Wiederaufnahme der Arbeit13. Oberbergrat Kramer aber, mittlerweile als Kommissar
der königlichen General-Bergwerks- und Salinen-Administration nach St. Ingbert ge¬
schickt, vertrat die harte Linie der Konfrontation. Als die Belegschaft am 16. Mai wie¬
der vollzählig zur Anfahrt erschien, erklärte er alle bisherigen Aussprachen für nichtig:
,, Zugeständnisse werden den Belegschaften in keiner Weise gemacht“. Für jeden Streik¬
tag werde ein Normalschichtlohn abgezogen. Wer weiterstreike, werde auf unbe¬
stimmt abgelegt. Wünsche der Belegschaft dürften nur über die Knappschaftsältesten
geäußert werden. Und zum Schluß kam die Kriegserklärung an den Rechtsschutzver¬
ein: „Mit dem sog. Rechtsschutzverein werde in keiner Weise verhandelt, demselben
wird vielmehr mit allen erlaubten und gesetzlichen Mitteln entgegen getreten wer-
den“lb. Die Bergleute von Grube St. Ingbert fuhren murrend wieder an. Streikstim¬
mung lag noch in der Luft. Für den Fall eines erneuten Ausstandes aber hatte Kramer
die in der Öffentlichkeit unbekannte Ermächtigung in der Tasche, die Grube vorüber¬
gehend zu schließen15 17. Genau einen Monat später legte man 115 Bergleute ab. Als
Grund gab die Grubenverwaltung zwar eine Einschränkung der Förderung wegen ei¬
nes Absatzrückgangs an, doch in Wirklichkeit wollte man wohl ein warnendes Exem¬
pel statuieren18. Der Rechtsschutzverein erwog zwar, eine Delegation zum Prinzregen¬
ten zu schicken, aber der Mut war gebrochen. Die Entlassung „hat eine bedeutende
Abkühlung der verhetzten Gemüther hervorgerufen“, berichtete Bergrat Höchstet¬
ter19.
Das weitere Schicksal des St. Ingberter Rechtsschutzvereins lag nun im Ungewissen.
Bereits seit seiner Gründung war er als politischer Verein überwacht worden20 21. Bergrat
Höchstetter regte nun ein Verbot gemäß Sozialistengesetz an: „Alle Versammlungen
des Rechtsschutzvereins (werden) mit einem Hoch auf Seine Kgl. Hoheit den Prinzre¬
genten eröffnet, in Wirklichkeit segelt dieser Verein aber unter offener sozialdemokrati¬
scher Flagge“2x. Bezirksamtmann Schlagintweit erblickte in dem Verein ebenfalls „ein
Strikecomite der schlimmsten Art“, einen ,,Krebsschaden des Bergmannsstandes“, sah
aber in einem Verbot keine befriedigende Lösung: „Immerhin bin ich der Ansicht, daß
der Verein sobald er aufgelöst wird, in anderer Form wiederersteht und fortwirkt, so¬
lange nicht die Arbeitsordnungen der Werksbesitzer gegen solche Vereine Vorsorge tref¬
fen, wozu der Augenblick noch nicht gekommen erscheint“22. Auf Anordnung der Ge¬
neral-Bergwerks- und Salinen-Administration stellte Obereinfahrer Rudolph die zehn
Vorstandsmitglieder des Rechtsschutzvereins vor versammelter Belegschaft am 7. Au¬
gust 1890 vor die Wahl: Binnen acht Tagen Austritt aus dem Verein oder Kündigung23.
Bereits einen Tag später berichtete Bergrat Höchstetter hoffnungsfroh, daß es „zu er¬
15 Zweibrücker Zeitung vom 17. 5. 1890.
16 Bezirksamtmann Schlagintweit/ZW an RP Speyer vom 19. 5. 1890, LASP H 3/1867. Bergmei¬
ster Günther/IGB an BBA/ZW vom 16. 5. 1890, LASP N 1/236.
17 BR Höchstetter/ZW an OBA/München vom 17. 5. 1890, LASP N 1/236. Auf dieser harten
Linie liegt auch die Entscheidung der General-Bergwerks- und Salinen-Administration ,,betr.
Gesuch der Bergleute um Strafnachlaß“ an BA/IGB vom 24. 7. 1890, ebd.
18 Pfälzischer Merkur vom 16. 6. 1890 (Nr. 139). Kluding, S. 237.
19 BR Höchstetter/ZW an OBA/München vom 3. 7. 1890, LASP N 1/236.
20 Bezirksamtmann Schlagintweit/ZW an RP/Speyer vom 19. 5. 1890, LASP H 3/1867. RP
Braun/Speyer an bayrisches IM vom 6. 9. 1890, LASP H 3/942/11.
21 BR Höchstetter/ZW an OBA/München vom 3. 7. 1890, LASP N 1/236.
22 Bezirksamtmann Schlagintweit/ZW an LR/SB vom 19. 5. 1890, KrASB S/4a. Mit dem glei¬
chen Tenor am selben Tag an RP/Speyer, LASP H 3/1867.
23 Obereinfahrer Rudolph/IGB an BBA/ZW vom 7. 8. 1890, LASP N 1/236. RA Kollmar/ZW
an RP/Speyer vom 8. 8. 1890, LASP H 3/1867. Zweibrücker Zeitung vom 9. 8. 1890.
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