
gez. Ph. Schwab
1 Original einer amtlichen Übersetzung, LA Saarbrücken, Bestand Verwaltungskommission des
Saarlandes Nr. 20.
a~b unterstrichen.
304
Kath. Pfarramt
St. Michael
Fernruf 2 1863
Anlage 10
Saarbrücken, am 26. März 1950
Rotenbergstraße 25
An den
Hochwürdigsten Herrn
Prälat Dr. Schulien
Apostolischer Visitator
Saarbrücken*3 *
Hochwürdigster Herr Prälat!
Die Konferenz der Dechanten des Saarlandes am 16. März 1950, bei der zwei Dechanten
nicht anwesend sein konnten und sich entschuldigt hatten — Herr Dechant Moskopf von
Borg wegen der zu weiten Entfernung, Herr Dechant Lieblang von Völklingen wegen per-
sönlicher Gründe — hat mich einstimmig beauftragt, Ihnen, hochwürdigster Herr Prälat,
folgende cErk!ärungd zur gefl. (= gefälligen) Kenntnis zu bringen:
Angesichts der heutigen Diskussion um die Saarfrage halten die Dechanten des Saarlandes
in Übereinstimmung mit dem ganzen Klerus — abgesehen von einigen wenigen Aus-
nahmen — und in Kenntnis der treuen Anhänglichkeit der Saarkatholiken es für zeitnot-
wendig, erneut dem Apostolischen Visitator zu bekunden, daß die Katholiken der Saar die
derzeitigen Bestrebungen politischer Stellen auf Errichtung eines eigenen Saarbistums ein-
mütig ablehnen.
Bei einer Trennung von dem altehrwürdigen Bistum Trier befürchten wir Priester ange-
sichts der religiösen Verhältnisse in Frankreich auch an der Saar einen baldigen Rückgang
des religiösen Lebens.
Das Saarland ist zu klein, um den Nachwuchs für Welt- und Ordensklerus zu sichern, re-
ligiöse Bildungsanstalten zu erstellen, eine eigene Diözesanverwaltung mit Seminar und
Konvikt aufzubauen.
Manche Geistliche würden bei einer Trennung von Trier das Saarland verlassen, andere
würden sich gegen eine Versetzung an die Saar sträuben.
Eine tausendjährige Tradition, die uns mit der ältesten deutschen Diözese und dem ein-
zigen Apostelgrab diesseits der Alpen verbindet, läßt sich nicht ohne größte Gefährdung
der religiösen Bildungskräfte durchschneiden. Die großen Bischofsgestalten des letzten
Jahrhunderts haben eine außergewöhnliche tiefe Volksverbundenheit, eine organisch ge- 1
1 Abschrift, BA Trier, Abt. 59, Nr. 64.
a_t> gesperrt und unterstrichen.
c“d unterstrichen.
305
wachsene Treue und Anhänglichkeit an den Trierer Bischof gerade bei den Saarkatho-
liken bewirkt und das religiöse Leben an der Saar aufs tiefste formend und gestaltend be-
fruchtet. Eine Trennung vom ehrwürdigen Stuhl des heiligen Eucharius hätte eine Enttäu-
schung, eine Erschütterung und Lähmung des religiösen Lebens zur Folge, die durch
Neuerungen nicht ausgeglichen werden könnten.
Nicht bloß aus Gründen der Geschichte, der Tradition, der Treue, der Kultur, der blutmä-
ßigen Bindungen an die Verwandtschaft in Eifel, Hochwald und Hunsrück, wo ein großer
Teil der Saarbevölkerung seine angestammte Heimat hat, sondern vor allem aus pasto-
ralen Gründen, die das Seelenheil der Gläubigen im Auge haben, bitten wir erneut Eure
Excellenz, dem Heiligen Vater unser kindliches Vertrauen zu übermitteln, daß Seine Weis-
heit und Seine väterliche Sorge um das Heil der Seelen seine gehorsamen Söhne und
Töchter an der Saar von einer drohenden religiösen Gefährdung bewahren werden.
Im Auftrag der Dechantenkonferenz:
Mit vorzüglicher Hochschätzung
Ihr in Verehrung sehr ergebener
gez. Braun
Stadtdechant
Anlage 11
Fritz Wilke, Neunkirchen-Saar, 9. 5, 50
aam Knabengymnasium in Neunkirchenb
An Herrn
Oberregierungsrat Zarth
im Ministerium für Kultus, Unterricht und Volksbildung
din Saarbrücken61
Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 1. März d. J. (= dieses Jahres) an das Knabengym-
nasium in Neunkirchen, betreffend Krankmeldung der Lehrer. Dieses Schreiben wurde
den Lehrern zur Kenntnisnahme vorgelegt1. In diesem Schreiben war eine ganze Reihe
Lehrer namentlich aufgeführt mit dem Hinweis auf ihre verschiedenen Krankmeldungen.
U. a. (= Unter anderem) war auch mein Name genannt. Da ich immer noch erwartete, au-
ßerdem auch ein persönliches Schreiben zu erhalten, habe ich eine Stellungnahme zu
dieser Angelegenheit bis heute aufgeschoben. 1
1 Abschrift, LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299.
a-b unterstrichen.
c Eingangsstempel der Staatskanzlei vom 11. Mai 1950.
d_e gesperrt und unterstrichen.
1 Vgl. hierzu den entsprechenden Erlaß im Amtlichen Schulblatt Nr. 7 vom 5. 4. 1950.
306
Ich nehme nun Veranlassung, den in dem vorerwähnten Schreiben gemachten Vorwurf
des Simulantentums (denn anders kann ich das nicht auffassen) aufs schärfste zurück-
weisen zu müssen. Bis heute hat mir keiner meiner Vorgesetzten jemals Pflichtvergessen-
heit oder ähnliches vorwerfen können oder vorgeworfen. Ich habe 11 Jahre Emigration
und schwere Entbehrungen hinter mir, so daß es kaum verwunderlich ist, wenn sich dies
einmal körperlich auswirkt. Ich habe im Saarabstimmungskampf meinen Mann ge-
standen und auch damals eine Summe an Nervenkraft verloren, die ich dem Körper nie
mehr zurückgeben kann.
Im letzten Winter hatte ich zuerst eine Lungenentzündung und ging, anstatt erst nach 6
Wochen, gegen den Rat meines Arztes schon nach 4 Wochen wieder in den Dienst; dann
kam einen Monat später ein Rückschlag und im März d. J. (= dieses Jahres) wieder eine
schwere Grippe — alles Folgen einer verminderten Widerstandsfähigkeit durch die erlit-
tenen Strapazen und Entbehrungen der letzten 12 Jahre.
Ich habe bisher, ich muß es leider sagen, für meine Gesinnungstreue weder beruflich noch
ideell irgend einen Dank erhalten und erwarte ihn auch nicht mehr, aber den Vorwurf des
Simulantentums noch dazu einzustecken — dazu fühle ich nun keine Veranlassung. Be-
merken möchte ich noch, daß ich je eine Abschrift
a) an den Herrn Ministerpräsidenten,
b) an den Herrn Minister Dr. Straus und
c) an den Herrn Minister Richard Kirn
mit der Bitte um Kenntnisnahme überreicht habe.
gez. Fritz Wilke
Vorstehende Abschrift dem Herrn
Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann in Saarbrücken
mit der Bitte um Kenntnisnahme überreicht.
f)
f Handschriftliche Unterschrift des Studienrates Fritz Wilke.
307
Regierung des Saarlandes
Der Ministerpräsident
Anlage 12
Saarbrücken, den 13. Juli 1950
Herrn
Kultusminister Dr. Straus
aSaarbrückenb 1
Sehr geehrter Herr Minister!
Wie mir mitgeteilt wird, soll Ihre Anweisung für das Nachabitur im September neuerdings
von Ihnen wieder zurückgezogen worden sein. Wenn das stimmt, müßte ich darin eine
merkwürdige Desavouierung erblicken. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich Sie auf
die Notwendigkeit des Nachabiturs hingewiesen und Sie haben mir auch wiederholt er-
klärt, daß die Anweisung dafür bereits ergangen sei.
Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen noch einmal meinen Standpunkt zu präzisieren:
Wenn man schon hier das Zentralabitur eingeführt hat, dann muß man es auch ganz nach
dem französischen Muster einführen. In Frankreich besteht für jeden, der durchfällt, die
Möglichkeit, das Examen drei Monate später nachzumachen.
Der Hinweis darauf, daß in Frankreich nur 30 % im Abitur durchkommen, ist nicht stich-
haltig, denn an der Saar erfolgt das „Sieben“ bereits bei den einzelnen Versetzungen, was
in Frankreich nicht der Fall ist, bestimmt nicht in dem Maße. Denn ich weiß, daß bei der
Versetzung in Frankreich von einer Klasse zur anderen ein viel milderer Maßstab angelegt
wird, als es bei uns üblich ist. Dort ist die Durchschnittsziffei* für die Versetzung 8, wäh-
rend sie bei uns über 10 liegen muß.
Auf alle Fälle bin ich der Meinung, daß die Anweisung für das Nachabitur, wenn sie nicht
bereits ergangen ist, ¿sofort* erfolgen muß, wenn sie noch einen Sinn haben soll.
Ich bitte um umgehenden Bericht, da die Angelegenheit schon Staub genug aufgewirbelt
hat.
Mit den besten Grüßen
0
1 Original, Privatakten Dr. Emil Straus.
a“b gesperrt und unterstrichen.
c Handschriftlich verbessert von „Durchschnittszahlen“ zu „Durchschnittsziffer“.
d~e Handschriftlich unterstrichen (wahrscheinlich von Ministerpräsident Hoffmann),
f Eigenhändige Unterschrift von Ministerpräsident Hoffmann.
308
Anlage 13
15. Juli 1950
An den
Herrn Ministerpräsidenten
in aSaarbrückenb1
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
In Beantwortung Ihres Schreibens vom 13.7. ds. Jrs. (= dieses Jahres) gestatte ich mir
Ihnen folgendes zu erwidern:
Mit Verfügung vom 28. 6. 1950, an alle Direktoren der höheren Schulen gerichtet, wurde
die Einführung einer Herbstsession des saarländischen Abiturientenexamens für Kandi-
daten, die das gleiche Examen im Sommer nicht bestanden haben, angeordnet. In dieser
Verfügung wurden die Herren Direktoren aufgefordert, die infrage kommenden Kandi-
daten auf diese neue Einrichtung hinzuweisen und ihre Anmeldungen entgegenzunehmen.
Ihre Auffassung, daß meine Anweisung „für das Nachabitur neuerdings zurückgezogen
worden sei“, entspricht daher nicht den Tatsachen. Ich bedauere deshalb, daß Sie sich auf
von außen kommende Mitteilungen mehr verlassen, als auf eine grundsätzliche in aller
Ruhe und auch auf gegenseitigem Vertrauen mögliche Unterhaltung mit mir — auch in sol-
chen Fragen.
Obzwar ich Ihre Interpretation über das Nachabitur sowohl vom allgemein schulischen
wie von meinem persönlichen Erfahrungsstandpunkt, auch in Frankreich, nicht völlig
teilen kann, und obzwar 20 Studienräte sich meiner Auffassung angeschlossen haben,
glaubte ich einmal wieder schulische Probleme politischen Notwendigkeiten unterordnen
zu müssen.
Es wäre notwendig, daß solch prinzipielle Entscheidungen aufgrund gegenseitiger Aus-
sprache erfolgen sollen, damit sie im Gesamtrahmen der saarländischen Probleme sowohl
ihrer Stellung wie ihrer Wertung nach sich behaupten können.
Genehmigen Sie, Herr Ministerpräsident, den Ausdruck meiner
ausgezeichneten Hochachtung 1
1 Durchschlag, Privatakten Dr. Emil Straus.
a_b gesperrt und unterstrichen.
c Paraphe von Kultusminister Dr. Straus.
309
Regierung des Saarlandes
Amt für europäische
und auswärtige Angelegenheiten
Anlage 14
Saarbrücken, den 18. Nov. 1952
Schillerstr. 13
Der Direktor
AA V 179/52
a
Vermerk: 1
1) Im Hinblick auf die morgen, am 19. 11. 1952 stattfindende Generalversammlung des
Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes habe ich bei der Mission Diploma-
tique über den Stand der Angelegenheit: „Französischer Unterricht in den Volks-
schulen des Saarlandes“ nachgefragt und darauf hingewiesen, daß es von großer Be-
deutung wäre, im Rahmen dieser Tagung bereits etwas über die gewünschte Änderung
hinsichtlich des französischen Unterrichts sagen zu können.
Herr Filliol gab mir nach Rücksprache mit dem Herrn Botschafter durch, daß die fran-
zösische Regierung mit der vorgeschlagenen Änderung der Konvention, den französi-
schen Schulunterricht in den Volksschulen statt im zweiten Schuljahr im dritten Schul-
jahr zu beginnen, einverstanden sei, und daß auch gegen die Herabsetzung des franzö-
sischen Unterrichts auf vier Wochenstunden keine Einwendungen erhoben würden.
Allerdings erfolge diese Zustimmung unter der Bedingung, daß diese Regelung, Be-
ginn des französischen Unterrichts im 3. Schuljahr und allgemein vier Wochen-
stunden, in der Kulturkonvention demnächst festgelegt würde.
2) Herr Professor Dr. Meyer wurde von Vorstehendem in Kenntnis gesetzt und ihm an-
geraten, bei der morgigen Tagung entsprechende Mitteilung zu machen.
3) Herrn Ministerpräsidenten mit der Bitte um Kenntnisnahme.
4) Nach einem Monat, schriftliche Bestätigung. 1
b
1 Original, LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299.
a Handschriftlicher Vermerk „Schlehofer bitte kurze Nachricht auch an die Redner!“
b Handschriftliche Unterschrift (unleserlich, Unterzeichner ist wahrscheinlich der parteilose Gott-
hard Lorscheider).
310
Anlage 15
622/53 B. 28. September 1953
An den
Verband Saarländischer Lehrer e. V.
z. Hd. des Vorsitzenden Herrn Otto Früh
aDudweilerb-Saar
In den Welkertswiesen1 11
Lieber Herr Früh!
Mit herzlichem Dank für Ihr Schreiben vom 29. 8. 1953 möchte ich Ihnen mitteilen, daß
ich in der Angelegenheit der Verfolgung von Lehrern aus dienstlichen Gründen eine Aus-
sprache mit dem Herrn Ministerpräsidenten gehabt habe. Ich habe dabei darauf hinge-
wiesen, daß eine solche Strafe - denn so müßte sie ja angesehen werden — nach fast einem
Jahr ihren Sinn und Zweck vollkommen verfehle. Man könne ein Kind nicht nach einem
Jahr erst strafen. Ich habe weiter darauf hingewiesen, daß ich sehr wohl Verständnis dafür
haben könnte, wenn eine Regierung in solchen Fällen sich gegenüber ihren Beamten zu
Maßnahmen veranlaßt sähe, wenn einzelne Personen, Gruppen oder Organisationen
nach ihrer politischen Doktrin grundsätzlich das Gefüge der Ordnung des Staates zer-
stören wollten. Dies sei aber in den vorliegenden Fällen nicht der Fall. Fordern könne ein
Staat Loyalität. Diese würde nicht in Frage gestellt durch persönliche Meinungsäuße-
rungen. Es sei doch soviel mir bekannt kein Lehrer öffentlich in Versammlungen aufge-
treten. Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten gebeten, alle Fälle zu überprüfen. Ich habe
dann auch den Einzelfall des evangelischen Lehrers Geibig vorgetragen und darauf hinge-
wiesen, daß es keine gute Sache ist, wenn eine Regierung auf Denunziation, denn um eine
solche könne es sich ja nur handeln, eine solch weittragende Entscheidung fälle. Der Herr
Ministerpräsident hat mir die Überprüfung zugesagt. Er hat mir auch mitgeteilt, daß meh-
rere Dechanten bei ihm in derselben Angelegenheit vorgesprochen hätten.
Ich hoffe gerne, daß der Herr Ministerpräsident, der selber das Kultusministerium über-
nehmen wird, diese Angelegenheit der Versetzung der Lehrer überprüfen und zu einem
guten Ende bringen wird.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
1 Durchschlag, Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
a~b gesperrt und unterstrichen.
c Paraphe des Kirchenrates Otto Wehr.
311
Anlage 16
AAV 179/54 25. Juni 1954
2
Herrn
Botschafter Gilbert aGrandvalb
— Chef der französischen Diplomatischen
Vertretung im Saarland
cSaarbrückend1
cBetrifft:f Änderung des Kulturabkommens vom 15. Dezember 1948 zwischen der Regie-
rung der französischen Republik und der Regierung des Saarlandes
sBezug:h Ihr Schreiben vom 27. November 1952 — 3622/S.C.
Sehr geehrter Herr Botschafter!
Ich beehre mich, Ihnen unter Bezugnahme auf Ihr oben angeführtes Schreiben die Vor-
schläge der saarländischen Regierung zur Änderung des französisch-saarländischen Kul-
turabkommens vom 15. Dezember 1948 wie folgt zusammenzufassen:
1. Änderung des Art(ikels) 21 dieses Abkommens mit der Maßgabe, daß der Französisch-
Unterricht in den Volksschulen vom 3. Schuljahr ab beginnt.
2. Festlegung der Stundenzahl des Französisch-Unterrichts einheitlich für alle Klassen
auf vier Stunden in der Woche.
3. Herabsetzung des Französisch-Unterrichts bei den Gewerblichen und Hauswirt-
schaftlichen Berufsschulen von bisher zwei Stunden pro Woche auf eine Stunde.
Während bei den Kaufmännischen Berufsschulen, die zwölf Stunden Unterricht in der
Woche erteilen, keine Änderung des Französisch-Unterrichts notwendig ist, erscheint dies
umso notwendiger für die Gewerblichen und Hauswirtschaftlichen Berufsschulen. Für
die acht berufstheoretischen Fächer Deutsch, Französisch, Geschäftskunde, Schriftver-
kehr, Staatsbürgerkunde, Fachkunde, Fachrechnen und Fachzeichnen sind insgesamt nur
acht Wochenstunden eingesetzt, von den der Französisch-Unterricht nach der bisherigen
Stundenverteilung zwei Stunden, also ein Viertel der zur Verfügung stehenden Zeit bean-
sprucht. Demnach erscheint eine Herabsetzung der Unterrichtszeit für die französische
Sprache auf eine Stunde pro Woche erforderlich und auch vertretbar.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Regierung des Saarlandes bereits im November 1952
mit Ihnen Verhandlungen über eine Änderung des Kulturabkommens geführt hat. In
a-b in Großbuchstaben
c~i sperrig und unterstrichen
e~f unterstrichen
s-*1 unterstrichen
1 Es handelt sich um einen Durchschlag, auf dem die für dieses Schreiben zuständige Dienststelle,
nämlich das Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten, nicht vermerkt ist.
2 An dieser Stelle sind einige handschriftliche Anmerkungen angebracht worden, von denen lediglich
das Abgangsdatum eindeutig zu identifizieren ist.
312
Ihrem oben angeführten Schreiben erklärten Sie sich seinerzeit nach Rücksprache mit den
zuständigen Dienststellen in Paris mit den Vorschlägen 1. und 2. einverstanden. Das über
diese Abänderungen erzielte Einvernehmen ist damals mit Ihrem Einverständnis vom
Leiter des saarländischen Kultusministeriums, Professor Dr. Meyer, auf der Generalver-
sammlung des Verbandes katholischer Erzieher des Saarlandes vom 19. November 1952
bekanntgegeben worden. Es wurde auch bereits vor Beginn der im Mai 1953 abgeschlos-
senen Vertragsverhandlungen zwischen der französischen und der saarländischen Regie-
rung eine Kommission für die Änderung des Kulturabkommens gebildet. Sie konnte ihre
Arbeit jedoch nicht aufnehmen, da die Ausarbeitung der übrigen Verträge die gesamte
Zeit beanspruchte.3
Ich bitte Sie, daß diese Kommission ihre Arbeiten mit dem Ziele der vorerwähnten Abän-
derungen des Kulturabkommens unverzüglich aufnimmt.
Da diese Beratungen indessen einen längeren Zeitraum beanspruchen dürften, das saar-
ländische Kultusministerium jedoch ab 1. September 1954 die vorgeschlagenen Ände-
rungen bezüglich des Französisch-Unterrichts in den saarländischen Volksschulen durch-
führen möchte, bitte ich ergebenst, der vorläufigen Einführung der oben bezeichneten
Vorschläge (vorbehaltlich ihrer Ratifizierung durch die beteiligten Parlamente) zu-
stimmen zu wollen.
Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, den Ausdruck meiner vorzüglichen
Hochachtung
b a
3 Quellen, die über die hier angesprochenen Vorgänge nähere Auskunft geben, finden sich im LA
Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten Nr. 104.
3 Paraphe Hoffmanns und Gotthard Lorscheiders, dem Leiter des Amtes für auswärtige und euro-
päische Angelegenheiten.
b Vermerk „1 Anlage“ und Vermerk, der zur Wiedervoflage am 7. 7. 1954 auffordert.
313
Anlage 17
Max-Planck-Institut für Biochemie
und
Tübingen, den 30. Juni 1954
Gmelinstraße 8
Physiologisch-Chemisches Institut
der Universität Tübingen
M. Donzelot
Représentant permanent des Universités
françaises à l’étranger
972 Fifth Avenue
New York 21, N.Y. I
Hochgeehrter Herr Donzelot!
Zwei Erlebnisse veranlassen mich, Ihnen eine Zeile zu schreiben.
Vor wenigen Wochen war ich erstmals Gast der Universität des Saarlandes in Saar-
brücken und Homburg. Es blieb nicht aus, daß ich an jene Besprechung erinnert wurde,
an der ich vor Jahren bei Ihnen in Paris teilnehmen durfte und in der Sie die Pläne zum
Aufbau einer internationalen europäischen Universität im Saarland entwickelten und
mich um meine Mithilfe baten. Ich denke gern an jene von soviel Idealismus und echtem
Wollen getragene Unterhaltung zurück und habe seither die Entwicklung der Universität
des Saarlandes mit Interesse verfolgt. Was ich in Saarbrücken und Homburg sehen
konnte, hat mich stark beeindruckt, und ich glaube, daß die Universität eine große Auf-
gabe erfüllen kann, wenn man den ursprünglichen Gedanken weiter nachgeht, nicht nur
alle Lehrstellen paritätisch zu besetzen, sondern auch für einen internationalen Austausch
von Gelehrten und Gastprofessoren zu sorgen. Aber es ist ein Anfang gemacht, und man
sollte auf dem eingeschlagenen Wege fortschreiten und sich gegen alle Bemühungen
stellen, die das Fernziel trüben könnten.1
1 Abschrift eines Schreibens des Prof. Adolf Butenandts an Pierre Donzelot (Représentant perma-
nent des Universités françaises à l’etranger). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/
1 Hier endet die Kopie, die wahrscheinlich nur auszugsweise wiedergegeben ist. Hinweise auf eine
Unterschrift fehlen völlig. Die Urheberschaft Adolf Butenands geht sowohl aus dem Briefkopf
hervor (B. war 1954 in Tübingen tätig) wie sie auch in einem Begleitschreiben ausdrücklich er-
wähnt wird.
a Namensvermerk „Dr. Groh“ und „Woelfflin“.
a
UIS - A 1
314
Anlage 18
795 1/54 B. 30. Oktober 1954
An
Herrn Ministerpräsident Hoffmann
aSaarbrückenb
Reppersbergstrasse1
Sehr verehrter Herr Ministerpräsident!
Dankbar bestätige ich Ihre Zustimmung zu den von mir in der Besprechung am 4. Ok-
tober 1954 vorgetragenen Gedanken betreffend Einführung einer Fremdsprache in der
Volksschule.
Ich habe bei dieser Besprechung daraufhingewiesen, daß die Kirche grundsätzlich nicht
Stellung nehmen kann gegen die Einführung einer Fremdsprache in der Volksschule. Sie
hat aber in der Verantwortung für die von ihr getauften Kinder, mit der ihr die Sorge für
den ganzen Menschen anvertraut ist, sehr ernste Bedenken, eine Fremdsprache auf einer
Altersstufe zu lehren, in der die Kinder erst in ihrer Muttersprache eingewurzelt werden
müssen. Die Muttersprache ist Gottes Gabe an uns. Bevor die Kinder nicht geistig und see-
lisch darin zu Hause sind, können sie nicht fruchtbar in einer anderen Sprache unter-
wiesen werden. Die Kirche darf auf Grund der ihr geschenkten pädagogischen Erkennt-
nisse und Erfahrungen darauf aufmerksam machen, daß der Unterricht in einer Fremd-
sprache in der Volksschule nur dann zu verantworten ist und einen Erfolg verspricht,
wenn er auf einer Altersstufe erfolgt, die den geistigen Anforderungen gewachsen ist und
die die Kinder auf Grund von guten durchschnittlichen Leistungen in den anderen Fä-
chern zur Aufnahme der Grundelemente einer Fremdsprache fähig macht.
Für Ihre in dieser Angelegenheit bereits ergriffene Initiative danke ich Ihnen herzlich.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr
gez. O. Wehr
1 Durchschlag eines Schreibens des Oberkirchenrats Otto Wehr an Ministerpräsident Hoffmann,
Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
a~b gesperrt und unterstrichen.
315
■-'Abschriftlich11
der Evangelischen Kirche im Rheinland—Düsseldorf
Herrn Superintendent Engel—Dirmingen
Herrn Superintendent Zickwolff—Dillingen
Herrn Syn.Ass.Pfarrer Seynsche—St. Wendel
Herrn Superintendent Schuster-Sötern
Herrn Dekan Dauber-Homburg
mit der Bitte um Kenntnisnahme.
^Abschriftliche
Herrn Präses D. Held1
mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Anlage 19
Der Bürgermeister Neunkirchen, den 20. 11. 1954
Bro/So
aBetr.:b Mittelschule1
Am Donnerstag, den 18. 11.54 fand auf Einladung von Herrn Ministerialdirigent Braun
eine Besprechung über die Mittelschule in Neunkirchen im Ministerium für Kultus, Un-
terricht und Volksbildung statt.
Die vom Stadtrat vorgeschlagene Kommission war nicht mit eingeladen und ist von mir
nicht hinzugezogen worden, da mir das Besprechungsthema im einzelnen nicht bekannt
war. Ich hatte trotzdem Herrn Beigeordneten Wirth und die beiden Herren Schulräte1 um
Teilnahme gebeten. Es wurde die Frage der Mittelschule im allgemeinen und im Sonder-
fall Neunkirchen besprochen.
Im allgemeinen war sich das Ministerium noch nicht klar über Bedeutung, Stellung und
Wirksamkeit der Mittelschulen im gesamten Erziehungswesen.
Nach den jetzigen Erfahrungen würden die beiden Mittelschulen in Saarbrücken zur
Hauptsache besucht von Schülern, die von der höheren Schule kommen unter der An-
nahme, daß sie die gesteckten Ziele nicht erreichen würden. Der Besuch von Absolventen
der Volksschule trete demgegenüber ganz erheblich zurück.
Ein besonderes Erziehungsziel, das zu speziellen Berufen berechtige, würde die Mittel-
schule nicht geben.
c-d unterstrichen.
e Namenszug des Oberkirchenrats Otto Wehr.
{-e unterstrichen.
1 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
1 Durchschlag, LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 2.
a-b unterstrichen.
1 Gemeint sind die Schulräte Schwinn (Schuiaufsichtsbezirk Ottweiler I, katholische Volksschulen)
und Hoer (Schulaufsichtsbezirk Ottweiler II u. St. Wendel II, evangelische Volksschulen).
316
Verständlich allerdings wäre das Bedürfnis der höheren Schulen nach einer Entlastung
von den zahlreichen Schülern, die aller Voraussicht nach weder aus sozialem noch gei-
stigem Bedürfnis die höhere Schule absolvieren würden.
Die Erfahrungen, die in Nordrhein-Westfalen mit der starken Ausweitung der Mittel-
schulen gemacht seien, wären noch nicht abgeschlossen. Das Ministerium würde in näch-
ster Zeit an Ort und Stelle in Nordrhein-Westfalen Erkundigungen einziehen.
Das Bedürfnis nach der Gründung von Mittelschulen im Saarland wird nicht verneint.
Das Ministerium strebt solche Gründungen an, aber nur an einigen Zentralpunkten.
Als erste Mittelschule wurde fest zugesagt die Errichtung einer Mittelschule in Neunkir-
chen; dazu sind verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen.
1. Die Frage des Lehrpersonals. Z(ur) Z(eit) sind nicht genügend ausgebildete Mittel-
schullehrer im Saargebiet vorhanden. Diejenigen Lehrpersonen, die die Befähigung zum
Mittelschullehrer erreicht haben, sind an anderen Lehrstellen beschäftigt, wo sie sofort er-
setzt werden müßten, wenn sie dort herausgezogen würden. Auch der Ersatz auf diesen
vakant werdenden Stellen wäre z(ur) Z(eit) nicht möglich.
2. Die Ausbildung von Mittelschullehrern und von Lehrkräften, die diese in den Volks-
hochschullehrerstellen ersetzen können, wird vom Kultusministerium in besonderem
Maße weiterbetrieben.
3. Die Raumfrage macht besondere Schwierigkeiten. Auch wenn das Mädchengymna-
sium in absehbarer Zeit in das neue Gebäude einzieht, wären die Räume des alten Amts-
gerichtes in keiner Weise benutzbar. Die dort zu treffenden baulichen Änderungen
würden eine relativ so hohe Geldsumme beanspruchen, daß man besser von vornherein
an einen Neubau denken würde.
4. Der Neubau von Schulgebäuden hat mit den Leistungen der Regierung in den letzten
Jahren ein solches Ausmaß angenommen, daß im großen und ganzen der Schulbau in
diesem Tempo nicht fortgesetzt werden kann. Daher werden im Landesetat Mittel in be-
trächtlicher Höhe zumindest für 1955 gestrichen werden.
An die Errichtung von Mittelschulgebäuden wird man erst herantreten, wenn das Projekt
der einen oder anderen Mittelschule nach jeder Richtung hin fest fundamentiert ist, d(as)
h(eißt) nach Schülerzahl, Lehrpersonal, Räumlichkeiten, Einrichtung und Unterhaltung.
Die bestehenden Mittelschulen in der Stadt Saarbrücken sind städtische Einrichtungen,
ebenso wie das eine städtische Gymnasium. Zur Führung dieser Schulen leistet der Staat
ganz erhebliche Zuschüsse.
Die vom Ministerium aufgeworfene Frage, ob die Stadt Neunkirchen geneigt sei, von sich
aus eine Mittelschule zu errichten unter Berücksichtigung von Zuschüssen des Staates,
glaubte ich vorerst verneinen zu müssen, da die Stadt kaum Interesse an einem isolierten
Schulsystem haben würde, nachdem ihre eigenen früheren Schulsysteme alle auf die Re-
gierung übergegangen seien.
Nach den sehr begrenzten Finanzkräften der Stadt wäre sie auch in Zukunft kaum in der
Lage, z(um) B(eispiel) etwa 50 % der entstehenden Kosten selbst aufzubringen.
c Stempel „Kreisschulamt Ottweiler, Tagebuch-Nr...."
317
Eine Mittelschule in Neunkirchen sei keine ausschließliche Angelegenheit der Stadt, son-
dern, wie bei den andern früher städtischen Schulsystemen, eine Einrichtung mit überwie-
gend regionalem Charakter.
Herrn
Schulrat Hoer
dHiere
zur Kenntnis. Ich werde die Angelegenheit im Auge behalten.
f
(Brokmeier)
Anlage 20
Zur Denkungsart der Lehrerschaft und ihre Haltung bei den Wahlen führte Oberreg.Rat1
Braun folgendes aus:1
Es gibt unter der Lehrerschaft 3 Kategorien
a) solche, die eine gewissenhafte und freundliche Mitarbeit — auf Grund der ergangenen
Richtlinien - durchführen und öffentlich mitarbeiten. Diese sind keine Sorgenkinder.
b) Die sogenannten Adventisten und Arrivisten, die immer auf etwas anderes warten; auf
eine angeblich bessere Zeit in kultureller und politischer Hinsicht.
c) Die Unbelehrbaren; es ist dies ein kleiner Teil der Lehrerschaft. Durch diesen kleinen
Teil wird die Lehrerschaft z(um) T(eil) in der Öffentlichkeit vor allen Dingen bei der
Regierung dauernd diffamiert, d(as) h(eißt), man betrachtet die Lehrerschaft als poli-
tisch unzuverlässig. Diesen Gegnern des jetzigen Regimes im Saarland wird, wenn ein
Grund zu einem Disziplinarverfahren vorliegt, oder aus der Öffentlichkeit herange-
tragen wird, mit aller Schärfe vorgegangen (!).
Bei Bewerbungen zum Direktor der Volksschule muß unbedingt auf politische Zuver-
lässigkeit geachtet werden. Auf den Einwand, daß nicht nur politische Zuverlässigkeit
für eine Beförderung maßgebend sei, wurde eingewandt, daß natürlich auch die fach-
liche Eignung maßgebend sei.
Die Anfrage, ob immer noch die „üblen Fragebogen an kleine Geister“ ausgegeben
würden, wurde verneint. Die Fragebogen werden nach Aussage von Herrn Braun bei
Beförderung oder sonstiger Begutachtung nicht in Betracht gezogen.
Grundlegend wurde festgelegt, daß bei Anschuldigungen irgendwelcher Art der Be-
d -e gesperrt und unterstrichen.
f Eigenhändige Unterschrift des Bürgermeisters Brokmeier.
1 Im Jahre 1955 stand Braun bereits im Range eines Ministerialdirigenten.
1 Protokollartige Aufzeichnungen ohne Datum und Hinweis auf Urheberschaft (wahrscheinlich
vom Schulaufsichtsbeamten des Bezirks Ottweiler II, Schulrat Hoer, im September 1955 verfaßt).
Die hier aufgezeichneten Ausführungen Brauns sind offensichtlich im Rahmen einer Schulrätekon-
ferenz gemacht worden. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 2.
318
amte gehört werden muß und nicht einfach über seinen Kopf hinweg entschieden
werden kann. Diese These liegt zwar schon in Artikel 119 verankert, es wird aber nicht
immer danach gehandelt. Bei Angaben zu Beförderungen müssen die Schulräte hierfür
die Verantwortung tragen. Der Ministerpräsident sagte einmal: Wir wollen niemand
zu unserem Programm zwingen, aber er muß sich im Rahmen des Gegebenen mit den
Tatsachen abfinden.
Um den Gedanken der jetzigen Verfassung (Demokratie) in der Beamtenschaft fest zu
verankern, soll ein Jurist vom Verwaltungsgericht im laufenden Schuljahr über 2
Themen sprechen:
a) Beamteneid und Demokratie,
b) Stellung des Saarlandes in der Welt.
Es wurde ein Verwaltungsjurist gewählt, weil gerade das Verwaltungsgericht öffentlich
gegen Maßnahmen des Kultusministeriums Stellung genommen hat; unter 25 Fällen 22.
Der Vortrag soll auf streng wissenschaftlicher Art und Weise gehalten werden. Fragen
können wohl gestellt werden, eine Diskussion findet nicht statt. Wenn bisher in Fragen
der politischen Zuverlässigkeit nur negative Mittel angewandt wurden, so soll dies in Zu-
kunft nicht mehr der Fall sein. Es sollen positive Mittel zur Sinnesänderung herangezogen
werden als das sind: eine bessere Besoldung, Beförderung, d(as) h(eißt) etwa 30 % Ernen-
nungen zum Oberlehrer u. a.
Die Schulräte haben Maßnahmen, die z(um) T(eil) unangenehm sind, den Lehrkräften als
notwendig darzulegen. Es gibt aber Dinge, auf einer höheren Ebene, die einschneidend
und unpopulär aber notwendig sind. Die Grundlage für ordnungsgemäßes Zusammenar-
beiten muß Vertrauen sein! Es wurde noch festgestellt, daß die Anstellungen auf Lebens-
zeit, nachdem U/2 Jahr auf sie gewartet wurde, nun da sind.
319
Anlage 21
Ministère Paris, den 29. Juni 1956
des EC/GP
Affaires Étrangères
Direction Générale Politique
Europe
B/Direction de la Sarre
Französisch-Saarländische Besprechungen
vom 28. Juni 1956 über die kulturellen Fragen. 1
I. französischer Sprachunterricht in den saarländischen Volksschulen15
1) Dieser Unterricht ist wahlfrei vom 5. Schuljahr an. Die saarländische Delegation
erklärt, daß die Eltern befragt werden, wobei sie auf die Nützlichkeit der Erler-
nung der französischen Sprache hingewiesen werden.
2) An dem Sprachunterricht nehmen nur Schüler teil, die eine durchschnittliche
Punktzahl von 12 in Deutsch und Rechnen1 erreichen.
3) Die französische Delegation bringt den Wunsch zum Ausdruck, daß der französi-
sche Sprachunterricht in den normalen Stundenplan einbegriffen werde.
II. c>Höhere Schulen^
Französisch bleibt erste lebende Fremdsprache.
III. e>Die französische Höhere Schule in Saarbrücken1
1) Die französische Höhere Schule bleibt eine französische Lehranstalt.
2) Der Eintritt der saarländischen Schüler in diese Schule steht ihnen vom 14. Le-
bensjahr an frei. Die Schüler von 10 bis 14 Jahren bedürfen hierfür einer Zulas-
sung der saarländischen Behörden, deren ablehnender Bescheid zu begründen ist.
3) Die saarländischen Behörden werden die Frage prüfen, ob die Schüler unter 14
Jahren, die dort z. Zt. (= zur Zeit) ihre Schulausbildung genießen, weiterhin dort
verbleiben dürfen. Nach Ablauf von 3 Jahren werden unter Berücksichtigung der
bis dahin gewonnenen Erfahrungen das Problem des Eintritts der saarländischen
Schüler unter 14 Jahren in die französische Höhere Schule sowie die diesbezügli-
chen Einzelheiten erneut überpüft werden.
1 Durchschlag einer deutschen Textfassung, LA Saarbrücken, Bestand Amt für auswärtige und eur-
päische Angelegenheiten Nr. 383. Im gleichen Bestand befindet sich eine ausführliche Nieder-
schrift über den Verhandlungsverlauf (Quellennachweis Anm. 6 auf S. 259).
a~b unterstrichen.
c-d unterstrichen.
e_f unterstrichen.
s~h unterstrichen.
‘-i unterstrichen.
1 Im Sinne der französischen Notenskala von 0 — 20.
320
4) Das von den saarländischen Schülern der französischen Höheren Schule zu zah-
lende Schulgeld wird dem an saarländischen Höheren Schulen zu zahlende Schul-
geld entsprechen. Zuschüsse und Freistellen werden im selben Verhältnis wie an
den saarländischen Lehranstalten bewilligt.
IV. «Universität11
Die saarländische Delegation erklärt ihre Absicht, aus der Universität eine Lehran-
stalt deutscher Art zu machen. Sie teilt den Willen der saarländischen Regierung mit,
in weitem Umfange ausländische Professoren zu berufen. In diesem Sinne will die
saarländische Regierung 6 Lehrstühle für französische Professoren freihalten. Für
jeden dieser Lehrstühle wird die saarländische Regierung ein Verzeichnis der An-
wärter nach Rücksprache mit der französischen Regierung erstellen. Die saarländi-
sche Regierung spricht die Ernennungen aus, es sei denn, daß die französische Seite
Widerspruch dagegen erhebt.
Zu jedem Lehrstuhl gehört die übliche Anzahl von Mitarbeitern (Assistenten, Moni-
teuren, Lektoren, usw.).
Diese Lehrstühle sind für die folgenden Lehrfächer vorgesehen:
a) Philosophische Fakultät:
französische Literatur,
französisch,
französische Geschichte und Zivilisation.
Einer dieser drei französischen Lehrstühle wird Hauptlehrstuhl.
Nach Auffassung der französischen Delegation wäre es wünschenswert, den
Lehrstuhl für vergleichende Literatur aufrechtzuerhalten, wobei er allerdings
nicht mit einem französischen Professor neu besetzt zu werden braucht, sobald
der jetzige Inhaber des Lehrstuhles ausscheidet.
b) Naturwissenschaftliche Fakultät:
Mathematik,
naturwissenschaftliche Gegenwartsprobleme
c) Rechtswissenschaft!iche Fakultät:
Ein noch näher zu bezeichnender Lehrstuhl (internationales Privatrecht, Handels-
recht, vergleichende Rechtswissenschaft).
Die saarländische Delegation wünscht, daß diese Lehrstühle aus dem normalen
Haushalt der Universität bezahlt werden. Die französischen Professoren haben
die gleichen Rechte und Pflichten wie ihre Kollegen anderer Staatsangehörigkeit.
Der Austausch von Gastprofessoren soll gefördert werden.
V. «Übergangszeit für die Universität*
Bis zum Inkrafttreten der neuen Satzung, was zum Ende des Universitätsjahres 1956/
57 vorgesehen ist, läuft eine Übergangszeit.
In diesem Sinne wird die Ernennung sowohl der saarländischen als auch der franzö-
sischen Mitglieder des Verwaltungsrates nur bis zum Inkrafttreten der neuen Satzung
der Universität wirksam sein.
s-h unterstrichen.
*-i unterstrichen.
321
Was den Rektor anbetrifft, sind zwei Lösungsmöglichkeiten denkbar:
Die Ernennung eines Rektors für die Übergangszeit oder die Führung der Geschäfte
der Universität während dieser Zeit durch den augenblicklichen Pro-Rektor. Im letz-
teren Falle wäre ein französischer zweiter Pro-Rektor zu ernennen.
Die saarländische Delegation hebt ihr besonderes Interesse an dem Grundsatz der Ge-
genseitigkeit hervor. Die französische Delegation erwidert, daß dieser Grundsatz im
französisch-deutschen Kulturabkommen enthalten sei. Die saarländische Delegation
wünscht, daß bei der Durchführung dieses Grundsatzes die besondere Lage der Saar
berücksichtigt werde.
322
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
A. Ungedruckte Quellen
L Akten aus staatlichen Archiven
1. Landesarchiv Saarbrücken (= LA Saarbrücken}
Bestand Staatskanzki
Akten des Ministerpräsidenten
Nr. 294 betreffend Taubstummenschule
Nr. 295 betreffend Vorgänge an der Höheren Technischen Lehranstalt in Saarbrücken
November/Dezember 1945
Nr. 296 betreffend U nsveixüat des Saarlandes ohne Personal}
Nr. 297 betreffend französisch-saarländisches Kulturabkommen 1948
Nr. 299 betreffend allgemeine Schulangekgenhcnen, Eingaben von Verbänden und
Einzelpersonen April 1950—Januar 1955
Nr. 646 betreffend Korrespondenz des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann in
privaten Angelegenheiten
Nr. 725 betreffend Studium von Saarländern an der Verwalsringsschuie in Grenoble
Mai 1949 —September 1950
Nr. 1061 betreffend Errichtung einer Mosterfachschiile im Saarland April 1952 — Mai
1955
Nr. 1062 betreffend Staatliche Schule für Kunst und Handwerk Juni — Juh 1952
Nr. 1063 betreffend Grofie Anfrage der SPS-Fraktion bezüglich Anerkennung der juri-
stischen und mcdrzimscben Examina an deutschen llmversrtiten September
1952
Nr. 1064 betreffend Sondennafwnahmen zur Heranbildung von Gewerbefefaretn Juni —
Oktober 1953
Nr. 1065 betreffend Gesetz, vom 7.7.1954zur Änderung des Reichsschulpflichigtsctzrs
vom 6.7. 1938 April — Juh 1954
Nr. 1066 betreffend Eingabe der Arheiisgetneinschafe der saarländischen Lehrerver-
bände über Änderung: des saarSämdBsch-fraiizosascSien Kulturabkommens
Januar 1956
Nr. 1067 betreffend Umversotät des Saandbades und kulturelle Wünsche Frankreichs an
der Saar
Akten des Direktors der Prästdiialkanizia
((V)) Kultus, Unterricht und VoSkshsMung
A. Allgemeine Verwaltung des Alimstermms
1. Algemeimes Schulwesen
C. Kultus
1. Angelegenheiten der karholHsehtui Kirche
2. Apostolischer Visitator
3. Bestum Treer Allgemeines
E. lünterricht
1. Volksschulen, Mittefeehukn
2, Lehretsemmare
323
3. Höhere Schulen
a) Knaben, b) Mädchen
Perer-Wust-Hochschule
4. Bezirksseminare
5. Universitäten
a) des Saarlandes, b) Andere, c) Grenoble
6. Akademie der Arbeit, Studentenverbände
V. Volksbildung
3. Volksbildung
a)' Volkshochschule, b) Theater, c) Kultur- und Heimatvereine, d) Gesang und
Musik
Akten des Chefs-Justitars
Nr. 730 betreffend Verwaltungsschule Grenoble
Nr. 731 betreffend Versorgung der Hochschullehrer
Nr. 732 betreffend Denkschrift über die Gewerbliche Berufsschule
Nr. 733 betreffend Bewilligung von Mitteln zur Verstaatlichung gemeindlicher höherer
Lehranstalten
Nr. 734 betreffend Anpassung der Versorgungsbezüge der Berufsschullehrkräfte
Akten der Abteilung Frauenamt
VI. Jugendfragen (Erziehung, Schule, Heime usw.)
betreffend Neuntes Volksschuljahr, Mittelschulen, Frauenoberschulen, Mäd-
chenberufsschule, Wiederaufbau und Neubau von Schulen, Kinderkrippen,
Kindergärten, Kinderhorte, Jugendheime, Krankenhäuser, Heilstätten und
Jugendschutz
Niederschriften des Ausschusses für Kulturpolitik des Landtages des Saarlandes
Nr. 701 Zeitraum 17. 12. 1951 bis 15. 10. 1952; 26. bis 30. und 32. bis 39. Sitzung der
1. Wahlperiode
Nr. 718 Zeitraum 10. 02. 1953 bis 09. 07. 1953; 1. bis 5. Sitzung der 2. Wahlperiode
Benutzt wurden darüber hinaus einige noch nicht verzeichnete Akten (in den Anmerkun-
gen nachgewiesen mit Bestand Staatskanzlei ungeordnet).
Bestand Regierungspräsidium Saar
Nr. 1 Regierungsform des Saargebietes. Verhältnis zu den Oberregierungspräsi-
denten Mittelrhein-Saar und Hessen-Pfalz Mai — August 1945
Nr. 3 Organisation des Regierungspräsidiums, räumliche Unterbringung, Ge-
schäftsverteilung Mai 1945 - Juli 1946
Nr. 31 Rundschreiben des Regierungspräsidiums an die Landräte Mai 1945 — Januar
1946
Nr. 32 Niederschriften über die Landratskonferenzen vom 29. Mai - 30. Juni 1945
Nr. 64 Schulangelegenheiten, u. a. Gestaltung der Unterrichtspläne, Lehrerausbil-
dung, Wiedereinführung der Konfessionsschule
Nr. 65 Verwendung von Dr. Jung, Hinweis auf Pläne zur Gründung einer Universität
Nr. 66 Abhaltung von Hochschulkursen für saarländische Medizinstudenten im
Landeskrankenhaus Homburg
Bestand Verwaltungskommission des Saarlandes
Nr. 7 Landesmusikschule
Nr. 20 Seelsorge in der Schule
Nr. 45 Schule allgemein
Nr. 98 Schule für Kunst und Handwerk
Bestand Ministerium für Kultus (= Bestand KM)
Akten der Abteilung Allgemeine Verwaltung
Z II - 18a - 1945 betreffend bauliche Instandsetzung von Schulgebäuden 1945 bis 1947
und Neubauten, Umbauten und Reparaturen von Schulen 1948 — 1954
ZII— A 2b — 1945 - 1952 betreffend Einstellung, Ernennung, Beförderung, Versetzung,
Entlassung, Beschäftigung von Beamten
Z II — A 2g - 1945 — 1947 betreffend Entnazifizierung der Lehrerschaft, der Beamten, der
Angestellten und der Arbeiter, Säuberungsaktion 1945/1946, Bildung von Säube-
rungsausschüssen
ZII- A 21/22 -1945 -1956 betreffend Verleihungen von Titeln und Orden, Steuergesetze
und Prüfungsgebühren
V/Z II - A la — p betreffend Geschäftliches, Allgemeines, Sitzungsberichte, Schriftverkehr
mit verschiedenen Dienststellen u. ä. 1945 bis 1958
V/Z II - A la + c betreffend Geschäftsverteilungsplan, Geschäftsordnung u. ä.
Z II - A 2g — i betreffend Entnazifizierung der Lehrerschaft u. ä.
Z II - A 10 — 12 + 20 betreffend u. a. Gebietsübergabeverhandlungen mit der Regierung
in Trier, Regierungskommission 1920 des Saarlandes, Reichsstatthalter 1935, Saar-
land 1945
ZII- Al- betreffend Überleitungsmaßnahmen im Zuge der politischen Eingliederung des
Saarlandes in die Bundesrepublik 1956
Z II — Al — betreffend neue Gesetze
ZI— B 6 (Im Geschäftsverkehr) 1945 - 1957 betreffend ausgeschiedene Beamte des Kul-
tusministeriums
Z II — A3 — betreffend Besoldungsbestimmungen und -tarife für Beamte 1945 — 1949 und
1950-1952
Z II - Bl- betreffend Landratssitzungen, Kabinett, Landtag 1945 bis 1950
B 12 und B 13 betreffend Allgemeines Erziehungswesen, Schulbücher, Papierzuteilung, Jahres-
berichte
Z II — 25a 1945 — 1949 betreffend Amtliches Schulblatt für das Saarland
Z II - A - 1 betreffend den inneren Geschäftsverkehr 1945 - 1953
ZI- B 6 — 1945 betreffend Beamte der Abteilung K bis Z
Z II - B 12 - 1945 (1950 bis 1953) betreffend Statistiken
Akten der Abteilung Hochschulen
UIS - (Universität des Saarlandes) - A 38 - 50 betreffend Universität des Saarlandes Gene-
ralia
UIS - Al- betreffend Ausbildung von wissenschaftlichen Bibliothekaren und Gestaltung
der Universität des Saarlandes nach der Abstimmung am 23. 10. 1955
V/UIS - A - 1 — E betreffend Universitätsinstitute
UIS - 1 — gen. betreffend Errichtung der Universität des Saarlandes
UIS - 1 - betreffend Errichtung der saarländischen Universität (Medizinische Fakultät)
UIS — 1 - betreffend Einrichtung der Rechtsfakultät am Hochschul-Institut in Homburg
UIS - 1 - betreffend Errichtung der Technischen Fakultät
UIS - 1 — betreffend Errichtung der Eisenbahn-Akademie
UIS, A, 2 — 3-5 betreffend Dienstordnung für Mitglieder des Lehrkörpers, Ernennungen
von Hochschullehrern, Berufungen von Professoren ins Beamtenverhältnis
UIS - Tu. UT — T betreffend Technische Fakultät und sonstige technische Hochschulen
325
Universität {ohne wettere Kennzeichnung) betreffend Studienplane, Studien reform, Prüfungs-
ordnungen, Haushalt, Stellenplan, Personaleinstellungen, Protokolle, Statistik,
Dienstordnungen, Disziplinarordnung für Studenten, Disziplinarordnung für Pro-
fessoren, Verbeamtung von Professoren, Verein der Freunde der Universität, Techni-
sche Fakultät, Planungen, Berufspädagogisches Institut
UI — S, Universität des Saarlandes betreffend Medizinische Fakultät
UI — S, Universität des Saarlandes betreffend Dolmetscher-Institut, Prüfungsordnung
UIS — N, Universität des Saarlandes betreffend Promorionsordnung, Naturwissenschaft-
liche Fakultät
UIS — phil — betreffend Philosophische Fakultät, Berafspiädagogisches Institut
UIS— Rechnungsjahr 1947—betreffend Rechnungswesen, Haushalt, Vergütung der Ange-
stellten
V/Vl — UIS —B 1 — lc— le — betreffend Geschäftliches, Konferenzen, studentische Fragen
V/Vl — UIS — B 2 und B3—betreffend sonstige Bedienstete, Ehrentitel, Lehrpersonen, Allge-
meines
UI — S — jur — betreffend Juristische Fakultät, Kriminologisches Institut, Gesetz über die
Ausbildung für den Höheren Justiz- und Verwaltungsdienst, Staatsprüfung
V/Vl— UIS — A — 1 — betreffend Verschiedenes, Konferenzen der Ministerpräsidenten und
der Kultusminister, Berufsvorgänge
UIS — B — 166 und UID — spez. — 3 — 23 — 43 sowie UIS — Bibi. —
Allgemeines — Eingehendes — 3 — 39 — 46 betreffend Statistik, Krankenversicherung, Zulas-
sungsbedingungen u. ä-, Säuberung saarländische Verwaltung, Transfer von Stn-
diengeldem nach Deutschland, Bibliothek
VI — UIS — A — 46 — 50 betreffend Zahlung von Mieten, Gutachten, Verlegung der Medi-
zinischen Fakultät von Homburg nach Saarbrücken
UIS— ohne weitere Kennzeichnung—betreffend Universitätsrat und Verwaltungsrat 1954
-1956
UIS — VR betreffend Verwaltungsrat 1948 — 1949
UIS — M betreffend Institut für Metallforschung, Institut für Eiektrooptik
UI — F — und UI — F spez. 1946 — betreffend französische Universitäten
UIS — A — 22 bis 35 — betreffend Satzungen der Studentenschaft
UIS— B —22 bis 31 —betreffend Studentische Seelsorger Dr. Jung und Dr. Franz
UIS — Al — betreffend Allgemeines, Betriebsrat der Universität
UIS — B 5 — betreffend Bewerbungen von Dozenten, Professoren und Lehrern, die nicht be-
rücksichtigt wurden
UIS — 36 A 37 — betreffend Universitätsbibliothek und Gründung eines Universitätsver-
lages
V/UIS — Al — betreffend juristische Fakultät, Satzungen
UIS — L — 1 betreffend Hochschulinstitut für Leibesübungen
UIS — KJ — betreffend Kunsthistorisches Institut
UIS — B 16a — 16b betreffend Statistik, Krankenversicherung, Schulhygiene
UIS — B 38 — 50 — betreffend Dienstwohnungen für Hochschulbedienstete
V/UIS — B 36 — 39 — betreffend Ost-West-Verlag
UIS — B 35 — betreffend Studentenschaft der Universiät Saarbrücken
UIS — Universitätsrat 1961 — Doppelsitzungen
UIS — B 24 betreffend Stipendien generell und speziell betreffend alle Universitäten
V/UIS — 39 — betreffend ordentliche und außerordentliche Haushalte der Universität des
Saarlandes von 1948 — 1950
326
UIS — VR — betreffend SitzungsprotokoIIe Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes
1956 und 1957
UIS — VR — betreffend Sitzungsprotokolle Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes
1950
UIS — VR — betreffend Sitzungsprotokolle Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes
1951
UIS — VR — betreffend Sitzungsprotokolle Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes
1952
UIS — VR — betreffend Sitzungsprotokolle Verwaltungsrat der Universität des Saarlandes
1953 und 1954
UIS — Vw, - Ak. — betreffend Verwaltungsakademie, Verwaltungskurse in Grenoble, Aus-
bildung für den höheren Verwaltungsdienst bzw. Vorbereitung auf die Laufbahn des
höheren Beamten des auswärtigen Dienstes, Prüfungskommission
UIS - 46 — B 46 - betreffend Gebäude, Miete, Instandhaltung
UIS — WWJ — betreffend Generalia, Lehrpläne, Gastvorträge, Prüfungskommission, Prü-
fungsordnungen, Promotionsordnung des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts
V/U — ISE — I — FA — betreffend Europa-Archiv und Forschungszentrale
UIS — 1 — betreffend Statut der Universität
Akten verschiedener Abteilungen
Mk 4783 betreffend Einrichtung und Eröffnung von Lehrerbildungsanstalten
Mk 4790 betreffend Verfügungen des Direktors für Erziehung, Unterricht und Kultur 1945 -
1946
Mk 4802 betreffend Ausbildung der Volksschullehrer
Mk 4803 betreffend Saarländisch-französisches Kulturabkommen Mai 1956 —Oktober 1956
Mk 4804 betreffend Durchführung des Deutsch-französischen Kulturabkommens vom 28. 7.
1955
Mk 4805 betreffend Saarländisch-französisches Kulturabkommen und dessen Geltung, Sep-
tember 1948 - Januar 1950; November 1958 - Juli 1959
Mk 4811 betreffend Schulräte Mai 1945 — Mai 1951
Mk 4813 betreffend Lehrernachwuchs, Lehrerbildungsanstalten usw. Oktober 1945 - No-
vember 1957
Mk 4822 betreffend Lehrpersonal an Berufs- und Fachschulen des Saarlandes
Mk 4823 betreffend Rundschreiben des saarländischen Kultusministeriums
Bestand Amt für auswärtige und europäische Angelegenheiten
Nr. 104 betreffend Französischer Unterricht in den Volksschulen des Saarlandes 1952 —
1955
Nr. 107 Allgemeine Beschreibung des Unterrichtswesens im Saarland Oktober 1953
Nr. 108 betreffend Textänderung in dem Unterrichtswerk des Klett-Verlages „Geschichte
der neuesten Zeit“, Band IV, 3. Auflage betreffend das Saarland Oktober 1953
Nr. 109 betreffend Gleichstellung der Mittleren Reife mit dem Brevet d’Etudes du Premier
Cyde 1953-1954
Nr. 111 betreffend UNESCO-Veröffentlichung über den Volksschulunterricht in der Welt
April — Juni 1956
Nr. 383 betreffend saarländisch-französische Kulturverhandlungen 1956
Bestand Informationsamt
Der Bestand war zum Zeitpunkt der Benutzung (1982) noch nicht geordnet.
327
Bestand Staatliches Aufbaugymnasiiun Ottweiler
Nr. 1 betreffend Schulverwaltungsangelegenheiten 1926— 1948
Nr. 3 betreffend Schülerstatistik 1945 — 1948
Nr. 4 betreffend Lehrerkonferenzen bzw. Dienstbesprechungen
Nr. 5 betreffend Verband Saarländischer Lehrer
Nr. 6 betreffend Lehr- und Stoffverteilungsplane
Nr. 7 betreffend Lehr- und Stoffverteilungsplane
Nr. 12 betreffend Benennung von Schulen, Auflösung des Realgymnasiums Ottweiler
Bestand Staatliches Mädchenrealgymnasium St. Wendel
Nr. 13 betreffend Schulorganisatorisches, Gesundheitsfürsorge der Schülerschaft,
Schülerwettbewerbe, Lehrertagungen, Schüieraustausch, Schulfeiern 1949 —
1950
Nr. 14 betreffend Studienfahrten, Schülerfahrten, saarländische Staatsangehörigkeit
der öffendichen Bediensteten, Schülerzahlen der Sexten, Lehrernachwuchs,
Pädagogische Arbeitstagungen des Europäischen Instituts 1951 — 1953
Nr. 15 betreffend Lehrertagungen, Schüleraustausch, Schülerwettbewerbe, Personal-
politik, Schulpolitisches 1954 —1956
Nr. 16 betreffend Empfehlungen für Ausstellungen, Berufswahl der Abiturienten,
Sprachenunterricht, Aufnahmeprüfungen, Schüleraustausch, Lehrerfortbil-
dung, Verschiedenes 1957
Nr. 17 betreffend Schulpolitisches, Aufnahmeprüfung, Besoldungsrecht, Richtlinien
für deutsch-französischen Schülerbriefwechsel u. ä. 1958
Nr. 21 betreffend Monatsberichte über den Schulbetrieb, äußere und innere Schul-
angelegenheiten, Personalfragen, Aufnahme- und Abiturprüfungen, Schüler-
statistik 1945 -1947
Nr. 22 betreffend Schülerstatistik, Aufnahmeprüfung für die Sexta, Schulorganisato-
risches, Schulaufsicht, Reifeprüfung, Personalangelegenheiten 1947 —1949
Nr. 23 betreffend Verschiedenes
Nr. 24 betreffend Reifeprüfungen 1949 — 1957
Nr. 26 betreffend Bericht über Arbeitsgemeinschaften der Oberschule für Mädchen in St.
Wendel 1945
Nr. 27 betreffend Richtlinien für die Ausbildung der Studienreferendare 1946 - 1954
Bestand Staatliches Lehrerseminar Blieskastel
Nr. 1 betreffend Zensurenlisten
Nr. 5 betreffend Disziplinarmaßnahmen gegen Seminaristinnen
Nr. 6 betreffend französischer Sprachunterricht im Lehrerseminar
Bestand Kreisschulamt Ottweiler
Nr. 1 betreffend Schulaufsicht und Schulverwaltung 1945 — 1953
Nr. 2 betreffend Verschiedenes 1954 — 1955
Nr. 3 betreffend akademische Lehrerbildung, Unterrichtsmittel, Einladungen zu den ver-
schiedensten Veranstaltungen 1956 — 1957
Nr. 4 betreffend Schulrätekonferenzen, Lehrpläne, Lehrfahrten, Unterrichtsmittel u. ä.
1957
Nr. 5 betreffend Schulrechtsfragen und Schulrätekonferenzen 1955 — 1958
Nr. 6 betreffend kirchliche Lehrerlaubnis (Vocatio) für evangelische Lehrkräfte
Nr. 7 betreffend Schulleiterbesprechungen und Schulkonferenzen 1945 — 1963
328
Nr. 8 betreffend Entnazifizierung von Lehrkräften, Personalstatistik, Personalpolitik
1945-1950
Nr. 9 betreffend Lehrerkonferenzen 1951 — 1960
Nr. 11 betreffend Lehrpläne 1945 — 1951
Nr. 12 betreffend Einschulung und Entlassung von Schülern 1948 — 1958
Nr. 13 betreffend Lehrpläne 1950— 1951
Nr. 14 betreffend Schulfeiern 1946 — 1957
Nr. 15 betreffend Fenenordnung 1946 — 1958
Nr. 17 betreffend sächliche Schulleistungen 1945 — 1953
Nr. 19 betreffend Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht 1950 — 1961
Nr. 20 betreffend den französischen Sprachunterricht in Volksschulen 1945 — 1965
Nr. 21 betreffend Lembücher für den Deutschunterricht 1947 —1964
Nr. 23 betreffend Verschiedenes 1941 — 1964
Nr. 27 betreffend Exkursionsfahrten der Lehrerschaft 1949 - 1969
Nr. 34 betreffend Haushaltungsschulen 1950 — 1955
Nr. 35 betreffend Kindergärten 1946 —1951
Nr. 36 betreffend Aufbau einer Schulverwaltung und Wiederherstellung der Schuleinrich-
tungen 1945
Nr. 37 betreffend Schulstatistik und Entnazifizierung der Lehrerschaft 1945 — 1947
Nr. 51 betreffend Verteilung der Lehrkräfte 1953 — 1960
Nr. 52 betreffend den französischen Sprachunterricht 1949 — 1956
Bestand Handelsamt Saar
Nr. 1 — 11 Periodisch verfaßte Berichte der einzelnen Dienstabteilungen der Saarbrücker Mi-
litärregierung im Zeitraum der Jahre 1946 und 1947, u. a. von der Informationszen-
trale, der Sûreté und der Erziehungsabteilung
Bestand Landratsamt St. Ingbert
Nr. 62 Besprechungen mit der US-Militärregierung in Homburg März—Juli 1945
Nr. 380 Generalakt betreffend Schulhausbauten im Kreis August 1945 — Juli 1957
Nr. 382 Hochschulen, Universität des Saarlandes März 1863 — Juni 1920 und Januar 1946
-April 1947
Nr. 385 Monatsberichte des Kreisschulamtes St. Ingbert an den Landrat April 1947 — Juli
1948
Nr. 386 Mittlere Schulen, Gymnasium (betreffend Beschaffung von Inventar, Humanistische
Zweigabteilung am Realgymnasium in St. Ingbert, Einrichtung einer Mittelschule in
Blieskastel) November 1946 — Oktober 1951
Nr. 387 Berufsschule St. Ingbert März 1928 — Juli 1949
Bestand Nachlaß Eugen Meyer
1. Akte Allgemeine Post O — R
2. Akte Universität 0 — 2
Bestand Nachlaß Heinrich Schneider
Nr. 30 Privatpapiere
Nr. 31 betreffend die Saarpolitik Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, auch Kosten-
aufwendungen einschließlich pénétration culturelle, auch Rechtskreise (Debré)
329
Nr. 32 betreffend Religion und Sport im Dienst der Politik
Nr. 102 Personalliste des saarländischen Kultusministeriums
Nr. 103 Regierung des Saarlandes, Kultusministerium
Nr. 104 betreffend Universität des Saarlandes, März 1956 — November 1957
Nr. 107 Dossier „Dr. Emil Straus“
Nr. 109 Dossier „Kultusministerium Müller-Hoffmann“
Zeitgeschichtliche Sammlung Schneider/Becker
Bll, 1 — 6 Schulen
B 111, 1 — 13 Universität
B VI, 3 Schule für Kunst und Handwerk
B VII, 5 Kulturabkommen Frankreich - Saarland
B VIII, Geschichte und Landeskunde
C ÜI, 10 Dr. Eugen Meyer, Direktor des Kultusministeriums
CIII, 11 Erwin Müller, zeitweise Kultusminister
C III, 20 Dr. Emil Straus, erster Kultusminister des Saarlandes
C III, 26 Ministerialdirigent Braun im Kultusministerium
2. Landeshauptarchiv Koblenz (= LHA Koblenz)
Bestand 442 Bezirksregierung Trier
Akten der Kirchen- und Schulabteilung
hierin:
1. Besatzungszeit, Machtergreifung, Saargebiet
2. Kirchen- und Schulsachen
3. Separatismus
3. Landesarchiv Speyer (= LA Speyer)
Bestand H 12 Provinzialregierung Pfalz
Nr. 22 betreffend Lehrerbildungsanstalten 1945 — 1948
Nr. 23 betreffend Konfessionsschulen 1945 — 1946
Nr. 24 betreffend Volksschulen, Höhere Schulen, Berufsschulen, Landwirtschaftliche
Schulen, Verwaltungsakademie, Elisabethverein 1946 — 1950
Akten der Bezirksregierung Neustadt an der Weinstraße
Nr. 234 und Nr.235 betreffend Pädagogische Akademien u. a. 1946 — 1950
Nr. 236 betreffend beamtete Lehrkräfte, u. a. Entnazifizierung, Französischunterricht
und französische Lehrkräfte 1945 — 1950
Nr. 248 betreffend Schülerschaft an Höheren Schulen u. a, 1945 — 1950
Nr. 254 betreffend Begutachtung und Zulassung von Schulbüchern, Schülerbüchereien
1946-1950
Nr. 264 betreffend Reifeprüfung 1947 — 1948
Nr. 270 betreffend Lehrbücher, Verbot nazistischer Bücher, Lieder, Lehrfilme 1945 —
1947
Nr. 227 — 233 betreffend Pädagogische Akademien, Organisation der Schulverwal-
tung, Volksschulen, Höhere Schulen in Rheinhessen, Lehrerschaft u. a. 1945
-1949
330
4. Bundesarchiv Koblenz
Zeitgeschichdiche Sammlungen
Deutscher Saarhund e.V. Volkshund für die Wiedervereinigung Deutschlands
Z Sg. 1 39/2 Mitteilungen der Bundesgeschäfrsführung 1954,1955,1956, 1957 bis
Ende August
Z Sg. 1 39/3 Material zur Saarfrage 1951, 1952, 1953, 1954, 1955, 1956, 1957
Z Sg. 1 39/4 Informationen und Hinweise 1954, 1955, 1956
Z Sg. 1 39/5 Kulturpolitik 1954 -1957
Bundesrepublik Deutschland (ab 1949)
Z Sg. 2/327 Auswärtige und supranationale Angelegenheiten, Saarstatut 1955
Institut für Demoskopie Allensbach am Bodensee
Z Sg. 132/206 I Die Stimmung an der Saar. Eine Vorstudie- (2.) November 1952
Z Sg. 132/206 II Die Stimmung an der Saar. Ergebnisse* einer Bevölkerungsumfrage. De-
zember 1952
Z Sg. 132/416 I und II Die Stimmung im Saargebiet. April 1955
Z Sg. 132/410 Die Franzosen über die Saar (I). April 1955
Z Sg. 132/458 Stichproben-Umfrage im Saargebiet. 7. — 9. Oktober 1955
5. Landtag des Saarlandes, Archiv und Dokumentation
Berichte über die Sitzung der Unterkommission II „Kultur“ der saarländischen Verfassungs-
kommission am 7. un$l 11. August 1947 im Sitzungssaal der Saarknappschaft
6. Archiv des Landtags von Nordrhein-Westfalen
Bestand A 010 710
Haushaltspläne des Landes Nordrhein-Westfalen 1947 ff.
Bestand A 050 920
Haushaltspläne des Landes Rheinland-Pfalz 1950 ff.
7. Archiv des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister
der Länder in Bonn
a) Deutsch-französischer Vertrag 1974
b) Deutsch-französischer Vertrag 1966 — 1974
c) Deutsch-französischer Vertrag 1962 — 1964
d) Aktenmappe Sprachenfolge 1951 — 1974
e) Aktenmappe deutsch-französischer Sprachunterricht 1958 — 1976
8. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Paris
Bcstand Z Europe 1944 — 1949 jam, Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay
Nr. 1 Délégation auprès du gouvernement militaire office des intérêts français. Haut-
Commissariat français en Sarre avril 1945 — décembre 1947
Nr. 2 Idem janvier 1948 — décembre 1948
Nr. 3 Idem janvier 1949 — juin 1949
Nr. 17 Statut de la Sarre: négociation avec les Alliés
331
Nr. 33
Nr. 34
Nr. 35
Questions culturelles, Dossier général
Idem
Idem
II. Akten aus kirchlichen Archiven
9. Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland
Bestand Bevollmächtigter der französischen Zone
Bf 2 betreffend Militärbehörden 1945 — 1949
Bf 3 betreffend Militärbehörden 1950 — 1956
Bf 30 betreffend Hochschulen, Pädagogische Akademien 1945 — 1959, auch Studienwerk
und Sozialakademie
Bf 31 betreffend Schule 1945 — 1949
Bf 32 betreffend Schule 1949 — 1953
Bf 33 betreffend Schule 1953 — 1959
Bestand 12 — 19 Saarland
Nr. 1 Allgemeines {Kirchliche und staatliche Organisation)
Nr. 2 Schriftverkehr mit saarländischen Behörden
10. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken
Bestand Nachlaß Wehr
Aktengruppe 3/oder Schulakten 1945 - 1958
darin: Kirche und Schule, Schulen im Saarland, Schriftwechsel mit dem Beauftragten für
evangelische Lehrerbildung, Sitzungen der Schulreferenten, ökumenische Kurse,
Volksschulen, Evangelische Akademien, Universität des Saarlandes, Lehrerbil-
dungsanstalt Ottweiler, Religionslehrer an Berufsschulen, Regierung des Saar-
landes, Religionspädagogische Arbeitsgemeinschaften, Gemeinschaft evangelischer
Erzieher, Evangelische Studentengemeinde
11. Bistumsarchiv Trier ( = BA Trier)
Abteilung 59
Nr. 64 betreffend Kirchenpolitische Lage im Saargebiet 1945 — 1962
Nr. 86 betreffend Saarland-Politik, Zeitungsmeldungen
Nr. 87 betreffend Apostolischer Visitator des Saarlandes
Abteilung 105
Nr. 2653, 2657, 2658, 2659, 2660, 2661,2662 Chronik des Bistums Trier vom 28. 10.
1937 — 3. 1. 1942 und von 1945 — 1950. Aufgezeichnet vom Generalvikar des Bistums
Trier, Dr. Heinrich von Meurers (In der Arbeit auch als Tagebuchaufzeichnungen Meu-
rers klassifiziert).
332
Abteilung 108,2
Nachlaß Bischof Dr. Matthias Wehr
Nr. 41 betreffend Erziehung (Lehrerfragen), Volksbildung, Studentenseelsorge
Generalvikariat Trier, Registratur
Hauptabteilung 4 betreffend Anstellung und Besoldung der Lehrer im Saarland, Reli-
gionsunterricht ordentliches Lehrfach
Hauptabteilung 1 betreffend Schulreform im Saarland nach 1957
12. Bistumsarchiv Speyer (= BA Speyer)
Bestände der Registratur
15/22 betreffend Schulangelegenheiten/Korrespondenz
14/1 betreffend Unterricht in der Volksschule 1951 — 1954
14/8 betreffend Berufs- und Fortbildungsschulen
III. Unterlagen aus öffentlichen Institutionen
13. Universitätsbibliothek Saarbrücken
Sammlung der Niederschriften von Dr. Johannes Volker Wagner (heute Stadtarchiv Bo-
chum) betreffend Gespräche und Korrespondenz mit französischen und saarländischen
Persönlichkeiten und zwar die Herren: Alken, Allmers, Doenecke, Groh, Hoffmann,
Jung, Kunkel, Riegler, Angelloz, Leistenschneider, Müller, Straus und Frau Schweitzer
IV. Partei- und Verbandsarchive
14. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn
Stenographische Niederschriften über die Sitzungen des CDU-Bundesvorstandes im Zeit-
raum 5. Dezember 1950 bis 25. April 1958
15. Verband der katholischen Erzieher des Saarlandes, Saarbrücken
a) Protokollbuch 1947 bis 1956 (Niederschriften über die Sitzungen der Verbandsorgane
und der Verbandsversammlungen)
b) Ablage 1950 — 1956 betreffend Satzungen, saarländisch-französisches Kulturab-
kommen, Eingaben an die Regierung, Einladungen, Anträge auf Erteilung von Ta
gungs- und Redeerlaubnissen
c) Schriftverkehr des Verbandes 1946 — 1958 (Auswahl)
d) Protokolle der Vertreterversammlungen
V. Akten aus privatem Besitz
16. Dr. Emil Straus, Nizza
17. Jakob Feiler, St. Wendel
333
B. Gedruckte Quellen, Statistiken, Berichte und Broschüren staatlicher
Organe und
öffentlicher Institutionen
I. Saarland
1. Regierungspräsidium
Amtliches Nach rochtcnfaLari
Amtsblatt des Saarland»
2. Verwaltungskommission
Amtsblatt des Surimdes
3. Regierung des Saarlandes (generell)
Amtsblatt des Saarland»
Das Saarland. Memorandum vom 1. September 1949, die zweite überarbeitete Auflage dieser
Grundsatzdenkschrtft datiert vom 1. 9. 1952, dir dritte Auflage dauert vorn 1.5. 1953
InionzttUomschnft- Worüber niemand spricht.... Saarbrücken o. J. (1952)
V ertrag. Vertrag zwischen der BundesrepuMik Deutschland und der Franzosiscfaen Republik
zur Regdhunnig der Saarfragp vom 27. Oktober 1956. Text des am 27. Oktober 1956 in Luxem-
burg uttterzeschneten Vertrages mit Anlagen und Briefen m den beiden amtlichen Sprachen,
Saarbrücken o. J. (1956))
Regnmmng^erMarui^g. Regierungserklärung des Mmtsterprässdenten Egon Remert vom
13. jmn 1957
Regierungserklärung. Regierungserklärung des Almisterprässdenten Egon Remert vom 26. Fe-
bruar 1959
RegieruBigsttrkläirumg. RegacrungserMärung des Mrämsterpräsadeniten Franz-Josef Röder vom
30.4.1959
Regiierumgserkllärusig. Beke—fs zum Rechtsstaat. Regierungserklärung des Mnns&eiprisi-
demnm Ftamz-Jose# Roder vom 17. Januar 1961
Schule — Bofldung nmmd AusfodWbmg. Von der Laradrsregierung des Saarland» gestaltete and in
Amitragg^rbene Somderheifiage der Saarbrücker Zemrung №. $2 vom 7.4.1965
20 Jahre V7(nJllk-H.3ilWmiHiHiiinmniug amm Saarland.. Festakt am 25. Oktober 1975 un Saaatstheater Saar-
brückern o. O. und <a. J. ((Saarbrücken 1975))
4. Rcgtcimointg des Saarlassdes, Staatskanzlci
BoUdutingS- lumd Aini^^Tii^inmigK]ii7r»fwglWhJk.-ynifm rnmn Saarland. EjBBBC Übersicht. HlSgg. m 7iH3mmimir-
bettt onndit Lamdesbwmatt tftmr Fainulfltentiragjfn. Saarbrückern 1969
Der Weg des SauHbmdts 1959 —1969, ol O. nmmd m. J. (Saarbrücken 1969))
5. Regncrman^ des Saarlandes, Ministerium für Kultus, Unterricht und
AnnratffiirBnes; StrttnmlflTfeifflr ftimr das Saaitflaimd
BKudboHuueni imnd JRaHmmemllaftiripflaime für die saarlandiisdlueini Volksschulen 1959
EünifJ)ähre:B£idhnipol)ittikijmSitMilamid 1957—1962. Hrsgg. voran Che# der Staatskamzin in Zn-
sannnanaibeür mutt dmn ASnanMteir für Kuhns, lüntHnrncbit umnd VoflfcdbdldDang, Saarbrücken Ol J.
((1962))
HfiMrmg im Stuuttem. IFteragraronnn immd Ha—g Sir enn dvmannnnsctoKS RuMmaagssvaKmi, Saarbrücken
Ü%№
ffiiiid i itgfjyxojlnucftif BeaBrndfandiiahMC. BjMmgwegc imm Saarland, Saarbrücken 1971
IM
Schulreform an der Saar. Gesetzentwürfe: Schulordnungsgesetz, Schulpflichtgesetz, Privat-
schulgesetz, Schulmitbestimmungsgesetz, Saarbrücken 1972
6. Regierung des Saarlandes, Ministerium des Innern
Pädagogische Hochschule des Saarlandes, Nr. 2 der Reihe „Bauten des Landes“, o. O. und o.
J. (Saarbrücken 1968)
Neue Höhere Schulen im Saarland. Nr. 3 der Reihe „Bauten des Landes“, Saarbrücken o. J.
(1971)
7. Landtag des Saarlandes
Sitzungsberichte (= Stenographische Berichte)
1. Wahlperiode
Bd. 1, 1.— 25. Sitzung
Bd. 2, 26. — 68. Sitzung
Bd. 3,69. — 138. Sitzung
2. Wahlperiode
Bd. 1, 1. — 54. Sitzung
3. Wahlperiode
Bd. 1, 1. — 25. Sitzung
Bd. 2, 26. — 50. Sitzung
Bd. 3,51. — 70. Sitzung
Bd. 4, 71. — 92. Sitzung
Handbuch, Saarbrücken 1957 einschließlich der fünf Ergänzungslieferungen bis zum Jahre
1961
Verfassung. Die Verfassung des Saarlandes mit Erläuterungen. Die politische Entwicklung an
der Saar seit 1920. Auszug aus dem Grundgesetz mit Erläuterungen und Anhang. Hrsgg. vom
Präsidenten des Landtags des Saarlandes, Saarbrücken 1976.
8. Statistisches Amt des Saarlandes
Statistisches Handbuch für das Saarland 1950, Saarbrücken 1950
Wanderungsbilanz 1948 — 1951, o. O. und o. J. (1952)
Statistisches Handbuch für das Saarland 1952, Saarbrücken 1952
Statistisches Handbuch für das Saarland 1955, Saarbrücken 1956
Statistisches Handbuch für das Saarland 1958, Saarbrücken 1958
Saarland in Zahlen. Sonderheft 3, Kommunale Finanzen im Kalenderjahr 1957, o. O. und o.
J. (Juli 1958)
Saarland in Zahlen. Sonderheft 4, Berufsberatung — Lehrstellenvermittlung im Jahre 1957,
o. O. und o. J. (Oktober 1958)
Berufliche Bildung im Saarland. Eine Untersuchung des berufsbildenden Schulwesens von 1962
—1972. Einzelschriften zur Statistik des Saarlandes Nr. 39, Saarbrücken 1973 9
9. Universität des Saarlandes
Vorlesungsverzeichnisse (Programme des cours), Saarbrücken 1948 ff.
Mitteilungsblatt (Communications ofifiaeDes), erschien bis Dezember 1956
Haushaltspläne 1948 ff.
Informationsschrift, hrsgg. vom Rektorat und von der Pressestelle der liiuversjtit des Saar-
landes, Saarbrücken 1951
Europäisches Institut 1951 —1952. hiformationsschrift. O. O. und o. D. ((1952)
Universitas Saraviensis. Die Enropäische öniversität des Saarlamdes. lnibrmatiKimscftunift.Hisg.
von der Universität des Saarlandes, Saarbrücken o. J. (1955)
335
Bericht über die Zeit vom 1. Oktober 1955 bis 30. September 1956. Erstattet anläßlich der Feier
der Rektoratsübergabe am 14. 11. 1956 von Prorektor Prof. Dr. Gottfried Koller. O. O. und
o. D. (1956)
10. Industrie- und Handelskammer des Saarlandes
Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer.
Rationalisierung und Berufsausbildung.
Versuch einer rationalwirtschaftlichen Grundlegung der Berufsförderungsarbeit. Von K(ari)
Bernhard, Saarbrücken 1951
11. Volksbank Saarbrücken
Kursveränderungen des ffrs (NF, FF) zur Deutschen Mark seit der Währungsreform (21. 6.
1948)
II. Deutschland
1. Deutsche Reichsregierung
Weißbuch. Das Saargebiet unter der Herrschaft des Waffenstillstandsabkommens und des Ver-
trages von Versailles. Als Weißbuch von der deutschen Reichsregierung dem Reichstag vorge-
legt, Berlin 1921
Der Notenwechsel über die französischen Schulen im Saargebiet, Berlin 1924
2. Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Bulletin der Bundesregierung
Denkschrift der Bundesregierung zur Saarfrage, Bonn 1950 (9. März)
3. Deutscher Bundestag
Verhandlungen des Deutschen Bundestages I. und II. Wahlperiode (Stenographische Berichte)
4. Regierung des Landes Rheinland-Pfalz
Die Rechtslage an der Saar. Gutachten des Justizministeriums von Rheinland-Pfalz, Koblenz
o.J. (1953)
5. Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen
Die gegenwärtige Lage des Saarlandes. Eine Denkschrift des amerikanischen Department of
State, mit einem Vorwort von Karl Arnold. Hrsgg. unter Mitwirkung des Deutschen Büros für
Friedensfragen in Stuttgart, Düsseldorf 1949
6. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1952, Wiesbaden, Stuttgart und
Köln 1952
Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1955, Wiesbaden, Stuttgart und
Köln 1955
7. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen
Statistisches Jahrbuch Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1952 ff
336
III. Frankreich
1. Gouvernement de la République Française
Déclarations de M. Georges Bidault, président de la délégation française au Conseil des mini-
stres des affaires étrangères, Session de Moscou, mars-avril 1947, Paris 1947
2. Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation
Amtsblatt des französischen Oberkommandierenden in Deutschland (=Journal Officiel du
Commandant en chef français en Allemagne), 1945 bis 1949
3. Gouvernement Militaire de la Sarre
Renaissance de la Sarre, Sarrebruck 1947
4. Mission Diplomatique Française en Sarre
Le dialogue franco-allemand sur la Sarre, essai de définition des thèses en présence, o. 0.1954
Lycée Maréchal Ney, Sarrebruck o. J. (1952?)
5. Documentation française
Trois ans de présente française en Sarre. Notes documentaires et Études, N° 991 (Série
européenne - CXXVIII), Paris 1948
Nr. 1437 L’accord culturel franco-sarrois (1949)
Nr. 2415 Le gens de la Sarre (1951)
Nr. 2435 La vie culturelle dans la Sarre (1951)
Nr. 2526 Un Institut européen de l’Université de la Sarre (1952)
Nr. 2651 L’Université de Sarrebruck (1953)
Nr. 2726 Internationale socialiste et politique sarroise. L’Institut d’interprètes de l’Université
de la Sarre (1953)
6. Conseil de l’Europe
Assemblée Consultative. 5e Session. Le futur de la Sarre. Documents de base, Strasbourg 1953
Le statut futur de la Sarre. Annexe au Rapport de la Commission des affaires générales, pré-
senté par M. van der Goes van Naters, Strasbourg 1954
337
C. Schriftliche und mündliche Mitteilungen
von:
Rektor Jean Babin f, Varennes —en —Argonne, Leiter der Abteilung Éducation Publique inner-
halb der französischen Militärregierung in Saarbrücken 1946 —1948
Direktor Luitwin von Boch-Galhau, Mettlach/Saar, 1945 — 1946 Landrat des Landkreises
Merzig, zeitweilig Präsident der Industrie- und Handelskammer Saarbrücken, Mitglied des Ver-
waltungsrates der Universität des Saarlandes bis 1955 und Präsident des Förderkreises
„Freunde der Universität“
Ministerialdirigent Walter Braun, Saarbrücken, vom Jahre 1953 an Leitender Beamterim saar-
ländischen Kultusministerium
Prof. Dr. René Cheval, Besançon, bis 1949 beauftragter Bildungsoffizier der französischen Mi-
litärregierung an der Universität Tübingen
Michel Debré, Paris, 1946 — 1947 Generalsekretär im Commissariat aux Affaires Allemandes
et Autrichiennes, später französischer Ministerpräsident
Professor Dr. Joseph Derbolav, Bonn, 1952 — 1957 a. o. Professor für Pädagogik an der Philo-
sophischen Fakultät der Universität des Saarlandes
Jakob Feiler, St. Wendel, Mitglied des saarländischen Landtags von 1952 - 1970, Mitglied des
Kulturpolitischen Ausschusses des saarländischen Landtags für die Christliche Volkspartei in
der 2. Wahlperiode 1952 - 1955
Gilbert Grandval f, Paris, Gouverneur, Hoher Kommissar und Botschafter Frankreichs im
Saarland von 1945 bis 1955, später französischer Minister für Arbeit
Sonderschuldirektor Toni Haser, Illingen/Saar
Ministerialdirigent Dr. Erich Knoop, Bonn, Leiter der Abteilung III—Grenzfragen - im Ministe-
rium für gesamtdeutsche Fragen
Oberstudiendirektor Heinrich Kuhn f, Völklingen, 1948 bis 1950 Referent für den Franzö-
sischunterricht im saarländischen Kultusministerium
Felix Lussets, Herblay bei Paris, Leiter der französischen Kulturmission in Berlin 1945 -1949
Frau Professor Johanna Röder, Losheim/Saar, bis 1957 Seminarlehrerin in Blieskastel
Ministerialdirigent Franz Schlehofer, Saarbrücken, Leiter der Präsidialkanzlei der saarländi-
schen Regierung bis zum Jahre 1955
Volksschulrektor Wilhelm Schöpper, Saarbrücken, Mitglied der Lesebuchkommission für ein
Lesebuch an evangelischen Volksschulen des Saarlandes
Dr. René Springer f, Saarbrücken, Oberst der französischen Armee, Leiter des Ressorts Ge-
sundheitswesen innerhalb der Saarbrücker Militärregierung 1945 — 1947
Minister Dr. Emil Straus, Nizza, 1946 Direktor der Erziehungsabteilung im Regierungspräsi-
dium Saar, 1946-1947 Direktor für das Unterrichtswesen innerhalb der Verwaltungskommis-
sion des Saarlandes, 1947 - 1951 Kultusminister des Saarlandes, 1951 — 1955 Gesandter des
Saarlandes in Paris, 1947 Stellvertretendes Mitglied der saarländischen Verfassungskommis-
sion
Jérôme Vaillant, Köln, Dozent an der Universität Lille
Realschuldirektor Emil Wagner, Berschweiler über Illingen/Saar
Prälat Dr. Philipp Weindel, Speyer, in der Zeit des Hoffmann-Regimes Referent für Schulfragen
innerhalb der Bistumsverwaltung in Speyer
Kulturattache Pierre Woelfflin, Besançon, 1948 - 1956 Direktor des Services Culturels in Saar-
brücken, Mitglied des Verwaltungsrates der Universität des Saarlandes bis 1956, Mitglied des
Direktionsausschusses der Universität Saarbrücken, später Direktor des Deutsch-Französi-
schen Gymnasiums in Saarbrücken
Frau Professor Dr. Maria Zenner, Regensburg, Tochter von Peter Zenner
338
D. Zeitungen
Einzelexemplare von folgenden Tageszeitungen:
I. Saarland
Deutsche Saar (= Deutsche Saar-Zeitung)
Die Neue Saar (= später Die Neue Woche)
Neueste Nachrichten
Neue Zeit
Saarbrücker Allgemeine Zeitung
Saarbrücker Zeitung
Saarländische Volkszeitung
Volksstimme
dazu:
Allgemeine Zeitung für die Saar. Sonderausgabe anläßlich des zehnten Jahrestages anläßlich der
Volksabstimmung, Saarbrücken 23. 10. 1965
Saarbrücker Zeitung, Sonderseite „25 Jahre Universität des Saarlandes“, Saarbrücken 30. 11.
1973
II. Deutschland
AZ-Abendzeitung (Mannheim)
Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung
Die Rheinpfalz
Die Welt
Die Zeit
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Frankfurter Neue Presse
Freie Presse (Bielefeld)
Hamburger Studentenzeitung
Kieler Nachrichten
Lindauer Zeitung
Nord-West-Zeitung
Rheinischer Merkur
Rhein-Neckar-Zeitung
Schwäbisches Tageblatt
Staatszeitung
Stuttgarter Zeitung
Süddeutsche Zeitung
Südwest-Merkur
Westdeutsche Allgemeine
Wiesbadener Kurier
III. Frankreich
Chronique Sarroise. Bulletin d’information des Français de Sarre
L’Aube
339
Le Figaro
Le Monde
Le Nouveau Rhin Français (Mulhouse)
Le Républicain Lorrain und France-Journal
Les Dernières Nouvelles d’Alsace
IV. Schweiz
Gazette de Lausanne
E. Zeitschriften
Annales Universitatis Saravensis. Zeitschrift der Universität des Saarlandes
Der katholische Erzieher an der Saar. Zeitschrift des Verbandes katholischer Erzieher des Saar-
landes, Saarbrücken 1949 ff.
Der Student an der Saar. Hochschulblätter der Universität Homburg. Hrsgg. von der Associa-
tion des Étudiants Sarrois (A.E.S.). Von dieser Zeitschrift erschienen lediglich drei Monatsaus-
gaben im Zeitraum Oktober 1947 — Dezember 1947.
Mitteilungsblatt des Verbandes saarländischer Lehrer. Diese Zeitschrift erschien erstmals im
April 1952 und behielt ihren Titel bis zum Jahre 1955 bei. Vom Januar 1956 an erschien sie
unter dem Titel „Saarländische Schulzeitung“.
Philologen-Jahrbuch für das höhere Schulwesen im Saarland, hrsgg. im Aufträge des saarländi-
schen Philologenverbandes, Saarbrücken 1951/52 ff.
Schulpost (Kleine) für die unteren Klassen der Volksschulen des Saarlandes. Dieses Informa-
tionsblatt wurde vom saarländischen Kultusministerium herausgegeben und erschien in den
Jahren 1953 und 1954.
Schulpost für die oberen Klassen der Volksschulen des Saarlandes. Dieses Informationsblatt
wurde vom saarländischen Kultusministerium herausgegeben und erschien in den Jahren 1951
bis 1954.
F. Übrige gedruckte Quellen und Literatur
Abkommen. Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der
Regierung der Französischen Republik über das Statut der Saar vom 23. Oktober
1954 mit den Beschlüssen des Rates der Westeuropäischen Union vom 11. Mai 1955
und Vertrag zwischen Frankreich und dem Saarland über wirtschaftliche Zusam-
menarbeit vom 3. Mai 1955 mit den Anlagen 1 bis 12, dem Besonderen Protokoll
nebst Anlagen I und II und den Briefen 1 bis 16. Hrsgg. im Rahmender Publikations-
reihe: Das Recht des Saarlandes. Blattei für die Praxis der Justiz, Verwaltung und
Wirtschaft, Saarbrücken 1955
Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Bd 1, Stuttgart 1965; Bd 2, Stuttgart 1966; Bd 3, Stuttgart
1967; Fragmente, Stuttgart 1968
Albertini, Rudolf von: Frankreich. Die Dritte Republik bis zum Ende des 1. Weltkrieges
(1870 — 1918). In: Handbuch der europäischen Geschichte. Hrsgg. von Theodor
Schiedet, Bd 6, S. 232-249
Alken, C. E. und Angelloz, J. F.: Europäische Universität des Saarlandes, Saarbrücken o. J.
(1950). Darin: Antrittsrede des Rektors der Universität des Saarlandes, gehalten bei
der Wiedereröffnung der Fakultäten am 6. November 1950 und die Begrüßungsan-
sprache des Direktors Alken, gehalten bei der Eröffnungsfeier der Universität des
Saarlandes am 6. November 1950, Saarbrücken 1950
Altmeyer, Klaus u. a. (Hrsg.): Das Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des jüngsten Bun-
deslandes in Politik, Kultur und Wirtschaft, Saarbrücken 1958
340
Altmeyer, Klaus: Zehn Jahre nach der Volksabstimmung im Jahre 1955. Ein zeitgeschichtli-
cher Rückblick. Manuskript einer Sendung des Saarländischen Rundfunks - II. Pro-
gramm - am 23. Oktober 1965 von 20.00 Uhr bis 20.30 Uhr.
Altmeyer, Klaus: „Saardiözese“ und „Evangelische Landeskirche des Saarlandes“. Die Be-
mühungen um eine eigenständige Kirchenorganisation im Saarland nach den beiden
Weltkriegen. In: Die Evangelische Kirche an der Saar—gestern und heute. Hrsgg. von
den Kirchenkreisen Ottweiler, Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen
Kirche im Rheinland, Saarbrücken 1975, S. 261 — 278
André-Fribourg, G.: D’un plébiscite à l’autre 1935 - 1947. Sondernummer der Zeitschrift
„Le fait du jour“, Nr. 52, Paris o. J. (1947)
Angelloz, Joseph François: Pour une politique culturelle en Allemagne. In: Mercure de
France, Nr. 1013, Januar 1948, S. 22 — 28
Angelloz, Joseph François: Unveröffentlichte Briefe von Peter Wust an Charles Du Bos. In:
Saarbrücker Hefte, 1956, S. 7 — 21.
Arbeitsgemeinschaft. Denkschrift über das gewerbliche Berufsschulwesen im Saargebiet.
Hrsgg. von der Arbeitsgemeinschaft von Gewerbelehrern im Saargebiet, Saar-
brücken 1925.
Bachem, Karl: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei. Zu-
gleich ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Bewegung, sowie zur allgemeinen
Geschichte des neueren und neuesten Deutschland 1815 — 1914, 9 Bde, Köln 1927/
32
Bär, Max: Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815. Photomechanischer Nach-
druck 1965, Bonn 1919
Barthel, Gilbert: Les relations économiques entre la France et la Sarre 1945 — 1962, Metz
1978
Bau-Anzeiger für das Saarland. Sonderausgabe, gestaltet von Otto Renner und Kurt
Eichler, Saarbrücken o. J. (1952)
Bauer, Gerhard: Vom Zentrum zur CDU. Hundert Jahre christliche Politik an der Saar, Bd 2
der Reihe Wirtschaft und Gesellschaft im Saarland, Saarbrücken 1981
Beckmann, Herbert (Pseudonym für Franz Ruffing): Wahlmänner an der Saar, Landtags-
wahl 1947, Köln 1952
B e 11 o t, Josef: Hundert Jahre politisches Leben an der Saar unter preußischer Herrschaft (1815
- 1918), Rheinisches Archiv Nr. 45, Bonn 1954
Bernhard, Karl: Die Technische Abendschule des Saarlandes und ihre beruflichen Förde-
rungsmaßnahmen. Sonderdruck aus den „Mitteilungen“ 1952. Hrsgg. im Auftrag
der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes, Saarbrücken o. J. (1952)
Bernhard, Karl: Technische Abendschule des Saarlandes 1948 - 1958. Saat und Ernte eines
Jahrzehnts planmäßiger Berufsförderungsarbeit. Hrsgg. von der Industrie- und Han-
delskammer des Saarlandes. O. 0.1959
Berr, Henri: Problèmes d’avenir. Le mal de la jeunesse allemande, Paris 1946
Berr, Henri: L’Allemagne - le contre et le pour, Paris 1950
Berwanger, Dietrich: Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945 —1959. Ein Bei-
trag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle“. Phil. Diss. der Freien Universität
Berlin 1967, München 1969
Bettinger, Dieter: Die konfessionelle Schichtung der Saarbevölkerung. In: Evangelische
Kirche an der Saar — gestern und heute. Hrsgg. von den Kirchenkreisen Ottweiler,
Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen Kirche im Rheinland, Saarbrücken
1975, S. 202-220
Bibliographie. Pfälzische Bibliographie. Bearbeitet von Hans M. Meyer und Fritz Kästner,
vom Berichtsjahr 1956 an von Fritz Kästner, Speyer 1952 ff. Dieses Literaturver-
zeichnis nahm bis zum Jahre 1960 auch das Saarschrifttum auf
Bibliographie. Bibliographie zur Saarfrage 1945 - 1954. Hektographierte Veröffentlich-
ungen der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches Recht der Universität
341
Hamburg Nr. 19, Reihe C, Abt. III, Bd. I. Bearbeitet von Hans Lottig, Hamburg
1954
Bidault, Georges: Noch einmal Rebell. Von einer Résistance in die andere (französischer Ori-
ginaltitel: D’ une Résistance a 1’ autre) Berlin o. J. (1966)
Böttcher, Karl W. und Proske, Rüdiger: Die Saar, Terre inhumaine. In: Frankfurter Hefte,
1950, S. 383-396
Bopp, Erich: Das staatliche katholische Lehrerseminar Lebach (1948 - 1964). Ein Kapitel
saarländischer Schulgeschichte. O. O. und o. J. (1964)
B r e n ge 1, Albert: Wirklichkeit und Problematik des berufsbildenden Schulwesens im Saarland.
Phil. Diss. der Universität des Saarlandes, Saarbrücken 1961
Brengel, Albert: Bildung und Wirtschaft, 50 Jahre Diskussion um die wirtschaftsberuflichen
Schulen. Mit einem Geleitwort von Werner Linke, Bad Homburg v. d. H. 1966
Brentano, Heinrich von: Deutschland, Europa und die Welt. Reden zur deutschen Außenpo-
litik. Hrsgg. von Franz Böhm, Bonn, Wien, Zürich 1962. Darin: Zu den Pariser Ver-
trägen und zum Saarstatut (S. 121 — 133) und Die Lösung der Saarfrage (S. 227 -
241)
Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg):
Die Lastenausgleichsgesetze. Dokumente zur Entwicklung des Gedankens, der Ge-
setzgebung und der Durchführung, Bd V, Die Kriegsschädenregelung im Saarland,
Bonn 1965
Bungarten, Franz: Ich darf nicht schweigen. Meine Ausweisung aus dem Saargebiet, Schrif-
tenreihe des Deutschen Saarbundes, Bd 1, Köln 1951
Bungenstab, Karl-Ernst: Die Schulbuchrevision in der US-Zone nach 1945 in Zusammen-
hang mit der amerikanischen Umerziehungspolitik. In: Internationales Jahrbuch für
Geschichts- und Geographieunterricht, 1968/69, S. 96 — 140
Bungenstab, Karl-Ernst: Umerziehung zur Demokratie? Reeducation-Politik im Bildungs-
wesen der US-Zone 1945 - 1949, Düsseldorf 1970
Byrnes, James F.: In aller Offenheit, Frankfurt a. M. o. J. (engl. SpeakingFrankly, New York
1947)
Christliche Volkspartei (CVP): Etappen auf dem Wege zum Saarland 1945 - 1947.
Masch. Manuskript ohne jede Kennzeichnung. Wahrscheinlich erstellt im Aufträge
der CVP (1947)
Christliche Volkspartei (CVP): Programmschrift zum 5. Landesparteitag der CVP vom
23.11. bis 26. 11. 1950, Saarbrücken o. J. (1950)
Christliche Volkspartei (CVP): Christliches Saarland im christlichen Europa. Bericht
über den 5. Landesparteitag, Saarbrücken 1950
Christliche Volkspartei (CVP): Klare Fronten. Warum Koalitionsbruch? Das geht uns
alle an! Informationsschrift der CVP anläßlich des Bruchs der saarländischen Koali-
tionsregierung von CVP und SPS im Juli 1953, Saarbrücken o. J. (1953)
Christliche Volkspartei (CVP): Aus dem Parteiprogramm der CVP von 1946. Als Flug-
blatt gedruckt, o. O. und o. J. (1955)
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und Arnold Bergsträsser: Frankreich. Erster Band: Die französische Kultur, Berlin
und Leipzig 1930
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und bearbeitet von Dr. H. Schneider, 1. Vorsitzender der DPS. Gebilligt vom Partei-
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zum sechzigsten Geburtstag gewidmet. Frankfurter Beiträge zur Soziologie. Im Auf-
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Erger, Johannes: Lehrer und Schulpolitik in der Finanz- und Staatskrise der Weimarer Repu-
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modernen Welt. Werner Conze zum 31. Dezember 1975, hrsgg. von Ulrich Engel-
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Eschenburg, Theodor: Regierung, Bürokratie und Parteien 1945 - 1949. Ihre Bedeutung für
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Europa-Bewegung im Saarland : Was geht dich die Europäisierung an? Werbeschrift der
Europa-Bewegung des Saarlandes, o. O. und o. D. (1952)
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Fehn, Klaus: Preußische Siedlungspolitik im saarländischen Bergbaurevier (1816 — 1919)(=
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Festschrift. Felix Senn zum 75. Geburtstag, gewidmet von der Rechts- und Wirtschaftswis-
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Fischer, Per: Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich. Politische Entwicklung von
1945 - 1959. Frankfurt am Main und Berlin 1959
343
Fittbogen, Gottfried: Die französischen Schulen im Saargebiet. Eine Studie (= Rheinische
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für Rhein, Saar, Ruhr und Pfalz, Schrift(4), Berlin 1925
Flugschrift des Deutschen Saarbundes. Französische Kulturpolitik an der Saar. O. O.
und o. J. (1953)
Flugschrift. Joho —Das bin ich. Verfaßt und bearbeitet von Werner Holtzmann (Pseudonym
für Werner Hoitz) und hrsgg. von der Demokratischen Partei Saar (DPS), Saar-
brücken 1955
Freymond, Jacques: Die Saar 1945 - 1955, hrsgg. vom Carnegie Endowment for Interna-
tional Peace, European Center, München 1961 (französischsprachige Ausgabe: Le
Conflict Sarrois 1945 - 1955, Bruxelles 1959; englischsprachige Ausgabe: London
bzw. New York o. J.)
Fritsch, Robert: Entnazifizierung. Der fast vergessene Versuch einer politischen Säuberung
nach 1945. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „DasPar-
lament“, B 24/72 vom 10. Juni 1972, S. 11—30
Froese, Leonhard (Hrsg): Bildungspolitik und Bildungsreform. Amtliche Texte und Doku-
mente zur Bildungspolitik im Deutschland der Besatzung, der Bundesrepublik und
der Deutschen Demokratischen Republik, München 1969
Früh, Otto: Der französische Sprachunterricht in den Volksschulen des Saarlandes. In: Das
Saarland, hrsgg. von Klaus Altmeyer u. a., Saarbrücken 1958, S. 281 - 285
Fürstenau, Justus: Entnazifizierung. Ein Kapitel deutscher Nachkriegspolitik, Neuwied und
Berlin 1969
Gaulle de, Charles: Mémoires de guerre, Bd 1, L’appel, Paris 1954; Bd2, L’unité, Paris 1956;
Bd 3, Le salut, Paris 1959
Gaulle de, Charles: Discours et messages. Bd. 1: Pendant la guerre, juin 1940-janvier 1946,
Paris 1970
Geschichtsbuch für saarländische Schulen: Bd 1 (5./6. Schuljahr) und Bd 2 (7./8.
Schuljahr). Bearbeitet im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Unterricht und
Volksbildung von saarländischen Erziehern, Saarbrücken 1955
G iese, Gerhardt: Quellen zur deutschen Schulgeschichte seit 1800. Quellensammlung zur Kul-
turgeschichte, Bd 15. Hrsgg. von W. Treue. Göttingen, Berlin und Frankfurt am
Main 1961
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355
Personenregister
In das Register wurden nur Namen von Personen aufgenommen, die als Handelnde in Er-
scheinung treten oder deren Name im Zusammenhang von Ereignissen erwähnt worden
sind. Literatur- oder Interviewbezogene Namensnennungen sind nur in Ausnahmefällen
berücksichtigt worden und zwar dann, wenn ein enger Bezug zum Geschehensablauf
vorlag. Ist die angegebene Seitenzahl mit einem Sternchen versehen, so erscheint der regi-
strierte Name auf der jeweiligen Seite nur in den Anmerkungen.
Abegg, Walter, 262
Adenauer, Konrad, 134-136, 221, 231,
233, 252-254, 256-258, 286
Alken, Karl-Erich, 128-129
Allmers, Fritz, 211*, 222
Althoff, Friedrich Theodor, 188, 189*
Altmeier, Peter, 134-135, 252, 254
Angelloz, Joseph François, 58, 214,
216-218, 220, 223-224, 227*, 278
Arnold, Alfons, 262
Babin, Jean, 58, 71-72, 96, 106, 129*,
131
Bachem, Karl, 148
Bafile, Corrado, 273
Baillou, Jean, 211*, 262
Barrault, Jean-Louis, 168
Barriol, Jean, 119*, 129, 214
Bastide, François-Régis, 182
Bauer, R., 93*
Beaumarchais, Jaques de, 222
Becker, Cari Heinrich, 41
Beer, Brigitte, 267*
Béguin, Albert, 58*
Bémol, Maurice, 277*, 278
Berg, Helmut vom, 175*, 195*, 196*
Berger, G., 211*
Besson, Jean, 277*
Bevin, Ernest, 66-68
Bidault, Georges, 56-58, 61, 65-68,
94*, 145*, 186,293
Billmann, Frédéric, 170
Bilotte (französischer General), 53*
BiNDCHEDLER (Mitarbeiter der Saar-
brücker Militärregierung), 87*
BläS, Franziska, 157*
Blind, Adolf, 219
Blum, Léon, 61
Boch-galhau, Luitwin von, 211*, 254*
Boden, Wilhelm, 53*
Böhler, Wilhelm, 59*
Boesch, Ernst, 249*
Boislambert, Hettier de, 58
Bornewasser, Franz Rudolph, 51 *, 53 *,
145*, 159*, 160*, 293*
Bouffanais, P., 211*
Brandenstein, Bela Freiherr von, 219
Braun, Angelika, 211 *
Braun, Augustinus, 83*, 161—162, 288,
294*, 306
Braun, Heinz, 152,154,227*, 288,298
Braun, Max, 34, 152
Braun, Walter, 200,204,206,242,246 *,
247, 261-262, 288,316,318
BRESSAND, Jean-Marie, 107*
Brokmeier, Friedrich, 176*, 288, 318
Bronisch, Theodor, 79*
Brozen-favereau, 52*
356
Brun, Marcel, 87*
Bruneau, Charles, 72*
Bruns, Rudolf, 218
Buech, Friedrich, 96*
BüRCKEL, Josef, 35, 37*
BUNGARTEN, Franz, 35, 145*, 156, 162*
Burghardt, Hugo, 79-80, 88, 99-100,
122, 206
Butenandt, Adolf, 127, 228, 288, 314*
Byrnes, James Francis, 65*, 66—68, 290
Carbonnel, Eric de, 131, 259, 262, 265
Champier, Laurent, 277*
Charpentrat, Pierre, 262
Chazelle, Jacques 183
Clay, Lucius D., 85
Comte, Auguste, 53
Conrad, Klaus, 220
Conrad, Kurt, 134*
Courson de la Villeneuve, Tanguy de,
211*,262
Couture, Pierre, 211
CRESSOT, Marcel, 219
Danzebrink, Heinrich, 156,185
Dauber (Dekan), 316
Dauzat, Albert, 240
Debré, Michel, 57-58, 65, 69, 74,129*,
181,221*,248*
Debressé (Chef der französischen Gen-
darmerie in Saarbrücken), 87*
De GAULLE, Charles André Joseph Maria
(siehe unter Gaulle)
Dehler, Thomas, 134
Dejardin, Jean, 131
Delbos, Yvon, 126*, 164
Derbolav, Josef, 219
Diener, M., 88, 92*, 249
Digeon, Claude, 220, 277*
Dirks, Walter, 134*, 153, 252
Dollfuss, Engelbert, 188
Dombrowski, Erich, 169-170
Donzelot, Pierre, 80, 119, 129, 214-
215, 216*, 220, 228,288,314
Dorscheid, Albert, 190, 197*, 198, 203
Droz, Jacques, 58*
Dubois, Jacques-Emile, 220, 277*
Dullien, Charles, 168
Dupuy, Jacques, 131
Duquet, Albert, 159*
Duroselle, Jean Baptiste, 220
Eggersdorfer, Franz Xaver, 235*
Eifler, Viktor, 89*
Engel, Wilhelm, 316
Erfurt, Franz-Josef, 206, 246*
Etzler, Ewald, 262
Ewig, Eugen, 127*
Fätkenheuer, Arthur, 206
Faure, Egar, 257*
Faure, Maurice, 259—260, 264—265
Ferry, Jules, 52
Filliol (Mitarbeiter der Mission Diplo-
matique) 310*
Fiseni, August, 91, 92*
Fleck, Jakob, 102*, 206, 241*
Foerster, Friedrich Wilhelm, 79
Franken, Herrmann, 220
Friedrich Wilhelm iil, König von
Preußen, 115
Früh, Otto, 157, 246*, 247*, 288, 311
Fuest, Irmgard, 154—155
Furtwängler, Wilhelm, 185
357
Galen, Clemens August Graf von, 37*
Gallinsky, Hans, 127*
Gaudig, Hugo, 235*
Gaulle, Charles André Joseph Maria de,
43^44, 47-48, 61-62, 65-68, 77
Gauthier, Henri, 131
Gauthier, P., 211*
Geibig, Ludwig, 311
Gieseking, Walter, 182
Goergen, Hermann Matthias, 79
Goes van naters, Marinus van der, 232,
233*, 253-254
Goethe, Johann Wolfgang von, 216—
217
Goin, Felix, 61
Gowa, H. H., 182-183, 195
Grandval, Gilbert, 58, 61, 65, 68-71,
73*, 74, 77, 79*, 80, 88, 92, 93*,
96-97, 98*, 105-106, 108, 113, 116,
117*, 118-119, 121, 124-125, 130*,
136, 142*, 145* 159, 166, 168, 170,
180-183, 187, 193, 214-215, 225*,
226, 227*, 231, 241-242, 259*, 282,
288,291-292,304,312
Groh, Hans, 121*, 122, 127, 128*,
129*, 175, 206, 208-209, 211*, 214-
215, 221*, 222, 227, 261, 314*
Grotewohl, Otto, 133
Guardini, Romano, 127*
Guinet (Mitarbeiter des Hohen Kommis-
sariats), 129*
Gutzwiller, Max, 127*
Hacq, Michel, 131
Händel, Georg Friedrich, 167
Hallstein, Walter, 251 *, 264*'
Hammelsbeck, Oskar, 179
Harcourt, Robert de, 58*, 216
Hard, Wilhelm, 247*, 250, 262
Heck, Bruno, 138
Hector, Edgar, 72,88*, 93*, 111 *, 157,
159*, 181,185,194*, 195-196,202*,
203, 220, 239
Hector, Kurt, 220
Held, Heinrich, 48*, 78, 316
Held, Michael, 161, 295
Heilmeyer, Ludwig, 220
Heimerich, Hermann, 70
Hepp, Eugène Theodore, 56
Herbart, Johann Friedrich, 235*
Herber, Pauline, 156
Heuss, Alfred, 127*
Heydte, Friedrich August von der, 219
Hitler, Adolf, 41*, 46, 182, 186, 199,
296
Hoer, Paul, 288, 316*, 318
Hoffmann, Johannes, 34, 96*, 100,
122-125, 132-134, 136, 138*, 139-
140, 143, 144*, 145*, 151-155, 157,
159-163, 165, 168, 171*, 175, 180-
181, 183*, 185, 193, 197-198, 202-
207, 217-219, 226*, 227*, 230, 232,
234, 236-243, 245-248, 250, 251*,
252, 256, 257*, 258-262, 266, 270,
273-274, 276-277, 279-281, 283-
289, 294-295, 298, 307, 308*, 313*,
315
Hübner, Heinz, 219, 277
Humboldt, Wilhelm, 50, 115
Imbert, Jean, 219
Jouvet, Louis, 168
Joxe, Louis, 120, 129*, 211*, 221*
JUIN, Alphonse Pierre, 64*
Jung, A. M. (Chirug), 220, 277*
Jung, Ludwig, 76-79, 81*, 82, 117,
178*
358
Kaiser, Jakob, 134-135,221-222,252-
255, 257*, 286
Kelly, Louis C, 70
Kerschensteiner, Georg, 235*
Kies, Albertine, 102*, 206
Kirn, Richard, 34, 122, 123*, 134, 177,
207, 307
Kleint, Boris H., 183
Klumb (Professor der Universität Mainz),
249*
Koenig, Pierre Marie, 48, 53*, 56-58,
64, 120,290
Koller, Gottfried, 215*
Kossmann, Bartholomäus, 35, 144*,
156, 167*, 181, 185,204
Kratz, Wilhelm, 277
Krause-wichmann, Georg, 158
Kremer, Philipp, 101, 155, 159*, 160,
294-295
Krieger, Harald, 296
Kuhn, Heinrich, 179
Kunkel, Ernst, 78, 211 *
Kunz, Karl, 183
Laffon, Émile, 52*, 57, 64, 66, 68*, 69,
103, 120
Laumont (Mitarbeiterin im Finanzre-
ferat des Hohen Kommissariats bzw.
der Mission Diplomatique), 129*,
215*
Laurent, Pierre, 131
Leblay (Mitarbeiter im Hohen Kommis-
sariat), 129*
Lefranc, Bernard, 87*, 131
Leger, François, 215*, 262
Lehnen, Emil, 204, 211*
Leistenschneider, Paul, 211*, 215*
Leroy (Leiter der Section Epuration im
Hohen Kommissariat), 88*
Leurich (Chirug), 220
Levy, Alfred, 152, 153*
Lewald, Hans, 127*
Lieblang, Josef, 305
Liencourt, F. de, 129*, 211*, 297
Litt, Theodor, 127*, 149
Lorscheider, Gotthard, 242,288,310*,
313*
Luchaire, François, 219
Ludwig XIV., König von Frankreich, 282
Lullies, Hans, 220
Madier, R., 293
Maihofer, Werner, 219
Manderscheid, Peter, 94
Mann, Heinrich, 216
Mannheim, Karl, 185-186
Marcel, Gabriel, 58*
Margardt, Friedrich, 88-89, 90*,
151*, 179
Maritain, Jacques, 159, 217
Martin, Eduard (Pseudonym: Martin
Hoffmeister), 218*
Masereel, Frans, 183
Mayer, René, 56, 232
Meister, Wilhelm, 158, 235, 236*-
MendèS-France, Pierre, 233
Metzroth, Heinrich, 79, 102*, 160,
294
Meurers, Heinrich von, 45*, 51*, 79,
142, 155, 159-160,288,294
Meyer, Eugen, 206-207, 214, 219,
' 237*,238*,239*,242,261-262,310,
313
Minder, Robert, 48, 58*, 216*
Miquel, Johannes, 191
Mollet, Guy, 258
Mommer, Karl, 134*, 248*
359
Montessori, Maria, 235*
MORANDIÈRE, L. Juliot de !a, 211 *
Morazé, Charles, 46-47
Moreau, Jacques, 219
Moskopf, Heinrich Josef, 305
Mounier, Emmanuel, 58*
Müller, Eligius, 206
Müller, Erwin, 91, 92*, 93*, 116, 119,
121, 157, 204, 206, 211*, 288, 290*,
291*,295*
Müller-blattau, Joseph, 167*, 182,
219
Mund (Oberspielleiter), 45*
Naegelen, Marcel-Edmond, 57, 106,
119
Napoleon l, Kaiser der Franzosen, 113*
Neureuter, Hans, 70, 76, 77*, 78-79,
88, 117,121*, 130*,290*
Ney, Hubert, 134*, 258, 261, 266, 275
Ney, Michel, 113*
Niemanns, Franz-Josef, 16, 40*
Nietzsche, Friederich, 216
Ollenhauer, Erich, 133,134*
Opitz, Fritz, 143
Ormesson, Wladimir Olivier de, 73
Orth, Oscar, 118
Parisot, Robert, 71*, 78
Parkhorst, Helen, 235*
Paulhan, Jean, 5 8 *
Pétain, Philippe, 46
PETERSEN, Peter, 235*
Pfeifer (Attaché), 201
Philip, André, 219
Pinay, Antoine, 257*
Pius xi. (Achille Ratti), 105
Poher, Alain, 57-58
Poincaré, Raymond, 61
Preusker, Viktor-Emanuel, 134*
Purwin, Walter, 129*, 211*
Quack, Josef, 206
Quint, Josef, 127,219
Randon (Chef der Sûreté innerhalb der
französischen Militärregierung in Saar-
brücken), 87*
Reinert, Egon, 259-265,267,275*, 276
Reuter, Friedrich, 206
Richert, Hans, 41
Riegler, Bernhard, 117*, 211*
Rilke, Rainer (eigentlich René) Maria,
216-217,219
RINTELN, Fritz Joachim von, 249*
Robert, Jean, 131, 211*
Robinier (Mitarbeiter der französischen
Militärregierung in Saarbrücken), 87*
Röder, Franz-Josef (Schulaufsichtsbe-
amter und Vater des späteren saarlän-
dischen Ministerpräsidenten), 101
Röder, Franz-Josef, 261, 268, 271, 274,
281
Roegele, Otto B., 252
Rolland, L., 211*
Ronflard (französischer Generalkon-
sul in Saarbrücken), 65
Rouffin (französischer Capitain der Be-
satzungsarmee), 51 *
Sachse, Karl Ernst, 94*
Santelly, César, 57,120
Sartre, Jean Paul, 58*
Sauerbruch, Ernst Ferdinand, 220
360
Sauerland (Justitiar im saarländischen
Kultusministerium), 122
Savéry, Alain, 57*, 120
Senf, Paul, 219, 249*
Senn, Felix, 219
Seydoux Fornier de Clausonne, Fran-
çois, 44*
Seynsche, Ernst, 316
Siegfried, André, 46-47
Singer, Franz, 157,204,206-207,211*,
222, 230*, 249
Spranger, Eduard, 41
Springer, René, 117, 122,123*
SÜSTERHENN, Adolf, 113, 143
Schäfer, Hans, 235, 236*
Schang (Mitarbeiter der Mission Diplo-
matique), 215*
Scharrelmann, Heinrich bzw. Wilhelm,
235*
Scherer, Werner, 271*, 272*, 273
Schindler, Peter, 77*, 106
Schlehofer, Franz, 122*, 205, 217,
298*, 310
Schleiermacher, Friedrich Ernst Daniel,
235*
Schmittlein, Raymond, 47*, 48-A9,
51*, 52*, 54, 56-58, 71
Schmoll gen. Eisenwerth, Josef Adolf,
219
Schneider, Heinrich, 19,95*, 125,133—
135, 147, 254,261,278
Schneiter, Pierre, 48*, 56-58
Schnitzler, Adolf, 127*
Schütz, Paul, 123*, 226*, 288, 302*
Schulien, Michael (SVD), 159*, 162,
288, 305
Schulz, Gustav, 156, 192*, 198
Schuman, Robert, 57-58, 107*, 126*,
145*, 164, 166*, 231-232, 255
Schumann, Maurice, 72
Schuschnigg, Kurt, 188
Schuster, Hermann-Heinrich, 316
Schwab, Paul, 131, 304
Schwelien, Joachim, 275 *
Schwinn, Theodor, 316*
Stadtmüller (Prof. Dr.), 249*
Stämpfli, Robert 220
Steffes, Johann Peter, 127*
Stein, Bernhard, 273
Steinert, Otto, 183
Stekel, Eric Paul, 167, 182
Stohr, Albert, 49, 54*
Straus, Emil, 77-79, 90*, 92-93, 94*,
95-98, 101-113, 121-123, 125, 128,
131, 157, 159, 164-165, 171-173,
175-176, 178-191, 193-200, 202-
205, 207, 211*, 213, 215, 217, 222,
224, 225*, 230, 234, 236*, 237, 240,
274, 284-285, 288, 302, 307-308,
309*
Strohm, Gustav, 254*
Tardini, Domenico, 159*
Teich, Eric-Jean, 178*
Teitgen, Pierre-Henri, 233
Thewes, Klaus, 111, 157, 262
Thierfelder, Rudolf, 254-256
Tiebel, Günther, 206
Verdier, L. Abel, 62-64, 73,169
Vermeil, Edmond, 46-47, 72
VlARD (Chef du Cabinet innerhalb des
Hohen Kommissariats), 87*
VOIRIN, Pierre, 219
361
Wagner, Emil, 175, 176% 199, 206
Washburne, Carleton, 235*
Weber (Religionslehrer am Lehrerse-
minar zu Lebach), 162*
Weber, Aloys, 178*
Weber, Emil, 158
Weber, Max, 26
Weiten, Emil, 30
Weiten, Willi, 211*
Wehr, Otto, 79, 91, 101, 102*, 138*,
157, 158*, 163*, 175*, 195-196,
228*, 243,246*. 247*, 288,295,297,
311*,315,316*
Welsch, Heinrich, 258*
Wendel, Josef, 50*
Wilhelm, Rudolf, 220
Wilke, Fritz, 197*, 288, 306
Wirth, Friedrich, 316
Woelfflin, Pierre, 105, 108, 112, 116,
129*, 131, 140, 167-168, 170-171,
188, 201, 205, 211, 213-214, 215*,
216, 220, 227, 259, 262, 297, 314*
Wohleb, Leo, 143-144
Wüst, Philipp, 167
Wust, Peter, 216*, 217*
Zarth, Johann Leo, 95,96*, 129*, 192,
193*, 194*, 197*, 206,225,230,288,
302*, 303*, 306
Zenner, Peter, 101,156-157,236-237,
246, 250
ZiCKWOLFF, Karl Friedrich, 316
Ziller, Tuiskon, 235*
Zimmer, Peter, 254
Zinn, Ernst, 219
362
Veröffentlichungen
der Kommission für saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung
I. Hans-Walter Herrmann, Geschichte der Grafschaft
Saarwerden bis zum Jahre 1527
Bd. 1: Quellen, 1957 ff., 676 S. DM36,00
Bd. 2: Darstellung, 1959,265 S. DM12,00
Saarländische Bibliographie
Bd. 1: 1961/62, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Heinz Kalker, 1964,448 S. DM29,50
Bd. 2: 1963/64, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1966,362 S. DM29,00
Bd. 3: 1965/66, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1968,381 S. DM32,50
Bd. 4: 1967/68, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1970,382 S. DM45,00
Bd. 5: 1969/70, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1972,324 S. DM42,50
Bd. 6: 1971/72, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1974,282 S. DM42,50
Bd.‘ 7: 1973/74, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1976,271 S. DM49,00
Bd. 8: 1975/76, zusammengestellt v. Lorenz Drehmann und Ursel Perl, 1978,306 S. DM58,00
Bd. 9: 1977/78, zusammengestellt v. Rudolf Lais und Ursel Perl, 1980,413 S. DM68,00
Bd. 10: 1979/80, zusammengestellt v. Rudolf Lais und Ursel Perl, 1982,424 S. DM81,00
III. Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem
Völkerbundsregime 1920—1935,1966,434S. DM22,50
IV. Eduard Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-
Lothringen, 1969,4 T., 209 S. DM 25,00
V. Manfred Pohl, Die Geschichte der Saarländischen
Kreditbank Aktiengesellschaft, 1972,14Tab., 146S. DM29,50
VI. Fritz Jacoby, Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme
an der Saar, 1973,275 S.
DM35,00
VII. Dieter Staerk, Die Wüstungen des Saarlandes, 1976,445 S. DM52,50
VIII. Irmtraut Eder, Die saarländischen Weistümer - Dokumente der Territorialpolitik, 1978,272 S. DM38,00
IX. Marie-Luise Hauck/Wolfgang Läufer, Epitaphienbuch von Henrich Dors (Genealogia oder Stammregister der durchläuchtigen hoch- und wohlgeborenen Fürsten Grafen und Herren des Hauses Nassau samt Epitaphien durch Henrich Dorsen) Dezember 1983, 286 S. DM120,00
X. Jürgen Karbach, Die Bauernwirtschaften des Fürstentums Nassau-Saarbrücken im 18. Jahrhundert, 7Tab., 255 S. DM48,00
XI. Hans Amrich, Landesherr und Landesverwaltung. Beiträge zur Regierung von Pfalz-Zweibrücken am Ende des Alten Reiches, 1981,6 Beil., 284 S. DM55,00
XII. Klaus-Michael Mallmann, Die Anfänge der Bergarbeiter- bewegungander Saar (1848-1904), 1981,370 S. DM59,00
XIII. Beiträge zur Geschichte der frühzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt. Referate und Ergebnisse der Diskussion eines Kolloquiums in Saarlouis vom 24.—27.6.1980. 1983,256S. XIV. Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955. 1984,362 S., erscheint Anfang 1985 XV. Wolfgang Haubrichs, Die Tholeyer Abtslisten im Mittelalter. Philologische, onomastische und chronologische Untersuchungen, 1984, ca. 260 S., erscheint 1985 Auslieferung durch Minerva-Verlag Thinnes und Nolte oHG, Futterstraße 25, 6600 Saarbrücken. DM57,00
Außerhalb der Reihe sind erschienen und über die Geschäftsstelle der Kommission für
Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Scheidter Straße 114, 6600 Saar-
brücken 3, erhältlich:
1. Fritz Eyer, Saarländische Betreffe des Departementsarchives Meurthe-et-Moselle in Nancy, 1976, 379 S. 2. 25 Jahre Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 1952-1977. Gründung, Aufbau, Tätigkeit, 1977, 63 S. DM 35,00 DM 10,00
DM 10,00