von erfaßt. ,,lm Bergwerksbetrieb hat die Maschine die Hebung, Schleppung und Sor¬
tierung übernommen, nicht die Hauptarbeit, die des Häuers vor Ort“10, stellte bereits
Gustav Schmoller fest. Watts verbesserte Dampfmaschine wurde somit nur der ent¬
scheidende Faktor ,,für die immense Ausdehnung der alten Qualität der Produktion im
Bergbau“11. Infolge dieser Besonderheit konnten Produktionssteigerungen über Jahr¬
zehnte hinweg nicht durch Mechanisierung erzielt werden, sondern in erster Linie
durch das Wachstum der Belegschaften12. Eine Zunahme der Kohlenförderung hing
somit unmittelbar vom Arbeitsmarkt ab.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte das Saarrevier eine Bevölkerungsexplosion:
Zwischen 1800 und 1850 stieg die Bevölkerung um 76% an13 — eine jährliche Zuwachs¬
rate von 1,5%, die weit über den entsprechenden Durchschnittswerten in den übrigen
Regierungsbezirken der Rheinprovinz lag14. Ein Absinken der Sterblichkeitsrate bei
gleichbleibender bzw. leicht ansteigender Geburtlichkeitsrate sowie verstärkte Fami¬
liengründungen infolge der durch den Code Civil gelösten Koppelung von Heirat und
Existenzgrundlage bildeten dafür die Basis. Mit der Bestätigung der erst 1764 einge¬
führten Realerbteilung und der Beseitigung der Allmenden und Gemengelagen zerfiel
gleichzeitig die Agrargemeinde15. Die immer weitergehende Parzellierung führte mehr
und mehr zur Unrentabilität der Kleinbetriebe, Pauperismuserscheinungen nahmen
zu, eine strukturelle agrarische Reservearmee entstand. ,,Die Grundursachen der Ar¬
mut liegen in der Zersplitterung des Grundvermögens durch die in hiesigen Gegenden
üblichen Naturalteilungen. Der einzelne kann sich und die seinen auf der kleinen,
ererbten Parzelle nicht mehr ernähren und muß auswärts einen Nebenberuf suchen“,
10 Gustav Schmoller: Grundriß der Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1900, S. 219. Vgl.
Wächtler: Fortschritt und Tradition, S. 21 —30. Ders. : Bergarbeit zur Kaiserzeit. Die
Geschichte der Lage der Bergarbeiter im sächsischen Steinkohlenrevier Lugau-Oelsnitz
1889 — 1914 (= Geschichte der Fabriken und Werke, Bd. 9), Berlin 1962, S. 51 — 73. D e r s . :
Die Lebens- und Arbeitswelt der Bergarbeiterschaft vor und nach der industriellen Revolu¬
tion, in: Der Anschnitt 29 (1977), S. 102 — 109.
11 Eberhard Wächtler: Besonderheiten der Entwicklung der Produktivkräfte im Bergbau
während und im Gefolge der industriellen Revolution in Deutschland, in: Beiträge zur Ge¬
schichte des Bergbaus, Hüttenwesens und der Montanwissenschaften, Bd. I (= Freiberger For¬
schungshefte D 46), Leipzig 1964, S. 55 — 70, Zitat S. 64.
12 1850 lag die Jahresförderleistung pro Mann im preußischen Saarbergbau kaum über der des
Jahres 1773, vgl. E. Klein : Der Staat als Unternehmer, S. 333.
13 Fehn: Arbeiterbauerntum, S. 196. Gerhard Isbary: Regionale Probleme der Raumord¬
nung. Eine Untersuchung am Beispiel des Landkreises Saarbrücken als Mittelpunkt des saar¬
ländischen Verdichtungsraumes, Bad Godesberg 1963, S. 32. Eine Tabelle über die Bevölke¬
rungsentwicklung nach Landschaftszonen findet sich bei Rixecker, S. 76. Tabellen über die
Entwicklung im Kreis Saarbrücken bei Albert Ruppersberg: Geschichte des Saargebiets,
Bd. 1, Saarbrücken 1923, S. 303. Für den Kreis Ottweiler ebd., Bd. 2, Saarbrücken 1923, S.
473.
14 Vgl. Wolfgang K ö 11 m a n n : Bevölkerung in der industriellen Revolution. Studien zur Bevöl¬
kerungsgeschichte Deutschlands (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 12),
Göttingen 1974, S. 227.
15 Vgl. Schorr, S. 13 — 17. Weyand, S. 159 — 169. Jürgen K a r b ac h : Die Bauernwirtschaf¬
ten des Fürstentums Nassau-Saarbrücken im 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der
Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforscnung, Bd. 10), Saarbrücken
1977, S. 64 f. Hermann Overbeck: Die Saarwirtschaft um 1800. Eine historisch-wirt¬
schaftsgeographische Studie, in: VSWG 27 (1934), S. 209 — 234. Speziell zum Kreis Saarlouis:
Detlef Grieswelle / Willi Michel: Soziale Innovationen als Prozeßfaktoren der Industria¬
lisierung — dargestellt an einem Landkreis, in: Otto Neuloh (Hrsg.): Soziale Innovation und
sozialer Konflikt (= Studien zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im 19. Jahrhundert,
Bd. 15), Göttingen 1977, S. 198 -243.
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