Zentrumspolitiker; Bildstock bestimmte man zum Sitz des RSV. Am 4. August trat der
Verein laut Satzung ins Leben9.
Der ,, Vorstandsausschuß“ — eben das Streikkomitee — reichte bereits am 6. Juli die
Statuten ein10. Demnach war der Vereinszweck rein privatrechtlicher Natur: ,,Dersel¬
be will die Rechte schützen, welche seinen Mitgliedern sowie deren Hinterbliebenen a)
gegenüber der Knappschaftskasse, b) gegenüber den Inspektionen, c) gegenüber der
Knappschaftsberufsgenossenschaft zustehen“. Diesen Rechten sollte durch ,,güttlichen
Vergleich Anerkennung verschafft“ werden, ansonsten durch ,,die Führung eines Pro¬
zesses, nötigenfalls durch alle Instanzen“. Der Syndikus sollte die Ansprüche des Mit¬
glieds prüfen und eventuell einklagen, die dabei erwachsenden Kosten schoß der RSV
vor. Mitgliedsberechtigt war ,,jedes Knappschaftsmitglied des Oberbergamtsbezirks
Bonn“. Der Jahresbeitrag betrug 50 Pfg.; an eine Streikkasse, Gemaßregeltenunterstüt-
zung oder andere gewerkschaftliche Aufgaben war also nicht gedacht. Dem Vorstand
stand der aus den örtlichen Vertrauensmännern bestehende ,,Ausschuß“ gegenüber. Er
sollte als Aufsichtsrat jährlich im Januar zusammentreten, den Rechenschaftsbericht
entgegennehmen, Entlastung erteilen und über sonstige Angelegenheiten Beschluß
fassen. Eine Neutralitätsklausel bezüglich Politik und Konfession fehlte. Grundlage
war die Vorstellung von der Einklagbarkeit traditioneller Rechtsansprüche.
Das Statut stimmte wortwörtlich mit dem des ,, Rechtsschutzvereins für die bergmänni¬
sche Bevölkerung im Oberbergamtsbezirk Dortmund“ überein11. Diese Organisation
war im März 1886 von Johannes Fusangel (1852 — 1910), dem Redakteur der katholi¬
schen ,, Westfälischen Volkszeitung“12 13, gegründet worden, um das bisher zersplitterte
Eingabenwesen auf dem Knappschaftssektor zusammenzufassen. Man wollte keine
neuen Rechte erstreiten, sondern reduzierte sich auf die prozessuale Verteidigung be¬
stehender Ansprüche. Das Engagement der Mitglieder beschränkte sich auf die Bei¬
tragszahlung. Dadurch sahen die Bergarbeiter den Verein nur während der Prozeßdau¬
er als Interessenvertretung an und neigten dazu, ihren Beitrag nur bei vorkommenden
Rechtsfällen zu zahlen. Zudem wurde die Organisation wegen der politischen Orien¬
tierung ihres Vorsitzenden schnell als ,,ultramontaner Wahlverein“ rschrien. Die an¬
fängliche Mitgliederzahl von 12 000 sank darum auf 8152 im Jahre 18881J.
Ende November 1889 hatten sich 6 731 Saarbergleute als RSV-Mitglieder eingeschrie¬
ben, am 31. Oktober des folgenden Jahres bereits 1891914. Der Kreis Saarbrücken lag
zu diesem Zeitpunkt mit 6749 Mitgliedern an der Spitze. Eindeutiger Schwerpunkt des
Vereins war damals Dudweiler mit 2 317 organisierten Bergleuten, aber auch die Bür¬
9 Dto. vom 29. 7. 1889, ebd., 97. LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 7. 1889, LHAK 442/4138.
BM Forster/Friedrichsthal an SA Fiepner/SB vom 27. 10. 1889, Kr ASB S/4a. Über den Zeit¬
punkt der RSV-Gründung herrscht in der Literatur heillose Verwirrung: E. Müller (S. 52),
Brandt (S. 65), Imbusch (S. 371) nennen Mitte Juni; Thoma, S. 265, verwechselt den
bergmännischen RSV mit dem ,,Allgemeinen Arbeiter-Rechtsschutzverein“.
10 Statutenexemplare SAFR, Best. RSV, 95 und KrASB S/10. Abgedruckt in Deutscher Allge¬
meiner Bergarbeiter-Zeitung vom 1. 9. 1889 (Nr. 1).
11 RP Winzer/Arnsberg an RP/Trier vom 26. 8. 1889, LHAK 442/4138. Oldenberg, S. 949.
Statut abgedruckt bei Imbusch, S. 691 f. und Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 749 — 751.
12 Vgl. Hemmer: Bergarbeiterbewegung, S. 106.
13 Vgl. Johannes Fusangel: Knappschaftsreform und Rechtsschutzverein. Ein Wort an die
Bergleute im rheinisch-westfälischen Industriebezirk, Bochum 1886. Imbusch, S. 267 — 273.
Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 330 — 339. K o ch , S. 31 f. Hemmer : Bergarbeiterbewegung,
S. 106 — 109. Tenf e 1 d e : Sozialgeschichte, S. 549 — 559. H a rt m ann , S. 145 — 148.
14 Nachweisung der RSV-Mitglieder durch BM Forster/Friedrichsthal vom 31. 10. 1890, KrASB
S/10, Abschrift LHAK 442/4254.
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