Die katholischen Bergleute, für die die Religion der notwendige Fluchtpunkt ihrer Exi¬
stenz bildete, sahen sich im Kulturkampf selbst angegriffen. Der als identisch empfun¬
dene soziale, politische und konfessionelle Gegensatz machte den katholischen Klerus
auch nach dem Abklingen des Kulturkampfes zum Verbündeten und Sprachrohr der
Bergarbeiter. Verstärkt wurde diese Affinität, die fast während der gesamten Streikpe-
riode bestehen bleiben sollte, durch den im Bistum Trier vorherrschenden intransigen¬
ten Flügel. Insofern bildete der Kulturkampf die logische Vorstufe zu den späteren so¬
zialen Auseinandersetzungen,die Einübung in den sozialen Konflikt, wenn auch in re¬
ligiösem Gewand. Für die Saarbergleute waren diese Erfahrungen mit Sicherheit hun¬
dertmal prägender als die des Sozialistengesetzes.
Speziell die Knappenvereine erhielten in dieser Phase neue Impulse. Im Vereinsleben
ließen sich nicht nur die Alltagserfahrungen kompensieren; hier war auch die wichtig¬
ste Stätte bergmännischer Meinungsbildung neben Arbeitsplatz und Nachbarschaft,
die Ortsgeistlichen lernten in den Vereinen die soziale Lage und Stimmung kennen, ei¬
ne Politisierung im Sinne der Zentrumspartei fand hier statt — insgesamt wichtige Vor¬
aussetzungen für die große Streikzeit.
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