sehen Arbeit im Grunde zwischen zwei nicht zu vereinbarenden Wertfronten stand. Ver¬ langte Treue zum saarländischen Staat und das Verbot des Bekenntnisses zum nationalen Deutschtum wurden hier zum Ausgangspunkt für ein Dilemma, das oft genug zur Nöti¬ gung des Gewissens zwang, zumal die Lehrerschaft als Vermittler und Wahrer deutscher Kultur in besonderer Weise und fast täglich mit der Sinnfrage für die gezogene Barriere zur inzwischen wieder vollkommen intakten deutschen Staatlichkeit konfrontiert wurde. Dal? dieser nun (1953) verstärkt einsetzende Weg in den Nonkonformismus durch den ge¬ scheiterten Versuch, eine supranationale europäische Ordnungsstruktur zu schaffen (1954), zusätzlich Auftrieb erhielt, weil eine Alternative zum nationalen Deutschtum da¬ durch mehr oder weniger wegfiel, bedarf wohl kaum einer weiteren Erläuterung. Die Trennwand zwischen Regierung und Lehrerschaft nährte sich zudem noch durch die ne¬ gativen Begleiterscheinungen einer üblen Gesinnungsschnüffelei wie opportunistischer Anpassungen und Denunziationen, in die auch ein im Saarland sehr bekannter Schulauf¬ sichtsbeamter verwickelt war61 62. Eine durch Mißtrauen vergiftete Atmosphäre, politischer Druck und zum Teil auch Drohungen sollten hier zu äußerst unerfreulichen Erfahrungen werden. Sie steigerten den Groll der Lehrer auf einen Siedepunkt, ln welchem Ausmaß die Beziehungen zwischen Regierung und Lehrerschaft schließlich im Vorfeld des Volksent¬ scheids vom Oktober 1955 gestört waren, darüber informiert ein Protokoll über eine dienstlich angeordnete Schulräteversammlung im Bereich des Kreisschulamts Ottweiler. Etwa zwei Drittel dieser Aufzeichnungen widmen sich den galligen Vorwürfen des Mini¬ sterialdirigenten Walter Braun vom Kultusministerium über die angeblich regierungs¬ feindliche Denkungsart der saarländischen Lehrerschaft. Brauns Zorn galt vor allem den Adventisten und Arrivisten, die immer auf etwas anderes warten; auf eine angeblich bes¬ sere Zeit in kultureller und politischer Hinsicht. Mit aller Schärfe, so Braun, müsse auch gegen die Unbelehrbaren vorgegangen werden, deren Zahl in der Lehrerschaft zwar nicht groß sei, die aber verantwortlich dafür seien, daß die gesamte Lehrerschaft bei der Regie¬ rung und in der Öffentlichkeit als politisch unzuverlässig gelte. Die Regierung müsse aus diesem dissidierenden Verhalten ihre Konsequenzen ziehen, wobei er eine noch schärfere Prüfung der politischen Zuverlässigkeit bei Personalentscheidungen ankündigte. Braun, der zu den treuesten Gefolgsleuten Hoffmanns zu rechnen ist, kündigte dann zur Überra¬ schung aller Anwesenden an, daß die Regierung künftig nur noch positive Mittel zur Sin¬ nesänderung anwenden werde. Er versprach den Lehrern ein Ende der geheimen Dossiers über politisches Verhalten, eine bessere Besoldung, günstigere Beförderungsdaten und eine überzeugende Begründung für den autonomistischen Kurs seiner Regierung durch Vorträge. Wir wollen, so Braun im Rückgriff auf eine Äußerung Hoffmanns, niemand zu unserem Programm zwingen, aber er muß sich im Rahmen des Gegebenen mit den Tatsa¬ chen abfinden61. Selbstverständlich wird man, vor allem wenn man die Geschichte der Saar nach 1945 vom nationalen Standpunkt aus beleuchtet, die unverhohlene Kampfan¬ sage von Braun als eines der vielen Beispiele anführen, um das saarländische Schicksal in 61 Genauere Einzelheiten im Brief des Schulrats Hard an Hoffmann vom 17. 1. 1954. LA Saar¬ brücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 299. 62 Protokoll über eine Lehrerversammlung, o. D. (wahrscheinlich Frühjahr 1955). LA Saar¬ brücken, Bestand Kreischulamt Ottweiler Nr. 2. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 20). 247